■MW; 1 m v\ ;:•■': l il mHH r ■ MH mT'H «et ■ p«n im» 11 mim I ■ litt ■ Hl $?■,''•:'.':.& ; I I nl'' BIKif ■ OH Iva HNii HH $Ä IMS H mm Wli Warn ÜB ■niis H Hi Oass—l Book — Forschungen auf dem Gebiete des Alterthoms j»f\ W. ADOLPH SCHMIDT. Erster Vheil. Die Griechischen Papyrasarkaadea der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin, bei G. Fincke. IS4«. I :,. ; -..;; n : ::•":■.:-". ' ^ l ^-V: « -■; •- ■ - :• - -■■<>:* ;•; ■ .v-'i I Forschungen auf dem Gebiete des Alterthnms ♦von Ihr. W. ADOLPH SCHMIDT, Privatdocent der Geschichte a. d. Universität zu 1'erhV Mrster Tkeil. Berlin, bei G. Fincke. •849. Die Griechischen Papyrusnrkunden der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Entziffert und erläutert ,9 . JDr. W. ADOLPH SCHMIDT. Mit 2 Facsimile's und I Plan. ... ■ i n n-^ irrvT Berlin, bei G. Fincke. *S* SU .ei ■ M««.Dirr Dem Geheimen Regier ungs-Rath Herrn Angnst Böckb Ritter des Civil -Verdienst- Ordens in Hochachtung und Dankbarkeit gewidmet. 1 ; W ierundfunfzig Jahre sind verflossen, seit Schow den ersten griechischen Papyrus bekannt machte; aber nur aus einer ermüdenden Reihe von Namen bestehend, erregte derselbe keine Theilnahme und ward verges- sen. Dreiunddreissig Jahre hindurch lag dies kaum eröffnete Feld der Wissenschaft wieder brach. Da gaben Sie durch die Veröffentlichung der Nechutes- urkunde der Papyrusliteratur einen neuen und den ersten wahrhaft belebenden Anstoss. In immer grös- serer Fülle strömten fortan die Schätze Aegyptens nach Europa; mit immer grösserer Thätigkeit wurde von allen Seiten her das ergiebige Feld bebaut, und wenn bisber auch keine klassischen Früchte eingeern- tet wurden, wie man sie Anfangs erhofft und erzielt: so ward doch eine Quelle erschlossen, welche uns mitten in das Leben der ägyptischen Vorzeit zurück- versetzt, indem sie die bunten Ereignisse desselben als eine unmittelbare Gegenwart uns vorführt. Indem ich es nun unternommen habe, die griechischen Papyras- urkunden der hiesigen Königlichen Bibliothek, die ein- zigen von Bedeutung welche Berlin besitzt, zu ent- ziffern und zu erläutern, kann mir wohl kein Wunsch mehr am Herzen liegen, als diese Arbeit unter den Auspicien Desjenigen erscheinen zu sehen, dem die- ser Zweig der Literatur die erste einladende Blüthe verdankt. Wenn aber diesen Wunsch noch ein an- derer zu überbieten vermag: so ist es nur der, Ihnen als meinem hochgeschätzten Lehrer und theilnehmen- den Rathgeber ein erneutes Zeichen der Ehrfurcht und Liebe darzubringen, die ich als eine der schön- sten Errungenschaften aus den Verhältnissen der Ver- gangenheit davon getragen und für die Zukunft mei- nes Lebens mit unwandelbarer Treue zu hüten be- dacht sein werde. Mögen Sie denn — und dies darf ich vertrauensvoll hoffen — meine geringe Gabe mit väterlichem Wohlwollen empfangen, und der Unvoll- kommenheit des Lehrlings eingedenk die Strenge des Meisters vergessen. Vorwort. iÄur durch die entgegenkommende Liberalität der Kö- niglichen Akademie der Wissenschaften bin ich in den Stand gesetzt worden, diese Arbeit der Oeffentlichkeit zu übergeben; denn unser heutiger Buchhandel, fern da- von geistige Mühen durch materielle Entschädigungen aufzuwiegen, fordert vielmehr in Fällen wie der gegen^ wärtige obendrein noch materielle Opfer. Indem ich da- her die Gelegenheit ergreife, dem erhabenen Vereine mei- nen tiefgefühlten Dank öffentlich auszusprechen, bleibt mir nur der Wunsch übrig, dass meine Leistung der ge- währten Unterstützung nicht unwürdig befunden werden möge. Zugleich sei es mir gestattet, die hochgeschätz- ten Gelehrten, welche mit ihren Einsichten meinen Be- strebungen mehr oder minder zu Hülfe kamen, nament- lich die Herren Bergk, Böckh, Lachmann, Lepsius und Pinder, so wie die ehrenwerthen Beamten der Königlichen Bibliothek, durch deren preiswürdige Bereitwilligkeit mir das Geschäft so vielfach erleichtert ward, meiner aufrich- tigen Erkenntlichkeit zu versichern. Eine dankbare Erwäh- nung gebührt auch der zuvorkommenden Mittheilung des Herrn Letronne in Paris, auf welche ich im Anhang näher eingehen werde, und der Gefälligkeit meines Freundes, des Dr. Hirsch, der sich einer Revision der zweiten Cor- rectur unterzog. — Die Facsimile's der Urkunden habe ich wie mir schliesslich verstattet worden, Behufs des unmittelbaren Umdrucks auf den Stein, so weit es die Gebrechlichkeit derselben zuliess mittelst Durchpausung aufgenommen, jedoch erst nachdem der grösste Theil der Arbeit bereits die Presse verlassen hatte; bei der An- fertigung des Planes der Gegend von This und Abydos folgte ich den Entwürfen der französischen Expedition, durch Combinirung des Plan general des environs d' Aby- dos (Ant. 4. Planch. 37) mit der Karte des neuern Aegyp- tens (Planch. Ant. 4. 5. etat moderne, letztes Blatt), in- dem ich den Massstab der Letztern vergrösserte und die neuen topographischen Bestimmungen, welche sich aus dem Allg. Comm. II. §. 32 ff. ergeben, eintrug. Die in den Urkunden vorkommenden Siglen, so wie die in den Commentar eingeschalteten hieroglyphischen, hieratischen und demotischen Gruppen sind in Metall ausgeführt wor- den; das angewandte koptische Alphabet ward von Herrn Beyerhaus hierselbst neu gegossen. Sinnentstellende Druckfehler sind wie ich hoffe ganz vermieden; die an- stössigsten habe ich am Ende des Buches berichtigt; bei minder bedeutenden rechne ich stillschweigend auf die Nachsicht der Leser. — Schliesslich glaube ich dem möglichen Vorwurfe, als ob für eine so geringe Zahl von Urkunden der Aufwand zu gross sei, durch die Bemer- kung begegnen zu dürfen, dass die vier äusserlich da- von abhängigen Abhandlungen (Allg. Comm. II. III. IV und V), welche den Hauptbestandteil der Arbeit aus- machen, zugleich auch jede für sich einen Anspruch auf selbstständige Geltung haben. Berlin im October 1842. Inhalt. Seite Einleitung l Bedeutung der Papyrusurkunden überhaupt 3 Notwendigkeit einer Sammlung derselben ... . . 3 Ihre wichtigsten Stapelplätze 4 Die Berliner Urkunden 5 Die griechischen Papyre der Königl. Bibliothek. 5 Zeit und Herkommen . 5 Aeussere Beschaffenheit 6 Inhalt im Allgemeinen 9 Verwahrung und Standpunkt des Herausgebers 10 Urkunden 13 Facsimile's Texte und Uebersetzungen 15 Allgemeiner Commentar 21 1. Analyse und Zusammenhang der Urkunden . 23 II. Thi s und Abydos, sprachlich, geographisch und hi- storisch erläutert 27 Sachlage 27 1. Form und Bedeutung des Namens This . 2. Form und Bedeutung des Namens Abydos 3. Die Localität der Stadt Abydos .... 4. Die Localität der Stadt This 5. Zur Geschichte von This und Abydos . Seife 28 43 62 69 79 111. Die Purpurfärberei und der Purpurhandel im Alterthum 96 Gesichtspunkte. Literatur 96 I. Begriff der Purpurfärberei 99 IL Die Verschiedenheit der Purpurfarben .... 103 III. Charaktere der Purpurfarben im Allgemeinen . . 107 1. Der Gegensatz der Buccin- und der Pur- purfarbe 107 2. Der Gegensatz der natürlichen und der künstlichen Purpurfarben 112 3. Der Gegensatz der Purpurfarben im engern Sinne und der sogenannten Conchylienfarben 115 IV. Die Erzeugung der verschiedenen Purpurfarben im ßesondern US L Die natürlichen Purpurfarben 119 2. Die Buccinfarbe 123 3. Die künstlichen Purpurfarben 124 A. Die beiden künstlichen Purpurfarben im engern Sinne 124 Bedeutung von Blatta 130 B. Die sogenannten Conchylienfarben . . . 136 C. Die combinirten Purpurarten 145 Entwickelungsstadien der Purpurfärberei . 148 V. Die zu färbenden Stoffe und die Art der Färbung. 151 VI. Von der Qualität des Purpursaftes 154 VII. Der Purpurluxus 157 VIII. Das Purpurgeschäft 163 III Seit« IX. Ueber die Lage der Purpurmanufacluren . . . 168 X. Zur Geschichte des Purpurhandels 172 IV. Das System der ägyptischen Körpermasse . 213 Anknüpfungspunkt. Hinblick auf die ägyptischen Längenmasse 213 I. Von den Massen des Trocknen 219 A. Das ältere System 219 1. Die Artabe 220 2. Das In oder das grosse In ... . 224 3. Die Kuphe 227 4. Das Oiphi 236 B. Das jüngere System 245 C. Der kubische Inhalt der Masse beider Sy- steme 248 II. Von den Flüssigkeitsmassen . 257 1. Das Kyphi oder In 257 2. Die Mna 272 3. Die Thibi 279 4. Der Gapagi 279 V. Beiträge der Papyrusliteratur zur Geschichte der Tutel 282 1) Die Vormundschaft der Tibellas 282 2) Die Procura des Juden Isak 286 3) Die vormundschaftlichen Beziehungen anderer Pa- pyrusurkunden 292 Der Casati'sche Papyrus 293 Der Anastasy'sche Papyrus 296 Der Barisehe Papyrus 29S Besonderer Commentar 303 Anmerkungen zu Papyrus I. . . 305 IV Seite Ueber die Aufschrift auf der Kehrseite 358 Ueber das beiliegende Fragment ........ 359 Anmerkungen zu Papyrus II. 362 Anhang 397 Zusätze und Berichtigungen . . 399 Einleitung. Mwie griechischen Papyrus Urkunden haben eine doppelte Bedeutung in der Wissenschaft; sie bereichern die Sprachkunde und commentiren das ägyptische Leben. Aber weder die Philologie noch die geschichtliche AI- terthumskunde haben bisher die Erträge derselben in sich aufgenommen; kein einziges Wörterbuch, keine Gram- matik, kein Geschichtswerk nimmt auf sie, so viel ich weiss, irgend eine erhebliche Rücksicht; sie erscheinen auch nach ihrer Herausgabe noch als ein todter Schatz. Und was ist der Grund dieser Erscheinung? Ich glaube ihn mit Gewissheit darin zu erkennen, dass die Urkun- den in einer ziemlich weitschichtigen und äusserst kost- baren Literatur vereinzelt und zerstreut daliegen, also den Augen des Forschers mehr oder minder entrückt sind; die Herbeischaffung und Durchmusterung dieser Literatur um eines einzelnen sprachlichen oder sachlichen Momentes halber, ist in der That mit so grossen Weit- läufigkeiten verknüpft, dass aus ihrer Unterlassung kaum Jemanden ein Vorwurf gemacht werden kann. Es ge- bricht also au einem Gesammtüberblick, und eine Samm- lung aller griechischen Papyrusurkunden stellt sich mehr und mehr als ein dringendes Bedürfniss heraus. Ich habe dies bei mir selbst empfunden, als ich, die Spuren einer einzelnen Richtung des ägyptischen Lebens verfolgend, entschlossen genug war, sie auch in der Papyruslitera- 1* 4 Einleitung. tur aufzusuchen; bald sah ich ein, dass die Beschränkung auf meinen Zweck fast eine ebenso grosse Mühe in An- spruch nehme, als die Veranstaltung einer vollständigen Sammlung. Ich legte mir demnach eine solche zu eige- nem Handgebrauche an; schon übersteigt sie die Zahl 90, und nicht leicht dürfte mir von den gedruckten Urkun- den Eine entgangen sein. Es ist nun zwar meine Absicht, auch dem allgemeinen Bedürfnisse durch eine Gesammt- ausgabe möglichst zu genügen; doch scheint es zweck- gemäss, noch einige Zeit damit anzustehen, da wir grade für die nächste Zukunft wesentlichen Erweiterungen ent- gegensehen. Die wichtigsten Stapelplätze der griechischen aus Aegypten stammenden Papyrusurkunden sind nämlich Wien, Turin, Leyden, London, Paris und Berlin. Die Schätze der beiden Ersteren sind durch Petrettini 1 ) und durch Amad. Peyron 2 ) seit etwa 16 Jahren vollständig veröffentlicht. Die Herausgabe der Leydener Urkunden, von denen schon Reuvens 3 ) im Jahre 1830 eine übersicht- liche Kunde gab, ist seit 1839 unter Leemans 4 )? die der Londoner LTrkunden seit demselben Jahre unter Forshall 5 ) in vollem Gange. Die Veröffentlichung der zahlreichen Pariser Papyre durch Letronne steht, dem Rapport du secretaire perpetuel de l'Acadernie royale des Inscrip- tions et belles-lettres vom 8. Januar v. J. zufolge, in der J ) Papiri Greco-Egizi ed altri greci monumenti dell' J. R. Museo di Corte. Vienna 1826. fol. 2 ) Papyri Graeci regii Taurinensis Musei Aegyptii. Taurini 1826. 27. II Vol. 4. 3 ) Lettres ä Ms. Letronne sur les papyrus bilingues et grecs etc. du musee d'antiq. de Leide. Leide. 4. 4 ) Monum Eg. du mus. d'Antiq. des Pays-Bas, publ. d'apres les ordres du gouvernement. fol. 5 ) Description of the Greek Papyri in the british Museum. Part I. London, fol. — In neuester Zeit erschien: Benard. Peyron, Papiri Greci del museo Britannico di Lontfra e della bibl. Vaticana. Einleitung. 5 allernächsten Zukunft zu erwarten; die Commission der literarischen Arbeiten hat entschieden, dass dieselben die Theile XV und XVI der Notice des manuscripts bilden sollen; eine fernere Verzögerung ist mithin nicht mehr zu befürchten. Die griechischen Urkunden des ägypti- schen Museums zu Berlin sind von Letronne in dem Catalogue des antiquites decouvertes en Egypte par Ms. Passalacqua (Paris 1826), die griechischen Beischriften der ägyptischen Papyrusrollen desselben Museums theils von Buttmann 1 ), theils von Droysen 2 ) entziffert und er- läutert worden. Dagegen blieben bisher die Urkunden der hiesigen Königlichen Bibliothek unberührt; und doch sind grade sie sowohl die ausführlichsten als die interes- santesten; ihrer Entzifferung und Erläuterung sind die folgenden Blätter gewidmet, und damit zugleich die nur spärlichen Quellen Berlins überhaupt erschöpft. Die griechischen Papyre, welche die König- liche Bibliothek besitzt, bestehen in zwei vollständi- gen Urkunden aus dem Anfange des 7ten Jahrhunderts nach Ch. : Beide liegen unter Glas und Rahmen; die Eine ent- hält 35, die Andere 31 Zeilen; keine von ihnen ist nu- merirt, daher will ich jene mit No. 1, diese mit No. 2 bezeichnen. Ueber die Art ihrer Erwerbung, und mithin über ihre Herkunft, weiss ich leider Nichts zu sagen; aber der Vorwurf trifft nicht mich; denn ungeachtet aller Nachfragen konnte ich von keinem Beamten der Bibliothek Auskunft erlangen, und es fand sich sogar, dem mir gewor- denen Bescheide gemäss, dass selbst die Archive derselben nicht den geringsten Vermerk darüber enthalten. Solche Uebelstände dürfte man freilich in Berlin am allerwenig- sten erwarten; kaum brauche ich daher zu betheuern, wie schwer es auch mir fiel, mich von dein Unglaubli- ') Erklärung der griecb. Beischrift auf einem ägypt. Pap. aus der der Minutolischen Sammlung. Berlin 1824. a ) Rhein. Mus. von Niebuhr und Brandis Th. III. p. 491 ff. 6 Einleitung. chen zu überzeugen: die einzige Thatsache in Betreff der Urkunden sei die, dass sie da sind. Unser Bedauern aber ist um so tiefer und begründeter, als — ein trauri- ges Zusammentreffen — grade unser Fall einer der sel- tenen und in der Papyrusliteratur bisher sicher der ein- zige ist, wo, wie wir sehen werden (Allg. Comm. IL §. 32), die Kenntniss des Fundortes von wahrhafter Wich- tigkeit, von entscheidender Bedeutung wäre. Viel- leicht — und gern halte ich an dieser schwachen Hoffnung fest — dienen meine aufrichtigen Worte dazu, mit der Zeit eine Aufklärung zu veranlassen, die ich selber für den Augenblick zu geben nicht vermag. Die Urkunde No. 1 ist 13 x / 4 Zoll lang und 5 3 / 4 Zoll breit; sie ist von oben nach unten mittendurch- gerissen, und ebenso in die Quere, grade als wenn sie in die Länge und in die Breite geknifft gewesen und die Kniffe gebrochen wären; dergestalt besteht sie nunmehr aus vier an Grösse und Form einander ziemlich gleichen Fragmenten (a, b, c, d). In der Mitte der rechten Seite ist ein Stück ausgerissen, so dass bei b die untere, bei d die obere Ecke auf dieser Seite fehlt. Da die Urkunde unbefestigt zwischen den beiden Gläsern lag, so hatte sich b auf a und d auf c geschoben; überdies befand sich an der rechten Seite von b ein Papyrusschnitzel mit einigen Buchstaben beschrieben, der, wie ich bald erkannte, gar nicht zu dem Documente selbst gehörte. Diese Umstände veranlassten die Auseinandernähme der Gläser; die Fragmente wurden zurecht geschoben und mit Gummi befestigt, der überflüssige Schnitzel aber von seinem ursprünglichen Platze weggenommen und am un- teren Ende der Urkunde in die Quere beigelegt, um ihn als eine blosse Zugabe zu markiren. Diese Opera- tion vollzog der Custos der Bibliothek, Herr Dr. Pin- der, dem ich überhaupt für seine acht wissenschaftliche und wahrhaft uneigennützige T heilnahm e an meinen Be- mühungen den aufrichtigsten Dank hiermit insbesondere Einleitung. 7 auszusprechen mich gedrungen fühle. — Noch bemerke ich, dass die Kehrseite des Documentes anderthalb Zei- len Schrift enthält; hierdurch und weil auch der bei- gefügte Streifen auf beiden Seiten beschrieben ist, ward die Einlegung zwischen zwei Gläser bedingt. Dagegen ist die Urkunde No. 2 auf der einen Seite fest aufgeklebt, muss also auf der andern keine Schrift weiter enthalten haben. Sie ist 13 V 4 Zoll lang und 4 1 /, Zoll breit, ohne Längen- und Quer -Risse, aber auf der rechten Seite vielfach abgenutzt; hier findet sich auch ein grösseres und ein kleineres Loch, wo- durch das Ende dreier Zeilen beschädigt ward. Ueber- dies sind, wohl in Folge des Aufklebens, die Fasern vielfältig aufgesprungen und selbst verschoben, dergestalt dass z. B. in der zweiten Zeile ein Paar Buchstaben quer aufeinander liegen. Das Material beider Urkunden erscheint mir schlech- ter, namentlich lockerer und gebrechlicher als im Allge- meinen bei denen der früheren Jahrhunderte; die Farbe ist mehr braun als gelblich, und fällt bei No. 1 sogar ins Dunkel- oder Roth -Braune. Wahrscheinlich waren die dazu genommenen Häute die mehr der äussern Schale als dem innern Marke der Papyrusstaude zugewandten Lagen; denn hiernach bestimmte sich hauptsächlich die geringere oder grössere Güte (s. Ritschi: die Alex. Bi- blioth. S. 128). Dafür scheint auch die Breite zu sprechen, die bei No. 2 über 5 Daumenbreiten, bei No. 1 sogar de- ren fast 7 einnimmt, während sonst die Breite das Mass einer Spanne nicht übersteigt d. h. circa 5 Finger breit ist (Mb. H. N. XIII. 12. Isidor. Orig. VI. 10. cf. Win- ckelmann's Briefe an Bianconi S. 7, 10, 12 in der Aus- gabe von Eiselein Bd. IL; Ritschi a. a. 0. S. 124). Die Dinte unserer Urkunden ist ungleich; auf No. 1 frischer, auf No. 2 aber, mit Ausnahme der grossen Schrift am Ende, so ausserordentlich matt, dass man beim ersten Anblick an allem Erfolge nothwendig verzweifeln muss; und hierin 8 Einleitung. liegt vielleicht der Grund, dass Niemand bisher die Ent- zifferung versuchte. An manchen Stellen ist denn auch die Dinte wirklich erloschen; namentlich hat auf Pap. 2 die rechte Seite in ihrer ganzen Länge, und auf Pap. 1 die linke Seite von Fragin. c und der mittlere Längen- strich von Fragm. d, so wie die Aufschrift auf der Kehr- seite gelitten. Dass die Handschrift an sich sehr unleserlich sei, kann man grade nicht behaupten; doch ist sie allerdings nichts weniger als schön, sondern sorglos und flüchtig. Dies und das öftere Ineinandergreifen der Wörter, so wie das häufige Abkürzen, steigert in der That nicht wenig die Schwierigkeiten, wozu schon die vielen Risse, die Ver- bleichung der Dinte, das gänzliche Verschwinden wesentli- cher Züge u. s.w. hinlänglich Anlass geben; daher mir denn, ehe ich vollständig im Zusammenhange war, die Lesung gar mancher Wörter und Phrasen, wie beispielsweise in Pap. 1 das or/ovfjbtvqg (Iin. 3), das Wdrov xai (lin. 10), das VTioüTccascag (lin. 15), das to Jt ällo (lin. 22), das r^ds rfi oiioXoyiq. (lin. 34), in Pap. 2 das yalrjroTccTOV (lin. 3), das £ t aavT^g (lin. 24) u. s. w. allerdings nicht wenig Mühe kostete. Indessen kommt man mit Geduld und Ausdauer viel weiter als man beim ersten Anlauf denkt. Und so ist es mir denn auch gelungen, den Inhalt beider Urkunden im Wesentlichen vollständig zu enträthseln. Natürlich musste ich, wo die Schriftzüge nicht ausreichten,, zu hypotheti- schen Ergänzungen meine Zuflucht nehmen; dieselben habe ich stets mit einer eckigen — [] — -, dagegen die aufgelösten Abkürzungen des Schreibers mit einer Bo- genklammer — () — bezeichnet. Nur an vier Stellen (I, 24. 27. 34. 2, 1) habe ich mich, der grössern Unsicherheit halber, jeder Ergänzung im Texte selbst enthalten zu müssen geglaubt. Die Länge der Zeilen ist nicht immer gleich; der Grund liegt augenfällig in der Absicht, das Abbrechen mitten in einem Worte zu vermeiden; deshalb ward es Einleitung. 9 lieber stark abgekürzt, oder damit eine neue Zeile begon- nen. Wirklich findet überhaupt nur dreimal eine Trennung statt, nämlich in No. 2 lin. 11: Uavo — onoXscog, lin. 28: vno — YQixipag und lin. 29: ans — Ävöoc, — welche Aus- nahmen sich schon daraus erklären, dass es sich hier um Composita handelt; überdies gehören die beiden letzte- ren nicht der Hand des Gerichtsschreibers, sondern der quittirenden Unterschrift an. Das Jota subscriptum fin- det sich nirgend; ich hätte es daher füglich im Texte auslassen dürfen; doch bequemte ich mich der heutigen Sitte. An Spuren der Unwissenheit und Nachlässigkeit, wie man deren in fast allen Papyrusurkunden wahrnimmt, fehlt es auch in den hier gebotenen nicht; dahin dürfen wir das sv xco^ri Qivog (1 , 12. 2, 13) und das ysvo^svrj Q>iv6g (in der Aufschrift zu 1) rechnen, so wie den Geni- tiv i% {jbrjTQog statt des Nominativs (1, 7), das Ts%d-f]$ statt xeyv7\g (1, 16), das einfache fi in dem Perf. pass. von ygacfM (1, 18. 30), das überflüssige x^g vor Toocpijg (1, 23), das ßovXrjdiT] für ßovXy&sirj (1, 27), die Auslassung des xig (ibid.), das sla statt slai (1, 30), das ngoyocccpcog statt noo- yocccpscog (2, 10), das zur Unterschrift gehörige honst, für idoxsi (2, 27) u. s. w. Ueberhaupt aber muss die Phi- lologie der gefährlichen Lockung widerstehen, den Mass- stab der Eleganz auch da anlegen zu wollen, wo die gesunde Kritik von vorn herein nur unbehülflicher Aus- drucksweisen gewärtig sein darf. Der nur mangelhaft gebildete Dorfschreiber in einer byzantinischen und noch dazu barbarischen Provinz konnte nimmermehr ein atti- scher Redner oder Stilist sein. So viel vorläufig in Betreff des Aeussern und der Form. Ebenso genüge vor der Hand über den Inhalt im Allgemeinen Folgendes: Beide Urkunden sind Pri- vatdocumente. No. 1 ist ein Mi eths contra et, und zwar nicht dinglicher Art, sondern Personenvermiethung be- treffend; Dioskoros verdingt sich als Arbeiter bei dem Purpurhändler Pachymios. Die Papyrusliteratur wird hier- 10 Einleitung. durch um eine neue Gattung bereichert. No. 2 ist dem Grundgedanken nach eine Quittung, aber den bis- her edirten Papyren gegenüber von ebenso eigentüm- licher, neuer Art, wie jener 3Iiethseontract; Kallinikos stellt nämlich demselben Pachymios diese Quittung aus über eine, durch die Stipulationen eines nicht mehr vor- handenen Lieferungsvertrages bedingte, Terminal- oder Ratenzahlung. Aller Wahrscheinlichkeit nach stam- men beide Urkunden aus dem Grabe des Pachymios, ihres Inhabers. Weiterer Bemerkungen glaube ich mich hier enthal- ten zu müssen, damit nicht die Einleitung zu einem förm- lichen Commentar, und der Commentar zu einem blossen Anhang werde. Nur ein Wort der Verwahrung noch sei mir gestattet, zweien wissenschaftlichen Extremen gegenüber. Es giebt in unserer Zeit nicht Wenige, welche von der stolzen Höhe des Gedankens, als des alleinseligmachenden Principes, verächtlich herabschauen auf die Minutien des realen For- schens, als des ketzerischen Treibens beschränkter Na- turen; diese sehen nicht oder wollen nicht einsehen, dass in dem Bau der Wissenschaften grade die positiven Ein- zelheiten die festen Mauersteine, und die Abstractionen nur den Mörtel bilden, dass also das Eine so unentbehr- lich sei als das Andere. Freilich sind Reste der Ver- gangenheit, wie die hier erschlossenen, an sich nur win- zig; weil aber, wie das Thier der Vorwelt nur aus den übrig gebliebenen Knochen, so auch die Vergangenheit des Menschengeschlechts nur aus den erhaltenen Trümmern reconstruirt werden kann, so hat jedes Steinchen in dem Schutte, jeder Bröckel in dem Gerolle seine Bedeutung; denn sie sind eben Theile dieser Trümmerwelt und mit- hin Zeugnisse der Vorzeit. — Aber ebenso falsch auch ist es allerdings, mit dem blossen Dasein der Einzelheit, mit den Trümmern, den Stein chen und Bröckeln als sol- chen Abgötterei zu treiben. Die beschränkte, leere AI- Einleitung. 11 terthüinelei ist nicht minder — wenn auch in anderem Sinne — eine behagliche Traum-, Schein- und Schat- tenliebe, wie die stolze sich iu sich selbst befriedigende Speculation: wie diese mit den Gebilden ihrer Phan- tasie, so liebäugelt jene mit todtem Plunder als Surrogat der lebendigen Wirklichkeit. Diesen Fetischmus können wir nicht theilen, noch gar zu fördern trachten. Der Werth aller Dinge auf der Welt besteht nicht in ihrem Dasein, sondern in dem Gebrauche, den man von ihnen macht; deshalb ist aber auch die Wissenschaft nicht eine blosse Aneinanderreihung loser Einzelheiten, sondern viel- mehr die Erkenntniss des gegenseitigen Zusammenhanges derselben; und schon die Ueberzeugung dass dem so sei, sollte statt — wie so oft geschieht — die Einzelheit als werthlos zu verdammen, vielmehr der Grund ihrer vollen Anerkennung sein. Jede neue materielle Erwerbung im Bereiche der Wissenschaft, gleichviel ob gross oder klein, ob eine Ciceronische Republik oder das Actenstück ei- nes Schreibers, ist also an sich betrachtet d. h. als blosser Fund, als isolirtes Dasein, etwas Todtes. Das nur vor- handene Goldstück ist nicht wichtiger als der nur vor- handene Kreuzer; erst die Anwendung muss entscheiden, ob jenes oder dieser mehr Gewinn trägt; anwenden aber heisst in allen Sphären: das Einzelne zu dem Ganzen, das Neue zu dem Alten in Beziehung setzen. Also hat auch in der Wissenschaft die neue Einzelheit nur in so- fern Werth, als sie dazu dient, durch Einfügung in die bisher gewonnenen Zusammenhänge, diese zu ergänzen und zu erläutern, zu modificiren oder zu bestätigen. Hierin liegt, was ich gewollt; ob es mir gelang, mögen Andere entscheiden. Urkunden. (Facsimile's, Texte und Uebersetzungen.) Texte. Papyrus I. 1. [*Ep] 8[v]6{iaT[i] t[o]v x[v]qiov xal ösöjtotov %[[M*)V IYXY], 2. tov &sov xal [(ftß]TqQog rjfjbMV. Baöileiag ro[v xvqvjov 3. qiicoVj dsGTt6\rov\ Tr t g oixovfi(€V7]g)j 0X(aßiov) &coxäj xov cci[a)Voß]iov 4. A\v]yovöTOV xal avtoxqaToqog^ exovg rqfaov zvßl iü ivd(ixTHjöPog) 5. dsxaTfjg. 6. A[vq\rihog Jioöxoqog "AqGvviog^ {ilad-iog noqyvqo- iuül{rig), 7. xal rrjg [MjTodg avzov TißsXXdg, dito xcofufjg Sivog 8. tovOipitov v\o$ov \)Tza()£%0VT£g V7TSQ ccvtcc v7royqa(cp^v) 9. xal [idoTVoag T^öde xr\g o^oloyiagj %ov 2s%[ti]ov 10. TTQoyqdyovTOCj, Avqqliw IIa%Vfjbi(a *I*dtov 9 x[al] 11. [av\tm 7tOQ(fVQ07ic6Ärij and UapoöTtoXiscog) j vvv de emöQriiiovpti) 12. lv%av$a ev Tß avTtj xco^rj Qivogj %aiq(siv). c O[iol(oyM) 13. [e]yco 6 TtQoa%{6iJb£Vog) Jioöxoqog did TavTrjg pov T?jg 14. [iy]yqdcfov datpalsiagj löico pov xivdvvw xa[l] 15. Tio qo) vrjg löiag [iov vnoGTatöcog cfvu-d-4a[-d-ai\ 16. Goi xal vnovqyrjöai, zfjg tsx&VS ^qog tcov 17. dlXwv fiia^icoVj Txqog irtiop ovo dqi&ply&isPTOüv)] 1 6 Urkunden. Text. 18. äno Trjg Gij[i£0OV xal n[Qoy]syQccfjb[s]v(fjg) ^[iiq[ac] 9 19. rjtig stitlv tov ^Tjvog rvßl is ivS(ixncopoc) i' ovX[Xijßd7]p] 20. ds nagä Gov Xvco fiiöd-ov [iov d[i]ÖXwv [tcop dvo\ 21. snoivrwv üfaov äoTaßag dixa svvsa, o[v d(a [Tt\aqa 6q[v^ov] 19. dityoivov yXavxov xaXov[[i](svov), 2 18 Urkunden. Text. 20. iva, laßwv sixoGi ttsvts, t[6v] 21. mav^aa^ov knaCzov xt[w[jcu] 22. avv 'AOixpcag iv rw zcuqm [T^]g 23. TQvyyg rijg (SvvsKjiovai\g öi \o\ki{yov), 24. %(*>Qig vnaQ%{siv) vtto i(jiavT7J[g] n[oqit,{6iisv)]6g 25. (aov evnoQiag, scog nX7iqovn{sv(x>v) vlo^KTfidrcov)] 26. xal £7tsqx(o[jl£v)ü)V xov(p(vQct 3 purpura, ebenfalls uinfasst, — sondern vielmehr auf den Verkauf der damit gefärbten rohen Stoffe. Pachymios war also ein negotiator artis purpurariae (s. Grut. inscr. 649, 10). Allein sein Ge* schäft beschränkte sich nicht auf den blossen Verkauf, sondern mit der eigentlichen Handlung, der taberna purpuraria (Papin. in Dig 32, 91 §. 2), war zugleich auch eine Fabrik, eine purpuraria officina (Plin. H. N. XXXV. 6, 27) verbunden, in welcher die Präparation der Färbe- stoffe und die Färbung der rohen Producte selbst voll- zogen wurde. Den Beweis liefert zur Genüge der zwei- 24 Allyem. Comment. I. §. 1 — 3. mal vorkommende Ausdruck reyyri, welcher das erstemal (Pap. 1, 16) mehr im Sinne von Fabrikation steht, das zweitemal (Pap. 1, 28) im Sinne von Fabrikstatt. Pa- chymios war also zugleich Purpurfärber und Purpur- händler. Und wirklich waren beide Geschäftszweige nicht nur überhaupt im Alterthum vereinigt (s. Allg. Comm. 111. §. 56 — 58), sondern von Aegypten beweist dies noch insbesondere der unseren Urkunden gleichzeitige koptische Name C£HZH(?e oder C^fl^HZJ, den doch also Pachymios in der Landessprache geführt haben muss, und welcher zugleich 7tOQff>VQonü)Xrjg und noQcfVQoßmpog bedeutet. Der- gestalt erklärt sich auch der Umstand, dass Pachymios eine Mehrheit von Lohnarbeitern beschäftigt (s. Pap. 1, 16 sq. TtQog twv ällcov ntäd-iav), welche augen- scheinlich nur durch die Fabrik in Anspruch genommen werden konnte. §. 2. Die Miethung eines solchen Fabrikar- beiters macht nun den Gegenstand unsers Ersten Pa- pyrus aus. Der Contract wird auf zwei Jahre geschlos- sen (lin. 17), dergestalt dass, wenn von beiden Seiten alle Verbindlichkeiten erfüllt werden, der sich vcrmiethende Dioskoros vor Ablauf dieser Zeit weder eigenmächtig ausscheiden (lin. 25. 27), noch eigenmächtig ausgestossen werden kann (lin. 27. 29). Als Lohn erhält derselbe, ausser der Wohnung (dies folgt aus dem ano^T7\vai ano tov gov oXy.ov lin. 25)^ und ausser der freien Beköstigung (lin, 23), in Bausch und Bogen für die ganze Miethszeit 19 Artaben Getreide (lin. 21). Wie geringfügig dieser Lohn auch in un- seren Augen erscheinen mag, so werden wir doch sei- ner Zeit sehen, dass er sowohl den alten wie den neuen Zuständen in Aegypten vollkommen entspricht. Es ver- steht sich übrigens von selbst, dass die Anstellung des Dioskoros die Ausfertigung zweier Documente zur Folge hatte, wovon das Eine dem miethenden Herrn, das An- dere dem sich vermiethenden Arbeiter selbst Sicherheit gewährte. In der vorliegenden Urkunde ist uns das Er- Analyse u. Zusammenh. der Urkunden. 25 stere erhalten; daher ist der Anredende Dioskoros; die verschiedenen Clauseln, welche er anerkennt und somit verbürgt, rubriciren sich folgendermassen: 1) Er vermiethe sich aus freiem Antriebe und auf eigene Gefahr hin (lin. 12 — 15). 2) Zu dem Zwecke, dem Pachymios in der Fabrik behülflich zu sein (lin. 16. 17). 3) Auf einen Zeitraum von 2 Jahren, vom Datum der Ausfertigung an gerechnet (lin. 17 — 19). 4) Dafür erhalte er in Summa 19 Artaben Getreide, wovon im lsten Jahre 9, im 2ten die übrigen 10 zu entrichten sind (lin. 19 — 22). 5) Ueberdies freie Beköstigung (lin. 23. 24). 6) Er verpflichte sich, wofern die Bedingungen des Vertrages erfüllt würden, vor dem Ablauf der festgesetz- ten Zeit das Haus des Pachymios nicht zu verlassen (lin. 24-27). 7) Dagegen solle aber auch kein Angehöriger des Pachymios das Becht haben, ihn vor diesem Termine aus der Fabrik zu entlassen, wofern er seinerseits allen Vor- schriften nachkomme (lin. 27 — 31). §. 3. Zur Purpurfärberei waren, wie allein schon aus Plin. H. N. IX. 38,62 erhellt, wesentlich drei Dinge vonnöthen : 1) Färbestoffe d. i. namentlich Purpursaft 2) rohe Producte d. i. namentlich Wolle, und 3) Feue- rungsmaterial d. i. Holz. Den Ankauf des letztern Materials betrifft nun der Inhalt unsers Zweiten Pa- pyrus. x4urelios Kallinikos, aller Wahrscheinlichkeit nach ein Unterhändler oder Commissionär im Dienste des Pachymios, hatte mit diesem einen Holzliefe rungs- contract geschlossen, der zwar vermuthlich unterging, dessen wichtigste Clauseln aber, wie aus ihrer Becapi- tulation in dem vorliegenden Instrument ersichtlich ist, folgende gewesen sein müssen: „Aurelios besorgt auf sein Bisico dem Pachymios 9 Stück Laubhölzer (lin. 17) von der und der Beschaffen- 26 Allgem. Comment. /. §. 3 — 4. heit, Länge, Dicke u. s. w. für den Preis von 25 Gold- stücken (lin. 20). zahlbar in abschläglichen Raten von je 1 Goldstück (wie aus lin. 16 zu folgern ist). — So lange diese Terminalzahlungen währen, erhält Aurelios seinen Unterhalt von Pachymios (lin. 24 — 26), dergestalt dass er mit jeder Zahlung eines Goldstückes zugleich 4 Kuphen Getreide (folgt aus lin. 14), also in Summa 100 Kuphen empfängt. — Die Hölzer werden nicht eher ausgeliefert als bis nach Empfang sämmtlicher 25 Goldstücke nebst den dazu gehörigen Kuphen (lin. 20. 21. 22). — Pachymios er- hält für jede Terminalzahlung eine Quittung (wie das Dasein unserer Urkunde selbst beweist), und ist berech- tigt, sobald er die volle Zahl der Quittungen in Händen hat, die Einlieferung der Hölzer zu fordern. Innerhalb der Zeit der Trockenheit muss die Zahlung beendigt sein (lin. 22. 23)." §. 4. Das vorliegende Actenstück ist nun die Quit- tung über die Dritte dieser Terminalzahlungen; denn Kallinikos bescheinigt den Empfang des 3ten Gold- stückes nebst 4 Kuphen (lin. 13 — -16), und augenschein- lich auf die Stipulationen jenes früher abgeschlossenen Lieferungscontractes sich zurückbeziehend, bemerkt er ausdrücklich, dass die Zahlung geschehen sei auf Ab- schlag der von ihm besorgten 9 Stück Laubhölzer (lin. 16. 17), für welche er im Ganzen 25 Goldstücke zu empfan- gen habe (lin. 20), und welche er in Bereitschaft halte bei dem sogenannten blauen Walde (lin. 18. 19), so lange bis die Zahlung aller fünfundzwanzig Goldstücke mit den dazu gehörigen Kuphen erfolgt sein würde (lin. 20—22), für welche Zahlung die Zeit der in Kurzem eintreten- den Trockenheit den Termin bilde (lin. 22. 23); nicht eher als bis die Zahl der ausbedungenen Goldstücke und der dazu gehörigen ausbedungenen Kuphen erfüllt sei, werde er anfangen d. h. sei er verpflichtet, seinen Unterhalt aus eigenen Mitteln zu bestreiten (lin. 24 — 26). IL This und Abydos sprachlich, geographisch und historisch erläutert. §. 1. JTÜit wahrhafter Freude wende ich mich zu- erst zu der Erörterung des antiquarischen Gewinnes, der durch den Namen This aus unseren Urkunden für die Wissenschaft resultirt. Denn nicht leicht mögen über eine andere Oertlichkeit des alten Aegyptens zugleich in sprachlicher, geographischer und historischer Hinsicht so viele Zweifel obwalten, wie bisher über die genannte. Bis auf den heutigen Tag wurde die Form Gig, die in der bisherigen Literatur nur Einmal vorkommt, und für die man Olpig substituiren zu müssen glaubte, vielfach angezweifelt; bis auf den heutigen Tag ferner war man über die Localität des Ortes so völlig im Dunkeln, dass man sich meist alles Urtheils darüber enthielt, oder so sehr im Schwanken, dass man ihn bald mit Abydos (z. B. Mannert Geogr. der Gr. und Rom. Th. X Afrika. Erste Abth. S. 377; Heeren Ideen Th. IL Abth. 2. 1826. S. 105 und S. 333; Wagner ad Ammian. Marceil. XIX. 12, 3), oder gar mit Ptolemais (z. B. Champ. l'Eg. s. les Pha- raons I. p. 255) identificirte, bald auch bei Girgeh oder bei 28 Allg. Comm. IL This und Abydos. §> 1 — 2. Birbeli und anderwärts suchte; bis auf den heutigen Tag endlich herrschte über die Geschichte dieser uralten Stadt am allgemeinsten die Ansicht, dass sie, in Folge des Aufschwunges anderer Städte, „schon vor alten Zeiten verschwunden sei" (s. Mannert S. 317 und 377) 1 ). — Und welche überraschenden Resultate gewäh- ren nun unter diesen Umständen unsere beiden Urkunden! Hier wird mit einemmale und auf immer die Form Gig urkundlich beglaubigt; hier zeigt sich mit Hülfe ei- ner überzeugenden Combination, dass ein Theil der Rui- nen, die man seither ausschliesslich für Abydos in An- spruch nahm, nämlich das Territorium zunächst bei der Vereinigung des Zarzoura mit dem Abou-Ahmar, also die Gegend um Sagen und El-Kherbeh, für das Local des alten This vindicirt werden muss; hier endlich tritt plötzlich noch im siebenten Jahrhun- dert nach Chr. der längst verschwunden geglaubte Ort aus dem historischen Dunkel von Jahrtausenden hervor. Je wichtiger diese Resultate erscheinen dürfen, um so nothwendiger ist eine genaue Prüfung der einzelnen Momente, wobei, wie schon aus dem Vorstehenden er- hellt, es unerlässlich ist, die Untersuchung auch auf Aby- dos auszudehnen. 1. Form und Bedeutung des Namens This. §. 2. In den gesammten Schriftresten des Alter- thums erschien bisher This nur ein einziges Mal. näm- ') Parrisot in den Noten zum 5ten Buch des Plinius ed. Panckouk. T. IV p. 216 kehrt seltsam genug die Sache gradezu um: Tliis, sagt er, devml assez imporiant apres la chüte de J'inde- pendance egyptienne. et donna son nom au nome d'Abydos. Hier ist lauter Willkür. Den nome d'Abydos, der niemals exi- slirte, hat wohl Champollion (1. c. 1 p. 370 sq. und in der Ta- fel der Nomen) erfunden. Von Parrisot rührt wahrscheinlich auch das: This et mienx Abydos in jenen Noten p. 198 her. Form und Bedeutung des Namens T/äs. 29 licli bei Stepli. Byz. (h. v.): ©1^ nöXig Alyxmxia nX^iov ^Aßvöov. 6 TroXhrjg Otvirrjg. ''AXe^avdqog AiyvitTiaxcov nocorM. Selbst der Thinitische Nomos kommt unmittelbar als sol- cher nur zweimal vor: 1) in der Aufzählung der zur Thebai's gehörigen Nomen hei Plin. H, N. V. 9 (9): Divi- ditur in praefecturas oppidoruin, quas Nomos vocant: Ombiten, Apollopoliten, Hermonthiten, Thiniten etc. und 2, in dem Register derselben bei Ptolem. IV. 5: 01PIT7JC VO^OQ Xal [ÄTjTQOTToXig c Eofiiov IlcoXs^aig. slTct iisöoystOQ ojioieog cctco dvösoog "Aßvdog. J loartoXiTT] g vofiog avoa tqthüv a. r. X. Ausserdem erscheint derselbe auf 2 ägyptischen Mün- zen aus dem Uten Regierungsjahre Hadrian's, (s. Tö- chon: recherch. s. les medaill. des nomes de l'Egypte. Par. 1822 p. 88); denn dass die Legende 0INI durch 0ivi[r7]g vo^ög] erklärt werden müsse, halte ich mit Tö- chon für unbedenklich. Zwar sind die Nomenmünzen verdächtigt worden , zuerst wohl von Mannert (a. a. 0. 8. 310 ff); und allerdings ist nicht nur der Fundort problematisch, sondern auch namentlich bei den Hadria- nischen drifter und vierter Grösse die durchgängige Uni- formität in dem Kunstgepräge, in der Grösse, der Legende, dem Gewicht, der Form und vor Allem im Datum — sie zeigen durchgehends das Ute Regierungsjahr an — ziem- lich auffallend. Deshalb giebt auch Töchon, dem übri- gens nicht im Entferntesten ein Misstrauen beikommt, selbst zu: elles semblent toutes sorties du meine atte- lier monetaire. Dieser Umstand aber^ so wie auch die weit sorgsamere Arbeit, würde sich allerdings am leich- testen erklären lassen, wenn man sie sich aus der Werk- stätte eines und desselben Falschmünzers der neuern Zeit hervorgegangen denkt. Ob ich nun gleich mei- nes Theils diesem Verdachte keinen Raum geben kann, zumal weil — was Töchon selbst nicht hervorhebt 30 Allg. Comm. IL This und Abydos. §.2 — 3. — die Kehrseiten in Betreff der Symbole auf das Man- nigfachste von einander abweichen: so will ich doch, um keine Meinung zu beeinträchtigen, mich wenigstens solcher Folgerungen aus ihnen enthalten, die anderwei- tig keine Stütze finden. Zu dem vorliegenden Zweck bedürfen wir aber auch in der That der Thinitischen Mün- zen nicht, da der Name des Noraos niemals angefoch- ten worden ist und nunmehr unsere beiden Papyre voll- kommen hinreichen, um denselben diplomatisch zu ver- bürgen. Die ausführlichste Bezeichnung der Localität be- findet sich auf Pap. 1 lin. 7 sq. und auf Pap. 2. lin. 9 sq.: and xMfirjc Qivoq rov Oivirov vo t uov. Die übrigen hierherge- hörigen Stellen sind: 1 lin. J2 und 2 lin. 12 sq.: Iv rfi avzii xco t urj Oivoq; 1 lin. 34: ärcd Oivög, und auf der Rückseite: y£Voii{£v7i) Gi[vo]c. Der auffällige Gebrauch des Genitivs an dieser letzten Stelle und in der Zusammenstellung: iv xcöfjri Qivog ist offenbar als Latinismus zu erklären — wie acta Romae und in urbe Romae — nur dass die lateinische Regel in ihrer Anwendung auf das Grie- chische noch erweitert ward. War doch der Schreiber Sextius selbst, wie sein Name anzeigt, römischer Ab- kunft. Aber auch hiervon abgesehen: Wie dürfte man sich wundern, wenn zur Zeit des Byzantinischen Rei- ches, in einer Epoche, wo die griechische und die rö- mische Sprache längst ihre Selbstständigkeit gegen einan- der zu beiderseitiger Verderbniss aufgegeben hatten, und noch dazu in einer entlegenen, von den verschiedensten National- und Sprachelementen ganz besonders beweg- ten und verwirrten Provinz, — wenn, sage ich. im 7ten Jahrhundert nach Chr., in Oberägypten, ein untergeord- neter Beamter, ein Gerichtsschreiber, die Regeln der griechischen und der lateinischen Grammatik missverstand und durcheinanderwarf, oder vielmehr wohl nur längst eingeschlichenen Missbräuchen auch seinerseits ohne Scrupel folgte! Von einem reinen Griechenthum konnte in dieser Zeit und an diesem Orte in keiner Beziehung Form und Bedeutung des Namens This. 31 die Rede sein. Ja, wenn die Aufschrift, wie dies wahr- scheinlicher sein möchte (s. den besond. Comm. zu der- selben) nicht einmal von Sextius ausging: so liegt darin ein Beweis, dass der latinisirende Gebrauch des Na- mens ©ig an Ort und Stelle wirklich auch bei Anderen d. h. allgemein gäng und gäbe war. §. 3. Dass This zum Thinitischen Nomos gehöre, dies konnte sich bisher auf kein positives Zeugniss stützen; man hat es jedoch stets und ohne Zweifel deshalb vor- ausgesetzt, weil Beider Namen übereinkommt, und weil This nach Alexander Polyhistor bei Abydos lag, Abydos aber nach Ptolemäos dem Thinitischen Nomos angehörte. Die directe Bestätigung gewähren nunmehr unsere Ur- kunden. Ist aber dergestalt die Voraussetzung zur vollen Gewissheit erhoben, so wird was man aus der Ueber- einstimmung des Ethnikons bei Stephanos von Byz. und bei Ptolemäos gefolgert um so unzweifelhafter, nämlich dass der Name des Nomos von dem des Ortes entlehnt sei. Dagegen hat man eben dieses Ethnikons halber gegen den überlieferten Namen des Ortes selbst Zweifel gehegt, da es, wenn ©ig richtig wäre, ©ktjg lauten müsse. Dem- zufolge hielt man, und zuerst wohl Berkel, das ©ig bei Stephanos für eine Verstümmelung aus ©ivig und zeigte nicht übel Lust, dies Letztere nicht nur hier als Correctur, sondern auch bei Ptolemäos als Ergänzung hinter dem Worte ^fiToönohg in den Text zu bringen. Diese Hypothese, die — wenn sie auch nicht durchgriff, doch hin und wieder immer noch auftaucht, wird nunmehr ein für allemal widerlegt; denn von ©ivig könnte in kei- ner Weise die Form ©wog flectirt werden, die doch durch unsere Urkunden vollkommen constatirt ist. Vielmehr beweist dieser Genitiv, dass wenigstens die urkund- liche Form des griechischen Nominativs wirklich die von Cornel. Alexander angegebene Form ©ig gewe- sen sei. Auch ist es keineswegs begründet, dass die Form ©ig, etwa nach der Analogie von "Eqiicop&ic, c Eq- 32 Allg. Comm. IL This und Abgdos. §. 3 — 5. [itov-d-scog — 'EQiMDV&foiig, nothwendig das Ethnikoii Girijg erheische, noch dass umgekehrt zu dem Etnikon Gtvkijg, etwa nach der Analogie von Gwpig-Gcovlrygj die Form Ging unerlässlich sei. Denn ward nun einmal, bei dem so naheliegenden Muster des griechischen Wortes #tc, auch für den ägyptischen Stadt-Namen die Flexion Givog von den Griechen eingeführt, wie dies eben durch unsere Urkunden bezeugt wird: so musste natürlicher- weise auch die Ableitung des Ethnikons von dem Geni- tiv {Gig, Oipog-Givit'qg) ganz in derselben Art statt finden, wie etwa bei Googag, Geogccxog — GooQayJTqg; * läßig, *Iaßi,- dog — 'Iccßidhyg (s. Steph. Byz. hh. vv.) und ähnlichen Eigennamen. §. 4. Ist dergestalt der Name Gig im Griechischen als urkundlich erwiesen, so fragt es sich, welches seine ägyptische Form und deren Bedeutung war. Bei einer solchen Untersuchung muss aber vor Allem daran fest- gehalten werden, dass wenigstens bei den wichtigeren Städten Aegyptens selten an eine ursprünglich profane Bedeutung zu denken ist; ihr Name wie ihre Entstehung knüpfte sich meist an die Tempel bestimmter Gottheiten. Nach der genauesten Forschung ist es mir nun am wahr- scheinlichsten, dass This im Aegyptischen OHC (This) oder THC (Tis) lautete, und zusammengezogen ist ent- weder 1, aus -e-AHCe, T&HCescil.ffL$.KJ d. i. „die (Stadt) der Isis" oder 2, aus -ai-HCe 5 TJ-HCe d- i- „Wohnung der Isis." §. 5. 1) Q6. ist im Memphitischen, T«5. im Thebani- schen und Baschmurischen Dialekt das Femininum des artic. possessiv, vagans, der immer mit dem Substantiv zu einem Worte verschmilzt; im Alt -Aegyptischen kann gar kein Unterschied zwischen {><$. und T& gewesen sein, da die einfachen Articulationen dieselben Schrift- zeichen hatten, wie die ihnen entsprechenden aspirirten; auch haben wirklich die 10 Pariser Manuscripte des Pli- nius, bis auf Eins wo der Name ganz fehlt, sämmtlich Form und Bedeutung des Namens Tltis. 33 Tiniten oder Tinitem. Sonnch wäre TV-HCC ebenso gebil- det wie '-0-UOTJ (Leontopolis) d. i. e-£-HOTJ (*fß«5.Kj) = „die (Stadt) des Löwen 44 (cf. Champ. l'Eg. s. 1. Ph. 1. p. 36) oder „die Stadt, des (Gottes) ]JOTJ a Sohnes des Athmon (cf. Champ. gr. eg. p. 457. 472. 510), und wie Ta%0[iip(ti (Herod. II. 29; bei Steph. Byz. Taxo^ipog und die einfache Form Xopipu. cf. Plin. H. N. VI. 29, 35) d. i. „die (Stadt) des Chons" für fS^KJ T«5.cytt5nC; Chons (cyüÜfCC oder buchstäblicher CJjnCÖÖ; s. z.B. die Gruppe bei Champ. gr. p. 390) ist der ägyptische Herakles, der älteste Sohn des Amnion 1 ); in der verlängerten Form MsTaxofitpia bei Ptolemäos IV. 5 bezeichnet das HC (=rH&\ wie immer im Aegyptischen, die Oertlichkeit; MsTccxopipü) heisst mit- hin so viel wie „der Ort Chonsstadt"; ebenso würde auch Ms&ig (d.i. JUie— e-<5J{Ce, zusammengezogen UGOHC) nichts Anderes heissen als „der Ort Isisstadt.' 4 Das & des Artikels wurde in der Rede entweder ganz verschluckt, oder mit dem folgenden Vocal zu einem Mischlaute verschmolzen. Dass es auch in der Schrift häufig ausgelassen ward, ist erwiesen; denn der art. poss. vag. fem. ist vollständig in den Hieroglyphen: ^*g n ^_^w j dafür steht aber auch das einfache f\ d. i -0 5 T (Champ. gr. eg. p. 189); die mündliche Zusammenziehung von 4><*,HCC in OHCC konnte also auch schriftlich ge- rechtfertigt sein. Dass ferner das H des koptischen HCC in der altägyptischen Aussprache wie i klang und das 8 nur durch ein Langziehen des C angedeutet, ward, dies wird Beides schon durch die griechische Uebertra- gung und Endung ('Ia-ig) verbürgt. Aus dem Hierogly- ') Champ. l'Eg. s. I. Ph I. p. 152 leitet den Namen unrichtig von JUlC^g d. i. „Krokodil" ab, erklärt ^£ für einen von # *)£H ,,sein" gebildeten Artikel, und schreibt demnach T«5/)QHULC<$.g (Heu oü se trouvent beaucoup de crocodiles). 34 Allg. Comm. IL This und Äbydos. §. 5 — 8. phischen und Hieratischen, wo der Name der Isis nicht phonetisch, sondern auf rein symbolische Weise durch die Gruppe J ^ ausgedrückt wird, lässt sich nichts fol- gern; im Demotischen aber findet sich der Name aller- dings, wie auf der Inschrift von Eosette lin. 6 gegen Ende, in HC abgekürzt. In Bezug auf die Aussprache des H verweise ich noch beispielsweise auf DHOO = Rhitho, und ng?\THl*C = Philotimos (s. Champ. gr. eg. p. 122 u. 32), in Bezug auf die Weglassung des Schluss- vocals aber auf die Composita <*,TTHC (ein Name des Nil, unfehlbar von £T«-T-HCe d. i. „ Gieb-Erd", also der Isis- oder Landbringer), pHC (von pe~HCC d. i. Sonnen- Isis , also Südgegend, meridies, auster), C ™ ce (s. Champ. gr. eg. p. 188. 189) oder ,,die der Isis"; doch hier ist, wie schon das Determinativ ~Jl im zweiten Falle und der Mangel des Determinatus © im ersten beweist, nicht -fÜ^KJ (Stadt), sondern -fS^KJ (Dienerin, famula) zu verstehen; es ist ebenso ein Weibername, wie OD r\f* II&HCe oder nJ, TJ — we- nigstens doch TO ? TOe, TOJ (pars, portio) in der Be- deutung;sedes oder habitatio vorkommt, und überdies meh- rere ägyptische Ortsnamen in Schriftstellern und Urkunden, wie etwa Tivöiov, Qvvctßovvovv u. s. w. die hieroglyphische Deutung zu rechfertigen scheinen; dann aber, dass wenn auch ursprünglich oder im engern Sinne der Name ^JHCe sich auf ein Gebäude d. h. auf den Tempel der Isis bezog, derselbe doch nachher in weiterer Anwen- dung auf die rings umher erstandene Stadt übertragen werden durfte, ebenso wie ITHJUUAOTn d.i. „die Woh- nung des Amnion" eigentlich der Name für das Heilig- thum dieser Gottheit in Theben, dann aber und eben deshalb auch der Name für die Stadt Theben selbst war; und endlich könnte die Form 0€ig, Osiphyg^ wenn nicht vielleicht schon durch die ungleiche Aussprache des Hita allein, so doch jedenfalls durch die Identität von TJ und TOJ, TOe, TO erklärt werden,, da TOJ-HC oder TO-HC einen ähnlichen Mischlaut ergiebt, wie T<*,-HC. Iläumt man diese Möglichkeit der Ableitung von 4>J-HCe ein, so dürfte der Name der Stadt nach den Analogien bei Champ. gr. p. 155 sqq. auch möglicher- weise durch solche Gruppen bezeichnet worden sein, wie l ) So liest Champ. gr. p. 101: OJ Jl<*.A, grosse Wohnung, Pa- last (et. p. 323. 410) ; -OHIOTä, goldene Wohnung; TJJIÄTCpB (p. 125.), Wohnung der Natphe. 38 AUg. Comm. II. This und Abydos. §. 10. §. 10. Noch haben wir indessen die Frage nicht erschöpft: denn wenn gleich wir zu Anfang für das Grie- chische den Namen Gig als den urkundlich beglau- bigten anerkennen mussten, dergestalt dass man kein Bedenken tragen kann, ihm in der heutigen Anwendung die Herrschaft einzuräumen: so lässt sich doch aller- dings nicht bezweifeln, dass neben diesem einfachen, einsilbigen Namen in der That auch ein erweiterter, zweisilbiger bestand, nämlich 0mc, Gvvig^ GoZvig (oder besser Givig, Gvvig^ Gowig). Die erstere Form, die man bisher immer nur vorausgesetzt, aber niemals nachge- wiesen zu haben scheint, fand ich nach vielfach vergeb- licher Forschung in dem Kardloyog tcop nolscov Mtjtqo- nölscov xcd 'EmGxonoov vno zov naxqiccQxov "AXe^avdqsiag (s. Pococke's Beschreibung des Morgenlandes 2te Aufl. von Breyer, mit Anmerkung, von Schreber. Th. I. Er- lang. 1771 S. 404 ff.), welcher anerkannterweise aus dem 6ten Jahrhundert stammt, aus der Zeit Justinian's oder der zunächst folgenden; hier wird unter den zur 2ten oder Obern Thebais gehörigen Bisthümern (Z. 69 — 81), wie Theben. Tentyris, Klein-Diospolis u. s. w. auch Thi- nis genannt; es ist eine Unmöglichkeit, dabei an einen andern Ort als an This zu denken. — Von der zweit- genannten Form kommt der Genitiv Gvvswg (nicht 0t;- vswg) sowohl in der Epist. Gennad. vor (s. Leunclav. Jus Graeco-Bom. T. 1. p. 190), als auch (und nicht Golvsoog, wie Holst, ad Steph. v. Gig behauptet) in den Act. Conc. Ephes. (ap. Labb. T. III. 541 C. cf. 693 B: Thyneos; daher IY. 285 C das verstümmelte Adj. Ptenethensis für Thinitensis), und zwar hier wie dort wiederum als Bezeichnung eines Bisthums. — Die dritte Form endlich tritt in dem Auszuge des Agatharchides bei Phot. Cod. CCL p. 1340 auf. Es werden hier die Nomen Mittelägyptens genannt; dann heisst es: rovg ds siqri- fisvovg VTisQßdXkovTL zonovg cHC bestehen bleiben, auch als der Flecken zur Stadt geworden. Uebrigens dürfte an der sprachlichen Verwandschaft zwischen TOJ ? TI und Tille (wohl zusammengesetzt aus TJ-116 d. i. ,, Wohnungs - Ort, Wohnort") nicht zu zweifeln sein, und bei dem leich- nOjeflT^HCl vor (f. i. woh! „Sohn der Isisdienerin "), TCeHHCe „Tochter der Isis"; «her oft auch ITCIHCe und TCIHCG; daher auch mit Auslassung des Artikels insofern das Geschlecht von selbst erhellt, z. B. güüpCJHCe, g^.p - CJHCI „Horus Sohn der Isis" (cf. Champ. gr. p. 133). J ) Dieser Name ist nicht mit Champ. WJ£. s. 1. Ph. II. p. 142 von -O^HHCJ abzuleiten, sondern eben von -O-fULe/lHCf oder OJHHCJ. 42 Allrj. Comm. IL This und Abyäos. §. 11 — 14. teil Uebergange zwischen ot, cu und sl wiederum die Möglichkeit zugegeben werden, dass im Griechischen neben Sowie, auch die Formen Oaivig und Qeivig bestan- den haben können; so wie andrerseits bei dem leichten Uebergange zwischen i und v sich Qvvig neben der dem Aegyptischen gemässeren Form Oivig entwickelte. Auch die wirkliche Existenz dieser Letztern giebt natürlich, in Betracht unserer früheren Ergebnisse^ kein Recht, die einfache Form Gig durch willkührliche Verdrehung auf- zuheben. In den Hieroglyphen konnte übrigens die er- weiterte Form nicht füglich einen besondern Ausdruck erlangen, da der Name rein symbolisch ausgedrückt ward. OJflHCe oder -e-OJflHCe musste ebenso wie eiHCe ge- schrieben, und eT) gelautet, entbehrte stets der Wahrscheinlichkeit (s. Champ. l'Eg. s. 1. Ph. I. p. 251), und ist nunmehr völlig ihrer Nichtigkeit überwiesen. Aby- dos wird durch folgende Gruppen bezeichnet: "i f-> — \ ^t. (Champ. gr. eg. p. 65), als Abkürzung für chem Aegyptologen dürfte nämlich bei oberflächlicher Betrachtung die Versuchung nahe liegen, den Namen von T— Jfl (\rflG5 BlO d. i. „das Gelenk" oder von T^(o^)-IH (T - 5i ''' ,); ■ 8) c^3 jC^} X (l. c. p. 526). — Aus eigener Nachfor- © L*. 1 schung im hiesigen ägyptischen Museum bringe ich noch bei: 0) TT . II a a) in der Verbin- dung: g/X*p IlTp n&& neu n d. i. „Horus, der grosse Gott, Herr in — " (Monument von Abydos No. 1383 der Passalacqua'schen Sammlung lin. 3); b) in der Verbin- dung: gOüp 05Hpi X eT fIT P 8P <5 - I 8 JFtT fjj !r »Horus, Fülirer der anderen Götter, welche wohnen in — ' (ib. lin. 4); c) in der Verbindung: „Osiris, grosser Gott, Herr in — " (Sarg aus Theben ebend. No. 1615, rechte Seite lin. 1); I iaj) ^ (Auf einer Tafel der Koller'schen Sammlung). Hierzu kommen die hieratischen Gruppen: 11) &^)Jf (Champ. gr. eg. p. 526); 12) © ^ ' A // T ^ In dem keydener Pa P* * ,in " n §- w //*j / ^ 05 ^ bei Leemans moii. eg. Col. VIII. lin. 8. Tabl. 7 n. 43 b); 13) 4 JJL T (Ibid. Col. XX. lin. 6. Tabl. 7 n. 43 a). Form und Bedeutung des Namens Abydos. 45 Für die ersten drei Gruppen giebt Cliampollion keine Quelle an; da indessen mehrere der von uns aufgeführ- ten wirklich auf Denkmälern von Abydos erseheinen, so ist an ihre Beziehung auf diese Stadt in der That nicht zu zweifeln. Dagegen können wir es nicht unbe- dingt billigen, wenn Cliampollion den Namen durchgän- gig 6&U3T schreibt, augenscheinlich bestochen durch den koptischen Bergnamen eÜW5T, welcher in dem Sahi- dischen Fragment bei Zoega (Cat. mss. mus. Borg. p. 551) vorkommt, und den er schon in seinem Werke l'Eg. sous les Pharaons IL p. 318 (vgl. die Tafel der Nomen eben- das.), also vor der Zeit seiner hieroglyphischen Ent- deckungen, auf Abydos zu übertragen geneigt war. Die Lage dieses Berges erhellt keineswegs mit Sicherheit aus jener Angabe, wie Cliampollion selbst (1. c.) zuge- steht; lag er auch wirklich im Süden von Psoi oder Ptole- mais, so folgt daraus "noch nicht, dass er 8 Lieues da- von entfernt gewesen d. h. bei xAbydos zu suchen sei; und gehörte er zum Pso'i tischen Nomos, so kann er nicht bei Abydos d. h. im Thinitischen gelegen ha- ben, wofern in der spätem Zeit diese beiden Namen wirklich zwei verschiedene Nomen, nämlich die bei- den Hälften des alten Thinitischen Nomos bezeichneten. Da indessen die Identität derselben keine Unmöglichkeit ist (s. unten §. 56), und da ferner Sicard eines Sand- berges Afud, Afod, Afodos erwähnt, der nach seiner Be- schreibung (s. Jomard. Antiqq. d'Ab'yd. p. 19 in der Descr. de l'Eg. Texte. Antiquites, descriptions. Tom. II) in der That bei den Ruinen von Abydos liegt: so will ich nicht die Möglichkeit in Abrede stellen, dass der Berg Eböt bei Abydos gelegen haben, vielleicht mit dem Afud iden- tisch sein, und demnach mit dem Namen der Stadt in Beziehung stehen könne. Aber darum braucht noch nicht der neuern, koptischen Form die altägyptische genau zu entsprechen. Und dies ist wirklich nicht der Fall. Prüfen wir die Sache näher. 46 All//. Comm. IL T/iis und Abydos. §. 15 — 16. §. 15. Unter allen angeführten Gruppen ist nur eine einzige, nämlich die Champollion'sche No. 3, in der die Lesart eß&>T eine Stütze finden könnte; aber abgesehen davon, dass die Quelle nicht nachgewiesen ist und dass der zweite Vocal ebenso gut OT oder T wie «5 sein kann, muss dieser Letztere der natürlichen Reihenfolge gemäss überhaupt nicht als der dritte, sondern als der vierte Buchstabe betrachtet, und mithin die Gruppe viel- mehr eÜTtt3, oder eßTOT gelesen werden; zur Bestäti- gung dient die hieratische Gruppe No. 11, die ebenfalls e&Ttt3 zu lesen ist. Eine zweite wohl jüngere Schreib- art war e&TJ, wie die hieratischen Gruppen No. 12 und No. 13 beweisen, welche in der That auch 'Leemans (Texte p. 52) eÜTl liest. Die dritte Schreibart endlich ist e&T (No. 2. 8. 10, wo man auch e&TT lesen kann). Dass in den Hieroglyphen ein oft vorkommendes Wort häufig abgekürzt und nur durch den ersten Buchstaben oder durch die beiden ersten oder durch den ersten und letzten dargestellt wird, ist ein längst erkannter Um- stand (Champ. Precis p. 373 cf. gr. eg. p. 64); daher er- klären sich schliesslich die Abkürzungen e (^o. 1) und e& (N. 4. 5. 6. 7. 9) für G&T, eÜTÖÖ oder e&TOT, und e&TI. Diese Formen können wir allein als ächte und, vielleicht mit Ausnahme der letzten, als uralte Bezeich- nungen des Stadtnamens anerkennen. Hierbei ist indessen zu bemerken, dass zwar nach Champ ollion's Theorie der Anfangs vocal unserer Gruppen allerdings dem koptischen 6 entspricht (gr. eg. p. 36), dass aber dem Laute nach sowohl jene Hieroglyphe (s. Leemans mon. eg. Ire livr. Tab. 8 n. 58) wie jener koptische Buchstabe (Champ. gr. p. 34), nicht nur einem e, sondern auch einem kur- zen a gleich kommt. Für die Aussprache der obi- gen drei Schriftformen sind also die Klänge Abt, Abto, Abti zu vindiciren, um so mehr als auch der griechische Name "Aßvdog einen solchen a — Laut voraussetzt, und nls in dem Leydener Pap. biling. die hieratische Gruppe Form und Bedeutung des Namens Abtjdos. 47 No. 12 — ein sehr bemerkenswerther Umstand — die Uebersclirift <5,&OT führt. Die Auslassung der Zwischen- vocale in der Hieroglypheilschrift und die schwankende Natur derselben in der Aussprache ist eine allgemein bekannte Thatsache, die wir auch in dem vorliegenden Fall anerkennen müssen. Wie, um eine äusserlich naheliegende Analogie zu wählen, im Koptischen der Monat bald eft^T, bald 8&OT und e^HT, oder auch «5ÜOT und &&HT heisst: so fand sicher auch zwi- schen den beiden Consonanten des Stadtnamens die ganze Stufenleiter der Yocale Platz, indem der in der Schrift ausgelassene Laut bei der Aussprache auf das Mannigfaltigste modificirt ward und bald wie T oder I (daher die griechischen Formen "Aßvdog und "jißidog, so wie die arabische el-Abydeh), bald wie e oder & (daher die arabischen Namen el - Abedyeh und el- Abä-dyeh), bald wie 5 OT oder «5 klang (daher die Transcription «5ÜOT in dem Leydener Pap. biling.,, so wie der heutige Bergname Afod oder Afud und der kop- tische Bergname e&CWT). §. 16. Man könnte zwar die Champollion'sche Les- art eikWTj ungeachtet sie der griechischen Form "Aßvdog grade am Entferntesten steht, dadurch rechtfertigen wol- len, dass die Versetzung der Zeichen in den Hierogly- phen nichts Unerhörtes ist, und dass mithin der zweite Vocal der Gruppe No. 3, obwohl er die vierte Stelle ein- nimmt, dennoch der dritte Buchstabe sein könne. Dann würde man aber einmal mindestens ebenso gut eßOTT oder e&TT lesen können, und andrerseits müsste dann der Consequenz gemäss auch No. 11 eSw?T ? No. 12 aber eSlT gelesen werden. Nun hat jedoch grade diese letz- tere Gruppe die Uebersclirift <$ÜOT«> — ein Zeichen dass Ab(o)ti gelesen, also das J^ der zweite geschriebene Vo- cal, als Schlu ss vocal betrachtet werden muss. Ist dies aber bei No. 12 der Fall, dann muss umgekehrt, wenig- stens consequenterweise, auch bei No. 11 und No. 3 der 48 Alhfi Comm. II. This und Abydos. §. 16 — 18. zweite Vocal der vierte Buchstabe sein. Jedenfalls ist also bei den vielfachen vocalischen Oscillationen eäTT nicht als die allein gültige Lesart, als die eigentliche Grundform aber eÜT zu betrachten. §. 17. Die Ableitung des Namens hat zahlreiche Hypothesen erzeugt. Die Griechen fanden in dem Worte eft-T (Ab-t) einen Anklang an den Namen ihrer Mi le- sischen Colonie Abydos am Hellespont und schrieben daher den ägyptischen ganz gleichlautend. Deshalb sieht auch die griechische Sage — höchst wahrscheinlich durch den aus Milet gebürtigen Hekatäos verbreitet, der zuerst seinen Landsleuten von dem Nillande ausführliche Kunde gab — in der ägyptischen Stadt eine Gründung der Milesier, und führt überdies den Namen auf einen gewissen Abydos zurück, was bei der Manie der Grie- chen, Alles zu personiticiren, nicht Wunder nehmen kann und keiner Widerlegung bedarf (Steph. Byz. v. '.Aßvdog: xal i\ y.az AXyvTtxov tcov ccvtcop [seil Mikrjöicov] azroixoc, cctio *Aßvdov zivoc x^d-staa). In der neuern Zeit — um nur einige Erklärungsversuche anzuführen — hat Zoega (de orig. et nsu obel. p. 287 not. 30) an das kop- tische Wort &&HT (monasterium), Quatremere (Obs. s. quelq. points de la geogr. de PEg. p. 18 sqq.) gleich wie Champollion an den Berg ßSflpT gedacht. Jomard (Antiqq. d'Abyd. p. 18 sqO leitete den Namen von dem arabischen Plural A'byd d.i. „Sklaven" ab und behauptete, die Stadt sei ein Sklavenmarkt der Aethiopier gewesen, wo diese ihre eigenen Landsleute verkauft hätten. Dieser Hypothese zu Liebe, die nicht nur sprachlich, sondern auch sachlich unbegründet ist, da sich im Alterthume keine Spur von solchen Sklavenkarawanen findet (s. Rit- ter's Afrika S. 768), nimmt Jomard sogar an der un- schuldigen Sage der Griechen ernstlichen Anstoss, hält eine Corruption des Textes bei Stephanos für .^probable" und denkt an die Möglichkeit, dass dieser nicht avTuv, sondern Aiöwtccop geschrieben habe. W^er da weiss — Form und Bedeutung des Namens Abydos. 49 und wer sollte es nicht wissen! — dass das hellespon- tische Abydos wirklich von Milesiern gegründet war (Strab. XIII. p. 590), der niuss, wofern kein Vorurtheil ihn besticht, es natürlich finden, dass die Griechen, ein- mal durch den ägyptischen Namen an den griechischen erinnert, auch dadurch veranlasst wurden, nicht nur vol- lends den Namen der Stadt, sondern auch den Ursprung derselben zu gräcisiren, — und mithin Bedenken und Gewaltsamkeiten der obigen Art auf das Entschiedenste zurückweisen. Das Verdienstlichste bei Jomard's Ablei- tung, der überdies den Namen mit byd, beydä (badou im Aethiopischen) d. h, „Wüste" vergleicht, ist offenbar dies, dass er selbst seine Meinung für „piirement hypo- thetique" ausgiebt. §. IS. Gern bekenne ich die Schwierigkeiten und Gefahren des Etymologisirens; nirgends ist der Schein häufiger trüglich, und doch drängen sich nirgends zahl- reichere Combinationen und Möglichkeiten auf. Nichts- destoweniger will ich sagen, was mir das Annehmbarste dünkt. Abydos war, wie der weitere Verlauf der Un- tersuchung darthun wird, von This aus gegründet, und lag fast östlich von dieser Stadt an dem Gebirgszuge, welcher sich von den Ruinen ebenfalls in fast östli- cher Richtung bis Diospolis parva und darüber fort bis nach Tentyris hinzieht. Es wäre daher nicht zu verwun- dern, wenn die Thiniten sowohl diese Bergkette als die neue Stadt die „östliche" genannt hätten. Und wirk- lich heisst die östliche Himmelsgegend im x4egyptischen eÜT (auch eiefh*, JeÜT, ei&T, reßeT), entspricht also mit Berücksichtigung der oben dargelegten schwanken- den Natur des Zwischenvocals, dem Laute nach voll- kommen dem Stadtnamen e&T und dem Bergnamen eäWÜT. Die hieroglyphische Gruppe für die Ostgegend 50 Allg. Comm. IL This und Abydos. §. 18 — 21. ist vollständig py oder ^ \J\' d. i. eäT-K£gl (K&gJe&T} x ); daher auch die Gruppe ft I P=^ d. i. die „östliche" Hand für die „rechte." Mithin wird in der That auch durch die Schrift unsere Ableitung gerechtfer- tigt. Abydos und der Osten stellen sich in ihr, ab- gesehen von dem für Stadt und Gegend verschiede- nen Determinativ, wesentlich als eine und dieselbe Gruppe dar; denn die geringe Differenz der Anfangsvocale wird schwerlich für bedeutsam gelten; jeder Hieroglyphen- kundige weiss, dass in der Schreibart eines und dessel- ben Wortes oft weit grössere Abweichungen statt fin- den (man vgl. nur des Extremes halber die Beispiele an- geblich barbarischer oder schlechter Orthographie bei Champ. gr. eg. p. 535); der Grund davon ist nicht so sehr in der Willkür der Hierogrammaten , als vielmehr vornehmlich in den Localgewohnheiten zu suchen (cf. Goulianof: Archeol. eg. T. I. p. 136). §. 19. Ein besonderes, höchst merkwürdiges Ar- gument für die gegebene Ableitung liefert die hieratische Gruppe No. 12, als deren hieroglyphisches Aequivalent Leemans ganz richtig die Gruppe q ^ <=> ^ I # aufstellt (Tabl. 7 n. 43, c. und Text p. 52). Hier findet sich nämlich ausser dem Stadt-Determinativ noch ein zweites, die Gegend bezeichnend (dies erkennt auch Leemans Text p. 52 und p. 10). Nun ist es aber That- sache, dass in solchen Fällen das zweite Determinativ ') Die erste steht bei Champ. gr. eg. p. 151, die zweite habe ich aus der Inschrift auf dem Sarge der *«^wj 'HquxXhov in der Minutoli'schen Sammlung zu Berlin entlehnt. Form und Bedeutung des Namens Abydos. 51 jederzeit den Sinn des phonetisch geschriebenen Namens ausdrückt. Wie also z. B. bei dem Namen der Stadt £&<5JT (s. Champ. gr. eg. p. 154), um die Bedeutung dieses Wortes, welches „Panegyrie" heisst (s. z.B. Champ. 1. c. p. 97. 251. 330. 33S. 351. 413), zu versinnlichen, vor dem Stadtzeichen das Determinativ der Panegyrie vorhergeht: so dürfte auch in der obigen Namensgruppe der Stadt e&TJ (Abydos) das vor dem Stadtzeichen be- findliche Determinativ der Himmelsgegend den Sinn des Wortes, als von der Himmelsgegend e&T entlehnt, an- deuten sollen. §. 20. Dergestalt erscheint es nun auch erklärlich, dass so viele analoge Dorfnamen, wie el-Abedyeh, el- Abydeh, el-Abädyeh, nicht nur in der Nähe von Aby- dos, sondern selbst noch in der Umgegend von Hou oder Diospolis parva auftreten; fern davon die so ungehörige etymologische Hypothese Jomard's zn bestätigen, dürf- ten sie vielmehr als Zeugniss dafür dienen, dass diese ganze Gegend und die sie begleitende Bergkette wirklich die „östliche" d.i. e&T, e&6T (Abt, Abat) genannt worden sei. Kein Wunder aber, wenn der gräcisirte Name der Stadt und der Umgegend nunmehr wieder arabisirt erscheint. Wie die Griechen ihm eine grie- chische, so suchten natürlich auch die Araber ihm eine arabische Färbung zu geben. Von der Bedeutung des arabischen Ausdrucks auf die Bedeutung des Na- mens im Aegyptischen zu rückschli essen zu wollen, ist also begreiflicherweise ein durchaus trügliches und darum missliches Unternehmen. §. 21. Wenn das doppelte T in der Gruppe der Koller'schen Tafel (No. 10) nicht ein blosses Versehen des Schreibers ist, so müsste dieselbe e&T-T(Y) oder eÜT-T(tt3) gelesen werden. Noch im Koptischen kommt TW5 vor, für dopa, munus; es ist offenbar gleich TO^ TOe, TOJj portio, pars, welche Formen ihrerseits wieder 52 Ally. Comm. IL This und Ab y dos §. 21—23. im Sinne von sedes, habitatio, mit dem hieroglyplüsch- hieratischen TJ, Wohnung, ganz übereinkommen; der allen gemeinschaftliche Stamm scheint *f , T6I, TOf 7 T0 5 dare, zu sein. Der Sinn von GÜT-TI oder e&T- TW3 wäre also ,, Ostsitz, Osttheil, Ostort." Man würde das TW5 oder TOT vielleicht auch von TU50T oder TOOT d. i. „Berg" ableiten, also e&T-Tto oder e&T-TOT durch „Ostberg" erklären dürfen, wofern das zweite Determi- nativ der Gruppe No. 12 auch als Determinativ des Ber- ges gelten könnte; man sehe die Gruppen für „Berg 44 bei Champ. gr. p. 100. 521. 49. §. 22. Ich gestehe, ehe sich eine Ueberzeugung in mir befestigt hatte, ging ich mit vielen abweichen- den Muthmassungen um. Bald dachte ich an die Mög- lichkeit, den Namen von (ot)&> d. i. „tragen" (s. Champ. gr. p. 380. cl. p. 379); HeTOT&^nec scheint zusammengesetzt aus Ute locus, TOTÜ sanctus, und &fiec == eneg semper 1 ), bezeichnet mithin das ewig- heilige Behältniss, den Sarg des Osiris. Apis also — er, der an sich selber sichtbarlich die dunkle Hülle des Osiris trägt, — er ist es auch, der in der heiligen Todtenfeier sinnbildlich den Sarg, die Hülle, den Kör- per des dunklen Osiris hinträgt — zu der Grab- stätte, aber auch zu neuem Leben und zu neuem Kampfe. Denn wenn gleich Osiris (d. i. der ägyptische Nil) alljährlich dahinstirbt (d. i. seine schwellende Fluth verschwindet), indem er im Kampfe erschlagen wird von Typhon (d. i. von dem Meere besiegt, indem es die Flu- then verschlingt): so stirbt doch niemals der Apis, die eigentliche Seele des Osiris (d. i. so versiegt doch nie- mals der äthiopische Abiad, der eigentliche Quell der Anschwellungen des ägyptischen Nil), sondern belebt und beseelt den Osiris stets von Neuem (d.i. führt ihm immer neue Fluthen zu). Er ist also in allen Beziehun- gen der Träger des Osiris. §. 26. Käme es nun darauf an, auch in dem Na- men der Stadt Abydos eine Andeutung des dort herr- schenden Nilcultus zu suchen, sowie in dem Namen der Stadt This sich der Isiscult offenbart: dann liegt in der That unter allen darauf bezüglichen und in Abydos ver- ') Der Uebergang des Spiritus Asper in s ist für alle Sprachen ge- nugsam constatirt; ich erinnere nur beispielsweise an tma und Septem. Uebrigens gleicht der letzte Buchstabe im Original in der That fast ebenso sehr einem Hori wie einem Sima. 60 Alle/. Comm. IL This und Abydos. §.26 — 27. ehrten Gottheiten die Erinnerung- an Apis am nächsten. Zwar will ich — wie das Frühere beweist — keineswegs jenen Namen, so wie er in der Ueberlieferung vorliegt, unmittelbar von diesem ableiten; denn wenn auch in der Aussprache die Klänge eü(j)TW5 (Abito) und ^nfTCf leicht in einander übergehen, so sind doch beide Grup- pen in den Hieroglyphen völlig von einander verschie- den, und namentlich Abydos immer mit einem I (b). Apis dagegen stets mit einem B (p) geschrieben. Dies dürfte indessen allerdings die Annahme nicht verhindern, dass der ursprüngliche heilige Name von Abydos wirk- lich &JTJTU5 d.i. „Apiswohnung" gewesen, schon früh- zeitig aber durch Paronomasie in den Profannamen e&T, e&TTU3 oder eÜTtt? d. i. „Ostwohnung" oder „Elephantenwohnung" übergegangen sein könne (s. auch unt. §. 48 als Ergebniss von §. 44 — 47); dann würde wenigstens die Wahrnehmung, dass die Namen der mei- sten altägyptischen Städte sich an die Grundideen des Cul- tus und der Mythologie anknüpfen, auch bei Abydos ge- rechtfertigt erscheinen. Auf diese Weise wäre es selbst möglich, auch in dem Namen von Elephantine eS 9 e&(oT) nur die Paronomasie eines Urnamens «ui, <$Jl(j) d. i. ,, Apis (- Ort) " zu erblicken, der in der That für eine Nilinsel und grade für dies'e ausserordentlich passend wäre. Doch nicht gesonnen mit schwankenden und da- her trüglichen Vermuthungen zu spielen, will ich diesen schlüpfrigen Tummelplatz, auf dem ich vielleicht schon allzu lange verweilt, gern Anderen preisgeben. Nur die Bemerkung sei mir noch erlaubt, dass — abgesehen von der ^tatsächlichen Verwechselung der Buchstaben b, p, v, f, wie in allen Sprachen, so auch im Koptischen (ich erinnere nur mit Bezug auf unser Thema an den Män- nernamen ^,S^J3/l für <5JIJÖt3n) 5 — ursprünglich selbst die Hieroglyphenschrift b. p und v als Einen Laut be- Form und Bedeutung des Namens Abydos. 61 handelt zu haben scheint; denn die Hieroglyphe, welche das b darstellt, ist anerkannterweise derFuss,und doch besteht für den Namen desselben eigentlich nur eine v (ot)- und eine p-Form: OTepHTe (daher p den geschlossenen Mund (p&7 und somit das p vertritt. Das hebräische Pe (£) ist offenbar dem hieroglyphi- schen p-Zeichen analog und heisst im Hebräischen in der That „Mund". Die Querstriche, die zuweilen den obern und untern Theil der Hieroglyphe scheinbar in Felder zertheilen, dürften nichts anders als die Zähne des geöffneten Mundes darstellen. 2 ) Der erstem von diesen beiden Deutungen beizupflichten ist auch Herr Prof. Lepsius am meisten geneigt; doch konnte ich mich 62 Allf/. Comm. IL This und Abydos. §. 28. 3. Die Localität der Stadt Abydos. §. 28. Die Lage von Abydos, zwischen dem Nil und der Libyschen Bergkette, ward von den alten Schrift- stellern schon so genau bestimmt, dass in der That nur die Unkenntniss oder die Unlust der neueren Reisenden die Wiederauffindung derselben so lange verzögern konnte; seit der französischen Expedition bleibt im Allgemeinen kein Zweifel mehr übrig; d'Anville's scharfer Blick hatte auch hier wieder das Richtige getroffen, indem er Aby- dos bei Madfuneh (d. i. vergrabener Ort) suchte. — Die Ruinen des alten Abydos sind von dem heutigen Girgeh ungefähr 4 Lieues (2 2 / 5 geogr. M.) entfernt, von Men- chyeh oder dem alten Ptolema'is etwa 8 Lieues (4 4 / 6 geogr. M.) 5 und ebenso weit von Hou oder Diospolis parva (Jörn, antiqq. d'Abyd. p. 1 not. I); auch Ptol. IV. 5 giebt die Entfernung zwischen Abydos und Diospolis auf einen seiner Längengrade oder auf circa 5 geogr. Meilen an. Diese Angaben bezeichnen die Abstände; die Wegeentfernung von Girgeh bis el-Kherbeh d. h. bis zum untern Anfang der Ruinen beträgt nach Jomard (p. 8) 3V 2 Stunde, von Hou bis Madfuneh oder dem Memno- nium etwas mehr als 41,000 Metres (Jörn. p. .2), womit die Angabe des Itin. Anton, (p. 158) von 28 Rom. Meilen zwischen Abydos und Diospolis parva genau überein- stimmt. Die Distance zwischen Madfuneh und dem näch- sten Punkte des Nil beträgt nach Jomard (p. 2.) 7500 Metres, also nur etwas mehr als 5 Rom. Meilen; Parthey (Wanderungen durch das Nilthal p. 510) sagt^ Abydos sei ,,fast 1 Stunde vom Flusse entfernt 4 ', womit aber dessen Karte nicht stimmt, die eine bei Weitem grös- sere Entfernung andeutet. Wenn nun Plinius V. 9, 11 nicht entschliessen, seiner Ansicht gemäss, die andere ganz aufzugeben. Die Localität der Stadt Abydos. 63 die Entfernung vom Nil auf 7'/ 2 Rom. Meilen angiebt (VII M. CCCCC passum in Libyam remotum a flumine) d. i. etwa 2 1 / 2 Lieues , so bedarf dies einer Erklärung, da ein Irrthum bei Plinius hier durchaus nicht anzuneh- men ist. Jomard's Auskunft: „la vaste plaine qui est sur la rive droite, paroit avoir appartenue autrefois ä la rive gauche et avoir ete abandonnee par le Nil d'annee en annee" mag einigen Grund haben; doch genügt sie allein nicht. Es ist vielmehr als vollkommen gewiss zu be- trachten, dass die Angabe des Plinius nicht den gradli- nigen Abstand vom nächsten Punkte des Nil betrifft, son- dern die Länge einer vom Flusse ab nach Abydos füh- renden Communication, entweder einer Land- oder einer Wasserstrasse. Wenn wir nun aus Strabon (XVII p. 813) erfahren, dass ein Canal vom Nil aus nach Abydos führte, also die eigentliche Vermittelung im Verkehr zwischen beiden Punkten bildete: so kann es keinem Bedenken unterliegen, dass das Mass des Plinius sich auf die Länge dieses Canals bezieht, dessen Ufer, wie schon der Ver- kehr erheischt, zugleich von einem Landwege begleitet sein mussten. Mit diesem alten Canale kann aber au- genscheinlich kein anderer gemeint sein, als der heutige Zarzoura, welcher das Land im Nordosten von Abydos bewässert 1 ); er verlässt den Nil beim Dorfe Ma'sarah, ! ) Ich bemerke hier ein für allemal, um Missverständnissen vorzu- beugen, dass meine Bestimmungen der Himmelsgegend sich durchgangig nach dem wahren Norden richten. Jomard's Be- stimmungen dagegen, denen Ritter (Afrik. S. 768) folgt, sind durchgängig relative, indem er, wohl durch die nördliche Nor- maldirection des Nil veranlasst, stromaufwärts gleich südlich, und stromabwärts gleich nördlich setzt. Da nun aber in diesen Gegenden, von Denderah bis über Abydos hinaus, der Wirklich- keit nach der Nil nicht von Süden nach Norden, sondern — wie auch Jomard (p. 2) angiebt — fast genau von Osten uach Westen fliesst, und erst sehr allmählich sich nach Nordwest, Nordnordwest und Norden wendet (vgl. Ritter S. 766. 769): so erkennt man, wie bedeutend die scheinbaren Abweichungen sein 64 Allfj. Comm. IL This und Abydos. §. 28 — 29. geht gegen das untere Ende der Ruinen gewandt bei dem Dorfe Sägeh vorbei, und vereinigt sich gegenüber von el-Kherbeh mit dem Canal Abou-Ahmar, der seiner- seits von Osten nach Westen parallel mit den Ruinen, am Nord-Fusse derselben entlang läuft. Dass der von Strabon erwähnte nicht der Parallelcanal von Farschut sein kann, von dem der Abou-Ahmar einen Theil bildet und dessen nördliche Fortsetzungen der Bahr-el- Jousef und der Bathen oder Fyäd sind, verstellt sich von selbst; denn eine so bedeutende städtische Anlage musste eine directere Verbindung mit dem Nil haben, w T ie sie eben der Zarzoura wirklich darstellt; und überdies hätte sich in jenem Falle Strabon ganz anders ausdrücken müssen, etwa so: „an dem Orte führt der Canal vorbei", nicht aber: „es ist dort ein Canal, der von dem gros- sen Fluss an den Ort führt", womit offenbar ein beson- derer, unmittelbarer oder ein Qu er canal gemeint ist, w T ie ihn denn als solchen auch Reichard auf seiner Karte des alten Aegyptens verzeichnet hat. Die Länge des Zarzoura bis zur Vereinigung mit dem Abou - Ahmar zwischen Sägeh und el-Kherbeh 1 ) beträgt nun in der That 1 V s geogr. d.i. 7 1 /, Rom. Meilen. Wenn Jomard (p. 8) 3 Lieues angiebt, so geschieht dies wohl nur der runden Zahl halber, und weil er, wie es scheint, einen etw T as entfernteren Standpunkt einnimmt; unter allen Um- ständen aber ist die Differenz nur unbedeutend. So er- hält also die Angabe des Plinius schon hierdurch eine entscheidende Bestätigung, während sie, wie sich später müssen, und wie häufig Jomard's Süden unserm Osten, sein Westen unserm Süden, u. s. w. entsprechen muss. Zur genaueren Orientirung und Vergleichung habe ich auf dem beigefügten Plan auch den von Jomard angenommenen Norden verzeichnet. ') Es scheint, wenigstens nach Jomard's Darstellung, dass der grosse Canal nach dieser Vereinigung den Namen des Zarzoura, also des Quercanals, noch eine Strecke weit beibehält; auf der Hauptkarte der Expedition heisst er Bahgoürah. Die Localitüt der Stadt Abydos. 65 zeigen wird, durch unsern zweiten Papyrus ein noch überraschenderes weil unerwartetes Licht gewinnt. §. 29. Die heutigen Ruinen beginnen, wenn man von Girgeh kommt, bei dem Dorfe El-Kherbeh und er- strecken sich aufwärts bis über das Dorf Haraba hinaus, welches in eine Nord- und eine Südosthälfte zerfällt; im Norden von dem Abou-Ahmar begränzt, dehnen sie sich südwärts gegen die Libyschen Berge hin; doch liegt ihr südlichster und südwestlichster Theil unter den aus der Wüste, namentlich durch eine Thalöffnung im Westen von Abydos (Jörn. p. 3), hereinwandernden Sanddünen begraben. Der Umfang dieses verschütteten Theils lässt sich auf keine Weise berechnen; doch darf man schlies- sen, dass derselbe höchst beträchtlich gewesen (Jörn, p. 11), und dass die noch vorhandenen Ruinen vielleicht nur die kleinere Hälfte von Abydos darstellen, obgleich sie an sich schon einer bedeutenden Stadt würdig sind; ihr Gesammtumfang beträgt nach Jomard 7000 Metres, ihre grösste Länge von Westen nach Osten 2800, die grösste Breite 900. Wüste Trümmerhaufen bedecken diesen Raum; mitten durch sie hindurch führt ein Com- municationsweg von El-Kherbeh nach Haraba, 1200 Me- tres weit. Rechtsab von diesem Wege und kurz vor Nord-Haraba zeigen sich Ueberbleibsel eines rothen Gra- nitthores, wovon noch ein Pfeiler aufrecht steht, weiter hinten grosse rothe und schwarze Granitblöcke, Schutt- massen und die hervorblickende Terrasse eines völlig ver- sandeten Gebäudes; dies sind die wahrscheinlichen Reste des Osiristempels, durch den Abydos im Alterthum nicht minder wie durch sein Memnonium berühmt war. Daher sagt Plin. V. 9, 11: ,, Abydos, Mennonis regia et Osiridis templo inclytum"; dasselbe ihm folgend Solin. c. 36. lieber den Cult äussert sich Strab. XVII p. 814: °Ev ds %% *Aßvd(o Timeout, xov "Ogiqw ' iv de xm Uoqi xov ^Ocioiöog ovx €%€(STIV OVX€ W(JoV, OVXS CCvXijXfjVj OVXS tpdXxtjV äTZCCQXSG&ai xm d-sw, xaSccmg xotg ceXXoig d-sotg s&og. Darauf bezieht 5 66 Allg. Comm. IL Tüte und Abydos. §. 29-31. sich auch wohl Aelian. de nat. anim. X. 28: IdXmyyog r\yov ßdsXvTTOVvcci BovGiolTat xal "Aßvdog r\ AlyvTZTia xal Avxcov noXig. Auf die dortigen Mysterien spielt Porphyrios an (Epist. ad Anebon. Aegypt. vor Jambl. de Myst. ed. Cale): to ydo Xsysiv, oti top ovqavov TtooGaoal-et, , xal tcc xovTCTa Tr(g "Iaido g txcpavst, xal to ip^Aßvdqi dnoqqriTOV ästest, x. t. X, xakoi xal XaioijfjiCüV o IsQoyQafifjbaTsvg dvayodcpsi, TavTa, wg xal nao ^AlyvnTioig &ovXXov[i£pa (cf. Jambl. 6, 5. 7). Auch Epiph. adv. Haer. L. HI. p. 1093 (ed. Petav.) nennt Abydos mit Rücksicht auf die daselbst, sowie in Bubas- tis, Sai's und Pelusiurn, gefeierten Mysterien. Selbst in den Hieroglyphen finden wir nunmehr nicht nur den Osiriscult von Abydos überhaupt erwähnt, wie in der Inschrift der tempeltragenden Statue im Museum des Louvre (.,0 mon seigneur Osiris, donne moi le souffle qui reside en tes narines, parceque je suis ton grand spon- diste dans Abydos" b. Champ. gr. eg. p. 504 sq.) und auf dem grossen Sarge aus Theben im hiesigen ägypt Mus. (No. 1615 der Passalacqua'schen Sammlung, rechte Seite, lin. 1: „Osiris .. grosser Gott, Herr in Abydos''), sondern auch ausdrücklich die dortigen Feste des Osi- ris., wie in dem Papyrus bei Champ. 1. c. 515 (,,0 Thoth justifie le dire d'Osiris-Petamon conime tu justines le dire du dieu Osiris contre ses ennemis devant les To- tounen, dieux grands qui resident dans Abydos la nuit de la panegyrie")- Aus Plut. de Isid. et Osir. p. 359 (ed. Reisk. VH p. 416) wissen wir längst, dass Abydos eine der heiligen Grabstätten des Osiris war: "Aßvdov Sficog xal [iGcog, ij] Ms^KfiVj ovofid&G&ai noXi/^v XeyovCiv, wg fiovqv to dXrj&ivov (seil, cdofna) syjovöav 3 sv ts °Aßvd(a Tovg svdaiiiovag tcov AlyvitTicov xal dvvaTOvg [idXiOTa d-drctsöd^ai yiXonpovfisvovg SfiOTacpovg sivai tov öca^aTog "Oaloidog. Dies wird nunmehr auch entschieden bestätigt durch die §. 25 angeführte Stelle des Leydener Papyr. biiing. No. 65. §. 30. Zwischen den beiden Theilen von Haraba, 390 Metres in östlicher Richtung von dem Granitthor, Die Localität der Stadt Abydos. 67 1000 Metres vor dem Osteude der Ruinen überhaupt (also gegen 1500 Metres oberhalb von El-Kherbeh) erblickt man die unverkennbaren Reste des Memnonischen Palas- tes aus weissem Marmor, im Kampfe mit den herange- wehten Sandwogen, doch zum Theil noch trefflich er- halten, mit einem Bogengänge in der Mitte. Von diesem Letztern aus beträgt die grade Entfernung bis zur Mitte von Nord-Haraba 275 Metres, bis zur Mitte von Südost- Haraba 340, und bis zum nächsten Punkte des Abou- Ahmar 320. Das Memnonium erwähnt ausser Plinius und Solinus, vornehmlich Strab. XVII p. 813: vtcsq 6s Tccvrqg rj v Aßv6oq, sv $ to Ms^ivovstov ßaöiXsiov, -d-avya&rcog xaxs- GxsvaGfisvov bXolidoVj xfi ccvzrj xaxaöxsvfi, ^Ttsq xbv Aaßv- QlVd-OV SCpCCHSVj OV TtoXXcCTtXoVV 6s' XCcl XQfjVTjV SP ßdS-SL XSLfJlS- vtjVj wöxs xaxaßaivsiv sie, avxrjv xaxä xa^igj^siacov xpaXidoav 6i,a (AOVoXid-oov VTfsQßaXXövTMV xm iisysdst xai xfj xaxa- axsvrj. Und ausserdem Eustath. comm. in Dionys. Perieg. v. 516 (c. 76): Eivav 6s Xsysxai tcoxs xai Avßixrj "Aßv6og Alyvnxia, sypvöa Msfivovsiov ßaöiXsa *). Die symbolische Bedeutung jener Quelle in der Tiefe des Memnoniums zu erörtern, verspare ich mir auf eine andere Gelegen- heit (vgl. jedoch d. Note zu §. 46); hier will ich nur be- merken, dass die Ausdrucksweise hieroglyphischer und hieratischer Texte: „Abydos ist das Reservoir (oder das Bassin) der Gewässer des Landes der beiden Wahr- heiten' 4 sich darauf zu beziehen scheint (Rituel hierogl. in der Descr. de l'Eg. pl. 5 col. 101 und Rituel hierat. im königl. Mus. zu Paris c. XIV fol. 1 ; bei Champ. gr. eg. p. 526). §. 31. Die Reste des Osirisheiligthums und des Memnoniums sind unstreitig die interessantesten und wich- J ) So in allen mir zugänglichen Ausgaben; doch ist wohl nur das * ausgefallen und ßaciliva zu lesen, zumal da die Quelle des Eusthatios, wie namentlich der später (§. 52) anzuführende Zu satz beweist, augenscheinlich Strabon war. 5 * 68 Ällg. Comm. II. This und Ahyclos. §. 31—32. tigsten; doch entnehme ich über die weitere Beschaffen- heit des heutigen Ruiuenlocals aus Jomard noch Folgen- des: Gegen den äussersten Osten erhebt sich eine dicke Mauer aus ägyptischen Ziegelsteinen , und noch weiter- hin ein hoher Hügel mit einigen grossen Steinblöcken; südwärts davon ist Sand, nordwärts eine Cisterne, ein Santon und Gärten. Die Sanddünen erstrecken sich vom Ostende gegen Süden und Südwesten zu, und werden erst in einer Entfernung von 1 Lieue durch die Liby- schen Berge begrenzt. In dieser Richtung finden sich auf einer Ausdehnung von 900 Metres zahllose Mumien- reste. Von dem Bogengänge des Memnoniums 1330 Metres westsüdwestlich (also gegen 1000 Metres von dem Granitthor, und gegen 2300 von dem Ostende der Ruinen überhaupt entfernt) erhebt sich eine Ring- mauer (Enceinte), das sogenannte Rosinenmagazin, Chounet el-Zebyb (magazin des raisins secs); sie besteht aus einer doppelten Umwalluug, die äussere von 360, die innere von 170 Fuss. Von hier aus 350 Metres wei- ter westwärts ( Jomard sagt 250, aber dann stimmen die übrigen Zahlen nicht), 1675 von dem Bogengänge des Pa- lastes (also etwa 1300 vom Granitthor und 2600 vom äussersten Ostende der Ruinen) entfernt, befindet sich eine zweite Ringmauer, genannt Deyr Nasärah d. i. Klo- ster der Christen; Sicard nennt statt dessen das Kloster Abou-Mousah (Abt Moses) und setzt es westwärts von Haraba an den Fuss des Sandberges Afodos. Am äusser- sten Westende der Ruinen, 200 Metres vom Kloster (also 18—1900 vom Palast, etwa 1500 vom Granitthor und 2800 vom äussersten Ostende) entfernt, südwestwärts von El-Kherbeh, zeigen sich zerstörte Constructionen aus Backsteinen. Noch etwa 200 Metres darüber hinaus ragt ein sehr hoher Hügel hervor, welcher unter dem Sande alte Trümmer zu verbergen scheint. Das Vorstehende genügt, um eine Uebersicht über Die Localität der Stadt This. 69 die Sachlage und somit eine Basis für die nunmehrigen Folgerungen zu gewähren. 4. Die Localität der Stadt This. §. 32. Von dein uralten This schien bisher keine Trüm- merspur mehr vorhanden; ward auch der Name, die Kunde nicht ganz der Vergessenheit übergeben, so blieb doch der Boden allen Nachforschungen verborgen, dem Suchen- den ein Räthsel. Daher überall nur ein Tappen und Rathen, ein Zweifeln und Widersprechen. Während die neueren Schriftsteller es bald mit Abydos, bald mit Pto- lemais identificiren,, sind auch unsere neuesten und be- sten Karten nicht danach angethan, den Zweifeln hülf- reich entgegen zu kommen ; bald übergehen sie es ganz, wie Berghaus, Reichard, Lapie und Parthey; bald ver- setzen sie es nach ganz ungehörigen Orten, wie Leake (seine Karte ist übrigens in jeder Beziehung, nur nicht im Preise, die vorzüglichste) nach Birbeh, fast in der Mitte zwischen Ptolemais und Abydos, oder wie Otfr. Müller (auf der Karte zu Heeren's Ideen Theil II, Abth. II) nach dem heutigen Girgeh. Alle diese Hypothe- sen sind in der That um so unbegreiflicher, als schon die einzige Kunde die wir bisher von This hatten voll- kommen genügt, um sie sämmtlich mit einem Schlage zu vernichten; ich meine die Angabe des Cornelius Alexander bei Stephanos. Denn wenn dieser es eine Stadt „nahe bei Abydos" nennt: wie kann es dann Abydos selbst sein? Wie das 8 Lieues davon entfernte Ptolemais? Und wie will man es auch nur bei Girgeh oder bei Birbeh suchen, da jenes ja 4, dieses 3 Lieues von Abydos entfernt liegt? Selbst die geringste dieser Ent- fernungen aber kann für Aegypten kein Massstab der Nähe sein, für ein Land, dessen Städte- und Flecken - Zahl zwar häufig und bei Weitem über, niemals aber im Alterthum unter 18,000 geschätzt ward (s. Mannert 70 Alle/. Comm. IL This und Abydos. §. 32 — 34. X. p. 308 sq.). Es kommt also darauf an, an die Stelle der bisherigen schwankenden und sich selbst aufhebenden Meinungen etwas Neues und Bestimmteres zu setzen; und hier ist es nun, wo — wäre der Fundort der vorliegenden Actenstücke uns bekannt, dieser einen un- mittelbaren Ausschlag geben dürfte. Da dies aber nicht der Fall ist, so müssen wir es für ein um so grösse- res Glück erachten, dass dennoch dieselben uns in ganz unvermutheter Weise, nämlich durch ihren Inhalt, wenigstens mittelbar zur Lösung unserer Aufgabe behülf- lich sind. Sie führen uns zu der Ueberzeugung, dass die bisher ausschliesslich auf Abydos bezogenen Ruinen zugleich auch die Überbleibsel von This umfassen, derge- stalt dass die Letzteren den nordwestlichsten Theil der- selben um El-Kherbeh und Sägeh einnehmen, während der bei Weitem grössere Süd- und Osttheil, mit Ein- schluss des Memnoniums und der Trümmer des Osiris- tempels dem eigentlichen Abydos verbleibt. §. 33. Bei der Prüfung der folgenden Argumenta- tion möge übrigens der Leser auch im Voraus auf ei- nen Umstand Bedacht nehmen, den wir folgerichtig erst im geschichtlichen Abschnitt näher erläutern können, nämlich darauf — dass für This, obgleich es vor dem sie- benten Jahrhundert nach Chr. nicht aufhörte zu existi- ren, doch schon im hohen Alterthum der Moment des Verfalls eingetreten war, — dass es in eben dem Masse zur Bedeutungslosigkeit herabsank, in welchem sich die angrenzende Schwesterstadt Abydos zu Glanz und Grösse emporschwang, — dass es zuletzt und eben in Folge dessen von den ausländischen Reisenden ganz überse- hen, oder wegen seiner eigenthümlichen Lage als eine Vorstadt, als ein integrirender Theil von Abydos selbst betrachtet ward, und — dass mithin in den Berichten des Alterthums öfters nur von Abydos die Rede ist, wo man auch die Erwähnung von This erwartet, dass also öfters der Name Abydos gleichsam nur als pars Die Localität der Stadt, This. 71 pro toto zu verstellen ist. als einseitige Bezeichnung für die Doppelstadt „Abydos und This", etwa wie der Name Berlin für „Berlin und Köln." — Wir kommen zur Sache. §. 34. Dass This wirklich im Thinitischen Nomos lag, wird wie wir schon oben bemerkten durch unsere beiden Papyre urkundlich bestätigt (I. 7: äno xeo^rjg 0i- vög tov Owfoov vofjiov; ebenso IL 9). Die Lage des Thi- nitischen Nomos selbst aber, sowie die der dazu gehö- rigen Städte Ptolemai's und Abydos, ist sowohl durch die geographischen Bestimmungen des Ptolemäos, als auch durch die Entdeckung der Ruinen dieser beiden Städte, vollkommen constatirt. Im Nordwesten ward er durch den Aphroditopolitischen Nomos begrenzt, im Südosten durch den Diospolitischen, südwestwärts durch Libyen und im Nordosten durch das Bett des Nil, wel- cher ihn von dem Panopolitischen schied. Zwar sucht Peyron (Papp. Taur. Vol. II. p. 12 sqq.) den Panopoli- tischen Nomos mit dem Thinitischen zu identificiren; die Argumente, die er für so sicher hält, sind indessen ent- schieden irrthümlich. Er geht nämlich von der Behaup- tung aus (p. 13), dass wer von den alten Geographen den Thinitischen Nomos nenne, der übergehe den Pano- politischen, und umgekehrt; oder wer Chemmis d.i. Pa- nopolis erwähne, der schweige von Ptolemai's, der spä- tem Metropole des Thinitischen Nomos; Beide seien also nur zeitlich verschiedene Hauptstädte eines und dessel- ben Nomos (p. 12). Dies Alles ist aber falsch. Denn 1) Plinius V. 9 nennt nicht bloss, wie Peyron (p. 12) meint, den Thinitischen Nomos, sondern — was er völlig übersah — einige Zeilen weiter auch den Panopolitischen, freilich in einer ebenso verkehrten Reihefolge wie jenen. 2) Agatharchides bei Phot. cod. 250 p. 1340 erwähnt nicht nur, wie Peyron (p. 13) behauptet, die Stadt Ila- vcov und unmittelbar darauf Jiog Ttöfog, sondern zwischen Beiden — was nicht hätte verschwiegen werden sollen — die Stadt Gowig, die wie wir früher schon gesehen mit 72 Ällg. Comm. IL This and Abydos. §. 34 — 36. Gig identisch und also hier Vertreterin des Thinitischen Nomos ist. 3) Ptolemäos IV. 5. führt nicht nur, wie Peyron (p. 13) glaubt, den Thinitischen Nomos und des- sen Hauptstadt Ptolemais auf, sondern — was zu über- sehen doch fast unmöglich war — 18 Zeilen später auch den Panopolitischen Nomos und dessen Metropole Pa- nopolis. Er setzt sie augenscheinlich als zwei verschie- dene, durch den Nil von einander getrennte; denn der Connex ist: äno ^i&v dvösoag tov noza^ov AvuoTXoXiTrig vo\i6g^ c Yipf]X.j °^4(fQod., GivivTjg %. t. X. ano ävccToXwv 6s tov tiotccijlov * AvTaionoliTrig , HavoTtoXiTrjg x. t. L Ptolemäos sondert also bei der Betrachtung der Thebais oder der ävco xonoi streng die beiden Ufer des Flusses, — ein Beweis dass deren Nomen durch das Bett des- selben vollständig abgegrenzt, und demnach theils west- liche, theils östliche waren. 4) Auch Strabon — was Peyron, der doch übrigens die Stellen kennt, nicht her- vorhebt — führt sowohl Panopolis (XVII. p. 813), als auch Ptolemais (ibid.) auf. 5) Das Nebeneinanderbeste- hen beider Nomen bestätigen ferner, wenn es dessen noch bedarf, die gleichzeitigen Münzen derselben bei Tochon, nämlich 2 Thinitische und 2 Panopolitische aus dem Uten Regierungsjahre Hadrians. 6) Endlich bemer- ken wir: Wenn wie Peyron will sogar in der räumli- chen Nähe der beiden Metropolen Panopolis und Ptole- mais ein Grund gesucht werden soll, die beiden Nomen zu idqntificiren, dann dürfte am Ende die selbstständige Existenz sehr vieler oder gar aller Nomen verdächtig werden. Liegt doch z. B. Aphroditopolis , die Haupt- stadt des gleichnamigen Nomos noch weit näher bei Pa- nopolis als selbst Ptolemais! Und wie nahe an einander liegen nicht auch Hermopolis und Antinoe, Hypsele und Antäopolis, sogar Theben und Hermonthis, der unter- ägyptischen Metropolen gar nicht zu gedenken! In der That, nicht auf die Nähe oder die Ferne kommt es an; die Verschiedenheit der beiden Ufer allein musste ein Die Localität der Stadt T/äs. 73 genügender Grund für die Sonderung der Nomen sein, und die Realität dieses Grundes liegt eben in Ptolemäos vor Augen. — Gehört nun, wie aus dem Vorstehenden erhellt, der Thinitische Nomos ausschliesslich der linken Seite des Flusses «an: so ist This, als Bestandteil des- selben, eben dort zu suchen. §. 35. Aus Alexander Polyhistor erfuhren wir fer- ner, dass This „nahe bei Abydos" lag (nlriöiov ^Aßvdov). Es fragt sich zunächst, ob unterhalb oder ob er- halb davon. Wenn man bedenkt, das This als die äl- teste Hauptstadt des Nomos, eher in dessen Centruin als an dessen Grenzen gelegen haben werde, so wird man auch geneigt sein, das Erstere vorzuziehen. Diese Lage — einmal unterhalb, und zweitens nahe bei Aby- dos — wird nun eben durch unsern Papyrus II nicht nur bestätigt, sondern in überzeugender Weise noch nä- her bestimmt. §. 36. Kallinikos, der Lieferant der 9 Hölzer oder Stämme, und Pachymios der Käufer befinden sich Beide zu This; ebendaselbst ist durch Sextius, den Komo- grammateus von This das vorliegende Actenstück, die Quittung aufgesetzt, vermöge deren Kallinikos den Em- pfang einer Rate des Kaufpreises bescheinigt, und zu- gleich bemerkt, dass er das Kaufholz in Bereitschaft halte (lin. 18: xal xavxa szotpa av&yu))\ mithin befindet sich dieses nothwendig in oder bei This. Wenn derselbe nun, den Lagerort noch näher vermerkend, sirh also ausdrückt: er halte es bereit „bei dem 2 Schönen langen sogenannten blauen Gehölz" 1 ) (lin. 18. 19: ttccqcc dgvfjbov diöyßivov ylavxov aalov^ispov): so folgt hieraus von selbst, dass dieses Gehölz unmittelbar bei This lag, — ein für die Localkunde dieser uralten Stadt höchst anziehender, zugleich aber auch höchst wichtiger Um- *) Oder: „bei dem sogenannten zwei Schönen langen blauen Ge- hölz." 74 Allrj. Comm. 11. T/äs und Abydos. §. 36 — 38. stand. Denn eine so beträchtliche, 2 Schönen lange Waldung, musste in dem bekanntlich so äusserst holz- armen Aegypten eine so ausgezeichnete Seltenheit sein, dass wohl auch anderweitige Spuren ihres Daseins, und von der Auffindung derselben glückliche Resultate zu er- warten waren. Die nähere Untersuchung belehrte mich bald, dass es nach Massgabe der Ueberlieferungen des Alterthums in dem gesammten Aegypten nur 3 beträcht- lichere Waldungen gab., von denen ich in dem besonde- ren Commentar zu Pap. II lin. 18 genauer handeln werde; die eine lag in der Gegend von Memphis, die zweite in der Gegend von Theben, und die dritte befand sich wirklich in dem Thinitischen Nomos, und zwar nach ausdrücklicher Angabe in der Nähe bei Abydos. Strabon sagt nämlich bei der Erwähnung des Canals, der aus dem Nil nach Abydos führt: „um den Canal ist ein dem Apollon heiliger Hain vonDornacacien" (XYII p. 813: v Eoti ös dieogvlg r\ äyovaa im tbv %6nov anb xov (xsyaXov TtoTccfiov. IIsqI de ttjv diooQVya^Axav&cov twv AlyvTtvibov ccXaog aözlv leoov tov ''AtioXIwvoq). Auf dieselbe Waldung deutet unverkennbar auch Demetrios bei Athen. (XV. 25 p. 680 A) hin, indem er von der Ei- genthümlichkeit der Dornacacien bei Abydos handelt. Da nun weit umher keine andere Waldung vorhanden war, so ist schon deshalb die Identität dieses „Apollon- haines" mit dem ,, blauen Gehölz" bei This, eine abso- lute Notwendigkeit Doch bedarf es des Zwanges nicht; unsere Quellen reichen hin, um was nothwendig ist auch augenfällig zu machen; denn die Identität bewährt sich zugleich 1) in den Dimensionen und 2) in den Namen. §. 37. 1) In unserm Papyrus wird die Ausdehnung des „blauen Gehölzes" auf 2 Schönen angegeben; der hier nothwendig gemeinte jüngere ö%olvog oder die per- sische naQctöayyri, welche in Folge der Perserherrschaft den alten 60 Stadien langen Schoinos (s. Herodot. II. 6) allmählig in Aegypten ganz verdrängt hatte, betrug nach Die Localität der Stadt T/äs. 75 Heron und Epiphanios (s. Letronne recli. etc. tab. II. IV. X) 30 Stadien; mithin hatte das „blaue Gehölz" eine Aus- dehnung von 60 Stadien oder 1 V 2 geograph. Meile. Genau dieselbe Länge lässt sich nun in der That auch für den „Apollonhain" mit Sicherheit ermitteln, und zwar durch eine ganz einfache Combination; denn da derselbe nach Strabon ausdrücklich „um den Canal" lag, ihn umgab, also desseu Lauf begleitete: so muss seine Ausdehnung wesent- lich der Länge des Canals entsprochen haben. Dieser aber, da er von dem Nil bis nach Abydos führte und den Verkehr zwischen beiden Punkten vermittelte, musste na- türlich dem Masse nach mit der Entfernung dieser Stadt vom Flusse übereinkommen. Und diese Entfernung ist uns ja, wie wir schon sahen, ausdrücklieh von Plinius V. 9 (11) auf VII M. CCCCC passam angegeben; 7500 Rom. Schritte machen aber nach der Berechnung, die Plinius selbst seinen Angaben zu Grunde legt (II. 23, 21 setzt er 125 Rom. Fuss gleich einem Stadium), ge- nau 60 Stadien oder 2 Schönen oder 1 ! / 2 geographische Meile aus. Ebenso lang musste also der diese Entfer- nung durchmessende Canal sein, und wirklich beträgt die Länge des heutigen Zarzouracanals , den wir schon als den Strabonischen erkannten, auch den neueren Mes- sungen gemäss, 1 T / 2 geogr. M.; ebenso lang musste mit- hin wiederum der diesen Letztern umgebende Hain des Apollon sein; und so ergiebt sich dergestalt zwischen die- sem und dem blauen Gehölze unsers Papyrus ihrer Aus- dehnung nach eine so merkwürdige Uebereinstimmung, dass schon aus diesem Grunde an der Identität Beider nicht im Geringsten zu zweifeln ist. §. 38. 2) An der Abweichung der Namen ,, Apoll on- hain" und „blaues Gehölz", selbst wenn sie eine we- sentliche wäre, würde Niemand Anstoss nehmen können, da zu bedenken ist, wie viele Jahrhunderte zwischen Strabon's Zeit und der unserer Urkunde liegen, und dass jene eine heidnische, diese eine christliche war; kein 76 Allg. Comm. IL T/äs und Abydos. §. 38 — 40. Wunder also, wenn das Christenthum die heidnische Be- nennung sogar vollkommen willkürlich umgeformt hätte. Nun aber ist jene Abweichung in der That nur eine scheinbare oder bedingte, und weit davon entfernt das Resultat der Identität entkräften zu können,, ist sie viel- mehr eine neue^ schlagende Bestätigung desselben. Beide Benennungen nämlich, alaog^AnoXXoovog und dovfjbdg yXavxog, sind ja rein griechisch; es kommt also auf die ägypti- sche an, und diese lässt sich sehr leicht erkennen: denn Apollon ist die Sonne; die Sonne aber wurde in Aegyp- ten in höchster Instanz personificirt durch Osiris; mithin ist „ Apollonhain" eine Uebersetzung von „Osi- rishain"; dass das Gehölz wirklich diesen Namen ge- führt, wird durch das Osirisheiligthum in Abydos, also durch den grade in dieser Gegend vorzugsweise herr- schenden Osiriscult um so gewisser gemacht. Nun heisst aber im Altägyptischen, wie wir anderwärts näher be- legen werden, OTCJJ3 oder OTOTp (ocp, &Cp, Ottjp, ^SP) ™ cn t nur 55 Osiris", sondern auch in der That „der dunkle" oder „der blaue", also yXavxog *), und ist dem Arabischen Asr, Azr, Asor-kah, Azor-kah gleich d. i. „azurn" oder himmelfarbig: ja wir dürfen sogar be- haupten, dass der Gott Osiris selbst dem Namen nach aus der adjectivischen oder der eigentlichen Wort- Bedeutung entstanden und grade in diesem Sinne eine Versinnli- chung des Nil, nämlich — wie wir schon sahen (§. 25) — des rechten Armes oder eben des „blauen" Nil, des Bahr el „Asr"-ek, und ein Vertreter des Himmels, des Azurs, geworden ist. Die scheinbare Abweichung der griechischen Namen des Gehölzes besteht also nur darin, dass die christlichen Byzantiner den ägyptischen Namen OTtyjp oder OCp lieber nach seiner profanen Bedeu- ') Dass das Blaue vom Schwarzen abgeleitet sei, ist bekannt. Gö- the in dem didakt. Theil der Farbenlehre §. 782 sagt, es er- innere uns an Schatten. Die Localität der Stadt This. 77 tung durch yXavxog übersetzten, was gewiss dem Zeit- geist ebenso angemessen war, als dass die heidnischen Griechen ihn in seiner geheiligten, mythologischen Be- deutung erfasst und der ägyptischen Gottheit entspre- chend in * AnoXXoavog umgeformt hatten; selbst das würde nicht auffallend sein, wenn auch der Ausdruck aXtt5flJ geheissen habe. — Wir kehren nunmehr zu den geschichtlichen Momenten zurück. §. 51. Abydos genoss unzweifelhaft die Gunst der späteren Pharaonen, namentlich wie es scheint die der 19ten Dynastie, welche den Culminationspunkt der alt- ägyptischen Geschichte bezeichnet. Rhamses der Grosse, oder Rhamses-Sesostris, auf Inschriften «5JU.OTJTU&I d. i. „der von Amnion geliebte" beibenannt, welcher be- kanntlich an der Spitze dieser Dynastie steht, war nicht nur durch gewaltige Kriegsthaten , sondern auch durch seinen aussergewöhnlichen Kunstsinn berühmt; überall in Aegypten stiegen unter seiner Herrschaft imposante Prachtbauten empor; die meisten und die grössten Denk- mäler sollen durch ihn errichtet, in jeder Stadt des Lan- des der Hauptgottheit durch ihn ein Tempel erbaut wor- den sein (Diod. I. c. 56: xazsöxsvaösv soya xs [jbsydla xal ■fravfjccGrcc Talg Imvoiaiq xal rate ypQr\yiaiQ ojxoöo- firjösv sv ndöaiq xatg xax AXyvrtxov tcqXsGiv \sobv &sov xov liaXiöta Ttafj* sxdöxoig xifjico^svov. c. 58; Sonst . . . ndvxag . . . VTTSQßsßTjXSVCU .... TW fJLSyS&Sl XOl Xü) TtXljdsi XCüV IS CCVa- &r\iiäx(x)V xal xeov sqyoav xeov xaxsGxsvaöfjbsvoov xax Alyvmov). Zur Geschichte von This und Abydos. 89 Dieser historische Bericht wird durch die hieroglyphi- schen Entzifferungen unserer Tage bewahrheitet; überall auf den prachtvollsten Monumenten in und ausserhalb Thebens glänzt sein Name und scheint die Ehre ihrer Erbauung in Anspruch zu nehmen. Unter diesen Um- ständen wird es mehr als wahrscheinlich, dass auch das Memnonium von Abydos und das dortige Osireion in ihrer letzten Gestalt Werke des grossen Rhamses- Sesostris sind. Für das Memnonium wenigstens scheint der Beweis schon in jener berühmten Tafel von Abydos hinlänglich vor Augen zu liegen , die man in einem der Seitengemächer des Palastes als Basrelief vorfand, und auf welcher der Name jenes Königs nicht weniger als neunmal erscheint. Es versteht sich aber von selbst, dass es sich hier nicht um ein erstes Schaffen, son- dern nur um einen neuen glänzendem Wiederaufbau handelt; dass wenn auch die beiden Prachtbauten, deren Ruinen wir heut auf der Stätte von Abydos erblicken, jüngere Werke und also allerdings nicht auf Rechnung der Thinitischen Urkönige zu setzen sind (vgl. Mannert S. 379), doch an der Stelle derselben einst weit ältere gleiches Namens gestanden haben werden. Dasselbe Verhältniss findet bei nicht wenigen der heut vorhande- nen Monumente Aegyptens statt. Daher ist zuweilen sogar der Neubau theilweise aus Fragmenten des altern Werkes zusammengesetzt, wie dies z. B. zu Elephan- tine, zu Edfu oder Apollinopolis magna und bei dem Tempel des Amnion zu Karnak vorkommt, der doch selbst anerkannterweise der älteste der vorhandenen Tem- pel in Theben ist — ein Beweis, dass eben schon zu uralter Zeit die Baukunst in Aegypten, und namentlich in dem Obern, in bedeutendem Grade ausgebildet war. §. 52. Diese Gunst der ausgezeichnetsten Pharao- nen und die glückliche geographische Lage, welche Aby- dos nothwendig zum Hauptstapelplatz für den Handel und den Waarentransport zwischen Aegypten und dem 90 Allg. Comm. IL This und Abydos. §. 52 — 54. innern Afrika machte, müssen es vorzüglich bewirkt ha- ben, dass diese Stadt so bedeutend ward, um noch in der spätesten Zeit ihres Verfalls, beim Anblick ihres frühern Umfanges und ihrer erloschenen Pracht, zu dem Rückschluss zu veranlassen, sie sei einst die Zweite neben Theben gewesen (Strab. p. 813: sows de vndo%ai jtort ?j "Aßvdog Ttofog fjisyäXr], ösvzsQsvovöa (jisrcc Tag Oij- ßag; daher auch Eustath. comm. in Dionys. Perieg. v. 516 (c. 76): "Aßvdog . . . dsvTsqsvovöa (jisra Tag 8Y.aT0\ntv- lovg Oijßag). Doch ungeachtet dieses Aufschwunges von Abydos, verblieb nicht nur dem Thinitischen Nomos sein uralter Name, sondern überdies auch ferner noch This die Metropole desselben 1 ), — ein Zeichen, dass der al- tern Stadt noch nicht alle und jede Bedeutung genom- men, dass ihr vielleicht sogar ein Mitgenuss an den äus- seren Yorth eilen der Jüngern vergönnt war. §. 53. Nur langsam also zehrte This an seinem Ruhme, viele Jahrhunderte hindurch bis herab auf die Zeiten der Ptolemäer; noch um 75 v. Chr. war es, wie Alexander Polyhistor bezeugt, eine Stadt (Okj noXig AlyimTia). Doch eben die Zeit der Ptolemäer war es, welche den gänzlichen Ruin nicht nur dieser, sondern auch der benachbarten altägyptischen Städte anbahnte; denn die Eitelkeit jener Herrscher liess in derselben Ge- gend^ 8 Lieues von This und Abydos 2 ), 4 Lieues von l ) Es ist ein blosses Vorurtheil, wenn Champ. TEg. s. I. Ph. I. p. 370 sq. und p. 372 meint, Abydos müsse die Hauptstadt eines Nomos gewesen sein, und zwar des lüten in seiner Clas- sification, den er deshalb „nome d'Abydos" nennt. Nicht nur giebt es, wie er selbst eingestehen muss, kein einziges positives Zeugniss dafür, weder in den griechischen noch in den kopti- schen Schriftstellern, sondern es liefern vielmehr die unzwei- deutigsten Thatsachen, und jetzt namentlich unsere Urkunden, den entschiedensten Gegenbeweis. ! ) Ptol. IV. 5 giebt die Dislance zwischen Ptolemais und Abydos auf 20 Minuten der Breite, also auf etwas über 4 geogr. Meilen Zur Geschichte von This und Abydos. 91 dem heutigen Girgeh und etwa 3 Lieues von Panopolis entfernt, eine neue, nach ihnen benannte Stadt, das präch- tige Ptolemai's (Ptolemai's Hermii, heut Menchyeh, Men- sieh, Menschiet) erstehen, — zweifelsohne an der Stelle einer altern ägyptischen Ortschaft Psoi; denn also hiess die Stadt im Koptischen (iTCOJ, JTCCm, iJrOJ, ip-CWl). §. 54. In welchem Jahre Ptolemai's gegründet ward, lässt sich nicht bestimmen; doch was man schon aus der dortigen Verehrung des Ptolemäos Soter folgern durfte (Böckh: äg. Urk. S. 16), dass dieser der Gründer der Stadt sei: dies ist in der That nachmals durch die Inschrift bei Parthey (de Philis insula p. 53: JlToXspaidog, ffv inoi- r\) Suet. Ner. 30. Capitol. in Clod. Alb. 2. Lamprid. in Diadura. 3. Begi'iff der Purpur fävher ei. 101 Phönicische Farbe identisch 1 ), und wird daher wie sie von der Purpurfarbe genau unterschieden. So sagt Athen. V. 27 p. 197 E: Ssdqvol noqcpvQccg xla^ivöag, ol de cpotvixi- dag tffMpisöfjbsvoi', Dio Chrysost. Or. I p. 16 D: rj de io&rjg navzoöan^ xovzo [isv alovgycop, tovto ds (powixdov; Tibull. Eleg. II, 3. v. 57 sq: „Uli selectos certent praebere colores, Africa puniceum, purpureumque Tyros". Schon hieraus ergiebt sich, dass in der ganz ähnlichen Stelle bei Varro de L. L. V. 113: „Purpura a purpurae maritumae co- Iore; et Poenicum, quod a Poenis primum dicitur alla- tum" die von Otfr. Müller (p. 45) aufgenommene Lesart allata mit Zurückbeziehung auf purpura, entschieden falsch ist. Dass das Coccum namentlich in Afrika zu Hause war, wissen wir ja auch aus Plin. 22, 2. Die Identität desselben mit der Punischen oder Phönicischen Farbe, so wie ihre beiderseitige Verschiedenheit vom Purpur erhellt gleichzeitig und schlagend aus einer Tergleichung von Dionys. Hai. IL 96 p. 179 und Suet. de gen. vestium bei Serv. ad Virg. Aen. VII v. 612; je- ner sagt in Bezug auf die Salischen Priester: xrißsvvccg S(JbTt87TOQ7T7Jfl£VOi 7T£QlTlOQ(fVQOVg (f IV VA OTlCCQVCpOVg, äg XCtXoVÖI, Tgaßsag; statt dessen dieser: „tertium (seil, genus tra- bearum est) augurale, de purpura et coeco mixtum" (cf. Serv. ad lib. c. v. 188). §. 7. Gleich hier müssen wir nun einer möglichen Behauptung entgegentreten, die, wofern sie triftig wäre, unsere ganze Untersuchung, wenn auch nicht an sich als unnütz, doch dem nächsten Zweck gegenüber als apros- Apocal. 17, 4. Philo de congressu quaerendae erudit. gratia p. 441, ed. Mangey T. I p. 53(3. Cyprian. de discipl. et hab. virg. ed. Rigalt. p. 188 med. Ulp. in L. si cui lana D. de Leg. III (32, 70 §. 13) und unzählige andere Stellen. ') Hesych. s. v. xoxxog: t£ ov to qoivvxovv ßcmmcw xccl avro to /qüj/ucc. Theophr. H. Plant. III. IG: xöxxov rwa (jowixovv. Isid. Etym. XIX. 22, 10: quam Graeci Phoeniceam vocant, nos cocci- neam. cf. Amati c. 16 sq. 102 Allg. Comm. 111. Die Purpur färb er ei. §.7 — 8. dionysisch erscheinen lassen würde. Wenn nämlich bei unseren Urkunden die Hauptschwierigkeit die ist, dass es nach der allgemeinen Annahme, in Folge der kaiser- lichen Interdicte, im 7ten Jahrhundert gar keinen Privat- purpurhändler mehr geben konnte: so stellt sich natur- gemäss die Alternative heraus: Entweder ist die Angabe unserer Urkunden eine Lüge oder die allgemeine Meinung ein Irrthum, d. h. entweder war Pachymios kein Purpur- händler oder die Ueberlieferungen, worauf sich der gel- tende Glaube stützt, sind bisher falsch interpretirt wor- den. Um also diesen Glauben zu retten, könnte man jenen ersten Satz verfechten und behaupten wollen, Pa- chymios sei ein Kräuterfärber gewesen, der durch vege- tabilische Substanzen die Purpurfarben nachgeahmt. Da- gegen lässt sich nun aber einwenden: 1, wäre es sonderbar anzunehmen, dass Jemand sich Purpurhändler habe nennen können, ohne es wirklich zu sein. 2, wäre es mehr als sonderbar zu glauben, dass Je- mand den Titel Purpurhändler zum Schein habe führen dürfen, nachdem man den ächten Purpurhandel, wie doch vorgewandt wird, so radical verfolgt und ausge- rottet hatte. 3, vielmehr ist zu beachten, dass zwar vergleichungs- weise und namentlich poetisch auch purpurähnliche Kräu- terfarben abusive Purpurfarben genannt werden konnten, dass sie aber niemals technisch diesen Namen führten, sogar ausdrücklich und förmlich von dieser Bezeichnung ausgeschlossen wurden. So heisst es bei Ulp. L. si cui lana D. de Leg. III (32, 70 §. 13): „Purpurae appellatione omnis generis purpuram contineri puto, sed coccumnon continebitur." 4, endlich können wir die Verfechter der bisheri- gen Annahmen mit ihren eigenen WaiFen schlagen. Denn war wirklich unter der Benennung „sacer murex" aller ächte Purpur verboten: dann waren es in der That auch Verschiedenheit der Purpurfarben. 103 s am mt liehe un ächten Purpurfarben; denn auch auf die blosse Nachahmung des sacer murex erstreckten sich ja die Interdicte nach L. 3 C. J. de vest. holob. (11, 8): ^Vellera adulterino colore fucata in speciem sacri mu. ricis intingere non sinimus . . . nam capitalem poenam illicita tentantes suseipient." Demnach hätte es ebenso wenig einen Verkäufer unächten wie ächten Purpurs geben können. Und was wäre dann Pachymios? Die Alternative ist also nach den bisherigen Quellen, da das Eine mit dem Andern steht oder fällt, offenbar die: Entweder gab es weder un ächte noch ächte Pur- purhändler, oder es gab Beide zugleich. Durch unsere Urkunden wird nun aber Jenes entschieden widerlegt, und mithin ist Dieses das Richtige, d. h. die bishe- rige Auffassung der Purpurverbote muss falsch, die Be- deutung derselben kann nur eine beschränkte, oder mit anderen Worten: es können nicht alle ächten Pur- purfarben, also allerdings auch nicht alle unächten unter- sagt gewesen sein. Wenn es aber dergestalt in der That noch einen ächten Purpurhandel gab, dann hat man vollends keinen Anlass, sich der Erklärung halber in das Gebiet des unächten zu versteigen. Wirklich stellt sich nun, was wir als nothwendig voraussetzen,, bei näherer Prüfung als eine Thatsache dar. Um den Beweis anschaulich zu führen, müssen wir zuvörderst erörtern: II. Die Verschiedenheit der Purpurfarben. §. 8. Wenn gleich nämlich die Purpurfärberei in der Farbenmenge von der Kräuterfärberei überboten ward: so verstand sie es doch, auch mit beschränkteren Mit- teln eine nicht geringe Zahl von Farben mit mannigfal- tigen Abstufungen zu erzeugen. Von diesen hat Amati (c. 1. 11. 13) unstreitig am besten gehandelt; doch wenn er sich das Ansehn giebt, als habe er es erst entdeckt, 104 Allg. Comm. III. Die Purpurfärberei. §.8 — 10. dass der Purpur nicht eine einzige und zwar rothe, son- dern eine Mehrheit verschiedener Farben sei: so ist dies, ungeachtet der ihm von Rosa deshalb gezollten Lobes- erhebungen eine Unwahrheit oder eine Täuschung. Schon Major hatte, Anderer nicht zu gedenken, ein Jahrhun- dert früher in den Annotat. zu Columna nicht nur die Farben überhaupt höchst ausführlich besprochen, sondern auch innerhalb des Purpurs selbst mehrfache Unterschiede aufgestellt, die bei dem jetzigen Stand der Forschung freilich nicht mehr ausreichen. l ) §. 9. Ich will nun Amati's Theorie zusammentragen, um daran desto anschaulicher die eigene zu knüpfen. Amati giebt die Zahl der Purpurfarben auf 14 an, nämlich 9 einfache (simplices) und 5 gemischte (mixti). Die einfachen sind : 1, schwarz (niger). 2, blauschwarz (lividus, ferrugineus, venetus, niger caeruleo mixtus). 3, vio- lett (violaceus, color violae martiae, amethysti, amelli). 4, blutroth (rubidus, color papaverum, sanguinis con- creti, rosarum nigrarum, quas Damascenas vocant, mo- rorum, uvarum rubidarum, lapidis Porphyritis). 5, dun- kelblau (caeruleus saturatior, caeruleus violaceo mix- tus, color sereni caeli, heliotropii, hyacinthi). 6, hell- blau (caeruleus dilutior, caeruleus rubro mixtus, color florum malvae). 7, gelb (flavus, color violae serotinae, calthae, flammae, auri). 8, hochroth (rubicundus, bucci- l ) In neuerer Zeit hat Göthe, in seiner Geschichte der Farben- lehre, über die Farbenbenennungen der Griechen und Römer im Allgemeinen (S. 46 ff. der neuest. Ausg.) manche gute und richtige Bemerkung beigebracht; wir heben nur Folgendes her- vor: „Ihre Farbenbenennungen sind nicht fix und genau be- stimmt, sondern beweglich und schwankend, indem sie nach bei- den Seiten auch von angrenzenden Farben gebraucht werden. Ihr Gelbes neigt sich einerseits ins Rothe, andrerseits ins Blaue; das Blaue theils ins Grüne, theils ins Rothe; das Rothe bald ins Gelbe, bald ins Blaue; der Purpur schwebt auf der Grenze zwischen Roth und Blau und neigt sich bald zum Scharlach bald zum Violetten." Verschiedenheit der Purpurfarben. 105 num, color cocci). 9, weiss (candidus, color nivis, lucis, cycnorum). — Die gemischten dagegen: 1, vi ölet t- roth (rubidus violaceus, ex colore amethystino violaceo et ex Tyrio rubido, color Tyrianthinus aut Tyriamethys- tinus). 2, dunkelblauroth (rubidus caeruleus satura- tior, ex Tyrio rubido et caeruleo satur.). 3, hellblau - roth (rubidus caeruleus dilutior, ex Tyrio rub. et caer. dil.). 4, gelb roth (rubidus flavus, ex Tyrio rub. et flavo). 5, doppelroth (rubidus rubicundus, ex Tyrio rub. et ex colore coccineo, color Hysginus). §. 10. Diese Aufstellung leidet vornehmlich an fol- genden Mängeln: 1) sind unter No. 8 zwei verschiedene Farben identificirt, das natürliche Purpurroth und das Buccinum. 2) dagegen ist ]Vo. 9 ganz zu streichen; denn eine weisse Purpurfarbe existirte nie. 3) bildeten das na- türliche Blauschwarz und das natürliche Violett allem Anschein nach keine unmittelbaren FärbestofFe, und es ist also No. 2 ebenfalls ganz auszuscheiden, No. 3 aber nur in Bezug auf das künstliche Violett beizubehalten. 4) überhaupt sind die natürlichen Purpursäfte von den künstlichen Purpurfarben gar nicht, wie doch nothwen- dig war, unterschieden und demnach auch 5) nicht be- achtet worden, ob denn wirklich alle natürlichen Pur- purfarben unmittelbar als solche angewandt wurden oder nicht. 6) ist auch der künstliche Gegensatz der ei- gentlich sogenannten Purpurfarben d. i. der dunklen, und der sogenannten Conchylienfarben d. i. der hel- len Purpurfarben, nicht unmittelbar berücksichtigt wor- den, und ebensowenig 7) das Princip, wonach Plin. 21, 8, 22 seine Aufzählung auf drei Farben beschränkt, näm- lich der Umstand, dass diese nicht nur die berühmtesten, sondern auch die Grundlagen des ganzen Systems waren (s. §. 12 und §. 19 g. E.). Endlich sind 8) bei den künst- lichen Farben die Entstehungsweisen durch blosse Mi- schung und durch doppelte oder gar dreifache Färbung, was doch sehr wesentlich ist, gar nicht gesondert oder 106 Alle/. Comm. HL Die Parpurfärberei. §. 10 — 13. gradezu verwechselt worden. — Die Folge der Unter- suchung wird die Beweise bringen. §. 11. Ich stelle zunächst als eigenes Resultat in der anliegenden Tafel die Reihe der wirklich angewandten Purpurfarben auf; sie dürfen natürlich nur als die Grund- typen gelten; denn dass es unzählige Modificationen gab, würden wir mit Gewissheit voraussetzen können, auch wenn es nicht durch bestimmte Zeugnisse verbürgt wäre. So sagt Clem. Alex. Paedag. II. 10 p. 201 B: ßd^a ... xal xoxxoßacpsg, xal älXa fiVQia öid Gnovdrjg ßd^axa x.r.X. So deutet auch Plin. 21, 8, 22 die species multas der Purpurfarben im Allgemeinen an und spricht im Beson- dern von multis modis mit Bezug auf die Conchylienfarbe. §. 12. Wie die Tafel anzeigt, haben wir die ver- schiedenen Purpurfarben nach zwei Seiten hin zu be- leuchten : A, nach ihrem Charakter im Allgemeinen, und B, nach ihrer Entstehungsart im Besondern. Dem Charakter nach zerfielen die Farben in: I, die eigentliche Buccinfarbe, die nur eine ein- zige war, und II, die wirklichen Purpurfarben, deren wir 12 kennen. Die wirklichen Purpurfarben zerfielen aber selbst wie- der einerseits: 1, in natürliche, deren es 2 gab, 2, in künstliche, deren wir 10 kennen; und an- drerseits: 1, in dunkle oder Purpurfarben im engern Sinne, deren wir 9, 2, in helle oder die sogenannten Conchylien- farben, deren wir 3 zählen. Ferner unterschied man 3 Haupt- und Grundfarben als die berühmtesten von allen, nämlich zwei Purpurfarben im engern Sinne: den Tyrischen und den Ianthinpur- pur. und dazu die Conchylienfarbe als Einheit gedacht. Zu Seite 106 A. Charakter. Purpurfarltentafel. B. Entstehungsart. I. Xtuccinfarbe. 1. Natürliche Purpurfarben. 1. dunJele oder Purpurfarben im engem Sinne. Der Blattapurpur, der kaiserliche, sacer murex. Die drei (resp. fünf) Haupt- und Grundfarben. 2. helle oder sogenannte Conehylienfarben. II. Purpurfarben. «. Künstliche Purpurfarben. 1. dun tele oder Purpurfarben int engern Sinne (Species der Tyrischen), 1) scharlachroth (coccineus) 2) schwarz (niger, ater, (ülav) 3) rolh {ruber, rubens, {qv&döv) 4) blutroth (purp. Tyria, Dibapha, Laconica, oxyblatta) 5) violett (purp, ianthina, amethystina, hyacinthina) . . 6) blaulilla (Heliotropfarbe) 7) blauroth (Mal ven färbe) 8) gelb (Herbstviolenfarbe) 9) Tyrianthin (Tyriamethyst) 10) Tyrischer Heliotrop pur pur 11) Tyrischer Malvenpurpur 12) Tyrischer Herbstviolenpurpur 13) Tyrischer Coccinpurpitr (Hysgin, Doppelroth) . . . einfacher (rother) Saft der Trompetenschnecke. „ schwarzer Saft der Purpurschnecke. „ rother '„ „ ,, doppelte Färbung 1, in unreifem Schvvarzpurpur 2) in Buccin. ischung von reifem Schwarzpurpur und Buccin. „ „ (schwarzrothem?) Purpur mit Wasser, Urin, Fucus u. s. w, „ „ (rothem'O „ „ „ „ dreifache Färbung 1) in lanihinmischung; dann auf Tyrische Weise d. i. 2) in unreifem Schwarzpurpur und 3) in Buccin. ., „ in Heliotropmisehung und auf Tyrische Weise. „ ,, „ Malvenmischung „ „ „ ,, ,. ,, Herbstviolenmisrhg. ,, „ ,, „ Coccum ,. ,, „ a Charaktere der Purpurfarben im Allgemeinen. 107 Von diesen 3 Hauptfarben bildeten endlich selbst wie- der zwei, nämlich die beiden Purpurfarben im engern Sinne den kaiserlichen Purpur. Was die Hervorbringung betrifft, so entstanden, wie die Tafel versinnlicht 1, die natürliche Buccinfarbe und die natürli- chen Purpurfarben aus einem einfachen Färbestoff. 2, die künstlichen Purpurfarben entweder: a, durch doppelte Färbung in 2 einfachen Färbestoffen (eine), oder b, durch einfache Färbung in 1 gemischten Färbestoffe (vier), oder c, durch dreifache Färbung in 1 gemischten und 2 einfachen Färbestoffen (vier), oder in 3 einfachen (eine). III. Charaktere der Purpurfarben im Allgemeinen. 1. Der Gegensatz der Buccin- und der Purpurfarbe. §. 13. Zur Purpurfärberei wurden nur zwei Arten von Schalthieren (Conchylien, Testaceen) gebraucht, nämlich zwei Schneckenarten (Cochleen): die Trompeten- und die Purpur Schnecke. Jene hiess buccinum^ murex, x*Jqv%; diese purpura, pelagia, TtoQcpvQcc. Plin. 9, 36, 61 sagt ausdrücklich: ,,Concharum ad purpuras et conchylia (d. i. zu den Purpur- und Conchylien-Farben oder- Stof- fen) duo sunt genera: buccin um . . . alterum pur- pura . . . Purpurae nomine alio pelagiae vocantur." Der Gegensatz von xiJqv'§ und noQcpvQcc findet sich bei Dioscorides (Mater, medic. II. 4 sq. 10) und vornehm- lich bei Aristoteles (Histor. Animal. IV. 4 §. 1 — 19; V. 10 §. 2; 13 §.1—7; VIII. 16 §. 1). Den Gegensatz murex und purpura hat nicht nur Plinius selbst häufig (z. B. 9, 25, 41. 9, 36, 60. 5, 1), sondern auch Andere, wie Mela III. c. ult., Festus v. Trachali p. 367 ed. Müll, u. s. w. Dessen ungeachtet kommt murex sehr oft, und 108 All ff. Comm. HL Die Purpurfärberei. §. 13—14. namentlich bei Dichtern, auch für die Purpurschnecke, oder für diese und die Trompetenschnecke zugleich vor. Daher steht auch murex poetisch und bildlich für das Purpurzeug und die Purpurfarbe, weshalb Non. Marcell. p. 266 (die Vergleichung verschiedener Ausgaben s. §. 17. g. E.) murex durch color purpureus erklärt; in diesem Sinne ist auch sacer murex zu fassen, gleich wie Tyrius murex, Sarranus murex u. s. w. Ueber den schwanken- den Gebrauch des Ausdrucks s. besonders Columna c 1 §. 20 sqq. Durch dieses Schwanken ward es veranlasst, dass die neuere Naturgeschichte die Bezeichnungen völ- lig verkehrte, und den Ausdruck murex ausschliesslich auf die Purpurschnecke als Gattungsnamen übertrug, während sie der Trompetenschnecke die Bezeichnung buccimim als Gattungsnamen beliess. §. 14. Ueber die Natur beider Gattungen geben besonders Aristoteles und Plinius, der dem Erstem meist wörtlich folgt, genaue Auskunft (vgl. Athen III. 6 sq. Aelian. N. An. VII. 34). Nichtsdestoweniger sind unsere neueren Naturforscher, mit Einschluss Cüvier's, noch immer nicht damit aufs Reine gekommen, um welche Species es sich vornehmlich handle, und aus welchen Körpertheilen der Saft emanire; es ist kein Zweifel, dass nicht die alte, sondern die neue Zeit die Schuld trägt. Was die Species betrifft, so wurde deren sicher, nicht etwa Eine, sondern eine Menge angewandt. Bei dem Buccin denkt man jetzt gemeinhin an das buccinum la- pillus, und bei der Purpurschnecke an murex brandaris (tribulus Linn.), erinaceus, tracuneulus, ramosus und an die helix ianthina und violacea. Eine angebliche Buccin- art, Cochlea ianthina, welche violetten Saft giebt, beob- achtete Columna (s. c. 2 nebst Abbildung) an den Ufern bei Neapel, und Capello (s. p. 117 bei Amati) an den Venetianischen; eine andere Art, purpura littoralis sive Teniensis, parva, turbinata, deren Saft zwischen roth, gelb und schwarz variirt, Cole an den Brittischen (Opusc. Charaktere: Buccin- und Purpurfarbe. 109 Erud. Lips. I. p. 447); über das buccinum Reaumurii s. Mem. de l'Acad. des Sciences. Paris. 1711 p. 168. Die wahrhafte purpura der Alten glaubte Columna in der von ihm c. I §. 27 sqq. abgebildeten und beschrie- benen Neapolitanischen purpura littoralis, purpuro-caeru- leum colorem fundens, vulgo Sconciglio, distinctius Ca- rosa wiederzuerkennen, die sich auch bei Misenum, bei Mola und in dem ganzen südlichen Meeresstriche findet; Major de Testaceis Tab. VI. bezeichnet sie: muricata rugoso-striata. Capello untersuchte am Adriatischen Meere drei Gattungen, die er (p. 115) also definirt: 1) Purpura Veneta clavata (bei Bonanni bloss clavata) clavis lon- gioribus, proboscide longa, recta et muricata, vulgo Garns oli (Gravisi bei Carli Antich. Ital. III. p. XXIII: Gerusole im Plural), mit gelblichem Saft; ihr entspricht murex brandaris L. spinis subulatis. 2) Purp. Ven. cla- vata clav. brevioribus, proboscide praemorsa et con- voluta, vulgo Bullt (bei Bonanni echinata), mit zähem, milchigem Saft; ihr entspricht murex brandaris L. spinis conicis. 3) Purp. Ven«. clavata clav. brevissimis, prob, praem. et convol. , vulgo etiam Bullt (nach Gravisi 1. c. Porco), mit violettem Saft (cf. Ainat. ad h. 1. not. 44); ihr entspricht murex trunculus L. — Nach Aristoteles (V. 13 §. 4) und Plinius (IX. 36, 60) befindet sich der Purpursaft mitten im Schlünde, zwischen Leber und Hals, in einem weissen Häutchen, durch welches eine Ader hindurchläuft; ungeachtet dieser genauen Beschreibung fand ihn Cüvier immer nur in den Mantelrändern. Man vgl. noch J. G. Schneider. Adnot. ad Arist. V. 13 und Curae poster. ad IV. 4. V. 13; Strack in den Noten zur Uebers. des Arist.; Cuvier in den Lections Anatom. III. p. 342 sqq. IV. p. 469. V. p. 263 sqq., in seinem mem. sur l'Anat du buccin, und in den Noten zu Plin. libr. de anim. ed. Ajasson de Grandsagne. Auf den Tyrischen Münzen sind beide Conchylienarten vielfach abgebildet, sowie auf einigen der gens Furia. Dass übrigens einer- 110 Ällg. Comm. III. Die Purpurfarberei. §. 14 — 15. seits ihr Dreck (Mohn) als Delicatesse auf der Tafel und andrerseits ihr Deckel (Nagel, Schale) als Arzneimittel diente, darf ich übergehen. Ebenso wenig kann ich mich auf die Art ihres Fanges einlassen (m. s. darüber Arist. V. 13. Plin. IX. 37, 61 cl. X. 70, 90. XXXII. 5, 18. Oppian. Halieut. V. 600. Aelian. N. An. VII. 34. Poll. On. I. c. 4. segm. 47 sq. cl. Eudocia ap. Villois. Anecd. Gr. Vol. I. p. 42; vgl. Amat. c. 23. Schneider's Abh. S. 384 f.); die günstigste Zeit desselben war nach den Hundstagen und vor dem Frühling (Plin. IX. 38, 62 init.). Endlich liegt es auch ausserhalb meiner Aufgabe, die Restitutionsversuche der Neueren in Betreff der Pur- purfärbung zu analysiren; man findet die wichtigsten auf- geführt bei Capello und in Schneider's Abhandlung (S. 403 ff.); das Misslingen derselben war augenscheinlich fast die ausschliessliche Schuld der Experimentirenden, indem sie die Stellen der Alten entweder missverstanden oder gar nicht einmal kannten; dieser Vorwurf trifft auch die eigenen zahlreichen Versuche des fleissigen Capello. Noch jetzt ist die Sache auf dem alten Fleck. §. 15. Was nun die Farbe des Buccinsaftes be- tritt, so spielte sie offenbar ins Scharlachrothe; denn Plin. IX. 38, 62 sagt: ,,dat austeritatem nitoremque cocci." Sie wurde wesentlich nur zu Mischungen mit wirklichem Purpur oder zur Doppelfärberei benutzt, und war hierbei von sehr grosser Bedeutung (1. c); an sich aber legte man ihr keinen Werth bei, weil sie sehr leicht ausging (Plin. 1. c. per se damnatur, quoniam fucum remittit). Dass indessen wenigstens zuweilen, etwa der Liebhaberei wegen, auch allein damit gefärbt worden sein muss, er- hellt schon aus der Erfahrung von dem Erbleichen der- selben; überdies aber aus den Worten Quintilian's, da wo er mit dem Buccinzeuge den glänzenden Bombast der Reden vergleicht (XII. 10, 76): „ut buccini purpura, jam illum, quo fefellerant, exuant mentitum colorem, et quadam vix enarrabili foeditate pallescant." Zwar liest Charaktere: Buccin- und Purpurfarbe. 111 man hier gewöhnlich fucinis sulfura, wahrscheinlich ver- anlasst durch das kurz vorhergehende fuco\ allein von dem leichten Erbleichen des Fucus marinus oder der Orseille ist mir nichts bewusst, vielmehr wurde er, -wie wir noch später sehen werden, bei der Purpurfärberei selbst, ohne Zweifel nicht nur der Farbe halber, son- dern wesentlich auch als ein Bindemittel angewandt; von dem buccinum dagegen steht jenes Verfliegen der Farbe durchaus fest; wie leicht zudem biwinum und fucinum der Verwechselung unterworfen war, davon werden wir gleich noch ein Beispiel sehen. Dass also hier von dem Erstem die Rede sei, daran zweifle ich gar nicht; wo- gegen ich für purpura nicht haften will; man könnte ebenso gut bucinis sulfura lesen, so dass es sich nur um die Verwechselung der Buchstaben b und f handelte, — und dies erscheint mir sogar als das Bessere. Indessen Hesse sich jedenfalls auch purpura vertheidigen; denn dass auch das Buccin zum Purpur im weitern Sinne des Wortes gerechnet ward, ersieht man überdies aus Ulp. in L. si cui lana D. de Leg. III. 32, 70, 13: „Purpur ae appellatione . . . buccinum .. continebitur. " Zwar eben auch hier liest man wieder fucinum; das ist aber absolut falsch, und gradezu lächerlich. Wie hätte der Fucus zum Purpur gerechnet w T erden können, zu dem er ja viel- mehr ebenso sehr im Gegensatze stand wie das Coccum! Für eine so unläugbare Thatsache würde ich aller Citate mich enthalten, wenn es hier nicht sehr nahe läge, an die Autorität Quintilian's zu appelliren, der unmittelbar vor der angeführten Stelle (§. 75) selbst diesen Gegen- satz in den Worten Ovid's vorführt: „lana tincta fuco citra purpuras placet: at si contuleris etiam lacernae (i. e. purpurae), conspectu melioris obruatur." Innerhalb des Systems der Purpurfarben selbst, also in einem ganz andern Sinne, stand allerdings auch die Buccinfarbe, weil sie nicht von der eigentlichen Purpurschnecke, sondern nur von einer ihr verwandten Schneckenart herkam, in 112 Allg. Comm. 111. Die Purpurfärberei. §. 15 — 17. einem Gegensatz zu allen denjenigen Purpurfarben, bei welchen wirklicher Purpursaft angewandt wurde, d. h. zu allen übrigen in der Tafel aufgeführten; diese machen demnach die wirklichen Purpurfarben aus. Inner- halb derselben tritt nun aber selbst wieder ein Hauptge- gensatz hervor, nämlich: 2. Der Gegensatz der natürlichen und der künstlichen Purpurfarben. §. 16. Denn die Verschiedenheit der Farben beruhte theils auf der Natur des Saftes, theils auf der Kunst der Zubereitung. Dieser Gegensatz ist bisher nie genugsam hervorgehoben worden, und grade diejenigen, welche am meisten dazu berufen waren, haben ihn am wenigsten erkannt. Der ebenso gelehrte als gepriesene Amati ahnt ihn zwar, aber in demselben Augenblicke, wo er ihn zu erfassen im Begriff ist oder zu sein scheint, wirft er plötzlich wieder Alles bunt durcheinander, und ehe man sich's versieht, hat man seine sämmtlichen 9 einfachen Farben als ebenso viele natürliche, nur durch Himmel und Klima bedingte vor sich (c. 20). Unter diesen Um- ständen sind denn nothwendig, wie seine Voraussetzun- gen, so auch seine Argumente meist ganz schief; doch würde es zu weit führen Beide anders als durch die Sache selbst zu widerlegen. % §. 17. Als natürliche Farben des Saftes der Pur- purschnecken werden in höchster Zahl 4 genannt: schwarz, blauschwarz oder bleifarbig, violett und roth. Vitruv sagt nämlich VII. 13 (c. 12 ed. Marin.): „purpura . . . habet non in omnibus locis, quibus nascitur, unius generis colorem, sed solis cursu naturaliter temperatur. Itaque quod le- gitur Ponto et Gallia (al. Galatia), quod hae regiones sunt proximae ad septentrionem, est atrum: progredien- tibus inter septentrionem et occidentem invenitur livi- dum: quod autem legitur ad aequinoctialem orientem et occidentem invenitur violaceo colore 1 ): quod vero me- ') Also wie noch heut im Adriatischen Meere; s. Capell. p. 114. Charaktere: natürliche und künstliche Farben. 113 ridianis excipitur regionibus, rubra proereatur potestate, ed ideo hoc 1 ) fthodo etiain insula creatur, ceterisque ejusmodi regionibus, quae proximae sunt solis cursui." Offenbar sind nun das Blauschwarze und das Violette blosse Schattirungen — jenes des Schwarzen, dieses des Rothen, und bilden, unter sich verwandt, die natür- lichen Uebergänge zwischen Beiden. Der eigentliche Gegensatz ist also schwarz und roth; ihn heben da- her auch Aristoteles und Plinius ausschliesslich hervor. Jener sagt V. 13 (15 in den alt. Ausg.) §. 3: Elai ds tcqv 7TOQ(pVQüop ysv?j nXsioa' xal sviai iisv insydXai^ olov al nsol xo 2iysiov xal AsxtoV al de [iixqai^ olov sv tm Evqi7Tü) xal tcsqi tt]V KaqiaV xal al fisv sv xoXg xoXnoig [isydXav xal VQa%sTai' aal %6 äv&og avTcov al jusv nXsX<$%ai \ibsXav SftOVöiVj sviai 6' sqv&qov xal [mxqov. Tiyvovxai o^sviai rcov fisydXoov xal ^vatai 2 )' al d'sv roXg alyiaXoXg xal ttsqI rag axxag xb \kisv [ksys&og yiyvovrav \uxqai, %o ö^avdog sqv&qbv s%ovöiv. ™E%i d'sv fiev toXg TtQOößoQsioig [isXaivai , sv ds xoXg voTioig sqv&oaij cog snl to tcXsXGtov slnsXv. Plinius, nachdem er das Verfahren beschrieben, wodurch der Pur- pursaft gewonnen und für die Färbung jjräparirt wird, spricht ausdrücklich nur von der rechlichen und der schwärzlichen Farbe, indem er diese über jene stellt (IX. 38, 62:) „rubens color nigrante deterior" 3 ). Hier- nach wird man in Beiden die primitiven Grundfarben ') Ich lasse hier mit Marini das in allen Handschriften fehlende rubrum aus. 2 ) Bei Kartheja gab es nach Strabon III. p. 145 sowohl Trompeten- ais Purpurschnecken von 10 Kotylen Inhalt. 3 ) Das rubens bezieht sich durchaus nicht auf das folgende buc- cinum, wie so Viele und auch Amati wähnen; denn Plinius sprach in dem Bisherigen ausschliesslich von der Präparation der ei- gentlichen Purpurfarbe, und innerhalb dieser muss also not- wendig nach seiner Meinung der bezeichnete Gegensatz statt- linden. Von Amati c. 9 wird aber freilich das Buccin und die natürliche rothe Purpurfarbe völlig verwechselt. 8 114 Allg. Comm. III. Die Purpurfärberei §. 17 — 19. nicht verkennen dürfen. Daher kehrt dieser Gegensatz immer wieder; so sagt Serv. ad Yirg. Georg. IV. v. 373 („In mare purpureum'*): „nigrum ex altitudine accipi- mus . . . apparet Yictorinum hoc loco errasse, qui pur- pureum mare rubrum esse dixit." Daher auch wird, wo von der Farhe des Purpnrsaftes im Allgemeinen die Rede ist, immer nur bald das röthliche Element., bald das schwärzliche hervorgehoben; so sagt einerseits Nonius Marcell. p. 574 (ed. Antwerp. 1565; p. 266 ed. Par. 1583; p. 544 ed. Par. 1586): Ostrinam ab Ostro colore, qui est subrubens (Turpil. Veliterna); Gell. IL 26, 5; cum aliter rubeat ignis, aliter sanguis, aliter ostrum; Anonym, ap. Murat. (Ant. Ital. med. aev. T. II. diss. 24 p. 381: De conquilium): sanguis rubeus . . ex quo porfira tin- guitur; andrerseits Plin. IX. 36, 60: Candida vena, unde pretiosus ille bibitur (sc. liquor) nigrantis rosae co- lore sublucens *) ; und Moses Maimonid. ap. Bochart. (Hierozoic. Pars II. lib. V. c. 9 p. 727): coloris techeleth, atri sanguinis, instar atramenti. §. 18. Es fragt sich nun, ob diese beiden natür- lichen Grundfarben unmittelbare Färbestoffe waren. Von der schwarzen ist dies wohl gewiss; man sehe z. B. Plut. in Caton. min. c. 6: ccvtoc, scfogst ttjv [islaivav sc. noQ(pvqav (der Ausdruck GxoTsivrjv noocfVQav bei Greg. Nyss. hat, wie wir in der Note zu §.31 sehen werden, eine andere Beziehung). Ton der rotlien ist es sehr wahrscheinlich, obgleich es misslich bleibt auf bestimmte Stellen hinzuweisen, da die Bezeichnung ,,roth" bei Purpurzeugen ebenso gut auf andere, künstliche Purpur- farben, wie die Tyrische, anwendbar war. Ob daher der rothe Tarentinische Purpur (Plin. IX. 39, 63) das natür- liche Purpurroth war, will ich dahingestellt sein lassen; *) Man sieht deutlich, wie hier der nigrans pretiosus im Gegen- satz zu dem obigen rubens nigrante deterior hervorgeho- ben wird. Charaktere: Purpur- und Conehylienfarben. 115 doch scheint es mir, dass man nicht so viel von dem Letztem, seinem Typus, seinem Werthe u. s. w. hätte sprechen können, wenn es nicht wirklich als unmittelba- rer Färbestoff diente. Dagegen findet sich nun auch nicht die leiseste Andeutung eines solchen Gebrauchs in Betreff der weiteren Abstufungen, also namentlich des blauschwarzen und des violetten Purpursaftes; denn alle von Amati c. 3 und 4 auf sie bezogenen Stellen finden in den übrigen , unzweifelhaft angewandten Farben, wie in dem natürlichen Schwarz und in dem durch Mischung erzeugten Violett d. i. dem Ianthinpurpur, ihre vollkom- mene Erledigung; Amati aber hat freilich wieder dieses künstliche Violett mit dem natürlichen ganz willkürlich znsammengeworfen. Meine Ueberzeugung ist demnach die, dass jene natürlichen Zwischenfarben und alle son- stigen Modifikationen, welche die neueren Untersuchun- gen des Saftes ergeben haben, keine unmittelbaren Färbestoffe bildeten, sei es dass man dieselben aus irgend welchen Gründen überhaupt ganz von dem Ge- brauch bei der Purpurfärberei ausschloss, oder dass sie ver- möge der künstlichen Präparation theils nachgeschwärzt, theils nachgeröthet, also auf die Grundfarben zurückge- führt wurden, oder endlich dass sie nur bei Mischungen und mehrfachen Färbungen, also eben nicht in unmittel- barer Weise, angewandt wurden; die zweite Annahme dürfte die richtigste sein (s. unt. §. 25). Neben diesem Gegensatz stellte innerhalb der wirkli- chen Purpurfarben das Alterthum selbst noch einen an- dern ausdrücklich auf, d. i. 3. Der Gegensatz der Purpurfarben im engern Sinne und der soge- nannten Conehylienfarben. §. 19. Schon Columna (c. 2 §. 8 sqq.) hat densel- ben erkannt und das conehylium richtig als infecturae gen us aufgefasst. Die Unterscheidung von Purpur- und Conehylienstoffen tritt uns in unzähligen Stellen entgegen, 8* 116 Allg. Comm. III. Die Purpurfärberei. §. 19. z.B. Plin. IX. 36 (61); 35 (60); 37 (61); 35 (53); 36 (60); V. 19 (17); VIII. 48 (74); XXI. 8 (22); XXII 2 (3); Suet. Calig. c. 17 u. s. w. Worauf beruht dieselbe? Plinius sagt ausdrücklich, der Stoff sei bei Beiden der- selbe, d. fa. also auch die Conchylienfarben würden durch den Saft der Purpurschnecke erzeugt; nur in der Be- handlungsweise oder der Mischung bestehe der Unterschied (IX. 36, 61: eadem est materia, sed distat teraperamento) 1 ). Die Purpurfarben im engern Sinne bestehen nämlich durch und durch aus reinem Schnecken- saft; bei den Conchylienfarben dagegen wird der Pur- pursaft mit anderen Substanzen, als Wasser, Urin, Fucus u.s.w. vermischt, verdünnt und zersetzt (s. mit. §. 34). Weil nun demnach jene ganz und gar Purpur sind, diese aber nur t heil weise: so wurden naturge- mässjene purpurae xaz £%o%ijp genannt, und im Gegen- satz dazu diese bloss conehylia, um anzudeuten, dass sie zwar auch auf dem Saft der Schalthiere im Gegensatz zu den Kräuterfarben beruhen, aber doch nicht wie jene durch und durch Purpur sind. Als Folge der Rein- heit des Saftes auf der einen, und der Verdünnung des- selben auf der andern Seite, stellt sich ein zweiter Un- terschied heraus; die Purpurfarben im engern Sinne sind nämlich die dunklen, die Conchylienfarben dagegen die hellen; als das allgemeine Kennzeichen der Letzteren wird daher ausdrücklich die Blässe (pallor) angegeben (Plin. IX. 39, 64). Wir sehen nun auf den ersten Blick, dass von allen Farben nur das Heliotropblau, das Mal- venblau und das Violengelb (nebst ihren etwaigen Mo- difikationen) als blasse oder helle Farben gelten konn- ten; mithin müssen sie die sogenannten Conchylien- farben im Gegensatz zu allen übrigen Purpurfarben aus- ') ßoehart (c. 11. p. 734 sqq.) hat also Unrecht, wenn erden Ge- gensatz der Purpur- und der Conchylienfarbe so fasst, als ob nur jene von der eigentlichen Purpurschnecke, diese aber von an- derweitigen Conchyiien herstamme. Charaktere: Purpur- und Couchylienfarben. 117 gemacht haben. Und dies wird in der That ausdrück- lich bestätigt durch Plin. XXI. 8, 22: 55 qui proprie con- chylii intelfigitur^ multis modis: unus in heliotropio . . alius in malva . . . alius in viola serotina, conehyliorum vegetissimus." Ich sage, im Gegensatz zu allen übrigen Purpurfarben; denn sowohl die natürlichen d. i. der schwarze und der rothe Purpur, als die übrigen künst- lichen d. i. der Ianthin- und der Tyrische Purpur mit seinen verschiedenen Species, steifen sich als reine, volle und dunkle Purpurstoffe dar. Es lässt sich indessen nicht verkennen, dass der Gegensatz häufig und vielleicht meist in einem beschränktem Sinne vom Alterthum aufgefasst ward, dergestalt dass ersieh nur innerhalb der künstlichen Purpurfarben bewegt. Denn als ein dritter und zwar offen- bar als ein Hauptunterschied wird ferner noch hervorgeho- ben, dass die Conchylienstoffe ohne Buccin hergestellt werden (Plin. IX. 39, 64: in conchyliata veste cetera ea- dem, sine buccino); mithin wären im Gegensatz hierzu die Purpurfarben im engern Sinne die, welche man mit Buccin zubereitete; und dies sind nur die übrigen künstli- chen d.h. 1) der Tyrische Purpur nebst seinen Species, und 2) der Ianthin- oder Amethystpurpur. Hiermit steht es nun auch im Einklänge, dass unter allen Nicht- Con- chylienfarben grade nur diese beiden Purpurfarben im engern Sinne als die vornehmsten, als die Haupt- oder Grundfarben galten, neben denen dann die Conchylien- farbe selbst als Einheit gefasst die dritte Hauptgattung bildete. Dies erhellt aus Plin. XXI. 8, 22: ,,Hos (colores) animadverto tres esse principales: rubentem ... in purpuras Tyrias . . alium in amethysto . . et ipse in purpureum ... tertius est qui proprie conehylio in- telligitur." Die Ursache ist augenfällig die, dass diese drei Farben allen übrigen künstlichen zu Grunde lagen oder ihnen den Charakter gaben; denn die fünf Farben, die wir unter 9 — 13 aufgeführt, sind sämmtlich durch den Tyrischen Purpur, überdies aber theils durch die Arne- 118 Allg. Comm. HL Die Purpurfärberei. §. 19 — 23. thyst-, theils durch die Conchylienfarbe oder deren Spe- eies bedingt. §. 20. Es ist also festzuhalten, dass zwar im wei- tern Sinne purpura, iroQcpvQccj jegliche Art von Purpur bezeichnet, und im weitesten selbst das Buccin; im en- gern Sinne aber die aus reinem Purpursaft bereiteten und daher dunklen Farben, im Gegensatz zu den aus verdünntem Saft entstehenden und daher hellen; im engsten endlich die mit Buccin präparirten im Gegen- satz zu den buccinlosen. In den beiden letzteren Fäl- len ist also purpura der Gegensatz von conehylium, und überdies in dem engsten Sinne, wie wir seiner Zeit genauer sehen werden (§. 33), zugleich synonym mit blattet und aXovQyoQ, so dass nicht nur purpura, sondern auch blatta und aXovgyog, im Geigensatz zu conchy- lium, die beiden buccinirten künstlichen Hauptpurpur- farben, den Tyrischen und den Ämethystpurpur bezeich- net. Alles dies ist für die Folge der Untersuchung von der grössten Wichtigkeit. Uebrigens wird die bisherige Auseinandersetzung genügen, um dergleichen Ausdrücke wie: conchyllata vestis (Plin. IX. 39, 64; Suet. Caes. 43), conehyliata tapetia (Plaut. Pseud. Act. I. Sc. 2. v. 14), conehyliata peristromata (Cic. Philipp. II. 27) u. s. w., nunmehr richtig zu würdigen. So viel von dem Charakter der verschiedenen Pur- purfarben im Allgemeinen. Betrachten wir nun: IV. Die Erzeugung der verschiedenen Purpur- farben im Besondern. i §* 21. Diese involvirt zugleich die eigentliche Prä- paration der Färbestoffe. Dem Vorstehenden gemäss, haben wir, um das Ganze zu erschöpfen, hier dreierlei zu beachten: die Buccinfarbe, die natürlichen Pur- purfarben und die künstlichen. Da indessen Plinius, Erzeugung der verschiedenen Purpurfarben, 119 der auch hier wiederum unser Hauptführer ist, bei Be- schreibung des Verfahrens in den Officinen der Färber zunächst die natürlichen Purpurfarben, dann das Buccin, und hierauf die künstlichen Purpurfarben betrachtet (IX. 38, 62 bis 42, 66): so wollen auch wir dieselbe Reihe- folge einhalten, damit unsere Erörterung zu einem um so anschaulichem Commentar der berühmten Stelle die- ses Autors dienen möge. 1. Die natürlichen Purpurfarben. §. 22. Der Saft der Purpurschnecke, sahen wir, kam nach dem Bericht des Alterthums aus einem weis- sen Gefäss mitten im Schlünde zwischen Leber und Hals. Dasselbe enthielt natürlich nur ein äusserst geringes Quan- tum des kostbaren Saftes, der daher die Blüthe, ccvd-og, flos genannt wurde (xlrist. V. 13. Plin. IX. 36, 60), sonst auch Blut, cu\ha s sanguis (s. z. B. Poll. On. I. 4, 49. Moses Maimon. u. A. bei Bochart. Hieroz. Pars. II. lib. V. c. 9.), und ros, succus, sanies, virus (bei Plinius, Vitruv u. A.). Die grösseren Schnecken, welche nach Aristoteles meist schwarzen Saft enthielten, wurden mit Einem Schlage getödtet, dann ausgeweidet; die kleineren, deren Saft nach demselben Gewährsmann meist roth war, wurden zer- stampft (Arist. u. Plin. 11. cc. Aelian. de Nat. Aniin. 16, 1. Poll. On. I. 4, 49. — Die Beschreibung bei Vitruv. 7, 13[12]: conchylia . . . ferramentis circa scinduntur etc. bezieht sich allerdings wohl nur, wie Schneider S. 397 f. behauptet, auf die Zubereitung des Purpurs als Maler- farbe). §. 23. Von der Zubereitung dieser beiden natür- lichen Purpurfarben spricht nun Plinius zunächst in je- ner Hauptstelle IX. 38, 62: Eximitur postea vena, quam diximus: cui addi salem necessarium, sextarios ferme in libras centenas: macerari triduo justum, quippe tanto major vis, quanto recentior: fervere in plumbo, singulas- que amphoras centenas ad quingentenas medicaminis li- 120 Allg. Comm. Hl. Die Purpurfärberei. §. 23 — 25. bras aequari: ac modico vapore torreri, et ideo longin- quae fornacis cuniculo. Ita despumatis subinde carnibus, quas adhaesisse venis necesse est^ decirno ferme die li- quata cortina, vellus elutriatiuii mergitur in experimen- tum: et donec spei satis iiat, uritur liquor. Rubens color nigrante deterior. Ouinis Jana potat horis, rur- susque mergitur carminata, donec omnem ebibat saniem. §. 24. Zuerst also wurden die ausgenommenen Saft- gefässe der grösseren Purpurschnecken, und ebenso un- zweifelhaft auch der durch die Zerstampfung entstan- dene Brei der kleineren, 3 Tage lang in Salz eingelegt (cf. Poll. 1. c. xaqiyevaavTsq ts im dsvöOTtoi'iav) , in dem Yerhältniss von 20 Unzen Salz auf einen Centner (100 Pfund) Materie; eine längere Zeit schien nicht statthaft, weil je frischer die Kraft, desto stärker die Wirkung war, und daher alle Processe rasch hintereinander absolvirt wer- den mussten. Nachdem man hierauf die Darm - und Fleisch- masse durch Abspülung mit Meer- oder Salzwasser von allem Schlamm gereinigt (Poll. 1. c. vöaxv ttjv aoyv sy.ua- •diJQccvrsg. Anonym, ap. Murat. 1. c. tolle moriam de mare aut salis morie, et componis in vas, et dimittis), wurde sodann die Materie in einem bleiernen (oder vielmehr zinnernen) Kessel etwa 10 Tage lang mit massiger Hitze, vermittelst eines mit dem Glühofen correspondirenden Wärmeleiters (s. darüber Libav. Com. Alchem. lib. I. c. 31 p. 161), gedämpft (cf. Poll. 1. c. svsxpovtii i^TtvQco ÄeßijTi, to -9-rJQa^a to ÜalaxTiov. Aristot. de colorib. c. 5 : sv ratg yviQaig). Während dergestalt die Materie allmählig flüs- sig ward, schäumte man die fleischigen Theile sorglichst ab (das „quoquet ipsum sanguinem cum carnibus" des Anonym, bezieht sich hierauf, nimmt aber eine ungenaue Stelle ein, indem es dem „tolle moriam etc." vorangeht). Auf diese Weise wird die Masse in einem solchen Ver- hältnisse eingekocht, dass ein Quantum von 100 Ampho- ren oder 8000 Pfd. auf 500 Pfd. reducirt ward. Was- ser wurde bei dieser Purpurbereitung gar nicht hinzuge- Bereitung der natürlichen Purpurfarben. 121 than; x4mati (p. 34) hat sich, wie auch wohl früher schon Reaumür (Mein, de l'Acad. de Paris. 1711. p. 184), durch die falsche Lesart: ,,singulisque aquae amphoris cente- nas atque quinquagenas medicaniinis libras aequari" in einigen Ausgaben des Plinius verführen lassen, und der- gestalt seine Theorie auf ganz falscher Grundlage er- baut; in keinem einzigen Codex kommt, obgleich die Stelle allerdings etwas verstümmelt ist, das Wort aquae vor. Wenn wirklich ein Wasserzusatz in der besagten Art statt gefunden hätte, so brauchte die Masse nicht erst flüssig zu werden; und doch sagt Plinius selbst: decimo ferrae die liquata cortina (cf. Poll. L c. alfia . . . Xstzai). Ueberdies hebt ja Plinius grade das Hinftuthun des Wassers bei der Bereitung der Conchylienfarben aus- drücklich als ein besonderes Unterscheidungszeichen, oder als ein nur diesen eigentümliches Moment hervor, wo- durch eben wesentlich deren Blässe bewirkt ward. Auch Vitruv und Maimonides erwähnen des Wassers nicht. Die muria des Anonymus aber und das vdcog des Pollux haben, wie wir eben sahen, eine ganz andere Bedeutung; es war Spülwasser, welches man^ wie das dimiltis zeigt, wieder ablaufen Hess. Endlich das aquarum copia ve- solutus bei Cassiod. Epp. I. 2 bezieht sich überhaupt auf eine ganz abweichende jüngere Methode, von der wir später handeln werden (§. 60). §. 25. Das Dämpfen oder Kochen der Flüssigkeit setzte man so lange fort, bis die Färbungsversuche mit ausgefetteter Wolle das gewünschte Resultat ergaben. So lange sie noch unreif war, hatte sie ein trübes, grün- lich unterlaufenes Ansehn (Plin. IX. 38, 62: immatura viridique cortina), d.h. es Hess sich noch keine allei- nige bestimmte Farbe unterscheiden, sondern in ste- ter Umwandlung begriffen stellte die Brühe einen Complex der mannigfaltigsten Farbenerscheinungen dar; alie Nuancen des Hellen und Dunklen: Weiss, Schwarz, Gelb, Blau u. s. w., waren vertreten und rannen gährend durch- 122 Ällg. Comm.llL Die Pur pur färb er ei. §. 25 — 26. einander (s. besonders Aristot. unt. in der Note, womit zu vgl. Poll. Onoin. 1. c. to ds alpa, snsiöäv rtvql SfitXijöri, Xstzai ts xal s£av&st. xal to [isv %avd i^sTai, to ds xva- vavysg yiyvsTai, to 6s äXXo slg aXXr\v %qoav TOSTtszai). Dies kam ohne Zweifel daher, dass — wie auch die neueren Untersuchungen lehren — das Bothe und das Schwarze nur die Grundtypen der natürlichen Säfte sind, zwischen ihnen aber eine Mannigfaltigkeit von Schattirungen zum Vorschein kommt, worunter eben auch das von Vitru- vius angeführte Blauschwarz (lividus) und Violett gehö- ren. Jenes trübe, grünliche, bunt unterlaufene Colorit war jedoch nur ein Ueber- oder Durchgangspunkt, durch den die Oundtypen bei fortgesetzter Dämpfung und Gäh- rung sich hindurchrangen. Denn einmal wurden auf dem besagten Wege, wie aus Plinius unzweifelhaft hervor- geht, die beiden einfachen oder natürlichen Purpurfarben, die schwarze und die minder geschätzte rothe, als Färbestoffe gewonnen; und andrerseits wird die schliesslich^ Verschmelzung aller Farbentöne zur Farben- einheit von dem Verfasser des Werkes tcsqI xgwfjiccTCdv ausdrücklich bezeugt und geschildert. 1 ). Sobald die Farbe ') Die betreffenden Stellen lauten c. 5 p.UGö (p. 740 ed. Casaub. T. I, p. 1215 ed. Duval): xal yäp TavTrjv (seil. nopfjvpav) oTav xöxpavTts anacav $<■ avTrjs tr>v vypaciav ly.xXvcoiGi, y.cd ravTtjv $x%4- aviis iipcomv iv Tals %vtqccis, to jj.Iv tiqüjtou ovMv oXojs Iv ifj ßwfjj xwv yj>u>[AÜTOiV (favtQop iffn, di>ä to y.aia [iixpov txaöTov avTojv, tov vyqov cvvixpo^xivov fiaXXov, y.cd tcov hv (s. toüv cu/(o t uäX(x)s) vnapyovTmv Iv avrois /Qoofxdicoy /utyuvjuevcou aXXrjXois , nokkäs xal noiy.iy.as XapßävHV (fiayopäs. xal yäp fxeXav , [y.al Xtvxöv,] y.al opyvivov (s. opyviov), y.al äsqoti&is^xal töts TtXfVTalov anavTa yhvhTat, noQifVQotiöij, tu>v äv-d-scov ixctvcHs] Gvvtipri&eviüJW coots oft« Tfjy y.QUGiv jufjxen xa& avro jutjdtv tcüv aXXoiv (s avTOjy) %po) t uäiü}v cfaviqöv Zan. — p. 741 ed. Casaub., p. 1217 ed. Duval: r« [xtv yap £'$ äp^TJs, oiav ßänToviss (jv\v noptfvpav) xa&ioiai alfxanöas (offenbar statt al^iaiiiidas seil. qXißas), oprfviav ylvovTav, xal fiiXaivai, xal äspondtis' tov dt ävS-ovs ffvyiiptjd-euTos Ixavcos, äXovp- yov evav&ts ylvktai xal Xafjnpbv. Bereitung der Buccinfarbe. 123 reif war, wurde der zu färbende Wollstoff 5 Stunden lang eingetränkt, dann gekämmt und von Neuem einge- weicht, bis er den Färbestoff völlig eingeschlürfr. Die Farbe der schwarzen und rothen Purpurzeuge war dem. nach das Product eines einfachen oder natürli- chen (freilich abgekochten) Färbestoffes. Da die Pur- purschnecke auch pelagia hiess, so wurde dieser natür- liche Saft und einfache Färbestoff pelagium genannt, im Gegensatz zum buccinum, d. i. 2. Die Buccinfarbe. §. 26. Zu ihr wendet sich Plinius unmittelbar nach- dem er die Präparation der beiden natürlichen Purpur- farben beschrieben; und zwar sachgemäss, da auch sie eine einfache und natürliche war, und neben jenen haupt- sächlich zur Erzeugung vieler künstlichen Farben beitrug. Aber er fertigt sie, weil sie wegen ihres leichten Erlö- schens nicht gleich jenen auch als alleiniger Färbe- stoff, oder doch nur selten als solcher diente, mit den schon erwähnten Worten ab (IX. 38, 62): ,,Buccinum per se damnatur, quoniam fucum remittit", indem er durch den Zusatz: „Pelagio admodum adligatur, nimiaeque ejus ni- gritiae dat austeritatem illam nitoremque, qui quaeritur, cocci" sogleich zu der Präparation der künstlichen Pur- purfarben überleitet. Inzwischen kann es keinem Zwei- fel unterliegen, dass die Behandlung der Trompeten- schnecke wesentlich der der Purpurschnecke gleich kam. Da sie zu den kleineren Muschelgattungen gehörte (mi- nor concha. Plin. IX. 36, 61), so wird sie unfehlbar auch gleich den kleineren Purpurschnecken zerstampft, und dann in derselben Weise eingesalzen und ausgekocht worden sein. Die Farbe, welche sich ergab, gleich dem Thiere selbst buccinum genannt, war, wie dies aus den angeführten Worten erhellt, scharlac hähnlich und glänzend, womit die schon erwähnte Vergleichung Quin- tilian's sehr wohl harmonirt. Das Buccin bildet also 124 Allg. Comm. III. Die Pur pur färb er ei. §. 26 — 29. neben der schwarzen und rothen Purpurfarbe den dritten natürlichen und einfachen Färbestoff, nur meist nicht selbstständig, sondern zu Mischungen oder zur doppel- ten und dreifachen Färberei angewandt. 3. Die künstlichen Purpurfarben. §. 27. Indem Plinius zu den künstlichen Purpurfar- ben übergeht, behandelt er ganz consequent zunächst die beiden künstlichen Purpurfarben im engern Sinne, den Ianthin-und den Tyrischen Purpur, als die beiden Haupt- purpurfarben; hierauf die Conchylienfarbe als die dritte Hauptfarbe; endlich die durch diese drei Hauptfarben bedingten Combinationen. A. Die beiden künstlichen Purpurfarben ätn engern Sinne. §. 28. a. Der violette, lanthin-, Amethyst- oder Hyacinthjuirpur (Plin. XXI. 8, 22: alium in ame- thysto, qui a viola, et ipse iri purpureum, quemque i an t hin um adpellavimus) war eine Mischung aus schwarzer Purpurfarbe und aus Buccin, welches, wie leicht es auch an sich verflog, doch mit dem Pela- gium ausserordentlich fest zusammenhielt; die schönste Amethystmischling wurde, wenn die Hardouin'sche Les- art richtig ist, auf 50 Pfd. Wolle durch 200 Pf. Buccin- stoff und 110 Pf. Pelagiatstoff erzielt; ausdrücklich ist mit diesen Quantitäten rohe Materie (medicamen), nicht ausgekochter 8a ft gemeint. Nach den Worten „Pe- lagio a dm od um adligatur (sc. buccinum), nimiaeque ejus nigritiae dat austeritatem illam nitoremque, qui quaeritur, cocci i: fährt Plinius fort: ,,Ita permixtis viribus alterum altero excitatur aut adstringitur. Summa medi camin um in L libras vellerum (Amati liest X), buccini ducenae: pelagii CX. Ita fit amethysti color eximius ille." Amati p. 36 hat die Zubereitung dieser Sorte völlig verkehrt dargestellt, weil er die Worte des Plinius völlig missverstand. Nicht nur nimmt er statt Erzeugung des Iant/nnpurpurs. 125 einer Mischung eine doppelte Färbung an 1 ), son- dern lässt noch dazu unbegreiflicherweise zuerst in Buccin und dann in Purpur tränken. Wie soll man dies ohne rücksichtslose Gewalt gegen die Natur der Sache und gegen Plinius selbst, ans dessen Worten her- ausfinden? §. 29. Diese Purpurfarbe war ausserordentlich be- rühmt; daher wird sie color principalis, eximius, felix genannt; daher war ihre Erzeugung den Färbereien eine der höchsten Aufgaben, wie Plin. XXXVII. 9, 40 lehrt: ,,amethysti Indicae . . . perlucent omnes violaceo co- lore . . . Indicae absolutum fei i eis purpurae colorem ha- bent, ad haneque tin gentium officinae dirigunt vota. a Daher ist bei den Alten so viel von ihr die Rede. Siehe Yirg. Georg. IV. v. 275: violae sublucet purpura nigrae. Horat. Ep. II. 1 v. 207: Lana Taren- tino violas imitata veneno. Plin. IX. 39, 63: Me, in- quit (sc. Cornelius Nepos), juvene violacea purpura vigebat, cujus libra denariis centum venibat. Venant. Fortun. Poem. lib. VII. 7 v. 11: violis hinc blatteus exit. VII. 8, 4: purpura per violas. Plin. XXI. 6, 14: purpu- reae (sc. violae) . . . graeco nomine a caeteris discer- nuntur, adpellatae i'a, et ab his ianthina vestis. Ulp. in L. si cui lana D. de Leg. III. 32, 70, 13: purpurae ap- pellatione ... ianthinum continebitur. Mart. Epig. 11. 39: Coccina famosae donas et ianthina moechae. Suet. Ner. 32 : usum amethystini coloris. Mart. Ep. I. 97 v. 7: Amethystinas que mulierum vocat vestes. II. 57 v. 2: Amethystinatus media qui secat septa. oiuv. Sat. 7 v. 136: purpura vendit Causidicum, vendunt amethy- stina. Venant. Fort. Poem. lib. VII. 3 v. 265 : amethy- stina vitta. — Die Identität des violetten, Ianthin- und Ame- thystpurpurs verbürgt die im Eingange erwähnte Stelle des Daher er auch p. 37 den violetten Purpur gradezu, aber mit vol lern Unrecht, dibapha nennt. 126 Alle/. Comm. III. Die Purpurfärberei. §. 29 — 31. Plinius; 'dass mit ihm aber auch, und nicht wie Amati c. 6 will mit dem Conchylienheliotrop, der vielgepriesene Hyacinthpurpur identisch sei, unterliegt gar keinem Be- denken. Wie Plinius an dem violetten Purpur die nigri- tia hervorhebt, und Yirgil die viola wirklich nigra nennt: so bezeichnet andrerseits Philon auch die Farbe der Hy- acinthe als dunkel oder schwarz (de congressu quae- rendae erudit. gratia p. 441, ed. Mangey T. I. p. 536: Gv^ßolov . . . dsqog växivd'QQ, \kiekaq yag omog (fvüsi). Ferner wird der violette Purpur durch Venant. Fortun. Poem. VII. 7. v. 11 in jenen Worten „violis hincblat- teus exit' augenscheinlich als blatta charakterisirt; an- drerseits aber steht es fest, wie wir bald genauer sehen werden, dass der Ausdruck blatta nur 2 Purpursorten umfasste, wovon die Eine, Oxyblatta, der Tyrischen gleich ist, die Andere aber ausdrücklich hyacinthina genannt wird (L. 1 C. J. quae res venire 4, 40: purpu- rae . . . quae blatta vel Oxyblatta atque hyacinthina dicitur); mithin ist die Identität des violetten und des Hyacinthpurpurs ebenso sehr eine Notwendigkeit, wie sie auch ohnedies die naturgemässeste Voraussetzung sein würde. Der Ausdruck Hyacinthpurpur kommt nun in der That ebenso häufig vor, wie die übrigen Benen- nungen. Man sehe Pers. Sat. I. v. 32: cui circum hume- ros hyacinthina leana est. Vopisc. in Bonosi vita c. 15: Tunicas palliolatas hyacinthinas subsericas. Venant. Fort, de Vita B. Martini lib. IV. v. 326: lana hyacin- thina. Tertull. de cult. femin. I c. 8 (Opp. p. 152 D ed. Rigalt. Par. 1675): Parietes Tyriis et Hyacinthinis, et illis regiis velis . . . pro pictura abutuntur. §. 30. Dass der Amethystpurpur nicht, wie von Amati geschehen, mit der nur von Vitruv erwähnten violetten Ab- stufung des rohen Purpursaftes zu verwechseln sei, habe ich schon bemerkt; eine Anwendung der letztern als un- mittelbarer FärbestofF ist, wie ich wiederholen muss, weder erweisslich noch überhaupt glaubhaft: alle Erwäh- Erzeugung des Tyrischen Purpurs. 127 nungen des violetten Purpurs können und müssen, wo nicht etwa eine Beziehung auf die Conchylienfarbe mög- lich ist, ausschliesslich auf den künstlichen Ianthin- purpur zurückgeführt werden. §. 31. b. Der Tyrische, doppeltgefärbte und Lakonische Purpur (Plin. XXI. 8, 22: rubentem [sc. colorem] ... in purpuras Tyrias, dibaphasque ac La- conicas) existirte gar nicht als Färbestoff, sondern nur als Zeugfarbe oder als Purpurzeug. Denn die Tyrische Farbe entstand nicht wie der Amethystpurpur durch eine Mischung d.h. durch eine einfache Färbung in einem gemischten Färbestoffe, sondern vielmehr durch eine doppelte Färbung in zwei einfachen Färbestoffen. Das Verfahren bestand nämlich darin, dass die Wolle zuerst in Pelagium gesättigt wurde, und zwar in nur halbreifem oder halbausgekochtem, in welchem Zustande dessen Farbe, wie wir sahen, eine grünlich unterlaufene oder ein Changeant war; dann aber in Buccin. Deshalb Wessen denn auch die Tyrischen Purpurzeuge doppelt- gefärbte; ihr Ruhm überstrahlte alle anderen Purpur- stoffe, ihre Farbe kam geronnenem Blute gleich; von vorn angesehen fielen sie ins Schwärzliche, von der Seite schimmerten sie im glänzendsten Farbenspiel (beson- ders wenn man sie gegen die Sonne hielt). Alles dies erhellt zur Genüge aus der Hauptstelle des Plinius (IX. 38, 62), wo er also fortfährt: At (im Gegensatz zur Amethystfarbe) Tyrius pelagio primum satiatur, im- matura viridique cortina: mox permutatur in buc- cino. Lausei summa, in colore sanguinis concreti, nigricans adspectu, idemque suspectu refulgens. Unde et Homero purpureus dicitur sanguis l ). Das hierauf fol- ') Philostr. Icon. lib. I. 28 p. 804 sagt von dem Tyrischen Purpur ((fowiy.rjg akovgyiccg) : <$oy.ovv yaQ czv&(i(07icct,svv, ikxsi Tiva naget tov rjliov üigay, ntä rw trjg cidrjg (wie ich mit Schneider für Xd\g lese) avd-et Qcüvtrai. Womit zu vgl. Poll. Onon. 1. c. xcägst, di tjkiü) bmkovoa Tfjg 7Toq]v nsvd-rjQtjy.cd ay.oistytjynoQffv- qco/ ixsld-su c'.}xniGywTc.i\ denn der Umstand, dass von den Kö- nigen oder Kaisern die Rede ist, und die Uebereinstimmung des gleich darauf folgenden Ausdrucks Ivcfvfxa cy.vd-Qwnöv mit Philostratos , beweisen hinlänglich dass es sich hier um den Tyrischen Purpur handelt. Erzeugung des Tyrisehen Purpurs. 129 nee. Herc. Oet. v. 663 sq. Cic. ad Att. IL 9. ad Divers. ff. 16. — Und den Bluttypus heben noch hervor: Cas- siod. Epp. I. 2: obscuritas rubens, nigredo sanguinea. Coripp. in laud. Justini minor, lib. I. v. 271: Effigies auro, sanguis depingitur ostro. §. 32. Von einem Wasserbestandtheil, wie ihn Amati p. 36, seinem Grundirrthum getreu, bei beiden hier genannten Purpursorten annimmt, kann gar nicht die Rede sein. Nach der obigen Lesart bei Plinius bedurf- ten 50 Pfd. Wolle 310 Pfd. roher Schneckenmaterie; Amati aber kommt in Folge seiner irrthümlichen Prämis- sen, indem er V 3 Wasser hinzuthut, zu dem Resultat, dass 465 Pfd. Stoff (p. 70 sagt er „470 Pfd.") zur Fär- bung von 10 Pfd. Wolle genügten (sufficere putaretur). Zwar ist offenbar bei Plinius die rohe, fleischige Mate- rie, nicht der ausgekochte reine Saft zu verstehen, und dies sieht auch Amati ein; er geht indessen wieder in das entgegengesetzte Extrem, wenn er meint, seine 465 Pfd. wären in den 10 Tagen der Eindämpfung ad pau- culas crassi glutinis lib ras zurückgeführt worden, cu- jus — setzt er hinzu — quantitatem ignoramus (und doch sagt er p. 70 gradezu: „auf 20 Pfd. "). Das Verhältniss des Einkochens kennen wir aber sehr wohl, eben aus jener Stelle, deren falsche Constituirung ihm und Ande- ren zu der Wasserhypothese verholfen hat; nach dersel- ben ist das Verhältniss wie 100 Amphoren d. i. 8000 Pfd.: 500 Pfd., also wie 16:1; mithin mussten 310 Pfd. roher fleischiger Materie, genau genommen, 19 3 / s Pfd. reinen Saft ergeben. Dass nun aber die Pfundzahl der darin getränkten Wolle 50 war^ will ich freilich nicht verbürgen, da in den Manuscripten die Zahl ausgelassen und 50 ebensowohl eine Conjectur ist wie 10. Indessen hat doch die erstere Zahl die grössere Wahrscheinlich- keit für sich, einmal in paläographischer Hinsicht, da ihr Ausfallen wegen des darauf folgenden L (Libras) am leichtesten erklärlich ist (cf. Harduin. ad ill. 1.), und an- 9 130 Allg. Comm. III. Die PurjmrßrbercL §. 32—33. drerseits in technologischer, weil circa 20 Pfd. Purpur- farbenstoff in circa 5 Zeitstunden eher von 50 Pfd. Wolle als von 10 Pfd. eingesaugt werden konnten. Bedeutung von Blalta. §. 33. Hier ist nun der passendste Ort, um über die späteren, byzantinischen Ausdrücke ßXdtTij, ßXdxiov^ ßXdxziov, blattet, blattia, blattela, blatteus, zu reden. Die- selben bezeichnen — dies ist das schon erwähnte Re- sultat meiner Untersuchung — offenbar die beiden so eben betrachteten künstlichen Hauptpurpurfarben im en- gern Sinne, d.i. den Tyrischen und den Ianthinpur- pur. Die Ableitung von ßlccnToa (s. Amat. c. 18) kann ich nicht billigen; höchst wahrscheinlich liegt ein Phönici- sches oder überhaupt Asiatisches Wort zu Grunde. Dass blatta im Allgemeinen geronnenes Blut und im Be- sondern das Blut der Purpurschnecken bedeutet, ist aus- gemacht; in den Glossen des Philoxenos wird blattia durch -d-qofißog alfiamg, und blattela durch ÖQÖfjßog al^axog rcov noyxvlicov erklärt (cf. Gothofred. ad C. Th. X tit. 20 §. 13; Salmas. Adnot. ad Top. in Aurel. 46; Tzschuck. ad Eutrop. MI. 14 et in Ind. s. v. blatta; Forcell. Lex- s. ead. v.). Daher wird auch das blatteus bei Eutrop. 1. c. von Päanios VII. 14 durch sx dXovQyidog und von Jo. Antioch. p. 810 durch t?j ßaqfi xjjg y.oyXov ausgedrückt. Hiermit verträgt sich sehr wohl die Glosse des Actuarius: ßXdxxiov ßv^dvxiov otixovv v/jg yivog xfjg TTOQcpvgccg, wenn wir ßXdxxiov als den Blutrüssel, als das Organ des Blut- auswurfs auffassen. Im Hebräischen hiess die Purpur- schnecke Chilzon oder Chalazon (s. Bochart. Hieroz. P. II. lib. V. c. 9 p. 719 sqq.), das ist so viel als %6yXoc } xoyXiag, xoyxvXrj, xoyyvXiov; im Koptischen kommt bei Edw. ^OTK^I^.C vor, d. i. xoyXiag. Der Saft selbst, die Pur- purfarbe oder der Purpurstoff hiess im Hebräischen the- cheleth (Boch. 1. c. p. 726 sq.) und wird von Moses Maim. (ib. p. 727) als „color atri sanguinis, instar atramenti" Bedeutung von Blattei. 131 definirt. Soll diese Definition eine sprachliche Deutung vertreten, so liegt es nahe, bei dem theche an das kop- tische ^^.KJ (öbscurus) zu denken; dann müsste leth ur- sprünglich das Blut bezeichnet haben, so dass blatta damit verwandt sein dürfte, wofern man das b als aus dem Artikel entstanden betrachtet, der wenigstens im Kopti- schen p war. Doch wie dem auch sei (Bochart identi- ficirt den Ausdruck vielmehr mit xa%Xr]; s. die Note zu S. 134 f.): da blatta das Blut der Conchylien oder der Purpurschnecken überhaupt bezeichnet, so kann es uns nicht wundern, wenn es im Besondern wieder dieje- nigen Kunstfarben andeutet, welche ausschliesslich und im Gegensatz zu den verdünnten oder sogenannten Conchy- lienfarben, aus dem reinen, einfachen, unverfälschten Saft oder Blut der Schnecken entstanden; deren sind aber eben nur zwei: der Tyrische oder doppeltgefärbte und der violette oder Ianthin-, Amethyst- oder Hy- acinthpurpur. Beide sind also als die Species der pur- pura blatta zu betrachten; und wirklieh werden beide und nur sie ausdrücklich als blatta bezeichnet, — der violette, wie wir sahen, bei Venant. Forturi. Poem. VII. 7 v. 11: „violis hinc blatteus exit" — und der Tyri- sche bei Sidon. Apoll. Epist. üb. IX ep. 13 v. 43 sqq. „Butilasque ferte blattas, recoquente quas aheno Meliboea fucat unda". Andrerseits ergiebt sich das- selbe Resultat ganz augenfällig aus der berühmten Lex 1 C. J. quae res venire (4, 40): „purpurae . . . quae blatta, vel oxyblatta atque hyacinthina dicitur." Hier sieht man deutlich aus der Wortfügung quae dicitur , dass blatta nicht all' und jeden Purpur bezeichnet, sondern eine be- stimmte Gattung desselben; der Umfang dieser Gattung aber wird durch die Auflösung in ihre beiden Species: oxyblatta und hyacinthina erläutert. Diese Species be- zeichnen nun selbst offenbar den schwesterlichen Gegen- satz jener beiden berühmten Purpurfarben im engern Sinne, wie er auch anderwärts so oft uns entgegentritt, z. B. 9* 132 Allg. Comm. III. Die Purpur färb er ei. §. 33. Plin. XXI. 8, 22 : principales (sc. colores) ..rubentem... in purpuras Tyrias . . alium in amethysto. IX. 38, 62: Ita fit amethysti color . . At Tyrius etc. Suet. Ner. 32: usum amethystini ac Tyrii coloris. Juven. 7, 134 sqq.: Tyrio purpura filo . . . purpura vendit Causidicum, vendunt amethystina. Tertull. 1. c: parietes Tyriis et Hyacinthinis etc. An der Identität des Hyacinth- nnd des Amethystpurpurs wird schon nach dem bisher Gesagten Niemand mehr zweifeln; allein auch die seither nicht geahnte oder doch nicht ausgesprochene Identität von purpura Tyria und purp. Oxyblatta lässt sich haar- scharf nachweisen: 1) Wir sahen, dass das Wort blatta ausdrücklich den Begriff des geronnenen Blutes darstellt; eben diesen Begriff drückt also auch oxyblatta und zwar xcct s^oy^v aus: die ,,Hoch- oder Vollblutfarbe", das „inten- sive Roth des geronnenen Blutes." Und wirklich wird ja auf der andern Seite auch der Tyrische Purpur als color sanguinis concreti von Plinius, und als ratila blatta von Sidon. Apoll, bezeichnet. Ueberdies hat der Aus- druck Oxyblatta seine Analogie schon in der altern Zeit, welche in der That den Tyrischen Purpur igv&Qcc 3%€la nannte. Plutarch erzählt vom Jüngern Cato (Cat. min. c. 6): sttsI noqipVQav eooqa t^v xctraxogcog tqvd-qav xal o^stav ccyaTZwiievriVj avzog stpOQSL t^v yb&laivav. Dass dieser zu Cato's des Jüngern Zeit beliebteste Purpur wirklich der Tyrische gewesen sei, ergiebt sich, auch abgesehen von der innern Notwendigkeit., ganz positiv aus der Vergleichung mit Plinius, der seinerseits (IX. 39, 63) um dieselbe Zeit die dibapka Tyria die gesuch- teste Sorte in Rom sein lässt 1 ). — Endlich wird o£oc bei ») Philost. Icon. I. 2S p. S04 sagt ebenfalls von dem Tyr. Purpur (ffoivw.ijg ctXovqylecg)'. äyanüo&io cFi twj/ äXovQyuii' jucckiGrcc. — Uebrigens weist auch Wilck. §. 6, und zwar aus anderen Grün- den und zu anderm Zwecke, die Beziehung der Plutarchischen Stelle auf den Tyrisch. Purpur nach. Bedeutung von Blattei. 133 Snidas (h. v. p. 2695 ed. Gaisf.) ausdrücklich erklärt durch: sipijzdv to äno Ooivixwv. 2) Es is vollkommen ausgemacht, dass der kostbare Tyrische Purpur, wie die privilegirte Farbe der heid- nischen Götter (cf. Steg. §. 2) und der Fürsten der Erde überhaupt 1 ), so insbesondere auch die römisch kaiser- liche Leibfarbe war (wohl schon seit Augustus; man s. nur Macrob. II. 4). Unzählige Beispiele aus Sueton, Dio Cassius, der Historia Augusta, Ammian u. s. w. könnten dies erhärten, wenn es nicht so bekannt wäre, dass es ihrer in der That nicht bedarf. Deshalb wurde denn auch Tyrus, um Constantin's Zeit, zum kaiserlichen Pur- purfabrikort erhoben, was aus Ammian. Marcell. XIV. 9, 7, aus L. 18 C. Th. de murileg. 10, 20 ^ aus Cassiod. 1. 2 u. A. unwiderleglich folgt. Nun stellt sich aber andrer- seits auch die purp, blatta d. i. Oxyblatta und Hyacin- thina, nach L. I C. J. quae res venire, als der privile- girte kaiserliche Leibpurpur dar, und ward ausdrück- lich in der kaiserlichen Purpurfabrik zu Tyrus gefertigt (L. 18 C. Th. tit. c). Mithin muss Tyria dibapha gleich purpura blatta sein oder darin aufgehen. Da nun aber von den beiden Species der Letztern die Eine d. h. der Hyacinthpurpur entschieden nicht der eigentliche Ty- rische, sondern der Amethystpurpur ist: so muss noth- wendig die Andere d. h. Oxyblatta mit Tyria dibapha identisch sein. Wirklich stellt sich auch Oxyblatta als die gepriesenste der beiden Species dar. Blatta bezeichnet also den Tyrischen und den Amethystpurpur d.h. die beiden künstlichen Hauptpur- purfarben im engern Sinne, oder die purpura xcct i%o- Xtjv im Gegensatz zu den sogenannten Conchylienfarben. ') Daher Philost. Icon. I. 28 p. 804 mit Bezug auf das Bild des Königs Amphiaraos sagt: ylafxvg, . . to /xtv /qwjucc i% ^ovviy^g (clovqyiag, rjv tncavovcv ffoit/Mtg. Und Senec. Thyest. v. 344 sq. im Allgemeinen und indirect: Regem non faciunt opes, Non vestis Tyriae color. 134 Allg. Comm. III. Die Purpur färb er ei. §. 33. Die früheren Definitionen, wonach blattia „non pro blatta vel purpura sola sed pro nemate serico blatteo" stehe (Salm, ad H. Aug. p. 391) oder „volumina panni holose- rici ostrino colore tincti" bezeichne (Possin. in Glossar. Annaeo p. 403}, sind dadurch bedingt worden, dass die Blattafärberei allerdings meist auf die Seide angewandt ward, — allein nicht immer, wie allein schon das „vel in serico vel in lana" in L. 1 C. J. quae res venire, wo doch nur von Blattapurpur die Rede ist, beweist. Eine merkwürdige Uebereinstimmung mit unserer Auseinandersetzung dürften die althebräischen Ausdrücke thecheleth und argaman oder argavan ergeben, welche so häufig im alten Testamente als Bezeichnungen be- stimmter Purpurarten erscheinen; beide Arten stellen sich hier als sehr berühmt und kostbar dar, gleichwie die purpura Hyacinthina oder amethystina und die purpura Oxyblatta oder Tyria; aber als die berühmteste und kostbarste von Beiden gilt augenscheinlich argavan (s. Bochart. p. 739), gleichwie der purp. Hyacinthina gegen- über die purp. Oxyblatta oder Tyria. So liegt es schon deshalb nahe, das thecheleth mit der Erstem und das argavan mit der Letztern zu identificiren. Und wirk- lich wird nun 1) thecheleth von den Griechen an Einer Stelle durch oXoTTOQcpvgov oder TroqcpvQovp, sonst stets durch vaxivd-iov oder vaxivüivov übersetzt, während die Rabbinen es als Azur-, Meeres- oder Himmelsfarbe bezeich- nen (Boch. p. 728 cl. p. 720). Dagegen wird 2) argavan, welches die Griechen und Hieronymns auf constante Weise durch Purpur ausdrücken, bei den Rabbinen als rubra, Carmesina, coccinea und laccae concolor bezeichnet, und durch die Ableitung von aram gavan d.i. „Syriae color" vollends als Tyrischer Purpur er- wiesen 1 ). *) Bochart's Resultat ist ein anderes. Nach ihm bezeichnet the- cheleth, im Chald. thichla oder tachla, wovon die griech. Aus- Bedeutung von Blattei. 135 Endlich ist nicht zu bezweifeln, dass gleichwie blatta, so auch aXovqyog die purpura %«i ? fi£o;^V, nämlich die aus reinem Purpursaft entstandenen Farben bezeichnet; wogegen die Conchylienfarben, weil nicht aus reinem Saft entstanden, auch streng genommen nicht alovqyog d. i. wahrhafter Meersaft (pelagium) genannt werden konnten, so wenig wie im strengen Sinne purpura d.i. wahrhaftes Purpurblut. ^AXovqyog und blatta sind also synonym; daher eben auch Päanios VII. 14 blatte us durch sx aXovqyidog übersetzt. Im weitern Sinne scheint zwar zuweilen auch aXovoyog, und selbst blatta, gleich- wie purpura für allen Meerpurpur überhaupt im Gegen- satz zu dem durch Kräuter nachgemachten unächten zu stehen; doch stellt es sich als Gegensatz der Con- chylienfarbe bei Weitem sicherer und häufiger dar. Man vergl. über äXovoyög, aXovgyijg und aXovqyig: Plut. Alex. 30; Poll. On. IV. 18, 12G\ Heliod. Aethiop. III. c. 4 p. 133, ed. Kor. I. p. 114. Herod. I. 14, 7. Athen. XII. 31. Procop. de Aedif. III. 1 p. 53 C. Dio Cass. p. 329. 581. 858. 920. 1346. 1040. 833. 1030. Diese Stei- drücke y.äy'kri, xuX/tj und wohl selbst y.öyXoc und -/.oyyyXiov abzuleiten seien, die bläuliche Conchy lien färbe (p. 734 sqq.), und nur argavan den eigentlichen, rothen Purpur (p. 736 sqq.). Er geht davon aus, dass hyacinthinus so viel wie coeruleus (p. 727 sqq.), die Purpurfarbe aber ausschliesslich roth sei; darum also hält er einmal das thecheleth für Eins mit der Conchylien- farbe, und andrerseits das Conchylium selbst für ein von der Purpurschnecke verschiedenes Schalthier, so dass es sich eben um zwei, schon von Natur ganz verschiedene Säfte handeln würde (s. dagegen ob. §. 19 zu Anfg. und §. 5 mit der Note). — Beiläufig kann ich mich einer naheliegenden Hypothese nicht erwehren: Sollten nicht der griech. Ausdruck TQÜ/rjloi, und der röm. Tvachali, welche nach Hesychios und Festus (s. h. v.) den vordersten Theil der Purpurschneeke bezeichnen, durch Gräcisirung aus thecheleth oder thachla, oder aus dem etwa hier zu Grunde liegenden phönicischen Worte entstanden sein? Be- durfte es doch , um den Klang eines dem Griechen geläufigen Wortes zu reproduciren, nur der härtern Aussprache d. h. der Steigerung des h in r. 136 Allg. Comm. III. Die Purpurfärberei. §.33 — 34. len mögen nur als Beispiele dienen; leicht Hessen sie sich beträchtlich vermehren. B. Die sogenannten Conchylienfarben. §. 34. Diese entstanden sämmtlich durch Mischung d. h. gleich dem Amethystpurpur durch einfache Fär- bung in einem gemischten Färbestoffe, nur dass die Präparation des Letztern bei der Conchylienfarbe bedeu- tend abwich. Man nahm dazu kein Buccin, sondern nur Pelagium, und zwar am liebsten das genus calcu- lense, welches nach Plin. 9, 37, 61 für die Conchylien- farbe „mire aptum" war, während er das genus dialutense das bei Weitem günstigste für die eigentlichen Purpur- farben nennt. Ueberdies wurde die Brühe zu gleichen Theilen mit Wasser und Urin verdünnt; dafür nahm man aber noch ein halbmal mehr Purpurstoff. Diese Ver- dünnung und der Mangel des Buccin, sowie die kargere Tränkung, verursachten ohne Zweifel jene Blässe, welche die Conchylienfarbe im Allgemeinen charakterisirt. Pli- nius setzt seine Erläuterung nach der erwähnten Episode also fort: In conchyliata veste cetera eadem, sine buc- cino: praeterque jus temperatur aqua, et pro indiviso, humani potus excremento: dimidia et medicamina ad- duntur 1 ). Sic gignitur laudatus ille pallor saturitate fraudata_> tantoque dilutior, quanto magis vellera esuriunt. Durch eine gelegentliche Aeusserung desselben Autors (26, 10, 66. cf. 13, 25, 48) erfahren wir, dass ausser- dem der Purpur bei den Conchylienfarben mit Cretensi- schem Fucus marinus oder Alga {cpvaog -d-aldödiov, Liehen roccella L., Orseille, Färbermoos) untermischt wurde; denn das „conehyliis substernitur" wird zwar gewöhn- lich, aber wohl unrichtig so verstanden, als ob die Wolle vor der Färbung in Purpur mit Fucus grundirt worden ') Das kann man nicht mit Amati (e. 25) u. A. so verstehen, als ob überhaupt nur halb so viel Pelagium gebraucht worden sei. Erzeugung der Conchylienfarben. 137 sei 1 ). Dieser wurde in Kreta auch zur blossen Kräuter- färberei benutzt (11. cc.), hielt die Farbe unauslösch- lich fest (32, 6), und gehörte offenbar zur 3ten Gattung, welche weiss war (Dioscorid. mater. med. IV. 100 p. 283 ed Sarac. cl. Plin. 11. cc). Diese beiden Eigenschaften erklären wohl den Dienst, den er bei der Conchylienfär- berei leisten sollte; denn einerseits mochte seine eigene Färbekraft zu dem blassern Ansehn der Conchylien- stoffe beitragen, und andrerseits scheint er die Binde- kraft ersetzt zu haben, welche zwar dem Purpur an sich beiwohnte, aber in der Conchylienfarbe wegen der aus- sergewöhnlichen Verdünnung und Zersetzung grössten- teils wieder verloren gehen musste. — Wenn es sich bei dem conchyliis substernitur augenscheinlich um die Con- chylienfarbe handelt, so ist es unbegreiflich, wie Rosa das Buccin mit in's Spiel bringen kann, indem er vom Fucus sagt (p. 19) : „diveniva ancor piü prezioso il di lui uso per abbeverarne le lane prima di darvi il conchiglio: per che colla sua rimarcata tenacitä veniva a render du- revole la fugace tinta del buccino." Das Buccin kam ja bei der Conchylienfarbe gar nicht in Anwendung. Dass übrigens der Fucus auch bei den Purpurfarben im en- gern Sinne gebraucht worden, ist sicher zu verneinen; denn hier wirkte das Pelagium selbst mit voller unzer- setzter Kraft, indem es zugleich, wie wir sahen, die Ei- genschaft besass, sich mit dem flüchtigen Buccin auf die innigste Weise zu verschmelzen, und es dergestalt un- auflöslich festzubannen. Ob sich das Buccin gleichwie mit dem Pelagium, so auch mit dem Fucus vertrug, oder ob die Bindekraft des Letztern allein hinreichend auf ') Das „anchusae radix praeparat lanas pretiosis coloribus" bei Plin. XXII. 20, 23 ist mit dieser Stelle schwerlich, wie man gethan hat (z. B. Schneid. S. 388), zu vergleichen, sondern hat wohl, wenn es sich dabei um Purpurfärberei handelt, wie nicht zu bezweifeln ist (vgl. §. 39), eine ganz verschiedene Beziehung (s. unt. §. 47). 138 Allcj. Comm. III. Die Purpurfärberei. §. 34—37. dasselbe wirkte, ist sehr fraglich oder vielmehr ebenfalls zu verneinen; denn dass man Versuche damit gemacht ist sicher nicht zu bezweifeln, und doch war das Er- löschen der wirklichen Buccinzeuge nach Quintilian und Plinius eine Thatsache; ja vielleicht sind die Worte des Letztern: ,,buccinuni per se damnatur. quoniam fucum re- mittit" noch strenger aufzufassen, als es bisher und auch oben geschehen, d. h. nicht sowohl zu übersetzen durch: „weil es die Farbe verliert^ ausgeht," als vielmehr durch: „weil es den Fucus marinus abstösst." §. 35. Durch die von Amati und Anderen überse- hene Anwendung des Fucus bei der Conchylienfarbe, erklärt sich nun auch richtiger als bisher die Aeusserung des Plinius (IX. 36, 60): „Quapropter excusata et pur- purae sit insania: sed unde conchyliis pretia, queis virus grave in fuco, color austerus in glauco, et iras- centi similis mari?" Dass hier von dem Conchylienzeuge im Gegensatz zu den Purpurzeugen im engern Sinne die Rede ist, ergiebt sich auf den ersten Blick. Da nun bei demselben ausdrücklich fucus marinus gebraucht ward, so wird man nicht anstehen, auch hier fucus in diesem Sinne zu nehmen, und den üblen Geruch der Conchylien- zeuge hauptsächlich dieser Ingredienz zuzuschreiben, wenn gleich auch der Urin gewiss dazu beitrug. Dass übrigens die frische S chneckenmaterie bei der Zu- bereitung ebenfalls einen starken, widerlichen Geruch ver- breitete, ergiebt sich aus der Natur derselben als einer Meeressubstanz und aus Cassiodor I. 2; aber von den fertigen Purpurzeugen oder- Stoffen selbst, wird dies nirgends ausgesagt, und sogar durch den Gegensatz der obigen Stelle gradezu widerlegt. §. 36. Aus dieser Stelle ersehen wir zugleich, dass die Conchylienfarbe im Allgemeinen der bläulichen Farbe des aufgeregten Meeres entsprach; und dies bestätigen auch schon die Benennungen einiger Species derselben. Als die wesentlichsten führt Plinius drei an: die Helio- Erzeugung der Conchylicnfarben. 139 trop-, die Malven- und die Herbstviolenfarbe. Qui pro- prie conehylii intelligitur, heisst es XXI. 8, 22, multis modis: unus in heliotropio, et in aliguo ex Ins ple- rumque saturatior: alius in malva, ad purpuram inclinans: alius in viola serotinaj conchyliorum vegetissimus. Die Erster e bezeichnet ein volles Blau; denn Plinius selbst XXII. 21, 19 sagt: heliotropii .... caeruleum flo- rem; auf sie bezieht sich wohl das „caelo concolor" des Maimonides bei Bochart. V. 9 p. 727 (s. §. 37); ein An- flug von Lilla oder Violett lässt sich schwerlich in Ab- rede stellen (cf. Amat. c. 6). Die zweite Species be- zeichnet offenbar, wie der Name beweist, ein dünneres Blau, mit einem Anfluge von Roth (s. Amat. c. 7). Die dritte endlich ein Gelb; denn die Herbstviole (viola serotina oder calathiana) setzt Plinius selbst (XXI. 6) in der Farbe der caltha gleich, und diese war ausdrück- lich gelb (Colum. de eult. hört. v. 97: flaventia lumina calthae); auch nennt Plinius die Herbstviole selbst flam- me a, quae et phlox vocatur, und Columella 1. c. v. 101 sq. vergleicht sie mit dem Golde (Tum quae pallet kumi, quae frondes purpurat auro, Ponatur viola). §. 37. Es versteht sich von selbst, dass die von Plinius angedeutete Präparation der Conchylienfarbe nicht für alle Schattirungen derselben in gleicher Weise gelten kann, wenn es auch unmöglich ist, die verschiedenen Modifikationen des Verfahrens mit Gewissheit zu bestim- men. Indessen dürfte, dem Charakter der Farbe gemäss, sowohl das Heliotrop - wie das Malvenblau auf einer Mi- schung von schwarzem und rothem Purpur beruhen, der- gestalt jedoch, dass bei jenem der schwarze, bei die- sem der rothe quantitativ überwog; dagegen möchte bei der Herbstviolenfarbe ausschliesslich rother Purpur und ein verhältnissmässig grösserer Zusatz von Wasser und Urin angewandt worden sein. Ueberdies sind ohne Zwei- fel bei sämmtlichen, namentlich aber bei den künstlichen Farben, noch manche Ingredienzen, theils zur Verschö- 140 Allg. Comm. III. Die Purpurfärberei. §.37 — 38. nerung, theils der Variirung halber gebraucht worden. Dafür ist im Allgemein en die angeführte Stelle des Mo- ses Maimonides eine Gewähr, wo es heisst: sanguinem in cortina pontmt cum pigmentis variisj cimolia^ puta, atque aliis hujus generis pro more infectorum. Im Besondern mögen hierher manche der Ingredienzen gehören, welche in der Stelle des Pseudo-Demokrit und des Anonymus (s. §. 39) specificirt werden. Ebenso auch das Nitrurn und die Bohne oder das Bohnenmehl, wovon Plin. XXXI. 10, 46 §. 2 fin. und Plut. de Orac defectu p. 433 (ed. Reisk. T. VII. p. 704) sprechen. Dass Mai- monides vornehmlich von der Conchylienfarbe spricht, geht einmal aus seinem Zeitalter hervor; denn da seit dem Ende des 4ten Jahrhunderts nach Chr., wie wir §. 70 ff. sehen werden, wesentlich nur noch die Fabrikation der Conchylienstoffe den Privatleuten frei stand, so kann auch nur ihre Kenntniss in den späteren Färbereien, und so- mit in den Angaben späterer Schriftsteller über diesen Industriezweig, sich erhalten haben, — andrerseits aber aus dem Zusammenhang; denn wenn er sagt: „Et postquam elixus est, lanam in eum immergunt, donec fiat caelo concolor", so scheint er das Conchylienblau, den color austerus in glauco des Plinius anzudeuten 1 ). — Auch erwähnt Vitruv der Anwendung des Honigs bei der Zubereitung des Purpurs als Malerfarbe, um bei den vielen salzigen Bestandteilen der Schnecken das Ein- trocknen des Purpursaftes zu verhindern (id autem [sc. ostrum] propter salsuginem cito fit siticulosum, nisi mel l ) Darum braucht aber nicht von Anfang an das thecheleth die Conchylienfarbe bezeichnet zu haben (s. ob. S. 134 Note). Vielmehr glaube ich, dass erst in den späteren Zeiten, als die eigent- lichen Purpurfarben verboten waren, jener Ausdruck von den Rabbinen in weiterm Sinne auf die Conchylienfarben übertragen ward, ganz so wie Griechen und Römer den Ausdruck noQffvQtt, purpura, unter den gleichen Umständen für das allein noch gestattete Conchylium gebrauchten. Erzeugung der Conchylienfarben. 141 habeat circumfusiim. 7, 13 [12]); und nach Plutarcli (Alex. 36) waren die von Alexander in Susa gefundenen, fast 200jährigen Gewänder von Hermionicischem Purpur (tioq- (fVQccg 'EQfjbiovixrjg) deshalb so schön und frisch erhalten, weil die Färbung des eigentlichen Purpurstoffes mit Ho- nig, und die des weissen den Besatz bildenden Zeuges mit weissem Oel vollzogen worden. AXxiov 6s tovtov, sagt er, cpaalp efvat, to ttjp ßcc(p7jp 6iä {islitog yipsö&ai tcov aXovqy MV, 6i slaiov 6s Xsvxov tcop Xsvxcop. §. 38. Das ist der wahre Sinn dieser Stelle, aus der man so allgemein und ohne allen Grund die Existenz einer weissen Purpurfarbe gefolgert hat. Die Purpur- gewänder., von denen Plutarch spricht, sind nämlich offen- bar die sogenannten no^yvocti [isöölsvxoij in der Mitte mit breiten weissen clavis oder Streifen versehen, wie sie an den orientalischen Höfen und namentlich eben am Persischen als Abzeichen der höchsten Würde in Ge- brauch waren (Xenoph. Cyrop. VIII. 3, 13: %itcopcc noq- (pvgovv iieöoXsvxov. aÄÄw 6'ovx egscfw fisöoÄsvxov sy^siv. Curtius a. v. 0.). Dass nun aber das Weisse an diesen Purpurgewändern nicht selbst Purpur war, ergiebt sich schlagend daraus dass fisöoÄsvxog und oXonoocpVQog einen Gegensatz bilden. So sagt Dio Cass. 36, 35 von Ti- granes dem Vater: %ix(üva top [isöoXsvxov xal top xdv6vv top oXonoQyvQOP s%s6v. So sagt ferner Sueton. de genere vestium bei Serv. ad. Aen. VII. v. 612: unum (seil, genus trabearum) diis sacratum, quod est tan tum de purpura; aliud regum, quod est purpureum, habet tarnen album aliquid. — Eine zweite Stelle, welche der Hypothese des weissen Purpurs Nahrung gab, be- findet sich bei Plinius XXXVII. 9, 40: Quintum ( sc il. amethysti genus) ad viciniam crystalli descendit, albi- cante purpurae defectu (oder dejeetu, was auf Eins her- auskommt). Auch dies aber beruht auf einem Missver- ständisse. Plinius geht davon aus, dass alle kostbaren Amethystgattungen einen violetten Purpurabfall haben 142 Allg. Comm. III. Die Purpur färb er ei. §.38 — 39. müssen; denn darum lieisst ja eben der violette oder Ianthinpurpur auch Amethystpurpur. Daher verurtheilt er die fünfte Gattung und schildert sie als die wertlo- seste, eben weil bei ihr der Purpurabfall nicht violett sei, sondern ins Weissliche spiele. Liegt nur im minde- sten hierin eine Berechtigung zu dem Rückschluss auf das Vorhandensein einer weissen Purpursorte, deren der genaue Plinius so vieler Gelegenheiten ungeachtet nir- gends gedenkt, und die man überdies zu neuem Wider- spruche als eine ganz besonders kostbare hinstellt? Frei- lich reden die Dichter nicht nur von Purpur licht, wie Ovid und Catull, sondern sogar von Purpurs chwänen, wie Horaz (Od. IV. 1 v. 10), und von schnee weissen Pur- purarmen, wie Albino vanus (Eleg. II. in obit. Maecen. v. 62: Bracchia purpurea candidiora nive 1 ); aber wie will man hieraus das Dasein einer weissen Purpurfarbe ab- leiten? Weiss doch Jedermann, dass pnrpureus, den Ei- genschaften des Purpurs gemäss, dichterisch und ver- gleichungsweise überhaupt das Strahlende, Glänzende, Glitzernde, Schillernde, Schöne bezeichnet, wie Servius ad Aen. I. 591 und Porphyrion ad Hör. Od. IV. 1 bezeugen, indem sie „purpureis ales oloribus" ausdrücklich durch ') Als einen Beleg für meine Behauptungen in der Note zu §. 52 will ich hier ein krasses Beispiel von dem frühern verderblichen Citatenwesen anführen. Scaliger ad. Varron. de L. L. hatte den obigen Vers des Albinov. (s. die Ausleger zu dieser Stelle) aus dem Gedächtniss also citirt: „Purpurea sub nive terra latet." Seitdem sind diese Worte von gar manchem Gelehrten , und so auch von Amati c. 10, als ein von jenem ganz verschiedener Vers des Albinov. citirt worden, — ein Zeichen dass keiner den Dichter selbst kannte oder nachschlug; sonst hätte er sich überzeugt, dass ein solcher Vers gar nicht existirt. Wohin würde es mit der Wahrheit im Grossen wie im Kleinen kom- men, wenn Jeder gleich mühescheu, den Aussagen Anderer nur blindlings folgen wollte? Die erste Bedingung, um sie zu fördern, ist — Niemanden oder doch, weil kein Ideal erreich- bar, nur möglichst Wenigen und Erprobten zu trauen. Erzeug mir/ der Conchylienfarben. 143 pulcris, nitidis., piiris erklären. Sehr richtig sagt daher Göthe (Gesch. der Farbenlehre, in d. Abschn. „Farben- benennungen der Griechen und Römer" S. 48 der neuest. Ausg.): „Bei aller Sättigung kann die Farbe dennoch von vielem Lichte strahlen und dasselbe zurückwer- fen; dann nennt man sie darum, Xa[mo6v , candidum, acutum, o%v, excitatum, laetum, hilare, vegetum, floridum, svccv&eg, ävd-fjQOp. Sämmtliche Benennungen geben die besondern Anschauungen durch andere symbolische vermittelnd wieder." Hätte übrigens wirklich eine weisse Purpurfarbe existirt, so würde sie nicht mit Amati c 12 zu den Purpurfarben im engern Sinne, sondern als eine helle zu den sogenannten Conchylienfarben zu zählen sein, weshalb wir sie eben hier betrachteten, — freilich nur um zu zeigen, dass ihre Existenz ein blosses Hirn- gespinnst ist. §. 39. lieber die Purpurbereitung sind uns noch 2 wichtige Stellen erhalten, die wir hier mittheilen müssen; sie stammen aus ungedruckten Manuscripten der Pariser Bibliothek (s. J. C. Bulenger: de Iinperatore et Imperio Rom. Üb. 6 c. 68 ed. Lugd. 1618 fol. p. 618 sq.; cf. Rosa p. 193, p. 195. Hard. ad Plin. IX. 39, 64). Beide sind unfehlbar jünger als das Purpurverbot vom Jahre 383, und lehren daher — was man bisher nicht erkannt oder nicht hervorgehoben — nur die Präparation der Conchylienfarben, d. h. die Zubereitung des Purpurs ohne Buccin, aber mit Fucus, Wasser, Urin u. s. w., in Uebereinstimmung mit den Andeutungen des Plinius 1 ). Der Eine Passus, angeblich aus den Physieis des Demokrit von Abdera (Buleng. p. 618), lautet also: Xkqav ') Bulenger, obgleich er von der Sache wenig oder nichts ver- steht, beschliesst doch die erste Stelle mit dem Urtheil: non arbitror legitimum hunc et priscum tingendae purpurae modum esse (p. 618). Die zweite führt er sonderbarerweise als ein Verfahren der Coccinfärberei ein, fügt aber das Bekenntniss hinzu: Non satis hanc condituram purpurae capio (p. (519). 144 Allg. Comm. III. Die Purpurfärberei. §. 39 — 40. fiiccv Xaßcav no qyvqag SioßoXov, slg ovqov snidsg im nvqag. Elg 6s Tqv xaTaöxsvijv Tijg Ttoqtpvqag tä slGsq%6[isva sltii Tavra' (pvxogj o xaXovtii, ipsvdoxoyyvXiov , xal xoxxog xal av&og daXaGGiov, ayyovüav Xadixivijv (?) '), xqr^ivog (?) sqv&qodavov, to *I%aXixbv (pvXdv&ioVj to övxtixov (?)„ oW- Xy% o TtOQcpvoiogj qodiov to ^IraXixov. ncama %a civ&rj nqoTS- TlfATjVZCU THXQCC T&V TiqOySVSO'TSqCüV 2 ). SÖTl Ös Tl^g TaXa- Tiag Gx 11 setzt die Anchusa = kax/tj oder ka/dg i. e. lacca. a ) An dieser Aeusserung erkennt man leicht das späte Zeitalter des Pseudo-Demokrit. 3 ) Ich nehme xbyxog nicht für xoxxog, sondern für xby%og, wie auch wahrscheinlich in dem Codex steht (vgl. d. betreffende Note zu §. 56). Der Name Pinna dürfte von der Farbe des mus Aegyp- tius entlehnt sein; im Sahidischen heisst IUI! f cJ>JjTl) mus\ daher auch bei Zach. 1, 8. 6, 3: &OT£n IXfym {xpaqoL) co- lores muris. Doch vielleicht ist auch an das Sahidische JTJfl<$.^ (äffU*.^ nlvu'g) d. i. Schale, rqvßUov, patina, paropsis, lanx, catinus, zu denken. 4 ) Hard. ad Plin. 1. c. leitet dagegen die offenbar aus diesem Passus entlehnten wenigen Worte also ein: Democriti nomine quae physica appellantur, in codicibus nostris MSS. Dann wären beide Stellen aus Einem Werke. Nur die Autopsie kann diesen Widerspruch heben. Erzeugung der combhiirten Purpur arten. 145 ad-ai vvyß-Tnisqov (Hard. vv%&ijnsQa) sv. sha Xaßcov ßqvwv Ö-aXaGGicov 1 ) Xfaqag (T, ßdXs iidcoQ, tööTS sXvav snavoa tcov ßqvcav TSTqaddxTvXov, xal e%s cog dv nayvv&^i, xal divXiöag tÖ divXiö[ia &£Q[iavoVj xal Gvvdsig t^v sqsdv xaTuyjee ' %av- voTsqa ös övvTsd-siGd-u) } coöts xal Xaßcov Xfaqag dvOj ßdXs sv tco Jcö^w vdcoq, wWf ysvsGd-ai, Tijv TTQMTTjV dvaXoyiqv , xal £%s coöccvTcog scog ccv nayvvdri. sha vXiöccg ßdXs ttjv sqsdv cog to nqcoTOV , xal 7TOl7J(fCCT(ü VV%d"rJllSQ0V SV. SlTCC XaßcOV ClTlOTlXvVOV slg OVQOVj xai %ijqavov iv dxiq. snsiTa Xaßcov Xax%av*) xal Xand&ov % ) Xhqag cT, sx&Gov ysza ovqov cog Xqd-fjvat, to Xdnadov^ xal vXidag to vöwq d-aXdöCioVj ßdXs Xax%äv xal s\pr\ scog na- XW&fj, xal divXidag ndXiv tov XaxyßVj ßdXs ttjv sqsdv. sha nXvvcov ovqcp, fisTa Tavva vdazij SnsiTa %7/qavdg o^oicog sv Gxi&j &v\xia ovv^l SaXaGGioig, svanoßsßqsy^jsvoig sv ovqco, Tjlisgag ovo. Die Erläuterung der Einzelheiten gehört nicht hier- her; es genügt, aus beiden Stellen die Bestätigung man- ches früher Gesagten und die Ueberzeugung von der Complicirtheit des Verfahrens gewonnen zu haben. C. Die aus den drei Hauptfarben d. i. der Tyrischen, der Amethyst- und der Conchylienfarbe eombinirten dunklen Purpurarien. §. 40. Es war natürlich, dass der Luxus die Er- findungsgabe der Purpurfärber steigerte; so kam man ') Cf. Arisl. H. Anim. VI. c. 13 §. 2, wo es Gaza richtig durch algae und muscosa congeries übersetzt. Die Carnotiana hat xhQva). 2 ) Nicol. Myreps. de Anlid. c. 123 (ed. Fuchs, lat. p. 48; ap. Steph. P. III. p. 387 sq.) nennt lacca tinctorum oder infectorum (Xäxxa Tfxiv ßurj.mv), die vielleicht der Achäischen gleich ist. 3 ) Lapathum rubrum Cretense, iQv&qoMcna&ov, Drachenblut, lacrima della pianta della dracone. Rosa p. 196. 10 146 Allg. Comm. III. Die Purpurfärberei. §. 40 — 42. dahin, die Zahl der Kunst färben um eine neue Gattung zu erweitern, die wir die combinirten dunklen Pur- pur arten nennen dürfen, einmal weil sie eben auf einer Combination der Hauptfarben beruhten, und weil sie, als in letzter Instanz durch die Tyrische Farbe bedingt, sämmtlich als Species derselben, also wie diese als dunkle oder Purpurfarben im engern Sinne sich darstellen. Sie sämmtlich dem Tyrischen Purpur und Eine davon zugleich auch dem Amethystpurpur unterzu- ordnen, giebt uns Plinius selbst die Gelegenheit; denn nachdem er jene beiden künstlichen Hauptpurpurfarben angeführt (XXI. 8, 22), sagt er: Genera tractamus, in species multas sese spargentium. §. 41. Von diesen Species sind uns nun bekannt: 1. Der Tyrianthin- oder Tyriamethystpurpur, der dadurch entstand, dass man den Wollstoff 1) in der lanthinmischung, und darauf 2) in der Tyrischen Weise färbte d. h. a) in unreifem Schwarzpurpur und b) in Buccin. Plinius in der Hauptstelle IX. 40, 65 sagt: „Sed alia e fine initia: juvatque ludere impendio, et lusus ge- minare miscendo, iterumque et ipsa adulterare adulteria Naturae . . . Non est satis, abstulisse gemmae nomen amethystum: rursum absolutum inebriatur Tyrio, ut sit ex utroque nomen improbum, simulque luxuria du- plex." Diese Sorte erwähnt z. B. Vopisc. in Carin. c. 19: pallio Tyrianthino; Mart. Ep. I. 54 : Urbica Lingoni- cus Tyrianthina. 2. Der Tyrische Conchylienpurpur, dadurch erzielt dass man die Wolle 1) in einer Conchylienmischung, und 2) wiederum Tyrisch färbte, also a) in unreifem Schwarzpurpur b) in Buccin. Plinius fährt an jener Stelle fort: „et quum confecere conchylia, transire me- lius in Tyrium putant"; er fügt die Vermuthung hinzu: ,,Poenitentia hoc primum debet invenisse, artifice mutante, quod damnabat: inde ratio nata, Votum quoque factum e vitio portentosis ingeniis, et gemina demonstrata via lu- Erzeugung der combinirten Purpurarten. 147 xuriae, ut color alius operiretur alio, suavior ita iieri leniorque dictus." Da mm die Conchylienmisehung wie wir sahen multis modis statt linden konnte, so musste auch der Tyrische Conchylienpurpur wieder in mehrere Arten zerfallen; da aber von jenen vielen Weisen, wo- fern wir uns an Plinius halten, nur 3 mit Sicherheit als gangbar verbürgt werden können, so müssen wir uns auch bei der Zergliederung des Tyrischen Conchylien- purpurs auf die dadurch bedingten 3 Arten beschränken. Diese wären: a) der Tyrische Heliotroppurpur, gefärbt 1) in Heliotropblau 2) Tyrisch. — b) der Tyrische Malven- purpur, gefärbt 1) in Malvenblau 2) Tyrisch. — c) der Tyrische Herbstviolenpurpur, gefärbt 1) in Herbst- violengelb 2) Tyrisch. — 3. Der Hysginpurpur, bei welchem die Combi- nation noch weiter ging, indem sie, wenigstens nach der Ueberzeugung des Alterthums (s. ob.§. 6), die Kräuterfär- berei hierbei mit der Purpurfärberei verband; die Wolle ward nämlich 1) in Coccum und 2) wieder Tyrisch d. h. a) in unreifem Schwarzpurpur b) in Buccin gefärbt. „Quin et terrena miscere, schliesst Plinius seine Beschreibung, coccoque tinctum Tyrio tingere, ut fieret hysginum." Demnach war der Hysginpurpur, unserm Ponceau oder Carmesin entsprechend 1 ), ein Doppelroth, insofern die Coccinfärbung an sich eine scharlachrothe, die Tyrische an sich eine blutrothe Farbe ergab. §. 42. Man sieht also, dass es sich bei diesen re- spective 3 oder 5 Farben durchaus nicht um eine Mi- schung der Färbestoffe, sondern um eine mehrfache Färbung handelt. Es ist nicht gut möglich, dass das Alterthum diese Sorten als dibaphae angesehen habe; l ) Göthe a. a. O. S. 49 setzt ihn dem Letztern gleich, dem Pon- ceau aber das puniceum oder yowixovv, welches wir oben §. 6 mit dem coccineum identificirten. 10 * 148 Allg. Comm. III Die Purpur färb er ei. §.42 — 43. denn der Tyrisclie Purpur Lestand schon selbst aus ei- ner doppelten Färbung, weshalb er ja auch ursprünglich xar i'gox'rjv dibapha genannt wurde (s. oben §. 31); und aus dem Zusatz bei Plin. IX. 39,63: „qualiter nunc omnes paene commodiores purpurae tinguntur" in Verbindung mit XXI. 8, 22 erhellt nur, dass zur Zeit des Plinius die Tyrische Doppelfärbung überall angewandt, und so das Tyrische Roth auch ausserhalb von Tyrus und Phöni- cien fabricirt wurde 1 ). Da nun bei jenen 3 combinirten Purpursorten , der Tyrischen Doppelfärbung in 2 ein- fachen Färbestoffen (unreifem Schwarzpurpur und Buccin) eine einfache Färbung entweder in einem gemischten Färbestoffe (lanthin-, Conchylienmischung) oder in einem einfachen (Coccum) vorauf ging: so beruhen dieselben in der That auf einer dreifachen Färbung. Auf sie geht daher wohl „das crines ter satiati" bei Cassiodor I. 2. Entvvickelungsstadien der Purpurfärberei. §. 43. Aus unserer Betrachtung des Purpurfarben- systems stellt sich zugleich mit Nothwendigkeit der ge- schichtliche Gang heraus, welchen die Purpurfärberei in der Ausbildung desselben nahm. 1. Zuerst ward offenbar, was auch durch die be- kannte Tradition von dem Hunde sanctionirt ist (Cas- siod. I. 2. Poll. On. I. c. 4 segm. 45 sq. Chron. Pasch, p. 43 C, ed. Bonn. p. 78 sq. Achill. Tat. de Leuc. et Clit. amor. IL 11 u. A.) 2 ), der rothfärbende Saft der kleineren Purpurschnecken entdeckt und angewandt; des- halb blieb die röth liehe Farbe, weil sie die ursprüng- 1 ) Dass jede Sorte überall gefärbt werden konnte und gefärbt ward , beweist auch Plut. Cat. maj. c. 8 med. : ol ßccytlg, sagt Cato, lavrrjv (sc. noQqvQav) fxuhara ßümovciv, Jj ^ai^ovxag oqmoiv. 2 ) Den Ursprung derselben leitet ßodiart p. 740 aus einer Paro- nomasie her, indem sprengen oder färben chelab und der Färber chilab hiess, der Hund aber cheleb. Entwickelunys Stadien der Purpurfärberei. 149 liehe und auch später noch vielfach massgebend war, durch alle Zeiten hindurch mit der Vorstellung der Pur- purfarbe wesentlich verknüpft. Es kann daher nicht wun- dern, dass wenn im Allgemeinen von der Farbe des Purpursaftes die Rede ist, als der Grundton derselben meist das Röthliche hervorgehoben wird (s. oben §.17 g. E. die Stellen aus Nonius, Gellius und dem Anonymus bei Muratori). Bald musste man aber auch mit dem schwarz- färbenden Saft der grösseren Purpurschnecken bekannt werden, und so bezeichnet die unmittelbare Anwendung der beiden natürlichen Purpurfarben das erste Stadium in der Entwickelung der Purpurfärberei. 2. Durch die Entdeckung des Scharlach rothen Saftes der Trompetenschnecke trat in der Buccinfarbe ein neuer natürlicher Färbestoff hinzu. Allein die Er- fahrung, dass das Buccin an sich allzuleicht wieder aus- ging, musste die ersten künstlichen Combinationsver- suche mit den einfachen oder natürlichen Färbestoffen, durch Doppelfärberei und durch Mischung, veranlassen. So entstanden der Tyrische und der lanthinpurpur , die beiden Hauptpurpurfarben, deren Erfindung das zweite Stadium charakterisirt. 3. Die Idee der Verdünnung der natürlichen Fär- bestoffe und ihrer Vermischung mit fremdartigen Sub- stanzen war offenbar eine künstlichere, und somit die Er- zeugung der dritten Hauptart, der Conchylienfarbe sammt ihren verschiedenen Species, ein weiterer Fortschritt; ihre Anwendung bezeichnet das dritte Stadium. 4. Endlich gelangte man dahin, wie im zweiten Sta- dium die natürlichen oder einfachen, so nunmehr auch die künstlichen und zusammengesetzten Farben selbst wieder untereinander zu combiniren. So entstanden der Tyrianthin- und die verschiedenen Sorten des Tyrischeu Conchylienpurpurs; neben ihnen aber als Gipfel der Com- bination, als Vereinigung der Land- und Seefarben., der Kräuter- und Purpurfärberei, — der Hysginpurpur. Mit 150 Allg. Comm. HI. Die Purpurfärberei. §.43 — 46. der Erfindung dieser 5 Tyrischen Species beginnt der höchste Aufschwung der Kunst und das vierte Stadium der Purpurfärberei überhaupt. §. 44. So sieht man, wie alhnählig die Bedeutung der Purpurfarbe sich mehr und mehr ausdehnte, und ur- sprünglich nur eine einzige Farbe bezeichnend, in Folge weiterer Entdeckungen und Erfindungen, zuletzt unter ihrer Firma eine so grosse Mannigfaltigkeit von mehr künstlich abgeleiteten als natürlich gewonnenen Farben vereinigte, dass wir die Summe derselben kaum annähernd zu schätzen, viel weniger apodiktisch zu bestimmen im Stande sind. Aber der Grundton des Röthlichen im Sinne des Alterthums blieb allen diesen Farben gemein, indem er nur — nach der einen Seite hin, sich verdich- tend und verdunkelnd, bis in's Schwärzliche hin- aufstreifte, — nach der andern, sich verdünnend und aufklärend, bis zum Weisslichen oder Hellen herab (nicht aber bis zum wirklich Weissen) sich abstufen mochte. Und diese Stufenleiter entspricht in der That wesentlich der weiten und umfassenden Bedeutung von rubor, wie sie die spätere Zeit aufstellt. Gellius a. d. §. 17 a. 0. fährt also fort: „has singulas ruh* varietates Latina ora- tio . . . significat una ruboris appellatione . . . Fulvus enim et flavus, et rubidus, et phoeniceus, et rutilus, et luteus, et spadix, appellationes sunt rufi coloris, aut acuentes eum quasi incendentes, aut cum colore viridi miscentes, aut nigro infuscantes, aut virenti sensim albo illumi- nantes *). §. 45. Machte diese Mannigfaltigkeit der Abstufun- fungen die Unterscheidung der Purpurfarben von den Land- oder Kräuterfarben an sich schon schwierig: so l ) Man vgl. über lovd-qov oder rufum als das Geschlechtswort aller rothen Farbe Göthe a.a.O. S. 49. „Die Alten, sagt er S.46, lassen alle Farbe aus Weiss und Schwarz, aus Licht uud Finsterniss entstehen. Sie sagen, alle Farben fallen zwischen Weiss und Schwarz und seien aus diesen gemischt." Zu färbende Stoffe und Art der Färbung. 151 ward diese Schwierigkeit vornehmlich noch dadurch er- höht, dass die billigere Kräuterfärberei sich bemühte, die verschiedenen Purpurfarben durch vegetabilische Sub- stanzen nachzuahmen, und dass man auch diese Nach- ahmungen öfters, freilich nicht technisch, sondern nur abusive, als Purpur bezeichnete. Ausser den schon an- geführten Stellen des Plinius, beziehen sich auf die- selben wohl auch Horat. Epist. I. 10: „Non qui Sido- nio .... vero distinguere falsum" — und Clem. Alex. Paed. II. 10 p. 204 D: Tag doleoaq ßct(pccg. — Hieraus erklären sich nun, als Unterscheidungen des ächten Pur- purs von jenem unächten, die Bezeichnungen: TTogcpvoa ■d-akarria, alinoqtfVQog und zum Theil aÄovoyög; ebenso auch die Ausdrücke: pelagia fürpurpura als Schnecke, und pelagium so wie ostrum 1 ) für purpura als deren Saft. Dem Ausdruck pelagia scheint, unbeschadet seiner nachmaligen Anwendung und Bedeutung, ein phönici- sches Wort zu Grunde gelegen zu haben; ob ein Zu- sammenhang mit dem ägyptischen Worte &e^Z. 9 Se?\2S.e 9 welches im Koptischen für testa, testaceus vorkommt, statt gefunden, will ich nur als Frage anregen, nicht ent- scheiden; doch sind, zumal da zwischen ^ und £ in der Aussprache sicher noch ein Vocal lag, die Uebergänge belg, pelg 3 pelag, völlig ungezwungen. V. Die zu färbenden Stoffe und die Art der Färbung. §. 46. Das vornehmste der bei der Purpurfärberei angewandten rohen Producte war, wie aus den ange- führten Stellen schon zur Genüge erhellt, die Wolle; daneben aber auch zweitens die Seide, namentlich seit Justinian deren Zucht in Europa einführte (Beweis ist z.B. L. 1 C. J. quae res venire 4, 40: fucandae atque x ) Vitruv. 7, 13[12J: Quod ex concharum marinaruiu testis eximi tur, ideo ostrum est vocitatum. cf. Isidor. Etym. XIX. 28. 152 Allg. Comm, III. Die Purpurfärberei. §. 46 — 47. distrahendae purpurae vel in serieo, vel in lana). Die Anwendung der Leinwand kommt nur als nicht beifällig aufgenommener Versuch vor; ausdrücklich sagt Plin. XIX. 1, 5 sq.: Tentatum est tingi linum quoque . . . Velo purp u reo ad Actium cum M. Antonio Cleopatra ve- nit . . . Caetero mansit candori pertinax gratia. Der Byssus, als die feinste Gattung des Linnenzeuges, ward daher auch wohl nur ausnahmsweise in Purpur gefärbt; ein Beispiel giebt Ven. Fortun. Poem. VII. 3 v. 275: Veste superposita bis cocto purpura bysso. Das eigentliche Bombycinum, eine Art Seide, aus Würmern gewon- nen, in Arabien, Syrien und Cos, wurde seit der Ein- führung der ächten Seidenzucht ungebräuchlich, und der Ausdruck bezeichnete seitdem, was wir heut zu Tage Baumwolle nennen; dass diese Letztere bei der Pur- purfärberei gebraucht worden, dafür giebt es, so viel ich weiss, kein positives Zeugniss; käme der Byssus wirk- lich, wie Einige behaupten, mit dem Bombycinum im spä- tem Sinne, und mit dem Gossypion überein: so wäre daraus doch höchstens nur auf einen ausnahmsweisen Ge- brauch zurückzuschliessen; mehr als dies darf auch aus der Stelle bei Diod. 2, 59: iad^ag dt avrovg xataöxsvd- £siv ex rivcov y.aXd[Acov sxovtcov ev tm [asüm ivovv Xa^Tiqov xal fjLCihaxov' ov Gvvccyovrag xal totg ü-alaxTioig oöTQeoig Cvyxexonpbivoig [iiöyoptag, dav^döra xaraaxsvct&iv Ifidna TtoQifVQä nicht gefolgert werden; denn es handelt sich hier nur um die Bewohner einer fabelhaften Locali- tät, einer glückseligen Insel im Südocean (man denkt dabei an Taprobane oder Ceylon), und der Bericht rührt aus der Feder des genugsam als fabelnd berüchtigten Jambulos her; zwar konnte derselbe eine solche Angabe schwerlich erdenken ohne dass die Purpurbaumwollen- förberei wenigstens eine Möglichkeit war; als Thatsache kann diese aber auch hiernach höchstens nur eine aus- nahmsweise oder seltene gewesen sein, da ja die Pointe der ganzen Erzählung über jenes Utopien grade das Aus- Zu färbende Stoffe und Art der Färbung. 153 sergewöhnliche sein soll. — Die materie tingibili behan- delt übrigens Rosa sehr ausführlich p. 31 — 122, kürzer Amati c. 31. §. 47. Die zu färbenden Stoffe wurden nicht im Garne oder gar im Gewebe, sondern roh gefärbt, wie aus dem dabei beobachteten Verfahren selbst genugsam erhellt. Erst aus der Färberei gingen sie also in die Spinnerei über, und von dort in die Weberei. Daher ist auch häufig vom Spinnen der Pur pur wolle die Rede, z. B. bei Hom. Od. VI. 306: faccxara GTococpwa* äXi7TOQ(pVQcc', Prop. IV. El. 3 v. 34 : Et Tyria in radios vellera ducta suos. Die Wolle wurde vor der Färbung sorgfältig zu- bereitet, in Kalk eingeweicht, dann so lange gewaschen bis sie blendend rein war, und hierauf in Seifenlauge und ähnlichen Substanzen gesotten, um das Einsaugen der Farbe zu befördern. Dies bezeugt Moses Maimonides (bei Bochart. Hier. P. IL p. 727) mit Bezug auf die Ju- den: „lanam sumunt, quam in calce maceratam, et su- binde lotam, donec sit nitida, in sapone elixant, atque aliis hujusmodi, quomodo infectores solent, ut lana colo- rem imbibat" ; zu den aliis hujusmodi mag nun auch wohl die Wurzel der Anchusa gehören (s. ob. §. 34). Daher sagt auch Seneca, es komme viel darauf an, wie lange die Wolle eingeweicht oder gebeizt worden (Quaest. Nat. I. 3 fin.) ; und daher spricht auch Plinius in Bezug auf die Probefärbung ausdrücklich von ausgefetteter Wolle (vellus elutriatum). Die dergestalt gehörig prä- parirte Wolle wurde nun sobald der Färbestoff gar war und bei der Probe das gewünschte Resultat ergab, in den Farbenkessel eingetaucht (Moses Maimon. 1. c. : Et postquam elixus est [seil, sanguis] lanam in eum immer- gunt. cl. Plin. IX. 38, 72: donec spei satis fiat, uritur liquor). Die Wolle saugte 5 Stunden lang, wurde dann herausgenommen und gekätnmt, und wieder eingetränkt, bis sie den Färbestoff völlig eingeschlürft (Plin. 1. c.: Quinis lana potat horis., rursusque mergitur carminata, 154 Allg. Comm. Hl. Die Purpurfärberei. §.47 — 48. donec omnem ebibat saniem). Man sieht also wie vie- lerlei zu beobachten war, und wie verschieden das Re- sultat ausfallen konnte, je nachdem man mehr oder min- der Sorgfalt auf die Zubereitung der Wolle und des Fär- bestoffes wandte, je nachdem jene mehr oder minder gebeizt, dieser — wenigstens bei der Conchylienfarbe — dicker und saftiger oder dünner und wässriger war, je nachdem man endlich die Wolle wiederholt oder nur ein- mal eingetränkt und eingekocht hatte. Daher sagt Se- neca 1. c. „Sic enim et purpura (d. i. Zeug, Wolle) eodem conchylio non in unum modum exit. Interest, quam diu macerata sit, crassius medicamentum , an aquatius traxerit, saepius mersa sit et excocta, an semel tincta." Die Worte des Theoderich bei Cassiod. I. 2: „crines illi lactei carneo poculo bis terque satiati" scheinen mir nicht sowohl auf die wiederholte Eintränkung in den- selben Färbestoff, als vielmehr, wie schon bemerkt, auf die doppelte und dreifache Färberei mit verschie- denen Färbestoffen zu deuten (vgl. §. 42 a. E.). VI. Von der Qualität des Purpursaftes. §. 48. Wie sehr auch der Erfolg der Purpurfärbe- rei von der Kunstfertigkeit der Färbenden abhing: so wurde derselbe d. h. die Qualität der Purpurzeuge doch wesentlich auch durch die verschiedenen natürlichen Ei- genschaften des Saftes der Purpurschnecken bedingt. Diese Verschiedenheit richtete sich 1) nach der Zeit des Fanges. In den Hundsta- gen sind die Purpurschnecken verborgen; im Frühling legen sie Waben; dann ist ihr Saft am schlechtesten; am besten daher nach den Hundstagen und vor dem Frühling (Plin. H. N. IX. 37, 61. Arist. H. Anim. V. 13, 1. 4). 2) nach den verschiedenen Gegenden. So sagt Plinius IX. 36, 60 (freilich auch sicher mit Rücksicht Von der Qualität des Pitrpursaftes. 155 auf den Grad der Kunst): der vorzüglichste Purpur sei in Asien der Tyrische (d.i. der Sarranische, der Sido- nische nud Phönicische überhaupt) 1 ), in Afrika der der Insel Meninx (d. i. Gerbi) und der Gätulischen Küste, a ) in Europa der Lakonische (oder Amykläische). 3 ) Dass übrigens alle Meerestheile und Küsten Purpur erzeug- ten, kann nicht bezweifelt werden; so ist unter anderen auch vom murex Phocaicus (Ovid. Met. 6, 9), Bajanus (Hör. Sat. 2, 4, 32) u. s. w. die Rede. 3) nach der Art des Aufenthaltes, der Le- bensweise und Nahrung. So sagt wiederum Pli- nius IX. 37, 61: Earum (seil, purpurarum) genera, pa- bulo et solo discreta. (1) Lutense putri limo, et (2) algense enutritum alga, vilissimum utrumque (da- hin gehören die heutigen Venetianischen Schnecken, vgl. Amat. not. 44 ad Capell.): melius (3) taeniense, in tae- niis maris collectum: hoc quoque tarnen etiamnum le- vitis atque dilutius: (4) calculense appellatur a cal- culo maris 4 ), mire aptum conehyliis: et (5) longe Optimum purpuris dialutense (dislocense nach Sal- mas. Exerc. Plin. p. 1133), id est vario soli genere pa- 1 ) Daher: murex Tyrius Virg. Aen. IV. v. 262. Tib. 2, 4, 28; m. Sarranus Sil. Ital. 15,205; m. Sidonius Tib. 3, 3, 18. vgl. ob. §. 31 und Forcellini s. hh. vv. 2 ) Daher: murex Afer Hör. Ep. 2, 16, 36; m. Gaetulus Hör. Ep. 2, 2, 181. cf. Plin. V. 1 : exquirantur omnes scopuli Gaetuli mu- rieibus ac purpuris. Mela 111. c. ult. : Nigritarum Gaetulorum- que passim vagantium ne litora quidem infeeunda sunt, purpura et murice efficacissimis ad tingendum. Pollio in Claud. 14. Notit. dign. utriusq. Imper. in partib. Occid. p. 49 sq. ed. Bock. 3 ) Paus. III. 21, 6: y.b%Xovg de ig ßaqrjv noQipvqag naqe^exav rä imS-cckdcßia rrjg Aaz Cabda, worin man leicht das ttJOÜJI und das (?OJI wiedererkennt. Im Hebräischen hiess der Palm Topah, Topach, To- l ) Wenn dergestalt der Name der Spithame sowohl im Aegypt. wie im Hebr., Chald. und Syrischen den Fuss bezeichnet, so erhält nunmehr die so vielfach ventilirte Behauptung, der Ausdruck Fuss bei Plin. 36, 17 in Betreff der Pyramidenmessung müsse die Hälfte der ägypt. Elle bedeuten fs. Böckh S. 241), eine merkwürdige Stütze. Hinblick auf die ägypt. Längenmasse. 217 phach (nSJIO), im Chaldäisclien und Syrischen 7]t#£3, möccx, fschak und XlDüJflS, im Arabischeu Fetr, wäh- rend der pugnus Cabda heisst (Bern. p. 193; Jörn. I.e.). 4) der Finger, SdxrvXog, im Koptischen TeS^ TH& 5 TH&e ? THHäe^ *>H& — erscheint in den Hieroglyphen bildlich (Champ. gr. p. 48. 50. 93); dass hierdurch der vierte Theil des Schop bezeichnet werde, erhellt unmittelbar daraus, dass T8&1 in der Bedeutung xodgaw^g, quadrans vorkommt. Im Hebräischen heisst der Finger Esba oder Etsba (JOätt)> im Arabischen Esba, im Aethiopischen Tsaba, im Syrischen Tseba und als Mass Qoutabt (Jom. 1. c). Dass der Daktylos das kleinste Mass, die ursprüngliche Einheit* die Basis und der Ausgangspunkt der Metrologie sei, sagen Heron bei Jomard, Epipha- nios bei Le Moyne (Varia Sacra Tom. I. Lugd. Batav. 1685) p. 499, Didymos c. 17 bei Ang. Mai (Iliadis fragm et pictur.) p. 155, MS. Trin., Julianus und MS. Vatic. bei Bernard. p. 191. — Diese 4 Längenmasse nun waren in 2 verschiedene Systeme vereinigt, weil es eine Elle von 28 und eine andere von 24 Fingern gab. Wenn man die Berechnung der Erstem zu 232. 55 Par. Linien, und die der Letztern zu 204.99 billigt (s. Böckh S. 227. 231) l ): so lassen sich folgende Schemata aufstellen: 1. Für das System der grossen Elle: Mähe == 232. 55 Par. Linien. 1 Eret = 155.03 „ „ 1%. 1 (Erto =116.27 „ „ 2. 1%. 1) Schop = 33.22 „ „ 7. 4%. 3 1 /,.! Teb = 8.30 „ 28. 18 2 / 3 .14. 4. ') Ihr folgt auch Jacobs in seiner Abh. de mensuris Herodoli (Pro gramoi des Joachimsthalschen Gymnasiums. Berlin 1841), welche sich fast ausschliesslich mit der Anwendung dieser beiden ägyp tischen Ellen beschäftigt. 218 Allg. Comm. IV. Die ägypt. Körpermasse. §. 4 — 7. i 2. Für das System der kleinen Elle: Mähe = 204. 99 Par. Linien. 1 Eret t^ 136.66 -„ „ Ufa 1 (Erto = 102.49 „ „ 2. 1 '/,. 1) Sehop — 34. 16 „ „ 6. 4. 3. 1 Teb rn 8.54 „ „ 24. 16. 12. 4. §. 5. Zur Erleichterung der Uebersicht bei den fol- genden Untersuchungen erscheint es ferner zweckgemäss, die Systeme der hebräischen^ griechischen und römischen Körpermasse hier tabellarisch vorzuführen, da ich später- hin mehrfach in den Fall kommen werde, zwischen ihnen und denen der Aegypter Yergleichungen anzustellen. Die hebräischen Körpermasse (vgl. Böckh S. 259 ff.). Kor oder Chomer ==? 45 Modien. 1 Bath c »der Epha = 4V 2 J5 10. 1 Saton oder Seah == i l / 2 5? 30. 3. 1 Hin = 12 Sextar . 60. 6. 2. 1 Gomer , Gomor = n ?? 100. 10. 3V 2 , ■ 1% .1 Kab = 4 ?? 180. 18. 6. 3. 1%i 1 Log = 1 V 720. 72. 24. 12. 7%. 4. Die griechischen Körpermasse (Böckh S. 200). 1. des Trocknen. Medi^vog €XT8Vg 1 6. 1 TJfJblSXTOV Xotvi% %sOT?]g xoTvXrj xvad-og 12. 2. 1 48. S. 4. 1 96. 16. 8. 2. 192. 32. 16. 4. 1152. 192. 96. 24. 1 2. 12. 1 6 2. des Flüssigen. MsTQrjTijg (% fisd.). 1 %ovg (3 ypivixeg) 12. 1 leavijg 72. 6. xoTvlu 144. 12. 1 2. 1 Masse des Trocknen: älteres System. 219 tstccqtov 288. 24. 4. 2. 1 o&ßacpov 576. 48. 8. 4. 2. i xifatfog 864. 72. 12. 6. 3. l 1 /,. Die römischen Körpermasse (ebendaselbst S. 200 f.). 1. des Trocknen. Modius (V 3 Sextarius Amph.) 1 16. 1 Hemina 32. 2. 1 Quartarius Acetabulum ] 64. 128. 4. 2. 1 8. 4. 2. 1. Cyatlius 2. Amphora Congius Sextarius 192. des Flüssigen. 1 8. 1 48. 6. 1 12. 6. 3. »% Hemina 96. 12. 2. 1 Quartarius 192. 24. 4. 2. 1 Acetabulum 384. 48. 8. 4. 2. 1 Cyathus 576. 72. 12. 6. 3. l\. Wir wenden uns nun zu den ägyptischen Kör- permassen, und handeln zunächst I. Von den Massen des Trocknen. §. 6. Wie bei den ägyptischen Längenmassen, so sind auch bei den Körpermassen zwei Systeme zu un- terscheiden: A) das der grössern oder der sogenannten altern Artabe; B) das der kleinern oder der sogenannten Jüngern. Die Untersuchung hat noth wendig von dem erstem als dem angeblich ursprünglichen auszugehn. A. Das ältere System. §. 7. Wie wir 4 Hauptlängenmasse kennen lernten, so finden wir auch 4 Masse des Trocknen, die sich also 220 Allg. Comm.1V. Die ägypt. Körpermas sc §. 7 — 10. gliedern: doTccßrj, Iviov, xovgrq, oixpL Betrachten wir die- selben einzeln. 1. Die Artabe. §. 8. Die Artabe, welche noch heut unter dem Na- men Ardeb als ägyptischer Scheffel existirt, kannten wir ihrem Inhalt nach bisher schon genügend. Die grös- sere oder ältere betrug 4 1 /, Rom. Modien oder 72 Sex- tarien (Didym. c. 21 bei Mai p. 156: rjv yäq r\ agTaßrj [seil, nalcua] [lodicov öS". Epiphan. bei Le Moyne p. 482. Isidor. Etym. lib. XYI c 26 §. 16), während die kleinere,, angeblich seit der Römerzeit gebräuchliche, nur 3V 3 Modien oder 53 V 3 Sextarien hielt (Didym. 1. c. vvv ds diä T7jp c PooficÜ7i?jv xgqtiiv y aQzaßrj y^r^iaTi^sv y'y". Rhemn. Fannius de mens. v. 88 sq. Hieronym. in Daniel, c. XL 5 und in Esaiam c. V. 10 bei Wesseling. ad Diod. XX. 96. Tom. IL p. 475, 56. P. Comestor. bei Bern, p. 66). Die grosse Artabe wurde zuweilen rund, also natürlich minder genau, auf 5 Modien d. i. 80 Sextarien abgeschätzt (die Galenischen Metrologen in Galeni Opp. ed. Kühn. T. XIX. p. 755 c. 5, und Andere bei Bern. p. 66 sq.). Der obigen- genauem Angabe gemäss war sie vollkommen einem Attischen Metretes gleich (Galen. Me- trol. c. 7 p. 762; Kleopatra ib. c. 10 p. 770; Epiph. bei Le Moyne p. 482; Nicand. Schol. bei Eisenschmid de pond. et mens. ed. alt. Argent. 1737 p. 80), so wie ei- nem hebräischen Bath oder Epha (Joseph. Arch. VIII. 2, 9. Epiph. bei Le Moyne p. 483, mittelbar durch Bestim- mung des Gomor), während die kleinere genau einem grie- chischen oder olympischen Kubikfuss gleich kommt (Böckh a. a. O. S. 242 f. 282). §. 9. Es fragt sich, was Artabe sprachlich be- deutet. Durch das Koptische wird die Erklärung des Wortes vollkommen vermittelt. Im Memphitischen Dia- lekt hiess die Artabe: epTOn(nj), epTOß und epT'JüS, im Baschmurischen, welcher bekanntlich p in }\ und n Masse des Trocknen: alt. Syst. 1) Avtabe. 221 oder S in q verwandelt, e?\T^.Cf. In dem ersten Be- standteile epT erkennt man nun leicht die Bedeutung „Fuss^ ; denn der Fuss heisst im Thebanischen und Mem- phitischen Dialekt p&T (vgl. oben §. 4), im Baschmuri- schen ?\GT 9 und daneben existiren mit dem Artikel OT verbunden die erweiterten Formen OTGpHTe, OTepH'f, d. i. nach Ablösung des Artikels epHT8 9 und contra- hirt epT. Der zweite Bestandtheil ist offenbar OJT 5 tt3JT d. h. ratio, computus und computare, connumerare, conjungere. Mithin wäre epTOIT so viel wie pes com- putatus, connumeratus oder conjunctns d. i. cubicus, also ein „Kubikfuss" oder „Fusskubus." Die Artabe stellt sonach unbedenklich einen ägyptischen Kubikfuss dar; und dies Ergebniss ist der Mittelpunkt, von dem aus das System nicht nur der Körper-, sondern auch der Längenmasse wesentlich sein Licht erhält. §. 10. Wenn die grössere Artabe die ältere war, wofür die Uebereinstimmung mit dem hebräischen Bath spricht, da doch nicht sowohl das Aegyptische aus dem Hebräischen, als umgekehrt dieses aus jenem erklärt werden darf: so muss auch der ursprüngliche Kubikfuss und der ursprüngliche Längenfuss der grössere gewesen sein. Aus dem kubischen Inhalt der grössern und der kleinern Artabe (s. unt. §. 38 ff.) lässt es sich nun erwei- sen, dass die Letztere genau dem 16 zölligen Fuss der kleinern Elle entsprach, eben deshalb aber die Erstere auf keinen Fall dem 18% zölligen der bekannten gros- sen Elle entsprechen konnte, da die beiden Ellen in ei- ner andern Proportion zu einander stehen wie die beiden Artaben. Der Fuss der kleinen Elle verhält sich nämlich zu dem der grossen wie 6 : 7 oder genauer wie 136. 66 zu 155.03; die kleinere Artabe dagegen verhält sich zu der grössern wie 20 : 27 oder wie der Kubus von 136. 66 zu dem Kubus von 151 .03. Daraus folgt in Betracht der Be- deutung des Namens Ertop mit Nothwendigkeit, dass es, 222 Ally. Comm. IV. Die ägypt. Körpermasse. §. 10—11. wofern wirklich die grössere Artabe die ältere war, noch eine dritte von jenen Leiden verschiedene Elle ge- geben haben müsse, deren Fuss sich zu dem der klei- nen Elle wie 151.03 zu 136.66 verhielt. Diese be- sondere Elle wäre dann also die wahrhaft ursprüngliche gewesen; und zwar müsste man sie sich als eine grös- sere 24 zöllige denken, an deren Stelle erst später bei Einführung der kleinern 24 zölligen, • die grosse 28 zöllige trat; dergestalt lag dann der grossen oder altern Artabe ein Fuss von 16 und nicht etwa von 18% Zoll zu Grunde (s. unt. §. 38 ff.). Dies stimmt auch mit der Wahrnehmung, dass die heilige Grundzahl der Aegyp- ter die 4 ist, — eine Wahrnehmung, zu der man bei unbefangener Forschung nothwendig gelangen muss, und die ich in späteren Arbeiten vielfach belegen werde. Isis selbst, das empfangende Princip der Dinge, wird aus- drücklich als die Vi erzähl dargestellt; in dem recht- winkligen Dreieck, welches das Universum versinnlicht, ist sie mit der viertheiligen Basis identisch (Plut. de Is. et Osir. p. 472 ed. Reisk. T. VII). Wie nun diese hei- lige Grundzahl in so vielen tieferen Anschauungen der Aegypter, in dem ursprünglichen Sj r stem der 8 Götter (Herod. II. 145), in den 8 himmlischen Regionen (je 4 in Ost und West), in der von Passalacqua erklärten Him- melsleiter (s. L'Institut, journ. gen. des societ. et travaux scientif. de la France et de l'Etranger II e Sect. Mai 1840 No. 53 p. 39 sqq.), in den 8 Quellflüssen des heiligen Nil (je 4 in Ost und West; s. Geogr. Gr. Min. T. IV. *Ano- !J?J scamnum dis- cubitorium heisst, so folgt daraus noch keineswegs, dass ITOJ ebenso oder sedes heissen müsse, und für jenes cbW5J giebt es überdies keine andere Autorität als Kircher (p. 155. 260), welche doch anerkannterweise nicht die beste ist. 3) lässt sich nOJ in der Bedeutung von ne 9 d. i. Körper- oder Getreidemass überhaupt, hinlänglich darthun. So kommt im Tiieban. Dialekt (IL Heg. VI. 25 in Cod. Paris. 44 fol. 111) ttline als Getreidemass vor 2 ); statt dessen erscheint aber auch UJJ ITOJ bei Zoega (Catalog. codic. Copt.) p. 650, in der gräcisirten Verbin- dung nuTCTHpion umyj ännoj eTCHg g,n tj- g,0p<*,CIC nO^TJUULCTOfl 3 ). Hier ist augenscheinlich von dem wunderbaren Mysterium des Masses (&Jj) d.h. des Massgehaltes der Körperraasse (noj) die Rede, des- sen symbolische Beziehungen wir ja eben aufzudecken l ) Mingarelli p. 270 n. 3 gesteht das Wort ITOJ nicht zu kennen, und sagt auch nur: videtur quoddam sedis genus denominare; seine Uebersetzung ist also eingestandenerweise rein hypothe- tisch; dennoch folgt Peyron derselben unbedingt. a ) WJJ 5 männlichen Geschlechts, ist der allgemeine Ausdruck für jedwedes Mass, wenigstens des Trocknen; daher &)€} tyj „messen" heisst und in den Hieroglyphen durch einen seinen trocknen, körnigen Inhalt ausleerenden Scheffel determinirt wird. s. Champ. gr. eg. p. 373. 3 ) Es gehört diese Stelle dem MS. Borg. 312 an, welches ein Ge- dicht aus dem Anfang des 6ten Jahrh. enthalt. Zoega p. 642: Tetraslicha argumenti spiritualis, a monacho ut videtur Panopo- litano Christianae aerae saeculo sexto ineunte composita. Masse des Trocknen: alt. Syst. 3) Kiuphe. 231 im Begriff sind 1 ). Freilich will Peyron auch hier ,,men- surasedis" übersetzen; doch eine frostigere Interpretation kann es in der That nicht geben. Während die An- spielung auf das Mysterium der Organisation der Kör- permasse mit den Resultaten unserer Untersuchung in überraschender Weise zusammentrifft, stellt sich dieser Uebereinstimmung gegenüber der Zusammenhang „My- sterium des Sitzmasses" als völlig sinnlos dar. Pey- ron, scheint es, war sich auch wohl bewusst,, dass der Zusammenhang seiner Auslegung widerstreitet, und hat deshalb für den ersten Anlauf den Einwänden dadurch vorgebeugt, dass er nicht die ganze Stelle, sondern behut- sam nur die beiden Wörter ncyj JLIJTTTOJ anführt. Ferner kann man behaupten, die Zusammenstellung KO¥J!MTOf 9 die wir hier zum Gegenstande haben, sei eben selbst ein Beleg für diese Bedeutung von JTOJ; und hierzu kommt endlich, dass bei den griechischen Metrologen die En- dungen der ägyptischen Körpermass- Benennungen olcpsi und v, — ein so wesentlicher Umstand, dass- die Ausleger 1 ) ') Ebenso Hodius und Te Water s. Jablonsk. Opnso. f. I u. 182 not. w. 234 Allg. Comm. IV. Die ägypt. Körpermasse. §. 23 — 26. anrathen, otcpi zu lesen, was reine Willkür wäre. Der Ausdruck des Hesychios passt also in der That so wenig wie dessen Erläuterung auf das Oiphi; erken- nen wir dagegen, was ebenso notliwendig als natürlich ist, in dem Ausdruck oicp-iv vielmehr eine Verstüm- melung für OT&-Jn oder OTHS-Jfl 1 ), gleichviel ob die- selbe dem Hesychios allein oder den Griechen überhaupt zuzuschreiben sei: so zeigt sich auch in der Erläute- rung desselben die überraschendste Uebereinstimmnng mit den bisherigen Resultaten. Denn wenn nach der oben anticipirten Berechnung l Chönix (== l Oiphi) 2 1 / i Sex- tarien beträgt, so sind 4 Cliöniken (== 4 Oiphi) = 9 Sex- tarien; das oicp-iv des Hesychios ist also in der That dem Inhalt wie dem Namen nach mit dem äytov Xv des Epi- phanios identisch, und verbürgt demnach (da es sei- nerseits ausdrücklich als Aiyvnxiov bezeichnet wird) die Bezüglichkeit des Letztern auf das ägyptische Masssy- stem, so wie auch die Abschätzung der xovcpfj auf */ s Ertop. §. 24. Dem Lexikographen Hesychios ist keine tiefe Kenntniss der Metrologie zuzumuthen; kein Wunder also, wenn wir bei ihm Irrthümern begegnen. Das xorniv, wel- ches die Ausleger bei mangelnder Sprachkenntniss mit Rücksicht auf die oben angeführte Stelle für zo oTcpiv erklärten und ebenfalls auf das Oiphi bezogen, definirt derselbe (h. v.) als psiqov dsxctyoivixov, was in der That ebenso wenig auf das heilige In als auf das Oiphi passt; und doch ist x(amv augenfällig nichts Anderes als TOTS- jf[ und allerdings mit jenem oicp-iv d. i. OTH^-JH iden- tisch. Dass also in jener Definition ein Irrthum ob- walte, ist eine nothwendige Annahme; auch liegt der An- lass ziemlich offen da. Ohne Zweifel ist nämlich dexa- Xoivixov mit dexa^söziov oder dexa %sGzwv verwech- ') Ich erinnere wieder daran, dass häufig dss H wie ausgespro- chen, und das S in n und 7 verwandelt ward. Masse des Trocknen: alt, Syst. 3) Kuphe. 235 seit; der Ansatz auf zehn Sextarien aber findet seine Erklärung in der früher erwähnten runden Bestimmung der grossen Artabe zu 5 Modien oder 80 Sext, wonach — freilieh ebenso ungenau — das heilige In, als der 8te Theil davon, auf 10 Sext. berechnet werden durfte. §. 25. Hier bietet sich die Gelegenheit, einem mög- lichen Missverständnisse vorzubeugen. Einer der 7 GaIe- nischen Metrologen (c. 5 p. 755) spricht von einem ägypt. Modius und setzt denselben dem italischen gleich auf 8 Chöniken an. Dabei dürfte man versucht werden an das grosse In zu denken, da das kleine zu 4 Chöniken berechnet ward. xAUein diese letztere Berechnung stützt sich offenbar auf diejenige Schätzung, wonach die Chö- nix etwas mehr als 2 Sextarien (Epiph. p. 482; Procop. in Levit. bei den Auslegern des Hesychios s. v. öiyiv, Schol. Nicandr. bei Bern. p. 32) oder 2V 4 betrug, wäh- rend der Galenische Metrologe seiner Chönix ausdrück- lich den Wertli von 2 Sext. giebt, so dass sein ägypt. Modius, wie schon die Gleichstellung mit dem ital. lehrt, nicht 18 Sext. wie das grosse In, sondern 16 betragen w T ürde. Ein solches Mass existirte aber gar nicht in Aegypten, und der Ausdruck ist daher augenfällig ein bloss verfehlter; er erklärt sich ganz ungezwungen da- durch, dass der Autor, jener runden Schätzung folgend, unmittelbar vorher gesagt hatte: tj Alyvnxia aoTaßy s%si fiodiovg s, ohne die Bestimmung ^Irahxovg hinzuzufügen; wenn er daher fortfährt: 6 de fjoöiog 6 AlyvTcxvog xal 6 'Irahxog e%si yoivixag ?j, so will er nur andeuten, dass der Modius wonach er so eben die ägyptische Artabe abgeschätzt und der italische identisch seien. Dieser Sinn dürfte noch deutlicher sein, sobald man hinter podiog und hinter 'Irafoxog interpungirt. §. 26. Aus dein Allen erhellt: die Form der Kuphe oder des heiligen In war das halbirte grosse In^ also ein regelmässiger Würfel von 8 Teb Länge, Breite und Höhe, dessen Flächen je 64 Quadratteb bildeten, und dessen In- 236 Allg. Comm. IV. Die ägypt. Körpermasse. §. 26 — 29. halt 512 Kubikteb betrug. Wiederum entspricht diese Gestalt der symbolischen Bedeutung des Namens, der gedrängtem Form des Knöchels (oder der Ferse); auch liegt in demselben wie wir noch sehen werden (§. 52) eine Anspielung auf das kubische Yerhältniss. Dass die Kuphe, das kleine oder heilige In der Aegypter etymo- logisch und dem Systeme nach mit dem hebr. Hin zu vergleichen ist, liegt auf der Hand; der Unterschied ist nur der, dass die Hebräer das kleinere Mass „In" xax* s^oy^v nannten, die Aegypter das grössere, und dass jene demzufolge ihr grösseres als doppeltes, diese ihr kleineres als halbes oder kleines bezeichneten. §. 27. Noch mag mir vergönnt sein, für die Identi- tät der y.ovyrj und des heiligen In eine nicht uninteres- sante Bestätigung beizubringen. Pachymios zahlte das 3te der schuldigen 25 Goldstücke am 18. Nov. 613 (Bes. Comm. zu Pap. II. lin. 6); mithin waren in der Zeit der Trockenheit, also bis zum Juli 614 noch 22 zu erle- gen (ebd. zu lin. 23). Da nun Kallinikos mit jedem Gold- stücke 4 Kuphen zu seinem Unterhalt erhielt, so blieben noch 88 zu entrichten^ welche für 240 — 260 Tage aus- reichen mussten; die Kuphen der Urkunde beziehen sich aber auf das jung. Syst., während es sich hier um das ältere handelt, dessen Masse sich zu denen des Jüngern wie 20 : 27 verhielten, so dass 88 jung. Kuphen fast genau 65 ältere ausmachen; folglich ward die Beköstigung für 1 Tag nach dem alt. Syst. zu 1 / i Kuphe berechnet. An- drerseits ist es bekannt, dass als tägliche Ration für 1 Person die Chönix galt, weshalb dieselbe ^usQOTQocpig und qpsQfjöki TQOcftj genannt wurde (Eisenschmid p. 81); dem- nach müssten 65 alt. Kuphen = 240 — 260 Chöniken, und x / 4 der alt. Kuphe = 1 Chönix gewesen sein: dann aber war 1 ganze Kuphe — 4 Chöniken d. h. = dem heiligen In. 4. Das Oiphi. §. 28. Nachdem wir in dem Vorstehenden die Aus- Masse des Trocknen: alt. Syst. 4) Oiphi. 237 drücke Tcomv und otcpiv oder oicpiv als Bezeichnungen der Kuphe nachgewiesen haben, bleiben uns für das Oiphi noch die griechischen Formen otcpi(ol(pi), ofyiov, olh sv jueu tan, dirrt^ dt bvüfxarv y.iy.Xtjrav. Procop. in Levit., Phot, Cyrill. und Sui- das bei den Auslegern des Hesych. s. v. 'otföv; Schol. Nicandr. bei Bernard. p. 32; vgl. ob. §. 2S. 2 ) Epiph. bei Le Moyne p. 4S2; Procop. bei den Auslegern des He- sych. s. v. oX(fiv, u. Schol. Nicandr. bei Bernard. p. 32. In der Schneider'schen Ausgabe der Alexiph. u. Ther. ist dies Schol. nicht enthalfen. 16 242 Allg. Comm.IV. Die ägypt. Körpermasse. §.32 — 34. §. 32. Das Oiphi ist ferner verglichen worden mit dem Gomor 5 ; dies erklärt sich sehr leicht, nur muss man wie sich von selbst versteht nicht an den Inhalt, sondern nur an das System denken. Die Hebräer schalteten näm- lich zwischen Hin und Kab noch ein Mass ein, welches sie Gomer oder Gomor nannten, und welches wie die Tafel zeigt nur zum Bath oder Epha in einer einfachen Proportion (10:1), sonst aber ausserhalb des Systems steht; denn zu allen übrigen Massen hat es ein unregel- mässiges Verhältniss; es ist === 1V 5 Kab, == 7/ 5 Log, während 3V 2 Gomer zu 1 Saton, l 2 / 3 zu 1 Hin gehören. Doch war nun einmal die Einschaltung gemacht, so liegt es auf der Hand, dass bei einer oberflächlichen Verglei- chung der Systeme auch behauptet werden konnte: Wie das Hin der Kuphe, der Hemina und dem Hemiekton, so entspreche das Gomer dem Oiphi, dem Quartarius und der Chönix. — Endlich hat man das Oiphi auf 1 / l0 Mo- dius berechnet, eine Angabe die in §. 36 ihre volle Erledi- gung finden wird. — Champoliion gr. eg. p. 221 führt aus dem Verzeichniss der Gaben Sesonchis des Zweiten eine Gruppe auf, welche er also deutet: COTO (froment) OJTie (boisseaux) C€ (LX). Allein da das Mass nicht durch phonetische Hieroglyphen ausgedrückt ist, sondern figür- lich: so ist die Uebersetzung OJJT6 durchaus eigenmäch- tig. Man kann ebenso gut epTOTT übersetzen, und dies ist offenbar richtiger, da 60 Oipen nur 1 7 / 8 Ertop ausma- chen, also ein geringes Quantum und einen auffallenden Bruch ergeben. §. 33. Wenn nun 1 Oipe = T / 4 Kuphe ist, so er- giebt sich hieraus wieder die Gestalt des Masses, die ihrerseits der des In, wie die Gestalt der Kuphe der des Er- top, entsprechen muss. Sie bildet ein Parallelepipedon von 4 Teb Länge und Breite, 8 Teb Höhe, also 16 Quadratteb ') Procop. in I. Reg. XXV. p. 77 ed. Meurs. : rb dt Foiioq Uov tm oly i. Masse des Trocknen: alt. Syst. 4) Oiphi. 243 Grundfläche und 128 Eubikteb Inhalt. Und wiederum versinnlicht diese längliche Form die symbolische Be- deutung des Wortes; wie das In die Figur der grossen, so stellt sie ihrerseits die kleineren Zehen und in die- ser Zehengestalt eben die Einheit dar, ganz der Methode entsprechend, vermöge deren auch in den Hieroglyphen die Einheit durch ein kleines Oblongum, als Bild des Fingers oder der Zehe, bezeichnet wird l ). §. 34. So sehen wir: die Grundidee in dem Sy- stem der ägyptischen Körpermasse (nutTCTHpJOfl JÖJKXH lUTJTOl s. oben §. 20) ist eine bildlich physische Auf- fassung. Der Ausspruch des Protagoras, dass der Mensch aller Dinge Mass und Regel sei (Sext. Emp. Pyrrh. hyp. I. 32), findet auch hier seine Anwendung. Unserm Ge- schlechte in seiner Ursprünglichkeit sind der mensch- liche Körper, dessen Theile und Functionen die Proto- typen, Kriterien und Symbole alles Leblosen und Ab- stracten. Also ist auch den Aegyptern die Action des Gehens das Symbol des Messens ; mithin das Mittel zum Gehen, der Fuss — das Symbol des Masses selbst; und deshalb wurden von den Theilen und Gliedern des Fus- ses die Bezeichnungen der einzelnen Körpermasse ent- lehnt. Die hier besprochenen 4 Masse bilden, wenn sie auch nicht die ausschliesslichen waren, doch jedenfalls die Grundlage des ganzen Systems, so wie sie — nach ihrer figürlichen Bedeutung zusammengesetzt — vollstän- dig die Gestalt des Fusses darstellen. Es ergiebt sich für sie nach dem Bisherigen folgendes Schema: "Aqzdßri (epTOTl) 1 Yviov (jill) 4. 1 xovtpij (KOTine) 8. 2. 1 oltpi (oine) 32. 8. 4. ') Damit steht es nicht im Widerspruch, wenn in den Hieroglyphen der Finger ^OHa^ THö) mit gebogenem Gelenk darge- 16* 244 Ällg. Conim. IV. Die ägypt. Körpermasse §. 35 — 36. §. 35. Schliesslich muss ich mich der Verteidigung eines alten Schriftstellers unterziehen. Böckh nennt (S. 8) den Epiphanios „sehr unzuverlässig"; und al- lerdings wird Niemand läugnen, dass derselbe in man- chen Stücken irrt. Allein wer kann es ihm zur Last legen, wenn offenbare Corruptionen (wie im Betreff des hebräischen Saton und seiner Hälfte) den Text entstel- len? Wer kann dem Autor die Missverständnisse des Auslegers anrechnen? Ist dem Eiphanios die Schuld beizumessen, wenn die neueren Metrologen z.B. dessen Angaben über das ägypt. In ohne alle Veranlassung und trotz der entschiedensten Ungehörigkeit auf das hebräi- sche Masssystem beziehen und von diesem ihrem eige- nen Irrthume nicht loskommen können? Andrerseits sieht doch Böckh selbst sich zuweilen in den Fall gesetzt, vor allen Anderen grade auf die Angaben des Epiphanios als auf richtige Berechnungen und Wahrnehmungen Ge- wicht zu legen (man s. überhaupt S. 260 f.). Wenn demnach schon im Allgemeinen jenes Urtheil zu hart er- scheinen dürfte: so müssen wir nunmehr insbesondere in Betreff der ägyptischen Metrologie zu einem vollends entgegengesetzten Resultate gelangen. In der That giebt Epiphanios über die ägypt. Körpermasse des Trocknen grade die allerzuverlässigsten und zugleich die zusam- menhängendsten Nachrichten; denn wie der Leser viel- leicht wahrgenommen: das ganze »System derselben erhellt einzig und allein schon aus ihm. Ernennt 1) die Artabe, setzt sie richtig = 72 Sextarien (p. 482: 'AqTaßrj^ tovto to jjlstqov nao' AlyvTiTioiq ixX^d-ij. "Egtl 6t ißöofiTJxovra ovo ^sotcop). und erkennt ebenso richtig ihre Identität einmal mit dem Attischen Metretes (1. c to ös ccvto to [isto'ov xou o MsTQTjtrjg «^«)? una " andrerseits mit dem hebräischen Bath oder Epha: denn da er das Go- stellt das Zeichen für Zehntausend (-Oä&j TÜ&), also für Eine Myriade ist. S. Champ. gr. eg. p. 236. Masse des Trocknen: jüngeres System. 245 mor als V I0 der Artabe und zu 7 T / 5 Sext. angiebt, so ist ihm die hebräische Artabe gleich der ägyptischen d. h. = 72 Sext. (p. 483: %b dl rSfiov dtxatov rjv tov ^isydXov [xstqov, rovteöTi t^c, * Aoraßriq , o yivexai STtxa %£Gtwv xal 7isfi7iTov); und da er das Bath-Epha schlechthin Artabe nennt, so wusste er vielleicht selbst um die sprachliche Identität Beider. 2) nennt er das grosse In und setzt es richtig = 18 Sextar., also == 7 4 der Artabe; so wie 3) das heilige In, welches er ebenfalls richtig zu 9 Sextar., also zu 7 8 der Artabe oder zu 7 2 In berechnet (p. 485: v .IVj to tp fiiya %€ötmp ioxl i?j, to dl aywv y iv ^€dt(Zv $'). Endlich nennt er auch 4) die Hyphe oder das Oiphi; und setzt sie, indem er ihren Werth zu 2 Sextarien und etwas darüber, also augenscheinlich zu 2V 4 berechnet, wiederum dem System entsprechend = Y 39 der Artabe, == V 8 des grossen und = V« des heili- ligen In (p. 482: %oZvi^ dl xal vg)rj ev [isv löxi, diTTM dl ovonati xsxÄijvai. "E<5xi dl ovo 'gsczcop xal noöTqfiOQiov). B. Das jüngere System. §. 36. Wenn in einer spätem Zeit der Gehalt der Artabe von 4 T / 2 Mod. oder 72 Sext. auf 3 7, Mod. oder 53 7 3 Sext. reducirt ward, so musste, wofern die Ver- hältnisse der Masse selbst (d. i. 1> 7 49 V 3 , V 32 ) beste- hen blieben, fortan das In ~ 137 3 Sext die Kuphe= 6% „ das Oiphi == 17, „ sein. Und hiermit stimmt nun wirklich die Angabe schlagend überein, welche das Oiphi zu r / I0 Modius be- rechnet *), mithin nur auf das Oiphi der Jüngern Artabe ') Cyrill. (b. den Ausl. de& Hesycb. s. v. oiyiv) : olyl. %oivil. to dt'/.aiov tov podiov. Die Idenlificining mit der Chönix erklärt sich aus der Berechnung derselben zu 1 % Sextar. bei Kleopa- tra 1. c. 10 p. 770; cf. Poll., Diosc, Tzetzes bei Bern. p. 27. 246 Ällg. Comm.1V. Die ägypt. Körpermasse. §.36 — 37. bezogen werden kann. Freilich ist das Verhältniss nicht haarscharf zu nehmen; denn wenn 1 Oiphi genau = 1 / l0 Mod. (d. i. 1% Sext.) wäre, so müsste die Artabe — 3^ 5 Mod. sein; oder umgekehrt: wenn 1 Artabe = 3V 3 Mod. ist, so hält das Oiphi nur 10 / 96 Mod. (oder eben 1% Sext.), also zwischen 7 9 und Vio? sollte nun aber einmal der Werth durch einen Bruch des Modius ausgedrückt wer- den 5 so war 1 richtiger als l / 9 , da der wahre Werth jenem näher liegt als diesem, zumal wenn, wie Rhem- nius Fannius (de mensur. v. 89) zugesteht, der wirkliche Werth der Artabe selbst etwas geringer war als 3Y 3 Mod. (Artaba, cui superat modii pars tertia post tres). Die hier dargelegte Uebereinstimmung zeigt zugleich, dass die Proportion der vier Masse wirklich dieselbe blieb. Denn wenn das Verhältniss geändert worden wäre, z. B. in der Art dass l Artabe = 3 In = 6 Ku- phen = 24 Oiphi gewesen wäre 1 ), so würde die Ab- schätzung des Oiphi auf \ Modius eine vollständige Un- möglichkeit gewesen sein; es hätte in dem angegebenen Fall 2 2 / a Sext. betragen müssen d. i. mehr als V 7 Modius. Hieraus folgt dann wieder dass die Abschätzung dessel- ben auf ovo ^sötwp aal TtocfrTjfjLOQiov nur, wie wir gethan, auf die alte Artabe bezogen werden könne; dass aber bei der alten Artabe das Oiphi nicht = 2% Sext, son- dern = 2V 4 gesetzt werden müsse, versteht sich von selbst; denn in jenem Falle würde die alte Artabe nicht 72, sondern 71 V 9 Sext. betragen haben. Wenn endlich das alte Oiphi 2 x / 4 Sext. enthält, so sieht man wieder dass bei dem neuen nur der Inhalt, nicht die Proportion geändert sein kann; denn 24 Oiphi zu 2V 4 Sext. würden >) Peyron's Angabe (Lex. Copt. p. 150), die OTOIJie sei sexta pars Artabae gewesen, entbehrt aller Begründung; wahrschein- lich hat er sie mit der gleich näher zu betrachtenden Väbe ver- wechselt (s. §. 37 letzte Note), die aber vielmehr dem heiligen In (OT^ä, OTHS; OVeeü) entspricht. Masse des Trocknen: jüngeres System. 247 54 Sext. für die jüngere Artabe ergeben, deren Berech- nung auf 53 V 3 doch schon zugestandenerweise zu hoch ist. Eine Abänderung in der Proportion der geringeren Masse wäre überhaupt nur dann denkbar, wenn das Ver- hältniss der grossen Artabe zur kleinen wie 4:3, und nicht wie 27 : 20 gewesen wäre. Hatte aber die jüngere Artabe 32 Oiphi oder, was dasselbe sagt, das Oiphi l 2 / 3 Sext., dann musste eben nothwendig die Kuphe oder das heilige In 6 2 / 3 und das grosse In 13 V 3 Sext. enthalten 1 ). §. 37. Wenn nun in dem Jüngern wie in dem altern System die Kuphe sich als der 8te Theil der Artabe er- weist: so stimmt dies auch mit den Verhältnissen un- sers Papyrus, zu dessen Zeit das Erstere gangbar war, vollkommen überein. Da 88 Kuphen zu dem Unter- halt des Kallinikos für circa 260 Tage ausreichen muss- ten (vgl. §. 27), so ward als tägliche Ration nach dem jung. Syst. etwa V 3 Kuphe gerechnet; da nun aber auch die Chönix als ruieori^ia xootpri galt und zu 2 Sextarien und etwas darüber d. i. zu 2 !/ 4 geschätzt ward, so muss- ten einerseits die 88 Kuphen == 260 Chöniken oder circa 585 Sext., und andrerseits V 3 Kuphe = circa 1 Chönix 2 ) oder 2 V 4 Sext. sein, also 1 ganze Kuphe im jung. Syst. ') Auf das heilige In von G% Sext., also auf das System der klei- nern Artabe, durfte sich das v.aloh{izvov ayvov des Epiphanios von 6 Sext. beziehen, dessen Böckh in dem Abschnitt über die hebräischen Körpermasse erwähnt (S. 261). In meinen Excerpten finde ich die Stelle nicht. 2 ) Dass auch im jung. Syst. das Oiphi d. i. V 4 Kuphe mit der Chö- nix identificirt wird (s. §. 3G erste Note), braucht vielleicht nicht einmal durch den schwankenden Werth der Letztern erklärt (s. ebend.) , vielmehr nur als eine äusserliche Uebertragung des Identitätsverhältnisses von dem alt. Syst. (s. §.31) auf das jün- gere angesehen zu werden, ohne Anspruch auf Genauigkeit. Die Differenz ist in der That nicht bedeutend genug, um nicht bei allgemeinen Ansätzen die Gleichstellung des Oiphi mit der Chö- nix auch im jung. Syst. gelten zu lassen; danach ist auch unser Ansatz §. 51 g. E. zu beurtheilen. 248 Allg. Comm. IV. Die ägypt. Körpermas sc. §. 37 — 41. — fast 3 Chöniken oder circa 6% (6 7 3 ) Sext. d. h. = V s der jung. Artabe. Dergestalt wird das jüngere Sy- stem in der Art wie wir es aufgestellt auch von dieser Seite her verbürgt -}, C. Der kubische Inhalt der Masse beider Systeme. §. 38. Nach den bisherigen Untersuchungen gab es 2 verschiedene Ellen in Aegypten: eine grössere von 7 Palmen (Schop) oder 28 Daktylen (Teb), und eine kleinere von 6 Palmen oder 24 Daktylen; jene wird im Allgemeinen zu 524 . 587 Millimetern oder 232 . 55 Par. Linien berechnet (s. Böckh S. 227), diese auf durch- schnittlich 462 Millimeter oder auf ungefähr 204 . 99 Par. Linien(ebend.S.228ff.). Der Fuss der Erstem, d.h. 18% Daktylen derselben, würde mithin 155.03 Par. Linien be- tragen; der Fuss der Letztern, d.h. 16 Daktylen der- selben, 136. 66 Par. Linien. Die kleinere ägyptische Elle wird nämlich der griechischen, und der kleinere ägyp- tische Fuss dem griechischen Fuss, welcher eben 136. 66 Par. Linien ausmacht (Böckh S. 199.218), gleich gesetzt. §. 39. Wenn es nun gleichzeitig eine grössere, die sogenannte ältere Artabe und eine kleinere, die sogenannte jüngere gab, und wenn jede von ihnen der Bedeutung des Namens entsprechend einen ägyptischen Kubikfuss darstellte: so liegt es in der That sehr nahe, in demjenigen Längenfusse, welcher der grössern Artabe l ) Bernard (p. 67) setzt die ägypt. Artabe , wie es scheint nach Bar Bahlul. u. Moh. Sephad., =: 6 Arabischen und = GAlexan- drinischen Väben. Diese Letzteren kenne ich sonst nicht; da aber die Artabe beider Systeme 8 heilige In enthielt, so lässt sich jene Angabe nur so erklären, dass die alex. Väbe das hei- lige In (OTH& s. §. 36 S. 246 Note u.§. 23) der grossen Artabe im Verhältniss zur kleinen darstellt; denn 6 heilige In der Erstem (54 Sext.) entsprechen allerdings ziemlich genau dem Inhalt der Letztern (53 V, Sext.). Masse des Trocknen: Kubikinhalt. Beide Syst. 249 zu Grunde liegt, den Fuss der grössern ägyptischen Elle, also einen Fuss von 18% Daktylen, — und in dem, weicher der kleinern Artabe zu Grunde liegt, den Fuss der kleinern ägyptischen Elle, also einen Fuss von 16 Daktylen vorauszusetzen. §. 40. Von der kleinern Artabe ist dies Verhältniss gewiss; denn wenn sie s= 53 x / 3 Sextarien — dem Ku- bus des griechischen oder olympischen Längenfusses ist (s. Böckh S. 221. 243. 282), dieser aber = dem Fuss der kleinen ägyptischen Elle: so muss notlrwendig die kleinere Artabe auch der Kubus dieses Letztern sein, also dieser ihr zu Grunde liegen. Von ihr steht dem- nach thatsächlich fest, was wir sprachlich erwiesen, dass sie ein ägyptischer Kubikfuss sei. Die kleinere Artabe war mithin ein regelmässiger Würfel von 4096 Kubikteb und gleich dem Kubus von 136.66 Par. Linien, d. h. = 2,552,256.092 Par. Kub. Linien. §. 41. Wie verhält es sich nun aber mit der al- tern Artabe? Hier treten Schwierigkeiten auf, da das Verhältniss der beiden Artaben ein anderes ist, wie das der beiden Ellen und ihrer Fusse. Denn wenn die 53 V 3 Sext. der kleinern Artabe = 4096 Kubikteb oder 2,552,256.092 P. K. L. waren, so musste die grössere, weil sie 72 Sextarien hielt, also zu jener in dem Ver- hältniss von 27:20 stand, = 5529.6 Kubikteb oder = 3,445, 545.724 P. K. L. sein. Dies würde aber nur einen Kubus von etwas mehr als 17 4, / 60 Teb (=5529.58 Ku- bikteb) oder von 151.0379 Par. Lin. ergeben., während der Kubus von 18% Teb = 6545.77 Kubikteb oder gleich einem Kubus von 159.379 Par. Lin. sein würde. Soll mithin der altern Artabe der Fuss der 28 zölligen Elle zu Grunde liegen, so bliebe nur die Annahme übrig, dass die Daktylen beider Ellen von einander verschieden wa- ren, in der Art dass in 17 4l / 60 der kleinern 18 7 3 der grös- sern aufgingen; dann würden auch 6545 Kubikteb der grossem Artabe = 5529 Kubikteb der kleinern sein. Diese 250 Allg. Comm. IV. Die ägypt. Körpermasse. §. 41 — 43. Annahme hat nun in der That Manches für sich. Schon Böckh hat bemerkt, dass die grössere Elle kleinere Dak- tylen gehabt haben müsse als die kleinere Elle; dies leuchtet auch unter allen Umständen nach dem Obigen ein; denn danach müsste, wenn die Daktylen gleich ge- wesen wären, der Fuss der grössern Elle eben 159.379 Par. Lin. betragen haben, und nicht 155.03 wie man nach den vorhandenen Massstäben berechnet. Böckh setzt nun das Verhältniss der kleinern Elle zur grössern wie 24:27.473 (S. 230), d.h. die 28 Daktylen der grössern Elle wären = 27.473 der kleinern; danach würden mit- hin 24 Daktylen der kleinern = 24.46, also beinahe = 24 V 2 der grössern sein. Nach der obigen Annahme je- doch müsste die Differenz noch beträchtlicher ausfallen, und die 24 Daktylen der kleinern Elle = 25.334 der grössern sein. In diesem Falle würden die 28 Dakty- len der grössern = 26.525 der kleinern sein. Wenn mithin 24 Daktylen der kleinern Elle durchschnittlich 462 Millimeter oder ungefähr 204.99 Par. Lin. betragen: so würde die grössere Elle (d. i. 26.525 Daktylen der kleinern) nur 510.606 Millimeter ergeben statt 524.587, oder nur 226.556 Par. Lin. statt 232.55, folglich der Fuss derselben 151.03 Par. Lin. statt 155.03. §. 42. Wie nun diese Schwierigkeit lösen? Man könnte annehmen, die 28 zöllige Elle habe wirklich solche Schwankungen erlitten. Die 6 von Böckh be- sprochenen Massstäbe schwanken selbst zwischen 523.4 und 526.5. Die Abweichung 510.606 dürfte aber doch allzu stark sein. Deshalb ist es mir denn auch um so wahrscheinlicher, dass es sich hier wirklich um eine be- sondere Elle handle, welches Resultat ich schon im §. 10 anticipirte. Es ist wie ich wiederholen muss un- denkbar, dass die Aegypter ihr ursprüngliches Längen- mass in 28 Theile zerlegt, und ihrem ursprünglichen Kör- permass einen Fuss von 18% Finger zu Grunde gelegt haben sollten. Schon die Zahl 28, was man darüber Masse des Trocknen: Kubikinhalt. Beide Syst. 251 auch klügeln mag, hat hei ihnen wenigstens keine ur- sprüngliche Heiligkeit, und die Zahl 18 2 / 3 spricht vol- lends allen tieferen Anschauungen Hohn. Die heilige Grundzahl ist durchaus die 4 und das Quadrat dersel- ben 16; weiterhin die Vervielfältigungen derselben na- mentlich durch die graden Zahlen, also 4x2, 4x6, 4x8 u. s. w. (vgl. §. 10). Ich zweifle mithin nicht, dass auch der altern Artabe ein Fuss von 18 Teb zu Grunde lag. §. 43. Die Sachlage wäre dann die. Es gab ur- sprünglich eine grosse oder heilige 24 zöllige Elle, welche 510.606 Millimeter oder 226.556 Par. Lin. betrug (also der Zoll = 21 Y 4 Millimeter), und deren Fuss (d.h. 16 Teb) folglich s= 151.03 Par. Lin. war. Dieser Fuss lag der altern Artabe zu Grunde, dergestalt dass diese ei- nen regelmässigen Würfel von 4096 grossen Daktylen bildete, welche == 72 Sextarien d. h. = dem Kubus von 151.03 Par. Linien waren. Neben dieser grossen und heiligen Elle entstand nun die kleinere oder gemeine 24 zöllige, welche 462 Millimeter oder 204.99 Par. Linien betrug (also der Zoll = 19 V 4 Millimeter), und deren Fuss (d. h. wieder 16 Teb) folglich 136.66 Par. Lin. war. Dieser Fuss lag der jungem Artabe zu Grunde, der- gestalt dass diese ebenfalls einen regelmässigen Würfel von 4096 kleinen Daktylen bildete, welche = 53 \ Sex- tarien d. h. == dem Kubus von 136.66 Par. Linien wa- ren. Das Verhältniss beider Ellen war also dies, dass die 24 Daktylen der grossen — 26.525 der kleinen, also 16 Daktylen der grossen = 17 41 / 60 der kleinen waren; dann waren 4096 Kubikteb der grossen = 5529.6 Ku- bikteb der kleinen, oder eben gleich 72 Sextarien d. h. gleich dem Kubus von 151.03 Par. Linien. Das Entste- hen der kleinen 24 zölligen Eile machte es nun aber wohl zur Notwendigkeit, dass daneben die grosse 24 zöllige nicht mehr fortbestehen konnte; die gleiche Fin- gerzahl bei verschiedener Grösse hätte endlose Verwir- 252 Allg. Comm.1V. Die ägypt. Körpermasse §. 43 — 44. rungen bereitet. Man wandelte daher die grosse 24 zoll ige in eine 28 zöllige um, indem man sie um ein Geringes (um etwa 14 Millimeter oder 2 / 3 Zoll) vergrös- serte, dagegen aber durch Zerlegung in 28 Theile (zu fast 18 3 / 4 Millimetern) ihre Finger nunmehr mit denen der kleinen Elle in grössere und fast vollkommene Ueberein- stimmung brachte, indem die beiderseitige Differenz etwa nur noch T / 2 Millimeter betrug. Es wäre sogar möglich, dass ursprünglich die vollständigste Uebereinstimmung beabsichtigt wurde, und dass jene Differenz nur durch die Mangelhaftigkeit der Ausführung im Laufe der Zeit sich einschlich; dafür scheinen die Abweichungen der vorhandenen 28 zölligen Massstäbe selbst zu zeugen. §. 44. Hier will ich einhalten, mit dem Bekennt- niss dass die Theorie der 28 zölligen Elle noch manche Dunkelheiten enthält Denn warum sind die Massstäbe nicht eben vollkommen einander gleich? Warum erge- ben die danach angestellten Berechnungen so abwei- chende Resultate, dass man öfters sogar nur 520 Milli- meter für diese Elle zu berechnen genöthigt ist (vgl. z.B. Böckh S. 233)? Stellen vielleicht jene Massstäbe eher ein Masssystem als ein einzelnes Mass, oder Bei- des zugleich dar? Weshalb sind je auf einem und dem- selben die verschiedenen Felder von ungleicher Grösse (s. Böckh S. 226 u. besonders S. 230)? Kann man den über Alles genauen Aegyptern hier eine Ungenauigkeit vorwerfen wollen? Rührt diese scheinbare Nachlässig- keit nicht davon her, dass diese Felder nicht sowohl die gleichen Theile Eines Masses, als vielmehr die ungleichen Theile verschiedener Masse, d. h. eben ein ganzes Masssystem darstellen sollen? Warum erge- ben z. B. auf der ersten Drovetti'schen Elle die 3 ersten Daktylen links nur 58 und die 4 ersten nur 77 Milli- meter, wofern sie sich nicht auf das Tridaktylon und den Palm der kleinern Elle beziehen, denen beide Mes- sungen haarscharf entsprechen? Dürften also nicht viel- Masse des Trocknen: Kubikinhalt. Beide Syst. 253 leicht jene Massstäbe als geheiligte Regulative zu betrach- ten sein, in ähnlicher Weise wie etwa die Bird'schen Nor- maletalons oder die Sisson'schen Messingstäbe in England (s. Dove üb. Maass und Messen im Progr. des Friedrichs- Werderschen Gymnas. Berl. 1833. S. 10 f.)? Könnten nicht — wie auf diesen 42 zölligen Stäben die Masse des englischen Fusses und der Pariser Toise — so auf jenen ägyptischen Massstäben, welche die 28 zöllige Elle repräsentiren, zu ähnlichem Zwecke, der Vergleichung halber, zugleich auch die Längen und Theile der von uns angenommenen ursprünglichen grossen 24 zölligen und der gemeinen oder kleinen 24 zölligen Elle abgetra- gen sein, und diese Stäbe dergestalt als Normaletalons gedient haben? Würde nicht erst aus einer solchen Bestimmung sich die augenscheinliche Heiligkeit dieser Massstäbe, ihre Aufbewahrung in den Grabstätten, genü- gend erklären — gleichwie in neuerer Zeit etwa die Aufbewahrung des Yard im Tower zu London, der Nor- maletalons in der Schatzkammer, der Guildhallu. s. w. — ? Hat es überhaupt vielleicht mit der Entstehung der kö- niglichen Elle in Aegypten eine ähnliche Bewandtniss, wie mit dem englischen yard, der von dem Arm Hein- richs des Ersten entlehnt ist, oder dem französischen pied de roi (s. Dove S. 4)? Viele andere Fragen drängen sich mir noch auf; doch wozu sie aufwerfen, da ich es unterlassen muss, sie zu beantworten; denn die Vermu- thungen, die ich darüber hege, sind im Detail für die Oeffentlichkeit nicht reif genug. Nur Eins will ich noch hervorheben, weil dadurch zugleich meine Theorie der grossen 24 zölligen Elle und meine Ansicht von der Be- deutung der fraglichen Massstäbe bekräftigt zu werden scheint. Die auffallendste Erscheinung nämlich sind die Zeichen zwischen dem 22. und 23. Finger der beiden Drovetti'schen Ellen, wodurch grade hier das Ende der kleinern Elle angedeutet wird, ungeachtet dasselbe doch nothwendig zwischen den 24. und 25. Finger der grossen 254 Allg. Comm. IV. Die ägypt. Körpermasse. §. 44 — 45. 28 zölligen Elle fallen müsste, da 462 Millimeter über 24 V 2 Zoll zu 18% oder 18.735 Millimeter ergeben. Für diese unbedenklich bedeutsamste aller Schwierigkeiten und scheinbaren Ungenauigkeiten hat man bisher keine ir- gendwie passende Lösung finden können; auch Böckh's Auskunft: „es scheint kaum anders möglich, als dass diese Zeichen dem ganzen sechsten Palm von der lin- ken gelten'' (S. 230) dünkt uns gezwungen. Ist es nun unter diesen Umständen nicht höchst beachtungswerth, dass nach unserer Theorie von der grossen 24 zölligen Elle 22 Finger dieser Letztern (d.i. 22x21 bis 2P/ 4 =462 bis 467 x / 2 Millimeter) den 24 Daktylen der kleinen Elle, als welche auf 462 bis 466 Millimeter berechnet wird, fast auf das Genaueste entsprechen? Die ganze Schwierigkeit löst sich demnach leicht und einfach, so- bald jener 22ste Daktylos der Drovetti'schen Ellen, über welchem sich das Zeichen der kleinen Elle befindet, nicht auf die 28 zöllige, sondern eben auf die nach un- serer Annahme darauf abgetragene grosse 24 zöllige Eile bezogen wird. So scheinen in der That unsere durch verschiedene Kriterien bedingten Voraussetzungen sich unter einander selbst zu stützen und zu bestätigen. §. 45. Zwar könnte man wohl die Behauptung auf- stellen: nicht die grosse, sondern die kleine Artabe sei die ältere; dann brauche jene so wenig wie der attische Metretes ein Kubikfuss zu sein, indem der Name auf das jüngere Mass übertragen sein könne ohne Rücksicht auf seine ursprüngliche Bedeutung. In diesem Fall wäre es allerdings nicht nöthig, eine besondere ursprüngliche Elle von 24 grossen Daktylen anzunehmen; vielmehr wäre dann die kleine Elle von 24 Daktylen die ursprüngliche ; dass sie unter allen Umständen älter sei als die 28 zöl- lige, ergiebt sich schon aus dem früher Gesagten (§. 43), und dieser Ansicht ist auch Böckh (s. S. 221. 228 f.). Wie man nun neben der kleinen Elle die 28 zöllige kö- nigliche schuf, welche der babylonischen königlichen ent- Masse des Trocknen: Kubikinhalt. Beide Syst. 255 sprach (s. Böckh S. 227 ff.): so könnte man neben der kleinen Artabe die grosse gebildet haben, welche ihrer- seits der hebräischen gleich war. Hierin läge also in der That eine zweite mögliche Lösung der Schwierig- keit. Was ihr aber entgegensteht ist dies, dass einmal die grosse Artabe ausdrücklich die alte {naXaia) im Ge- gensatz zur kleinern genannt wird (Didym. c. 21) und auch als solche durch ihre Identität mit einem uralt he- bräischen Masse sich darstellt (s. oben §. 10. z. A. vgl. §. 11), während die kleinere nur mit einem Jüngern grie- chischen eine Uebereinstimmung aufzuweisen hat, — und dass andrerseits die grosse 28zöliige Elle als die hei- lige gilt; aller Voraussetzung nach war aber in Aegyp- ten das heilige Mass früher da als das profane, und die Zahl 28 minder heilig als die Zahl 24. Beides erklärt sich daher am besten und einfachsten, wenn die ur- sprüngliche heilige Elle eine grosse 24zöllige war, aus deren Fuss die grosse Artabe und aus de- ren geringer Verlängerung im Verhäitniss zur gemeinen 24 zölligen Elle die 28 zöllige hervorging, auf welche Letztere als Vertreterin der grossen 24 zölligen Elle nun- mehr auch deren Bezeichnung als heilige übertragen ward. Vielleicht ist die heilige oder mosaische Elle der Hebräer von 6 Palmen, über deren Bestimmung noch Zweifel obwalten, die aber jedenfalls mit der 28 zölligen ägyptischen nicht genau übereinstimmt, nichts anders als jene von mir vorausgesetzte ursprüngliche grosse Elle von 24 Zoll oder 226. 556 Par. Lin. Diese würde ihrer Länge nach die mittlere sein zwischen der 28 zölligen und der kleinen 24 zölligen. Und merkwürdig ist es nun, dass bei den Hebräern die heilige Elle von 6 Palmen ausdrücklich die mittlere genannt wird (s. Böckh S. 268), während zugleich bei ihnen wie bei den Aegyptern eine heilige Elle von 7 Palmen und eine gemeine oder klei- nere von 6 Palmen existirt (s. die schon früher citirten Stellen aus Ezechiel 40, 5 und 43, 13 wo die heilige 256 Allcj. Comm. IV. Die ägypt. Körpermasse. §. 45 — 48. Elle durch 1 Elle und 1 Palm definirt wird; vgl. Böckh S. 266). §. 46. Wie dem nun auch sei, so viel steht fest: War die grosse Artabe wirklich die ältere, dann muss sie schon des Namens halber ebenso notlrwendig ein ägyptischer Kubikfuss gewesen sein, wie die kleine auch ohne Rücksicht auf den Namen sich thatsächlich als ein solcher darstellt; und lag ihr demgemäss ein Län- genfuss zu Grunde, dann musste dies der ursprünglichen Heiligkeit wegen, gleichwie bei der kleinen, ein 16 zöl- lig er sein« Billigt man einerseits die Prämisse, und bleibt andrerseits unter allen Umständen das Resultat be- stehen, dass die grosse Artabe dem Kubus von 151. 0379, die kleine dem Kubus von 136. 66 Par. Linien gleich- kam: so lassen sich für beide Systeme die folgenden kubischen Schemata aufstellen: 1) das System der grossen Artabe. lArt. = 72 Sext.= 4096 gross. Kub.Teb = l Kub. von 151. 0379 P, L. lln = 18 „ =1024 „ „ „ =% „ „ „ „ „ lKuphe= 9 „ = 512 „ „ „ = y 8 „ „ „ „ „ lOiphi = 2'/ 4 Sexl.= 128 „ „ „ = V 32 „ „ „ „ „ d. i. genauer: 1 Art. = 3,445,545.724 Par. Kub. Lin. = 1993.95 P. K. Zoll 1 In = S61,386.431 „ „ „ = 498.48 „ „ „ 1 Kuphe = 430,693.215 „ „ „ = 249.24 „ „ „ 1 Oiphi = 107,673.303 „ „ „ = 62.31 „ „ „ 2) das System der kleinen Artabe. 1 Art. = 53 y 3 Sext. = 4096 klein. Kub. Teb = 1 Kub. von 136. 66 P.L. 1 In = lo / 3 „ = IU-4 ,, ,, ,, = ,' 4 „ ,, ,, ,, ,, 1 Kuphe = 6 2 / 3 „ = 512 „ „ „ = % „ „ „ „ „ 1 Oiphi = l 2 / 3 ,, = 128 „ „ „ = y 32 „ „ „ „„ oder genauer: 1 Art. = 2,552,256.092 Par. Kub. Lin. = 1477 Par. Kub. Zoll. 1 In = 638,064.023 ,, „ „ = 369.25 „ „ 1 Kuphe = 319,032,011 „ „ ' „ = 184.62 „ > „ 1 Oiphi = 79,758.002 „ „ „ = 46.15 „ „ „ Masse des Flüssigen: 1) Kyphi oder In. 257 Diese Schemata stimmen naturgemäss mit Böckh's Berechnungen des Attischen Metretes und des Olympi- schen Kubikfusses (S. 278) überein; denn da der Olym- pische Längenfuss 136.66 Par. Linien beträgt, so ist des- sen Kubus wie die kleine Artabe — 1477 Par. Kubik- zoll; und da der Attische Metretes zum Olympischen Ku- bikfuss sich wie die grosse Artabe zur kleinen d. h. wie 27:20 verhält, so muss der Attische Metretes gleich der grossen Artabe 1993.95 Par. Kubikzoll betragen. Bernard p. 68 sagt, die Kubikelle, o nr^vq dteqsocj fasse 3 Artaben, — ich weiss nicht auf welcher, oder ob überhaupt auf einer Quelle fussend. Die Angabe hat aber insofern ihre Richtigkeit, als die Artabe selbst ein Kubikfuss ist und die Kubikelle (d. i. 13824 Daktylen) allerdings wenig mehr Kubikinhalt hat wie 3 Kubikfusse zusammengenommen (d. i. 12288 Daktylen), nämlich 1536 Kubikdaktylen oder % Kubikfuss darüber. II. Von den Flüssigkeitsmassen. §. 47. Ich habe bisher nur von den Grundmassen des Trocknen geredet. Ueber die Masse des Flüssigen lässt sich minder Bestimmtes sagen; doch jedenfalls mehr als man bis jetzt darüber vorgebracht. Man kannte nämlich nur ein ägyptisches Mass des Flüssigen: Mna, welches von Champollion mehrfach in den Hieroglyphen durch Hülfe des Koptischen entdeckt ward; seine Grösse gilt für völlig unbekannt (s. Böckh a. a. 0. S. 244. vgl. &. 39;. Ich glaube nun zunächst, dass auch ein zweites Fl(issigkeitsmass unter dem Namen Kyphi oder In in die Metrologie aufgenommen werden darf, und dass die Be- stimmung sowohl der Mna wie des Kyphi doch nicht aller Andeutungen entbehrt. Betrachten wir 1. Das Kyphi oder In. §. 48. Unsere Behauptung stützt sich in erster In- 258 Allcj. Comm. IV. Die ägyyt. Körperniassc. §. 48 — 49. stanz auf eine von den Metrologen bisher nicht beach- tete Stelle des Plutarch in der Schrift de Isid. et Osi- rid. v. fin. (ed. Reisk. T. VII. p. 507). To ds xv

^XLb)...rb xakov/jtiuou xvyi nsol dvff t udg. p. 500: tm M xvf/t yqdvjca xal nofxart xal xgccjuan reo// d* io v.vtjt avvnd-ivruiv %gtiv a vvxrl %aiQM juakkov. Auch Dioscor. mal. med. I. 24 sagt: xq&viai de aviai xataxoQcog oi tv Alyurma Ugtig, und der Ausleger Marcell. Vergil. bemerkt sehr richtig: „a sacerdotibus ad sanitatem voluptalemque et delicias magis quam ad religionem inventum. 4 * 9 ) „Ein Kyfi speuden", .,ein Kyfi trinken" waren ursprünglich sicher ebenso elliptische Redensarten, wie die deutschen: „einen Schop- pen trinken", „einen Becher spenden"; deshalb wurden wie hier so auch dort Gefäss und Inhalt synonym. Masse des Flüssigen: 1) Kyphi oder In, 259 Daktylos die kleinste Einheit war, so ist das hier in Bede stehende Mass augenscheinlich nichts anders, als ein Würfel von 4 Teb Länge, Breite und Höhe. Dem- nach ergiebt sich eine überraschende Uebereinstimmung mit unserer bisherigen Theorie des ägyptischen Mass- systems; denn ein solches Würfel-Mass macht genau die Hälfte eines Oiphi aus, verhält sich also wieder zu diesem genau so wie die Kuphe zum In d. i. wie 1 : 2, und zur Kuphe wieder genau so wie diese zur Artabe d. i. wie 1:8. Folglich wäre das Kyphi der alten Ar- tabe = 17 8 Sextar., =64 grossen Kubikteb, =V 64 Kubus von 151.0379 Par. Linien, oder genauer = 53836.651 Par. Kubiklinien, d. i. == 31.15 Par. Kubikzoll; in der Jüngern oder kleinen Artabe aber — % Sextar., = 64 kleinen Kub. Teb, = V 04 Kubus von 136.66 Par. Linien, oder genauer === 39879.001 Par. Kubiklinien, d.i. ~ 23.07 Par. Kubikzoll. Höchst merkwürdig ist es nun, dass unter den im Pariser Museum befindlichen und von Saigey (Tratte de Metrol. ancienne et moderne etc. Par. 1834) bestoche- nen sechs ägyptischen Gefässen von Erz das Eine bis zum Bande wirklich 0.464 Litres Inhalt hat d. i. 23 Par. Kubikzoll und etwas darüber. Wer wird umhin können, hierin das halbe Oiphi oder das Kyphi zu erkennen? Zugleich liegt darin eine Bestätigung der auch von Böckh (S. 243) ausgesprochenen Ansicht, dass die kleinere Ar- tabe schon in der altägyptischen Zeit neben der grös- sern bestanden habe und von den Bömern nur für den alleinigen Gebrauch sanctionirt worden sei; denn jene 6 Gefässe stammen aus altägyptischen Grabmälern. §. 49. Noch einen Augenblick müssen wir bei den- selben verweilen. Saigey selbst gab sich die Mühe, sie auf das hebräische Kab zu reduciren oder vielmehr die- sen danach zu berechnen; dies Bemühen musste ver- geblich sein, weil es unstatthaft war; denn was haben die ägyptischen Gefässe mit den hebräischen Massen zu 17* 260 Allg. Comm. IV. Die ägypt. Körpennasse. §. 49 — 50. thun? Mit Grund hat deshalb schon Böckh (I.e. S. 264) Bedenken dagegen geäussert, wiewohl es auch ihm nicht gelingen konnte, damit aufs Reine zu kommen, weil der Zusammenhang der ägyptischen Körpermasse noch un- ergründlich schien. Freilich lassen sich auf dieselben die 5 grösseren Saigey'schen Gefässe nicht mit so gros- ser Leichtigkeit und so überraschendem Erfolge zurück- führen, wie jenes kleinste; doch hat man, worauf auch Böckh dringt, die Unzuverlässigkeit solcher Messungen und die Ungenauigkeit solcher Gefässe in Anschlag zu bringen. Wer kann dafür bürgen, dass dieselben immer nach einem bestimmten, vollen Masse angefertigt wor- den? Und wer kann es wissen, ob man um den Mass- inhalt zu finden immer bis zum äussersten Rande des Gefässes oder bis zum Halse oder irgend einer andern Grenze zu messen habe? Bringen wir nun aber alle diese Umstände in Anschlag, so zeigen auch die Messungen der übrigen 5 Gefässe in der That immer noch Ueber- einstimmung genug mit dem von uns aufgestellten Mass- systern^ um sie auf dasselbe zurückführen zu dürfen. — Das eine misst nämlich nach Saigey 0.547 Litres d.h. 27 Vi Par. Kub. Zoll, bezeichnet also augenscheinlich wieder ein halbes Oiphi oder ein Kyphi, und zwar zwei- felsohne der kleinern Artabe, da man den Mehrinhalt von circa 4 Kubikzoll auf den Hals rechnen darf, so dass dies Gefäss nur bis zum Halse den Inhalt des Kyphi darstellen würde. — Das zweite misst 1.052 Litres bis zum äussersten Rand d. h. 53 x / 3 Par. Kub. Zoll und soll unzweifelhaft das doppelte Quantum des vorigen be- zeichnen; man sieht aber gleich hier deutlich die Unge- nauigkeit der Gefässe; denn entweder müsste jenes hier- nach == 26%, oder dieses — 55 Kubikzoll sein; jeden- falls entspricht das Letztere so ziemlich dem Jüngern Oiphi (d.i. 2 Kyphi), welches streng genommen 46.15 Par. Kub. Zoll enthielt; vollkommen genau aber, wofern wieder der Hals, der etwa 7 Kubikzoll betragen muss, Masse des Flüssigen: 1) Kyphi oder In. 261 nicht mitgerechnet ward. — Das dritte misst bis zum Halse 2.175 Litres d.h. 109 Par Kub. Zoll, und bis zum Rande 2.397 Litres d. h. 121 Par. Kub. Zoll; es ent- spricht also im Mittel genau 5 jüngeren Kyphi's (=115 Par. Kub. Zoll), oder nach der letztern Messung bei- nahe einer halben alten Kuphe (2 älteren Oiphi's), die etwa 124 Par. Kub. Zoll fordert. — Das vierte misst bis zum Halse 1.977 Litres oder 99 Par. Kub. Zoll, und bis zum Rande 2.107 Litres oder 106 Par. Kub. Zoll, kommt also im erstem Fall wesentlich einer halben Jün- gern Kuphe oder 2 jüngeren Oiphi's gleich, welche indes- sen der Wirklichkeit nach nur wenig mehr als 92 Kubik- zoll betragen würden; strenger genommen hält es nach dem mittlem Durchschnitt 4 1 /, jüngere Kyphi. — Das fünfte endlich misst bis zum Halse 4.108 Litres oder 207 Par. Kub. Zoll, und bis zum Rande 4.313 Litres oder 217 Par. Kub. Zoll, ist also nach der erstem Grenze ge- nau gleich 9 jüngeren Kyphi's, nach der andern genau = 7 älteren. — Ausser den 6 ehernen Gefässen erwähnt Sai- gey noch eines Thongefässes von 11.36 Litres (d.i. 572 Par. Kub. Zoll) Inhalt bis zum Anfang des Halses,, und von 11.55 Litres (d. i. 582 Par. Kub. Zoll) bis einen Fin- ger von der Mündung (s. Böckh 1. c. S. 264); es enthält also im Mittel genau 25 jüngere Kyphi, welche nach un- serer Theorie nahe an 577 Kubikzoll ausmachen. §. 50, Dass der Name Kyphi im praktischen Leben ein Gefäss bezeichnete und also ursprünglich nur ellip- tisch für den Inhalt selbst, d. i. in dem Falle von dem wir ausgingen für die aromatische Trankmischung ge- braucht ward, hätte man schon aus den augenfällig da- mit verwandten griechischen Wörtern xvcpog, xvßij, xv^ßT], ttvfißiov u. s. w. abnehmen können, welche sämmtlich Ge- fässe bezeichnen, unn und macht darauf aufmerksam, wie nahe das gfl der Leydener Gefässe dem hebr. Log, dem griech. Xestes und dem röm. Sextarius komme, wel- chen man gemeinhin auf 0.539 Litres schätzt. Dass er den Nor- malinhalt des g,fl nur nach No. 1 auf 0.48 Litres angiebt (p. 158. 159), statt ihn nach dem Mittel von No. 1 und 3 zu berech- nen, muss nach seiner eigenen Darstellung für ungenau gelten. Masse des Flüssigen: 1) Kyphi oder In, 271 Diese aspirirten Formen für jff, im, Ifte, €Jfie (s. ob. §. 13) werden schon durch den hebräischen Namen Bin verbürgt; dass im Altägyptischen selbst unaspirirte und aspirirte Formen häufig concurrirten, ist genugsam be- kannt; ich erinnere nur beispielsweise an die Apis- Grup- pen &nf und g,<*JTJ; der Abfall des Hori im Koptischen kann also in Betreff der obigen Ausdrücke nicht auffäl- lig sein ; auch erscheint ja die Aspiration wenigstens noch in der von gm oder gjfie abgeleiteten Wortform gfIO ? mit dem Plural gfl££T. Ist übrigens die Gruppe X-*^ - A/vwvA. welche ebenfalls sehr oft vorkommt 1 ),, mit der hier frag- lichen synonym, woran nicht gezweifelt werden kann, so würde ich sie lieber, zu grösserer Uebereinstimmung mit dem Hebräischen, Koptischen und Griechischen, gen als gOH lesen; denn sicher steht auch das koptische gflO für gJHO oder geflO, so wie der Plural Qm.&T für gjn&&T oder genH&(nj); und nun kommt wirklich der Aus- druck OHäj(i~) als ein Gefäss vor, als Kästchen, Körb- chen, Täschchen u. s. w. Es ist also nicht unwahrschein- lich, dass die Thibi als ein Körper- oder Flüssigkeits- mass existirte, von 1 Teb Länge, Breite und Höhe, d. h. von 1 Kubikteb Inhalt, und ebenso der vierte Theil der Mna war, wie der Längenteb den vierten Theil des Schop oder des Palm bezeichnet. Die Bedeutungen Körbchen, Täschchen u. s. w. würden dann in der Aehnlichkeit oder der Vergleichung dieser kleinsten Behältnisse mit jenem kleinsten der Kör perinasse ihre Erklä- rung finden. 'o 4. Gapagi. §. 61. Wenn wir in dem Bisherigen nur 3 sefost- ständige Flüssigkeitsmasse aufstellten, so dürfte dies unserer Behauptung von der ursprünglichen Yierzahl zu ') Ich will hier nicht verschweigen, dass mir wegen der Ueberein- stimmung des Sextarius mit dem In des Flüssigen auch der Ge- danke kam, 61MI& and Hein in a als Namen und Masse zu identificiren; indessen erhoben sich mir dagegen doch zu grosse sowohl sprachliche wie metrologische Bedenken, als dass ich ihn nicht hätte fallen lassen sollen, — oder wenigstens grössere, als ich für mein Theil zu überwinden im Stande war. 280 AUg. Comm. IV. Die ägypt. Körpermasse. §. 61 — 62. widersprechen scheinen. Allein dies ist nicht der Fall; denn augenscheinlich bildet von den 7 überhaupt aufge- führten Körpermassen das mittelste, die Oipe, gleichsam den Wendepunkt oder die Angel der beiden Systeme des Trocknen und des Flüssigen, dergestalt dass sie nicht nur das Erstere beschliesst, sondern zugleich auch das Letztere eröffnet, also eine doppelte Rolle spielt. Nur führte dieselbe, wie ich glaube, den Namen Oipe nur als Mass des Trocknen, als Mass des Flüssigen dagegen aller Wahrscheinlichkeit nach den Namen Gapagi; denn ££JT££J (ZAJTJZJ, 6, 7. L. 18 init. C. J. de jure delib. 6, 30. cl. L. 8 C. Th. de mat. bon. 8, 18), und zwar die infan- tiae proximi so gut wie die pubertati proximi, haben schon eine Fähigkeit zum Handeln, aber natürlich keine volle, insofern sie meist der auetoritatis intevpositio des Tutors bedürfen. Daher auch L. 1 §.2 D. de adm. tut. 26, 7: „pro his, qui fari non possunt vel absunt, ipsi tu- tores Judicium suseipiant, pro his autem, qui supra sep- timum annum aetatis sunt, auetoritatem praestent." Und pr. Inst, de auet. tut. 1, 21: „Auctoritas tutoris in qui- busdam caussis necessaria est pupillis, in quibusdam non est necessaria, ut ecce si quid dari sibi stipulentur, non est necessaria tutoris auctoritas: quodsi aliis pupilli pro- mittant, necessaria est: namque placuit meliorem quidem suam conditionem licere eis facere etiam sine tutoris auc- toritate, deteriorem vero non aliter, quam tutoris aueto- ritate". Ein solcher Fall der Ergänzung der unvollstän- digen Persönlichkeit des Mündels durch den Vormund könnte sonach auch der vorliegende sein. Es leuchtet in der That ein, dass bei einem so wichtigen Anlasse, wie es die Vermiethung der Person des Kindes ist, die blosse Stellvertretung durch den Vormund oder die Vor- münderin ebensowenig zulässig sein konnte, als sie es bei dem Antreten einer Erbschaft war; wenn gleich um- gekehrt auch da, wo der Vormund allerdings das Recht Die Vormundschaft der Tibellas. 285 der Vertretung hatte, die Selbstbeschränkung auf ein blos- ses Auetoriren unverwehrt blieb. §. 5. Der zweite mögliche Fall wäre der, dass Dioskoros nicht in der prima, sondern in der seamda aetas stand, wie Justinian (L. 30 C. de episc. aud. 1, 4. cl. L. 10 C. de impub. 6, 26) den Zeitraum von der Pubertät bis zur Volljährigkeit im Gegensatz zur Un- mündigkeit bezeichnet. Dann wäre die Stellung der Ti- bellas nur die curatorische , und man müsste voraus- setzen, dass sie zuvor die tutela geführt und Dioskoros selbst nach vollendetem 14. Jahre sie zur Curatrix be- gehrt habe; denn nach erlangter Pubertät stand es ja dem Minor frei, einen Curator zu begehren oder nicht; ein Aufdringen konnte nur im Fall eines Processes statt finden (inviti adolescentes curatores non aeeipiunt, prae- terquam in litem. §. 2 Inst, de curat. 1, 23). Dass der gewesene Tutor die Alters- Cura übernehmen konnte, ver- steht sich von selbst, obwohl ihm natürlich die Excusa- tio zustand (L. 20 C. J. de excus. 5, 62). Die Compe- tenz des Curator adulti begriff nun aber ebenfalls nicht nur die Stellvertretung, sondern auch den consensus, der für ihn wesentlich dasselbe war, was die auetoritatis in- terpositio für den Tutor; daher der Digestentitel (26, 8): „de auetoritate et consensu tutorum et curatorum". Ti- bellas könnte demnach als die consentirende Curatrix gedacht werden ; dann wäre, da sie gegenwärtig erscheint, der consensus gleichzeitig mit der Handlung selbst er- folgt, was sonst im Allgemeinen und im Gegensatze zur auetoritatis interpositio des Tutors (L. 9 §. 5 D. de auet. et cons. §. 2 Inst, de auet. tut. 1, 21) nicht nothwen- dig war. §. 6. Die Sachlage ist also die: Entweder ist Dioskoros ein Impub es von 7 bis 14 Jahren und Ti- bellas übt die tutelarische iVuctoritas, oder er ist ein Minor von 14 bis 25 Jahren und seine Mutter übt den curatorischen Consensus. Neben diesen beiden 286 Allg. Comm. V. Zur Geschichte der Tutel. §.6 — 8. Fällen ist kein dritter statthaft , die Entscheidung zwi- schen ihnen selbst aber äusserst schwierig, da einerseits der zur Fabrikarbeit sich venniethende Dioskoros ebenso gut ein Bursche von 13 Jahren und darunter, wie von 14 Jahren und darüber gewesen sein kann, und da an- drerseits die von der Mutter ausgeübte Gewalt sich mit gleichem Rechte als ein Auetoriren und als ein Consen- tiren auffassen lässt. §. 7. Dass Tibelias nicht ausdrücklich als Vormün- derin oder Curatrix bezeichnet wird, kann nicht befrem- den, da die Handlung selbst und eben ihre Gewalt, die auetoritatis interpositio oder der consensus, sie genügend als solche zu erkennen giebt. Zwar kam mir wohl statt des corrumpirten und zum Theil verwischten xcu t^g am Anfange der 7. Zeile, das Wort xvQiaq in den Sinn; doch wäre durch Aufnahme desselben sowohl den vorhande- nen Zügen wie der Grammatik mehr Gewalt angethan worden, als sich verantworten lässt. Dass übrigens aus dem griechischen Recht der alte Ausdruck xvgiog zur Bezeichnung der späteren vormundschaftlichen Verhält- nisse, und zwar nicht minder für die curatio oder xrjds- novict wie für die tutela oder emiqoTin beibehalten ward, ist um so natürlicher, als ja auch nach römischem Recht der Tutor und der Curator unter gewissen Umständen domini loco waren, und als Beiden wesentlich dieselben Befugnisse zustanden : die Stellvertretung und die Ergän- zung oder Gutheissung; denn wenn man auch theore- tisch die eigentliche auetoritatis interpositio und den blossen consensus im Allgemeinen unterschied: so wurde doch im Besondern, wie die Justinianischen Sammlungen darzuthun scheinen, und namentlich in der Anwendung, diese subtile Distinction nicht mit Consequenz festge- halten, vielmehr Beider Gewalt als auetoritas betrachtet. 2. Die Procura des Juden Isak. §. 8. Es dürften gleich hier noch einige andere Er- Die Procura des Juden Isak. 287 läuterungen unserer Urkunde am passendsten Orte sein. Dioskoros nämlich und Tibellas unterschreiben offenbar nicht eigenhändig, sondern an ihrer Statt ein Anderer, und zwar Isak, Abraam's Sohn (lin. 32 sq. syociipa vtxbq [avT\ [Mtcc vn. 0coxä Avy. to d l ). d. i. 605. y Jvd. ■&. d'. fjiSTcc vn. ®eoxä Avy. to ß\ d. i. 606. *Ivd. i. s. iisrci vn. 0coxä Avy. to y . d. i. 607. Und dies letztere Jahr ist es nun unfehlbar, welchem der Pap. I angehört. Denn die löte Indiction ist in dem- selben vollständig ausgeschrieben, und überdies bei der damaligen praktischen Bedeutung des Indictionscyklus ein Irrthum in der Angabe der regelmässig fortlaufenden und sich erneuernden Zinszahl weniger denkbar, als in der Angabe des Regierungsjahres der in buntem Wech- sel einander folgenden Herrscher. Zudem ist lin. 19 nicht nur Tag und Monat, sondern auch die Indiction genau *) Dies ist aller Voraussetzung nach nicht sowohl eine Ungenau- igkeit des Chronisten, als vielmehr eine Unregelmässigkeit in der kaiserlichen Datirnngsweise; man sollte erwarten: to ß'; siehe z. B. ib. p. 377 B. 384 C. lieber linea 4 — 5. 319 ebenso angegeben wie hier in der Einleitung, während das Regierungsjahr daselbst nicht wiederholt wird. Wem sollte also nicht der Irrthum bei der einmaligen Angabe des Letzern natürlicher scheinen, als bei der zweimali- gen der Indiction! Auch Hegt, wenn die Consulatsbe- zeichnungen to a, ro ff und to / officiel sind, die Quelle des Irrthums wohl klar vor Augen: der Schreiber, viel- leicht noch nicht lange im Amte und noch nicht genug- sam in die Formen eingelebt — wofür auch die mehr- fachen Verstösse und Veränderungen im Ausdruck des Actenstückes sprechen — , verwechselte wahrscheinlich die Kalenderrubriken d. h. das Jahr post consulatum -gut dem Jahre des Imperii und setzte mechanisch tqitov statt nsfiTtrov (der scheinbare Accent über dem Jota ist natür- lich nur die durch Verbleichung isolirte Oberhälfte des- selben). Die Verwechselung ist um so erklärlicher, als erst wenige Tage vor der Ausfertigung der Urkunde das Datirungsschema eine Modifikation erlitten hatte. Denn die lOte Indiction reichte vom 1. September oder dem 4. Thoth 606 bis zum 1. Sept. 607, und das 5te Regie- rungsjahr des Phokas, nach römisch byzantinischer Rech- nung d. i. vom Tage der Thronbesteigung bis zu dessen Wiederkehr (wie dies auch aus Justinian's 47ster Novelle erhellt), vom 25. November oder dem 29. Athyr 606 bis zum 25. Nov. 607 ; das 3te Jahr post consulatum aber be- gann erst mit dem 1. Januar oder dem 6. Tybi 607, — und gleich darauf am 15. Tybi d. i. am 10. Januar ward unsere Urkunde ausgestellt. — Uebrigens löst die ältere ägyptische Rechnungsweise, wonach das erste Regierungs- jahr stets bis zu dem nächsten 1. Thoth d. i. dem 29. August, als dem ersten Tage des ägyptischen Jahres reicht, den Zwiespalt ebensowenig wie die römische; denn auch nach jener würde der 10. Januar 607 oder der 15. Tybi der lOten Indiction in das fünfte Regierungs- jahr fallen. Der Irrthum bei urkundlichen chronologischen Angaben gehört auch so wenig zu den Seltenheiten, 320 Besonderer Commentar. Papyrus l. dass man sich darüber kaum mehr wundern kann. Es ist bekannt, dass auch in anderen Zeiten und Reichen des Mittelalters, z. B. unter den Ottonen in Deutschland selbst in den kaiserlichen Urkunden die Indictionen und die Regierungsjahre fast häufiger im Widerspruch als in Ueb er einstimmun g stehen; der Grund ist auch hier zum Theil die Ungeübtheit der oft wechselnden Beamten, der Kanzler (s. Giesebrecht in den Jahrb. des deutsch. Reichs unt. d. sächs. Hause, herausg. v. L. Ranke. Th. II. Abth. I. Exe. I. S. 111 ff.). — Das Datum unsers Papyrus ist also der 10. Januar 607. Lin. 6: A[vq]ijXiog Aioaxoqog *Aqcvnog. Ob der im Original durch das g des Vornamens gehende senkrechte Strich eine Bedeutung haben soll, weiss ich nicht; muth- massen lässt sich Manches ; schwerlich aber kann er den Zweck haben, das g in ein v zu verwandeln. Der Vor- name selbst ist ganz sicher; er ist genau so geschrieben wie I. 10 u. II. 7. — Wichtiger ist mit Rücksicht auf den Allg. Comm. V. §. 2 die Frage, ob 'Aqövviog Nomi- nativ d. h. Beiname des Dioskoros oder Genitiv d. h. Vatersname sei; ich entscheide mich für das Letztere aus folgenden Gründen: 1) wäre der Doppelname höchst auffallend, wenigstens in dieser unmittelbaren Aufeinan- derfolge; denn in dergleichen Fällen war bekanntlich ein erklärendes dg xai üblich, daher z. B. "Eqpoov, og xai NstXog in dem Alexandrinischen Steckbrief lin. 3 (Letronne: Recom- pense promise etc. Annonce cont. dans un pap. grec. Par. 1833. 4., 1838. 8.) wi&'ATtolXeopwgj og xal Wspfjioov&qg in der Klageschrift des Apollonios lin. 3 und in dem Ver- gleich desselben lin. 3 (Papp. Taur. No. III. IV). 2) spricht für den Gen. die Analogie mit den übrigen Namenanga- ben in unseren Urkunden, nämlich: Avqr(hog Haivpiog Wdtov (I. 10) und: Avqrihog KaXXivixog ^Oövovd-ov (II. 7 — 8). 3) bestätigt ihn die Etymologie; denn an der Ab- leitung der ersten Sylben von &p( = g<5.p, gttjp, U3p) - CJ-Ä d. i. „Horus, Sohn der — ", ist nicht im Min. Heber linea 4 — 5. 6. 321 desten zu zweifeln; nun weiss aber Jedermann dass Ho- rus ein Sohn der Isis war; mithin muss der ägyptische Name nothwendig sein: g&pCJfiHCJ oder abgekürzt g,¥ll. Die Etymologie ist einfach: JT-^Ol^ n-^M5JUL, JT-^&eJJL d.i. „der Adler." Uebrigens wäre es auch kein Wun- beit von Varges (de statu Aeg. prov. Rom. 1842. p. 62) als Be^ bauptung ausgesprochen, jedoch keineswegs genügend bewiesen. Ueber linea 9 — 10. 10. 11. 331 der, wenn bei dem Anklänge an das griechische Wort na%vg die Form des Namens auf v erst von den Grie- chen gebildet wäre. — In Wcxtov ist die Form des 4$ einem schrägliegenden Kreuze gleichend, ganz dieselbe wie auf dem Schow'schen Papyrus (tab. I); auch in der Nechutesurkunde erscheint es in dem Namen IlexsxpaiTog (lin. 9) in sehr ähnlicher Weise. Am gewöhnlichsten stellt sich bekanntlich das xp, nicht wie hier mit wage- recht gestreckten, sondern mit hoch erhobenen, jedoch ebenfalls gradlinigen Armen dar; in dieser letztern Ge- stalt erscheint es in unserer Urkunde einmal, nämlich lin. 32, wo es jedoch nicht von Sextius, sondern von Isak herrührt, — und zweimal auf Pap. II, nämlich lin. 15 von der Hand des Erstem, und lin. 29 von der des Kallinikos. Psates wird als Männername durch das Kop- tische constatirt; im MS. Borg. 145 ist *iJr«5.T6 ein no- men martyri; am wahrscheinlichsten dürfte er abzulei- ten sein von C£T6 splendere, flammeus esse, also Tl~C&Te = der Glänzende, Flammige, Feurige, wie T-C&T6 — die Flamme, das Feuer. — Die auf die Namen folgende Lücke ergänzte ich gleich Anfangs wie oben, glaubte aber später diese Ergänzung mit x\yqito\ vertauschen zu müssen, um einen Gegensatz zu dem frühern iiiö&iog TTOQcpVQOTtwlrig zu erhalten. Da jedoch y.vQiM über den Riss hillausreichen müsste und doch rechts von demselben sich keine Spur erloschener Züge findet, so kehrte ich schliesslich zur ersten Annahme zurück, um so mehr als auch vom sprach- lichen Gesichtspunkte aus das zccl cwtm als das Unge- zwungenste erscheint. Lin. 11: Havoö7z6i{£(*}Q). Wir haben über diese Stadt und den nach ihr benannten Nomos schon im Allg. Comm. II. §. 34 Einiges beigebracht. Die Formen des Namens sind IJavoarcohg oder Jlavog noXig wie bei Steph. Byz. h. v.j daher auch bloss Havog, und zusammengezo- gen Tlav6nohg\ ferner IlaviZv rcoXig wie bei Strab. XVII. p. 813, und daher wieder flavwv oder Havwv wie bei 332 Besonderer Commentar. Papyrus I. Agatharchides im Photios. Der Panopolitische Nomos wird noch erwähnt in einer Inschrift von Philä bei Gau antiq. de la Nubie pl. XI. n. 8; ferner in der Klageschrift des Apollonios (Pap. Taur. Vol. II. No. 3) litt. 36, und in einem Papyrus der Passalacqua'schen Sammlung (Catal. des antiq. etc. n. 1564 p. 276 fr. G: eig x\ov JIcc]vo7toXiTfjp nach Letronne's Restitution). Panospolis hiess im Aegyp- tischen Chemmis, Chemmo oder Chemmin, wie Diod. I. 18 ausdrücklich versichert, hinzufügend, der griechische Name sei nur die Uebersetzung davon. Die von Man- nert (Geogr. d. Gr. u R. Th. X. Abth. I. S. 374) ange- griffene Identität dieser Stadt mit dem von Herod. II. 91 erwähnten Xs^iq will ich hier nicht verfechten, zumal da die Erscheinung mehrerer gleichnamiger Städte in Aegypten durchaus nichts Seltenes ist; die Angabe Dio- dor's aber wird nicht nur durch den heutigen arabischen Namen von Panospolis: Akhmyn^ lkhmyn oder Chmin be- stätigt, sondern auch durch das koptische UJJULJIT, y^J&Nl und cyjULIfl-n&nOC (Champ. L'Eg. s. les Ph. I. p. 259). Auf die Redeutung und Ableitung des ägypt. Namens gedenke ich bei einer andern Gelegenheit zurückzukom- men : hier genüge vorläufig die Rehauptug, dass Chemmis, der griechische Pan, den nach der ägyptischen Sage Osiris (d. i. der Nil) bei seinen Wanderungen (d. i. bei seinem Dahinströmen durch die Länder) mit sich führte (Diod. I. 18), nichts Anderes zu sein scheint als Chemset oder Ckems-et) d.h. einer der acht, nach dem mystisch geo- graphischen System der Aegypter von dem Gebirge herab- kommenden Quellflüsse des Nil (cf. Geogr, Gr. Min. T. IV. : * AnomaGiMXTia rscoyocccpixa p. 38); daher galt auch Pan als eine der acht ursprünglichen Gottheiten Aegyptens (Herod. II. 145). Die Tradition ..Pan wan- dert mit Osiris" heisst also mit anderen Worten: „die Gewässer der Nilquelle Chems-et strömen mit dem Nil dahin." Die Bedeutung von ^eilC ? tenebrae,, deutet auf den dunklen Ursprung, ein Begriff^ der in den zum Ueber Linea 11. 333 JVilsystem gehörigen Eigennamen, wie ich seiner Zeit darthun werde, sehr häufig, theils unmittelbar theils durch Paronomasie, wiederkehrt. Erst aus dem Flussnamen *)£ei*C (Chemmis) scheint sich der Götter- und Stadt- name y^JtXlii (Chemmin) oder cyujfl herausgebildet zu haben. Jablonsky's Zurückführung des Letztern auf ajWHfT, ttJiAOVft d. i. „acht", ist nach dem Obigen nicht so unbedingt zu verwerfen; doch waltet allerdings auch eine Verwandtschaft wenigstens der erstem Form *)Ql$JfT mit ^JUUiT, gHJfl} fernem, incalescens ob (vom Zeitwort £*AOJUt; s. Champ. l'Eg. s. les Ph. I. p. 260 sq.), wodurch, gleichwie in der Ammonisch - Oasitischen oder in der Siwah - Sprache durch den Ausdruck Akhmoun i. e. penis, membrum virile, auf die Fruchtbarkeit oder Zeu- gungsthätigkeit des Gottes angespielt wird, welche wir ausdrücklich als Attribut der zu Panospolis verehr- ten Gottheit hervorgehoben finden (Steph. Byz. v. JIcc- vog no Xig: £[oy]co im Sinne von „so er- kläre ich ferner" gelesen werden kann — nothwendig das frühere o^ioXoyco (lin. 12) als tempus finitum im Ge- danken zu wiederholen ist, so dass es sich jedenfalls um ein Zugeständniss handelt. Wollte ich nun alle Combinationen über den Inhalt der Stelle und alle Conjecturen über die Ergänzung der- 346 Besonderer Commentar. Papyrus I. selben, wie sie im Laufe der Zeit mir in den Sinn ka- men, hier vorführen: so würde ich die Geduld der Le- ser auf eine zu harte Probe stellen und doch schwerlich zum Ziel gelangen. Ich beschränke mich daher auf zwei Vermuthungen, bei welchen als den mindest gezwunge- nen ich zuletzt stehen blieb. Alles kommt nämlich dar- auf an, ob das anoGvrjvai, ano %ov aov oixov 1 ) von dem durch dvai bedingten Schlusssatze oder von dem vorhergehen- den üvfjbßcciTj abhängig ist. In dem erstem Fall muss der Sinn der sein: „Wofern geschähe was vertrag- gemäss (ausgemacht, ausbedungen, stipulirt, der Ver- pflichtung oder Zusage gemäss) wäre, so erkläre ich, dass mir überdies das Verlassen deines Hauses unmög- lich (oder unerlaubt) sei, bis dass die beiden Jahre der Verpflichtung, mich dir in besagter Weise zu wid- men, vollständig erfüllt sind." Dann könnte man die erste Lücke etwa durch an iq[ov^(svov)], und die zweite etwa durch [ov]% [ot]ov ergänzen. Der Gebrauch von sqsw in der hier angesprochenen Bedeutung würde nicht auf- fallen können; bekanntlich heisst grade in Urkunden und Gesetzen ^iq^uai so viel wie cautum est; daher die Re- densart and tov noosioijiisvov oder an siQTjfispov d. i. se- cundura id quod cautum est, dem Stipulirten gemäss; mithin wäre an ioovfisvov so viel wie „secundum id quod cavetur" oder ^,dem gemäss was (jetzt) stipulirt wird u ; diese Ergänzung würde also sowohl der Situa- tion wie dem Räume vollkommen entsprechen; denn die ') Beiläufig bemerke ich, dass ofoos in den bisher entzifferten Pa- pyrusrollen, während die Form olxla so oft erscheint, nur zwei- mal so viel ich weiss vorkommt, nämlich in dem Familienbriefe der Isias unter den britischen Papyren CDescription etc. p. 46. No. XVIII. lin. 5 : ol Iv afycoft nävzsg) und iu dem Leydener Pa- pyrus No. 75 (s. Reuvens Lettr. I. p. II, 2ter Paragr. der Isten Sect. lin. 1); ausserdem jedoch mehrfach in den bisher nur im Facsimile edirten Salt'schen Papyren (s. Young: Hieroglyphics p. 52 No. 2 und 3) von horoskopisch-astrologischem Inhalt. Ueber linea 24 — 27. 347 Endung muss man sich in der gewöhnlichen Weise der Participia auf psvog (s. ad lin. 22) abgekürzt denken. Auch für die zweite Lücke scheint, wenn man nicht etwa \ov\% ov lesen und dies durch ne unquam (nimmer) interpre- tiren will, sich nichts besser zu eignen, als eben [ov]% [ol]ov; das x lässt zur Linken das ov um so eher zu, als man sich das v über dem o und in Berührung mit der Spitze des x stehend denken darf; der Raum zur Rechten ist zwar auf keinen Fall für 2 breite, wohl aber für 2 so schmale Buchstaben wie ov hinreichend; Nichts hindert, sie sich noch enger geschrieben vorzustellen, als z. B. in oUov lin. 25, oder in aoi lin. 30. — Im zweiten Falle, wenn nämlich anoGTrpai von tfvfißatij abhängig ist, würde der Sinn der sein müssen: ^,Wenn es sich ereignete — was der Sache (dem Gewerbe) entsprechend wäre — , dass du dein Haus verliessest: so erkläre ich, dass ich nichtsdestoweniger das Gesagte zu leisten habe, bis die beiden Jahre der Verpflichtung, mich dir zu widmen, er- füllt sind. 4 ' Dann könnte man die erste Lücke etwa durch an so[yov], und die zweite etwa durch X[vts]ov ergänzen, so dass das ccttsq Xsyco von diesem Adj. verb. abhängig wäre und dieselbe Construction sich ergäbe wie in dem Satze noirjTsov poi ian nccvtcc. Unter keiner Bedingung kann man den Sinn „so habe ich doch das Gesagte (d. i. den Sold) zu erhalten" hier suchen und etwa X\v%\6v lesen wollen, obgleich sich dies sehr gut in die Lücke fügen würde; denn einmal wäre das eine Forde- rung, während es sich nothwendig um eine Concession handeln muss, und andrerseits müsste dann auch otxsq gelesen werden, was paläographisch unmöglich ist. — Ich will nun keineswegs läugnen, dass in beiden Fällen noch manche Bedenklichkeiten obwalten; so ist mir u. A. im ersten der Aorist, im zweiten das Ttootifai anstössig. Doch habe ich mich in der Uebersetzung und in der Analyse, die bei Annahme des zweiten Falls entsprechend zu modificiren wären, deshalb für den erstem Fall ent- 348 Besonderer Commentar. Papyrus I. schieden, weil der Bedenklichkeiten hier doch wenigere sein dürften, und weil der hiernach entstehende Gegen- satz des anoairivai als Verlassen mit dem sxßaZstp als Entlassen in der That ein beabsichtigter zu sein scheint 1 ); auch ist die zweite Lücke für die Ergänzung vre weni- ger ausreichend wie für ot; wem aber auch diese Buch- staben noch unbequem erscheinen, der würde durch An- nahme des ov% ov jeder Ergänzung überhoben sein. Zwar hat Bergk in seiner Erklärung des dialektischen Manu- scriptes, wo ov und ovx häufig erscheint, die Bemerkung gemacht, se in xVegyptiacis papyris nusquam ov, saepe ovdsig, ovdsp, \ir\, (jnjdsig, alia legisse (1. c. p. 24 not. 1); dies ist indessen kaum glaublich, da doch abgesehen von dem dialektischen Manuscript jene Negation in der That auch sonst und sogar ziemlich oft in den Papyren vorkommt. So lesen wir in den Acten des Hermias p. 9 lin. 2 (Pap. Taur. No. I): ovx ccp; p. 6 lin. 16: ovx s% qv; p. 2 liu. 18: ovx dgxso'9-spTsg', lin. 31: ovx aTiijpTyo'ocp ; in der Klage- schrift des Hermias (ibid. No. II) lin. 4: ov [isToicog; ebenso in der Klageschrift des Osoroeris (ib. No. V. lin. 6. VI. lin. 7. VII. lin. 4); in der Klageschrift des Petene- photes (ib. No. VIII) lin. 71: ov xa(%M)x(pi\Gs)\ in der Bittschrift des Ptolemäos zu Gunsten der didviiai lin. 11 (Pap. in the brit. mus. No. V): ov ßovlo^svog-, lin. 23: ov dvva%\ No. XI. lin. 22: ov dvpa t u£pov', in dem auf eben- dieselben bezüglichen Processmandat lin. 11 (1. c. No. XII): o{v) Xizovgyovaip ■; lin. 16: ov avxai\ in den Fragmenten auf dem ägypt. Mus. zu Berlin A lin. 6 (Catalog. etc. n. 1564): ov {israiJLsXijfösig) ; lin. 10: ov diqQ({irjpsv)Gccp ; in dem Ley- dener pap. biling. Col. 10 lin. 6 (Reuvens Lettr. I p. 38 sq.): sp olg ov dvpr(. Dagegen kommt nun das ovx m den ') Für den zweiten Fall dürfte Manchem das folgende rou na/v- fiiov (sc. rtg) zu sprechen scheinen, als ob nämlich dadurch die Abwesenheit des Pachymios vorausgesetzt würde, da sonst wohl eher 6 Tlayv^xiog zu erwarten wäre. Doch einen entscheidenden Grund kann diese Wahrnehmung schwerlich abgeben. über linea 24 — 27. 349 bisher edirten Papyren allerdings nicht vor; dadurch kann aber unsere Lesart nicht widerlegt werden; denn alles Erscheinende muss doch ein Mal zuerst erscheinen; und dass die Aspirata in der ägyptisch- griechischen Schreibart grade nichts Unerhörtes waren, beweist z. B. die dem ov% olov ganz entsprechende Verbindung sq? ö(öo)r in der Klageschrift des Hermias lin. 12 (Pap, Taur. No. II). — Schliesslich bemerke ich der Veranlassung halber, dass ich nicht der Art und Weise beipflichten kann, wie Bergk (1. c. p. 23 sq.) das ov xolda } ov xs%- ad-qr^aqj ov xyg u. s. w. in dem dialektischen Manu- script zu erklären sucht; statt den Schreiber als „ Graeci sermonis prope ignarum" anzuklagen ^ müssen wir viel- mehr unseren modernen Ansprüchen auf genaue Worttren- nung der alten Cursivschrift gegenüber entsagen. Auch in unseren Papyren ist z. B. nicht 0coxä tov, sondern ®ooxav ov geschrieben, nicht ccvtoxqcctoqoc stovg tql- tov , sondern avTOxoccTooo Csrov tixoitov, nicht tcooq stgqv, sondern ngo GstcöVj nicht scog 7TÄ7]qoi\u., sondern sa> airl^- qoi\ü.j nicht (jkxotvqm Tijds ti\ } sondern [A(xqtvq. cottj östtj u. s. w. Freilich kommt nun auch z. B. xs^a&oijaag ohne ot> vor; in solchen Fällen ist aber das x schwerlich etwas Anderes als eine Abkürzung für ovx, und wenn die Ne- gation vom dialektischen Gesichtspunkt aus hin und wie- der ungehörig erscheint, so ist das eine Sache für sich und könnte nur dazu dienen, die Vermuthung zu bekräf- tigen, dass man es mit einem fehlerhaften Schülerversuch, nicht aber mit dem Werke eines Meisters in der Dialek- tik zu thun habe (s. ob. zu lin. 8. S. 327). Die sprachliche Unwissenheit, die Bergk dem angeblichen Abschreiber zu- muthet, ist in der That zu grob, und die künstlichen Combiiiationen, wodurch er sie zu erklären sucht, sind wiederum zu fein. Lin. 27: ß[o]vXtj3irj für ßovXTj&sirj. Der Jotacismus tritt uns in den Papyren häufig entgegen; in sehr hohem Grade herrscht er z. B. in dem Processmandat aus den 350 Besonderer Commentar. Papyrus I. Acten der Didymai, in den brit. Pap. No. XII. Eine Consequenz nimmt man dabei nirgend wahr. — Die 3te Person des Zeitwortes, verbunden mit dem nicht zu be- zweifelnden Genitiv rov JIaxv[iiov 9 bezeugt hinlänglich dass der Schreiber ein tiq im Sinne gehabt; die Auslas- sung desselben bethätigt von Neuem dessen Flüchtigkeit. Lin. 28 : aoi. Es erhellt nicht nur aus unseren, son- dern auch aus anderen Papyrusurkunden, dass der ägypt. Notar der Einen Partei gegenüber die Andere unter- schiedslos bald als zweite bald als dritte Person be- handelte, und dabei mit so grosser Licenz verfuhr, dass er öfters, wie hier, die 2te und 3te Person in einem und demselben Satze gebrauchte. Lin. 29: [ovx scroti xa\dolo{v). Das setzen empfiehlt sich schon dadurch, dass es mit dem frühern slvai lin. 27 am besten correspondirt; überdies aber erklären sich die beiden innerhalb der Lücke befindlichen Züge am leichtesten , wenn man den ersten derselben als die in den folgenden Buchstaben hineingezogene Endschleife eines «, und den zweiten als den Anfang eines i betrach- tet. Das xa muss man sich ganz ebenso geschrieben den- ken, w T ie in demselben Worte lin. 31. In den Papyren kommt das Adverb. xa&6Xov nicht selten vor; in. s. z. B. die Hermiasacten p. 5 lin. 35, p. 7 lin. 6. 30. 32, p. 8 lin. 6; Bart's Manumissionsacte lin. 16. Lin. 30: s[d]v, [sco]g tiXijqsiq siG, u(a) nqoysyQaii{svd) jiävx(a) s[mTsX]co Goi. Eine andere Ergänzungsweise er- scheint mir unmöglich. Ich bemerke nur: 1) In der mit Krit- zeleien hinlänglich versehenen Lücke zu Anfang der Zeile scheint Sextius, indem er vielleicht slai im Sinn hatte, in der Flüchtigkeit zuerst sav si geschrieben, dann aber das noch sichtbare i, welches ganz dem in si lin. 24 und lin. 27 entspricht, möglichst zu dem Ende des hineincorrigirten (a benutzt zu haben. Zu sav smzsXco bildet das sav rta- oadsMVvco in den Hermiasacten p. 3 lin. 11 eine Parallele. 2) Bei dem Plural nl^qsig hatte derselbe offenbar das Ueber linea 27 . 28 . 29 . 30 . 31 . 32. 351 Substantiv der Hauptbestimrnung Iviavxoi im Sinn, un- geachtet unmittelbar vorher (lin. 29) der Singular %qovov gebraucht ist. 3) Das ela habe ich im Texte absichtlich nicht zu da[i] ergänzt, weil das i nicht etwa erloschen ist, sondern vom Schreiber — ein neues Zeichen seiner Eil- fertigkeit — wirklich ausgelassen ward. 4) Das über dem c befindliche t ist so sicher die Abkürzung des Ar- tikels t«, wie in dem zweitfolgenden Worte das t über dem v die Abkürzung für %a als zweite Silbe von navxa. 5) Das Zeitwort imtsksco erscheint in ähnlicher Weise mehrfach in den Papyrusurkunden; man sehe Pap. Taur. Vol. I. No. I (Hermiasacten) p. 8 lin. 15. 19. 22. 32; Pap. in thebrit. mus. Parti. No. II (Bittschr. des Ptol.) lin. 24; No. III (Bittschr. der Didym.) lin. 27; No. IV. lin. 23 ; No. XV. lin. 14; Leyd. Pap. bil. No. 65 bei Beuvens Lettr. I. p. 38 Col. 10. lin. 5 und bei Leemans XVI. lin. 13. 6) Vor dem oi am Schlüsse der Zeile scheint sich auf den er- sten Blick ein ^ zu präsentiren ; dass aber der eine Zug das Ende des vorhergehenden Buchstabens, also des zum Theil erloschenen «, der andere ein tf sei — dies beweist der von der Spitze des Letztern zu dem i führende Ver- bindungsstrich. Lin. 31: Ol JiotixoQOg xal TißsXÄäg [o]l \ri\QOXs{iixsvoi). Das ol erklärt sich dadurch, dass nicht Dioskoros und Tibellas selbst dies geschrieben haben, sondern für sie per Procura der Jude Isak (s. Allg. Comm. V. §. 8); es ist also erzählend oder referirend, und hinter dem ttqo- xsi^svoi muss im Gedanken etwa ergänzt werden: X£- yovöt, Tade. Lin. 32 : £[d6]x£t. Das scheinbare i% hinter den Res- ten des o ist eine besondere drei zügige Form des x, welche sich auf Pap. II. lin. 27 iu demselben Worte wiederholt und aus einer eigenthümlichen vierzügigen entstanden ist, wie wir sie in dem nqox der vorliegenden Zeile, vornehmlich aber auf Pap. II. lin. 26 (KcdMvixog), lin. 27 (jtqox) und lin. 28 (ngoxsi) finden; sie gleicht hier 352 Besonderer Commeiitar. Papyrus I. ganz der arabischen Zahl 14 in verschobener Lage; auch anderwärts kommt sie vor (s. z. B. Corp. insc. gr. n. 1086). Dass der vierte, an sich unnütze Zug nicht als ein Abkürzungs- oder Verbindungszeichen, oder doch nicht immer als ein solches zu betrachten ist, sondern vielmehr als ein Schönheitszug: dies beweisen die Stel- len II. 26 und 28, wo diese vierzügige Form mitten im Worte, und in der erstem auch vom folgenden Buch- staben ganz getrennt erscheint. Aus ihr entsprang nun die hier in Rede stehende drei zügige Form, dadurch dass man den zweiten Zug wegliess, in Folge dessen sich eben das Ganze als ix darstellt. Sextius selbst ge- braucht diese beiden besonderen Formen nicht; sie ge- hören den Unterschriften des Isak und des Kallinikos an. — Die Gangbarkeit des Ausdrucks doxsi oder edoxsi in Formeln wie die fragliche ist bekannt; äqsGxsi, würde sich ebenfalls in den Sinn, nicht aber in die Schriftreste fügen; denn könnte auch der Rest des o ein tf repräsen- tiren, so bliebe doch für qs kein Raum übrig. Zudem wird unsere Lesart durch die Analogie von Pap. II. lin. 27 bestätigt. Die Bart'sche Manumissionsacte lin. 20 hat die Wendung svdoxw riäai, welcher Ausdruck auch in den Acten des Chonuphis lin. 11 (Pap. Taur. Vol. II. No. XIII) und in der Klageschrift des Petenephotes lin. 3S (1. c. No. VIII) erscheint. — Die Formel wg noö-Aeixai tritt, wie in dieser Zeile, so auch in Pap. II. lin. 28 und in der Manumissionsacte lin. 21 auf. In dem Casati'schen Papyrus ist statt .cov . . . . xa ... . nqoxeizai (bei St. Mar- tin 1. c. p. 567), aus dessen Anfang Reuvens (Lettr. III. p. 7) Bwvrjiiai macht, wohl ebenfalls zu lesen: svdoxoo na<5i (Og TZDOXSITCU. Lin. 33: [avT\mv. Obgleich die Lücke auch tovtcov zulassen dürfte, ziehe ich doch das Pronomen avzog vor, da es in dieser Formel gangbarer gewesen zu sein scheint als das Demonstrativum (s. Allg. Comra. V. §. 8). Das Ver- hältniss des *Ig y Avxia» Havü u. s. w. 23 354 Besonderer Commentar. Papyrus L 11. Vol. II. p. 63) sich berufen wollen: doch ist flies er- habene kleine o allem Anschein nach selbst nichts an- ders als das Zeichen der ertlichkeit; Peyron bemerkt darüber nichts, übersetzt aber: in pago Callid«. *) Die einzig nocli mögliche Erklärung wäre die, dass Tct[iO-co ]i ^egl] erscheint schon um deswillen nicht zulässig, über lutea 16—17. 373 weil unter dem auf das n folgenden Zuge, aller Voraus- setzung nach nie ein zweiter, wie ihn das s erheischen würde, vorhanden war: naqa heisst: „im Vergleich, im Verhältniss, gegen (d.i. gegen etwas gehalten), we- gen (propter)"; also naqa a ecaxTov %vXa: „wegen .der Hölzer, die icli besorgte " 5 d.i. augenscheinlich so viel wie: ,,auf Abschlag für" (vgl. die Bemerkung zu Pap. I. lin. 17). — In dem folgenden a scccttov ist das erste a zum Theil erloschen; die daraus entstehende Un- deutlichkeit wird dadurch noch erhöht, dass der Schrei- ber es mit dem ersten Zuge des € unmittelbar verband, so dass dieser zusammen mit der erhaltenen rechten Hälfte des a jetzt auf den ersten Blick ein t darzustellen scheint, — mit welchem Buchstaben indessen gar nichts anzufangen sein würde, da das Wort hatrov selbst unantastbar ist. Die Form des s nämlich, in zwei isolirten Zügen, wovon der untere sich aus dem vorhergehenden Buchstaben heraus- bewegt, ist durchaus nichts Seltenes; sie erscheintauf ähn- liche Weise z. B. in nsvrs lin. 20, in ecog lin. 25, in stvsqx lin. 26. Wie oft aber die umgestülpte Form des x in unse- ren Urkunden sich darstelle, haben wir im Allgemeinen schon zu Pap.I. lin. 9 — 10 nachgewiesen; im Besondern ent- spricht dem Guss, in welchem an unserer Stelle dieselbe zweimal erscheint, am vollkommensten Pap. I. lin. 3: 0coxä tov; lin. 4: Avyovaxov; Pap. I!. lin. 3: nvsv^aTOQ und ßaöiXeiag zov\ lin. 5: Avyovoxov, lin. 21: ixacftov. Die schlagendste Vergleichung indessen für s und t zusammen- genommen gewährt das Wort xsrdorov (Pap. II. lin. 6), wo beide Buchstaben zugleich in denselben Formen und in derselben Art der Verschmelzung vorkom- men. — In %vXa gleicht das X einem v und das a ei- nem o. Doch findet sich jenes ein zügige, rundliche X in ähnlicher Weise lin. 19: xccXov, auf Pap. I. lin. 10: AvQfjXio) und lin. 19: <$vX\ es entspricht der 3ten und 6ten Form auf dem Schow'schen Pap. tab. I. Der Ueber- gangsstrich zum nächsten Buchstaben scheint nicht min- 374 Besonderer Commentar. Papyrus 11. der dessen Abhängigkeit von den vorhergehenden , wie der leere Raum dahinter dessen Unabhängigkeit von den folgenden zu beweisen; dann kann aber auch dieser nächste Buchstabe nichts Anderes als ein « sein; wirk- lich tritt auch anderwärts das a in einer vom o nicht unterscheidbaren Gestalt auf, wie besonders im zweiten xai lin. 2, in nvsviiatog lin. 3, in KaXMvtxog lin. 7, in AvqriX lin. 10, und mehrfach lin. 18; ebenso auf Pap. I, wie namentlich in ovo^axi lin. 1, ferner lin. 4: ccwoxod- toqoc, lin. 5: dsxdxrig^ lin. 7: arto, lin. 11: äno u. s. w. — In (pvXXcodij erscheinen die beiden auf das w folgenden Züge sehr passend als der untere Doppeltheil des d, wie die- ses auf Pap. IL lin. 2. 4 und auf Pap. I. lin. 13 (zweimal). 14 (zweimal). 15 und 17 sich darstellt, nur dass an un- serer Stelle der obere Theil nicht wie gewöhnlich grad- linig, sondern gerundet gewesen zu sein scheint. Das r\ erscheint zwar auf den ersten Anblick als ein x\ allein grade eine solche Form des x würde auf ünsenn Papy- rus ganz isolirt dastehen, während der Buchstabe sich ohne Zwang als ein t\ auffassen lässt, wofern man nur den Zug, der ihm den Schein eines x giebt, richtig zu würdigen weiss. Man könnte denselben für einen ver- fehlten Zug erklären, wie deren ja jedem Schreibenden entschlüpfen, oder für einen Uebergangszug, der zw T ar weil zwischen zwei Wörtern befindlich übel angebracht wäre, aber doch nun einmal in solchen Fällen nicht sel- ten angebracht wird (man s. nur lin. 3. 6. 7. 23 und Pap. I. lin. 3. 4. 20. 21. 22. 25. 27. 30), und dann aller- dings nicht wenig dazu beiträgt, das Entziffern zu er- schweren. Doch bedarf es hier weder der einen noch der andern Aushülfe ; vielmehr ist jener Zug augenschein- lich nichts weiter, als die obere linksweg gezogene Schleife des folgenden s\ sowohl durch diese Schleife wie durch den Schlussstrich des t? sind beide Buchsta- ben allerdings innig verschlungen. Wie sehr übrigens im Allgemeinen x und rj sich ähnlich sehen, zeigen unter Ueber linea 16 — 17. 375 anderen zahlreichen Beispielen lin. 13 und 14, wo beide Charaktere unmittelbar auf einander folgen. In sprachlicher Hinsicht ist noch zu bemerken, dass %vXa (pvXXoodr] gewiss ebenso gut gesagt werden kann wie dsvöqa (pvXXocpöoa; Beides heisst Laubholz im Ge- gensatz zum Nadelholz oder überhaupt zum Nicht-Laub- holz, nur sind %vXa die schon gefällten, zu Nutz-, Bau- oder Brennholz bestimmten Bäume, dsvöqa aber die noch stehenden oder Behufs der Transplantation sammt den Wurzeln ausgegrabenen und folglich noch triebfähigen; dieser Gegensatz erhellt zum Beispiel, wenn es eines sol- chen bedarf, aus Dion Chrysost. Or. VII (Venator) p. 109, 22: to)p %vXo)v ovSsv nlsov söviv löstv^ rj trjv TsQccv. p. 111, 43: top xrjjtov . . . Xa%Gig, wohl unterscheiden. Diese Letztere ist es, welche im Athyr (der vom 28. Octob. bis zum 26. Novemb. reicht) beginnt, und zwar nach dem Religionskalender, also nach priesterlicher Feststel- lung, wie es scheint, am 17ten dieses Monats d. i. am 13. Novemb., mithin wenige Tage vor unserm Quit- tungsdatum. Es erhellt dies aus der klassischen Stelle bei Plut. de Isid. et Osir. p. 366. ed. Reisk. T. VII. p. 446: ^ ydo Xsyopsvrj xd&siofyg slg Z7jv Goqov °OaiQidoCj ovösv soixsv dXfi tf xqvipiv vdazog xai dcpaviOfiov alvizzso'&ai. Sio fi7]vdg *A&vq dcpaviö&ijvai xov "Qciqiv Xsyovöiv, öxs xcov sxijcIcüv cmoXunovToav navxdnaGtv , 6 psv JS st log vnovo- öxst, yvfivovxai 6 s t} %(oqa^ [iTjxvvofjbsvqg 6s xfjg vvxxog av^szai xo cfxozog, rj ös zov cpcozog \iaqaivszai xai xqazstzav dvvapig. In der heidnischen Zeit waren deshalb vier Trauertage, so wie auch vier Objecte der Trauer. Ol IsgsTg, fährt Plutarch fort (die Interpunction der Heraus- geber ist in der ganzen Stelle falsch und sinnentstel- lend), dXXa ts dowöt, öxv&Qtond, xai ßovv 6id%qvtiov l[ia- xico [isXavi ßvGGivco nsqißdXXovzsg, im nsv&si zrjg &sov 6six~ vvovöi (ßovv ydq ^Ooigidoc sixova xai yfjv vo t ui£ov&iv) im zsö- Gaoac, ^asqag and zrjg sß66 t urjg siii 6sxa s%fjg. xai ydo xd nsv&ov [jbsva xstiöaqa' tiqüqxov (jlsv o NstXog anoXsi- ix cor xai vitovoaxcov' 6svxsqov 6s xd ßoosia nvsvfiaxa xa- zaößsvvvfisva xo(MÖ7J xwv vozicov smxqazovvzcov' xqixov de xd zt)v itfisqav sXdzzova yivsa&ai xijg vvxxog' inl naciv rj zijg yijg dnoyv [ivcoöig dfia zfj xcov cpvxcav xpiXoxrixi xtjvi- xavxa (pvXXoqqoovvxwv. Tfj tfsvvdzr^ im ösxa vvxzog x. x. X. Das Ende der dnoyv [ivtoöig war der Anfang der zqvyij, die mithin erst — aber auch nur — einige Zeit nach unserm Quittungsdatum eintrat; folglich stimmt hiermit das öl oXiyov treffend überein. In unserm Papyrus ist nun die Zeit der Trocken- Ueber linea 23. 24. 391 heit, von der zweiten Hälfte des November bis zum Juli, als die Terminalperiode angesetzt, innerhalb welcher die Ratenzahlungen beendet werden mussten, so dass, da am 18. November noch 22 Solidi und 88 Kuphen restirten, durchschnittlich alle 11 bis 12 Tage 1 So- lidus nebst 4 Kuphen zu entrichten war (vgl. Allg. Comm. IV. §. 27 und 37;. Gegen die Annahme, nicht die Dauer, sondern der Eintritt der Trockenheit sei als Termin bezeichnet, sträubt sich sowohl der Nexus der Worte wie die Kürze der Zeit. — . Statt dt[6]Xi(yov) las ich, ehe ich die matten Spuren des 4t. wahrnahm und die Form des d erkannte: qidri], was zwar nach dem Bisherigen, wenn von der dnoyv pvcoaig die Rede wäre, ganz trefflich passen würde, mit Bezug auf die TQvyt] aber entschieden unpassend ist; überdies lässt die Fu- turbedeutung des Präsens elpi neben dem avveiaiovatjg ein auf die Vergangenheit hinweisendes ijöt] gar nicht zu. Um so weniger kann über unsere Lesart ein Zwei- fel bleiben, oder doch höchstens etwa nur darüber, ob der noch sichtbare Anfang für ein blosses d oder als di> zu erklären sei. Lin. 24: x M Qk vrraQxisiv). In dem Text ist das tc in runder und daher trüglicher Form geschrieben; des- halb ist vielleicht der darüber befindliche Buchstabe als ein der Deutlichkeit halber darüber gesetztes eckiges n zu betrachten; eher jedoch dürfte derselbe für ein % gelten, dem über stisq (lin. 2fi) befindlichen entsprechend, nur dass sich beim Grundstrich die Feder gespalten haben müsste. Ein tov ist hinter x w Q^ au f keine Weise zu Tage zu för- dern. — Die Entzifferung des folgenden §[iavzfj[g\ mag jetzt, wie jedes noch so schwere Räthsel sobald es einmal gelöst ist, leicht erscheinen. Die Verschlingung des s und des H ist befremdend, doch in der That mehr originell als. unnatürlich; auch haben wenigstens eine bedingte Aehn- lichkeit die Verschlingungen von (ffi in voiiic^a lin. 16 und von aap in mav^aapov lin. 21. Der ausholende Zug 392 Besonderer Commentar. Papyrus II '. des a ist nicht minder seltsam; doch kommt auch dieser auf Pap. I. lin. 35 in den Wörtern x&v und fiaQTVo(co) vor, nur nicht bei einem «, sondern bei co und v, und nicht von der Hand des Sextius, sondern von der eines Zeugen. Von dem g endlich ist nur noch der oberste Theil sichtbar. Am auffälligsten dürfte der Hiatus er- scheinen; er ist entweder als Nachlässigkeit zu erklären, insofern etwa Sextius, als er vno ausschrieb, noch nicht klar an das zunächst zu setzende Wort dachte, oder als Folge einer allgemeinern Entwöhnung von dem Brauche der Elision. In unseren beiden Urkunden trat die Ge- legenheit sie anzuwenden nur selten ein, und doch fin- den wir in diesen Fällen mehrmals den Hiatus; so Pap. I. lin. 11: vvv de smd.j Pap. H. lin. 12: vvv dl olxovvxi. Des- halb glaubte ich auch lin. 16 lieber tiMJL^7 -^Sv, %J( rA Kr * "/tc Nill „.A3, i-rv'Afj/^yt-is^^rt,^^- r ^ 4^^« :>■' ■■■•■■ ? -'• >.,w 7 > PLAN der Gegend von. This ^^f^^ii^#^%i^ÄÄi I / £ I Deacidified using the Bookkeeper process. Neutralizing agent: Magnesium Oxide Treatment Date: July 2006 PreservationTechnologies A WORLD LEADER IN PAPER PRESERVATION 1 1 1 Thomson Park Drive Crantoerry Township, PA 16066 (724)779-2111 ■Mi,',, ■ B HS $888 F ■ Emi0w9§ ^1 ■ •Hih't HHMMn IBBIffl aWHWBi/B MJWIYWB ■ I .f;r'