m^^' Beutöcfjlanti unb (l^eötcrreici)— Mnsarn öinb einö! ^cfjtoar^— 3^ot— #oUj feommt tuicbcr ^u Cfjren! DiliKlIB^^^^^^ i Der Freiheitskampf | der Deutschen Nation Eine Apologie fuer das Recht im Europaeischen Krieg von Karl Halm i, Sekretaer des Deuisch-Oesierreich-Ungarischen Hilfsverbandes von Sued Californien und der Deutschen Gesellschaft von Los Angeles, Cal. Copyright 1914 by Karl Halm, Los Angeles, Cal. il!illlllllllllllllllllll^!IIIIIIIIIIIillllllll!l)^!ililllill^ M i.?f^.illiliililllllllllllli.?^;^iilllllllllllllllllllli,^^.^,illllllllllllllllll,^£,illll^ OCT 14 1914 CI.A388432 2UH Vorwort, von Otto Kueck, K. D. Konsul Seite 7 Wo ist das Recht und Wer wird siegen ? ' 9 Begleiterscheinungen und Folgen des europaeischen Krieges ! 29 Der Kampf und die Arbeit des Deutschtums in den Ver. Staaten 35 Das Goldene Jubilaeum des Roten Kreuzes 42 Historische Dokumente und Reden Seite 47 Die Kaisertelegramme Depeschenwechsel zwischen Berlin und London. Die Thronrede des deutschen Kaisers "An das deutsche Volk" "An die deutsche Frauen" Die Erneuerung des Eisernen Kreuzes Die deutsche Proklamation an die Belgier Die Stellung der Sozialdemokraten , 48 52 56 58 59 60 62 63 ^ortport Eine der traurigsten Begleiterscheinungen in dem gegen- waertigen Weltkrieg ist fuer das Deutschtum hier in Amerika, die deutsch-feindliche Stimmung der anglo-amerikanischen Presse und einem grossen Teil der Bevoelkerung. Den Deutschen Amerikas ist daraus eine ungeahnte Auf- gabe geworden, naemlich: den Amerikanern zu beweisen, wo das Recht und wie ungerecht und undankbar diese ihre Stellung der deutschen Nation gegenueber ist. Um dieses nun wirkungsvoll tun zu koennen, ist es not- wendig, dass jeder Deutsche hier sich genau mit den Ursachen, welche diesen Krieg herbeigefuehrt, vertraut macht, so dass er im Stande ist, wo immer sich Gelegenheit bietet fuer das Recht seines angestammten Volkes einzutreten. In den folgenden Kapiteln giebt nun der Autor — eine unter dem Deutschtum wohlbekannte Persoenlichkeit, auch auf dem Gebiete der Verfassung derartiger Schriften anerkannt, selbst in Deutschland, w^ovon seine beruehmte Broschuere: "Zeppelin und seine Geschichte" herausgegeben von der Firma Unger und Hoffman A. G. Dresden, beredtes Zeugniss ablegt — in einer packenden zu Herzen gehenden Weise, jedem Deutschen eine Waffe in die Hand, w^elche, zur rechten Zeit und am rechten Ort angewandt, nicht verfehlen wird eine ein- drucksvolle Apologie fuer die deutsche Nation und ihren grossen Freiheitskampf zu w^erden! Noch eine zw^eite nicht minder wichtige Aufgabe w^ird diese Broschuere erfuellen: Sie w^ird Tausenden von Deutschen "den Rueckgrat" staerken, w^elche durch die Tatsache der vielen Feinde Deutschlands fuer das deutsche Volk zittern und durch die luegenhaften Siegesnachrichten der englischen Presse sich entmutigen lassen. Der Geist, der aus diesem Werk dem Leser entgegen weht: ist der Geist des Sieges! — Derselbe Geist, der die deutsche Armee ja das ganze deutsche Volk erfuellt! Kein Deutscher wird es auf die Seite legen koennen, ohne dass die Flamme der Liebe zu seinem Volk neue Nahrung gefunden und die Siegesgewissheit des Autoren auch den Leser erfasst. Selbst tief davon ergriffen, bekleidet dieses vorliegende Werk — wohl das erste in solchem Umfang im Westen Amerikas heraus gegebene — meine innigsten Glueckwuensche. Los Ansreles, Cal. am 1 . October 1914. OTTO KUECK, Kaiserlich Deutscher Konsul, Chihuahua, Mexico. —7— Feinde ringsum! — Mag es sein! Es saust ein Reiter durch deutsches Feld. Er ruft, dass es ueber die Berge gellt: Hallo, zum Traeumen ist keine Zeit. Heraus aus dem Haus und das Schwert bereit! Wir ziehen zum blutigen Stelldichein, Feinde ringsum! ■ — Mag es sein. Mag es sein, unsere Faust ist noch nicht erschlafft. Wir sind noch geruestet mit Eisen und Kraft, Wir wuerden, noch jung ist unser Ruhm, Ein Herz, ein Volk und ein Kaisertum. Wir wollten nichts als den Frieden allein. Feinde ringsum! — Mag es sein. Die Fahne empor! Marsch, marsch! Aufs Ross! Herr, Herre, sei du unser Kampfgenoss! Erwachtet, erwacht zur heiligen Schlacht! Die Nachbarn duerstet's nach unserer Macht. Und her das Gewehr! In die Feinde hinein! Feinde ringsum! — Mag es sein. Wir kaempfen fuers Leben, wir kaempfen fuers Recht, Wir kaempfen fuers kommende Geschlecht, Fuer Weib und Kind, fuer Hof und Haus; Wir fuehren fuer unsern Herrgott den Strauss, Fuer unsere Scholle, fuer jeden Stein. Feinde ringsum! — Mag es sein. Lebt alle wohl im Deutschen Reich! Ihr Freunde, ihr Brueder, Gott schuetze euch! Wie ist die Zeit doch ehern bestellt! Ein Heiliger reitet ueber das Feld. Und hell klingt's am Meer, an der Weichsel, am Rhein; Feinde ringsum! ■ — Mag es sein. Fritz Herz. ir" ^iV/ir \^!Sr ^S'Sr'ir' "^JsViJ^ ^Y'-^ \'^'^' ■%'^'^' ~S)^,- deutschen Zeitungen haben sogar auf ihrer Vorderseite englische Leitartikel, in denen sie die Sache r)eutscV>land^ m-f: treflFertrIen Arcrumente verfechten, die ihren Eindruck auf die Amerikaner nicht verfehlen u. um dieser Artikel w^illen einen noch nie da??ew^esenen Absatz bei dem enp^lisch sorechenden Publikum finden. Dieses ist *»in moralischp»* Siesr fuer das Deutschtum, dessen Tragweite nicht zu unterschaetzen ist. Schulter an Schulter mit der deutschen Presse kaempft das grosse Deutschtum gegen diese deutschfeindliche Stimmung u. bietet so derselben einen starken Hinterhalt. Wenn je von einer Einmuetigkeit des Deutschtums in den Ver. Staaten die Rede sein kann, dann ist es in diesen Tagen. Das "Einig einig einig" des Kaisers hat auch hier ueber dem Ozean einen maechtiß-en Widerhall gefunden. Gegensaetze, Meinungsverschiedenheiten, politische Partei-Stellungen etc. etc. sind gefallen. Selbst die deutschen Vereine u. Kirchen die sich ganz besonders um der Prohibitionsfrage willen, bis- her fast unnahbar gegenueber standen, reichen sich die deut- sche Bruderhand um einzustehen fuer ihr geliebtes Deutsch- land. Nicht nur die hier lebenden Reichsdeutschen u. naturali- sirten Deutschen, sonder auch die hier geborenen Deutschen, ja solche die es seit Jahrzehnten vergessen hatten, dass sie deutsch oder deutscher Abkunft sind, erinnern sich ploetzlich dass ein deutsches Herz in ihren Busen schlaegt u. treten ein durch Wort u. Tat fuer die Interessen des deutschen Vater- landes. Waere der Weg offen, so haette sich schon laengst eine grosse Armee von Reservisten und Freiwilligen nach dem alten Vaterlande aufgemacht. Doch nicht nur hat sich das ganze Deutschtum hier die Haende gereicht um einen moralischen Druck auf die deutsch- feindliche Stimmung auszuueben, sondern in allen Staedten, —38— ja selbst in kleinen Ansiedlungen rotten sich die Deutschen zusammen, bilden Hilfsverbaende und sammeln Gaben zur Linderung der Not im alten Vaterlande. Die Opferwilligkeit, besonders der Mittel- u. Arbeiterklasse, erinnert an die Vorgaenge der Freiheitskriege am Anfang des I 9. Jahrhunderts. Die Einigkeit u. der Patriotismus im alten Vaterland hat die Herzen auch hier entzuendet. Beispiele von selbstlosen Opfern und ruehrender Liebe zu Deutschland spielen sich wohl in allen Sekretaersstuben der Verbaende taeglich ab. Nur einige aus vielen seien hier erwaehnt: "Eines Morgene frueh kam ein armes altes deutsches Muet- terlein u. nestelte mit zitternden Haenden ein 50c Stueck aus ihrer Tasche mit den Worten, waehrend Traenen ihre Augen fuellten: Fuenfundzwanzig Cents brauche ich zum Essen, aber die andern 25c gebe ich fuer mein armes Deutschland." "Eine arme Witwe schreibt: empfangen Sie eine kleine Ga- be fuer das liebe Deutsche Vaterland. Gehorsamst Eine Anw^eisung fuer $15.00 lag bei" "Eine andere Frau, die in einem Hotel arbeitet, schreibt: Anbei erlaube ich mir $50.00 fuer das "Rote Kreuz" zu sen- den, Glueck wollte es, dass ich Heute einen Diamanten- Knopf fand, und dafuer einen Finderlohn von $50.00 erhielt, w^elche, ich mich beeile sofort zu senden. Es kam mir am Anfang recht kleinlich vor eine Verguetung anzunehmen, aber ich denke, dass sie auf diese Weise gut angew^andt ist." Hochachtungsvoll "Ein kranker Mann schreibt: Wuerde gerne mehr geben, bin aber selber schon ueber ein Jahr krank und habe auch kein Einkommen. Achtungsvoll Gab $5.00." "Eine Karte mit Geld-Einlage lautet: I am American born — but (ich bin in Amerika geboren — aber) "Hoch der Kaiser." "Zwei kleine Jungens veranstalteten einen "Moving picture Show" — eine Vorstellung lebender Bilder — und sandten den Erloes von $2.01." "Viele Kinder haben ihre "Sparbuechse" vollstaendig ge- leert." —39— "Ein anderes ruehrendes Beispiel ist die Gabe von $10.88 von juedischen u. russischen Waisenkinder. Dieselben gaben ihre sauer erv/orbenen "Cents", die sie nach monatelanger Ar- beit zusamengespart, mit Freuden hin." "Kinder im Alter von 6 — 1 2 Jahren haben mehrere Wochen lang von Morgens bis Abends Abzeichen auf der Strasse ver- kauft (in dieser deutschfeindlichen Stimmung eine sehr ver- laeugnungsvolle Arbeit) und ueber $250.00 dadurch der guten Sache gesichert." Festgestellt muss werden, dass es weniger die Reichen sind, die sich opferwillig an der Sammlung beteiligen, sondern hauptsaechlich die Mittel- und Arbeiterklasse. "So verdient z. B. ein Arbeiter $80.00 pro Monat. Davon giebt er $20.00 monatlich, w^aehrend der Dauer des Krieges." Das sind mehrende Opfer u. beschaemend fuer viele der reichen Geber. So arbeitet u. kaempft ein grosser Teil des Deutschtums in den Vereinigten Staaten um moralisch und materiel seine deutschen Brueder maechtig zu unterstuetzen. Leider muessen wir hier die betruebende Tatsache feststel- len, dass noch Tausende und aber Tausende unserer Lands- leute zurueckstehen und vreder durch Wort noch Tat die Zu- gehoerigkeit zu ihrem angestsunmten Volke beweisen. Hat das leuchtende Beispiel der "absoluten Einigkeit des deut- schen Volkes" in dieser ernsten Stunde auch bereits, wie er- waenht, schoene Fruechte gezeitigt, so sollte doch dieselbe unter den Millionen deutscher Abkunft in den Vereinigten Staaten so zuenden, dass auch wir hier ein "einig Volk von Bruedern" bilden, gegen das man es nicht wagt, eine feind- liche Stimmung zu zeigen und es gestattet mit dessen heilig- sten Gefuehlen marktschreierische Sensation zu treiben! (Wie dieses seit Ausbruch des Krieges, aller Neutralitaetserklaerung zum Hohn, geschehen.) "HERAUS UND HERAN IHR DEUTSCHE IN DEN VER- EININGTEN STAATEN!" Unsere Brueder kaempfen einen schrecklich blutigen Kampf der Freiheit und Ehre, der das Deutschtum im Auslande direkt und indirekt in Mitleidenschaft ^ie%M Keiner fehle in der Schlachtlime um den moral- ischen Kampf gegen die deutsch-feindliche Stimmung zu kaempfen! Seht wie maechtig sich xmsere deutsche Presse hier wehrt! Kommen wir ihr zu Hilfe und der Sieg ist unser!" —40— "Lasst es uns etwas kosten! Lasst uns Opfer bringen, — wirkliche "Opfer" an Zeit und Geld!" Fratge sich jeder, was ihm sein Vaterland, wo seine oder seiner Vaeter Wiege stand, wert ist?" Nicht um der Ehre willen, nicht aus moralischem Zwang oder geschaeftlichen Ruecksichten, nicht weil andere es tun und was und wieviel andere tun, sondern: "Aus Liebe und Anhaenglichkeit zu unserem angestammten Volke, aus Dankbarkeit fuer die Errungenschaften der deut- schen Nation und um unseren eisernen Willen zu beweisen, dass wir mithelfen um die deutsche Kultur der Welt zu er- halten und im Kampfe gegen das Slaventum zu beschuetzen !" Das sei die Triebfeder zu unseren Kampf! Die Veran- lassung zu unserer Arbeit! Das Mass wonach wir unsere Ga- ben messen! —41- Zum (Solbenen Jfwtiilaeum Von Frieda Louise Martini Hier Licht und Duft und Glanz der frischen Matten, Wo Kinder froh im Grase tummeln sich; Dort Schlachtgewirr und blutgetraenkte Felder, Wo mancher Krieger schon im Tod erblich. Hier sonnig gold'ne, maerchenschoene Aussicht Auf gruener Weiden schattig kuehle Reih'n; Dort moerderischer Waffen hoellisch Feuer Und Todesringen, — herbe, bitt're Pein. Aus stillem, weissem, weinumrankteri Haeuschen, Wo Elternliebe treulich mich bewacht* — ■ Hin, wo Gefahr fliegt, schleicht und offen draeuet, Die Bombe faellt in grauenvoller Nacht. Hier Ruh!,- — dort wilder Kampf; hier sich'res Leben, Der Heimchen friedliches Gezirp bei Nacht, Hier frohes, freies, reiches Land, und drueben — Das Vaterland, umringt von Feindes Macht! Warum will ich den hinaus? Was zieht mich? Die blut-gen Wunden? Das gezueckte Schwert? Das Heulen, Jammern, Wimmern der Gefall' nen? Die dumpfe Krankenluft im Lazarett? Warum kann ich daheim nicht laenger weilen? Warum? Weil allen Glueckes hoechster Preis Darin bestehet. Leidenden zu dienen. — Sorgsam zu lindern ihre Schmerzen heiss. Den letzten kuehlen Becher dem zu reichen. Der von den Todeswaffen hingerafft, — Den Schweiss zu wischen von der Stirn des Streiters, Der starb in voller Bluete seiner Kraft. Darum! Das teure Vaterland, es ruft mich! In meinen Adern rinnt noch deutsches Blut! Drum frisch und frei und froehlich hin zum Dienste! Dem ROTEN KREUZE weih' ich Herz und Gut! "Aus dem 'Christlichen Apologeten'." —42— "Er ist umhergezogen u. hat wohlgetan." Das ist die kurze aber treffende Charakteristik, von dem Leben u, der Lehre Jesu Christi. Nur Praktisches Christentum hat Anspruch auf den Christen- namen. Kirchengehen, beten, schoene Worte fuehren, moral- isch leben, etc., etc., ist nicht "das Christentum." ..Praktische Ausuebung, der von Gott ins Menschenherz hineinversenkten Liebe, die Ihn draengt u. veranlasst in einer selbstlosen, aufopf- ernden, Gut u. Leben nicht achtenden Weise, Werke der Liebe auszuueben, das ist wahres Christentum! Das direkte Objekt diesser Ausuebung der Liebe kann Gott selbst nicht sein, da er unsichtbar. An seiner Statt steht da der Mensch, resp. der Nebenmensch — der Naechste. Je elender, je hilfsbeduerftiger, je verkommener dieser Naechste nun ist, desto mehr representiert derselbe Gott u. zwar in dem Sinne, als: je elender, hilfsbeduerftiger, verkommenerer er ist, desto groesseres und selbstloseres Liebeswerk fordert er heraus! Einem huebschen liebenswuerdigen Menschen Liebe zu erweisen ist nicht schwer! Der Freund einer reichen ange- sehenen Persoenlichkeit zu sein, bedarf keiner Selbstverlaeug- nung, keines Opfers. Aber z. b. — einen Cholerakranken zu pflegen; der Freund eines armen, verkrueppelten, haesslichen Menschen zu sein; im toetlichen Kugelregen Verwundeten Hilfe zu bringen; auf dampfendem Schlachtfelde Sterbenden einen Trunk Wasser zu reichen — das ist Liebe! Das ist Christentum — praktisches Christentum. Umherziehen — Wohltun — den Geringsten unter den Geringen, den Elendsten under den Elenden das ist auch die edle goettliche Devise des Roten Kreuzes! Praktisch aus- guebte Liebe — praktisches Christentum! Wie symbolisch das Panier: ein Rotes Kreuz auf weissem Feld ! Das Kreuz — ein Hinweis auf das Kreuz auf Golgatha — bedeutet Opfer! Rot — die Farbe — meint Liebe! Also Liebesopfer und Opferung aus Liebe! Das Weisse Feld — deutet Reinheit, Reinlichkeit und Un- schuld an. Welch ein Sinnbild in geistiger wie in leiblicher Hinsicht! Gaebe es fuer das Christentum einen Rivalen, dann muesste es das Rote Kreuz sein! Den Anstoss zur Gruendung des Internationalen Roten Kreuzes gab die moerderische Schlacht von Solferino am 24. Juni 1859 w^o Franzosen u. Sardinen in einer 16 stuendigen —43— Schlacht die Oesterreicher bekaempften und nachdem die Nachtschatten dem furchtbaren Morden ein Ende machten lagen 16,000 Franzosen u. Sardinen und 20,000 Oesterreicher tot oder verwundet auf dem Felde. Die schreckliche Tatsache vergangener Feldzuege der wirkliche Greuel u. Schrecken des Krieges w^iederholte sich : die Ambulanz u. medizinische Stab w^ar zu klein u. mangel- haft ausgeruestet, dass fuer Tage die Toten unbeerdigt liegen blieben u. die Verw^undeten die sich keine Hilfe geben konnten in entsetzlicher Weise verdursteten u. verbluteten. Ein Schw^eizer, Heinrich Dunant, der in der Naehe des Schlachtfeldes w^eilte u. mithalf an dem Rettungswerk, war so tief ergriffen, dass er ein Buch darueber schrieb u. in Genf einen Vortrag hielt um Mittel u. Wege zu finden den auf den Schlachfeldern Verw^undeten, menschenw^uerdige Hilfe ange- deihen zu lassen. Dieser Notschrei fand Wiederhall, Eine internationale Konvention w^urde nach Genf im August 1 864 einberufen u. die Gruendung des internationalen Roten Kreuzes ging vor sich, w^obei Schweiz, Frankreich u. Deutschland die Ersten waren, w^elche den Genfer Vertrag unterzeichneten. Wunderbarer Weise feiern w^ir gerade jetzt das 50 jaehrige Jubilaeum des Roten Kreuzes. Die ganze Welt marschiert heute unter dem Banner desselben. Wo immer Menschen sich bekaempfen u. ein ander in Stuecke reissen, wo immer der Schall der Kannonen ertoennt, w^o immer Elend u. Not u. Tod, Pestilenz u. teure Zeit sich einstellt, da w^eht das Panier des Roten Kreuzes u. bringt Linderung, Hilfe, Trost u. Segen. Der internationale Vertrag unter dem Roten Kreuz bringt u. meint Frieden! Wo das Rote Kreuz w^eht ist ein neutraler Boden! Die Traeger des Roten Kreuzes sind Freunde mitten unter Feinden. In den Lazareten des Roten Kreuzes liegen Freund u. Feind friedlich neben einander! Aller National- hass, alle Zwistigkeit, alle Blutduerstigkeit hat hier sein Ziel gefunden. Die Rote Kreuz Armee sind Menschen mit grossen Herzen! — Eine riesige Armee von den tuechtigsten Aerzten der Welt, von den selbstlosesten Krankenpflegerinnen, von tausender von Volontaeren allen Standes sind in ihrem Dienst. Die Annalen der Weltgeschichte ruehmen die Heldentaten der Krieger und machen sie unsterblich! Die grossen heroischen Taten der "Roten Kreuz" Traeger —44— berichtet keine Geschichte! Sie geschehen im Verborgenen! Denn nicht der Ruhm sondern einzig die Liebe ist die Trieb- feder. Im Deutsch-Franzoesischen Kriege bekam das Rote Kreuz ihre Feuertaufe u. besonders war es das Deutsche Rote Kreuz das fuer Freund u. Feind ein Segen war, wie ihn Worte nicht im Stande sind zu beschreiben. Auf den Schlachtfeldern von Woerth u. Gravellote wurde auch das Amerikanische Rote Kreuz geboren. Da erhielt Clara Barton ihre Inspiration. Ihre Versuche die Ver. Staaten fuer die Unterzeichnung des Genfer Vertrages zu veranlassen scheiterten fuer 1 1 Jahre bis endlich im Jahre 1881 der ster- bende Praesident Garfield denselben zur Annahme empfahl u. Praesident Arthur im folgenden Jahre unterzeichnete. Die Arbeit des roten Kreuzes im gegenwaertigen Krieg wird entsprechend den Millionen Armeen die sich einander gegenueberstehen eine riesige sein! Die Kraefte u. Mittel, die dazu noetig um dieselbe zu bewaeltigen, haben gar keine Grenzen ! Es ist der Tat eine grosse erhebende Sache, dass die ganze Welt dieses nicht nur anerkennt, sondern alle Anstrengungen macht um die Tausenden und Abertausenden, die sich gegen- w^aertig im Dienste des Roten Kreuzes in Lazareten und auf den Schlachtfeldern sich befinden, mit enormen Mittel zu unterstuetzen. Die Deutschen in den Vereinigten Staaten w^erden dabei eine hervorragende Stellung einnehmen und wird dem deut- schen roten Kreuz von dem hiesigen Deutschtum Millionen zugewendet werden! EINE DEM ROTEN KREUZ WUERDIGE JUBILAEUMS- GABE! DAS GEBET DES KAISERS! "Der Kaiser hat den Evangelischen Oberkirchenrat ermaech- tigt, anzuordnen, dass vom naechsten Sonntag ab in allen oeffentlichen Gottesdiensten waehrend der Dauer des Krieges bei der Liturgie in das allgemeine Kirchengebet folgendes Gebet eingefuegt werde: "Allmaechtiger, barmherziger Gott! Herr der Heerscharen! Wir bitten dich in Demut um deinen allmaechtigen Beistand fuer unser deutsches Vaterland. Segne die gesamte deutsche Kriegsmacht, fuehre uns zum Siege und gib uns Gnade, DASS WIR AUCH nF.r.EN UNSERE FEINDE UNS ALS CHRIS- TEN ERWEISEN! Lass uns bald zu einem die Ehre und die Unabhaengigkeit Deutschlands dauernd verbuergenden Frie- len gelangen I" —45- anfjang Hiötoriöclje ©ofeumente unb 3^eben Bie Saiöertelegramme I. Der Kaiser an den Zaren 28. Juli, 10.45 nachm; Mit der groessten Beunruhigung hoere ich von dem Eindruck, den Oesterreich-Ungarns Vorgehen gegen Serbien in Deinem Reiche hervorruft. Die skrupellose Agitation, die seit Jahren in Serbien getrieben worden ist, hat zu dem empoerenden Verbrechen gefuehrt, dessen Opfer Erzherzog Franz Ferdinand geworden ist. Der Geist, der die Serben ihren eigenen Koenig und seine Gemahlin morden Hess, herrscht heute noch in jenem Lande. Zw^eifellos wirst Du mit mir darin uebereinstimmen, dass w^ir beide. Du und ich sowohl als alle Souveraene, ein gemeinsames Interesse daran haben, darauf zu bestehen, dass alle diejenigen, die fuer den scheusslichen Mord moralisch verantwortlich sind, ihre verdiente Strafe erleiden. Andererseits uebersehe ich keineswegs, wie schwierig es fuer Dich und Deine Regierung ist, den Stroemungen der oeffent- liehen Meinung entgegenzutreten. Eingedenk der herzlichen Freundschaft, die uns beide seit langer Zeit mit festem Band verbindet, setze ich daher meinen ganzen Einfluss ein. um Oesterreich-Ungarn dazu zu bestimmen, eine offene und befriedigende Verstaendigung mit Russland anzustreben. Ich hoffe zuversichtlich, dass Du mich in meinen Bemuehungen, alle Schwierigkeiten, die noch entstehen koennen, zu beseitigen, unterstuetzen v/irst. Dein sehr aufrichtiger und ergebener Freund und Vetter. gez. Wilhelm. IL Der Zar an den Kaiser Peterhof, Palais, 29. Juli, 1 Uhr nachm. Ich bin erfreut, dass Du zurueck in Deutschland bist. In diesem so ernsten Augenblick bitte ich Dich instaendig, mir zu helfen. Ein schm.aehlicher Krieg ist an ein schwaches Land erklaert worden; die Entruestung hierueber, die ich voellig teile, ist in Russland ungeheuer. Ich sehe voraus,, dass ich sehr bald dem Druck, der auf mich ausgeuebt, wird, nicht mehi' werde widerstehen koennen und gezwungen sein werde, Mass- regeln zu ergreifen, die zum Kriege fuehren werden. Um einem Unglueck, wie es ein europaeischer Krieg sein wuerde, vor- zubeugen, bitte ich Dich im Namen unserer alten Freundschaft, alles Dir moegliche zu tum Deinen Bundesgenossen davon zurueckzuhalten, zu weit zu gehen. gez. Nickolaus. —48— . jäkit. III. Der Kaiser an den Zaren 29. Juli, 6.30 nachm. Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunsch nach Erhaltung des Friedens. Jedoch kann ich — wie ich Dir in meinem ersten Telegramm sagte — Oesterreich-Ungarns Vor- gehen nicht als "schmaehlichen Krieg" betrachten. Oesterreich- Ungarn weiss aus Erfahrung, dass Serbiens Versprechungen, w^enn sie nur auf dem Papier stehen, gaenzlich unzuverlaessig sind. Meiner Ansicht nach ist Oesterreich-Ungarns Vorgehet als ein Versuch zu betrachten, volle Garantie dafuer zu erhatt-fsw*'^ ten, dass Serbiens Versprechungen auch wirklich in die Tat umgesetzt w^erden. In dieser Hinsicht werde ich bestaerkt durch die Erklaerung des oesterreichischen Kabinetts, daßs? Oesterreich - Ungarn keine territorialen Eroberungen a^f Kosten Serbiens beabsichtige. Ich meine daher, dass es fueT Russland durchaus moeglich ist, dem oesterreichisch-serbischen Krieg gegenueber in der Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa in den schrecklichsten Krieg hineinzuziehen, den es jemals erlebt hat. Ich glaube, dass eine direkte Verstaendi- gung zw^ischen Deiner Regierung und Wien moeglich und wuen- schensw^ert ist, eine Verstaendigung, die — wie ich Dir schon telegraphierte — meine Regierung mit allen Kraeften zu foer- dern bemueht ist. Natuerlich wuerden militaerische Massnah- men Russlands, welche Oesterreich-Ungarn als Drohung auf- fassen koennte, ein Unglueck beschleunigen, das wir beide zu vermeiden wuenschen, und w^uerden auch meine Stellung als Vermittler, die ich — auf Deinen Appel an meine Freund- schaft und Hilfe — bereitwillig angenommen habe, untergraben. gez. Wilhelm. IV. Der Kaiser an den Zaren Mein Botschafter ist angewiesen, Deine Regierung auf die Gefahren und schweren Konsequenzen einer Mobilisation hin- zuweisen; das gleiche habe ich Dir in meinem letzen Telegramm gesagt. Oesterreich-Ungarn hat nur gegen Serbien mobilisiert, und zwar nur einen Teil seiner Armee. Wenn Russland, wie es jetzt nach Deiner und Deiner Regierung Mitteilung der Fall ist, gegen Oesterreich-Ungarn mobil macht, so wird die Vermittler- rolle, mit der Du mich in freundschaftlicher Weise betrautest, und die ich auf Deine ausdrueckliche Bitte angenommen habe, gefaehrdet, wenn nicht unmoeglich gemacht. Die ganze Schwere der Entscheidung ruht jetzt auf Deinen Schultern, sie haben die Verantwortung fuer Krieg und Frieden zu tragen. gez. Wilhelm. —49— V. Der Zar an den Kaiser Peterhof, 30. Juli 1914, 1.20 nachm. Ich danke Dir von Herzen fuer Deine rasche Antwort. Ich entsende heute abend Tatischew mit Instruktion. Die jetzt in Kraft tretenden militaerischen Massnahmen sind schon vor fuenf Tagen beschlossen w^orden, und zwar aus Gruenden der Verteidigung siegen die Vorbereitungen Oesterreichs. Ich hoffe von ganzem Herzen, dass diese Massnahmen in keiner Weise Deine, Stellung als Vermittler beeinflussen werden, die ich sehr hoch anschlage. Wir brauchen Deinen starken Druck auf Oes- terreich, damit es zu einer Verstaendigung mit uns kommt. gez. Nikolaus. VI. Der Zar an den Kaiser "Ich danke Dir von Herzen fuer Deine Vermittlung, die eine Hoffnung aufleuchten laesst, dass doch noch alles friedlich enden koennte. Es ist technisch unmoeglich, unsere militaer- ischen Vorbereitungen einzustellen, die durch Oesterreichs Mobilisierung notwendig geworden sind. Wir sind weit davon entfernt, einen Krieg zu wuenschen. Solange wie die Verhand- lungen mit Oesterreich ueber Serbien andaurern, werden meine Truppen keine herausfordernde Aktion unternehmen. Ich ffebe Dir mein feierliches Wort darauf. Ich vertraue mit aller Kraft auf Gottes Gnade und hoffe auf den Erfolg Deiner Ver- mittlung in Wien fuer die Wohlfahrt unserer Laender und den Frieden Europas. Dein Dir herzlich ergebener Nicolaus." Darauf erging an den Zaren eine Antwort Kaiser Wilhelms, die folgenden Wortlaut hatte: "Auf Deinen Aooell an meine Freundschaft und Deine Bitte um meine Hilfe habe ich eine Vermittlungsaktion zwischen Deiner und der Oesterreichisch-Ungarischen Regier- ung aufgenommen. Waehrend diese Aktion im Gange war, sind Deine Truppen gegen das mir verbuendete Oesterreich- Ungarn mobilisiert worden, wodurch, wie ich Dir schon mitge- teilt habe, meine Vermittlung beinahe illusorisch gemacht worden ist. Trotzdem habe ich sie fortgesetzt. Nunmehr erhalte ich zuverlaessige Nachrichten ueber ernste Kriegsvor- bereitungen auch an meiner oestlichen Grenze. Die Verant- wortung fuer die Sicherheit meines Reiches zwingt mich zu defensiven Gewenmassregeln, Ich bin mit meinen Bemuehun- ^en um die Erhaltung dps Weltfriedens bis an die Grenze des Moeglichen gegangen. Nicht ich trage die Verantwortung fuer das Unheil, das jetzt der ganzen zivilisierten Welt droht. Noch in diesem Augenblicke liegt es in Deiner Hand, es abzuwenden. Niemand bedroht die Ehre und Macht Russlands, das wohl auf den Erfolg meiner Vermittelung haette warten koennen. Die mir von meinem Grossvater auf dem Totenbette ueberkom- mene Freundschaft fuer Dich und Dein Reich ist mir immer heilig gewesen, und ich habe treu zu Russland gestanden, wenn es in schwerer Bedraengnis weur, besonders in seinem letzten Kriege. Der Friede Europas kann von Dir noch jetzt erhalten werden, wenn Russland sich entschliesst, die militaerischen Massnahmen einzustellen, die Deutschland und Oesterreich- Ungam bedrohen." —51— perlin unb lontion Prinz Heinrich an den Koenig von Englemd 30. Juli 1914 Bin seit gestern hier, habe das, was Du mir so freundlich in Buckingham Palace am vorigen Sonntag gesagt hast, Wilhelm mitgeteilt, der Deine Botschaft dankbar entgegennahm. Wilhelm, der sehr besorgt ist, tut Sein Aeusserstes, um der Bitte Nikolaus' nachzukommen, fuer die Erhaltung des Friedens zu arbeiten. Er steht in dauerndem telegraphischen Verkehr mit Nikolaus, der heute die Nachricht bestaetigt, dass Er mili- taerische Massnahmen angeordnet hat, welche einer Mobil- machung gleichkommen, und dass diese Massnahmen schon vor faenf Tagen getroffen wurden. Ausserdem erhalten wir Nachrichten, dass Frankreich mili- taerische Vorbereitungen trifft, waehrend wir keinerlei Mass- nahmen verfuegt haben, wozu wir indessen jeden Augenblick gezwungen sein koennen, wenn unsere Nachbarn damit fort- fahren. Das wuerde dann einen europaeischen Krieg bedeuten. Wenn Du wirklich und aufrichtig wuenschst, dieses furcht- bare Unglueck zu verhindern, darf ich Dir dann vorschlagen, Deinen Einfluss auf Frankreich und auch auf Russland dahin auszuueben, dass sie neutral bleiben. Das wuerde meiner An- sicht nach von groesstem Nutzen sein. Ich halte dies fuer eine sichere und vielleicht einzige Moeglichkeit, den Frieden zu wahren. Ich moechte hinzufuegen, dass jetzt mehr denn je Deutschland und England sich gegenseitig unterstuetzen sollten, um ein furchtbares Unheil zu verhindern, das sonst unabwend- bar erscheint. Glaube mir, dass Wilhelm in seinen Bestrebungen um die Aufrechterhaltung des Friedens von der groessten Aufrich- tigkeit ist. Aber die militaerischen Vorbereitungen seiner beiden Nachbarn koennen ihn schliesslich zwingen, fuer die Sicherheit seines eigenen Landes, das sonst wehrlos bleiben wuerde, ihrem Beispiel zu folgen. Ich habe Wilhelm von meinem Telegramm an Dich unterrichtet und hoffe. Du wirst meine Mitteilungen in demselben freundschaftlichen Geiste entgegennehmen, der sie veranlasst hat. gez. Heinrich. Koenig von England an Prinz Heinrich von Preussen 30. Juli 1914 Dank fuer Dein Telegramm. Sehr erfreut von Wilhelms . —52— Bemuehungen zu hoeren, mit Nikolaus sich fuer die Erhaltung des Friedens zu einigen. Ich habe den ernsten Wunsch, dass ein solches Unglueck, wie ein europaeischer Krieg, das gar nicht wieder gutzumachen ist, verhindert werden moege. Meine Regierung tut ihr Moeglichstes, um Russland und Frankreich nahezulegen, weitere militaerische Vorbereitungen aufzuschie- ben falls Oesterreich sich mit der Besetzung von Belgrad und benachbartem serbischen Gebiet als Pfand zufriedengibt, waehrend gleichzeitig die anderen Laender ihre Kriegsvorbe- reitungen einstellen.. Ich vertraue darauf, dass Wilhelm seinen grossen Einfluss anwenden wird, um Oesterreich zur Annahme dieses Vorschlags zu bewegen; dadurch wuerde Er beweisen, dass Deutschland und England zusammenarbeiten, um zu ver- hindern, was eine internationale Katastrophe sein wuerde. Bitte versichere Wilhelm, dass Ich alles tue und auch weiter alles tun werde, was in Meiner Macht liegt, um den europaeischen Frieden zu erhalten. gez. Georg. Der Kaisers an den Koenig von England 31. Juli 1914 Vielen Dank fuer Deine freundliche Mitteilung. Deine Vorschlaege decken sich mit Meinen Ideen und mit den Mitteil -ungen, die Ich heute nacht von Wien erhielt, und die Ich nach London weitergegeben habe. Ich habe gerade vom Kanzler die Nachricht erhalten, .dass ihm soeben die Nachricht zuge- gangen ist, dass Nikolaus heute nacht die Mobilisierung seiner gesamten Armee und Flotte angeordnet hat. Er hat nicht einmal die Ergebnisse der Vermittlung abgewartet, an der Ich arbeite, und Mich ganz ohne Nachricht gelassen. Ich fahre nach Berlin, um die Sicherheit meiner oestlichen Grenzen sich- erzustellen, wo schon starke russische Truppen Aufstellung genommen haben. gez. Wilhelm. Der Koenig von England an den Keüser 1. August 1914 Vielen Dank fuer Telegramm von gestern nacht. Ich habe ein drins^endes Teleeramm an Nikolaus geschickt, in dem ich ihm Meine Bereitwilligkeit ausgesprochen habe alles zu tun, was in Meiner Macht, um die Wiederaufnahme der Verhand- lungen zwischen den beteiligten Maechten zu foerdem. gez. Georg. Der Deutschen Botschafter in London an den Reichskanzlsr 1. August 1914 Soeben hat mich Sir E. Grey ans Telephon gerufen und mich gefragt, ob ich glaubte, erklaeren zu koennen, dass fuer den Fall, dass Frankreich neutral bliebe, in einem deutsch-russichen Kriege wir die Franzosen nicht angriffen.. Ich erklaerte ihm, —53— ich glaubte, die Verantwortung hier fuer uebernehmen zu koennen. gez. Lichnowsky. Der Kaiser an den Koenig von England 1. August 1914 Ich habe soeben die Mitteilung Deiner Regierung erhalten, durch die sie die franzoesische Neutralitaet unter der Garantie Grossbritanniens anbietet. Diesem Anerbieten war die Frage angeschlossen, ob unter diesen Bedingungen Deutschland darauf verzichten wuerde, Frankreich anzugreifen. Aus tech- nischen Gruenden muss Meine schon heute nachmittag nach zwei Fronten nach Osten und Westen, angeordnete Mobil- machung vorbereitungsgemaess vor sich gehen Gegenbefehl kann nicht mehr gegeben werden, weil Dein Telegramm leider zu spaet kam. Aber wenn Mir Frankreich seine Neutralitaet anbietet, die durch die englische Armee und Flotte garantiert werden muss, werde Ich natuerlich von einem Angriff auf Frankreich absehen und Meine Truppen anderweitig verwen- den. Ich hoffe, Frankreich wird nicht nervoes werden. Die Truppen an Meiner Grenze werden gerade telegraphisch und telephonisch abgehalten, die franzoesische Grenze zu ueber- schreiten. gez. Wilhelm. Der Reichskauizlers an den deutschen Botschafter in London 1. August 1914 Deutschland ist bereit, auf den englischen Vorschlag ein- zugehen, falls sich England mit seiner Streitmacht fuer die unbedingte Neutralitaet Frankreichs im deutsch-russischen Konflikt verbuergt. Die deutsche Mobilmachung ist heute auf Grund der russischen Herausforderung erfolgt, bevor die englischen Vorschlaege hier eintrafen. Infolgedessen ist auch unser Aufmarsch an der franzoesischen Grenze nicht mehr zu aendern. Wir verbuergen uns aber dafuer, dass die franzoes- ische Grenze bis Montag, den 3. August, abends 7 Uhr, durch unsere Truppen nicht ueberschritten wird, falls bis dahin die Zusage, Englands erfolgt ist. gez. v. Bethmann Hollweg. Der Koenig von England an den Kaiser 1. August 1914 In Beantwortung Deines Telegramms, das soeben einge- gangen ist, glaube Ich, dass ein Missverstaendnis bezueglich einer Anregung vorliegen muss, die in einer freundschaftlichen. Unterhaltung zwischen dem Fuersten Lichnow^sky und Sir Ed- ward Grey erfolgt ist, als sie eroerterten, wie ein wirklicher Kampf zwischen der deutschen und der franzoesischen Armee vermieden werden koenne, solange noch die Möglichkeit be- steht, dass ein Einverstaendnis zwischen Oesterreich und Russ- —54— land erzielt wird, Sir Edward Grey wird den Fuersten Lich- nowsky morgen frueh sehen, um festzustellen ob ein Missver- staendnis auf seiner Seite vorliegt. gez. Georg. Des deutsche Botschafter in London an den Reichskanzler 2. August 1914 Die Anregungen Sir Edward Greys, die auf dem Wunsche beruhten, die Moeglichkeit dauernder Neutralitaet Englands zu schaffen, sind ohne vorherige Stellungnahme mit Frandreich und ohne Kenntnis der Mobilmachung erfolgt und inzwischen als voellig aussichtslos aufgegeben. gez. Lichnowsky. —55— beutöcfjen feiöerö Gehalten am 4, August 1914 bei der Eroefnung der Kriegssitzung des Reicli^ages Geehrte Herren! In schicksalsschwerer Stunde habe ich die gewaehlten Ver- treter des deutschen Volkes um mich versammelt. Fast ein halbes Jahrhundert lang konnten "wir auf dem Weg des Frie- dens verharren. Versuche, Deutschland kriegerische Neigun- gen anzudichten und seine Stellung in der Welt einzuengen, haben unseres Volkes Geduld oft auf harte Proben gestellt. In unbeirrbarer Redlichkeit hat meine Regierung auch unter herausfodernden Umstaenden die Entwicklung aller sittlichen, geistigen und w^irtschaftlichen Kraefte als hoechstes Ziel ver- folgt. Die Welt ist Zeuge gew^esen, wie unermuedlich wir in dem Drang und den Wirren der letzen Jahre in erster Reihe standen, um den Voelkern Europas einen Krieg zwischen Grossmaechten zu ersparen. Die schwersten Gefahren, die durch die Ereignisse am Bal- kan heraufbeschw^oren w^aren, schienen ueberw^unden. Da tat sich mit der Ermordung meines Freundes, des Erzherzogs Franz Ferdinand, ein Abgrund auf. Mein hoher Verbuende- ter, der Kaiser und Koenig Franz Josef w^ar gezw^ungen, zu den Waffen zu greifen, um die Sicherheit seines Reiches gegen gefaehrliche Umtriebe aus einem Nachbarstaat zu verteidigen. Bei der Verfolgung ihrer berechtigten Interessen ist der ver- buendeten Monarchie das ru.ssische Reich in den Weg getreten. An die Seite Oesterreich-Ungarns ruft uns nicht nur unsere Buendnispflicht. Uns faellt zugleich die gew^altige Aufgabe zu, mit der alten Kulturgemeinschaft der beiden Reiche un- sere eigene Stellung gegen den Ansturm feindlicher Kraefte zu schirmen. Mit schw^erem Herzen habe ich meine Armee gegen einen Nachbar mobilisieren muessen, mit dem sie auf so vielen Schlachtfeldern gemeinsam gefochten hat. Mit aufrichtigen Leid sah ich eine von Deutschland treu bewahrte Freund- schaft zerbrechen. Die kaiserlich russische Regier/ang hat sich, dem Draengen eines unersaettlichen Nationalismus nach- gebend, fuer einen Staat eingesetzt, der durch Beguenstigung verbrecherischer Anschlaege das Unheil dieses Krieges ver- —56^ anlasste. Dass auch Frankreich sich auf die Seite unserer Gegner gestellt hat, konnte nicht ueberraschen. Zuoft sind unsere Bemuehungen, mit der franzoesischen Republik zu freundlicheren Beziehungen zu gelangen, auf alte Hoffnungen und alten Groll gestossen. Geehrte Herren! Was menschliche Einsicht und Kraft vermag, um ein Volk fuer die letzten Entscheidungen zu wappnen, das ist mit Ihrer patriotischen Hilfe geschehen. Die Feindseligkeit, die im Osten und im Westen seit langer Zeit um sich gegriffen hat, ist nun in hellen Flammen aufgelodert. Die gegenwaertige La- ge ging nicht aus voruebergehenden Interessenkonflikten oder diplomatischen Konstellationen hervor, sie ist das Ergebnis eines seit langen Jahren taetigen Uebelwollens gegen Macht und Gedeihen des Deutschen Reichs. Uns treibt nicht Eroberungslust, uns beseelt der unbeugsame Wille, den Platz zu bewahren, auf den Gott uns gestellt hat, fuer uns und alle kommenden Geschlechter. Aus den Schriftstuecken, die Ihnen zugegangen sind, wer- den Sie ersehen, w^ie meine Regierung und vor allen mein Kanzler bis zum letzten Augenblick bemueht waren, das Aeusserste abzuwenden. In aufgedrungener Notwehr, mit reinem Gewissen und reiner Hand ergreifen wir das Schwert. An die Voelker und Staemme des Deutschen Reiches er- geht mein Ruf, mit gesamter Kraft, in bruederlichem Zusam- menstehen mit unseren Bundesgenossen, zu verteidigen, was w^ir in friedlicher Arbeit geschaffen haben. Nach dem Bei- spiel unserer Vaeter fest und getreu, ernst und ritterlich, de- muetig vor Gott und kampfesfroh vor dem Feind, so vertrauen wir der ewigen Allmacht, die unsere Abwehr staerken und zu gutem Ende lenken wolle! Auf Sie, geehrte Herren, blickt heute, um seine Fuersten und Fuehrer geschart, das ganze deutsche Volk. Fassen Sie Ihre Entschluesse einmuetig und schnell — das ist mein inni- ger Wunsch. Der Kaiser setze der Thronrede folgendes hinzu: "Sie haben gelesen, meine Herren, was ich zu meinem Volke vom Balkon des Schlosses aus gesagt habe. Ich wieder- hole, ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur Deutsche (stuermisches Bravo), und zum Zeugen dessen, dass Sie fest entschlossen sind, ohne Parteiunterschiede, ohne Standes- und Konfessionsunterschiede zusammenzuhalten, mit mir durch dick und duenn, durch Not und Tod zu gehen fordere ich die Vorstaende der Parteien auf, vorzutreten und mir dies in die Hand zu geloben." an tras beutstfje Uolfe ! Seit der Reichsgruendung ist es durch 43 Jahre mein und meiner Vorahnen heisses Bemuehen gewesen, der Welt den Frieden zu erhalten und im Frieden unsere kraftvolle Ent- wicklung zu foerdern. Aber die Gegner neiden uns den Er- folg unserer Arbeit. Alle Offenkundige und heimliche Feindschaft von Ost und West, von jenseits der See haben wir bisher ertragen im Be- wusstsein unserer Verantwortung und Kraft. Nun aber will man uns demuetigen. Man verlangt, dass wir mit verschraenk- ten Armen zusehen, wie unsere Feinde sich zu tueckischem Ueberfall ruesten, man will nicht dulden, dass wir in ent- schlossener Treue zu unserem Bundesgenossen stehen, der um sein Ansehen als Grossmacht kaempft, und mit dessen Er- niedrigung auch unsere Macht und Ehre verloren ist. So muss denn das Schwert entscheiden. Mitten im Frieden ueberfaellt uns der Feind. Darum auf ! zu den Waffen! Jedes Schwanken, jedes Zoegern waere Verrat am Vaterlande. Um Sein oder Nichtsein unseres Reiches handelt es sich, das unsere Vaeter sich neu gruendeten. Um Sein oder Nicht- sein deutscher Macht und deutschen Wesen. Wir werden uns wehren bis zum letzten Hauch von Mann und Ross. Und wir werden diesen Kampf bestehen auch ge- gen eine Welt von Feinden. Noch nie ward Deutschland ueberwunden, wenn es einig war. Vorwaerts mit Gott, der mit uns sein wird, wie er mit den Vaetern war! Berlin, den 6. August 1914. WUhelm." —58— ^n bie beutscfjen Jfrauen! Dem Rufe seines Kaisers folgend, ruestet sich unser Volk zu einen Kampf ohnegleichen, den es nicht heraufbeschworen hat und den es nur zu seiner Verteidigung fuehrt. Wer Waffen zu tragen vermag, wird freudig zu den Fahnen eilen, um mit seinem Blute einzustehen fuer das Vaterland. Der Kampf aber wird ein ungeheurer und die Wunden unzaehlige sein, die zu schliessen sind. Darum rufe ich Euch, deutsche Frauen und Jungfrauen und alle, denen es nicht ver- goennt ist, fuer die geliebte Heimat zu kaempfen, zur Hilfe auf. Es trage jeder nach seinen Kraeften dazu bei, unseren Gatten, Soehnen und Bruedern den Kampf leicht zu maehen. Ich w^eiss, dass in allen Kreisen unseres Volkes ausnahmlos der Wille besteht, diese hohe Pflicht zu erfuellen. Gott der Herr aber staerke uns zu dem heiligen Liebsw^erk, das auch uns Frauen beruft, unsere ganze Kraft dem Vaterlande in seinem Entscheidungskampfe zu w^eihen. Wegen der Sammlung freiwilliger Hilfkraefte und Gaben aller Art sind weitere Bekanntmachungen von denjenigen Or- ganisationen bereits ergangen, denen diese Aufgabe in erster Linie obliegt und deren Unterstuetzung vor allem von Noeten ist. Berlin, den 6. August 1914. Auguste Victoria." —59— Bie Crneuerung beö €i^txntn ^reu^eö bon 5, augußt 1914 Der "Reichsanzeiger" teilt in einer Sonderausgabe mit: Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Koenig von Preussen usw. Angesichts der ernsten Lage, in die das teure Vaterland durch einen ihm aufgezwungenen Krieg versetzt ist, und in dank- barer Erinnerung an die Heldentaten unsere Vorfahren in den grossen Jahren der Befreiungskriege und des Kampfes fuer die Einigung Deutschlands, w^ollen Wir das von Unserem in Gott ruhenden Urgrossvater gestiftete Ordenszeichen des Eisernen Kreuzes abermals w^iederaufleben lassen. Das Eiserne Kreuz soll ohne Unterschied des Ranges und Standes an Angehoerige des Heeres, der Marine und des Landsturms, und an sonstige Personen, die eine Dienst- verpflichtung mit dem Heer oder der Marine eingehen, oder als Heeres-- und Marinebeamte Verwendung finden, als eine Belohnung des auf dem Kriegsschauplatz erworbenen Ver- dienstes verliehen w^erden. Auch solche Personen, die da- heim sich Verdienste um das Wohl der deutschen Streitmacht und der seiner Verbuendeten erwerben, sollen das Kreuz er- halten. Demgemaess verordnen Wir, w^as folgt: 1 . Die fuer diesen Krieg w^ieder ins Leben gerufene Aus- zeichnung des Eisernen Kreuzes soll, w^ie frueher, aus zwei Klassen und einem Grosskreuze bestehen. Die Ordenszei- chen sowie das Band bleiben unverehdert, nur ist auf der Vorderseite unter dem W mit der Krone die Jahreszahl 1914 anzubringen. 2. Die zweite Klasse wird an einem schwarzen Bande mit weisser Einfassung im Knopfloch getragen, sofern es fuer Verdienst auf dem Kriegsschauplatz verliehen wird. Fuer daheim erworbenes Verdienst w^ird es am w^eissen Bun- de mit sch^varzer Einfassung verliehen. Die erste Klasse wird auf der linken Brust, das Grosskreuz um den Hals ge- tragen. 3. Die erste Klasse kann nur nach Erwerbung der zwei- ten verliehen w^erden und wird neben dieser getragen. —60— 4. Die Verleihung des Grosskreuzes ist nicht durch vor- herige Erwerbung der ersten und zweiten Klasse bedingt. Sie kann nur erfolgen fuer eine gewonnene entscheidende Schlacht, durch die der Feind zum Verlassen seiner Stel- lungen gezw^ungen wurde, oder fuer die selbstaendige, von Erfolg gekroente Fuehrung einer Armee oder Flotte, oder fuer die Eroberung einer grossen Festung oder fuer die Er- haltung einer wichtigen Festung durch deren ausdauernde Verteidigung. 5. Alle mit dem Besitze des Militaerehrenzeichens erster und zweiter Klasse verbundenen Vorzuege gehen, vorbe- haltlich der verfassungsmaessigen Regierung einer Ehren- zulage, auf das Eiserne Kreuz erster und zweiter Klasse ueber. Urkundlich unter Unserer Hoechsteigenhaendigen Unter- schrift und beigedruckten Koeniglichen Insiegel. Gegeben Berlin, den 5. August 1914. (L. S.) Wilhelm R. Gegengezeichnet ist der Erlass von saemtlichen Ministern. —61— ®ie öeutöcfje Proklamation an bie pelgier Der Oberbefehlshaber der deutschen Truppen, die in Bel- gien eingerueckt sind, hat eine Proklamation erlassen, die in deutscher Uebersetzung lautet: "Zu meinem groessten Bedauern haben sich die deutschen Truppen genoetigt gesehen, die belgische Grenze zu ueber- schreiten. Sie handeln unter dem Zwang einer unabweis- baren Notwendigkeit, da die belgische Neutralitaet durch franzoesische Offiziere verletzt worden ist, die verkleidet das belgische Gebiet in Automobilen betreten haben, um nach Deutschland zu gelangen. Belgier, es ist mein hoechster Wunsch, dass es noch moeglich sei, einen Kampf zwischen zwei Voelkern zu vermeiden, die bis jetzt Freunde, frueher sogar Bundesgenossen waren. Erinnert Euch des glorreichen Tages von Belle-Alliance, wo die deutschen Waffen dazu beitrugen, die Unabhaengigkeit und das Aufbluehen Eures Vaterlandes zu begruenden. Aber wir muessen jetzt freien Weg haben. Die Zerstoerung von Bruecken, Tunnels, Eisen- bahnschienen muss als eine feindliche Handlung angesehen werden. Belgier, Ihr habt zu waehlen. Die deutsche Armee beabsichtigt nicht, gegen Euch zu kaempfen. Freier Weg gegen den Feind, der uns angreifen wollte! Das ist alles, was wir verlangen. Ich gebe dem belgischen Volke die amtliche Buergschaft dafuer, dass es nicht unter den Schrecken des Krieges zu leiden haben wird, dass wir in barem Geld die Lebensmittel bezahlen werden, die wir dem Lande ent- nehmen muessen, dass unsere Truppen sich als beste Freunde eines Volkes zeigen w^erden, fuer das wir die groesste Hoch- achtung, die lebhafteste Zuneigung empfinden. Es haengt von Eurer Klugheit, von Eurem wohlverstandenen Patriotismus ab, Eurem Lande die Schrecken des Krieges zu ersparen." Die kraeftigen, herzlichen Worte des Generals haben taube Ohren gefunden. Da die Belgier sein Franzoesisch nicht verstehen w^ollten, so muesste Deutsch mit ihnen gesprochen werden. Das haben sie auch in Luettich ganz gut verstanden! —62— Bie Stellung ber ^o^ialbemoferaten Wir stehen vor einer Schicksalsstunde. Die Folgen der imperialistischen Politik, durch die eine Aera des Wettruestens herbeigefuehrt wurde und die Gegensaetze zwischen den Voelkern sich verschaerften, sind wie eine Sturmflut ueber Europa hereingebrochen. Die Verantwortung hierfuer faellt den Traegern dieser Politik zu, wir lehnen sie ab. Die Sozial- demokratie hat diese verhaengnisvolle Entwicklung mit allen Kraeften bekaempft, und noch bis in die letzten Stunden hinein hat sie durch machtvolle Kundgebungen in allen Laendern, namentlich im innigen Einvernehmen mit den franzoesischen Bruedern fuer Aufrechterhaltung des Friedens gewirkt. Ihre Anstrengungen sind vergeblich gew^esen. Jetzt stehen wir vor der ehernen Tatsache des Krieges. Uns drohen die Schreck nisse feindlicher Invasionen. Nicht fuer oder gegen den Krieg haben w^ir heute zu entscheiden, sondern ueber die Frage der fuer die Verteidigung des Landes erforderlichen Mittel. Nun haben wir zu denken an die Millionen Volksgenossen, die ohne ihre Schuld in dieses Verhaengnis hineingerissen sind. Sie werden von der Verheerungen des Krieges am schwersten getroffen. Unsere heissen Wuensche begleiten unsere zu den Fahnen gerufenen Brueder ohne Unterschied der Partei. Wir denken auch an die Muetter, die ihre Soehne hergeben muessen, an die Frauen und Kinder, die ihres Ernaehrers beraubt sind, denen zu der Angst um ihre Lieben die Schrecken des Hungers drohen. Zu ihnen w^erden sich bald Zehntausende verwun- deter und verstuemmelter Kaempfer gesellen. Ihnen allen beizustehen, ihr Schicksal zu erleichtern, diese unermessliche Not zu lindern erachten wir als zwingende Pflicht. Fuer unser Volk und seine freiheitliche Zukunft steht bei einem Siege des russischen Despotismus, der sich mit dem Blut der Besten des eigenen Volkes befleckt hat, viel, wenn nicht alles auf dem Spiel. Es gilt, diese Gefahr abzuwehren, die Kultur und die Unabhaengigkeit unseres eigenen Landes sicherzustellen. Da machen w^ir w^ahr, was wir immer betont haben: wir lassen in der Stunde der Gefahr das Vaterland nicht im Stich. Wir fuehlen uns dabei im Einklang mit der Internationale, die das Recht jedes Volkes auf nationale Selbstaendigkeit und Selbst- verteidigung jederzeit anerkannt hat, wie wir in Uebereinstim- mung mit ihr jeden Eroberungskrieg verurteilen. Wir fordern, dass dem Kriege, sobald das Ziel der Sicherung erreicht ist und die Gegner zum Frieden geneigt sind, ein Ende gemacht wird —63— durch einen Frieden, der die Freundschaft mit den Nachbar- voelkern ermoeglicht. Wir fordern dies nicht nur im Interesse der von uns stets verfochtenen internationalen Solidaritaet, son- dern auch im Interesse des deutschen Volkes. Wir hoffen, dass die grausame Schule der Kriegsleiden in neuen Millionen den Abscheu vor dem Kriege wecken und sie fuer das Ideal des Sozialismus und des Voelkerfriedens gewinnen wird. Von diesen Grundsaetzen geleitet, bewilligen wir die geforderten Kredite. —64- LIBRftRY OF CONGRESS THE MODEL PRINT SHOP 114 South Spring Street Los Angeles, Cal.