key: cord-1055904-sbvzjmcb authors: Loss, Julika; Boklage, Evgeniya; Jordan, Susanne; Jenny, Mirjam A.; Weishaar, Heide; El Bcheraoui, Charbel title: Risikokommunikation bei der Eindämmung der COVID-19-Pandemie: Herausforderungen und Erfolg versprechende Ansätze date: 2021-02-09 journal: Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz DOI: 10.1007/s00103-021-03283-3 sha: f5c114b62f91782f1c764beb689d38a9229456e7 doc_id: 1055904 cord_uid: sbvzjmcb Risk communication plays a central role in public health emergencies: it must enable informed decisions, promote protective or life-sustaining behaviour, and maintain trust in public institutions. In addition, uncertainties in knowledge must be named transparently; irrational fears and rumours must be refuted. Success factors for risk communication are the participation of citizens as well as the continuous recording of risk perception and risk competence in population groups. The current COVID-19 (corona virus disease 2019) pandemic poses specific challenges for risk communication. The state of knowledge on many important aspects concerning COVID-19 was and is often uncertain or preliminary, e.g. on transmission, symptoms, long-term effects and immunity. Communication is characterised by scientific language and an array of figures and statistics, which can render the content difficult to understand. Alongside the official announcements and statements by experts, COVID-19 is widely communicated on social media, spreading misinformation and speculation; this “infodemic” can complicate risk communication. Various national and international scientific projects will help tailor risk communication on COVID-19 to target groups and thereby render it more effective. These projects include explorative studies on how people deal with COVID-19-related information; the COVID-19 Snapshot Monitoring (COSMO) project, a regularly conducted online survey on risk perception and protective behaviour; and an interdisciplinary qualitative study that compares the design, implementation and effectiveness of risk communication strategies in four countries. Einleitung Die weltweite Pandemie der durch das Virus SARS-CoV-2 (severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2) ausgelösten Erkrankung COVID-19 hat die erhebliche Relevanz der Risikokommunikation hervorgehoben. Da die Eindämmung des Infektionsgeschehens wesentlich vom präventiven Verhalten der Gesamtbevölkerung abhängt (u. a. Tragen einer Alltagsmaske, Wahren von physischem Abstand), müssen die Menschen über dieses Schutzverhalten sowie dessen Notwendigkeit zeitnah, bedarfsgerecht und effektiv aufgeklärt werden. Der vorliegende Artikel wird zunächst auf die Rolle von Risikokommunikation bei Public-Health-Notlagen allgemeiner Art eingehen. Anschließend werden Kriterien erläutert, die für eine wirksame Risikokommunikation aufgestellt werden können. In der Folge werden spezifische Herausforderungen thematisiert, die die COVID-19-Pandemie an die Risikokommunikation stellt, und anhand aktueller internationaler Beispiele illustriert. Es werden 3 laufende Forschungsprojekte vorgestellt, die verschiedene Aspekte der Risikokommunikation zu COVID-19 untersuchen; daraufhin werden Empfehlungen für die Risikokommunikation bei COVID-19 abgeleitet. So soll der Artikel auch helfen zu verstehen, wie sich Wissenschaft, Public-Health-Praxis und Politik besser auf zukünftige Ausbruchsituationen und Krisen vorbereiten können. Was ist Risikokommunikation? Eine zentrale Aufgabe von Public Health ist es, gesundheitliche Risiken zu verringern, die durch Lebensverhältnisse oder menschliches Verhalten entstehen, und gesundheitsförderliche Faktoren zu stärken. Die Kommunikation spielt dabei eine wichtige Rolle [1] . Gesundheitskommunikation umfasst die Vermittlung und den Austausch von Informationen, welche die Gesundheit und Gesunderhaltung, aber auch Krankheit, diagnostische und therapeutische Verfahren betreffen [2, 3] . Oft kommen hier Massenmedien über Funk, Fernsehen, Plakatwände und das Internet zum Einsatz [4, 5] . Als Teilbereich wird die Risikokommunikation abgegrenzt, die die Öffentlichkeit zielgerichtet über Risiken informieren soll, z. B. über die Art, Bedeutung und Kontrollierbarkeit eines Risikos [6] . Die Weltgesundheitsorganisation (WHO; [7] ) definiert Risikokommunikation als "Austausch von Informationen, Empfehlungen und Meinungen zwischen Experten und der Bevölkerung angesichts von Bedrohungen für ihre Gesundheit und/oder ihr wirtschaftliches oder soziales Wohlergehen". Lundgren und McMakin differenzieren darüber hinaus zwischen "Care Communication", d. h. der Risikokommunikation, die sich auf riskante Lebensstile wie Tabakrauchen oder die Nebenwirkungen von klinischen Therapien bezieht [8, 9] , und der "Crisis Communication" (Krisenkommunikation) bzw. der Risikokommunikation in akuten Public-Health-Notlagen [10] . Sie kommt bei plötzlichen, unerwarteten Gefahren wie Pandemien, Naturkatastrophen, Hungersnöten oder Bioterrorismus zum Tragen. Bewältigung der Krise erfolgreich umgesetzt werden [11] . Risikokommunikation muss informierte Entscheidungen ermöglichen, schützendes bzw. lebenserhaltendes Verhalten fördern und das Vertrauen in öffentliche Institutionen bewahren [12, 13] . Effektive Risikokommunikation kann die Risikokompetenz in der Bevölkerung fördern, also die Fähigkeit, informiert, kritisch und reflektiert mit Risiken umzugehen. Hierzu gehören statistisches Denken, heuristisches Denken, Systemwissen (z. B. über das Gesundheitswesen) und psychologisches Wissen [14] . Expertinnen und Experten bzw. Behörden müssen bei Public-Health-Notlagen schnell kommunizieren, um den Menschen ein Gefühl persönlicher Kontrolle wiederzugeben und Schaden abzuwenden; gleichzeitig müssen sie sich der Herausforderung stellen, dass in Krisensituationen die Sachlage oft unübersichtlich und unsicher ist und sich kontinuierlich ändert. In Public-Health-Krisen sind Bürgerinnen und Bürger meist akut besorgt über ihre Gesundheit und fragen daher gesundheitsbezogene und handlungsleitende Informationen verstärkt nach. Diese erhöhte Nachfrage, aber auch die Dynamik, mit der sich Sachlagen, Erfahrungen und Expertenwissen ändern können, führen zu einer hohen Frequenz an gesundheitsbezogenen Botschaften während Public-Health-Notlagen. Zarocostas [15] zitiert eine WHO-Vertreterin mit der Aussage, dass jedes Ausbruchsgeschehen von einem "Tsunami an Informationen" begleitet werde. Um unterdiesenschwierigenRahmenbedingungen Menschen zu erreichen und so informieren zu können, dass sie in der Lage sind, sich selbst und andere zu schützen -also risikokompetent handeln können -, muss Risikokommunikation bestimmte Kriterien erfüllen. Diese Kriterien basieren auf verschiedenen Modellen und Theorien für Risikokommunikation, wie sie unter anderem von Covello und Sandman [16] beschrieben wurden. Die Theorie des psychischen Lärms (englisch "mental noise theory") beispielsweise beschreibt, dass die Fähigkeit von Rezipientinnen und Rezipienten, Ri-sikoinformationen wahrzunehmen und zu verarbeiten, stark beeinträchtigt ist, wenn sie unter Bedrohung oder Stress stehen [17] . Dieses Modell impliziert, dass Kommunikationsbotschaften während einer Krise klar und verständlich, gut strukturiert und leicht zugänglich sein müssen; Wiederholung und Visualisierung können die Klarheit der Kommunikation verbessern. Die Theorie der Vertrauensbestimmung (englisch "trust determination theory") geht davon aus, dass es für eine effektive Risikokommunikation unerlässlich ist, Vertrauen aufzubauen. Die größte Herausforderung besteht darin, dass die Öffentlichkeit in Krisenzeiten zunehmend skeptischer gegenüber Behörden und Autoritäten wird. Um glaubwürdig zu sein, muss die Kommunikation daher von Empathie, Kompetenz und Transparenz geprägt sein [18] . Das Modell der negativen Dominanz (englisch "negative dominance model") basiert auf der Beobachtung, dass die Menschen in einer Krise, wenn sie verängstigt oder wütend sind, negativen Informationen und Ergebnissen mehr Aufmerksamkeit schenken und sich eher auf potenzielle Verluste denn auf mögliche Chancenund positive Entwicklungen konzentrieren [16] . Hinweise auf Gefahren sollten daher mit lösungsorientierten Botschaften flankiert werden. Die Theorie der Risikowahrnehmung (englisch "theory of risk perception") bezieht sich auf die Vorstellung, dass die Wahrnehmung von Gefahren oftmals durch Faktoren bestimmt wird, die nicht unbedingt mit dem tatsächlichen Schweregrad dieser Gefahren korrespondieren, sondern z. B. mit dem Grad an moralischer Empörung und gefühlter Hilflosigkeit. Diese sogenannten Empörungsfaktoren (englisch "outrage factors" [19, 20] ) zeichnen Chapman und Wutzke [21] am Beispiel der öffentlichen Reaktion auf geplante Mobilfunkmasten nach, wo z. B. unausweichliche und als unfair empfundene Risikoexposition, fehlende Kontrollierbarkeit sowie ausbleibende Dialogbereitschaft der Verantwortlichen zu einer großen öffentlichen Risikowahrnehmung führten. Als Gegenbeispiel eines gefährlichen Gesundheitsrisikos mit niedrigem Empörungsfaktor kann z.B. die Grippe (Influenza) gelten. Malecki et al. beschreiben, wie sich bei der COVID-19-Pandemie in den USA die Empörungsfaktoren über die Zeit verändern und damit die Risikowahrnehmung hinsichtlich SARS-CoV-2 gestiegen ist [22] . Risikokommunikation muss auf die besonderen Eigenschaften der Risikowahrnehmung und Informationsverarbeitung in der Bevölkerung eingehen und auch verschiedene Bevölkerungsgruppen berücksichtigen, um in Public-Health-Notlagen handlungsleitende und lebensrettende Botschaften zu transportieren. Kapazitäten und Kompetenzen zur Risikokommunikation sollten prophylaktisch und strategisch entwickelt werden und integraler Bestandteil von Bereitschafts-und Reaktionsplänen z. B. für Ausbrüche von Infektionskrankheiten sein. Die WHO hat einen Leitfaden veröffentlicht, um die am Krisenmanagement beteiligten Akteurinnen und Akteure dabei zu unterstützen, eine effektive Risikokommunikation zu implementieren [13] . Auch die US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention haben ein Handbuch zur Krisenund Notfallrisikokommunikation herausgegeben, das Theorie und Praxis der Reaktion auf Public-Health-Notlagen im öffentlichen Gesundheitswesen darstellt [23] . Aus den unterschiedlichen Modellen und LeitlinienzurRisikokommunikation lässt sich eine Reihe von Kriterien identifizieren, die in Public-Health-Notlagen berücksichtigt werden sollten. Public-Health-Notlagen müssen Menschen sehr schnell informiert und befähigt werden, sich selbst und andere zu schützen. Dies kann nur gelingen, wenn den Expertinnen und Experten bzw. Regierungsorganisationen, die über die Risiken aufklären und Handlungsempfehlungen geben, ausreichend Vertrauen entgegengebracht wird. Das ist nicht selbstverständlich, zumal gesundheitliche Krisensituationen Ängste schüren und die Skepsis gegenüber Behörden und Autoritäten erhöhen können [12, 24] . Die Art der Risikokommunikation kann dazu beitragen, Vertrauen in Botschaften und Institutionen herzustellen, z. B. indem fundierte, akkurate Informationen zeitnah, kompetent und verständlich vermittelt werden [13] . Die Botschaften müssen zudem empathisch sein und die betroffenen Bevölkerungsgruppen respekt-und verständnisvoll ansprechen [10, 24] . Es gibt auch Faktoren, die das Vertrauen der Bevölkerung in Risikokommunikation untergraben können, so zum Beispiel das Zurückhalten von Informationen, fehlende aktive Einbindung der Öffentlichkeit oder Uneinigkeit zwischen Expertinnen und Experten [10] . In akuten Public-Health-Notlagen muss sich Risikokommunikation mit einer komplexen, sich ständig verändernden Ausgangslage und einem unvollständigen Wissensstand auseinandersetzen. Empfehlungen können sich immer wieder ändern, wenn die Krisensituation sich weiterentwickelt oder neue Erkenntnisse, z. B. zur Übertragung von Erregern, generiert werden [13] . Wenn Expertinnen und Experten oder Entscheidungstragende über Risiken informieren, sollten sie transparent machen, was bekannt ist, aber auch wozu die Kenntnisse bislang nicht ausreichen oder unsicher sind [25] . Botschaften sollten entsprechend formuliert werden [26, 27] . Gleichzeitig darf der wiederkehrende Hinweis auf die Unsicherheit des vermittelten Wissens nicht dazu führen, dass die Bevölkerung zusätzlich beunruhigt wird. Ziel von Risikokommunikation muss sein, dass sich Menschen innerhalb der Grenzen verfügbaren Wissens angemessen informiert fühlen [28] . Balance zwischen Alarmierung und Beruhigung. In einer akuten gesundheitlichen Bedrohung ist von einer emotionalen Stimmungslage auszugehen, die von Angst, Wut, Verstörung und Unsicherheit geprägt ist [10, 24] . Es besteht die Gefahr, dass die Bevölkerung oder manche Risk communication plays a central role in public health emergencies: it must enable informed decisions, promote protective or life-sustaining behaviour, and maintain trust in public institutions. In addition, uncertainties in knowledge must be named transparently; irrational fears and rumours must be refuted. Success factors for risk communication are the participation of citizens as well as the continuous recording of risk perception and risk competence in population groups. The current COVID-19 (corona virus disease 2019) pandemic poses specific challenges for risk communication. The state of knowledge on many important aspects concerning COVID-19 was and is often uncertain or preliminary, e.g. on transmission, symptoms, long-term effects and immunity. Communication is characterised by scientific language and an array of figures and statistics, which can render the content difficult to understand. Alongside the official announcements and statements by experts, COVID-19 is widely communicated on social media, spreading misinformation and speculation; this "infodemic" can complicate risk communication. Various national and international scientific projects will help tailor risk communication on COVID-19 to target groups and thereby render it more effective. These projects include explorative studies on how people deal with COVID-19-related information; the COVID-19 Snapshot Monitoring (COSMO) project, a regularly conducted online survey on risk perception and protective behaviour; and an interdisciplinary qualitative study that compares the design, implementation and effectiveness of risk communication strategies in four countries. Risk perception · Risk competence · SARS-CoV-2 · Crisis management · Media Bevölkerungsgruppen die Risiken stark überschätzen, was Ängste verstärken und Überreaktionen hervorrufen kann. Die Kommunikation muss dieser Situation Rechnung tragen und darauf abzielen, irrationale Ängste zu verhindern und die Öffentlichkeit -in einem vertretbaren Maße -zu beruhigen. Die "Angst vor der Angst", d. h. die Sorge vor einer öffentlichen Panik, darf hingegen keine Rechtfertigung dafür sein, Ängste unbegründet zu zerstreuen und Bedrohungen kleinzureden. Risiken müssen klar benannt werden, um Verhaltensempfehlungen rechtfertigen zu können und um glaubwürdig zu bleiben. Sandman fasst diese Schwierigkeit prägnant zusammen: "We have these two very different activities, both called risk communication: alerting people and reassuring them" [29] . Verständnis unterschiedlicher Bedarfe und Partizipation. Die Risikokommunikation muss auf die spezifischen Bedarfe unterschiedlicher Gruppen zugeschnitten sein. Um komplexe kulturelle und sozioökonomische Unterschiede sowie Unterschiede in der Fähigkeit, Risikobotschaften zu verstehen und einzuordnen, zu berücksichtigen, ist es sinnvoll, Betroffene, Bevölkerungsvertretungen und Multiplikatoren in die Formulierung von Botschaften einzubinden [30] . Vulnerable Gruppen fühlen sich oftmals bei Maßnahmen des Risikomanagements nicht ausreichend berücksichtigt [31] . Daher kann es hilfreich sein, die Risikokommunikation bewusst als Dialog bzw. zweiseitige Kommunikation anzulegen [12, 13] sowie die Wirkung der Botschaften kontinuierlich zu evaluieren. Zudem müssen Public-Health-Institutionen mit Gemeinden, Städten, betroffenen Bevölkerungsgruppen und lokalen Organisationen aktiv zusammenarbeiten ("community engagement"). Dazu müssen lokale Schlüsselakteurinnen und -akteure an Entscheidungen beteiligt werden, um sicherzustellen, dass Maßnahmen bedarfsgerecht sind und gemeinsam getragen werden [12, 13] . Allianzen mit relevanten Akteurinnen und Akteuren. Vernetzungen mit anderen Institutionen und Expertinnen und Experten sollen genutzt werden, um Informationen auszutauschen und die Kommunikation aufeinander abzustimmen. Wenn die Botschaften zwischen verschiedenen Expertinnen und Experten und Akteurinnen und Akteuren nicht konsistent sind, führt das zu Misstrauen in der Bevölkerung [24] . Monitoring und Evaluation. Nur wenn man die Zielgruppenerreichung und Wirkung von Risikokommunikation kontinuierlich erfasst und bewertet, können die am besten geeigneten Vorgehensweisen und Tools in einer Public-Health-Notlage identifiziert werden [13] . Eine Evaluation muss verschiedene Fragen beantworten: Inwieweit klärt die gewählte Kommunikationsstrategie Bevölkerungsgruppen über die Gesundheitsrisiken auf? Werden Schutzmaßnahmen verstanden und akzeptiert? Kann Vertrauen bei Kooperationspartnerinnen und -partnern und der Bevölkerung aufgebaut werden [12] ? Die Antworten müssen kontinuierlich in die weiteren Planungen zur Risikokommunikation integriert werden. Effektive Risikokommunikation ist ein dynamischer, interaktiver und adaptiver Prozess, denn die Reaktion der Bevölkerung kann sich verändern, z. B. indem Gerüchte entstehen oder Fehlinformationen kursieren [26] . Das Widerlegen von falschen oder verzerrten Informationen gehört daher auch zu einer gelingenden Risikokommunikation. Die Vorgehensweisen, die sichaufbauend auf diesen Kriterien bewährt haben, werden in . Tab. 1 zusammengefasst. Inwieweit sie an spezifische Charakteristika von Public-Health-Krisen angepasst werden müssen, soll im Folgenden am Beispiel der COVID-19-Pandemie aufgezeigt werden. Spezifische Herausforderungen an die Risikokommunikation während COVID-19 kann die Glaubwürdigkeit der Risikokommunikation beeinträchtigen, muss es aber nicht [37] . Die Ausmaße der Pandemie haben zu einer Flut an offiziellen Mitteilungen, Experteneinschätzungen und Medienberichten geführt. Kommuniziert wird auf verschiedenen Ebenen: von der Wissenschaft, von der Politik und den Behörden, von Journalistinnen und Journalisten und Nachrichtenorganen sowie in großem Umfang über soziale Medien [36, 37] , in denen Bürgerinnen und Bürger selbst in ihren Netzwerken die Bedeutung von Risiken und Schutzfaktoren aushandeln [38] . In der COVID-19-Pandemie erweist sich zunehmend als Herausforderung,ausderschierenMenge anInformationen die relevanten und richtigen herauszufiltern [36] . Zudem werden Fehlinformationen und Spekulationen ver-breitet und die technischen Fortschritte in der Kommunikation sowie die weitverbreitete Nutzung von sozialen Medien amplifizieren die Auswirkungen von Falschmeldungen und Gerüchten [39] . Man spricht daher auch davon, dass die Pandemie von einer "Infodemie" (englisch "infodemic") begleitet wird [37, 40] . Die Reaktion auf diese "Infodemie" muss Teil der COVID-19-Risikokommunikation sein. Dabei kann sie sich nicht nur auf das Widerlegen von Fehlinformationen und Bekämpfen von Gerüchten beschränken, sondern muss auch proaktiv die digitale Gesundheitskompetenz verbessern, Diskurse in sozialen Medien engmaschig erfassen ("social listening") und den Wissenstransfer zwischen Wissenschaft, Politik und Medien verbessern [36, 40] . [37] . Sandman beschreibt für die USA, dass der sogenannte Lockdown sehr plötzlich, ohne differenzierte Erläuterung und ohne eine echte öffentliche Debatte mitgeteilt und umgesetzt worden sei [41] . Eine Diskussion über die Vor-und Nachteile hätte die Entscheidung transparenter gemacht, argumentiert Sandman. Leask und Hooker hingegen weisen darauf hin, dass es bei der Kommunikation über COVID-19-bedingte Schulschließungen in Australien gerade die öffentliche Debatte war, die zu Verwirrung und Misstrauen geführt habe [45] . Sie heben hervor, dass die inkonsistenten Botschaften unterschiedlicher Entscheidungstragender, z. B. der australischen Regierung, der Territorialregierungen und prominenter Kommentatorinnen und Kommentatoren, zur Abnahme des Vertrauens der australischen Bevölkerung in die offiziellen Empfehlungen und Aktivitäten geführt haben [35, 45] . Die bisherigen Analysen der Risikokommunikation während COVID-19 zeigen, dass die Kriterien für gelingende Risikokommunikation in Public-Health-Notlagen nicht immer leicht umsetzbar sind. Laut Sandman fürchteten sich Expertinnen und Experten sowie Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger davor, kritisiert zu werden, wenn sich frühzeitige Warnungen wegen COVID-19 als "falscher Alarm" herausstellen würden, nachdem schon 2005 eindringlich vor den möglichen schweren Folgen der Vogelgrippe gewarnt worden war, die sich dann -ähnlich wie 2010 die Schweingrippe -als vergleichsweise harmlos herausgestellt hatte [41] . Aufgrund der hohen Bedeutung von Glaubwürdigkeit ist es sinnvoll, die Auswirkungen der Risikokommunikation in Public-Health-Notlagen engmaschig zu evaluieren [36] . In Finnland erfolgt z. B. eine wöchentliche qualitative Auswertung der COVID-19-bezogenen E-Mails und Social-Media-Botschaften, die an das staatliche Institute for Health and Welfare gerichtet sind. Die Inhalte der Nachrichten werden kategorisiert hinsichtlich des wahrgenommenen Katastrophenpotenzials, der Hypothesen über Infektionsgefahren, des Gefühls der Kontrollierbarkeit der Situation und des Vertrauens in die Regierung. Aus den Ergebnissen werden Empfehlungen für die Risikokommunikation abgeleitet [46] . Die COVID-19-Pandemie geht mit einer Flut von Kennzahlen, Statistiken und Grafiken einher, die für die Öffentlichkeit publiziert werden. Sie werden teilweise von der Wissenschaft, häufig jedoch von (Daten-)Journalistinnen und Journalisten erstellt und verbreitet. Ziel hierbei ist, die Aufmerksamkeit der Leserinnen und Leser zu wecken und zu erhalten, also vor allem ansprechend zu sein. Allerdings werdendie Materialienmeistnichtdarauf getestet, ob sie das Verständnis der Leserinnen und Leser erhöhen oder überhaupt verstanden werden. Viele Menschen, darunter auch Expertinnen und Experten, inklusive Medizinerinnen und Mediziner, tun sich ohne entsprechendes Training schwer, Statistiken und Grafiken zu verstehen [47] . Um dem entgegenzuwirken, bietet die Risikokommunikationsforschung verschiedene Formate, die -gerade auch im medizinischen Kontext -das Verständnis von Statistiken und Zusammenhängen erhöhen [48] . Beispielsweise helfen sogenannte natürliche Häufigkeitsbäume ("natural frequency trees") auch statistisch wenig gebildeten Personen dabei, die Güte von medizinischen Tests zu verstehen [49] . Jüngst wurden sie zur Kommunikation der Tücken von SARS-CoV-2-Antikörpertests vorgeschlagen [50] . Die Vor-und Nachteile von präventiven Interventionen, inklusive Impfungen, können mit sogenannten Faktenboxen dargestellt werden, die Expertinnen und Experten sowie Laien das Verständnis der Inhalte erleichtern [51] und die Bevölkerung dabei unterstützen, informierte Entscheidungen zu Verhaltensweisen zu fällen, die in der COVID-19-Pandemie thematisiert werden. Künftig sollten mehr wissenschaftliche erprobte Kommunikationsformate für Zahlen und Grafiken verwendet werden. Die COVID-19-Pandemie hat die (medizinische) Forschung ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Selbst Boulevardzeitungen diskutieren wissenschaftliche Debatten und Begriffe, und wissenschaftliche Vorabveröffentlichungen (Preprints) werden breit verwendet. Allerdings fehlt vielen in der Bevölkerung das Verständnis des wissenschaftlichen Prozesses und der Wissenschaftskultur. So können Veränderungen von Empfehlungen, die sich aus neuer Evidenz ergeben, die Öffentlichkeit irritieren und verwirren. Außerhalb des Wissenschaftsbetriebs fehlt das Bewusstsein, dass kritische Debatten über wissenschaftliche Erkenntnisse kein Ausdruck von Schwäche der Wissenschaft sind, sondern grundlegendes und notwendiges Element des wissenschaftlichen Fortschritts darstellen. Besonders bei der Kommunikation von Empfehlungen und Empfehlungsänderungen sollten die relevanten wissenschaftlichen Schritte und Prozesse mitkommuniziert werden, um Verständnis hierfür zu fördern. Die Wechselwirkungen zwischen Risikokommunikation, Risikowahrnehmung und Verhalten im Kontext der COVID-19-Pandemie sind bislang wenig untersucht worden. Um sich auf künftige Ausbruchssituationen und Public-Health-Krisen besser vorbereiten zu können, sollte die einzigartige Gelegenheit genutzt werden, die die COVID-19-Pandemie für die Analyse der Risikokommunikation bietet. Drei Forschungsprojekte aus Deutschland werden in der Folge vorgestellt. Um die Risikokommunikation bestmöglich zu gestalten, sollten Informationsstand, das Informationsbedürfnis und die Risikowahrnehmung in der Bevölke-rung regelmäßig beobachtet werden [52] . In der COVID-19-Pandemie geschieht dies in Deutschland seit Anfang März 2020 mit einem regelmäßigen Bericht, dem COVID- 19 Mit Risikokommunikation kann die für Public-Health-Notlagen relevante Gesundheitskompetenz gefördert werden. In einem qualitativen Forschungsprojekt sollen Erkenntnisse zur Relevanz der Gesundheitskompetenz von Jugendlichen bei der Umsetzung von Infektionsschutzmaßnahmen generiert werden. Einerseits sind junge Menschen zwischen 15 und 34 Jahren die Altersgruppe, bei der in absoluten Zahlen SARS-CoV-2 am zweithäufigsten nachgewiesen werden kann [58] ; zugleich lässt sich im Alltag bei dieser Gruppe ein von den Empfehlungen abweichendes Schutzverhalten beobachten [59, 60] , welches in den Medien oft stigmatisierend behandelt wird (Jugendliche als leichtsinnige "Regelbrecher"). Gleichzeitig berichten Jugendliche, dass COVID-19-bezogene Informationen oftmals nicht für ihre Altersgruppe aufbereitet sind [61] . Sie fühlen sich zudem bei politischen Entscheidungen, die ihre unmittelbare Lebenswelt betreffen, nicht ausreichend gehört, was besonders wichtig ist, da die Eindämmungsmaßnahmen erhebliche Einschnitte in die Alltagsroutinen und das altersentsprechende Verhalten von Jugendlichen mit sich bringen. Die Studie ist Bestandteil des Projektes "Messung der Gesundheitskompetenz von Jugendlichen (MOHLAA) -Teil 2" des Robert Koch-Instituts und will explorieren, auf welche Art und Weise Jugendliche welche Informationen zu SARS-CoV-2, COVID-19 und Infektionsschutzmaßnahmen suchen und erhalten, wie sie diese verstehen und bewerten, erleben und anwenden, ob und wie das Thema innerhalb ihrer Familie und Peergruppe kommuniziert wird. Damit soll das Projekt beitragen zu klären, ob die Risikokommunikation klar, vertrauenswürdig und bedarfsgerecht wahrgenommen wurde. Das qualitative Studiendesign bietet eine geeignete Gelegenheit, der bisher in der Pandemie wenig gehörten Gruppe der Jugendlichen eine Stimme zu ver-leihen. Es werden Fokusgruppen eingesetzt, die ein tiefgehendes Verständnis und Nachzeichnen der Wahrnehmung, der Deutung und des Werturteils von Jugendlichen bezüglich der COVID-19-Pandemie ermöglichen können [62, 63] . Damit können die Ergebnisse der Studie zum Verständnis spezifischer Bedarfe in unterschiedlichen Gruppen beitragen und so Risikokommunikation verbessern helfen. Die Studie entspricht damit auch der Empfehlung, Risikokommunikation bewusst als Dialog bzw. zweiseitige Kommunikation anzulegen [12, 13, 30] . Die Studie läuft von Juli 2020 bis Februar 2021. Die dargestellten Projekte analysieren in unterschiedlichen Zielpopulationen (COSMO: Allgemeinbevölkerung, RCCE Study: vulnerable Gruppen, MOHLAA: Jugendliche), wie der Wissensstand zu COVID-19, die Risikowahrnehmung und die Akzeptanz der Eindämmungsmaßnahmen sind. Damit geben sie wichtige Hinweise, ob es gelungen ist, klar, vertrauenswürdig und verständlich zu den COVID-19-Risiken zu kommunizieren. Zudem können in diesen Gruppen besondere Informationsbedarfe erfasst werden, die helfen können, die Risikokommunikation auf Belange bestimmter Zielpopulationen zuzuschneiden. Die Studien entsprechen damit auch der Forderung nach Evaluation und Monitoring der Risikowahrnehmung. Während die COSMO-Berichte eine quantitative Auswertung ermöglichen, erforscht MOHLAA über das qualitative Studiendesign ausführlicher, über welche Kommunikationsformen und -kanäle sich Gesundheitskompetenz zu COVID-19 entwickelt. Die RCCE-Studie verfolgt einen breiteren Ansatz, indem auch die gesamten Risikokommunikationsstrategien von Regierungen analysiert und hinsichtlich ihrer Auswirkungen untersucht werden. Es gibt bewährte Leitlinien und Goldstandards für effektive Risikokommuni-kation in Public-Health-Notlagen. Die COVID-19-Pandemie stellt die Risikokommunikation dennoch vor besondere und auch neue Herausforderungen. Dazu gehören vor allem die über Monate ständigwachsende,sichverändernde Evidenz zu Prävention, Verlauf und Therapie der Infektionskrankheit, das Präventionsparadox, komplexe (statistische) Konzepte, die es zu kommunizieren gilt, aber auch die massive öffentliche Kommunikation, die dazu in den sozialen Medien stattfindet. Hinzu kommt, dass im öffentlichen Diskurs die Wissenschaft stark in den Fokus gerückt ist und mit ihr eine Vielzahl an Kennzahlen und Statistiken. Um unter diesen Rahmenbedingungen effektiv kommunizieren und die Risikokommunikation dynamisch anpassen zu können, benötigt man eine kontinuierliche Evaluation der Risikowahrnehmung in Bevölkerungsgruppen; dazu gehört auch das öffentliche Verständnis von numerischen Fakten und Wahrscheinlichkeiten. Mittelfristig können Analysen, die die Wirksamkeit von Risikokommunikationsstrategien untersuchen und vergleichen, helfen, auf zukünftige Krisensituationen effektiv reagieren zu können. Ethische Aspekte von präventiven Kommunikationskampagnen The history and development of the field of health communication Moderne Gesundheitskommunikation -eine Einführung Die Risiken der Risikokommunikation und die Rolle der Massenmedien Social Marketing -Verführung zum gesundheitsbewussten Verhalten? Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg) Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention World Health Organisation, Pan American Health Organization(2020)COVID-19 riskcommunication and community engagement (RCCE) planning template Communicating risk Was Ärzte wissen müssen: Die Kunst der Risikokommunikation Risk communication. A handbook for communicating environmental, safety, and health risks Risk communication as a core public health competence in infectious disease management: development of the ECDC training curriculum and programme An introduction to risk communication Communicating risk in public health emergencies: a WHO guideline for emergency risk communication (ERC) policy and practice Risk savvy: how to make good decisions How to fight an infodemic Risk communication: evolution and revolution. In: Wolbarst A (Hrsg) Solutions to an environment in peril Effective risk and crisis communication during water security emergencies: summary report of EPA sponsoredmessagemappingworkshops Responding to community outrage: strategies for effective risk communication Risk communication: facing public outrage Not in our back yard: media coverage of community opposition to mobile phone towers-an application of Sandman's outrage model of risk perception Crisis communication and public perception of COVID-19 risk in the era of social media Crisis + emergency risk communication CERC: introduction When the facts are just not enough: credibly communicating about risk is riskier when emotions run high and time is short Communicating uncertainty about facts, numbers and science Effective risk communication for public health emergency: reflection on the COVID-19 (2019-nCoV) outbreak in Wuhan Risikokommunikation unter Unsicherheit. Kompetenznetz Public Health COVID-19, Bremen 28. National Research Council (1989) Improving risk communication Responding to community outrage: strategies for effective risk communication Leitlinie evidenzbasierte Gesundheitsinformation Evidencesynthesis-evaluating risk communication during extreme weather and climate change: a scoping review COVID-19: towards controlling of a pandemic Responding to community spread of COVID-19. Interim guidance SARS-CoV-2 pandemic: an overview How to fight an infodemic: the four pillars of infodemic management Enhancing global health communication during a crisis: lessons from the COVID-19 pandemic The emergence of risk communication networks and the development of citizen health-related behaviors during the COVID-19 pandemic: social selection and contagion processes Leveraging media and health communication strategies to overcome the COVID-19infodemic Framework for managing the COVID-19 infodemic: methods and results of an online, crowdsourced WHO technical consultation Minneapolis 42. Gollust SE, Nagler RH, Fowler EF (2020) The emergence of COVID-19 in the U.S.: a public health and political communication crisis COVID-19 outbreak in Malaysia: actions taken by the Malaysian government As new coronavirus spread, China's old habits delayed fight How risk communication could have reduced controversy about school closures in Australia during the COVID-19 pandemic Understanding coronavirus disease (COVID-19) risk perceptions among the public to enhance risk communication efforts: a practicalapproachforoutbreaks Assessing minimal medical statisticalliteracyusingtheQuick Risk Test: a prospective observational study in Germany Helping doctors and patients make sense of health statistics Meta-analysis of the effect of natural frequencies on Bayesian reasoning How to determine when SARS-CoV-2 antibody testing is or is not useful for population screening: a tutorial A simple tool for communicating the benefits and harms of health interventions: a guide for creating a fact box Expertenbeirat Influenza (Hrsg) (2016) Nationaler Pandemieplan Teil II -Wissenschaftliche Grundlagen. RKI Monitoring behavioural insights related to COVID-19 Simply rational: decision making in the real world Ergebnisse aus dem COVID-19 Snapshot Monitoring COSMO: Die psychologische Lage. 19 Wellen KW 10-34 Robert Koch-Institut: COVID-19-Dashboard Jugendliche feiern in der Friedrichsau -Polizei muss Verstärkung mit Hunden anfordern Polizei stoppt Corona-Leichtsinn in Regensburg Erfahrungen und Perspektiven von jungen Menschen während der Corona-Maßnahmen urn:nbn: de:gbv Konzeption und Durchführung von Fokusgruppen am Beispiel des BMBF-Projekts "Übergewicht und Adipositas bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen als systemisches Risiko Methodische Aspekte der Durchführung von Fokusgruppen in der Gesundheitsforschung.WelcheAnforderungenergeben sich aufgrund der besonderen Zielgruppen und Fragestellungen? GESIS