key: cord-1054495-hjxo1bdb authors: Hüppe, Dietrich; Niederau, Claus; Serfert, Yvonne; Hartmann, Heinz; Wedemeyer, Heiner title: Versorgungsprobleme von Patienten mit chronischer Hepatitis C während der COVID-19-Pandemie und der Lockdown-Verordnungen date: 2020-11-09 journal: Z Gastroenterol DOI: 10.1055/a-1291-8518 sha: 6bab4c18e77d92b8557e132cd1b42e508866bc6d doc_id: 1054495 cord_uid: hjxo1bdb Background Healthcare services were faced with unprecedented challenges due to the COVID-19 pandemic and its associated lockdown regulations. In order to analyse the influence of the pandemic on the healthcare of patients with chronic hepatitis C in Germany, we carried out a structured questionnaire among all centres participating in the German Hepatitis C-Registry (DHC-R). Methods 320 centres of the DHC-R were invited to participate in an online survey. Of these, 74 centres had included ≥ 5 patients in the last 12 months. Findings A fully answered questionnaire was sent back by 64 centres. Due to the lockdown regulations, 11 % of the centres had stopped their regular consultation between March and May 2020; 58 % had reduced the consultations and 32 % did not change the consultations. More than 50 % of the appointment cancellations were done by the patients. 52 % of the centres offered a new or additional telephone consultation and 17 % offered a new video consultation. Between March and May 2020, the number of patients newly treated with antivirals was markedly lower when compared with the same period in 2019. All centres had returned to their usual consultation procedures in July 2020. Almost 80 % indicated that there were no significant limitations in patient’s healthcare. However, 22 % of the centres stated that liver decompensation was diagnosed late and 9.4 % stated that diagnosis of hepatocellular carcinoma was delayed. An adequate amount of personal protective equipment (including disinfectants) was available in 56 % of the centres. Official information by public healthcare authorities was considered sufficient by 63 % of the centres. Summary Diagnosis, therapy and monitoring of patients with chronic hepatitis C were impaired during the COVID-19 pandemic. Nevertheless, the majority of the centres did not see healthcare problems for these patients in the medium and long term. However, the fact that the diagnosis of liver decompensations with potential lethal consequences was delayed in a considerable number of patients causes major concern. denen Lockdown-Verordnungen stellen das Gesundheitswesen und die Patientenversorgung vor Herausforderungen. Um den Einfluss der COVID-19-Pandemie und der mit ihr verbundenen Einschränkungen auf die Versorgung von Patienten mit chronischer Hepatitis C zu erfassen, haben wir unter den am Deutschen Hepatitis C-Register (DHC-R) mitwirkenden Zentren eine Umfrage durchgeführt. Methodik Alle 320 für die Dokumentation im DHC-R freigeschalteten Zentren wurden zu einer internetbasierten Umfrage eingeladen. Davon hatten 74 Zentren im Verlauf der letzten 12 Monate mindestens 5 neue Patienten dokumentiert und zumindest die Screeningvisite abgeschlossen. Ergebnisse 64 Zentren haben an der Befragung teilgenommen. Aufgrund des Lockdowns zwischen März und Mai 2020 hatten 11 % der Zentren ihre Lebersprechstunde vorübergehend eingestellt, 58 % teilweise eingeschränkt und 32 % unverändert fortgesetzt. Mehr als die Hälfte der Terminabsagen ging von den Patienten aus. 52 % der Zentren haben neue oder zusätzliche Telefonsprechstunden und 17 % neue Videosprechstunden eingerichtet. Zwischen März und Mai 2020 wurden deutlich weniger neue Patienten antiviral behandelt als im gleichen Zeitraum 2019. Ab Juli 2020 kehrten alle Zentren zum üblichen Sprechstundenangebot zurück. Fast 80 % der befragten Zentren gaben keine wesentliche Einschränkung der Patientenversorgung an. Immerhin stellten aber 22 % der Zentren fest, dass eine Leberdekompensation erst später erkannt, und 9,4 % gaben an, dass ein hepatozelluläres Karzinom verzögert diagnostiziert wurde. Ausreichend Schutzausrüstung war bei 56 % der Zentren vorhanden. Mit den behördlichen Informationen waren 63 % der Zentren zufrieden. Zusammenfassung Diagnostik, Therapie und Überwachung von chronischen Lebererkrankungen waren durch die COVID-19-Pandemie beeinträchtigt. Nach Einschätzung der Mehrheit der Zentren kam es jedoch mittel-und langfristig zu keiner Unterversorgung. Sorge bereitete hingegen, dass gerade die akut lebensbedrohlichen Komplikationen wie die Leberdekompensation in erheblichem Maß verspätet erkannt wurden. Background Healthcare services were faced with unprecedented challenges due to the COVID-19 pandemic and its associated lockdown regulations. In order to analyse the influence of the pandemic on the healthcare of patients with chronic hepatitis C in Germany, we carried out a structured questionnaire among all centres participating in the German Hepatitis C-Registry (DHC-R). Methods 320 centres of the DHC-R were invited to participate in an online survey. Of these, 74 centres had included ≥ 5 patients in the last 12 months. Findings A fully answered questionnaire was sent back by 64 centres. Due to the lockdown regulations, 11 % of the centres had stopped their regular consultation between March and May 2020; 58 % had reduced the consultations and 32 % did not change the consultations. More than 50 % of the appointment cancellations were done by the patients. 52 % of the centres offered a new or additional telephone consultation and 17 % offered a new video consultation. Between March and May 2020, the number of patients newly treated with antivirals was markedly lower when compared with the same period in 2019. All centres had returned to their usual consultation procedures in July 2020. Almost 80 % indicated that there were no significant limitations in patient's healthcare. However, 22 % of the centres stated that liver decompensation was diagnosed late and 9.4 % stated that diagnosis of hepatocellular carcinoma was delayed. An adequate amount of personal protective equipment (including disinfectants) was available in 56 % of the centres. Official information by public healthcare authorities was considered sufficient by 63 % of the centres. Summary Diagnosis, therapy and monitoring of patients with chronic hepatitis C were impaired during the COVID-19 pandemic. Nevertheless, the majority of the centres did not see healthcare problems for these patients in the medium and long term. However, the fact that the diagnosis of liver decompensations with potential lethal consequences was delayed in a considerable number of patients causes major concern. Einleitung Die Ende 2019 erstbeschriebene Atemwegserkrankung COVID-19 wird durch eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 verursacht [1] ; die ersten Infektionen in Deutschland und anderen europäischen Ländern wurden Ende Januar 2020 festgestellt [1, 2] . Ab dem 11. März 2020 wurde die Infektion von der WHO als Pandemie bezeichnet [3] . Das Robert Koch-Institut (RKI) bewertete das Risiko für die Bevölkerung in Deutschland seit dem 17. März 2020 als "hoch" [4] , und am 25. März 2020 stellte der Bundestag eine "epidemische Lage von nationaler Tragweite" fest [5] ; zwei Tage später trat das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite in Kraft [6] . Um die Pandemie einzudämmen, beschlossen Bund und Länder Mitte März 2020 weitgehende Einschränkungen für das öffentliche Leben; diese erheblichen Einschränkungen betrafen auch viele andere europäische Länder und werden mit dem Begriff "Lockdown" beschrieben [7] . Seit Anfang Mai wurden einige Beschränkungen schrittweise wieder aufgehoben [8] ; inzwischen haben erneut steigende Infektionszahlen in einigen deutschen Regionen erneut zu einer Verschärfung dieser Einschränkungen geführt [9] . Die Pandemie und die mit ihr verbundenen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz hatten und haben erhebliche wirtschaftliche und soziale Folgen [10] [11] [12] . Die COVID-19-Pandemie stellt insbesondere auch das Gesundheitswesen und die Patientenversorgung vor große Herausforderungen. So berichtete die Initiative Qualitätsmedizin (IQM), die 310 Kliniken in Deutschland repräsentiert, während der Lockdown-Phase zwischen dem 13. März 2020 und 19. April 2020 von einem Rückgang der behandelten Herzinfarkte um 66 % im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahr 2019. Im gleichen Zeitraum nahm die Zahl der Darmkrebsoperationen um 64 % und die der Magen-krebsfälle um 68 % ab [13] . Eine Befragung der Mitglieder des Berufsverbandes niedergelassener Gastroenterologen (bng) ergab, dass die Darmkrebsvorsorge in der Zeit von Mitte März bis Mitte April 2020 in den teilnehmenden Zentren um wöchentlich mehr als 10 000 Untersuchungen abnahm und viele Praxen ihre Sprechstunden reduzierten oder gar keine neuen Patienten aufnahmen [14] . Die vorliegende Umfrage analysierte die Versorgungslage von Patienten mit chronischer Hepatitis-C-Infektion in großen deutschen Behandlungszentren während der ersten Monate der COVID-19-Pandemie. Um den Einfluss der COVID-19-Pandemie auf die Versorgung von Hepatitis-C-Patienten zu erfassen, führte die Leberstiftungs-GmbH Deutschland unter den am Deutschen Hepatitis C-Register (DHC-R) mitwirkenden Zentren in der Zeit vom 24. Juli 2020 bis zum 21. August 2020 eine strukturierte, internetbasierte Umfrage durch. In der Befragung sollte retrospektiv eingeschätzt werden, welchen Einfluss der o. g. Weiterhin wurde gefragt, ob die Pandemie nach Einschätzung der Zentren die Versorgung der Patienten mit einer chronischen Hepatitis C insgesamt verschlechtert hat. Fast 80 % der befragten Zentren (78 %) verneinten diese Frage. Es stellten aber 22 % der Zentren fest, dass eine Dekompensation der Lebererkrankung aufgrund der COVID-19-Pandemie erst später erkannt wurde; 9,4 % der Zentren gaben an, dass ein hepatozelluläres Karzinom (HCC) erst später diagnostiziert wurde (Mehrfachnennungen waren möglich). Weitere Fragen betrafen die Versorgung der Zentren mit Schutzausrüstung (inkl. Desinfektionsmittel) und behördlichen Informationen. 56 % gaben an, sie hätten stets ausreichend Schutzausrüstung gehabt, bei 28 % war dies nicht immer der Fall, und 14 % der Zentren hielten die Bereitstellung von Schutzausrüstung für dauerhaft unzureichend. Ähnliche Ergebnisse zeigten sich für die informative Unterstützung durch die Gesundheitspolitik bzw. das lokale Gesundheitsamt: 63 % der Zentren waren damit zufrieden, 28 % nur teilweise zufrieden und 9,4 % waren unzufrieden. Zusammenfassend zeigt die Umfrage, dass auch die Versorgung von Patienten mit einer chronischen Hepatitis C durch den Lockdown aufgrund der COVID-19-Pandemie akut beeinträchtigt wur-de. Wegen der strikten Lockdown-Phase von März bis Mai 2020 wurden in den deutschen Zentren deutlich weniger neue Patienten mit einer chronischen Hepatitis C behandelt als im gleichen Zeitraum 2019. Etwa 4 Monate nach Beginn des strikten Lockdowns und etwa 2 Monate nach den ersten Lockerungen wurde das vor der COVID-19-Pandemie bestehende Versorgungsniveau jedoch wieder erreicht. Fast 80 % der Zentren verneinten, dass die Pandemie die medizinische Versorgung von Hepatitis-C-Patienten mittel-bis langfristig beeinträchtigt habe. Mehr als 20 % der Zentren sahen hingegen eine Verzögerung der Diagnose von Leberdekompensationen und fast 10 % eine Verzögerung der HCC-Diagnosen. Diese Verzögerungen in der Diagnostik und damit auch Therapie dieser schwerwiegenden Komplikationen einer chronischen Hepatitis C sind insbesondere auch deshalb bemerkenswert, weil die wirksame Therapie der HCV-Infektion dazu geführt hat, dass durch HCV verursachte Leberdekompensation und Tumorentwicklung heute seltener geworden sind. Die jetzigen Daten zeigen zudem, dass mehr als 40 % der Zentren zeitweise oder sogar dauerhaft keine ausreichende Schutzkleidung hatten. Etwa 1/3 der Zentren war auch mit der Betreuung durch die Gesundheitsämter unzufrieden. Diese Zahlen belegen auch für den Bereich der durch HCV verursachten Lebererkrankungen, dass für kommende Pandemien oder andere schwere Katastrophen Verbesserungen in der Informationspolitik der Behörden und eine ausreichende Bevorratung von Schutzausrüstung für alle Akteure im Gesundheitswesen unbedingt anzustreben und einzufordern sind. Nur so sind ein adäquater Schutz der professionellen Helfer und eine optimale Patientenversorgung möglich. Unsere Daten veranschaulichen, dass die Zahl der antiviralen HCV-Therapien gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahrs abnahm. Angesichts der nahezu 100 % Heilungsrate von Hepatitis C ist somit von erhöhter Morbidität infolge verzögerter Therapieinitiierung auszugehen, wobei Ausmaß und Schweregrad nicht exakt festzustellen sind. Erste Mitteilungen zeigen, dass auch die Diagnosen von akuten Erkrankungen einschließlich Herzinfarkten und Schlaganfällen im März und April 2020 stark rückläufig waren; zudem kamen weniger Patienten mit Tumorerkrankungen (z. B. Magen-und Darmkrebs) zur Behandlung (15 gen nahmen ab. Insbesondere Vorsorgekoloskopien fielen in einer Größenordnung von 50 000-100 000 Untersuchungen aus oder wurden verschoben [14] [15] [16] . Ob diese Unterdiagnostik zu einer Übersterblichkeit oder zunehmenden Präsentation von Patienten im fortgeschrittenen Krankheitsstadium führt, bleibt abzuwarten [17] . Entsprechende Daten zu diesen Fragen können naturgemäß noch nicht vorliegen. Die erhobenen Daten zeigen, dass Diagnostik, Therapie und Überwachung von chronischen Lebererkrankungen durch den Lockdown beeinträchtigt wurden. Nach Einschätzung der befragten Zentren ist trotzdem mittel-und längerfristig keine Unterversorgung zu erwarten. Sorge bereit hingegen, dass infolge der COVID-19-Pandemie und der entsprechenden Lockdown-Verordnungen gerade die lebensbedrohlichen Komplikationen der chronischen Hepatitis C in erheblichem Maß verspätet erkannt wurden. Bei Einschränkungen aufgrund von COVID-19 oder auch bei anderen vergleichbaren Epioder Pandemien muss daher sichergestellt sein, dass Patienten mit hohem Risiko weitgehend uneingeschränkt betreut werden können und die Behandlungs-und Monitoringintervalle für weniger gefährdete Personen ausgedehnt werden können. Interessenkonflikt Yvonne Serfert hat keine Interessenkonflikte. Prof. Dr. Heinz Hartmann hat in den letzten 3 Jahren Zuwendungen (Vortragshonorare) erhalten von: Falk Foundation. Prof. Dr. Heiner Wedemeyer hat in den letzten 3 Jahren Zuwendungen (z. B. Vortragshonorare, Forschungsgelder oder Beraterhonorare) erhalten von Wir danken allen Ärzten und Studienassistenzen für ihre Teilnahme an der Umfrage Clinical and virological data of the first cases of COVID-19 in Europe: a case series Investigation of a COVID-19 outbreak in Germany resulting from a single travel-associated primary case: a case series World Health Organization. WHO Coronavirus Disease (COVID-19) Dashboard Informationen des RKI zur Häufung von Pneumonien in Wuhan dpa/ks: Bundestag stellt "epidemische Lage von nationaler Tragweite" fest. 25. März 2020. Abgerufen am 26.03.2020 unter Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2020 Teil I S. 587, ausgegeben zu Bonn am Erweiterung der beschlossenen Leitlinien zur Beschränkung sozialer Kontakte. Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder. Bundesregierung Einigung von Bund und Ländern: Weitreichende Lockerungen kommen Obergrenze überschritten -Wo neue Corona-Verschärfungen drohen Ausführliche Ergebnisse zur Wirtschaftsleistung im 2. Quartal 2020. Hrsg.: Statistisches Bundesamt Eltern während der Corona-Krise Covid-19-Krise und die erwarteten Auswirkungen auf F&E in Unternehmen Effekte von COVID-19-Pandemie und Lockdown auf die Versorgung von Krankenhauspatienten Auswirkungen der COVID-19-Pandemie Veränderung der vertragsärztlichen Leistungsinanspruchnahme während der COVID-Krise. Hrsg.: Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland 2020 Aktuelle Zahlen aus dem Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in Deutschland (ZI) Impact of SARS-CoV-2 pandemic on colorectal cancer screening delay: effect on stage shift and increased mortality