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Ugolino I r erino. |ei einer Monographic iiber Sandro Botticelli muss es sich in Anbetracht des Mangels eigenhandiger Bezeichnungen auf den Gemalden dieses Meisters und urkundlicher Belege iiber deren Entstehungszeit in erster Linie urn die kritische Sichtung und Datierung der unter seinem Namen gehenden Werke sowie um die Darlegung seines kiinstlerischen Entwickelungsganges handeln. Dies ist die Aufgabe der vorliegenden kritischen Studie. Die Untersuchung erstreckt sich auf die Gemalde und Zeichnungen Botticellis. Unberiicksichtigt gelassen und gelegentlich nur gestreift wird seine Stellung zum Florentiner Kupferstich und Holzschnitt des ftinfzehnten Jahrhunderts, da fiir eine eingehende Behandlung dieser Frage noch zu wenig grundlegende Resultate vorhanden sind und an ihrer Losung bereits von berufener Seite gearbeitet wird. Weitere historische und kulturhistorische Ausblicke werden nicht gegeben. Der Verfasser glaubt in An- betracht der gerade iiber das Zeitalter des Lorenzo de' Medici vorhandenen ausgezeichneten Literatur davon absehen zu konnen. Besonders eingehend werden im folgenden zum erstenmal die Jugendwerke Botticellis besprochen. Da es sich hierbei darum handelt, Sandros Verhaltnis zu seinem Lehrer Fra Filippo Lippi und die stilistischen Unterschiede ihrer Kunstweisen klarzulegen, so wird ein einleitender Exkurs iiber die spateren Arbeiten des letzteren vorausgeschickt, wobei versucht wird, den Anteil Fra Diamantes, des Schiilers und Gehilfen Filippos, an einzelnen dieser Werke nachzuweisen. Dieser Abschnitt ist in ausfiihrlicherer Fassung bereits 1890 unter dem Titel »Fra Filippo Lippi und Fra Diamante als Lehrer Sandro Botticellis« als Inauguraldissertation der Universitat Breslau erschienen. Obwohl nach moglichster Yollstandigkeit des Bildermaterials gestrebt wird, so ist sich der Verfasser bei einem im Auslande so begehrten und besonders iiber englische Privatsammlungen so zerstreuten Meister wie Botticelli doch der Liickenhaftigkeit des hier Gebotenen bewusst. Dennoch hofft er, bedeutende Stiicke nicht iibersehen zu haben. VIII Die beigegebenen Abbildungen dienen ausschliesslich dem Zwecke, dem Leser das Ver- standnis zu erleichtern, bei ihrer Auswahl ist besonders auf weniger bekannte, bisher in Reproduktionen noch nicht verbreitete Werke Rucksicht genommen. Die Zeichnungen Botticellis sind, soweit es in den diesbezuglichen Katalogen noch nicht geschehen ist, vom Verfasser gemessen worden, und werden die Masse in Millimetern, die Hohe der Breite voranstehend , angegeben. Desgleichen finden sich die Masse der Bilder, soweit sie dem Verfasser durch Kataloge oder eigene Messungen bekannt warden, in dem bei- gegebenen alphabetischen Verzeichnis der Werke. Den verschiedenen Museumsvorstanden sowie den Besitzern von Privatsammlungen sei fur ihr bereitwilliges Entgegenkommen der geziemende Dank ausgesprochen. Adolph Bayersdorfer, Wilhelm Bode, August Schmarsow, die durch Mitteilungen und Notizen vorliegende Studien forderten, mogen auch an dieser Stelle der tiefsten Dank- barkeit seitens des Verfassers versichert sein. Florenz, September 1893. Dr. H. Ulmann. Sandro Botticelli. Singende Engel (Zeichnung). Uffizien, Florenz. Inhalts-Verzeichnis. E i n 1 e i t u n g. Die Quellen. Die Lehrer. Fra Filippo Lippis Fresken in der Kathedrale zu Prato. Die Fresken im Dom zu Spoleto. Die Tafelbilder aus Fra Filippo Lippis spaterer Zeit. Fra Diamantes Geburt Christi im Louvre Seite I 2 I Die Frvihzeit. Die Knabenjahre. Madonnenbilder in den Innocenti, im Museo di S. Maria Nuova, in Neapel, in den Uffizien, im Louvre und in der Galerie Corsini. Botticellis Verhaltnis zu Andrea del Verrocchio 22—3! Arbeiten der siebziger Jahre. Die Allegorie der Tapferkeit. Madonna mit Heiligen aus S. Ambrogio. Die Geschichte der Judith. Der Sebastian fur S. Maria Maggiore. Die Bildnisse der Pazziverschworer, Giulianos de' Medici, Pieros de' Medici. Mannliche Bildnisse im Louvre, in der Galerie Liechtenstein, in Berlin und in London. Die sogen. Simonettaportrats in Ghantilly, Frankfurt und Berlin. Weib- liche Bildnisse im Pitti, in Brighton und in London. Die Anbetung der Kdnige fiir S. Maria Novella. Botticelli und Leonardo da Vinci. Epiphaniasbilder in London und in Petersburg. Die friihen Tondi in der Sammlung Raczinsky und in den Uffizien 39-68 Der Augustin in Ognissanti und stilistisch verwandte Arbeiten. Das Fresko in Ognissanti. Kronung Mariae fiir S. Marco. Sonstige Darstellungen der Kronung Mariae. Das Bild fiir Matteo Palmieri. Francesco Botticini. Der grosse Kupferstich der Himmelfahrt Mariae. Altarbild fur S. Barnaba. Die Predellenbilder. Die Verkiindigung im Pal. Barberini. Madonna mit den beiden Johannes in Berlin. Die Allegorie des Friihling oder das Reich der Venus. Botticellis Stellung zur Antike. Allegorien der Fruchtbarkeit und der Jahreszeiten 69 — 8g Die Wandgemalde in der Sixtinischen Kapelle. Die Papstbildnisse. Fra Diamantes, Botticellis und Ghirlandajos Anteil daran. Mosis Thaten im Lande Midian. Versuchung Christi. Filippinos Mitarbeit. Vernichtung der Rotte Korah. Filippinos Skizze dazu . 90 — 100 X Die nachromische Periode bis um 1490. Seite Die Geburt dcr Venus. Einzelgestalt der Venus in Berlin. Mars und Venus in London. Venusbilder mit Eroten in London und Paris. Venvandte Darstellungen der Werkstatt und Schule. Die Wandgemaldc der Villa Lemmi. Bilder zu Boccaccios Decamerone. Die Athena fur Lorenzo do' Medici. Sonstige Darstellungen der Athena. Die Allegorie der Verleumdung nach Apelles. Das ,, Magnificat" und seine Wiederholungen. Tondi in der Akademie und der Sammlung Lanckoronski zu Wien , in den Galerien zu Florenz, Mailand, Rom , Turin, Berlin, Frankfurt , Dresden und London. Bilder der Werkstatt und Schule. Sonstige Madonnen- darstellungen dieser Zeit. Die Dantezeichnungen 101 — 135 Die neunzigerjahre, Savonarola und das Ende. Verkiindigungen in Florenz und Glasgow. Zeichnungen fiir Stickereien. Legende des Zenobius. Geschichte der Virginia. !f avonarolas Stellung zur Kunst. Botticelli als Piagnone. Grablegungen in Miinchen und in Mailand. Madonnenbild im Pitti. Die Anbetung der Konige aus Palazzo Vecchio. Die Geburt Chnsti von 1500 in London. Schluss 136 — 150 Verzeichnis der Botticelli zugeschriebenen Gemalde 151 — 155 Namen- und Ortsregister 156 — 158 2ite 20 - 34 44 ,, 60 ,. 72 „ 80 „ 84 „ 102 „ 116 „ 144 n MS Illustrationen. Vollbilder. Sandro Botticelli, Madonna mit Engeln. Uffizien, Florenz. (Gegeniiber dem Haupttitel.) — — Madonna vor dem Rosenhag. Uffizien, Florenz gegeniiber Seite — — Madonna mit Johannes. Louvre, Paris „ — — Die Heimkehr der Judith. Uffizien, Florenz „ — — Die Anbetung der Konige. Uffizien, Florenz „ — — Die Kronung der Maria. Akademie, Florenz „ - Madonna mit den beiden Johannes. Gemaldegalerie, Berlin ,, — — Das Reich der Venus. Akademie, Florenz „ — — Die Geburt der Venus. Uffizien, Florenz „ — — Die Allegorie der Verleumdung. Uffizien, Florenz „ — — Die Grablegung Christi. Alte Pinakothek, Miinchen „ — — Die Geburt Christi. Nationalgalerie, London ,, Textbilder. Seite Sandro Botticelli, Die drei Grazien. Akademie, Florenz. (Titelvignette) - Singende Engel (Zeichnung). Uffizien, Florenz IX Era Filippo Lip pi, Maria mit Kind und Engeln. Uffizien, Florenz 16 Era Diamante, Die Geburt Christi. Louvre, Paris 19 Sandro Botticelli, Maria mit Kind und Engeln. S. Maria Nuova, Florenz 26 - Madonna in den Wolken. Uffizien, Florenz 30 - Sebastian. Gemaldegalerie, Berlin 47 ■ — Mannliches Bildnis. Louvre, Paris 5 ' — — Bildnis eines jungen Mannes. Galerie Liechtenstein, Wien 5 2 — Weibliches Idealbildnis. Staedelsches Kunstinstitut, Frankfurt a. M 55 - Bildnis einer jungen Frau. Mr. Jonides, Brighton 57 - Augustinus, Wandgemalde in Ognissanti, Florenz 7 1 — Allegorie der Fruchtbarkeit (Zeichnung). Sammlung Malcolm, London 87 - Mars und Venus. Nationalgalerie, London 107 — Entwurf zu einer Athena. Uffizien, Florenz 113 — — Maria, das »Magnificat« schreibend. Uffizien, Florenz 119 — — Tondo aus Casa Canigiani. Akademie, Wien 122 - — Madonnentondo. Biblioteca Ambrosiana, Mailand i 2 5 — Zeichnung zu Dantes Gottlicher Komodie (Ausschnitt). Kupferstichkabinet, Berlin . . . . 131 - Die Verkiindigung. Uffizien, Florenz 1 37 E i n 1 e i t u n g. fu der grossen Zahl der Werke, die wir von der Hand des Florentiner Malers Sandro Botticelli besitzen, steht der Mangel an urkundlichen Belegen tiber ihre Entstehungszeit in misslichem Gegensatz. Die wenigen Notizen, die aus den Archiven von Florenz iiber unseren Kiinstler bekannt geworden sind, beziehen sich samtlich auf nicht mehr nachweisbare Arbeiten, iiber seine ausseren Lebensverhaltnisse lassen sie uns fast ganz im Dunkel. Wir erfahren aus ihnen nur folgendes: 1446 wurde Sandro als jiingster Sohn des Lohgerbers Mariano di Vanni Filipepi zu Florenz geboren 1 ). 1478 21. Juli werden ihm 40 Gulden fur die Bildnisse der wegen Beteiligung an der Pazziver- schworung Hingerichteten gezahlt 2 ). 1480 Vermogenserklarung des alten Mariano. Sandro lebt als Maler in dessen Hause. 1482 5. Oktober wird ihm zusammen mit Domenico Ghirlandajo die Ausmalung der Sala dell' Udienza im Palazzo pubblico zu Florenz iibertragen 3 ). 1487 Ein Rundbild fur die Sala dell' Udienza del Magistrato de' Massai della Camera zu Florenz 4 ). 1 49 1 5. Januar gehort er der Kommission an, welche von Lorenzo il Magnifico zur Beurteilung der zahlreichen fur die Konkurrenz um die Domfassade eingelaufenen Modelle und Zeich- nungen berufen war 5 ). 1 49 1 18. Mai wird ihm zusammen mit Domenico und Davide Ghirlandajo und dem Buchmaler Gherardo der Mosaikenschmuck der Zenobiuskapelle im Dom zu Florenz iibertragen 6 ). 1496 Malt er einen hi. Franziskus al fresco im Schlafzimmer der Nonnen von Monticelli 7 ). 1498 Vermogenserklarnug des Kiinstlers. Er wohnt mit seinem Bruder Simone im Viertel S. Lucia bei Ognissanti im Hause der Benincasa und des Lorenzo Filipepi, der Kinder ihres altesten Bruders Giovanni 8 ). 1503 25. Januar giebt auch er sein Gutachten iiber den besten Standort fur Michelangelos David ab 9 ). 1 5 10 27. Mai stirbt Sandro und wird in der Kirche Ognissanti in der Familiengruft der Filipepi beigesetzt 10 ). J ) Crowe und Cavalcaselle, Geschichte der italienischen Malerei III, S. 156, Aran. I. Ich zitiere im folgenden stets nach dieser von Dr. Max Jordan besorgten deutschen Originalausgibe, Leipzig 1870 u. f. 2 ) Crowe u. Cavalc. Ill, S. 159, Anm. 6. s ) Gaye, Carteggio I, S. 578. 4 ) Vasari ed. Milanesi III, S. 322, Anm. 3. Ich zitiere im folgenden stets nach dieser bei Sansoni in Florenz erschienenen Ausgabe. 6 ) Crowe u. Cavalc. IV, S. 195. e ) Vas. Ill, S. 275, Anm. 1. 7 ) Vas. Ill, S. 318, Anm. 4. 8 ) Gaye, Carteggio I, S. 343, N. 172. °) Gaye, Carteggio II, S. 458. 10 ) Vas. II, S. 321, Anm. 3. Milanesis Behauptung, dass Mariano, der Vater Botticellis, selbst 15 10 das Familien- begrabnis in Ognissanti habe herrichten lassen, beruht auf einem Irrtum. Mariano ist bereits 1 393 geboren und nennt sich in seinem Katasterbericht von 1480 einen Greis von 86 Jahren, der nichts mehr thue, im Jahre 15 10 hatte er also das patriarchalische Alter von 117 Jahren erreicht. 1 2 Kinleilung. Der Mangel an urkundlichen Belegcn iiber die Entstehungszeit der Werke Botticellis wircl noch fuhlbarer durch den Umstand, dass der Kiinstler mit einer Ausnahme 1 ), und dies am Ende seiner Thatigkeit, keines seiner Bilder weder mit Namen oder Monogramm noch Jahreszahl bezeichnet hat, und uns somit jeglichc Kontrollc fur ihre Datierung genommen ist. Dies ist auch der Grund fur die Unsicherheit, die in Bezug auf die Chronologic seiner Werke in der neueren Literatur sich findet-). Fur die Kenntnis seiner Thatigkeit sind wir somit fast ausschliesslich auf die literarischen Quellen angewiesen. Als solche waren bis vor kurzem nur bekannt des Francesco Albertini »Memoriale di molte statue et picture sono nella inclyta cipta di Florentia i5io« 3 ), woselbst einige von den in Florenz damals befindlichen Werken Botticellis kurz erwahnt werden, und die Bio- graphie von Vasari 4 ). Denn die Berichte des Borghini 5 ) und Baldinucci G ) konnen als ganz abhangig von letzterem nicht unter die Originalquellen gerechnet werden. Vasaris ausfuhrliche Biographie hat durch das Bekanntwerden des »Codice Magliabechiano« und des »Libro di Antonio Billi« nicht nur eine bedeutende Erganzung sondern auch eine wichtige Kontrolle erfahren. Ersterer, eine anonyme Handschrift kunsthistoriographischen Inhaltes auf der Biblioteca Nazionale zu Florenz, (Manoscritto Gaddiano, Magliabechiana Classe XVII Nr. 17) ist, wie Milanesi, Fabriczy 7 ) und Frey s ) nachgewiesen, nicht nur vor Vasaris erster Ausgabe der Viten (1550) und unabhangig von ') Es ist dies die Geburt Christi, welche aus der Sammlung Fuller Maitland in den Besitz der National Gallery zu London (N. 1034) iibergegangen ist. Eine griechische Inschrift am oberen Rande des Bildes besagt namlich, dass es am Ende des Jahres 1500 unter den Wirren Italiens von Alexandros gemalt sei. Uber den Sinn dieser langen unklaren Aufschrift vgl. Sidney Colvin in The Academy vom 15. Februar 187 1 ; iiber das Bild selbst s. w. u. Die Bezeichnung Sandro di Mariano findet sich ausserdem noch auf der Zeiehnung zum XXVIII. Cesang des Paradies in dem Dantecodex des Berliner Kupferstichkabinets. — Milanesi Vas. Ill, S. 331 will die Buchstaben A. F. A. D. F. P. auf dem Schlussblatte eines auf der Bibliotheca Laurentiana zu Florenz (Pluteus XLI, No. 33) befindlichen, mit Federzeichnungen gesehmiickten Exemplares einer Sammlung von Gedichten Lorenzos di Pierfrancesco de' Medici, Maccbiavellis, Polizianos, Niccolo Valoris, Biagio Buonaccorsis u. a. m. auflosen in: Alexander Filipepius Artifex De Florentia Pinxit. Doch ist dies eine unbaltbare Ilypothese, da die Zeichnungen weder von der Hand Botticellis noch eines Florentiners tiberhaupt herriihren, sondern einem dem Pinturicchio nahestehenden umbrischen Kiinstler angehoren. S. w. u. -) Vgl. L. Lanzi: Storia pittorica d'ltalia, iibers. von J. G. von Quandt (,'830) I, S. 67; Giov. Rosini: Storia della pittura italiana esposta coi monumenti, Pisa 1841 Bd. Ill, S. 126 ff.; Carl Friedr. von Rumohr: Ilalienische Forschungen 1827, Teil II, S. 272 ff. Bei Crowe und Cavalc asell e: Geschichte der italienischen IMalerei III, S. 156 ff. ist das Material allerdings in dankenswerter Weise zusammengebracht, aber die Aufzahlung der Werke ist mehr katalogisierend, ohne geniigende Riicksicht auf ihre Enlstehungszeit und die Entwickelung des Kiinstlers. Ahnliche Mangel ohne die Yorzuge reicher Material- sammlung finden sich bei Ernst Forster: Geschichte der italienischen Kunst, Leipzig 1S72 III, S. 302 — 27; Wilh. Liibke: Geschichte der italienischen Malerei I, S. 350 ff . ; Wol tin ann- W o erin an n: Geschichte der Malerei; Karl Woermann in Dannies Kunst und Kiinstler 1878 III; J. A. Crowe in der Gazette des beaux arts 1886 II, S. 177 ff. u. 466 ff. Erst der Cicerone, 5. Auflage (1S84), hat nachdriicklich auf die friihen Madonnenbilder Botticellis hingewiesen und somit die Forschung iiber dessen Jugendgeschichte angebahnt. Ihm ist Jul. Meyer in seinem hochst verdienstvollen Aufsatz im eilauternden Text zu der in der Grote'schen Verlagsbuchhandlung crscheinenden illustrierten Ausgabe der Gemaldegalerie der Kcjniglichen Museen in Berlin und im Jahrbuch der k. preuss. Kunstsammlungen 1890, XI, S. I — 16 gefolgt, ohne jedoch in alien Punkten die erhoffte Klarheit in der Entwickelung des Kiinstlers und der Chronologie sefner Werke zu erreichen. Fiir die iisthetische Wtirdigung Botticellis ist diese Abhandlung Meyers von hohem Wert und voll treffender Charakteristik. Langere Abschnitte iiber Botticelli finden sich ausserdem bei Rio: L'Art Chretien II, S. 394 ff . ; F. A. Gruyer: Les vierges de Raphael et l'iconographie de la Vierge I, S. 267 ff.; Walter H. Pater: Studies in the history of the Renaissance 1873, S. 39 — 51; Ivan Lermolieff: Die Galerien Borghese und Doria Panfili in Rom 1890, Die Galerien Miinchen und Dresden 1891, Die Galerie zu Berlin 1893 i E. Muntz: Les preeurseurs de la Renaissance S. 139 ff. und Histoire de l'Art pendant la Renaissance, Italic, L'age dor, S. 629 — 642; A. Schmarsow: Melozzo da Forli, S. 210. Fur die in England befindlichen Werke vgl. G. F. Waagen: Treasures of Art in Great Britain ; Gustavo Frizzoni: Arte italiana nella Galleria nazionale di Londra, Archivio sturico italiano IV. Serie, torn. IV (1879), S. 246 ff. und torn. V (1880), S. 45 mit einigen Zusatzen abgedruckt in Arte italiana del rinascimento, saggi critici, Milano 1891 und I. P. Richter: Italian Art in the National Gallery, London 1883. : ') Abgedruckt bei Crowe und Cavalc, II, Anhang. 4 ) Le vite de piu eccellenti Pitlori Scu'tori ed Architettori scritte da Giorgio Vasari ed. Gaetano Milanesi , Firenze Sansoni 1878, Bd. Ill, S. 303—331. 5 ) Raffaello Borghini, II Riposo, Fiorenza 1584, lib. Ill, S. 350 — 353. '') Filippo Baldinucci, Notizie dei Professori del disegno da Cimabue in qua etc. 1 68 1, vol. I, S. 566—569. ') Cornel von Fabriczy, Filippo Brunelleschi, sein Leben und seine Werke, Stuttgart 1S92. ) II codice Magliabechiano cl. XVII, 17 contenente notizie sopra l'arte degli antichi e quella de' Fiorentini da Cimabue a Michelangelo Buonarotti scritta da Anonimo Fiorentind, herausgegeben und mit einem Abrisse iiber die Florentinische Kunsthistoriographie bis auf G. Vasari versehen von Carl Frey, Berlin 1892. Die Quellen. ■> ihr in Florenz entstanden, sondcrn auch Vasari seinerseits hat diese Quelle nicht gekannt 1 ). Uber Botticelli sind die Angaben des Anonymus ganz besonders ausfuhrlich und um so wichtiger, als daselbst mehrere von Vasari nicht erwahnte Werke, eines sogar mit dem Jahr seiner Ent- stehung, aufgefiihrt sind 2 ). Freys Vermutung, dass gerade fiir Botticelli der Anonymus durch Cristoforo Landino, den Zeitgenossen und als Freund des mediceischen Hauses auch mit unserem Kiinstler naher befreundeten Gelehrten und Kommentator des Dante, personlich oder aus dessen literarischen Nachlass unterrichtet worden sei, ist daher sehr wahrscheinlich. Den Wert einer selbstiindigen Quellenschrift hat der Codex Magliabechianus jedoch nicht. Auch er schopft fiir die Meister des Quattrocento wieder aus dem sogenannten »libro di Antonio Billi«, einer Sammlung von Nachrichten iiber die Werke Florentiner Kiinstler von Cimabue bis Michelangelo zwischen 1 5 1 6 und 1525 entstanden, dessen Original jedoch nicht mehr vorhanden ist sondern nur in zvvei Kopien resp. Ausziigcn vorliegt 3 ). Die eine Abschrift, nach ihrem ehemaligen Besitzer Carlo Strozzi »Codex Stozzianusx genannt, verdient wegen ihrer grosseren Genauigkeit und Aus- fiihrlichkeit den Vorzug, ist jedoch nur stiickweis erhalten. Da die Vita Botticellis darin fehlt, so kommt diese Quelle hier nicht in Betracht. Als Erganzung fiir das Verlorene dient die zweite, sehr gekiirzte Abschrift des >libro« von dem Kanonikus Antonio Petrei zwischen 1564 und 1570 gefertigt 4 ). Dieser »Codex Petrei« ist jedoch fliichtig, gedankenlos und voller Irrtiimer. Die Nach- richten iiber Botticelli sind diirftig und enthalten nichts neues. Borghini und Baldinucci streben in ihren Biographien Botticellis weder nach der gedrangten Ubersichtlichkeit des Anonymus noch nach der breiten Ausfiihrlichkeit Vasaris. Auch spatere Guiden wie Bocchi und Cinellr'), Carlieri ) oder Richa in seinem Sammelwerk iiber die florentinischen Kirchen 7 ) steuern nichts wesentliches bei. Uber etwaige Abweichungen oder Zusatze ihrerseits wird im Verlauf der Ab- handlung an betreffender Stelle gesprochen wcrden. Das allgemeine Resultat, welches sich somit auch aus den literarischen Zeugnissen fiir die Chronologie der Werke Botticellis gevvinnen lasst, ist recht unbefriedigend. Immerhin sind einige Anhaltspunkte wenigstens vorhanden, nach denen man bestimmte Arbeiten des Kiinstlers mit annahernder Sicherheit datieren und durch stilistische Vergleichung mit andern verwandten Stiicken zu einer Vorstellung von seinem Entwicklungsgang gelangen kann. Fra Filippo Lippi ist nach der iibereinstimmenden Aussage des Anonymus und des Vasari der Lehrer Sandro Botticellis gewesen. Sandro ist mehr denn ein Menschenalter jtinger als Fra Filippo ; als jener noch in den Kinderschuhen steckte , war dieser bereits ein gereifter, wohl bekannter Meister. Sandro lernte in ihm nicht mehr den Vertreter der zarten Kunstweise eines Masolino und Fra Giovanni da Fiesole kennen, sondern den Nachfolger der neuen und ') Nach Fabriczy a. a. ()., S. XXVIII u. 425 ff. ist der Codex Magliabechianus sicher zwischen 1542 und 1556, wahrscheinlich aber schon zwischen 1544 und 1549 entstanden; nach Frey a. a. ( >., S. XCVIII, »mochte der zusamraenhangende Teil der Handsclnift bis inclusive Michelangelo, doch mit Ausschluss der Nachlrage innerhalb der Jahre 1537 bis 1542 entstanden sein. Danach eine Reihe von Zusatzen ; besonders die romischen wurden 1 544 geschrieben und 1546 mit einer Notiz vermehrt. « 2 ) Ich habe bereits in meiner Dissertation die vom Anonymus gegebene Vita Botticellis nach einer von mir auf der Eiblioteca nazionale zu Florenz genommenen Abschrift publiziert. Die jetzt erfolgte Ausgabe von Frey macht einen nochmaligen Abdruck derselben unnbtig. Da damals bei der Verbffentlichung fiir mich kein phdologischer Zweck vorlag, so hatte ich die altertiimliche Schreibweise durch die moderne ersetzt, und wo es die Deutlichkeit forderte, die Abkiirzungen aufgelbst. Ich werde im folgenden jedoch den diplomatich getreuen Text der Frey'schen Ausgabe beibehalten. 8 ) , S. 110, N. VII: 1452, 8 agosto. Leonardo di Bartolommeo Bartolini citladino fiorenlino, de' avere a di VIII. d'aghosto 1452, fior ventidue d'oro larghi; e'quali gli promettiamo per Frate Filippo di Tomaso di Firenze, dipintore della chapella magiore della Pieve di Prato, di darglieli per di qui a di VIII di diciembre prossimo che vena 1452, in caso che detto Irate Filippo 11011 gli avesse finito un cierto tondo del legniame ch'e del detto Lionardo cioe di dipignerlo di certa storia che gli aveva chominciata della Vergine Maria. *) Msgr. Baldanzi: Delle Pitture di Fra Filippo Lippi nel coro della cathedrale di Prato, l'rato 1S35 und Descrizione della cathedrale di Prato, Prato 1846. :: HI, 71. 4 ) Im Sept. 1451 ist Fra Filippo noch in Florenz naehweisbar. Er prozessiert daselbst vor dem Handelsgericht mit Antonio del Branca aus Perugia, der sich ein beim Kiinstler am 16. Fcbruar 145 1 bestelltes Bild wegen seiner mangel- haften Ausfiihrung zu bezahlen weigerte. Vas. II, 626, Anm. 3. •j Uber diese ganze Angelegenheit vgl. den Commentar zur Vita Fra FilipposVas. II, 633 IT. ' Am 4. Mai 1455 hatte Fra Filippo ein Ilaus von der Compagnia del sacro Cingolo in Prato gekauft und sich somit dauernd daselbst niedergelassen. Guasti a. a. O., S. 38. 7 ) Das Original abgedruckt bei Gaye, Cartcggio I, 175, N. 76, ubersetzt von Guhl, Kunstlerbriefe I, S. 15. vgl. auch Crowe u. Cavale. Ill, 63. ) In einem aus Florenz vom 31. August 1457 datierten Briefe schreibt Francesco Catansanli an Giovanni de' Medici, dass Ira Filippo am Abend vorher plotzlich Hals iiber Kopf aus Florenz abgereist sei , ohne das Bild zu vollenden und seine Habe sogar als Pfand fiir die Wohnungsmiete zurtickgelassen habe. Gaye Carteggio I, 176, N. 67. Diese eilige Abreise des Ktinstlers aus Florenz war wohl weniger durch eine kurz vorher stattgehabte Pfandung als vielmehr durch die Niederkunft der Lucrczia Buti bedingt, welche sich seit dem 1. Mai 1456 im Ilause des Frate befarfd. Fs ergiibe sich somit als Geburtsjahr i'ilippinos 1457, was auch mit der von Milanesi mitgcteilten Nachricht stimmt, dass Lucrezia 145S wiedcr im Kloster ist und 1459 von neuem zur Nonne geweiht wird. :i Mariotti, I.ettere pittoriche pcrug. S. 132 ff. Vas. II, 626, Anm. 3. Crowe u. Cavale. IV, 151. Fra Filippos Fresken in der Kathedrale zu Prato. y eingesetzte Viermannerkommission am 6. April 1464 dcm Magistrate erklaren rnusste, es ware iiberhaupt nur wenig Hoffnung auf Vollendung vorhanden, wenn sich nicht Messer Carlo de' Medici, der damalige Propst, ins Mittel lege und dem Frate den August dieses Jahres als aussersten Termin bestimme. Endlich im Jahre 1465 war das Werk vollendct. Als Thema waren dem Kunstlcr Episoden aus dem Leben des Taufers und des Proto- martyr gestellt worden; und zwar ist die rechte Wand des gotischen Chores der Geschichte Johannes des Taufers, des Lokalheiligen von Florenz, die linke Wand derjenigen des Stephanus, des Schirmherrn von Prato, gewidmet. In den Ausschnitten des Deckengewolbes sind nach alt- hergebrachter Weise die vier Evangelistcn dargestellt. An der Schlussvvand stehen in gemalten Nischen links neben dem Fenster S. Giovan Gualberto, der Stifter des Ordens von Vallombrosa, rechts S. Alberto, der Grtinder des Karmeliterordens. Das Glasfenster zeigt die Giirtelspende an Thomas l ). Die Lunettenbilder der rechten Wand erzahlen die Geburt und die Namensschreibung Johannis. Sie sind im Laufe der Zeit durch Feuchtigkeit arg mitgcnommen und gestatten keinen sicheren Schluss mehr auf ihren kunstlerischen Gehalt. Auf dem darunter liegenden Wandstreifen sind noch der herkommlichen Weise entsprechend Ereignisse, die in Wahrheit zeitlich und ortlich getrennt sich abspielen, auf einem Grundplane vereinigt. Rechts findet der Abschied des Johannes von seinen Eltern statt. Daneben mehr im Hintergrunde ist das Leben des jugendlichen Biissers in der Wiiste geschildert, wie or inmitten einer von einem kleinen Bache durchstromten Felseneinode knieend Gottes Schutz fur sein schweres Werk erfleht. Der Prediger- thatigkeit ist die niichste Scene gewidmet. Sowohl in Bezug auf harmonische Gliederung der Komposition als Lebendigkeit der Darstellung diirftc diese Predigt Johannis gegeniiber Masaccios Predigt Petri einen fiir Fra Filippo ehrenvollen Fortschritt bezeichnen. Der unterste und letzte Wandstreifen schildert das Feiden des Taufers. In der Mitte wird uns der Tanz der Salome vor Herodias, links die Enthauptung und rechts die Uberbringung des Hauptes an die Mutter vorgefuhrt. Also auch hier zeitlich aufeinander folgende Momente auf einem Plane vereinigt. Die Marterscene, die ohne jegliche motivierende Scheidung auf die Fensterwand iibergreift, ist dermassen zerstort, dass die Komposition kaum noch aus den Uberresten geahnt werden kann. Gut dagegen erhalten ist die Darstellung des Hauptfeldes. Es ist interessant, diese Komposition Fra Filippos mit den Darstellungen gleichen Inhaltes von Giotto , Andrea Pisano, Masolino einerseits, Donatello andererseits zu vergleichen. Wahrend erstere — in dem Fresken- cyklus der Peruzzikapelle in S. Croce, an der Bronzethiir des Baptisterium zu Florenz, unter den Wandmalereien im Baptisterium zu Castiglione d'Olona — die Salome ganz ziichtiglich und bescheiden ihr Menuett auffiihren lassen , erfreut sich der lebenslustige Frate gerade daran, in wirbelndem Tanze die Reize der weiblichen Formen zu zeigen. Ist er so zwar den beiden Trecentisten und Masolino an Lebendigkeit der Darstellung iiberlegen, so weiss er andererseits nicht die Hohe dramatischen Affektes zu erreichen, der Donatellos Relief am Taufbrunnen zu Siena auszeichnet. Auch die Komposition dort verdient bei weitem den Vorzug vor der in Prato. Der grosse Bildner greift die Uberreichung des Hauptes durch Salome als Hauptpunkt heraus, widmet dieser Scene die ganze Flache des Reliefs. Den Tanz der Tochter, die Uber- bringung des blutigen Geschenkes an die Mutter verlegt er als Episoden in den Hintergrund, indem er sie, nur skizziert, in dem Treppenhaus und einem dahinter gelegenen Zimmer vor sich gehen lasst. Zu dieser vollen Erkenntnis einer einheitlichen Kompositionsweise war der Frate damals noch nicht gelangt. Die perspektivische Zeichnung der Raumlichkeit , die frische Bewegtheit der Gestalten, die plastische Rundung der Korper, die scharfe Charakteristik der lebenswahren Kopfe, die freie Behandlung der in grossen Massen sich entfaltenden Gewandung unseres Bildes verdienen da- gegen das hochste Lob. Ein gesunder, lebensfroher Realismus tritt uns hier entgegen, wie er in seiner ganzen Entfaltung auf dem oberen Wandstreifen noch nicht zum Durchbruch ge- ') Es ist vom Prete Lorenzo da Pelago wahrscheinlich nach einem Entwurfe Fra Filippos ausgefiihrt worden. Baldanzi, Pitture di Fra Filippo S. 20. 8 Einleitung. kommcn war. Die tanzende Salome ist trotz der derben Bildung des etwas baurischen Modells ein Meistersttick im Rythmus der Bewegung, im harmonischen Fluss der Linien. Hier fand Botticelli das Vorbild fur seine tanzenden Grazien und Nymphen, seine schwebenden, schwingenden Engelknaben. Ja, man ware fast geneigt, ihm die Ausfiihrung dieser Gestalt zuzusprechen, wenn nicht eine Figur, wie die mit dem Korbe heraneilende Frau auf Filippos Rundbild im Pitti den Beweis lieferte, mit welcher Virtuositat der Frate gerade die elastischen Bewegungen des weib- lichen Korpers wiederzugeben verstand. Auch Domenico Ghirlandajo wiederholt dieses tanzende Madchen auf seinem Fresko im Chor von S. Maria Novella, ohne jedoch in der reizvollen Be- wegung sein Vorbild zu erreichen. Die einzelnen Gestalten sind dank einer iiberaus sicheren und flotten Malweise mit grosser Meisterschaft in vollem Lichte herausmodellirt, heben sich korperhaft abgerundet vom Hintergrunde los , leben und bewegen sich wie wirkliche Menschen aus Fleisch und Blut. Und als solche sind sie auch in psychologischer Hinsicht vom Kiinstler fein charakterisiert. In den ausserlich anmutigen Ziigen der Herodias ist das Sinnliche, Lauernde, Leidenschaftliche dieses Charakters treffend gegeben. Mit der berechnenden Weltdame kon- trastieren wirksam die danebenstehenden beiden plumpen Dienerinnen ; rohe, gewohnliche Typen von der Strasse hierher versetzt, aber in ihrer ganzen brutalen Neugier mit packender Lebens- wahrheit geschildert. Die in der Lunette der linken Wand dargestellten Episoden aus der Jugendgeschichte des Stephanus sind noch mehr zerstort als die der gegeniiberliegenden Wand und lassen die Komposition selbst nicht mehr deutlich erkennen. In dem oberen Freskenstreifen entsprechen den Darstellungen aus dem Predigerleben des Taufers driiben Episoden aus der Diakonenthatigkeit des Stephanus. Zur Linken wird der jugendliche Heilige von Petrus zum Diakon geweiht, danebcn erscheint er als Wunderthater bei der Heilung eines Besessenen und disputiert mit den Schrift- gelehrten iiber die Wahrheit seiner Religion. Die Malereien des untersten Wandstreifens schildern seine Steinigung und Beisetzung. Leider ist das Martyrium, das ebenso wie die Enthauptung des Taufers driiben auf die Fensterwand iibergreift, durch Feuchtigkeit und Restauration arg zerstort, ein Umstand, der umsomehr zu beklagen ist, als Vasari gerade dieser Scene grosses Lob spendet. In der Beisetzung, welche die ganze Flache des Wandfeldes einnimmt, lasst der Kiinstler seinem Realismus vollen Lauf. Jede Andeutung der bestimmten, durch die Legende bedingten Handlung ist konsequent vermieden. Nicht die Bestattung des Stephanus wird hier geschildert, sondern die eines vornehmen Mannes aus der Umgebung des Kiinstlers, vielleicht des Geminiano Inghirami, dem das gesamte Kapitel der Pieve das Ehrengeleit giebt. Kein Nimbus charak- terisiert den auf der Bahre liegenden Toten als den ersten Martyrer. Kein biblisches Kostiim versetzt uns in die friihesten Zeiten der Christenheit. Alle Anwesenden sind Zeitgenossen des Malers, wohlbekannte Personlichkeiten aus seiner Umgebung. Rechts im Vordergrund steht im Pralatenkostiim Carlo de' Medici, der nattirliche Sohn Cosimos, der seit dem Tode des Inghirami die Wiirde eines Propstes an der Pieve zu Prato bekleidete. Hinter ihm zu ausserst rechts in der Ecke hat sich der Kiinstler selbst konterfeit, in dunkler Robe, ein schwarzes Kappchen auf dem Kopfe. Und neben ihm wird ein biederes, etwas feistes Antlitz sichtbar, das in ganzer Vorderansicht dem Beschauer zugewandt ist. Sollen wir nicht in ihm Fra Diamante erkennen, den wackeren Gehilfen Fra Filippos, dessen Portrait ja nach Vasaris Zeugnis auf unserem Bilde neben dem seines Lehrers zu sehen ist? 1 ) Die Namen der iibrigen Anwesenden sind uns nicht iiberliefert, aber wir glauben sie dennoch zu kennen die kraftigen Gestalten mit den charaktervollen, energischen Kopfen. Ernst und feierlich treten diese Menschen auf, aber auch ') Nach dem Vorgange Baldanzis wollte man das Portrait Fra Filippos in dem zu ausserst links auf det rechten Seite schrag vor Carlo de' Medici stehenden Manne erkennen und sah in dem daneben befindlichen Kopfe das Bildnis des Fra Diamante. Doch stimmt der Kopf des vornstehenden Klerikers keinetwegs mit dem Portrait Filippos auf der Kronung Mariae in der Florentincr Akademie noch mit seiner Btiste im Dom zu Spoleto uberein , wahrend die hinterste Gestalt rechts, wie Crowe und Cavalcaselle treffend hervorheben , nicht nur die gleichen Gesichtsziige wie die beiden beglaubigten Portraits des Kiinstlers zeigt, sondern in der namlichen fur ein Selbstportrait sprechenden Haltung auf der rechten Seite des Todes der Maria in Spoleto wiederkehrt. Uber das Portrait Diamantes lasst sich nichts Entscheidendes sagen, da vir kein beglaubigtes ISildnis von ihm besitzen. Fra Filippos Fresken in der Kathetlrale zu Prato. g kiihl bis ans Herz hinan. Man mochte zweifeln, dass sic zur Klage um einen durch Morderhand entrissenen Genossen erschienen seien, wenn nicht der Leichnam auf der Bahre ihre Gleich- giiltigkeit Liigen strafte. Die ernsten, machtigen Formen der Architektur passen vortrefflich zu dieser schweigsamen, selbstbewussten Versammlung; kein Zierrat ist irgendwo zu erspahen, ein einfaches Kreuz auf dem Altare bildet den einzigen Schmuck in der feierlichen Halle. Die Beisetzung des Stephanus ist die vollendetste Leistung innerhalb des ganzen Fresken- cyklus. Zum erstenmale erscheint hier die Komposition, in freier Anlehnung an Giottos Exequien des hi. Franz in der Kapelle Bardi in S. Croce, als ein einheitliches in sich abgeschlossenes Ganze. Keine storenden Episoden beeintrachtigen mehr die Wirkung des eigentlichen Vorganges. Fra Filippo hat hier die Bedingungen einer strengen, monumentalen Kunst ganz und voll erfullt Man staunt bei dem Anblick dieser iiberlebensgrossen frei und breit behandelten Gestalten iiber die urwiichsige Kraft und Lebensfrische eines Kiinstlers, der bis vor kurzem fast ausschliesslich die Madonna in zarter jungfraulichkeit das Kind anbetend und in keuscher Befangenheit der Botschaft des Engels horchend oder als hehre Himmelskonigin im zeremoniellen Kreise an- dachtiger Heiliger und verehrender Engel dargestellt hatte. Es ist ein Historienbild von einer Schlichtheit und Grosse der Auffassung, wie ihm die Kunst des Quattrocento nicht viel Ahn- liches zur Seite stellen kann. Sicherlich liegt der Ausgangspunkt fur die grossen historischen Kompositionen Ghirlandajos und Raffaels vor allem in Masaccios Wandgemalden der Brancacci- kapelle , aber wenn es sich darum handelt, die systematische Entwickelung ihrer Kunst dar- zuthun, so muss diese Schopfung Fra Filippos neben dencn seines Lehrers an erster Stelle ge- nannt werden. Bei der Betrachtung des gesamten Freskenschmuckes der Chorkapelle drangt sich von selbst die Frage auf, in welcher zeitlichen Reihenfolge die einzelnen Darstellungen entstanden sind. Sucht man doch uberall die Wandlungen eines Kiinstlers in seinen Werken zu verfolgen, begriisst man doch jeden Fortschritt seinerseits, jede Annaherung an das ersehnte Ziel mit Freuden. Und dreizehn Jahre sind ein Zeitraum , der nicht ohne merkliche Spuren in einem Kiinstlerleben verrinnt. Dass der Frate seine Arbeit mit den Evangelisten an der Decke begonnen, ist wohl als sicher anzunehmen , da die Ausmalung derselben ja vollendet sein musste, ehe die darunter liegenden Wandflachen in Angriff genommen werden konnten. War einmal das hohe Geriist in der engen Kapelle aufgerichtet, so empfahl es sich von selbst, nicht erst eine Wand von oben bis unten vollstandig fertig zu malen , sondern stets dem Streifen der einen Wand den entsprechenden der anderen folgen zu lassen. Diese aus Nlitzlichkeitsrucksichten gebotene Annahme wird zur Genuge bestatigt teils durch das tibereinstimmende Kompositionsschema teils durch die gleichen Fortschritte und gleichen Fehler in den korrespondierenden Feldern der Gegenseiten. In den Lunettenbildern ist die Anordnung des Ganzen, die perspektivische Konstruktion des Raumes, die Zeichnung und Bewegung der Gestalten so tibereinstimmend und aus einem Gusse, dass beidc in dem gleichen Zeitraum entstanden zu sein scheinen und es nicht zu entscheiden ist, welchem unter ihnen das Prioritatsrecht gebiihrt. Auch stimmen sie stilistisch — soviel bei ihrem verwahrlosten Zustand noch zu erkennen ist — ziemlich genau mit den Evangelisten an der Decke iiberein, so dass ihre Entstehung in den Anfang der Arbeit, um das Jahr 1452, zu setzen ist. Unter den oberen Langsstreifen der beiden Wande scheint der mit der Prediger- thatigkeit des Johannes der friihere zu sein. Dies erhellt aus der Einteilung des ganzen Wand- feldes. Wiewohl gerade hier der strenge Aufbau der Gruppen sehr zu loben ist, so fehlt doch jeder ausserliche Zusammenhang zvvischen den einzelnen Scenen. Keine unter ihnen dominiert oder ist als Hauptsache betont. Die Liicke zwischen dem Abschiede des Johannes und der Predigt fiillt der im Hintergrund knieende Knabe nicht hinreichend aus, es entsteht eine Leere im Bilde, die um so empfindlicher wirkt, als gerade hier die Behandlung der Landschaft noch so manches zu wiinschen tibrig lasst. Dagegen ist in dem entsprechenden Freskenstreifen der gegenuberliegenden Wand Abhiilfe geschaffen. Wenn auch hier noch ortlich und zeitlich ge- trennte Scenen auf einem Grundplan vereinigt sind, so hat es der Kiinstler doch verstanden, lO Einleitung. sie zu eincm einheitlichen, pyramidal sich aufbauenden Ganzen zusammenzuschliesen. Er erreicht dies dadurch, dass er das Wunder an dem Besessenen innerhalb eines architektonisch abgregrenzten Raumes iiber die beiden anderen Ereignisse erhoht, ungefahr in die Mitte des ganzen Wandfeldes ruckt und diesen Vorgang sowohl dem ausseren als dem inneren Zusammen- hang nach als Hauptmoment hervorhebt. Allerdings ist bei dem Streben nach Konzen- tration der einzelnen Teile die Lebendigkeit der Handlung und die freie Entfaltung der Gestalten zu kurz gekommen. In der Ausfiihrung haben wir wahrscheinlich iiberwiegend die Hand des Gehiilfen zu erkennen. Trotzdem konnen die beiden Freskenstreifen ihrer Entstehungszeit nach nicht allzu- weit auseinander liegen und gehoren, was AufFassung, Formgebung und Ausfiihrung anbelangt, naher zu den Liinettenbildern und Evangelisten als zu den Darstellungen der untersten Felder. Von letzteren sind sie vielmehr durchaus verschieden, und es muss nach ihrer Vollendung eine langere Pause in der Arbeit eingetreten sein. Wahrscheinlich hat der Florentiner Aufenthalt Fra Filippos 1457 diese Unterbrechung veranlasst. Auf dem untersten Streifen der rechten Wand sind zwar noch drei zeitlich aufeinander folgende Momente in einem Bilde vereinigt, aber die Buhne bleibt doch dieselbe. Dies ist ein entscheidender Fortschritt gegeniiber den Scenen der oberen Felder. Denn dadurch, dass der Tanz der Salome, das Hereinbringen des Hauptes und die Uberreichung desselben an die Mutter in ein und demselben Raume vor denselben Zuschauern stattfinden, erscheint das Ganze ein- heitlicher und ubersichtlicher, das Unnaturliche der dreigeteilten Handlung tritt weniger stark hervor. Dazu triigt hauptsachlich bei, dass der Tanz als Hauptmoment iiberwiegt, ihm die Mitte des Wandfeldes eingeniumt ist, wahrend die beiden iibrigen Ereignisse immerhin mehr als Episoden in den Ecken abgehandelt werden. Einheit der Handlung ist jedoch noch nicht erreicht. Es ist bereits gesagt worden, welch frische Lebendigkeit die hier agierenden Personen erfullt, welch gesteigerte Kraft sich in der Ausgestaltung der Raumlichkeit, in der Bewegung und Charakterisierung der Figuren gegeniiber den friiheren Darstellungen ausspricht. Eine helle Freude an der Pracht und dem Glanz des Lebens verkiinden diese Schildereien, wie sie uns zur gleichen Zeit nur aus den Fresken des Benozzo Gozzoli im Palazzo Medici zu Florenz entgegen- strahlt 1 ). Gerade mit diesem Kiinstler, der seit 1457 wieder in Florenz weilte, mag der Frate wahrend seines langeren Aufenthaltes daselbst in dem gleichen Jahre und auch spaterhin noch im engeren Verkehr gestanden, dessen liebenswiirdiges Erzahlertalent schatzen gelernt und sich bis zu einem gewissen Grade sogar angeeignet haben. Unser Fresko zeigt den Zusammenhang mit der Denkweise Gozzolis deutlich ; ein Grund mehr, seine Entstehung erst nach 1457 zu setzen. Fur die Datierung der letzten Darstellungen aus der Legende des Stephanus giebt das Portrat des Carlo de' Medici, der seit 1460 Propst zu Prato war, den ausersten Termin nach riickwarts. Doch hiitte die Behorde 1463 und 1464 keinen Grund gehabt, den Kiinstler zur Vollendung seiner Malereien zu drangen, wenn der letzte Wandstreifen bereits vor seiner Reise nach Perugia in Arbeit gewesen ware. Vielmehr mochte man aus gewissen Besonderheiten eben dieser Darstellung schliessen, dass sie erst nach dem umbrischen Aufenthalt entstanden ist. Das Fresko mit dem Tanz der Salome zeigte zwar in der Konstruktion der Raumlichkeit bereits ein voiles Vertrautsein des Kiinstlers mit der Linearperspektive, die Gestalten bewegen sich zwar frei und natiirlich auf der geschaffenen Buhne, aber eine solche Schlichtheit und ernste Grosse, wie sie aus der Architektur und dem Gebahren der Menschen auf der Beisetzung des Stephanus spricht, finden wir dort noch nicht. Fra Filippo lernte auf seiner Reise nach Perugia die Werke des Piero della Francesca in Arezzo kennen, und die Architekturprospekte auf den Gemalden dieses Meisters konnten ihre Wirkung auf den bildungsfahigen Sinn des Florentiners ebensowenig verfehlen wie die in scharfen Umrissen klar und bestimmt heraus- modellierten Gestalten, welche so fest auf dem Boden dastehen, so plastisch und korpcrhaft von der Bildflache sich loslosen. Besonders auffallend ist die Verwandtschaft Fra Filippos mit dem grossen Umbrier auf der Steinigung des Stephanus. Der hoch gewahlte Augenpunkt, die Zu- 1 1459 waren diese Malereien bereits weit vorgesclmtten, wie die Briefe Gozzolis an Piero de' Medici vom 10. Juli, II. und 21,. September d. J. aussagen. Gaye, Carteggio 1, S 191 IT. Die Fresken im Dom zu Spoleto. 1 j sammenschiebung der Hauptgruppe, die auf Untensicht bercchnete Verkiirzung der himmlischen Erscheinung sind im Sinne Pieros, wenn auch die Ausfiihrung weit hinter dem Vorbilde zurtick- bleibt. Leider geht aus der Urkunde iiber die Abschiitzung der Fresken des Benedetto Buonfigli nicht hervor, welche Darstellungen 1461 bereits vollendet waren, denn sonst mochte man meinen, dass die Bestattung des heiligen Ludwig von Toulouse *) dem Frate als Vorbild bei der Beisetzung des Stephanus vorgeschwebt habe. Immerhin zeigen die beiden Gemalde aus der Stephanuslegende, wie bildungsfahig Fra Filippo bis in sein Alter geblieben ist, wie er es ver- schmahte, die ausgetretenen Bahnen zu wandeln und bis zuletzt mit Anspannung aller Krafte versuchte, auf neuen Wegen dem letzten Ziele hochster Kunst zuzustreben. Noch zuletzt ein Wort iiber die Mitarbeit Fra Diamantes hier. Ist es zwar schwer, bei den Stilwandlungen, denen Fra Filippo selbst wahrend der langen Arbeitsdauer unterworfen war, den Anteil von Meister und Gehilfen mit Sicherheit zu scheiden, so lassen sich doch gewisse hervortretende Eigenttimlichkeiten , die Lippi sonst fremd sind, auf das Konto des Gehilfen setzen. Dies ist der Fall mit den sorglich ausgcfiihrten, in Stuck aufgesetzten und vergoldeten Schmuckgegenstanden und Verzierungen an Gewandern und sonstigen Gegenstanden, der Ein- rahmung des Wandfeldes durch perspektivisch gezeichnete Ornamentstreifen — die ebenso in .Spoleto wiederkehren, wo Diamante urkundlich die Arbeit abschloss — den zierlich gemalten Blumen- vasen und Tellern in den Feldern der Fensterlaibung. Desgleichen riihren von seiner Hand die neben den Fenstern stehenden Heiligen Giovan Gualberto und S. Albert her. Sie zeigen einen Fra Filippo durehaus fremden Typus und sind in der schwachen Zeichnung, der leblosen Gewand- behandlung, der Ausdruckslosigkeit der Kopfe charakteristische Verlaufer zahlreicher Figuren auf den Fresken in Spoleto und mehreren noch zu erwahnenden Tafelbildern sowie einiger Papstbildnisse in der sixtinschen Kapelle. Die Aufgabe, welche Fra Filippo in Spoleto gestellt wurde, war in einer Hinsicht schwieriger als die in Prato. Die Raumlichkeit war eine ganz andere, zu ihrer Ausgestaltung musste der Kiinstler einen von dem bisherigen Weg vollig abweichenden, neuen einschlagen. Denn es handelte sich nicht wie dort um die Ausmalung eines rechteckigen Raumes, um die Einteilung breiter, gerader Wandflachen, sondern um die Ausschmiickung der halbcylindrischen Innenwand der Apsis und der dariiber sich wolbenden Halbkuppel. In den daraus sich ergebenden Schwierigkeiten ist ein Hauptgrund fur das Misslingen mancher Komposition zu erblicken. Als Thema waren dem Kiinstler Episoden aus dem Marienleben gestellt worden. In der Wolbung der Halbkuppel malte er die Kronung, auf der darunter liegenden Wandfiache, von links nach rechts zahlend, die Verkiindigung, den Tod der Jungfrau und die Geburt Christi. Die Kronung befindet sich in einem sehr schlechten Zustand, sie hat durch Feuchtigkeit und Restauration stark gelitten, so dass einige Teile, besonders oben, vollstandig zerstort sind. Hoch droben am blauen Firmament steht die Sonnenscheibe und sendet ihre Strahlen durch das All. Darunter thront in mitten einer Glorie Gottvatter, mit der Tiara geschmiickt, und setzt der vor ihm knieenden Maria die Krone auf das demiitig gesenkte Haupt. Engel- scharen drangen von alien Seiten heran; singend, tanzend, blumenstreuend bringen sie der Auserwahlten des Herrn ihre Huldigung dar. Zwei unter ihnen, von machtiger Grosse, ragen auf Postamenten stehend zu beiden Seiten der Mittelgruppe in den blauen Ather; der eine schwingt das Rauchfass, der andere streut Blumen. Unterhalb der himmlischen Heerscharen knieen auf Wolken halbkreisformig angeordnet, links die Propheten des alten und neuen Bundes, rechts Sibyllen und heilige Frauen 2 ). Wahrend die linke Halfte des Gemaldes in den blondgelockten Engelkopfen, den schon geschwungenen, flatternden Gewandern, den ernsten, wuchtigen Gestalten der Propheten die Meisterhand Fra Filippos zeigt, tritt uns in der rechten Halfte die schwachere Mache des Schiilers ') Abgeb. bei Rosini, Storia della pittura italiana, Atlas Tf. LII. ? ) Auf Wolken geschriebene Namen bezeichnen die dargestellten Personlichkeiten. Die fiinf vordersten Frauen rechts sind Eva, S^ibilla) Tiburtina, Rachel, Bersabe, Lia. Von den Namen links sind nur lesbar die ersten drei; Adam, Johs. B(aptisla), Daniel. 1 2 Einleitung. entgcgen. Wir finden da einen so ausgesprochenen anderen Typus der Kupfe, einen so vollstandig von driibcn vorschiedenen harten und briichigen Falten wurf, dass die stilistischen Unterschiede zwischen Meister und Gehilfen nicht charakteristischer sich aussprechen konnen. Am auffalligsten tritt audi hier die Schwache Fra Diamantes in der Gewandbehandlung hervor. Man sehe sich nur einmal die Kleider der beiden grossen En gel oben neben der Sonne an 1 ). Wie hat es der Kiinstler bei dem der linkcn Seite verstanden, den Stoff an den Korper anzu- schmiegen, den Bau der Glieder durchscheinen zu lassen. Es sind die namlichen schon- geschwungenen Linien, die wir auf dem Gastmahl des Herodes bei der tanzenden Salome bewundert haben. Bei dem Engel der rechten Seite dagegen wiegen dicke, undurchsichtige Stoffe vor, welche die darunter befindlichen Glieder verhiillen sollen. Man beachte ausserdem, wie ungeschickt das Motiv gewahlt ist, dass der Engel mit der Linken das Kleid iiber dem vSchenkel aufnimmt, nur um etwas Fluss in die leblosen Gewandmassen zu bringen. Diese Schwachen sucht Fra Diamante wieder durch reichen Besatz und schmiickende Zierraten aller Art auszugleichen , die auch hier mit Sorgfalt und ausserster Feinheit ausgefiihrt sind. Besonders altertumlich sind ausserdem die durch das Auffallen der Kleider und Mantel hervor- gerufenen Faltenmotive bei den knieenden Engeln und Frauen der rechten Seite. Auch in der Komposition der einzelnen Gruppen kann derGehilfe nicht vor seinem Meister bestehen. Das lehrt ein Vergleich der beiden schon bewegten, blumenstreuenden Engelknaben in den flatternden Gewandern links mit dem steifen Trio der Sanger rechts, die so gravitatisch in den langen Chorhemden dastehen und wenig mehr von der reizvollen Anmut des Luca della Robbia verraten, dessen Gestalten an der Orgelbalustrade sie nachgebildet scheinen. Die beiden tanzenden Engel links im Vordergrunde gehoren zu dem besten, was Fra Filippo je geschaffen hat, und sind kaum von Botticellis zarten Gestaltungen iibertroffen worden. Der Abstand zwischen ihnen und den musizierenden Engeln Diamantes auf der rechten Seite ist ganz besonders auffallend. Was nun die Mittelgruppe mit Gottvater und Maria betrifft, so ist hier die Entscheidung iiber den Anteil beider Kiinstler wegen der starken Ubermalung allerdings schwierig; jedoch zeigt einesteils die Madonna eine von Fra Filippos spatem individuellem Typus so abweichende, viel- mehr an seine fruhesten unter Masolinos und Fra Angelicos Einfluss stehenden Madonnen gemahnende Bildung, anderenteils ist die sorgsame Anordnung ihres weissen, mit grossen Gold- blumen durchwebten Mantels sowie desjenigen Gottvatters und die reiche Verzierung der Tiara und des Thrones so im Geschmacke Fra Diamantes, dass wir ihm auch die Ausfiihrung der ganzen Gruppe zusprechen konnen. Von seiner Hand sind auch die mit plastischen Punkten und Sternen besiite Aureola und der das ganze Bild nach oben abschliessende Ornamentstreifen, der dasselbe Muster wie in Prato, perspektivisch gezeichnete grosse und kleine Vierpasse, zeigt. Uberwiegt der Anteil des Gehilfen bereits an dem an crster Stelle ausgefiihrten Kuppel- gemalde 2 ), so kann es nicht verwundern, seine Arbeit in noch hoherem Masse bei den Darstellungen der Chorwand zu finden. Die Verkiindigung zu ausserst links wiederholt ein Thema, das Fra Filippo bereits des ofteren dargestellt hatte, und erinnert besonders an das schone Bild in S. Lorenzo zu Florenz. Die momentane Bewegung der Jungfrau, wie sie sich halb beschamt, halb erschreckt von dem Betpult nach dem himmlischen Boten umwendet, ist treffend wieder- gegeben. Auch der architektonische Hintergrund ist mit Verstandnis bchandelt. Die perspek- tivische Konstruktion des Hofraumes, iiber dessen Mauern wir in eine Waldlandschaft blicken, die stark sich verjiingende Fassade des Palastes, die Innenansicht des Zimmers erinnern an ahnliche Darstellungen der Raumlichkeit auf den Fresken in Prato. Auch die Figuren sind ttichtige Leistungen. Sprechen somit hier alle Indizien fiir und keine gegen Fra Filippos selb- standige Arbeit, so lasst sich bei der daneben befindlichen Darstellung vom Tode der Maria das Zusammenarbeiten von Lehrer und Schiilcr wiederum nicht verkenncn. Die Komposition ist im wescntlichen die gleiche wie bei der Beweinung des Bernhard und der Beisetzung des Stephanus in Prato. Jedoch ist die Ortlichkeit letzterer gegeniiber geandert; an Stelle der Kirche ist hier '' Die Eiopfe sind durch Feuchtigkeit und Ubermalung vollstandig zersliirt. '-', Es musste ja vollendet sein, ehe die darunter befindliche Wandflache in Angriti genommen werden konnte. Die Fresken im Dom zu Spoleto. • j 7 freie, felsige Landschaft getreten. Die Bahre , auf welcher die Mutter Gottes ruht, wird am Kopfende von der Schar der trauernden Jiinger umstanden , zu ihren Fussen sind drei Engel mit Wachskerzen genaht, hinter ihnen stehen vier Portratgestalten, darunter zwei Kleriker. Im Hintergrunde kniet Thomas und empfangt den Giirtel aus den Handen der in einer Strahlen- glorie 1 ) emporschwebenden Madonna. Die Schiirfe der Charakteristik, die sonst Fra Filippo eigen ist, fehlt hier. Auch die Bildung der Figuren, ihre ganze korperliche Erscheinung ist eine andere als sonst. Nur die beiden zu ausserst links stehenden Jiinger, namentlich der vom Rucken ge- sehene, ahneln seinen machtigen Gestalten in Prato. Auch die Maria und die beiden Klageweiber sowie die Portratgestalten scheinen wenigstens in den Kopfen von ihm ausgefiihrt , dessen Bildnis man in dem Kleriker in weisser Kutte und schwarzem Samtkappchen zu Fussen der Bahre erkennt. Die tibrigen Kopfe mit den langen weissblonden Haaren haben dagegen einen Typus, der sich auf den bisher betrachteten Werken Filippos aus seiner Spatzeit nicht mehr findet. Auch die Gewandung zeigt deutlich die Merkmale der Kunstweise seines Gehilfen. Das Kleidungsstiick, moistens der Mantel, wird vorne in einem Zipfel aufgenommen, letzterer unter einem Arme durchgezogen und von diesem fest an den Leib gedriickt; eine Gewanddrapierung, die stereotyp sich fast bei alien Gestalten Diamantes wiederholt und ein hauptsachliches Erken- nungszeichen fur ihn ist. Tiber der Vollendung dieses Bildes ist Fra Filippo am 9. Oktober 1469 gestorben. Die nachstfolgende Darstellung mit der Geburt Christi ist ganz ausschlieslich von Fra Diamante aus- gefiihrt. Die Komposition ist von dem noch zu erwahnenden, aus S. Domenico stammenden Bilde gleichen Inhaltes in der Galerie zu Prato abhangig. Innerhalb eines zerfallenen Gemauers ist der Stall fur Ochs und Esel hergerichtet. Davor liegt das Neugeborene platt auf der Erde, links kniet anbetend die Mutter, wahrend rechts Josef neben einem Packsattel sitzt und, auf seinen Reisestab gestiitzt, sinnend ob des merkwiirdigen Ereignisses in das Leere starrt. Von links nahen sich ehrfurchtsvoll zwei Hirten, in der Hohe schweben anbetend drei Engel. Samtliche Gestalten tragen das unverkennbare Geprage der Kunstweise Diamantes. Die Jungfrau ist im Gesichtstypus, der schiefen Haltung des Kopfes, der Gewandbehandlung — wo natiirlich der aufgenommene Mantelzipfel nicht fehlt — die namliche wie oben auf der Kronung. Josef zeigt den miirrischen Greisenkopf, den wir in verschiedenen Abwandlungen auch auf einigen Tafelbildern finden werden. Die anbetenden Himmelsbewohner in den Liiften haben ebenfalls ihres gleichen unter den Genossen auf der rechten Seite oben. Das nackte, platt auf der Erde liegende Kind erinnert weniger an die strammen Buben Filippos als an die diinnen, frierenden Knablein eines Hugo van der Goes und anderer nordischer Meister. Die beiden Tiere sind mit viel Verstandnis fur die Natur und ihre Erscheinungen wiedergegeben ; in den einzelnen Haaren der Mahne des Esels zeigt sich die gleiche Sorgfalt der Ausftihrung wie in dem Stroh- dach des Schuppens und der von unzahligen Rissen durchfurchten Mauer der Ruine. Diese minutiose Behandlungsweise ist eine Eigentumlichkeit Fra Diamantes, die wir auch auf anderen Werken seiner Hand finden. Der Anteil , den Diamante an den Arbeiten in Spoleto nahm, erscheint somit als ein grosser und bedeutender. Dies kann auch nicht verwundern, wenn man bedenkt, dass Fra Filippo bei seiner Ubersiedlung dorthin bereits das sechzigste Jahr uberschritten hatte und schon nach zweijahrigem Aufenthalt daselbst starb; dass Fra Diamante die von jenem begonnene Arbeit vollendete und dafiir nach Vasaris Angabe 2 ) die betrachtliche Summe von 300 Dukaten erhielt. Das hohe Alter Fra Filippos einerseits, die iiberwiegende Ausftihrung Fra Diamantes andererseits erklaren die Thatsache , dass sich diese Fresken denen in Prato gegeniiber als geringer erweisen. Dabei darf auch nicht vergessen werden, dass es sich hier um Arbeiten fur eine Provinzialstadt handelte , die immer fliichtiger ausgefiihrt zu werden pflegten als Werke, ') So ist wenigstens nach den erhaltenen Spuren zu vermuten, wahrend auf der Abbildung bei Rosini, Storia della pittura italiana, Tafel LXXIII, Christus in derGlorie der vor ihm niederknieenden Maria erscheint und Crowe und Cavalcaselle (III, S. 77) die Scene erkennen wollen, „wo der Heiland von der Mandorla umstrahlt, die Seele seiner Mutter in Gestalt eines Miigdleins an die Brust hebt." Die knieende, die Arme emporstreckende Gestalt zur linken ist jedoch Thomas. *) II, S. 629. h Einleitung. die den Ruhm des Ktinstlers in der Kunstmetropole Florenz selbst oder in nahegelegenen Municipien begriinden sollten. Nach Vollendung des Auftrags begab sich Fra Diamante wieder zuriick nachPrato, wo ihm am 24. Mai 1470 das Ehrendenkmal fur den Podesta. Cesare Petrucci im Porticus des Palazzo pubblico zur Ausfiihrung iibertragen ward. Bald darauf siedelte er nach Florenz uber, wo er im Jahre 1472 als Mitglied der Lukasgilde erwahnt wird. Die Wcrke , die Diamante in Spoleto hinterliess , verbreiteten bald seinen Ruhm iiber die Mauern der Stadt hinaus. Sie werden denn auch dem Papst Sixtus IV. bekannt ge- worden sein, als dieser 1476 den Kirchenstaat durchzog 1 ). Denn als der kunstliebende Nach- folger Petri von Florenz her sich die Kiinstler zur Ausmalung seiner neu erbauten Palastkapelle verschrieb, war Fra Diamante der erste, an welchen die Aufforderung erging. Die daselbst ge- schaffenen Werke werden wir weiter unten in anderem Zusammenhange kennen lernen. Betrachten wir noch die wahrend Fra Filippos Aufenthalt in Prato entstandenen Tafel- bilder. Das fruheste sicher datierbare Bild ist die thronende Madonna mitHeiligen und Stiftern in der stadtischen Galerie zu Prato (N. 9). Am 28. Mai 1453 bekommt Filippo hierfur und fur die damit zusammenhangenden Ausgaben 85 Gulden von der Verwaltung des Ceppo bezahlt 2 ). Das Gemalde schmiickte, wie wir aus VasarP) wissen, urspriinglich ein Taber- nakel iiber einem Brunnen im Hofe des Ceppo zu Prato, welches die Verwaltung dieser mild- thatigen Anstalt ihrem hochherzigen Stifter, dem Prateser Burger Francesco di Marco Datini, errichtet hatte. Es ist durch die Unbilden der Witterung sowie durch spiitere Retouchen iibel zugerichtet. Auf einem Throne, zu dem zwei Stufen hinauffiihren , sitzt die Madonna ganz in Vorderansicht und halt das Kind auf dem Schosse , welches das rechte Handchen segnend erhebt. Zu den Seiten stehen rechts Johannes der Taufer mit Rohrkreuz und Schriftband, links Stephanus mit dem Banner der Stadt. Vor dem Throne kniet Francesco di Marco Datini , der vier Manner als Verwalter der von ihm gegriindeten Anstalt dem Schutze der Jungfrau und der beiden Heiligen empfiehlt. Es lassen sich hier deutlich zwei verschiedene Hiinde erkennen: die eine, welche die ganzc Komposition entwarf und die fiinf Portratfiguren malte, die andere, welche die Madonna und die beiden Heiligen ausfiihrte. Die erstere gehort Fra Filippo, die zweite seinem Atelier- genossen Fra Diamante an. Denn die unverstandenen breiten Korperformen der Maria, ihre kurzen von dem Mantel verhiillten Arme, die breite Hand mit den spitzen Fingern, der schematische, holzerne Faltenwurf, das Aufnehmen des vom Unterarm an den Leib gedriickten Mantelzipfels sind nicht Mangel, deren sich Fra Filippo schuldig machte, sondern , wie wir bereits geschen, Kennzeichen seines Schiilers. Sie finden sich in gleicher Weise auch bei Johannes und Stephanus. Fra Filippo iiberliess die Ausfiihrung dieser Tafel dem Gehilfen, um die eigene Kraft der Vollcndung jenes Rundbildes zu widmen, das, wie aus der ofters ervvahnten Urkunde her- vorgeht, von dem Florentiner Burger Leonardo di Bartolommeo Bartoloni wahrscheinlich noch vor seiner Ubersiedlung nach Prato bestellt und am 8. August 1452 bereits begonnen war. Dar- gestellt war „eine gewisse Geschichtc der Jungfrau Maria", und dieser Ausdruck berechtigt uns, 2 ) Vgl. Sclimarsow, Melozzo da Forli, ein Beitrag zur Kunst- und Kulturgeschichte Iialiens im XV. Jahrhundert, 1886, S. 212, Anm. 2. Dass ein Auslausch von Kiinstlern zwischen Rom und Spoleto stattfand , beweist eine von Schmarsow a. a. ()., S. 55 mitgeteilte handschriftliche Notiz in einem aus dem Konvent von Sl^ Maria del I'opolo stammenden Pergament- bande, nach welcher der Goldschmied Magister Thomas von Spoleto am 19. Mai 1460 eine Tafel der heiligen Jungfrau fiir diese Kirche herzustellen beginnt. Durch die unter Julius II. von Bramante vorgenommene Erweiterung des Chores ist die ursprtingliche Apsis der Lieblingskirche Sixtus 1\'. vollstandig verandert warden, und wir vermogen nicht mehr zu ahnen, mit welchen Malereien der kunstsinnige Papst das Heiligtum der Jungfrau ausgeschmtickt hatte. Sollte vielleicht einer oder der andere der 1482 in der Sixtinischen Kapelle beschaftigten Florentiner Kiinstler bereits Ende der siebziger Jahre hier eine Probe seines Konnens abgelegt haben ? Sollten gerade hier Werke Fra Diamantes, bei dessen untergeordneter Begabung doch seine Teilnahme an der Ausmalung der Palastkapelle und die dafiir bewilligte ausserordentlich hohe Bezahlung vervrundert, verlorcn sein? -> Die Urkunde bei (niasti, S. 108, No. IV. :: 11, S. 621. Die Tafelbilder aus Fra Filippos spaterer Zeit. j c wie Gaetano Guasti richtig- bcmerkt hat, hierin das Rundbild zu erkennen, das als eines der schonsten Werke des Meisters die Galerie des Pitti schmiickt (N. 338). Man sicht im Vordergrunde die Madonna in Kniestiick auf einem Sessel sitzen, wie sie das Kind auf dem Schosse halt , das die Kerne eines Granatapfels zum Munde fiihrt ; im Hintergrunde ist die Wochenstube der heiligen Anna und ihre Begegnung mit Joachim dar- gestellt. Es handelt sich also in der That um eine Geschichte aus dem Leben der Jung- frau Maria. Eine besonders schone Gestalt, d'e bereits eine Vorlauferin auf der Geburt des Stephanus hat, ist die jugendliche Frau im Vordergrunde, die mit einem Korbe auf dem Kopfe leichten Schrittes heraneilt. Sie ist seitdem eine beliebte Genrefigur geblieben und von Botticelli auf der Versuchung Christi in der sixtinischen Kapelle und Ghirlandajo auf der Geburt Mariae im Chor von S. Maria Novella bis auf Raffael in der Wassertragerin auf dem Borgobrand im Vatikan in zahlreichen Variationen wiederholt worden. Der Kopf der Maria zeigt so ausgepragt individuelle Ziige, dass, wenn irgendwo die Erzahlung Vasaris, der Frate habe die von ihm geliebte Nonne Lucrezia Buti als Madonna portratiert, Anwendung finden kann, es hier sein muss. So rein und ungetriibt hat er nie wieder das weibliche Schonheitsideal seiner spatesten und reifsten Zeit darzustellen gewusst wie in den Ziigen der schlichten Gottesmutter 1 ). Mit diesem Rundbilde wird ein neues uberaus fruchtbares Darstellungsgebiet der Malerei eroffnet. An Stelle der unnahbaren, im Kreise auserlesener Heiligen thronenden Himmels- konigin ist die irdische Mutter im biirgerlichen Kleide mit dem frohlich spielenden Knaben getreten, an Stelle ernster kirchlicher Ceremonien die heitere, rein menschliche Schilderung hochsten Muttergliickes. Zwar hatte schon in der ersten Halfte des Jahrhunderts die Skulptur unter Donatello, Luca della Robbia und Desiderio da Settignano den befreienden Schritt zu einer freieren, individuellen Gestaltung des Madonnenbildes gethan, aber die Malerei blieb auch hier hinter der Schwesterkunst zuriick, bis Era Filippo, den ererbten Konventionalismus ab- schiittelnd, zu einer frischen, edlen Sinnlichkeit des Lebens durchdrang. Was er hier geschaffen hat, blieb Vorbild und Richtschnur fur die kommende Kiinstlergeneration von Florenz. Und da ist es vor allem die Schule des Andrea del Verrocchio, welche die genrehafte Darstellung des Marienbildes aufgreift und, sie in zahlreichen Wandlungen abandernd und lauternd, einer Voll- kommenheit der Ausbildung zufiihrt, fur welche endlich Raffaels Madonna della sedia den Hohepunkt bezcichnet. Auch die Kunst Botticellis ist ohne dieses Work Fra Filippos unverstandlich. Seine friihen Madonnendarstellungen wurzeln zum guten Teil in dem Rundbilde ^seines Lehrers. Das Gleiche gilt in noch hoherem Masse von dem kleinen Madonnenbilde in den Uf- fizien (Saal der alten Meister Nr. 1307). Dieses Vierfigurenbild, wo von zwei dienenden Engeln das Kind der sitzenden Jungfrau emporgereicht wird, dem sie mit gefalteten Handen ihre Ver- ehrung erweist, ist ja der Ausgangspunkt fur eine bestimmte Klasse von Madonnendarstellungen ge worden, die vom Beginn der sechziger Jahre an fur die nachstfolgenden Dezennien des Jahr- hunderts der Kunst von Florenz ein ganz eigenartiges Geprage verleihen , ja weit iiber die Grenzen Toskanas hinaus ihren Einfluss ausiiben. Denn diese Komposition Fra Filippos wird das Vorbild fiir Verrocchio und seine Schule, Fiorenzo di Lorenzo und Perugino vermitteln sie der umbrischen, Leonardo da Vinci der lombardischen Kunst. Auch Sandro Botticelli tritt hier unmittelbar in die Fusstapfen seines Lehrers, seine ersten Arbeiten stehen, wie wir sehen werden, unter dem iiberwiegenden Einfiusse jenes Werkes, sind aus ihm herausgewachsen. Wann Fra Filippo dasselbe gemalt hat, dariiber fehlt uns jede urkundliche oder literarische Nachricht. Die Herausgeber des Vasari identifizieren es mit dem Bilde der Geburt Christi , das Filippo nach Aussage des Biographen fiir den Altar der Kapelle im Palazzo Medici ausfiihrte 2 ). Obwohl der Ausdruck »nativita di Christo« recht schlecht fiir die Darstellung passt, so stimmen doch auch Crowe und Cavalcaselle der Vermutung bei, ja der Katalog der Uffizien fiihrt, um die Ver- wirrung noch zu steigern, diese Hypothese wie eine urkundlich beglaubigte Thatsache an. : ) Gleiche Ziige zeigt ein Madonnenkopf von Fra Filippo in der Sammlung Gust. Dreyfus zu Paris. *) II, S. 615, Anm. 4. i6 Einleitung, Nun erfahren wir aber aus dem Inventar dcr im Besitzc der Medici betindlichen KunstschiLtze, welcher Art jenes Altarbild war 1 ). Es heisst dort namlich : Nella chappella di detto andito: Una tavola in sudetto altare di leg-name chon cholonne dal lato a chanali dipinte a marmo biancho e chapitelli messi d'oro, e cornicie, c architrave messe d'oro chon un fregio in is musso (?) messo d'oro dipintovi cherubini e in detta tavola una nostra Donna che adora il figliolo che Sta innanzi a piedi e un San Giovanni e uno Santo Bernardo e Dio padre cholla cholomba inanzi di mano di . . . f. . . Allerdings fehlt gerade der Name des Malers; aber kann da noch ein Zweifel sein, welches Bild und welcher Meister gemeint ist ? Die Be- schreibung der in der Galerie zu Berlin bcfindlichen Tafel Fra Filippos mit der Anbetung des Kindes - - denn um sie handelt es sich hier in der That — konnte gar nicht genauer sein. In dem Falle hatte Vasari allerdings Recht, von einer nativita di CJiristo zu sprechcn , ein Aus- druck, der fiir das Bild in den Uffizien ganz und gar nicht passt. Und wir verstehen jetzt erst den Zusammcnhang der von Benozzo Gozzzoli an den Fensterseiten gcmalten singenden und verehrenden Engelchore mit dem Vorgang auf dem Altarbilde. Der Typus der Madonna auf dem Gemalde der Uffizien steht zwar demjenigen auf dem Rund- bilde im Pitti ziemlich nahe, zeigt jedoch eine Weiterbildung der weichen, zarten Formen dort in das Kraftige, Knochige, ja Herbe, das den Frauenkopfen Lippis auf den spiiteren Fresken in Prato, besonders auf dem Gastmahl des Herodes, eigen ist. Auch die Engel haben ihres Gleichen mehr unter den Himmelsbewohnern auf den Wand- und Deckenmalereien zu Spoleto als auf friiheren Tafeln wie der Kronung Mariae aus S. Ambrogio , der Madonna aus S. Spirito im Louvre oder der herrlichen Verkiindigung in S. Lorenzo. Vor allem verrat die ausserst flotte und sichere Ausfiihrung des Bildes ein grosses Vertrautsein des Kiinstlers mit der Freskotechnik. Da es aber bereits den friihesten Arbeiten Botticellis zur Vorlage gedient hat, so diirfen wir seine Entstehung nicht allzuspat ansetzen, wahrscheinlich ist es Ende der funfziger Jahre, vielleicht sogar 1457 wahrend Filippos Aufent- halt in Florenz entstanden. Da es aus Poggio Imperiale stammt und bereits 1796 in die Uffizien gelangte 2 ), so ist es mehr als wahrscheinlich, dass es sich ehemals im mediceischen Besitz be- funden hat. Es liegt daher die Vermutung nahe, Fra Filippo habe es fiir Giovanni den Sohn Cosimos als Dank fiir seine Vermittlerrolle beim Konig von Neapel gemalt. 3 ). Der namlichen Zeit gchort die stilistisch nah verwandte Madonna mit dem Kinde in der Pinakothek zuMiinchen (Nr. 1006) an. In die funfziger Jahre fallt ebenfalls die Entstehung der von Vasari 4 ) so hochgeruhmten Fra Filippo L i p p i . Maria mit Kind und Engeln. Uffizien, Florenz. ') E. MUntz, Les collections des Medicis au quinzieme siecle, S. 64. 2 ) Ein Zettel auf der Riickseite der Tafel tragt die Aufschrift: Imperiale 13. Maggio 1796. *) Ein Bild gleichen Inhaltes wird als Werk des Francesco Pesellino im Inventar der Kunstschatze Lorenzos il Magnifico aufgeftthrt: uno colmetto picholo cornicie messe d'oro entrovi dipinto una Nostra Donna a sedere col bambino in braccio con due agnolctti a piedi di mano di Francesco Pesello f. 10. A. a. O., S. 85. 4 ) IT, 622. Die Tafelbilder aus Fra Filippos spaterer Zeit I y Tafel mit dem Tode dcs hi. Bernhard, die sich im rechten Querschiff der Kathedrale zu Prato befindet. Sie wurde von Geminiano Inghirami, wie sein daselbst an gebrachtes Portrat beweist, beim Frate bestellt 1 ). Fiir ihre Entstehungszeit giebt die Amtsdauer des ersteren, der 145 1 — 60 Vorsteher dieser Kirche war, den aussersten Termin nach vor- und riickwarts. Doch gestattet der Stilcharakter des Werkes keine spate Datierung, vielmehr diirfte es wahrscheinlich sein, dass es der Kiinstler kurz nach seiner Berufung nach Prato ausfiihrte, urn sich dem Inghirami fiir die Ubertragung der Malereien im Chore dankbar zu erweisen. Da nun Filippo, wie wir gesehen, in den Jahren 1451 und 1452 vollauf mit diesen Arbeiten und den Tafelbildern fiir den Ceppo und Leonardo Bartolini beschaftigt war, so kann das Bild nicht vor 1453, wegen gewisser stilistischer Ubereinstimmung mit den friihesten Freshen im Chore aber auch nicht viel spater entstanden sein' 2 ). Auch diese Komposition geht auf das Vorbild zuriick, welches Giotto in der Beweinung des hi. Franz in der Bardikapelle in S. Croce zu Florenz geschaffen hatte. In der Mitte liegt der tote Heilige, eine ehrwiirdige Greisengestalt mit langem weissen Barte, auf einer Bahre ausgestreckt. Weinend und klagend drangen sich die Ordensbriider heran. Links im Vordergrund kniet ein Monch , der einen neben der Bahre hockenden Kriippel auf- fordert, den wunderthatigen Leichnam zu beriihren, rechts der Stifter Geminiano Inghirami im Pralatenkostiim. In der Hohe schwebt die Dreieinigkeit in einer von Engeln getragenen Glorie. Den Hintergrund beleben einige Episoden aus dem Leben des Heiligen. Die wuchtigen Monchsgestalten in den breit behandelten, massigen Gewandern, die charaktervollen, kraftig durchmodellierten Kopfe, die scharfen, seitlich einfallenden Streiflichter weisen unverkennbar auf Masaccio als Vorbild hin. Vor allem erscheint das lebenswahre Portrat des Inghirami in der ganzen Auffassung wie eine Nachbildung der Stiftergestalt auf Masaccios Dreieinigkeit in S. Maria Novella zu Florenz und wie ein Vorlaufer der Bildnisse auf der Beisetzung des Stephanus. Vasari erzahlt, Fra Filippo habe fur den Hochaltar der Nonnen von S. Margherita zu Prato eine Tafel gemalt, und schliesst daran die Anekdote von dem Bekanntwerden des Kiinstlers mit der Nonne Lucrezia Buti und dem daraus entstandenen Liebesverhaltnisse. Daraufhin hielt man bis vor kurzem die Anbetung des Kindes im Louvre fiir dieses Bild, eine Ansicht, der bereits Crowe und Cavalcaselle und Milanesi entgegengetreten sind, und die, wie wir gleich sehen werden, aus stilistischen Griinden auch in der That unhaltbar ist. Weit mehr Wahrscheinlichkeit hat die Annahme Milanesis, dass wir das von Vasari erwahnte Bild in der Tafel zu erkennen haben, die jetzt unter Nr. XL in der stadtischen Galerie zu Prato aufgestellt ist 3 ). Denn hier finden sich unter den Heiligen, welche der Giirtelspende an Thomas beiwohnen, die hi. Margarete mit einer Nonne als Stifterin und der hi. Augustin, unter dessen Regel eben jenes Kloster stand. In der Stifterin haben wir danach das Portrat der Schwester Bartolommea de Bovacchiesi zu erkennen , die zu der Zeit, als das Bild gemalt wurde, Abtissin des Klosters war. Da aber Fra Filippo bereits am 1. Mai 1456 die Nonne x ) Am II. Februar 1459 erhalt Fra Filippo von demselben Pralaten den Aufti'ag, vier Liinetten iiber seinem bei Lebzeiten errichteten Grabmal im Klosterhof von S. Francesco zu Prato zu malen. Dargestellt werden sollte in der ersteu Lunette die Madonna mit dem Kinde auf dem Arme, in der zweiten S. Franciscus mit den Wundmalen, in der dritten S. Hieronymus, in der vierten S. Stephanus und Laurentius. Der Kiinstler verspricht , die Arbeit bis zum September des folgenden Jahres zu vollenden. Sie ist uns nicht mehr erhr.lten , doch beweisen Notizen in dem Ausgabebuch des Kapitels von S. Francesco, wo unter dem 17.J1UU, 7. u. 8. Juli 1460 einem Maurer Biagio, genannt Malvisio, Getreidelieferungen und Geldzahlungen fiir das Aufschlagen des zur Ausmalung der Liinetten erforderlichen Gerustes zu teil werden, dass das Werk auch wirklich ausgefiihrt wurde. Vgl. die Urkunde bei Guasti a. a. O. , S. 108, No. VI, I und 2. Das Grabmal selbst befindet sich noch jetzt, allerdings in etwas veranderter Gestalt, im Klosterhof von S. Francesco. Es ist ein Nischengrab , das auf dem mit Wappen verzierten Sarkophag die liegende Gestalt des Toten zeigt. Die Portratstatue ist eine recht tiichtige Arbeit in der Art des Antonio Rossellino. *) Die Annahme von Baldanzi und Crowe und Cavalcaselle, Fra Filippo habe das Bild gleichsam als Probearbeit fiir Inghirami angefertigt, und daraufhin sei ihm erst die Ausmalung des Chores ubertragen worden, hatte nur so lange Wahr- scheinlichkeit fiir sich, als man den Beginn der Arbeiten im Chor, wie diese thun, in das Jahr 1456 riickte. Da dieser Termin aber, wie wir gesehen, vier Jahre zu spat angesetzt ist, so kann auch die Beweinung des Bernhard nicht bereits vor 1452, also noch vor dem Bilde fiir den Ceppo, entstanden sein. 3 ) Vas. II, S. 620, Anm. 2. j 3 Einleitung. Lucrezia Buti cntfiihrte und sich so schwer gegen Zucht und Sittc des Klosters verging, so wird ihm die Abtissin schwerlich nach dieser That den Auftrag zur Ausfiihrung des Altarbildes gegeben haben, sondern es muss bereits vor diesem Termin in Arbeit gewesen sein. Die Komposition 1st ganz im Sinne Filippos, sie zeigt die schriige Verschiebung der Symmetrie zugunsten einer rein malerischen Auffassung. Der im Vordergrund vor dem Sarko- phag knieende Thomas ist schrag in das Bild hineingesetzt, so dass die strenge Korresponsion der Glieder, welche durch die auf beiden Seiten der aufschwebenden Madonna stehenden Heiligen- paare mit dem kleinen Tobias rechts und der Figur der Stifterin links erreicht war, zvvar gemildert, aber auch gestort wird. Es ist dies eine Eigentiimlichkeit unseres Meisters, die sich mehr oder minder klar ausgesprochen auf den meisten seiner groseren Kompositionen in alien seinen Ent- wicklungsphasen findet 1 ). Die Ausfiihrung jedoch gehort nur zum Teil ihm selbst an, so die Margarete mit der Stifterin und der Erzengel Raffael mit dem kleinen Tobias. Die iibrigen Ge- stalten sind Eigentum Diamantes. Besonders charakteristisch fur diesen ist der hi. Gregor zur Linken mit der edelsteingeschmiickten Tiara und dem goldbrokatenen, mit Perlen reich besetzten Chormantel. Er ist der Stammvater fur einige Piipste in der sixtinischen Kapelle geworden. Von den bei Vasari in S. Domenico zu Prato erwahnten zwei Bildern Fra Filippos ist nur eines noch nachweisbar, das sich jetzt in sehr verwahrlostem Zustand in der dortigen Galerie befindet. Es stellt die Geburt Christi mit den Heiligen Georg und Vincenzo Ferreri dar. In der Hauptgruppc ahnelt es den gleichen Darstellungen des Meisters in der Florentiner Akademie und der Berliner Galerie, in den Nebenfiguren ist es dem gleich zu besprechenden Bilde im Louvre venvandt. Die schlechte Erhaltung schliesst eine nahere stilistische Betrachtung aus. Das letzte Gemalde, das der Frate vor seiner Ubersiedlung nach Spoleto in Prato selbst ausfuhrte, ist die Darstellung im Tempel in der Kirche S. Spirito, dem fruhern Convento dei Servi daselbst. Neue von Gaetano Guasti publizierte Zahlungsvermerke in den Biichern des Klosters beweisen namlich, dass die Tafel am 17. Marz 1467 noch nicht vollendet, im Marz 1468 aber bereits auf dem Hochaltar aufgestellt war. Am 2. Februar 1467 erhalt Filippo dafiir 6 Dukaten als Schlusszahlung der ausbedungenen 12 Dukaten, und am 28. Januar, 7. und 14. Marz entnimmt er noch Gold vom Goldschlager fur die darauf anzubringenden Ver- zierungen. Daraus geht aber auch hervor, dass der Frate nicht 1466, wie bis jetzt allgemein angenommen wurde, sondern erst nach dem 14. Marz 1467 nach Spoleto iibergesiedelt sein kann. Die Ceremonie findet innerhalb der Chorschranken einer Basilika statt. Hinter dem Altar steht der greise Simeon, die Tiara auf dem Haupte, und empfangt das Christkind aus den Handen der rechts stehenden Maria. Von links naht Josef und bringt zwei Tauben zum Opfer. Vor dem Altare knieen zwei Servitenbriider in der Stellung von Stiftern. Ausserhalb der Chor- schranken assistieren auf beiden Seiten je zwei Heilige: rechts Bartolomaus und ein Bischof, links ein Bischof und ein Monch. Auch hier hat sich Filippo iiberwiegend der Mitarbeit seines Gehilfen Diamante bedient. Mit Ausnahme der Maria und des Stifterportrats mochte ich das Ubrige letzterem zuweisen. Aus den kraftigen und klobigcn Figuren spricht der biedere Sinn l ) Dieses fur Lippi charakteristische Kompositionsschema beslimmt mich auch hauptsachlich, auf eine miindliehe Ausserung des Herrn Prof. Schmarsow hin, das in der Gemaldesammlung der Collegiatkirche zu Empoli dem Masaccio zuge- schriebene kleine Madonnenbildchen No. 28 Fra Filippo zuzuweisen. Es zeigt die Madonna auf erhohtem Throne mit dem Kind auf dem Schosse, welches das rechte Handchen nach einer Blume ausstreckt, die ein links sich nahender Engel ihm darbietet. Diesem folgt ein Monch, wahrend auf der rechten Seite drei Engel, nach trecentistischer Weise etagenformig angeordnet, den Thron umgeben. Vor den Stufen knieen vom Riicken gesehen zwei musizierende Engel, daneben steht links S. Stephanus mit dem Palmenzweig, rechts S. Bartolomaeus mit dem Messer. Der etwas altliche Typus der Madonna, die starken grossen Formen des Kindes, die Anordnung der Engel zur Rechten zeigen zwar die grosste Ubereinstimmung mit Masaccios Anna selbstdritt in der Akademie zu Florenz, desgleichen die wuchtige Gewandbehandlung und die scharfen Beleuchtungseffekte; die flachshaarigen Engelkope mit den Rosenkranzen, die Typen des Monches und der beiden Heiligen dagegen, besonders aber die unsymmetrische Kompositionsweise lassen hier ein friihes Werk Fra Filippos erkennen. Und zwar scheint das Bild noch in den Jahren entstanden zu sein, als Lippi unter dem bestimmenden Einfluss des Masaccio als Klosterschuler in S. Maria del Carmine weilte. Sofern man nicht die Reste eines Freskos an der rechten Wand des Klosterhofes dieser Kirche mit Scenen aus dem Monchsleben als frilheste kiinstlerische Bcthatigung Filippos ansehen will, kann das kleine Bildchen in Empoli als seine friiheste, uns bekannte Arbeit gelten. Fra Diamantes Geburt Christi im Louvre. 19 eines ehrbaren, ntichteren Handwerkers, und sie erinnern an die steifen ctwas hausbackenen Heiligenfiguren eines Baldovinetti und Verroechio, wie sie sich auf des ersteren Madonnenbild in den Uffizien und auf des letzteren Altarwerk aus S. Domenico alle Monache finden. Ahnlich aufgefasste Gestalten begegnen uns auch auf der thronenden Madonna mit Stephanus und Antonius und einem Stifter in der Akademie zu Pest (Nr. 45), sowie auf dem umfangreichen Madonnenbilde im Louvre (Nr. 496). Wie dort thront Maria in einer reich verzierten Nische, zu Rechten stehen Antonius und Franziskus, zur Linken Johannes der Taufer und ein hi. Bischof. Eine Wiederholung der Madonna mit dem Kinde in Halb- figur befindet sich bei G. D r e y f u s in Paris. Ich erkenne in diesen drei Stiicken ganz selb- standige Arbeiten Diamantes. Aus S. Margherita zu Prato stammt auch die Geburt Christi im Louvre (Nr. 220). 1812 nach Paris entfiihrt, wurde sie dort zwar als ein nicht eigenhandiges Werk Fra Filippos zurtickgewiesen, trotzdem nicht zuriick- gegeben und befindet sich noch heute unter seincm Namen in der Galerie. Be- reits Crowe und Cavalcaselle 1 ) sprechen das Bild dem Frate ab, und indem sie es einem Kunstler aus der Naturalistenklasse der Uccelli, Castagno, Baldovinetti und Peselli zuteilen, lassen sie es unbestimmt, ob Baldovinetti oder Francesco Pesellino der Urheber sei. Mit den uns bekannten Werken des letzteren stimmt es jedoch nicht gentigend iiberein, auch von Baldo- vinettis Art weicht es ab. Auf ihn ver- fiel man hauptsachlich wegen der iiber- einstimmenden Komposition des Bildes mit dem Fresko dieses Meisters im Vor- hofe der Annunziata zu Florenz. Doch weshalb nach einem so fernstehenden Kunstler suchen, wo wir das Vorbild ja in der von Fra Diamante ausgefiihrten Anbetung des Neugeborenen im Chor der Kathedrale zu Spoleto besitzen ! Sowohl die Komposition wie die Ausfiihrung stimmen auf beiden Darstellungen fast genau iiber- ein und zeigen die Hand ein und desselben Kunstlers. Vor einem zerfallenen Gemauer, an dessen rissiger Backsteinmauer zwei Eidechsen herumhuschen riihrend ein Stieglitz oben auf einem Balkenstumpfe sitzt, liegt das Kind platt auf dem Boden. Vor ihm kniet die Madonna in Anbetung, driiber hockt neben dem schweren Packsattel Josef, die Hande uber clem Knie gefaltet. Reisesack, Stecken und Fiasko liegen neben ihm. Hinter dem Gemauer erhebt sich ein von rohen Asten gestiitztes Strohdach, unter welchem Ochs und Eslein neugierig hervorschauen. In den Luften schweben anbetend zwei machtige Engel, fiber ihnen erscheint die Taube des heiligen Geistes. Der Hintergrund ist reich belebt. Ein Schafer spielt inmitten seiner von einer weissen Dogge bewachten Herde die Flote, drei andere Hirten lagern in der Feme. Den Horizont schliesst eine Hiigelkette ab, an deren Fusse sich eine mit Zinnen bekronte Stadt langs des Ufers eines breiten Flusses erhebt. Rechts schweift der Blick durch ein Bogenfenster des Ge- mauers in eine weite Flusslandschaft. Bedenkt man nun, dass das Bild in den Louvre aus dem Kloster S. Margherita zu Prato gebracht wurde, woselbst Fra Diamante seit der Absetzung Fra Diamante Die Geburt Christi. Louvre , Paris. J ) III, S. 68. 20 Einleitung. Fra Filippos (146(1) Kaplan war, so durfte die Behauptung, hier ein Werk des ersteren zu be- sitzen, an Wahrschoinlichkeit noch gewinnen. Auch in den Gestalten ist die Ubereinstimmung mit dem Fresko gross. Josef tragt die- selbon Ziige wie in Spoleto: den starkknochigen Kopf mit dem dichten weissen Haupthaar und kurz- geschorenen Bart, das durchfurchte Antlitz mit der dicken Klumpnase, dem mi'irrisch verzogenen Mund, dem stark vorspringenden Kinn und den scharfen Falten zwischen den buschigen Augen- brauen — Ziige, die wir auch bei dem greisen Apostel auf dem Tode der Maria in Spoleto, bei dem Augustin auf der Gurtelspende und bei einigen Gestalten auf der Darstellung im Tempel in S. Spirito zu Prato linden. Ebenso kehren die srhweren Gewandmassen mit den langen Falten wieder, selbst der aufgenommene von dem Unterarm an den Leib gedruckte Mantelzipfel fehlt nicht. Das Neugeborene liegt platt auf der Erde, die Beinchen sind gekreuzt, die linke Hand ruht auf dem Leibe, ein Finger der rechten ist in den Mund gesteckt: genau dieselbe llaltung wie auf dem Wandgemalde. Auch die naturgetreue Wiedergabe der beiden Tiere, der geflochtenen mit Pflocken befestigten Krippe, der rissigen Mauer der Ruine, der einzelnen Steinchen und Graser des Bodens ist hier wie dort die namliche. Das von links oben einfallende scharfe Licht ist bei- behalten, so dass ebenso wie dort die Bruchflache der Mauersteine grell beleuchtet ist. Wahrend jedoch auf dem Fresko die Lichtquelle ausserhalb des Bildes liegt, stromt auf der Tafel der himmlische Glanz von der zwischen dunklem Gewolk hervorschwebenden Taube des heiligen Geistes aus. Die scharfe Beobachtungsgabe fur alle Einzelheiten der Natur und das liebevolle Eingehen bei Wiedergabe derselben teilt Fra Diamante hier mit Pesellino und Baldovinetti , nur wird er von diesen in der Feinheit der Ausfiihrung noch iibertroffen. Die Predella des ersteren mit der Legende des hi. Nikolaus in der Casa Buonarotti, das Fresko Baldovinettis im Vorhof der Annun- ziata enthalten dafur genug der Vergleichungspunkte. Was die Madonna anbelangt, so stimmt sie in der Haltung nicht nur mit der Maria auf der Anbetung als ganz besonders mit der auf der Kronung in Spoleto iiberein. Die Anordnung des Mantels ist Falte fur Falte die gleiche, auch die Arme sind ebenso straff darin eingewickelt und eng an den Korper gepresst. Der Typus dagegen weicht von dem bisher bei Diamante kennengelernten ab und zeigt an Stelle Fra Filippischer Formen Verwandtschaft mit denen Verrocchios. Um sich davon zu iiberzeugen, vergleiche man den Madonnenkopf hier mit dem auf der irrtumlich Cosimo Rosselli zugeschriebenen, wahrscheinlich vielmehr dem Francesco Botticini angehorigen Glorie Mariae im Louvre (No. 347). Desgleichen zeigen der dicke runde Kopf des Kindes und dessen etwas angeschwollener Korper mit den tiefen Fettfalten, sowie die dicken kurzen Finger deutlich die Anlehnung an Verrocchios bambini. Nicht zum wenigsten ist dies auch bei dem linken der beiden schwebendcn En gel der Fall, wahrend der rechte mit der blonden Lockenperriicke seine Herkunft aus Fra Filippos Atelier nicht verleugnet. Diese gut bewegten und geschickt ver- kurzten Gestalten in den flatternden, die Korperformen wohl markierenden Gewandern befremden auf den ersten Blick, besonders, wenn man sie mit ihren Genossen auf dem Fresko in Spoleto oder auch mit den Engeln Baldovinettis im Vorhof der Annunziata oder Gozzolis in der Kapelle des Palazzo Medici vergleicht. Thut man jedoch einen Blick auf Verrocchios Grabmal des Forte- guerri und bedenkt vor allem, dass Fra Diamante wahrend seines Aufenthaltes in Rom die Werke des Melozzo da Forli gesehen hat, so erkennt man, woher ihm die Anregung zu solch kuhnen Bildungen gekommen ist. Denn das Gemalde im Louvre kann wegen des vorgeschrittenen Konncns im Vergleich zu den Arbeiten Diamantes in Spoleto und Rom erst um die Mitte oder Ende der achtziger Jahre entstanden sein. Das gcht auch aus der Behandlung der Landschaft hervor. Nichts mehr von der starren Felseneinode Pllippos, sondern ein fruchtbares Flussthal mit reicher Staffage, eine wohlbewchrte Stadt und ein aus grunem Gestrauch hervorschauender Campanile. Solche Motive, besonders die am Ufer eines Stromes sich erhebende Stadt mit hohen Turmen, linden sich ganz ahnlich auf den Bildern Botticellis, Verrocchios und seiner Schule. Durch die hervortretende Beziehung zu Andrea del Verrocchio gewinnt die Person- lichkcit Diamantes an Interesse und Bedeutung. Sie jedoch hier weiter zu verfolgen, liegt ausser dem Bereiche unserer eng begrenzten Aufgabe. Es sei nur auf zwei Grunde hingewiesen, Fra Diamantes Geburt Christi im Louvre. 2 I die ein naheres Verhaltnis Diamantes zu Verrocchio wahrscheinlich machen. Erstens hatte Verrocchio selbst zu Fra Filippo in enger Beziehung gestanden, hatte vielleicht sogar eine Zeit lang in dessen Atelier zusammen mit Fra Diamante geweilt. Zweitens begab sich Botticelli nach dem Wegzug Filippos und Diamantes nach Spoleto, wie wir spater zu beweisen haben, in direkte Abhangigkeit zu Verrocchio, und durch ihn schon konnte Diamante mit der Kunstweise des letzteren vertraut geworden sein. Warum sollte auch gerade dieser unselbstandige Kiinstler nach seiner Ubersiedlung nach Florenz dem Einflusse Verrocchios widerstanden haben, dem ganz anders beanlagte Talente wie er unterlagen? Vielleicht ist Fra Diamante sogar neben Botticelli als ein wichtiges Bindeglied fur einige florentinische Kiinstler in den letzten Decennien des fiinfzehnten Jahrhunderts zu betrachten , deren Kunst ein Kompromiss zwischen Fra Filippo Lippi und Andrea del Verrocchio ist, wie zahlreiche unbenannte Werke in italienischen und auslandischen Galerien bekunden. Es eriibrigt hier nur noch einige Worte iiber die in Prato zuriickgebliebene Predella zu dem nach Paris entfuhrten Bilde Fra Diamantes zu sagen. Die in der dortigen Galerie befind- liche Tafel (No. i z) zeigt die Anbetung der Konige, die Darstellung im Tempel und den Kinder- mord. Die Darstellung im Tempel ist in der Hauptgruppe genau dieselbe wie auf dem Bilde in S. Spirito, die beiden knieenden Stifter sind dagegen weggelassen, und statt der Heiligen wohnen rechts eine Gruppe von drei Frauen , links zwei Manner der Ceremonie bei. Die Anbetung der Konige ahnelt in der Komposition der namlichen Darstellung von Giul. Pesello in dem ersten Korridor der Uffizien (No. 27), die Gestalten jedoch erinnern auffallig an die Bildungen des Francesco Pesellino , ohne jedoch in der feinen Ausfuhrung und exakten Zeich- nung ihnen gleichzukommen. Besonders ist dies in der Gewandbehandlung, den aufgenahten Falten, demPelzbesatz und demKopf des rechts stehenden Josef der Fall, der einem rechts stehenden bartigen Greis auf der Pesellino zugeschriebenen Tafel mit der Anklagescene eines Florentiner Patriziers vor Gericht in der Sammlung Morelli zu Bergamo gleicht. Erscheint es doch leicht erklarlich , dass sich Fra Diamante bei der Anfertigung dieser Predellenstiicke die fein aus- gefuhrten kleinen Arbeiten seines ehemaligen Ateliergenossen zum Muster nahm und aus ihnen herausholte, was er fur seine Zwecke notig hatte. Der Kindermord ist wegen der lebhaften und erregten Handlung dem Frate nur wenig gegltickt. Es ist ein wustes Gewirr verzerrter Frauenkopfe. Der auf der linken Seite heranreitende Herodes ist eine Nachbildung des Niccolo da Tolentino von Andrea del Castagno im Dom zu Florenz. Man sieht, Diamante nahm zur Herstellung des Bildes die Motive und Figuren her, wo er sie gerade fand. Aber diese unselbstandige und eklektische Arbeitsweise ist gerade charakteristisch fur die Kiinstler dritten Ranges, denen auch er nach alledem, was wir von ihm kennen lernten, beizuzahlen ist. Seine Begabung war zu gering, als dass er zu einer eigenartigen, selbstandigen Bethatigung in der Kunst vordringen konnte, und deshalb hat er auch wie so viele rein nachahmende Kiinstler das Schicksal erlitten, dass sein Name in der Kunstgeschichte fast vergessen ist. Nur die Uberlieferung seines Namens im Zusammenhang mit den von Fra Filippo und Botticelli geschaffenen Werken konnte uns veranlassen, hier seinen Spuren zu folgen. Eine auch fur unsere eigentliche Untersuchung iiber Botticelli wichtige Thatsache geht fedoch aus dem im Interesse der Sache etvvas ausfiihrlich ausgefallenen Uberblick iiber die spaten Arbeiten Fra Filippos hervor: In keinem derselben lasst sich Botticellis Mitarbeit nach- weisen. Man muss daher nach anderen Werken such en, wo sich fur seine Schulerschaft beim Frate Anhaltspunkte gewinnen lassen. Die Friihzeit. Hffl ^i! lessandro Filipepi wurde 1446 als Sohn des Lohgerbers Mariano di Vanni Filipepi zu ''£fg&i Florenz geborcn : elf Jahre nach Andrea del Verrocchio, drei vor Domenico Ghirlandajo, sechs vor Leonardo da Vinci. Sandro, so lautete die damals iibliche Abkiirzung fur Alessandro, war der jungste von vier Sohnen 1 ). Auch iiber Botticellis Knabenjahre tischt uns Vasari die in fast alien Kunstlerbiographien wiederkehrende Anekdote auf, dass er ein schlechter Schiiler gewesen sei und in der Schule gar nicht habe gut thun wollen. Bei seiner Abneigung gegen alles Lesen, Schreiben und Rechnen ware sein Aufenthalt dort auch nicht von langer Dauer gewesen, gar bald habe er der Wissen- schaft den Rucken gekehrt und sei von dem darob arg erziirnten Vater zum Handwerker bestimmt worden. Aber trotz des schlechten Schulzeugnisses, das der Biograph dem Knaben ausstellt, muss dieser doch bereits damals den Grund zu einer gediegenen Bildung gelegt haben. Ein Mann, der spater im engen Verkehr mit den grossten wissenschaftlichen Geistern seiner Zeit stand und es sich zur Aufgabe machte, ihre Gedanken im Bilde zu verkorpern; ein Mann, der, mit der klassischen Literatur und antiken Mythologie bekannt, sich zur selben Zeit mit tiefem Verstandnis in den Geist der Danteschen Poesie einleben und den Novellen des Boccaccio den Stoff zu seinen Bildern entnehmen konnte, hat in seiner Jugendzeit sicherlich mehr als die Anfangsgriinde im Lesen und Schreiben gelernt 2 ). Wichtiger dagegen ist die weitere Nachricht Vasaris, Sandro sei nach Verlassen der Schule zu einem Goldschmied in die Lehre gekommen. Er nennt diesen Botticello und leitet von ihm den stehenden Beinamen Sandros her. Aber da die Gildenbiicher keinen Goldarbeiter dieses Namens aufweisen, der Beiname dagegen von dem altesten Bruder Sandros Giovanni bezeugt ist, so ist viel eher der Annahme Milanesis beizupflichten, dass der Spitzname »das Fasslein« von eben jenem altesten Bruder auf unseren Kunstler iibergegangen und ihm fur alle Zeiten geblieben ist. Es liegt kein Grund vor, die Angabe des Biographen, dass Botticelli seine J ) Fruher wurde als Cleburtsjahr Botticellis 1437 angenommen, was dann nach Gaye in 1447 umgeandert wurde. Erst durch die von Milanesi gefundenen , bei Crowe und Cavalcaselle Ed. Ill, S. 156, Anin. I, mitgeteilten Dokumente ist als I latum 1446 festgestellt worden. Die drei Bruder Sandros, Giovanni (geb. 1427), Antonio (geb. 1433) und Simone (geb. 1443) waren 1480, aus welchem Jahre wir den Vermogensnaehweis des alten Mariano besitzen, alle noch am Leben. Der alteste, Giovanni, mit Beinamen Botticello, seines Zeichens Makler, war verheiratet mit Nera di Benincasa di Manno de' Cori und das Haupt einer zahlreichen Familie. Der zweite Bruder, Antonio, Goldschlager und Goldschmied, besass aus seiner Ehe mit Bartolommea di Filippo Spagliati zwei Sonne, Bartolommeo und Mariano. Letzterer, 1473 geboren, war Maler; doch ist uns von seiner kiinstlerischen Thatigkeit riichts bekannt. Spater muss es Antonio nicht gut ergangen sein, denn plotzlich gab er sein Handwerk auf und lebte 1480 als Buchhandler in Bologna. Von dem dritten Bruder, Simone, ist uns nichts weiter bekannt, als dass er 1480 ohnc Beschaftigung in Neapel weilte, spater heimkehrle und 1498 mit Sandro zusammen im Viertel von S. Maria Novella bei Benincasa und Lorenzo Filipepi, den Kindern des altesten Bruders Giovanni wohnte. Vgl. den Stammbaum der Filipepi bei Milanesi, Vasari III, S. 325. 2 ) Die von Botticelli selbst zum besseren Verstandnis an den Rand oder in die Darstellung hineingeschriebenen Bemerkungen auf den Illustration^] zu Dantes Gottlicher Komodie sind leicht leserlich und zeigen eine im Schreiben vollig geiibte Hand. Die Knabenjahre. 2 3 kunstlerische Laufbahn in einer Goldschmiedswerkstatte begonnen, zu bezweifeln. Vielmehr war dieser Lehrgang- bei den damaligen Klinstlern sehr haufig, ja fast allgemein, da die Bottega des Goldschmiedes haufig auch zugleich ein Atelier fur Malerei und Plastik war, wo der eintretende Lehrling in alien drei Kunsten unterrichtet wurde. Die beriihmten Werkstatten der Pollajuoli und des Andrea del Verrocchio geben hierfur den besten Beleg. Dann aber beweisen auch gewisse Eigentumlichkeiten in den Bildern Botticellis , dass er in diesem Kunsthandwerk sich umgesehen hat; so besonders seine Vorliebe fiir zierlich gearbeitete Schmuckgegenstande, ver- zierte Rtistungen, edelsteinbesetzte, goldgestickte Gewander und die Anwendung von Vergol- dungen jeglicher Art. Ausserdem hatte der zweite Bruder Antonio bereits dieses in der reichen Handelsstadt Florenz so angesehene und eintragliche Gewerbe ergriffen, was war da natiirlicher, als dass der kunstlerisch beanlagte Jungste nach beendigter Lehrzeit den Compagnon spielen sollte. Allerdings scheint es Sandro auch bei dem Handwerk nicht allzu lang ausgehalten zu haben. Er verliess, so erzahlt wenigstens Vasari, bald Feile und Hammer, um sie mit Pinsel und Palette zu vertauschen. »Es bestand in jener Zeit«, berichtet der Biograph, »ein sehr enges, vertrauliches Verhaltnis und gleichsam eine immerwahrende Kunstgemeinschaft zwischen den Goldschmieden und Malern. Deshalb beschloss Sandro , welcher die geeignete Personlichkeit war und sich ganz auf das Zeichnen geworfen hatte, verlockt durch die Malerei, sich von nun an ganz derselben zu widmen. Da er offen sein Herz dem Vater ausschuttete, wurde er von ihm, der die Neigung jenes Geistes kannte, zu Fra Filippo del Carmine, einem damals ganz ausgezeichneten Maler, gebracht. Dieser behielt ihn bei sich als Schuler, wie Sandro selbst es begehrte.« Fra Filippo ist, wie oben gesagt, seit 1452 in Prato nachweisbar, hatte sich dort am 4. Mai 1455 ein Haus gekauft und sich somit dauernd daselbst niedergelassen. Es ist nicht wahrscheinlich , dass er zu gleicher Zeit noch in Florenz selbst ein Atelier unterhalten hat. Denn nur im Jahre 1457 erscheint er einmal wieder auf langere Zeit in Florenz, als er das Bild fiir den Konig von Neapel zu malen hatte. Da aber hatte er kein eigenes, festes Atelier, sondern wohnte zur Miete, wie aus dem bereits erwahnten Briefe des Francesco Catansanti an Giovanni de' Medici vom 31. August 1457 hervorgeht, wo berichtet wird, dass der Frate am Abend vorher Hals ilber Kopf Florenz verlassen und seine Habe als Pfand fur die Wohnungs- miete zuriickgelassen habe. Ausserdem lag ja auch gar nicht das Bediirfnis nach einer zweiten Werkstatt in Florenz selbst vor. Alle in den fiinfziger und sechziger Jahren bis zur Ubersiedlung nach Spoleto entstandenen Werke sind, soweit sich nachweisen lasst, in Prato selbst bestellt und auch an Ort und Stelle ausgefiihrt worden , ausgenommen das Rundbild fiir den Florentiner Leonardo Bartolini, das jedoch sehr wohl in der Werkstatt zu Prato gearbeitet sein kann, und das jetzt in den Uffizien befindliche Marienbild, welches wahrscheinlich 1457, wahrend des langeren Aufenthaltes in Florenz, fur ein Mitglied des medicaischen Hauses gemalt wurde. Wer hatte auch der Bottega in Florenz vorstehen sollen, da der in Prato vollauf beschaftigte Frate bei der immer- hin in Betracht kommenden Entfernung zwischen beiden Orten nicht immer oder doch nur voriibergehend nach der Hauptstadt selbst kommen konnte? Fra Diamante aber half in Prato, und ein anderer Geselle oder Ateliergenosse ist uns in dieser Zeit nicht bekannt. In Prato also aller Wahrscheinlichkeit nach hat Sandro seine Laufbahn als Maler begonnen. Was nun den Zeitpunkt seines Eintrittes in Filippos Werkstatt betrifft, so mi'isste man ihn nach Vasaris Angabe, dass der Knabe weder in der Schule noch im Goldschmiedsladen es lange ausgehalten habe, allerdings sehr friih setzen. Doch es ist bereits bemerkt worden, dass auf diese Mitteilung nicht viel zu geben ist. Da ferner Botticellis fruheste Werke, wie wir sehen werden, ein so intimes Vertrautsein mit der Kunstweise seines Lehrers zeigen, dass sie selbst fiir eigen- hiindige Arbeiten des letzteren gehalten werden, so kann sein Aufenthalt in dessen Atelier nicht nur voriibergehend gewesen sein sondern muss langere Zeit gedauert haben. Fra Filippo siedelt aber bereits im Friihjahr oder Sommer 1467 mit Fra Diamante nach Spoleto iiber, Botticelli folgt ihnen nicht dorthin und sieht seinen Lehrer nicht wieder, der 1469 in der Feme stirbt. Die Lehr- zeit bei diesem kann sich also nur bis 1467 erstreckt haben. Ein zehn- bis zwolfjahriger Knabe muss er bei seinem Eintritt in das Maleratelier gewesen sein , wahrscheinlich jedoch war er nach 2 \ Die Frilhzeit. den \-.ir;iusgegangenen erziehcrischen Versuchen bereits um mehrere Jahre alter. 1 ) Immerhin mag man als ungefahrcn Zeitpunkt fur den Eintritt den Anfang der sechziger Jahre annehmen. Wie sehen nun die fruhesten Arbeiten Botticellis aus? 1st es moglich, sie ohne jeden urkundlichen Beleg iiber ihre Herkunft aus der grossen Masse unbenannten Malergutes jener Zeit herauszulesen, ohne jeden Anhalt fur ihre Entstehungszeit dem Werk des Kunstlers einzureihen? Der Versuch ist schwierig, doch wir mussen ihn wagen. Es fehlt nicht an Bildern, die auf unsere Fragen Rede und Antwort stehen werden. Nur muss man sie unverzagt bis auf jede Einzelheit hin priifen, kein stilistisches Merkmal fur zu geringfiigig erachten, um daran der Eigenart des Kunstlers nachzuspuren und so ein Bild seiner fruhesten Thatigkeit zu ge- winnen. Zu diesem Zweck richten wir unser Augenmerk zuerst auf eine Gruppe von Bildern, von denen einige zwar in neuester Zeit vereinzelt fur fruhe Jugendarbeiten Botticellis erklart werden, deren Stilcharakter jedoch der gelaufigen Vorstellung von des Kunstlers Weise so wenig zu entsprechen scheint, dass von anderer Seite lebhafter Widerspruch gegen solche Zuschrei- bungen erhoben worden ist. Und zwar handelt es sich hierbei um eine Anzahl gegenstandlich wie formal sehr ahnlicher Madonnenkompositionen , die samtlich unverkennbar auf Fra Filippos Vorbild zuriickgehen, weswegen sie auch teils diesem selbst, teils unbestimmt seiner Schule zugeteilt werden. Da jedoch, wie gesagt, jeder Nachweis iiber ihre Entstehungszeit fehlt, und es ein Verkennen freier kiinstlerischer Entwickelung bedeuten wurde, wollten wir in ihnen von Stuck zu Stuck genau ein stufenweiscs Fortschreiten ihres Schopfers fixieren, so werden wir sie zuerst gegenstandlich behandeln, vielleicht wird es spater gelingen, sie nach gewissen Gesichtspunkten hin annahernd chronologisch zu ordneo. Wir beginnen mit einer Gruppe von Darstellungen , die sich mit dem Madonnenmotiv beschaftigt, das Fra Filippo in dem jetzt in den Uffizien befindlichen Vierfigurenbild geschaffen. In der kleinen Bildergalerie des Ospedale degli Innocenti zu Florenz 2 ) hiingt wenig beachtet unter dem Namen Fra Filippos ein kleineres Madonnenbild 3 ). Es erscheint in der That beim ersten Anblick wie ein Werk dieses Kunstlers, denn es zeigt fast die gleiche An- ordnung der Figuren wie dessen Tafel in den Uffizien und hat auch in der ganzen Ausfiihrung viel von seiner Art 4 ). Betrachtet man es jedoch naher, so finden sich unverkennbare Ab- weichungen von diesem. Zuerst in der Komposition. Wahrend Filippos Bild Maria in einer Landschaft sitzend zeigt, wie sie das von zwei Engeln emporgehaltene Kind anbetet, ist hier die Scene in einen Innenraum verlegt, die Zahl der Personen auf drei beschrankt. Vor einem auf zwei Serpentinsaulen ruhenden Marmor-Bogen, durch den ein Stuck des blauen Himmels herein- lugt, sitzt links Maria in Kniestiick, gleich dort, auf einem mit bunten Kissen belegten Lehn- sessel. Mit beiden Handen fasst sie das Kind, das ihr von einem rechts stehenden Engel- knaben emporgereicht wird. Der Kleine blickt innig zur Mutter empor und greift mit beiden Handen in das Brusttuch, um ihr verstandlich zu machen, dass sie ihren Mutterpflichten nachkommen und ihm zu trinken geben soil. Wahrend die beiden Personen in enge Wechselbeziehung zu einander treten , blickt der blondhaarige Engelknabe verloren aus dem Bilde heraus. Sein Genosse, der sich auf Filippos Tafel findet, fehlt hier. Mutter und Kind sind dadurch naher geriickt, der pyramidale Aufbau der Gruppe erscheint harmonischer und abgeschlossener als dort. Mit der Anderung der Komposition ist auch die Auffassung eine andere geworden. Trotz des genrehaften Motivs bleibt Fra Filippos Darstellung ein Ceremonienbild. Mutter und ') Nach Cennini trat der Knabe gewohnlieh zwischen clem 10. und 12 Jahre als I.ehrling (discepolo) in die Werkstatt eines Meisters ein, wo er sich, wie der Lehrling eines jeden anderen Ilandwerks, der niedrigsten Handleislungen zu unterziehen hat to. Er erwarb sich dort die Sicherheit im Zeichnen und die Kenntnisse von Material und Technik. '-'i Schon Richa vol. \'1II, S. 130 erwahnt bei Beschreibung des Spitals und der Kirche diese kleine Kunstsammlang: Viene in questo luogho 1'appartimento dello Spedalingho, dove si conservano rare dipinture. Ihre llauptzierde bildet das be- kannte grosse Altarbild des Piero di Cosimo. Crowe u. Cavalc. sind die einzigen, welche diesis Bild, und zwar unter den Werken Fra Filippos erwahnen. Ill, S. 66 u. 80 4 ) Auch in den Massen stimmt es Uberein: Madonnenbild in den Innocent!. 25 Kind sind noch durch eine ticfe Kluft von cinander geschieden: das irdische Weib betet den gottlichen Sohn an, himmlische Geschopfe, wie die beiden Engel, vermitteln zwischen beiden. Wie entscheidend auch der Bruch war, den der Frate mit den Bildern in den Uffizien und im Palazzo Pitti den streng kirchlichen Bildungen einer fruheren, befangeneren Kunst gegen- iiber vollzog, so hatte er sich doch nicht mit einem Schlage vollstandig von den Banden einer sanktionirten Tradition losmachen konnen. Dort wird die Gottlichkeit des Kindes durch die Verehrung der Mutter bezeugt, hier dient der Maria in biirgerlichem Kleide mit dem von einer Frucht naschenden Knaben als Folie noch der ganze legendarische Apparat einer Wochenstube und die das Eingreifen einer hoheren Macht versinnbildlichende Begegnungsscene zwischen Joachim und Anna. Erst auf dem Bilde in der Miinchener Pinakothek gelingt es Filippo auf dem von ihm emgeschlagenen Pfade weiterschreitend den Bruch mit der Ueberlieferung ganz und gar zu vollziehen und eine ahnlich menschlich frei empfundene Scene zu schaffen , wie sie uns auf dem Bilde in den Innocenti begegnet. Die zum Gebet gefalteten Hande der Madonna haben sich geoffnet, um das geliebte Wesen aus den Armen des dienenden Engels zu empfangen und an die Brust zu driicken. Ihre Blicke begegnen sich, aber kein frohliches, zufriedenes Lacheln erheitert die Gesichter. Ernst und vielbedeutend ist der Ausdruck des Knaben, ein entsagungs- voller Zug umspielt bereits hier den kleinen Mund. Ebenso scheint die Mutter das kommende Leid zu ahnen, das ihr der Sohn einst bereiten soil. In tiefes Sinnen verloren blickt sie auf ihn herab. Dieser schwermutige Ausdruck ist sonst den Madonnen und Christuskindern Fra Filippos vollstandig fremd. Findet sich in der Auffassung bereits ein dem Kiinstler fremder Zug, so wird der Zweifel an dessen Urheberschaft noch bestarkt bei formaler Betrachtung des Bildes. Es ist allerdings durch eine ktirzlich vorgenommene Restauration stark aufgefrischt , doch erlaubt sein Zustand immerhin noch eine eingehende stylistische Analyse. ') Was zuerst die Typen anbelangt, so zeigen sie im allgemeinen allerdings grosse Ver- wandtschaft mit denen Fra Filippos, im einzelnen jedoch finden sich wieder bestimmte von ihnen abweichende Itigentiimlichkeiten. Im Gegensatze zu der eiformigen Kopf bildung, die alien Madonnen des Frate aus dessen spaterer Zeit eigen ist, herrscht hier das Bestreben vor, den Kopf breiter zu bilden. Die Stirn ist daher weniger stark herausmodellirt, das Nasenbein nicht so tief einge- driickt, wahrend die Nase selbst eine geradere, regelmassigere Form zeigt. Der Mund hat nicht die durch Verschiebung der Oberlippe fur Filippo so charakteristische zugespitzte Form, das Kinn ist weniger gerundet und vorstehend, die Backenknochen sind nicht so scharf betont. Ahnliche Unterschiede finden sich auch beim Kinde. Der Kopf ist nicht mehr so unverhaltnis- massig lang und dick, sitzt nicht mehr so tief und unbevveglich zwischen den Schultern. Die Bewegung, schon durch das veranderta Motiv geboten, lasst den ganzen Korper elastischer und frischer erscheinen. Die auffalligste Abweichung von Fra Filippos Weise zeigt jedoch der Engel. Allerdings ist er auf dem Uffizien-Bilde etwas iibertrieben individuell gehalten und kann nicht als Allgemein- typus gelten. Aber suchen wir auch unter den anderen von dem Kiinstler geschaffenen Himmelsbewohnern auf den zahlreichen Verkiindigungen, den Madonnendarstellungen, der KrOnung Mariae in der Apsis des Domes zu Spoleto, nirgends werden wir einen Kopf von solch holder Anmut, solch feinen, durchgeistigten Zugen finden wie auf der Tafcl in den Innocenti. Es ist schlechterdings unmoglich, dass der Frate diesen Engel geschaffen hat. Wer aber sonst kommt als Urheber hier in Betracht? Fra Diamantes Madonnen, Kinder und Engelscharen sehen anders aus, wie ein Blick auf seine Arbeiten in Prato, Spoleto und im Louvre beweisen. Es bleibt niemand anders iibrig als Sandro Botticelli. Schon die Bildung des Engels muss zu diesem Schlusse fuhren. Uber dem zarten von hellblonden Locken umrahmten Antlitz liegt bereits der ganze Zauber jenes holdseligen, traumerischen Wesens gebreitet, welches den himmlischen Knaben Sandros eigen ist. Auch der melancholische Zug im Antlitz der Madonna und des Kindes ist bezeichnend fur ihn und kommt in so ausgepragtem Masse keinem anderen zu. ') Die Photographie Aliuaris (No. 3128) giebt das Bild noch vor der letzten Restauration. 26 Die Fruhzeit. Die Starke Botticellis liegt vor allem in einer vollendeten Anmut der Form, einer be- stimmten, jedoch weichen Modellierung, einer exakten Zeichnung. Schon hier erscheint, was Linienfluss und plastische Rundung anbelangt, Sandro seinem Lehrer iiberlegen. Solch weich modellierter, schwellender Kinderkorper, solch sicher gezeichnete, feingeformte Hande lassen sich auf keinem Werke des letzteren nachweisen. Nicht ohne Grund warf Carlo Marsuppini ihm vor, dass er keine wohlgebildeten Hande malen konne 1 ). Dagegen findet sich in den Kopfen der Madonna und des Christkindes, in der Behandlung des Nackten, in der Vermeidung eines weiten landschaftlichen Hintergrundes bei Bevorzugung einer einfachen architektonischen Kulisse sowie in der Gewandung die grosste Ubereinstimmung mit anderen Jugendwerken Sandros, be- sonders mit den weiter unten zu besprechenden Darstellungen der Madonna vor einer Rosenhecke in den Uffizien und im Louvre, Ich zogere daher nicht, das Bild als eine seiner fruhesten, noch in der Werkstatt des Lehrers ausge- fiihrten Arbeiten an erster Stelle zu nennen. Bei aller Abhangigkeit Sandros von Fra Filippo kann von einem blossen Nach- ahmen oder Kopieren doch nicht die Rede sein. Davor bewahrt ihn nicht nur seine bereits hier hervortretende individuelle Auf- fassungsweise, sondern auch seine scharfe Beobachtungsgabe fur die Natur, wobei ihm gewisse Schwachen seines Lehrers in der Zeich- nung, besonders bei Wiedergabe der korper- lichen Erscheinung, nicht verborgcn geblieben sind. Diese zu vermeiden ist er von Anfang an beflissen. Bereits in der oben besprochenen Arbeit tritt das Bestreben nach korrekter Durchfiihrung des einzelnen, wenn auch noch schiichtern, hervor und offenbart sich schon deutlicher in dem leider stark restaurierten Bilde im Museum des Spit als von S. Maria Nuova zu Florenz (Nr. 23). Es fiihrt dort ebenfalls den Namen seines Lehrers und hat als ein eigenhandiges Werk desselben auch bis vor kurzem unbeanstandet gegolten 2 ). In der Mitte sitzt die Madonna auf einem Sessel , dessen Lehne von einem Cherubkopf gebildet wird. Ein fein gefaltetes Haubchen bedeckt den Scheitel und einen Teil der Stirn. Uber einem roten, unter dem Busen gegiirteten Kleide tragt sie einen dunkelblauen, grungefiitterten Mantel. Mit leicht geneigtem Haupte blickt sie auf das auf ihrem Schosse liegende Kind herab , das, von einem links stehenden rosenbekranzten Engel unter - stiitzt, mit sehnsilchtig geoffneten Armchen zu ihr emporstrebt. Der blondlockige Engel blickt dabei mit gespannnter Aufmerksamkeit Maria an, als ob er in seinem dienstbereiten Eifer ihr jeden Wunsch von den Lippen lesen wolle. Zwischen beiden schaut ein braunhaariger Knabe in weissem Chorhemd aus dem Bilde heraus. Rechts steht der jugendliche Johannes. Gesenkten Sandro Botticelli. Maria mit Kind und Engeln. S. Maria Nuova, Florenz. *) Vasari II, S. 6 1 8. *) Noch in der filnften Auflage des Cicerone (1884) II, S. 572, wird das Bild nach der Madonna in den Uffizien unter den Werken Fra Filippos aufgefuhrt. Erst nachdem ich selbstandig bereits zur Erkenntnis Botticellis in diesem Werke gelangt war, fand ich die richtige Benennung nachtriiglich in den »Berichtigungen und Zusatzent im zweiten Bande, wo es als eine Jugendarbeit Sandros unter Fra Filippos Einfluss bezeichnet wird. Diese Zuschreibung ist in der sechsten Auflage (1893) beibehalten worden. Madonnenbild in S. Maria Nuova. 2 7 Hauptes ist er seinem Herrn und Heiland genaht, die Rechte ruht verehrend auf der vom zottigen Felle bedeckten Brust, die Linke umfasst das Rohrkreuz. Wir finden somit dasselbe Motiv wie auf dem Bilde im Hospital der Innocenti, nur ist die Darstellung um zwei Figuren vermehrt 1 ). Wichtig ist die Zuziehung des jugendlichen Johannes in den Kreis. Zwar erscheint er hier noch nicht als der fast gleichaltrige Spiel- gefahrte des Christuskindes wie auf dem Dreifigurenbild des Cinquecento, sondern er ist noch der hagere auf der Grenze zum Jiinglingsalter stehende Knabe, den Donatello und die nach- folgende Bildhauerschule von Florenz mit Vorliebe dargestellt haben. Bereits auf Fra Filippos Anbetung des Neugeborenen in Berlin und Florenz erscheint der Knabe im harenen Gewande, eine Umbildung, welche die freiere Ausgestaltung des Madonnenbildes mit sich brachte. Die Einschiebung dieser vierten Figur ist auch keineswegs ohne Einfluss aut die ganze Komposition geblieben. Wahrend namlich auf des Frate Tafel in den Uffizien und in noch hoherem Masse auf Sandros Bild in den Innocenti die Figuren wie auf einem Flachrelief ange- ordnet sind, ist hier mit Ausbeutung der Tiefendimension die Gruppe nach dem Hintergrund zu erweitert; wahrend dort der Aufbau der Gruppe unter eine Diagonale fallt, ist hier der Versuch gemacht, von einem Mittelpunkte aus zu konstruieren, die Komposition mehr central zu gestalten. Zu diesem Zwecke wird die Madonna in die Mittelaxe des Bildes geri'ickt, der Johannes auf der rechten Seite dem Engel auf der linken entsprechend eingesetzt. Allerdings ist ein streng symmetrischer, in sich abgeschlossener Aufbau noch nicht errreicht. Der Schwerpunkt liegt noch allzusehr auf der linken Seite, da die Madonna noch schrag im Bilde sitzt und das Kind nicht, wie es spater geschieht, von der Mittelsenkrechten geschnitten wird. Abgesehen von diesem Fra Filippo fremden Kompositionsschema spricht auch die Ausfuhrung des Bildes gegen ihn. Es durfte zum mindesten schwierig sein, auf irgend einem seiner Bilder einen so plastisch gerundeten Kinderkorper, so scharf behandelte Kopfe, so richtig gezeichnete Gliedmassen zu finden, wie hier. Dazu kommt die Abweichung in den Typen. Sie besteht wieder besonders in der Bildung der Engel. Diese lockigen, schlanken Knaben haben nichts mehr gemein mit den weisshaarigen drallen Burschen des Frate, sondern sind der Phantasie des Schiilers entsprungen. Bis in seine spate Zeit ist Sandro in der Bildung der Engel dem einmal geschaffenen Typus treu geblieben, wie z. B. eine Vergleichung des heiteren, rosenbekranzten Knaben und seiner Nachbaren hier mit den beiden rechts neben der Madonna befindlichen Engeln auf dem grossen Rundbild in den Uffizien (N. 1289) beweist 2 ). Je weiter der Abstand gegeniiber den Arbeiten Fra Filippos, desto enger ist die Ver- wandtschafc hier mit anderen Jugendwerken Botticellis, besonders mit der schon erwahnten Madonna vor dem Rosenhag in den Uffizien. Die Ahnlichkeit im Typus der Maria wird noch durch die iibereinstimmende Anordnung des Kopftuches gesteigert, wahrend dem Christus- knaben hier wie dort die weit in die Stirn gewachsene Haarschneppe eigen ist. Vollkommen gleich und fur Botticellis fruhe Periode charakteristisch sind die scharf geranderten Augen, die, mandelformig geschlitzt, von hervortretenden schweren Lidern halb verdeckt werden, desgleichen die an der Kuppe knollig gebildete Nase mit den scharf betonten Nasenfliigeln. Ein weiteres J ) Ein Bild ahnlichen Inhaltes erwahnt Borghini in seinem Riposo: Fece (Sandro) molti quadri a piii persone, de \ 20S, rot grundiertes Fapier; 0,210X0,150. Die Konturen der Nase und Augen sind von spaterer Hand und Tinte nachgezogen. Eine ahnliche Zeichnung befindet sich in der Sammlung Malcolm zu London. Ulmann, Botticelli. D _12 Arbeiten der siebziger Jahre. die von Botticelli spiiter angewendete Ausfiihrung mit der Feder, die z. B. samtliche Blatter zum Dante zeigcn, sondern die mit dem Stifte vorgerissenen Konturen sind mit dem Pinsel aus- getuscht und die Lichter mit weisser Farbe aufgesetzt. Der namlichen Schaffensperiode Sandros gehort ein umfangreiches Altargemalde der Madonna mit Heiligen in der Akademie zu Florenz an, wohin es aus der Kirche S. Ambrogio gelangt ist (Sala II del Botticelli, Nr. 46). In einer mit farbigen Marmorplatten verkleidetcn Nische thront Maria, den segnenden Knaben auf dem Schoss. Davor knieen in An- betung links S. Cosmas, rechts S. Damianus; neben erstcrem stcht Magdalena mit der Salbbiichse und dahinter, nur in halber Figur sichtbar, Johannes der Taufer, wahrend links, cntsprcchend angeordnet, Katharina auf das Rad gestiitzt und der hi. Franz, in Verehrung zum Christkind herab- blickend, den Kreis vervollstandigcn. Da das Bild infolge schlechter Erhaltung manchen Botticelli fremden Zug besitzt, so sprechen die Verfasser der Geschichte der italienischen Malerei es ihm ab und weisen es dem Andrea del Castagno zu '), wahrend Morelli es fur eine Arbeit aus der Werkstatt Botticellis erklart 2 ). Der Cicerone dagegen tritt fur die Echtheit ein 3 ). Die Schuld an dieser Meinungs- verschiedenheit tragt, wie gesagt, ganz allein die schlechte Erhaltung und Ubermalung des Bildes, wodurch es etwas schwer wird, den echten Kern unter der falschen Schale zu erkcnnen. Priifen wir es daher auf seine Erhaltung und ursprungliche Form. Die beiden Frauengestalten in den Ecken sind von der Hand des Restaurators am wenigstcn betroffen, bei ihncn wird die stilistische Betrachtung am besten beginnen. Die Katharina zeigt im Kopftypus, in dem etwas hageren, knochigen Korperbau, dem warmen gelbbraunlichen Kolorit mit dem scharf aufgesetzten Rot der Wangen , der bestimmten Fiihrung dor Konturen die grosste Ubereinstimmung mit der Einzelgestalt der Tapferkeit. Die Zeichnung der Gliedmassen ist sorgsam, die Finger der von Ubermalung nicht verschont gebliebenen Hande haben die Verrocchio eigentumliche starke Betonung des Mittelgliedes. Die Haltung der linken Hand, welche das Kleid an den Oberschenkel drilckt, ist ahnlich wie bei dem den Lilienstengel tragenden Gabriel auf Verrocchios grossem Tobiasbild in der namlichen Sammlung. Die Gewandung der Heiligen, die in einem olivgriinen Kleid und roten Mantel mit hellem Futter besteht, zeigt die von Botticelli in seiner friihen Zeit mit Vorliebe angewandten langen , geraden, schlingen- formig gebildeten Falten, ist aber ebenso wie der Schleier nicht mehr unberuhrt. Der gegeniiber stehenden Magdalena mit dem feinen Profil, der gewolbten Stirn , der vorspringenden Nase, dem schmalen festgeschlossenem Munde ist ein ahnlicher Typus eigen wie der Maria auf dem Bilde im Hospital der Innocenti. Ein lilafarbener Mantel fallt von der Schulter iiber das weisse fein gefaltete Untergewand herab und ist fest um den langen, hageren Unterkorper geschlagen, so dass von der Hiifte bis zum Knochel eine Reihe gleichformig geschwungener Breitfalten entsteht, eine Eigentumlichkeit, die sich auch sonst bei stehenden Gewandfiguren auf Botticellischen Bildern findet. Ist wenigstens hier der Kopf von Ubermalung verschont geblieben, so sind die iibrigen Figuren umsomehr zugedeckt. Sandros Formen linden sich noch am ehesten im hi. Franz und in dem rechts im Vordergrund knieenden Damianus. Der erstere erscheint wie eine Mischung von Era Filippos und Pesellinos Monchstypus ; die Haltung der zum Ausdruck tiefster Devotion auf der Brust ruhenden rechten Hand ist die gleiche wie bei Johannes auf den Bildern in S. Maria Nuova und im Louvre und wiederholt sich standig bei zahl- reichen in Verehrung dargestellten Heiligen auf sonstigen Arbeiten Botticellis. Damianus tragt Portraitziige , wahrscheinlich gehort dieser Jiingling, in dem wir unter der Maske des Heiligen wohl einen der Stifter des Bildes zu suchen haben, zu der Familie der Medici; denn wir finden die namlichen Zuge in derselben verkurzten Profilstellung bei der Gestalt hinter Giuliano de' Medici auf der Anbetung der Konige aus S. Maria Novella wicder. S. Cosmas und S. Damianus sind ja die Patrone dieser Familie. Auch ersterer scheint ursprunglich ein ') Crowe u. Cavalc. Ill, S. 44. *) Die Galerien Borghese und Doria Panfili, S. 109. a ) 6. Aull., Ill, S. 570. Madonna mit Heiligen aus S. Ambrogio. Geschichte der Judith. a -i Portrait gewesen zu sein, doch sind die Zuge, nachdem der Restaurator ihm einen Bart gegeben, nicht mehr zu identifizieren. Lorenzo il magnifico kann ich hier ebensowenig erkennen, wie dort Giuliano 1 ). Die Hande des Cosmas und des dahinter stehenden Taufers zeigen noch Botticellische Formen, der Kopf des letzteren dagegen ist ganzlich iibermalt. Was zuletzt die Madonna und das Christuskind anbelangt, so kann man, diese fur sich allein betrachtet, allerdings an der Autorschaft Botticellis zweifeln. Die Gruppe ist ganz in Ol ausgefuhrt , ein Verfahren , das sich auf anderen Arbeiten des Ktinstlers in keiner Periode seines Schaffens findet. In den Kopfen liegt ein Gemisch von Filippinos und Peruginos Typen. Denn dass es sich hier in der That urn eine nachtragliche Restauration resp. Ubermalung des Mittelstiickes und nicht urn urspriingliche Atelierarbeit seitens irgend eines Gehulfen handelt, beweisen die an einzelnen Stellen wieder zum Vorschein gekommenen alten Konturen. So war das Kleid der Jungfrau am Hals nicht viereckig sondern rund ausgeschnitten wie bei samtlichen friihen Madonnen Sandros. Ein breiter schwarzer Streifen direkt unterhalb des Busens zeigt dass hier urspriinglich der Giirtel gesessen hat, wie es ja auch auf den Bildern in S. Maria Nuova und in den Uffizien der Fall ist. Der jetzt iibermalte Schleier fiel ebenso wie bei der Magdalena iiber die Schultern herab und bedeckte noch den Oberarm. Auch in der Bewegung des Kindes wie es das linke Beinchen hinaufzieht, in dem Umschlag des Hemdes am rechten Bein, in der Haltung der linken Hand der Madonna lasst sich noch der Entwurf Botticellis erkennen, ebenso in den breiten Falten zwischen ihren Knieen und in den durch das Auffallen des Gewandes aut dem Boden hervorgerufene Faltenmotiven. Wahrscheinlich ist das Mittelstiick durch Feuer oder irgend einen anderen Unfal beschadigt worden, sodass es schon friih erneuert werden musste. Denn die Ubermalung tragt nicht die Merkmale moderner Restauration, sondern ist ganz im Charakter der umbro-florentinischen Meister um die Wende des funfzehnten Jahrhunderts gehalten. Aber weder aus diesem Grunde noch wegen der alterttimlich steifen Komposition sind wir berechtigt, das ganze Bild Sandro selbst abzusprechen. An eine Werkstattarbeit kann man aus denselben Griinden wie bei der Madonna vor dem Rosenhag nicht denken. Die Zuteilung an Andrea Castagno ist eine haltlose Nottaufe. Ein eigenhandiges, allerdings iibel zugerichtetes Werk Sandros ist meiner Meinung nach dieses Altarbild aus S. Ambrogio, und zwar noch ein Werk aus der Fruhzeit des Ktinstlers, etwa aus dem Beginn der siebziger Jahre. Was die Fortitudo Botticellis vor den Tugenden der Pollajuoli auszeichnete, war die Betonung des seelischen Momentes, der Versuch, den psychologischen Vorgang in der ausseren Erscheinung der Gestalt zum Ausdruck zu bringen. Freilich war dieser Versuch bei der in hindernde Schranken eingezwangten Gestalt noch nicht ganz befriedigend ausgefallen. Schon besser konnte ein solches Streben zur Geltung kommen, wo es sich um belebte historische Darstellungen handelte, wo es hiess, die Wirkung eines bestimmten Vorganges in seinen Aus- strahlungen auf eine Anzahl verschiedenartiger Personen zu schildern. Bis jetzt haben wir ausser jener allegorischen Einzelgestalt ausschliesslich Madonnenbilder von Sandro kennen gelernt, die wegen der Wiederholung ahnlicher Motive ihm leicht den Vorwurf eines in hergebrachten Bahnen schreitenden, einseitigen Talentes zuziehen konnten. Um so wichtiger ist es deshalb, zwe Arbeiten unsere Aufmerksamkeit zuzuwenden, die zum ersten Mai den jungen Kiinstler auf dem Gebiete der Historienmalerei zeigen. Klein sind sie zwar, aber um so lehrreicher fur die Beurteilung seine Begabung auf diesem Gebiete. Sie behandeln einen in der Kunst der Renaissance sehr beliebten Gegenstand, die Geschichte der Judith. Die eine Scene zeigt das heldenmtitige Weib nach vollbrachter That auf dem Heimweg nach Bethulia, die andere die Auffindung des Holofernes durch seine Krieger 2 ). Beide Bilder, deren weder Albertini noch die anonymen Quellen noch Vasari Erwahnung thuen, wurden nach Borghinis Bericht von Messer 1 ) Richard Fisher, Introduction to a catalogue of the early Italian prints in the British Museum, S. 124. Die Identifizierung des Damianus mit Giuliano beruht, wie wir sehen werden, auf einer Verwechslung. 2 ) Buch Tudith, cp. 13, 14. 6* a a Arbeiten der siebziger Jahre. Ridolfo Sirigatti als Arbeiten Botticellis der Grossherzogin Bianca Capello zur Ausschmiickung ihres Studio geschenkt 1 ). Von dort gelangten sie in die Uffizien (Nr. 1156 und 1158). Auf der Darstellung von der Heimkehr der Judith agieren nur zwei Personen: Judith und ihre Magd Abra. Erstere, eine jugendschonc Erscheinung in rcicher Gewandung, kommt von links einen abschiissigen Pfad herabgeschrittcn. Die alte Dienerin folgt ihr auf dem Fusse und tragt die von einem Tuche umhtillte Siegestrophae auf dem Haupte. Ein fruchtbares von Bergen eingeschlossenes Thai bildet den landschaftlichen Hintergrund. An breitem Flusse liegt Bethulia, eine mit Mauern wohl befestigte Stadt. Kriegsvolk kommt der Erretterin aus der Veste entgegen, Reiterzuge sprengen durch das Gefilde. Doch der nahe Kriegslarm stort Judith nicht. Ihre Gedanken gehoren noch der Vergangenheit an, traumerisch schweifen die Augen in die Feme. Sie gedcnkt der blutigen That, die sie soeben vollbrachte: Wehmut und Siegesbcwustsein zugleich sprechen aus ihrem ernsten Antlitz. Ein ausserliches Zeichen dieser Doppelstimmung sind die Gegenstande, die sie in den Handen tragt. Die Rechte umfasst den Griff des blutigen Schwertes, mit dem sie soeben den todtlichen Streich gefuhrt hat, die Linke halt einen Olzweig, das Zeichen ihres Sieges, ein Hinweis auf den Frieden und die Rettung, die sie ihrem Volke bringt. Den sie besturmenden Gefiihlen sich hingebend, halt sie etwas im Gehen inne, Zogern liegt in ihren Schritten. Desto eiliger kommt die Dienerin einher. Die unheimliche Last auf ihrem Haupte beschleunigt ihre Schritte. Den Oberkorper vorgebeugt, das hindernde Gewand mit der Rechten aufgeschiirzt, sturmt sie vorwarts und treibt die in ihren Traumen verlorene Herrin vor sich her. Bei ihr kein Streit der Empfindungen, kein zogernder, beklommener Gang. Willig ist sie ihter Gebieterin in das Lager der Feinde gefolgt, willig folgt sie ihr heim- warts auf ihrem Siegeszuge. Mit gliicklichem Griffe sind die beiden Charaktere neben einander gestellt , scharf kontrastiert das durchgeistigte, vom regsten Gemiitsleben zeugende Antlitz der Judith mit den stumpfsinnigen, den Stempel der Knechtschaft tragenden Ziigen der Dienerin. Botticelli wandclt hier Bahnen, die ihm bereits sein Lehrer Fra Filippo gewiesen hatte. Gerade dieser zeichnete sich durch eine scharfe Charakteristik seiner Gestalten aus, liebte ebenfalls durch Kontraste zu wirken. Ein wohl zur Vergleichung geeignetes Beispiel bieten die Kopfe der Herodias und der beiden hinter ihr stehenden Dienerinnen auf dem Fresko mit dem Tanz der Salome im Chor der Kathedrale zu Prato. *Wie das Gegenstandliche, so ist auch das Technische Sandro hier wohl gelungen. Schon in den reiferen Schopfungen unter den fruhen Madonnenbildern und besonders bei der Fortitudo bemerkt man sein Streben, den Gestalten die Harte der Umrisse zu nehmen, sie licht- und luftumfiossen darzustellen. An Stelle einer mehr zeichnenden Ausfiihrung in den ersten Arbeiten ist eine mehr malerische Behandlungsweise getreten. Einen bedeutenden Fortschritt in dieser Hinsicht bezeichnet nun gerade das Bildchen mit Judiths Heimkehr. Es gehort zu den besten koloristischen Leistungen unseres Kiinstlers ixberhaupt. Die Lokalfarben sind dem Zwielicht der Morgendammcrung entsprechend in unbestimmte Halbtone aufgelost. Das Grim der Wiesen und Abhangc des Hintergrundes vcrlauft in ein nebliches Grau, das Blau des Himmels verliert sich ins Weissliche. Schwarzlich erscheint das Griin der Blatter eines Baumes im Vordergrund, dessen dunkelbrauner Stamm kahl und kalt in die Liifte ragt. Das gleiche Streben nach unbe- stimmten Farbentonen findet sich in der Wahl der Gewiindstoffe. Judith tragt iiber einem lila- farbenen, in den Lichtern ins weissliche, in den Schatten ins dunkelblaue schimmernden Kleide einen blaulichgrauen, durchsichtigen Uberwurf; fur das Gewand der Dienerin ist eine ins orangcgelbe spielende Farbung gewahlt. Mit diesen koloristischen Vorziigen verbindet sich eine grosse Sicherheit in Zeichnung und Modcllicrung der Gestalten, eine grosse Freiheit in der Behandlung der Gewandung und des Faltenwurfes. Bei der miniaturartig feinen Ausfiihrung jcglichcn Details ') Borghini, II Riposo III, S. 352 : Due' quadretti insieme (nell'uno de quali b dipinto Olofcrne nel letto, colla testa tronca, co' suoi baroni intorno, che si maravigliano ; e nell'altro Giuditta colla testa nel sacco) aveva, non ha molto, M. Ridolfo, e esso li dono alia Serenissima Bianca Capello de Medici, Gran Duchessa Nostra, intentendo che Sua Altezza, come quella, che h virtuosissima, voleva adornare uno scrittojo di pitture e di statue antiche, guidicando degna quella operetta del Botticello di poter comparire appresso all'altre, che da S. A. vi son poste. Sandro Botticelli Uffizien, Florenz DIE HEIMKEHR DER JUDITH Auffindung des Holofernes. ^r lasst sich trotzdcm dcm Kiinstler nirgends der Vorwurf klcinlichcr Auffassung machen. Er teilt die Vorliebe fur sorgsamo und saubere Ausfiihrung von Bildcrn kleinen Formates, deren wir spater noch einige andere kennen lernen werden , mit seinem Lehrer Fra Filippo , von dem Vasari diese Eigentiimlichkeit besonders riihmend hervorhebt 1 ). Das Gesicht der Judith gleicht vollkommen dem der Fortitudo, auch in der seitlichen Haltung des Kopfes und der Anordnung der Haare, die cin diademartiges Band umschlingt, stimmen beide iiberein. Noch auffalliger als dort ist hier die Verwandtschaft mit dem von Verrocchio selbst ausgefiihrten Engel auf der Taufe Christi oder dem Gabriel auf dem grossen Tobiasbild in der Akademie zu Florenz. Die Bewegung der Judith, wie sie mit zuruckgebogenem Oberkorper und etwas vorwarts gestrecktem Leib einherschreitet, wie sich bei ihrem tanzelnden Gange das Gewand fest an den Korper anschmiegt und die einzelnen Gliedmassen scharf hervor- treten lasst, ist ferner die gleiche wie bei dem Erzengel Rafael dort. Ebenso hat die Dienerin in dem weitausschreitenden Gange und dem Aufnehmen des den Schritt hemmenden Gewandes ihr Vorbild in dem Gabriel desselben Bildes. Auch die einzelnen Motive des landschaftlichen Hintergrundes, wie die befestigte Brilcke, sowie die zur Staffage dienenden Reitertrupps erinnern an ahnliche Details auf den Bildern Verrocchios und seiner Schule 2 ). Auch spaterhin scheint sich Sandro noch einmal mit dem gleichen Gegenstande beschaftigt zu haben. Auf einer Zeichnung in der Albertina zu Wien stellt er Judith dar, wie sie das abgeschlagene Haupt des Feindes an den Haaren der Dienerin reicht, die, rechts neben ihr stehend, ein Gefass bereit halt. Die Zeichnung ist mit dem Stifte fluchtig angelegt, die Urn- risse sind vom Kiinstler selbst zum Teil mit der Feder nachgezogen, die Gewandung und der Kopf der Judith dagegen von fremder Hand mit dem Pinsel und heller Tusche ungeschickt iiber- arbeitet 3 ). Hierdurch hat das durchsichtige , enganliegende Gewand etwas Schweres , Steifes bekommen. Die Judith zeigt den spateren weiblichen Typus Botticellis aus den achtziger Jahren und ahnelt sowohl im Kopfe wie in der Stellung, Bewegung und Gewandbehandlung der alle- gorischen Gestalt der Fruchtbarkeit auf einem Blatte bei Mr. Malcolm und der Zeichnung einer Athena in den Uffizien. Reicher in der Komposition, gesteigert im Pathos ist die Schilderung von der Auffindung des Leichnams des Holofernes durch seine Krieger in den Uffizien. Der Vorgang spielt sich im Innern des Feldherrnzeltes ab. Der lilafarbene Vorhang, welcher den Eingang vcrdeckt, ist zuriickgeschlagen, das Morgenlicht dringt ein. Im Zeltraum selbst herrscht noch ein geheimnis- volles Halbdunkel, das alles in seine Schatten hullt. In der Mitte des blumigen Wiesenbodens liegt auf einem niedrigen Feldbett der verstiimmelte Leichnam ausgestreckt. Kein Todeskampf hat die Glieder verrenkt. In derselben Lage, wie der trunkcne Krieger auf den Pfiihl gesunken ist, finden ihn seine Ge- nossen. Nur der Oberkorper ist nach der Seite verschoben, denn Judith hatte das Haupt an den Haaren iiber die Kissen herausgezogen, um den todlichen Streich sicherer fiihren zu konnen. Keine Gegen- wehr hat stattgefunden. Als ob nichts geschehen, ruht die linke Hand auf dem Leib, die Rechte ist auf der Bettlehne ausgestreckt. Um das Lager herum die Schaar der Genossen; Entsetzen malt sich auf alien Gesichtern. Vorsichtig beugt sich der vorderste Krieger, ein schlanker Jiingling, iiber das Lager, behutsam liiftet er die rote Bettdecke und schaut betroffen auf den Leichnam herab. Ihm blickt ein bartiger Greis im Turban iiber die Schulter und breitet in staunendem ») II, S. 626. 2 ) Auf der Zeichnung zum zwolften Gesang des Purgatorio im Dantecodex zu Berlin findet sich unter den zahlreichen Finzelscenen eine fluchtige, nur in Silberstift angelegte Darstellung von der Flucht der Assyrer nach Holofernes Tod. (Purgatorio XII, 58 ff.) Im Vordergrund erkennt man das Feldherrnzelt, dahinter in wilder Flucht einen Reitertrupp. Der von Waagen dem Botticelli zugeschriebene, in die Reihe der sogenannten Ottostiche gehorige Kupferstich einer Judith mit dem Haupte des Holofernes im British Museum Pass. 81, Kolloff 163 hat mit diesem nichts zu thun, sondern gehort vermutlich einem Florentiner Stecher aus der Mitte des ftinfzehnten Jahrhunderts an, von dem dieselbe Sammlung die Handzeichnungen zu einer Weltchronik besitzt. 3 ) Weisses Papier, 0,375 X 0,270. Das bisher vom Cicerone als nicht zweifelloses Werk Botticellis erwahnte kleine Bildchen mit dem Triumph der Judith im Palazzo Adorno zu Genua wird ebenso wie die ubrigen dort befindlichen miniaturartig ausgefiihrten Triumphdarstellungen in der sechsten Auflage III., S. 570, Anm. I, mit Recht ihm selbst abge- sprochen. 46 Arbeiten der siebziger Jahre. Entsetzen bcidc Hande aus, wahrend sein Nachbar das Antlitz verhullt und ein Kricgcr daneben handeringend mit schmerzlich vcrzogcner Micnc auf den vcrstiimmelten Hcldcnlcib starrt. Ihnen gegeniiber ist ein andcrcr Waffcngefahrte an das Ende des Bettes getreten, wchmutsvoll blickt auch cr auf das cntsetzliche Bild zu seinen Fussen. Der Schrcck lahmt seine Glieder, er muss sich mit der Rechten fest auf sein Schwert sttitzen, urn den Halt nicht zu verlieren. Reiter kommen zur rechten herbei, der eine greift besturzt an die Stirn und blickt nach obcn, ids ob er die schreckliche That nicht fassen konne, ein anderer legt betroffen die Hand auf die Brust und beugt sich vor der Macht des Schicksals. Neben ihnen drangt Kriegsvolk herein. Welch dramatische Kraft der Darstellung, welch tiefe Empfindung in diesem zwei Spannen messenden Bilde ! Alles ist Bewegung und Teilnahme, iiberall das hochste Pathos angeschlagen, aber dennoch iiberall ernstes Masshalten, nirgends iiber die Grenzen des Wohllautes hinausgehende Geftihlsausbriiche. Allerdings hat Sandro nicht auf alien Darstellungen ahnlicher Art so gut Mass zu halten verstanden wie hier, nur zu leicht artet in seiner spaten Zeit der Schmerz in Verzerrung, die Bewegung in krampfartige Verkrtimmung des Korpers aus. Bei seirem leiden- schaftlichen Naturell lasst er sich dann nur zu oft vom Affekt des Augenblicks hinreissen, und, wie in seinem biirgerlichcn Leben den widerstrebendsten Regungen leicht zuganglich, fallt er auch in der Kunst dann von Extrem zu Extrem , wiihlt in dumpfer verzweifelter Klage, bctaubt sich dann wieder in hcllaufjauchzender Frohlichkeit. Doch dies sind Merkmale seiner spiiteren Zeit. Sie treten zwar schon in Arbeiten aus der Mitte und dem Ende des achziger Jahre hervor, in ihrer ganzen Scharfe aber erst in Werken, die er in den Jahren schuf, wo cr sich dem religiosen Fanatismus eines Savonarola ganz hingegeben hatte. Dann wird auch die Farbe stumpf und grau, die Zeichnungfltichtig, die Gcwander tibertrieben bewegt, die Bewegungen hastig. Von alledem ist auf unscrem Bildchen nichts zu bemerken. Tiefe warme Farbung, peinlich gewissenhafte Zeichnung, Beschriinkung in der Bewegung , einfache , wcnig geschwungene Faltenmotive : das sind Kennzeichen seiner friihen Arbeiten, welche die Darstellungen aus der Geschichte der Judith mit anderen Jugendvverken, besonders mit der Fortitudo, teilen. In der runden Gesichtsbildung, dem warmen Kolorit, der sorgsamen Behandlung des Gewandes, der subtilen Ausfiihrung der Riistungen und Waffen, ja selbst in nebensiichlichen Details, wie in der Form der Bettleiste hier, der Thronestrade dort, sind sich diese Bilder untereinander auf das engste verwandt. Gleiche stilistische, auf eine friihe Entstehungszeit deutende Merkmale besitzt die Einzel- figur des Sebastian in der Galerie zu Berlin (1128). Die hohe und schmale, oben abgerundete Tafel wird in ihrer ganzen Hohe und Breite von der lebensgrossen Gestalt des Heiligen eingenommen. Er ist ein schlanker, bis auf den um die Huften geschlungenen Schurz nackter Jungling, der auf zwei Aststiimpfen eines Baumes steht, an dessen Stamm er gefesselt ist. Die eigentliche Marterscene ist vortiber: die Peiniger haben den von Pfeilen Durchbohrten hier droben zwischen Himmel und Erde angefesselt seinem Schicksal iiberlassen und ziehen im Hintergrund zu Ross und zu Fuss der am Wasser sich erstreckenden Stadt zu. Einer der Bogenschiitzen hat in den Liiften einen Reiher erspaht, und sofort holt der sicher treffende Pfeil den Vogel herunter, ein anderer ist zurtickgeblieben und hat sich im Schatten eines Baumes zum Schlummer gelagert. Abgesehen von der in kleinem Masstab gehaltenen Gestalt des Holofernes ist der Sebastian die erste Probe, die Botticelli von seiner Kenntnis des nackten Korpers giebt, und man muss zugestehen, dass diese Probe sehr giinstig ausgefallen ist. Die Zeichnung ist bestimmt, die Durchbildung bis ins einzelne genau und sorgsam, ohne jedoch mehr geben zu wollen, als die Natur selbst zeigt. Dieser Akt ist kein Skelett, um das erst nachtraglich die Fleischhiille gelegt scheint, wie es bei zahlreichen Zeichnungen und den Stichen Antonio Pollajuolos, besonders aber bei dem Johannes auf Verrocchios Taufe Christi, den Eindruck macht, sondern ein wohlgebauter kraftiger Korper, der sich plastisch von dem graublauen Abendhimmel abhebt. In den lang- gestreckten Korperformen, der anatomisch genauen Zeichnung folgt Sandro so getreu dem Vorbild Pollajuolos , dass unser Bild , welches in der Hauptgestalt dem nach Vasari von Antonio Pollajuolo 1475 fur Antonio Pucci gemalten Martyrium des Sebastian in der National Gallery Der Sebastian fur S. Maria Maggiore. 47 ahnelt, eine Zeit lang fur ein Werk dieses Meisters gehalten wurde 1 ). Naher betrachtet treten jedoch die stilistischen Eigenarten Botticellis, die wir in seinen Jugendarbeiten finden, hier so iiberzeugend hervor, dass bereits Crowe und Cavalcaselle an ihn als Kiinstlcr dachten -) und der Katalog der Berliner Galerie es mit vollem Rechte als sein Werk anerkennt. Die Durchbildung des Kopfes ist fast die gleiche wie bei dem Damianus auf dem Altarbild aus S. Ambrogio, die Modellierung des Korpers findet sich genau ebenso bei dem Holofernes, die Form der Fiisse in der namlichen Weise bei der Katharina auf dem eben erwahnten Bilde und bei der Fortitude Ahnlich wie auf der Heimkehr der Judith ist auch die Landschaft behandelt, woselbst die gleiche Staffage, wie die an Verrocchio erinnernden Reitertrupps, wiederkehren. Auch hier das Bestreben Botticellis, die Gestalt ganz in den Vordergrund vor die Landschaft zu setzen, diese nur als notigen Hintergrund zu betrachten, vor dem die Figuren sich be- wegen. Die Landschaft selbst ist wie auf alien Bildern unseres Meisters nebensachlich behandelt, die freie Luft dagegen als neu- traler und wirksamster Grund fur die Heraus- arbeitung der Gestalt gewahlt. Uberein- stimmend ist auch der warme Ton des Bildes mit den iibrigen fruhen Werken Sandros"). Da der Sebastian sich aus diesen Griinden als zugehorig zu den Jugendarbeiten Botticellis erweist, so konnen wir, wie bereits im Berliner Katalog und an anderem Orte schon geschehen ist 4 ), mit Bestimmtheit an- nehmen, es sei das namliche Bild, welches der Anonymus von Botticellis Hand in S. Maria Maggiore in Florenz erwahnt, und dessen Entstehung er auf das Jahr 1473 angiebt 5 ). Diese Identifizierung ist urn so wahrschein- licher, als unser Gewahrsmann ausdri'icklich 1 ) Vas. Ill, S. 293. 2 ) HI, S. 136. 3 ) Auch nach Morelli, Die Galerie zu Berlin, S. 11, ein Jugendwerk Botticellis noch vor 1480. 4 ) Jul. Meyer im begleitenden Text ziim Berliner Cialeriewerk und Frey a. a. O., S. 358. 6 ) In Santa Maria Maggiore e di sua mano 1° San Bastiano in tauola che e in una colonna, ilimale fece di Giennaro nel 1473. San (1 ro Botticelli. Sebastian. Gemaldegalerle, Berlin, 48 Arbeiten der siebziger Jahre. sagt, die Tafel habc Sich an einem Pfeilcr der Kirche befunden, und die hohe schmale Form des Berliner Bildes audi ganz besondcrs fur einen solchen Standort spricht. Da der Anonymus sich im iibrigen uber Botticelli sehr gut unterrichtet zeigt, so haben wir keincn Anlass, die von ihm gegebene Datierung zu bezweifeln. Auch Vasari berichtet in der ersten Ausgabe seiner Viten von einem Sebastian Sandros in S. Maria Maggiore, jedoch ohne nahere Datierung, iibergeht ihn dagcgen in der zweiten Auflage, indem er ein Bild gleichen Inhaltcs im Hause der Medici anfuhrt und an Stelle des Sebastians eine Pieta. in kleinen Figuren in S. Maria Maggiore erwahnt 1 ). Frey glaubt an eine falsche Lokalisierung Vasaris, Meyer vermutet, das betreffende Bild sei erst aus dem Familienpalast in die Kirche gebracht worden. Das ist jedoch nicht gut moglich, da der Anonymus, der vor Vasari schreibt, die Tafel bereits in der Kirche erwahnt. Ich glaube, die Schwierigkeit lasst sich einfach heben, wenn wir in der zweiten Ausgabe Vasaris einen Interpunktionsfehler annehmen und statt: »ed ancora un San Sebastiano. In Santa Maria Maggiore di Fiorenza e una Pieta. con figure piccole, allato alia cappella de' Panciatichi, molto bella« lesen: »ed ancora un San Sebastiano in Santa Maria Maggiore di Fiorenza e una Pieta con figure piccole .... »Die Worte allato alia capella dc' Panciatichi wurden sich mit der Notiz des Anonymus in una colonna decken. Aus der zweiten Halftc der siebziger Jahre haben wir eine urkundliche Nachricht uber das hohe Anschen, des?en sich unser Meister bereits damals erfreute. Am 26. April 1478, dem Sonntag vor Himmelfahrt, war die Verschworung der Pazzi zum Ausbruch gekommen, als dercn Opfer Giuliano, der jungere Brudcr Lorenzos, untcr den Dolchstossen des Bernardo Bandini und Francesco de' Pazzi gefallen war. Lorenzo selbst war dem gleichen Schicksal nur durch Zufall entronnen. Am selbigen und den folgenden Tagen wurden die Verschworcr und ihre Helfershelfer , soviel man deren habhaft werden konnte, entweder an den Fenstern des Palazzo Pubblico kurzer Hand aufgehangt oder vom wiitenden Pobel auf offencr Strasse zer- rissen 2 ). Doch damit war Lorenzo und der Volksjustiz noch nicht genug gcthan. Auch uber das Grab hinaus sollten die ruchlosen Morder des von ganz Florenz geliebten ritterlichen Giuliano verfolgt, ihr Andenken fur ewig gebrandmarkt w T erden. Zu dem Zwecke beschloss die Signorie, die Hauptverschworer als Gehangte an die Wande des Bargello malen zu lassen. Botticelli erhielt den Auftrag zu diesen Bildnissen. Lorenzo dichtete die Epigramme, die darunter angebracht wurden. Am 2i.Juli 1478 bekommt vSandro 40 Gulden fur die Arbeit vom Rat der Acht ausbezahlt 3 ). Unser anonymer Gewahrsmann nennt die Namen derer, die auf solch schimpfliche Weise dargestellt waren : Jacopo, Francesco und Rinato de' Pazzi, Francesco Salviati, der Erz- bischof von Pisa, und die beiden Jacopo Salviati, der eine ein Bruder, der andere ein Verwandter des ersteren, Francesco und Bernardo Bandini und Napoleone Franzesi 4 ). Bis auf letzteren waren sie alle am Halse aufgekniipt gemalt, dieser jedoch hing an einem Fusse. Er war namlich mit Hiilfe Piero Vespuccis entkommen und starb im folgenden Jahre in der Fremde. Da man seiner selbst nicht habhaft werden konnte, wollte man den Fluchtling wenigstens auf diese Weise brandmarken. Auch Bernardo Bardini war nur in effigie gehangt. Er war nach Kon- stantinopel geflohen und wurde erst am 29. Dezember 1479, nachdem er durch Vermittlung von Antonio de' Medici, einem entfernten Vcrwandten Lorenzos, vom Sultan Muhamcd II. ausge- liefert worden, in Florenz hingerichtet. Auf seine noch bevorstehende Bestrafung bezieht sich ») III, S. 312. 2 ) Uber die ganze Angelegenheit s. Reumont, Lorenzo de' Medici il Magnifico, 2. Aull., I, S. 275 flf. s ) Crowe u. Cavalc. Ill, S. 159, Anm. 6. 4 ) Dipinse nel 1478 nella facciata, doue gia era il Bargiello, sopra la doghana messer Jacopo, Francesco et Rinato de I'azj et messer Francesco Saluiatj arc[h]iuescouo di Pisa, et duj Jacopi Saluiati, l'uno fratello et l'altro afline di detto messer Francesco, et Bernardo Bandini, impicchatj per la gola, et Napoleone Franzesj, impicchato per If ]>ie, die si tiouarono nella cogiura contro a Giuliano et Lorenzo de Medicj, allj qualj Lorenzo poi fece ai piedj li epitaffi, et infra I'altrj a Bernardo Bandino clie in questo modo diceua: Son Bernardo Bandinj un nuouo Giuda, Traditore micidale in chiesa io fuj Ribello per aspeltare morte piu cruda. Die Bildnisse der Pazziverschworer und Giulianos de' Medici. aq auch der letzte Vers des von Lorenzo gedichteten Epigrammes. Moglich, dass das von Botticelli ausgefuhrte Portrat des Bandini spater durch ein anderes, lebensgetreues von der Hand Leonardo da Vincis ersetzt worden ist. Es befindet sich wenigstens eine echte Handzeichnung dieses Meisters im Besitz von L. Bonnat in Paris, woselbst Bandini in reicher Kleidung, die Hande auf den Rticken gebunden, am Stricke hangt. Darunter sind die Gesichtsziige noch einmal skizziert und daneben der Stoff und die Farbe seines Gewandes genau beschrieben J ). Vasari erwahnt diese Darstellungen nicht unter den Werken Botticellis , sondern fiihrt sie als Arbeiten des Andrea del Castagno an 2 ). Der Aretiner wirft hier zwei Thatsachen durch- einander. Im Jahre 1434 erhielt namlich Castagno den Auftrag, die Bildnisse des Rinaldo und Ormanno degli Albizzi, des Peruzzi und einiger anderer Widersacher der Medici, die nach der Riickkehr Cosimos aus der Verbannung fur Rebellen und des Landes verlustig erklart worden waren, an die Fassade des Bargello zu malen. Er zog sich dadurch den Spottnamen Andreino degli Impiccati (Galgen-Andrees) zu. Die Verwechslung seitens des Biographen ist jedoch leicht zu verstehen, wenn man bedenkt, dass er die 1494 bei Vertreibung der Medici aus Florenz herab- geschlagenen Wandgemalde nicht mehr selbst gesehen hatte. Die Bildnisse der Morder Giulianos sind nicht mehr erhalten, wohl aber das Bikinis des Opfers dieses Komplottes. Es existieren zwei Portraits des Giuliano de' Medici, die beide Anspruch auf die Autorschaft Botticellis machen. Das eine befindet sich in der Galerie zu Berlin (Nr. 106B), wohin es 1878 mit anderen Kunstschatzen aus dem Palazzo Strozzi 3 ) gelangte, das andere ist mit der Sammlung Morelli kurzlich in die Accademia Carrara zu Bergamo iibergegangen. Beide sind Brustbildnisse ohne Hande und stimmen in Stellung, Haltung und Tracht des Dargestellten vollig iiberein. Der Mediceer ist in nicht ganz strenger Profilstellung, mit gesenktem Blick, nach rechts aufgefasst 4 ). Uber ein em olivgrunen, am Halse mit schmalem weissen Kragen abschliessenden Untergewande tragt er ein dunkelrotes Sammtwams mit grauem Pelzbesatz. Auf dem Bilde der Sammlung Morelli ist der Kopf vor eine Fenster- offnung mit freier Luft, auf dem Berliner Exemplar vor blauen Grund gesetzt. Der Berliner Katalog erklart das dortige Stuck fur das Original und das andere fur eine geringere Wiederholung. Morelli dagcgen trat fur die Originalitat seines Exemplares ein und hielt das Berliner nur fur ein Atelierwerk, d. h. fur eine Kopie danach 5 ). Das Morellische Portrat besitzt in der That Vorziige, die ihm den Vorrang vor dem Berliner sichern. Ausschlaggebend ist dabei die Stellung des von schwarzen Haaren umrahmten Kopfes vor einer Fensteroffnung mit freier Luft. Dadurch hebt sich der Kontur scharfer, plastischer und bedeutend wirksamer ab als von dem blauen Grund. Auf den noch zu besprechenden eigenhandigen mannlichen Bildnissen Botticellis im Louvre, in der Galerie Liechtenstein, auf den weiblichen Portraits bei Mr. Jonides und im Pitti sowie auf mehreren Madonnenbildern findet sich die gleiche Anordnung vor einem Fenster mit freier Luft. Es ware anderen Falles auch nicht zu verstehen, warum der Kopist an Stelle des blauen Grundes die ganz botticelleske Fensteroffnung gegeben hatte. Dann ist der Ausdruck bedeutender, die Durchfiihrung im einzelnen, wie die Zeichnung der Augen und des Mundes, die Behandlung der Haare und der Gewandung geschickter, geistreicher als auf dem Berliner Exemplar. Nach alledem darf das Portrait in Bergamo als das urspriingliche Original angesehen werden. Das zweite Bild ist jedoch keine Kopie von Schiilerhand , sondern die Malweise ') Abgebildet bei Miiller-Walde , a. a. O., S. 123, und bei Miintz, Histoire de l'Art pendant la Renaissance, Les primitifs I, S. 304. 2 ) Vas. II, S. 680. 3 ) Im Palazzo Strozzi gait es ftir das Portrait eines Gliedes dieser Familie und als Werk der Pollajuoli. Crowe u. Cavalc. Ill, S. 137, sahen es noch dort und schlo.-sen, ohne die Personlichkeit zu erkennen, aus dem Ton und der Zeichnung auf Botticelli. 4 ) Angelo Poliziano beschreibt Giulianos Ausseres folgendermassen : Statura fuit procera, quadrato corpore, magno, et prominenti pectore; teretibus, ac musculosis bracchiis, validis articulis, compressa alvo, amplis femoribus, suris aliquanto plenioribus, vegetis, nigrisque oculis, acri visu, subnigro colore, multa coma, capillo nigri et promisso atque in occiput a fronte rejecto. Angeli Politiani Conjurationis Pactianae anni 1478 Commentarium, documentis, figuris, notis nunc primum inlustratum cura et studio Joannis Adimari, Neapoli, 1769, pag. 47. 5 ) Die Galerien Borghese etc. S ill. Die Galerie zu Berlin, S. II. Daselbst auch die Abbildungen beider Exemplare. Ulmann, Botticelli. 7 eo Arbciten der siebziger Jahre. ist so iibcreinstimmend mit den sonstigen Arboiten Sandros aus den siebziger Jahren, wie besonders mit dem Sebastian, dass es wie eine eigenhandige, wenn auch etwas fluchtige und leblose, Wiederholung danach erscheint. Der ritterliche Giuliano war der Liebling von ganz Florenz. Es ist daher moglich, dass auch von anderer Seite der Wunsch nach einem Bildnis von ihm rege wurde und der Auftrag dazu an unseren Ktinstler erging. Morelli hat Recht, wenn er in Hinblick auf die von anderen gemalten Portraits des Quattrocento durchaus abweichende Wiedergabe des hier Dargestellten mit fast geschlossenen Augen und in Hinblick auf die steife Haarbehandlung annahm, das Bildnis sei nach der Totenmaske gemalt. Dadurch findet auch die leblose Behandlung des Unterkiefers sowie die sonstigen Harten des Originals ihre Erklarung. Dasselbe ware somit in der ersten Halfte des Jahres 1478 entstanden. Nicht nur zu dieser Zeit, auch spaterhin erfreute sich Sandro als Bildnismaler der Gunst des mediceischen Hauses. Vorgreifend wollen wir daher bercits an dieser Stelle das Portrait des Piero de' Medici, des unseligen Sohnes Lorenzos, erwahnen, das E. Miintz in dem »Pico dclla Mirandola« oder »der Medailleur« genannten Bilde in den Uffizien (Scuola toscana, Nr. 1 154) erkannt hat 1 ). Es ist das Brustbild eines jungen Mannes mit roter Kappe in Vorderansicht, der in beiden Handen eine Medaille mit dem Profilbildnis Cosimos des Alten halt. Eine Vergleichung des hier Dargestellten mit einem dem Illuminator Gherardo zugeschriebenen Miniaturportrait Pieros in dem 1488 bei Bernardo Nerli in Florenz gedruckten und dem Mediceer dedizierten Perga- mentcxemplar der homerischen Gedichte lasst die Ubereinstimmung der Zlige nicht verkennen 2 ). Auf schlankem Hals sitzt ein knochiger hagerer Kopf. Die Stirn wird durch die dichten braunen Haare fast ganz verdeckt, die gerade Nase ist lang und schmal, der Mund gross, das Untergesicht, wie bei alien Medici, vorgebaut. Die hellen Augen blicken stolz und kalt. Auf dem Bilde erscheint der 147 1 geborne Piero allerdings nicht mehr wie ein siebzehn- jahriger Jungling, sondern um vicr bis funf Jahre alter. Vielleicht 1492, dem Todesjahr Lorenzos il magnifico, sicherlich vor 1494, der schimpfiichen Vertreibung Pieros aus Florenz, ist dieses flau und hart behandelte Portrait entstanden, das in der grauen Farbung, den schweren schwarz- braunen Schatten, den harten Umrissen und der fliichtig behandelten Flusslandschaft im Hinter- grund das Geprage der spaten Zeit Botticellis tragt 3 ). Ein gut Teil Ironie des Schicksals liegt in dem Bilde. Wie ein Amulet zeigt der leicht- sinnige, hochfahrende Piero das Portrait seines bedachtigen, bescheidenen Urgrossvaters. Er will dem Betrachter das Vorbild deuten, dem nachzueifern er sich berufen fiihlt. Ware er diesem nur treu geblieben, dann hatte der Urenkel des »Vaters des Vaterlandes« nicht als Verriiter des Vaterlandes einen friihen ruhmlosen Tod in den Fluten des Garigliano gefunden. Dem anlasslich der Pazziverschworung an Botticelli von einfiussreicher Seite ergangenen Auftrage nach zu urteilen, genoss er bereits in den siebziger Jahren eines Rufes als Portaitmaler. Es sind aus derselben Zeit noch einige andere Bildnisse erhalten, die ihn von dieser bisher noch nicht hinreichend gewiirdigten Seite seiner reichen Thatigkeit kennen und seine hohe Begabung fur das Portraitfach schatzen lehren. Dem Giuliano stilistisch und zeitlich sehr nahe steht das Brustbild eines jungen Mannes im Louvre 4 ). Auf leicht gewelltem, tief in die Stirn und iiber einen Teil der Wan gen in das Gesicht hereinhangendem Haar sitzt zuriickgeschoben die schwarze Kappe. Das mit einem Senkel zusammengeschnurte Wamms ist ohne jeglichen Schmuck. Es sind unschone : ) Chronique des arts, 1888, Nr. 41. ') Abgeb. bei MUntz, Histoire de l'Art pendant la Renaissance, Les primitifs, S. 317. :i ) Auch von dem Cicerone und Morelli fiir ein ecbtes Werk Botticellis gehalten. Dagegen kann ich mich nicht der con Morelli vorgeschlagenen und voin Cicerone in neuester Auflage angenommenen Bestimmung des unter Antonio Pollajuolo in der Gal er ie C or si 11 i zu Florenz (Nr. 210) hiingenden Bildnisses eines Mannes mit einem Ring in der Hand als Werk Botticellis anschliessen. Wenn auch eine gewisse Verwandtschaft zwischen diesem und dem eben erwahnten Bilde besteht, so ist die Behandlung im einzelnen doch zu trocken und zu leer fiir den Meister selbst. Der Stil ist eine Mischung von Botticelli und Pollajuolo und gehort einem von beiden abhangigen schwacheren Kunstler an. Kin ahnlich behandeltes Bild bestizt der Karl of Wemyss in London. Ebensowenig vermag ich in dem von Venturi auf Botticelli getauften und vom Cicerone (6. Auflage, S. 32) beslatigten mannlichen bildnis im Pitti (Nr. 372) die Hand des Meisters zu erkennen. 4 ) Nr. 1663 des Inventars, genannt Florentinische Schule des XV. Jahrhunderts. Bildnis des Piero de' Medici. Mannliche Bildnisse im Louvre, in der Galerie Liechtenstein. 5* Ziige. Eine kurze gewolbte Stirn, breite am Ansatz eingcdriickte Stiilpnase, vorstehende Backen- knochen, vorgebautcr Unterkiefer gebcn dem hageren Antlitz etwas Abstossendes. Aber unter hochgeschwungenen Brauen liegen ein paar durchdringcnd blickende Augen und verleihen der Personlichkeit einen iiberlegenen, bedeutenden Ausdruck. Sie gait in Florenz, woher das Bild in den Louvre gelangte, fur den durch seine bizarren Spasse bekannten Begriinder der burlesken, volkstiimlichen Poesie in Italien, Domenico Burchiello. Dieser Florentiner Barbier starb jedoch schon 1448 in Rom. An ihn kann fuglich nicht gedacht werden. Auffassung und Ausfuhrung stehen hier auf gleicher Hohe. Der Blick ist von einer bannenden Gewalt, er zieht die Aufmerksamkeit des Betrachters unwiderstehlich auf sich. Ganz eigentiimlich wirkt die fahle gelbe Gesichtsfarbe, nur auf den spitzen Backenknochen liegt ein Sandro Botticelli. Mannliches Bildnis. Louvre, Paris. leichter roter Schimmer. Gelblich ist das Weiss des Auges, grau und blutleer die Lippen wie bei einem Leberleidenden. Der mit grosser Sicherheit gezeichnete, bestimmt modellierte Kopf mit dunklem Haar, schwarzer Kappe und schwarzem Kleid steht vor graublauer Luft in einem hellen Steinrahmen. Es ist nicht zum wenigsten die wohlberechnete koloristische Wirkung, die dem Bilde einen ganz eigenartigen, von iibrigen zeitgenossischen Portraits abweichenden Reiz verleiht. Von noch hoherer malerischer Wirkung, noch packenderer Individuality ist ein jiingst aus Florenz in die Sammlung des Fursten Liechtenstein in Wien gelangtes mannliches Bildnis. Die Anordnung ist die gleiche wie bei dem eben erwahnten. In einem Fenster- rahmen vor blauer Luft steht ein jugendlicher Mann. Eine rote Mutze bedeckt das kastanien- braune, in der Mitte gescheiteltc Haar. Sein Antlitz macht trotz der Jugend einen festen, gesetzten Eindruck. Das einfache, mit schmalem Pelzbesatz verbramte lilafarbene Warns erinnert 52 Arbeilen der siebzigcr Jahre. in den breitcn scnkrcchtcn Falten, wie ubcrhaupt die ganze Auffassung und plastische Behandlung, an gleichzeitige Thonbi'tsten. Wer der Dargestellte ist, weiss ich nicht; doch gehort er, wenn auch nicht zu der Familie der Medici, so doch wenigstens zu deren Freundeskreis. Denn der gleichen Personlichkeit begegnen wir, wie es scheint, auf der Anbetung der Konige aus S. Maria Novella wieder, auf der linken Seite, in nachster Nahe Lorenzos il magnifico selbst. Auch in der malcrischen Bchandlung steht das Portrait diesem Bilde ganz besonders nahe und ist ebenfalls in der zweiten Halfte der siebzigcr Jahre entstanden. Man kann sich nur dem Urtcil Bodes anschliessen, der sagt: »Als individuelle Wiedergabe der Personlichkeit, wie als malerische Leistung wiisste ich kein zweitcs Werk des grossen Florentiners zu nennen, das sich diesem an die Seite stellen liesse 1 ).* Sandro Botticelli. Bildnis eines jungen Mannes. Galerie Liechtenstein, Wien. Friiher dem Filippino, jetzt seinem Lehrer zugewiescn wird das Brustbild eines jungen Mannes in der Galerie zu Berlin (Nr. 78). Mit einer leichten Wendung nach links ist das scharfgeschnittene, regelmassige Gesicht vor den schwarzen Hintergrund gesctzt. Der seitliche Blick trifft den Beschauer. Ein schwarzes Kappchen und ein brauner Tuchrock mit schmalcm, weissem Kragen bilden den Anzug. In der Auffassung ist allerdings eine gewisse Verwandtschaft mit den erwahnten Portraits Botticellis vorhanden, daneben fmden sich jedoch umbrische Anklange im Kolorit und in der Behandlung, die eher auf einen unter Peruginos Einfluss geratencn Schiller Botticellis oder Filippinos weisen. In gewissen Einzelheiten erinnert das Bild an Kopfe auf den Fresken in S. Martino zu Florenz 2 ). ') Die Bilder italienischer Meister in der Galerie des Fiirsten Liechtenstein in Wien. Grnphische KUnste XV, S. 94, dazu die vortrcflliche Stichradierung von A. Krtiger. 2 ) Morelli, a. a. O., S. 13, weist es dem Raffaellino del Garbo zu. Sonstige mannliche Bildnisse. Die sogen. Simonettaportraits. r ? Ebenfalls mchr in der Art eincs zwischcn Botticelli und Filippino stehenden Kiinstlers ist das friiher Masaccio jotzt Botticelli zugeschriebene Bildnis eines Jtinglings in der National Gallery zu London (Nr. 626). Der Dargestellte in braunem pelzbesetztem Wamse und roter Miitze ist vor dunklem Grund gegeben. Die Fiihrung der Umrisse erscheint mir fur Botticelli nicht sicher genug, besonders in der Zeichnung der Augen und des etwas schief ausgefallenen Mundes. Ebenso entbehrt die Nase der ihm eigenen festen Modellierung. Der graue lederfarbene Ton entspricht ihm ebenfalls nicht, wenigstens nicht in seinen fruheren Werken, denen das Bild dann zuzuweisen ware 1 ). Mit mehr Recht lasst sich dagegen Botticelli das gut erhaltene lebensgrosse Brustbild eines Jiinglings im Besitze des Herrn Oskar Hainauer zu Berlin zuweisen. Er ist in Vorderansicht vor blauer Luft aufgenommen und tragt ein dunkles, an den Armeln weissgeschlitztes Warns und eine rote Miitze auf dem langen braunen Haar. In der scharfen Charakteristik der Personlichkeit, dem Kolorit, der sicheren Zeichnung steht es Botticellis friiher Weise in den siebziger Jahren am nachsten 2 ). Ein Profilbildnis Dantes auf blauem Grund, nach Giottos bekanntem Portrat, von der Hand Botticellis befindet sich, nach einer Mitteilung Bodes, im Besitz der Lady Alfred Seymour in London. Die weiblichen Bildnisse Sandros erreichen die mannlichen weder an Zahl, noch stehen sie, was Scharfe der Clmrakteristik, getreue Wiedergabe der Individuality anbelangt, auf gleicher Hohe. Sie haben etwas Typisches, dem Schonheitsideal des Kiinstlers Angemodcltes, eine Erscheinung, die sich nicht nur bei Botticelli findet, sondern durch samtliche Frauenportniits des Quattrocento hindurchgeht. Diirfen wir der Uberlieferung glauben, so hat Sandro nicht nur Giuliano sondern auch die Dame seines Herzens, die schone Simonetta Vespucci, portraitiert. Ihr Bikinis befand sich zu Vasaris Zeiten in der Guardaroba des Herzogs Cosimo, wenigstens wurde ein weiblicher Profilkopf dafiir ausgegeben 3 ). Aus den Worten des Biographen »nella guardiiroba del signor Duca Cosimo sono di sua raano due teste di femmina in profilo, bellissime: una delle quali si dice che fu l'innamorata di Giuliano de' Medici, fratello di Lorenzo; et l'altra, madonna Lucrezia de' Tornabuoni, moglie di detto Lorenzo « geht jedoch hervor, dass er in dieser Be- stimmung nur der allgemeinen Tradition folgte, nicht aber aus eigener Quelle fur die Bezeichnung schopfte. In der That lasst sich keiner der drei weiblichen Profilkopfe — im Staedelschen Institut zu Frankfurt a. M., in der Galerie zu Berlin, im Palazzo Pitti — obgleich jeder den Anspruch macht, das Bildnis der von Polizian besungenen Schonen zu sein. mit deren autenthischem Portrat identifizieren. Ein solches mit der Aufschrift Simonetta Januensis Vespuccia befindet sich namlich in der Sammlung des Herzogs von A u male in Chantilly 4 ). Es stammt aus Casa Vespucci, gelangte von dort in den Besitz von Reiset, dem fruheren Direktor des Louvre, und ') J. P. Richter, Italian Art in the National Gallery, London 1883, S. 24, halt das Portrait fur ein Werk Botticellis, ebenso Frizzoni, Arte italiana del rinascimento saggi critici, Milano 1S91. Das von Frizzoni Botticelli zugeschriebene mann- liche Bildnis in dem neuerdings eroffneten Museo Filangieri zu Neapel kenne ich nicht. Vgl. Archivio storico dell' arte, 1 889, S. 299. 2 ) Erwahnt von Bode als Werk Botticellis in der Gazette des beaux arts 1888, I, S. 487, und von Fr. Ilarck im Archivio storico dell'arte 1890, S. 205. In dieser an Quattrocento-Skulpturen und Bronzen besonders reichen Sammlung befindet sich auch ein gut erhaltenes feines Bildchen der Madonna zwischen Hieronymus und Johannes Bapt. auf Goldgrund aus Fra Filippos friiher Zeit, eine dem Pesellino nahestehende Madonna mit Kind und Engeln und ein weibliches Profilbildnis in der Art des Piero Pollajuolo. 3 ) III, S. 322. 4 ) Die wenigen iiber ihr Leben bekannten Nachrichten sind von A. Neri im Giornale storico della letteratura italiana Vol. V., S. 131 ff., zusammengestellt worden. Danach ist Simonetta um 1453 zu Genua als Tochter des Gaspare Cattaneo und der Cattochia di Marco Spinola geboren. Im August 1468 verheiratete sie sich bereits mit Marco Vespucci aus Florenz und wird als dessen »Donna« in den folgenden Jahren erwahnt. Am 26. April 1476 starb die kaum 23jahrige an der Schwindsucht und wurde Tags darauf in Ognissanti beigesetzt. Soweit man das LiebesverhSltnis Guilianos zu ihr aus der Poesie Polizians und dem Umstande, dass Simonetta die Gattin eines Mannes aus vornehmer Florentiner Familie war, beurteilen kann, war es ganz idealer Natur. Giulio, der natiirliche Sohn Giulianos, der spatere Papst Clemens VII, erst 1478 geboren, war einem anderen nicht naher bekannten Verhaltnisse entsprossen. s.a Arbeiten der siebziger Jahre. bildet erst seit einigcn Jahrcn einen Schmuck der Galerie zu Chantilly. Dargestellt ist ein junges Weib in Halbfigur im Profil nach links. Hals und Brust sind entblosst, ein orientalischer Shawl ist um die Schultern gelegt und schneidct die B'iiste unterhalb des Busens ab. Den Hals schmiickt eine Kette in Form einer Schlange. Das nach der Sitte der Zeit weit zuriick- gestrichene hellblonde Haar ist in zwei dicken Zopfen aufgesteckt, die von Perlenketten durch- flochten sind. Auf dem herrlich gcformten Hals sitzt ein anmutiger kleiner Kopf. Das Profil zeigt eine massig vorspringende Stirn, eine mit geringer Vertiefung ansetzende gerade Nase. Zwei leuchtende Augen, ein schwellender Mund, fleischiges Kinn verleihen dem Gesicht einen leb- haften, leicht sinnlichen Ausdruck. Friiher wurde das hochst anziehende Portrait abwechselnd Botticelli und Pollajuolo zugeschrieben , doch hat Frizzoni Piero di Cosimo als seinen Urheber erkannt, indem er nachwies , dass es identisch ist mit einem Bilde der Kleopatra, das Vasari neben zwei mannlichen Bildnissen (jetzt im Museum des Haag) von der Hand dieses Meisters im Besitze des Francesco da Sangallo erwahnt 1 ). Von dem Bildnis der Simonetta abweichende Ziige tragt der iiberlebensgrosse weibliche Prolilkopf im Staedelschen Institut zu Frankfurt (Nr. 1 1). Das iippige blonde, mit Perlenschniiren geschmuckte Haar wallt, in leichten von rosa Bandern durchflochtenen Knoten geschlungen, in den Nacken herab. Auf dem Scheitel schwankt ein Busch von Reiherfedern, von einem als Kelchblume gefassten Rubin gehalten. Eine grosse Gemme mit der Bestrafung des Marsyas schmiickt den edelgeformten langen Hals. Scharf und klar hebt sich das Profil in der hellen Farbung vom dunklen Grund ab. Die Ziige haben nichts portraitartiges, sondern zeigen das weibliche Schonheitsideal Sandros, wie es vom Beginn der achziger Jahre ab bei seinen Gottinnen, Nymphen und Grazien vorherrschend ist: eine hohe, massig gewolbte Stirn, an die ohne merkliche Einsenkung die gerade Nase mit breitem Riicken, etwas knolliger Spitze und leicht geblahten Nasenfliigeln ansetzt; einen leise geoffneten von schwermutigem Zug umspielten Mund; grosse, helle von schweren Lidern beschattete Augen unter zarten, fast horizontal ver- laufenden Brauen. Eine Vergleichung des Frankfurter Bildes mit den Kopfen der Grazien auf dem »Friihling«, der Friihlingsgottin auf der »Geburt der Venus«, der Venus auf dem Bilde Venus und Mars in der Londoner National Gallery lasst die Ubereinstimmung der Ziige hervor- treten. Um die gleiche Zeit wie diese, etwa in den Jahren 1480 — 1486, wird das Frankfurter Bild entstanden sein, in dem wir wahrscheinlich eine jencr Nymphen oder Gottinnen oder sonstigen bei Festen und Aufziigen damaliger Zeit beliebten mythologischen Figuren zu erkennen haben. Gegen die von Warburg neuerdings wieder vertretene Annahme, hier das Bildnis der »ninfa Simonetta « zu besitzen, spricht, wie gesagt, die Unahnlichkeit der Ziige mit dem Portrait in Chantilly und die Thatsache, dass der Kopf ausgesprochen denselben Typus wie zahlreiche andcre Fabelwesen auf Bildern Botticellis zeigt 2 ). Der Umstand, dass das Weib auf dem Frankfurter Bilde die Gemme mit Apollo und Marsyas tragt, die sich im Besitze der Medici befand, beweist hochstens, dass es fur ein Glied dieser Familie gemalt wurde. Es ist ein eigenhiindiges, gutes Werk Botticellis und nicht etwa in seiner Werkstatt nach dem ahnlichen Bilde in Berlin (Nr. 106 A) gemalt worden 3 ). Dieses zeigt die gleichen idealen Profilziige mit einer sehr ahnlichen phantastischen Nymphenhaartracht wie das Frankfurter Stuck, ist jedoch in kleinerem Masstab gehalten. Trotz- dem erscheinen die Ziige vergrobert, die Umrisse sind schwarz und hart, das linke Auge unter geschwollenem, gerotetem Lide ist verzeichnet. Das aus dem Palazzo Riccardi stammende Bild macht keinen erfreulichen Eindruck und ist geringer wie das Frankfurter. Ich mochte um- ') Vas. IV, S. 144; vgl. Frizzoni, Arch. stor. ital. 1879, S. 256, und Arte italiana del rinascimento, S. 249. s ) A. Warburg, Sandro Botticellis »Geburt der Venus* und »Friihling«. Eine Untersuchung iiber die Vorstellungen von der Antike in der italienischen Fruhrenaissance, Inaugural-Dissertation der Universitat Strassburg 1892, S. 41 ff. •') Warburg, S. 43, weist darauf hin, dass das Profilbild der Simonetta in Chantilly nicht gut als Ausgangspunkt fiir die Losung der Simonettafrage dienen konne, da der 1462 geborene Piero di Cosimo es nicht nach dem bereits 1476 verstoibenen Original hatte anfertigen konnen. Dem gegeniiber ist nur zu erwagen, wie ahnlich Sandro Botticelli z. 15. auf seiner Anbetung derKonige in den Uffizien verstorbene Mitglieder des mediceischen Hausesnach frtiheren Bildnissen, Medaillen und Reliefs portraitierte. Weibliche Bildnisse im Pitti, in Brighton und London. 55 gekehrt hier eher an einc freie Werkstattswiederholung nach letzterem denken 1 ). Eine gleich harte Umrisszeichnung, gleich gerotete und geschwollene Augenlider, ein gleiches hektisches Rot der Wangen findet sich auf dem Madonnenrundbild in der National Gallery zu London (Nr. 275). Ein ahnliches weibliches Brustbild, jcdoch in Vorderansicht, anscheinend von der Hand Botticellis, befand sich im vorigen Jahre auf der Auktion Leclanche in Paris. Anders wie bei den Erauenkopfen in Frankfurt und Berlin verhalt es sich mit dem weiblichen Profilbildnis im Palazzo Pitti (Nr. 353). War es dort nicht moglich, an eine bestimmte Personlichkeit zu denken, so ist hier das Bildnismassige der Zuge unverkennbar. Dass Sandro Botticelli. Weibliches Idealbildnis. Staedelsches Kunstinstitut, Frankfurt a. M. jedoch nicht Simonetta die Dargestellte ist, wie der Katalog des Pitti glauben machen will, zeigt ein Blick auf das Bild in Chantilly. Wir haben hier vielmehr eine nicht mehr ganz junge Frau mit regelmassigen Ziigen vor uns. Das schlichte, tief iiber die Schlafen hereingekammte braune Haar bedeckt ein einfaches weisses Haubchen. Die Stirn ist flach, die lange, gerade Nase spring! ziemlich weit vor, der kleine Mund ist wenig zugespitzt. Ein glattes braunes Kleid mit schmaler weisser Puffe an den Schultern hiillt die hagere, iiberschlanke Figur ein. Kein Schmuckstiick ist zu erspahen, nur eine feine schwarze Kordel schlingt sich um den langen Hals ] ) Im Katalog der Berliner Gemaldegalerie 1 89 1 nur als ,,Bildnis einer jungen Frau" aufgefiihrt. Jul. Meyer a. a. O., S. 39, lasst es unbestimmt, ob das Bild wirklich die bella Simonetta darstelle, ebenso Morelli, Die Galerie zu Berlin, S. II, der es „fiir erfreulich und charakteristisch fiir Botticelli" halt; vgl. ausserdem Bode, Gazette des beaux arts 1888,1,8.485. c6 Arbeiten der siebziger Jahre. Den Hintergrund bildcn, wie auf den meisten Bildnissen Sandros, ein steinerer Fensterrahmen und ein Stuck Himmel. Grau, braun, weiss sind die dominierenden Farben. Die ausserst einfache, anspruchslose, ja simple Behandlungsweise lasst das Bild auf den ersten Blick so nichtssagend erscheinen und hat zusammen mit den nicht gerade sehr anmutigen Ztigen der Dargestelltcn sogar dazu geftihrt, es Botticelli selbst abzusprechen 1 ). Aber man beachte, wie weich der Kopf in dem zarten, grauen Gesamtton sich rundet, mit welcher Prazision die Umrisse geftihrt sind, mit welch feinem Verstandnis die schmale schwarze Schnur den iiberlangen Hals teilt, den Kontur des Nacken unterbricht, auf den matten Fleischton belebend und hebend wirkt. Eine gleiche Behandlungsweise, den gleichen zaiten grauen Ton findet man auf dem »Frtihling« in der florentiner Akademie, und ungefahr gleichzeitig, etwa urn 1482, wird auch unser Bildnis entstanden sein. Wen es darstellt, liess sich nicht bestimmen. Vielleicht haben wir darin das in der Guardaroba des Herzogs Cosimo erwahnte Portrait der Clarice Orsini, nicht der Lucrezia Tornabuoni, zu erkennen, welch letztere Vasari in Verwechslnng mit der Mutter Lorenzos il magnifico als dessen Gemahlin bezeichnet. Fur Lucrezia, die 1482 fiinfzigjahrig verstorbene Gattin Pieros il gottoso stimmt das Alter der Dargcstellten nicht, wohl aber fiir die als Drcissigerin 1488 gestorbene Romerin Clarice. Die Beschreibung, die Lucrezia von ihr gelegentlich der Brautschau 1467 aus Rom an ihren Gatten Piero sendet, entspricht, die damalige Jugend der Orsinierin in Betracht gezogen, ganz gut dem Bildnis hier* 2 ). Der gleichen Schaffensperiode Botticellis gehort ein treffliches weibliches Bildnis in Halbfigur bei Mr. A. Constantine J on ides in Brighton (England) an. Es stellt eine jugendliche Frau von nicht regelmassigen aber anziehcnden Ziigen dar, die hinter einem Fenster- rahmen stent. Ein einfaches weisses Haubchen bedeckt auch hier den Hinterkopf, die welligen rotlichen Haare sind auf der Seite aufgenommen. Uber dem roten an den Unterarmeln weiss gepufften Kleid liegt ein durchsichtiger weisser Uberwurf mit braunem Besatz, den Hals schmiickt eine aus schwarzer Kordel geflochtene Kette. Links ist ein von einer Saule geteiltes Fenster, durch das der blaue Himmel hereinschaut, im Hintergrund offnet sich eine Thiir in ein zweites Gemach. Auf der Fensterbriistung steht in teilweise zerstorter Schrift: SMERALDA DI M. BANDINELLI MOGLIE DI VI . . . BANDINELLI. Danach ware die Dargestellte Smeralda Donati, die erste Gattin des seit 1450 in Floren znachweisbaren Viviano di Bartolommeo di Francesco aus Gajuole, Mutter des 1459 geborenen Goldschmiedes Michelangelo, Grossmutter des 14&8 geborenen bekannten Bildhauers Baccio Bandinelli. Da Baccio aber erst nach 1530 aus Eitelkeit den Beinamen Bandinelli annahm, unter Vorgabe, von einer alten sieneser Familie dieses Namens abzustammen n ), so ist die Aufschrift dem Bildnisse erst spater hinzugefiigt worden und hat keinen urkundlichen Wert. Das Bild selbst ist von guter Erhaltung. Ganz besonders gelungen ist die Wiedergabe des roten Untergcwandes unter dem weissen Uberwurf, die Modellierung der Hande ist von holier Vollendung. In dem zarten, grauen Gesamtton und der Gewandbehandlung steht das Gemalde ebenfalls dem »Friihling« ganz besonders nahe und wird gleich diesem in Beginn der achzigcr Jahre entstanden sein. Die Dargestellte ahnelt sogar etwas der Venus dort. Dante Gabriele Rossetti, aus dessen Besitz das Portrait stammt 4 ), hielt beide fur die gleiche Personlichkeit. Soweit jedoch mochte ich nicht gehen. Wie viel Anregung mag der unserem Mcister geistes- verwandte Begrtinder der Pracraffaelitenschule aus diesem Werke des alten Italieners geschopft haben fiir seine Frauenkopfe! Ein stilistisch ahnliches wohlerhaltenes Brustbild einer jungen Frau in roten Kleide befindct sich bei Lady Alfred Seymour in London. Sie ist im Profil nach rechts ') Morelli, Die Galerien Borghese etc., S. 107, Crowe u. Cavalc. Ill, S. 170, wo ebenfalls die Identitat der dargestellten Personlichkeit mit der Simonetta in Frage gestellt wird, stossen sich an »dem faden grauen Gesamtton', erkennen es aber trotzdem als Arbeit Botticellis an. Der Cicerone findet es »ohne griisseien Reiz«. 2 ) Reumont, Lorenzo de Medici il Magnifico 2 , 1883, 1, S. 198. ;i ) Milanesi zu Vas VI, S. 133. 4 ) Frtlher in der Sammlung l'ourlales. Die Anbetung der Konige fur S. Maria Novella. 57 dargestellt und tragt eine perlenbesetzte Halskette um den Hals. Auch hier bildet ein Fenster den Hintergrund '). Kehren wir nun zu Botticellis Arbeiten aus den siebziger Jahren zuruck. Hier bildet den Abschluss und gleichsam die Vollendung im Portraitfache die fur S. Maria Novella gemalte Anbetung der Konige in den Uffizien (Nr. 1286). Vasari berichtet dariiber: »Es wurde Sandro in dieser Zeit eine kleine Tafel aufgetragen mit Figuren von 3 / 4 Ellen Hohe, die in Santa Maria Novella zwischen den beiden Thtiren an der Hauptfassade, und zwar dem durch die Mittelthiir Eintretenden zur linken Seite aufgestellt ward. Darauf ist die Anbetung der Konige gemalt. Da sieht man denn einen gar grossen Eifer bei dem vordersten Greis, der unserem Herrn den Fuss kiisst und ihn mit Zartlichkeit streichelt, wodurch er zu verstehen giebt, er habe das Ziel seiner langen Reise errcicht. Und die Gestalt dieses Konigs ist das leibhaftige Bildnis Cosimos de' Medici des Alten, von alien denen, soviel sich bis auf unsere Tage finden, das lebendigste und natiirlichste. Auch bei dem zweiten, welcher Giuliano de' Medici, den Vater des Papstes Clemens VII., darstellt, merkt man, class er mit gar ergebenem Sinn unterthanig dem Kinde seine Ver- ehrung bezeugt und ihm sein Geschenk darbringt. Der dritte, der, ebenfalls kniecnd, anbetend ihm Dank zu sagen scheint und in ihm den wahren Messias bekennt, ist Giovanni, der Sohn Cosimos. Jedoch es ist nicht moglich, all' die Schonheit zu beschreiben , welche Sandro in den Kopfen zeigt, die man hier sieht; sie sind in den verschiedensten Stellungen bewegt, die einen in Vorderansicht, andere in Seitenansicht, einige in verlorenem Profil , andere geneigt und in noch ganz anderen Arten und verschiedenen Stellungen, Kopfe von Junglingen und Greisen, mit all' jenem Reichtum der Motive dargestellt, die seine hohe Meisterschaft bezeugen. Dabei unterscheidet er auch so genau die Gefolgschaften der drei Konige, dass man leicht erkennt, welches die Diener des einen und welche die des anderen sind; in der That ein gar wunderbares Werk und in der Farbe, der Zeichnung und Komposition so herrlich ausgefuhrt, dass noch heutigen Tages sich jeder Kiinstler darob verwundert.« 2 ) Das so geruhmte Bild, dessen auch Albertini und die beiden anonymen Quellen Erwahnung thun 3 ), und das Borghini und Baldinucci im Anschluss an Vasari als an Ort und Stelle befindlich beschreiben, wurde bereits im 17. Jahrhundert baulicher Veranderungen halber aus S. Maria Novella entfernt. Denn weder in Bocchis und Cinellis Beschreibung der Schonheiten der Stadt Florenz, noch bei Richa oder spateren Guiden findet sich eine Notiz dariiber. Es wurde wahr- scheinlich schon friih auf die Villa Poggio Imperiale gebracht, von wo es 1796 in die Galerie der Uffizien gelangte. Dort gait es lange Zeit als Werk des Domenico Ghirlandajo, bis Pini, weiland Direktor des Zeichnungskabinets zu Florenz, es als die von Vasari geriihmte Arbeit Botticellis erkannte. Sandro Bo tticel 1 i. Bildnis einer jungen Frau. Mr. Jonides, Brighton. ') Ausgestellt unter Nr. 143 in der Royal Academy London 1892. Nach einer Mitteilung des Herrn Direktor Bode. *) Vas. in, S. 315 u. 323. 3 ) Albertini: Lascio stare la tavola de' Magi, fra le porte di Sandro Bott. Der Anonymus: Et (in) Santa Maria Nouella dipinse una tauoletta di altare che e acanto alia porta del mezo, de magi, che vj sono piu persone ritratte al naturale. Der Codex Petrei : una tauola in S^ Maria Novella alia porta del mezo. Ulmann, Botticelli. e8 Arbeiten der siebziger Jahre. In oinem alten Gemauer, woselbst cin von Baumstammen gesttitztes, aus Brettern roh zusammengefugtes Dach Schutz vor don Unbildcn dor Witterung bictct, finden die Weisen aus dom Morgenlande don ihnen geweissagten Konig der Juden. Auf oinem Blocke der geborstenen Mauer sitzt Maria, geneigtcn Hauptes auf den Knaben herabschauend, den sie auf ihren Knieen halt. Er crhebt segnend das Handchen iiber dem greisen Konig, der knieend genaht ist und sich behutsam iiber das zarte Fiisschen des Kindes beugt, um den Kuss der Verehrung darauf- zudriicken. Dahinter steht Josef. Er hat sich vor dem glanzenden Aufzug bescheiden in den Hintergrund zuriickgezogen, wo eine Felswand die Scene abschliesst, und blickt, die Rechte auf den Stein stiitzend, erfreut dem bunten Schauspiel zu. Nur der alteste der Konige ist einst- weilen genaht; die beiden anderen knieen, vom Riicken gesehen, in einiger Entfernung inmitten des Vordergrundes. An sie schliesst sich halbkreisformig zahlreiches Gefolge. Im Hintergrunde erheben sich die Triimmer eines Tempels, auf dessen Stufen einige Trossknechte lagern. Die zahlreichen hier auftretenden Personen sind keine Phantasiegebilde des Malers, sondcrn, wie bereits aus den Worten Vasaris hervorgeht, Portraits verstorbener und lebender Glicder der vornehmsten Familie von Florenz. Die vom Biographen gegebenen Erklarungen bediirfen jedoch einiger Berichtigungen und Erweiterungen. Der vor dem Kinde knieende Konig ist nicht zu verkennen. Es ist Cosimo der Alte, der Vater des Vaterlandes. Der langgeformte Kopf mit den durchfurchten, scharfen Ziigen, den eingefallenen Schlafen, an denen die Adern stark hervor- quellen, ist aus zeitgenossischen und spateren Medaillen und Bildnissen J ) hinreichend bekannt. Ein dunkelgriines, goldgesticktes Gewand mit rotem Kragen und reichem Pelzbesatz hiillt den knochigen Korper ein. Vor ihm Hegt der bekronte Turban ; sein Geschenk , ein goldenes Gefass, steht zu Fiissen der Madonna. Der links im Vordergrund knieende, vom Riicken gesehene Konig tragt einen weiten mit Hermelin verbramten Purpurmantel. In der Linken halt er ein kostbares mit einem Schleier uberdecktes Gefass, die Rechte ruht auf der Brust zur Bekraftigung der Worte, die er mit seitwarts gewendetem Antlitz seinem Nachbarn zufliistert. Auch diese Ziige sind uns bekannt, aber sie gehoren nicht Giuliano de' Medici an, wie man nach Vasaris Angabe glauben miisste, sondern dessen Vater Piero »il gottoso«, dem altesten Sohne Cosimos, den ein allzu friiher Tod bereits 1469 von der leitenden Stellung im Staatswesen genommen hatte. Denn der Kopf hat keine Ahnlichkeit mit den bekannten Bildnissen Giulianos, sondern gleicht der schonen Biiste Pieros von der Hand Minos im Bargello und seiner Medaille 2 ). Besonders ubereinstimmend ist die auffallig platte Kopfform auf letzterer und unserem Bilde. Pieros Nebenmann, eine jugendliche Erscheinung in weissem, goldgesticktem Kleid, ist auf beide Kniee gesunken, er beugt den Oberkorper in Verehrung vor und blickt seinen Nachbarn iiber die Schulter fragend an. Nach Vasari hat man in ihm Giovanni, den jiingern 1463 verstorbenen Sohn Cosimos zu erkennen, der, wie sein Briefwechsel mit Fra Filippo und anderen bedeutenden Mannern der Zeit lehrt, ein grosser Forderer und Gonner der Kiinste und Wissenschaften war. Die Medaille mit seinem Bildnis 3 ) und seine aus Palazzo Medici stammende Biiste von Mino da Fiesole im Bargello 4 ) bestatigen die Angabe des Biographen. Nur ist er auf diesen alter dargestellt als hier 5 ). Hinter ihm steht, den Blick gesenkt , die Hande im Gebet gefaltet, ein schwarzlockiger , schlank gewachsener Tiingling. Ein dunkelgriines, golddurchwebtes Warns mit roten Armeln umgiebt den Oberkorper, die Beine stecken in lilafarbenen Reiterstiefeln. Dieser ritterliche, seine knieende Umgebung so weit iiberragende Edelmann nun ist Giuliano, der ungliickliche Bruder Lorenzos, das Vorbild der ritterlichen Jugend ') Die Medaille abgebildet bei Friedlander, Jahrbuch d. k. Preuss. Kunstslg. II. Unter den zeitgenossischen Bildnissen seien nur erwahnt das Verrochios Art nahestehende Marmorrelief in der Galerie zu Berlin (Nr. 34) und ein ahnliches bemaltes Terracottarelief in der Sakristei von S. Lorenzo, ausserdem die Portraits auf dem Fresko des Benozzo Gozzoli in der Kapelle des Palazzo Riccardi und auf der Darstellung des Turmbaues von Babel im Camposanto zu Pisa. *) Friedlander, II, Tf. XXVII, N. 5. 3 ) Friedlander, Tf. XXVII, N. 6. 4 ) Im Cicerone irrtiimlich als Portrait Giulianos de Medici aufgeflilirt. In der Collection des Mcdicis, S. 85, heisst es : Una testa die marmo sopra l'uscio dell' antichamera di tutto rilievo ritratto al naturale di Giovanni di Cosimo. 6 ; Auch auf einem im Saal der Camaen in den Uffizien befindlichen kleinen Portrait ist er in jugendlichem Alter dargestellt. Die darauf befindlichen Bildnisse. t q von Florenz. Die Ubereinstimmung mit seinem Portrait in Bergamo und der Jugendbiiste bei Gust. Dreyfus sowie der Medaille von der Hand Antonio Pollajuolos ist eine so schlagende, dass kein Zweifel uber die richtige Benennung der Figur obwalten kann '). Hinter ihm nahen sich ehrfurchtsvoll mit gebeugtem Knie zwei Jtinglinge in reicher Kleidung. Des einen Antlitz ist nicht sichtbar, der andere ist uns bereits aus dem Altarbild aus S. Ambrogio in der Florentiner Akademie bekannt. Dort erscheint er in der namlichen Kopfhaltung als hi. Damianus 2 ). Neben ihm steht zu ausserst rechts ein jugendlicher Mann in gelbem Mantel, das von braunen Locken umrahmte Antlitz dem Beschauer zugewendet. Es ist Sandro Botticelli selbst, der Schopfer des Gemaldes. Eine kraftig ausgearbeitete Stirn, grosse helle Augen , eine breite vorspringende etwas gebogene Nase, ein stark gebautes Untergesicht verleihen dem Kopfe ein energisches, geistvolles Aussehen. Fur die Annahme, hier das Bildnis Sandros zu besitzen, spricht nicht nur die Haltung des Kopfes, die sich aus der Zeichnung im Spiegel erklart, nicht nur der kunstlerisch drapirte Mantel und der fur die Anbringung des Selbstportriits iibliche Standort in der Ecke des Bildes, sondern vor allem die Ahnlichkeit mit dem Bildnis , das Filippino nach Vasaris Angabe von seinem Lehrer auf der Kreuzigung Petri in der Brancaccikapelle gemalt hat 3 ). Eine der betreffenden Gestalt des Kiinstlers auf der Anbetung ahnliche jedoch nicht ubereinstimmende Figur findet sich auf einer Si lbersti ft zeichnung im Musee Wicar zu Lille (Nr. 80. Braun Nr. 21). Sie scheint mir jedoch nicht von Botticelli selbst herzuriihren, dem sie dort zugeschrieben wird, sondern gehort einem Filippino nahestehenden Kiinstler an 4 ). Noch in einigen anderen Figuren derselben Seite ist man versucht, bekannte Personlich- keiten zu vermuten. So ahnelt der Jtingling in spitzem Hut neben dem Kiinstler dem Lorenzo Tornabuoni, dessen Bildnis Sandro mehrere Jahre spater in Chiasso Macerelli, der heutigen Villa Lemmi, malte. Ist es doch auch nur nattirlich, den hoffnungsvollen Spross einer mit den Medi- ceern so engverwandten und befreundeten Familie in diesem Kreis zu finden, besonders wo sein Vater Giovanni, der Schwager Pieros de' Medici, ebenfalls anwesend ist. Wenigstens zeigt das auf der gleichen Seite oben neben der Mauer an zweiter Stelle sichtbare etwas feiste Gesicht Ahnlichkeit mit der treff lichen Medaille Giovanni Tornabuonis 5 ), den mehr als ein Decennium spater Domenico Ghirlandajo im Chor von S. Maria Novella portraitierte. Wenig entfernt von ihm steht ein alterer Mann mit kurzem weissem Haar, der das ernste, von tiefen Falten durch- furchte Antlitz dem Beschauer zuwendet. Die Ahnlichkeit mit der Medaille und der Biiste des Filippo Strozzi von Benedetto da Majano im Louvre und im Museum zu Berlin erlauben auch hier die namliche Personlichkeit zu erkennen. Gerade ihn, den Gonner der Kunst und Wissen- schaft, der nach seiner im Jahre 1466 erfolgten Ruckkehr aus der Verbannung im engsten freund- schaftlichen Verkehr mit Piero und Lorenzo de' Medici stand, wtirden wir nur ungern in dieser Versammlung missen. Auf der linken Seite des Bildes zu ausserst links steht ein junger Mann mit entblosstem Haupte, breit und selbstbewusst wie der Rittersmann Donatellos. Die Hande fiber dem Schwert- knauf gefaltet, blickt er zu Boden : Lorenzo il magnifico. Es sind jene charakteristischen Gesichts- ziige mit der breitgedrtickten Nase und dem vorspringenden Untergesicht, die alle Bildnisse *) Miiller-Walde a. a. O., S. 126, iibersieht diese Gestalt ganz und will Giuliano in dem auf der linken Seite zu ausserst links stehenden, auf das Schwert sich stiitzenden Jtingling erkennen (s. w. u.). Die Beziehung des auf Abb. 36 gegebenen Jiinglings mit Jagdspeer und eines auf Abb. 38 dargestellten ahnlich gekleideten Reiters auf Giuliano und das von ihm am 28.Juni 1475 auf dem Platze vor S. Croce abgehaltene Tournier ist nicht unmoglich ; einen Zusammenhang der auf Abb. 37 gegebenen jugendlichen Frauengestalt mit der bella Simonetta dagegen kann ich weder auf Grund des Bildnisses in Chantilly noch weniger in Vergleichung mit dem als Portrait dieser Geliebten des Guiliano hochst zweifelhaften Frauenkopfe in der Berliner Galerie (Nr. 106 A.) herausfinden. 2 ) Ein alterer 1 390 gestorbener Bruder Cosimos hiess Damianus. 3 ) Vas. II, S. 325. 4 ) Auch die iibrigen Botticelli in der Sammlung zu Lille zugeschriebenen Zeichnungen (Nr. 78 Madonna mit Kind, Nr. 79 desgl., Nr. 81 u. 82 mannliche Aktfiguren, Silberstift auf rosa Papier, weiss gehoht) riihren nicht von ihm her. Nr. 79 gehort eher in den Anfang des Cinquecento, Nr. Si u. 82 stammt gleich zahlreichen Blattern in den Uffizien und in mehreren anderen Zeichnungskabineten aus dem Skizzenbuch eines bis jetzt noch nicht naher zu benennenden Florentiner Kiinstlers aus der zweiten Halfte des XV. Jahrhunderts. 6 ) Friedlander, II, Tf. XXVI. 8* 6o Arbeiten der siebziger Jahre. Lorenzos unverkennbar machen, wenn sie auch bci dem ji'mgeren Manne noch kcineswcgs so auffallig und hasslich wirken wie spater in reiferom Alter infolgo langj&hriger Krankheit. Die Bestatigung liefort einc Vergleichung mit seiner aus Vorrocchios Atelier stammenden, jetzt im Privatbesitz zu Boston bcfindlichen Jugendbiiste 1 ). Einc mittelgrosse etwas untersetztc Gestalt, triigt er das namliche Kostiim wie sein Bruder Giuliano: fiber einem blaucn Unter- gewand ein enganliegendes rotes Warns, lila Beinlinge und braune Reiterstiefel. Die Uber- einstimmung in der Kleidung der Bruder ist sicherlich nicht zufallig , beide sollten viclmehr als ritterliche Erscheinungen charakterisiert werden. Einer der Gefahrten schlingt die Rechte um Lorenzos Htifte und halt das Ross am Ziigel, das seinem Herrn den Kopf zuwendet. Vielleicht ist es Angelo Poliziano, der treue Freund und Berater des Mediceers, der als Erzieher seiner Kinder jahrelang mit ihm unter einem Dache wohnte. Die Ziige mit der gebogenen Nase, der vorgeschobenen Unterlippe, die Anordnung der Haare, die in den Nacken zuriickgesetzte kleine Kappe ahneln dem Portrait des Gelehrten auf seiner Medaille 2 ), wenn er auch dort in vor- geruckterem Alter dargestellt ist als hier. Auch von dieser Gruppe besitzt die Zeichnungssammlung des Musee Wicar cine kleine Skizze in Silberstift (Nr. 77, Braun Nr. 20), die mir jedoch eher nach als zu dem Bilde gemacht scheint. Neben Lorenzo und Polizian stent ein hochgewachsener Mann in reicher Kleidung, den Reisehut auf dem Haupte. Mit der ausgestreckten Rechten auf die Versammlung im Vorder- grund deutend, wendet er das Antlitz dem Medici zu und blickt ihn ernst und teilnehmend an. Es ist der namliche Unbekannte, der uns bereits in dem Bildnis beim Fiirsten Liechtenstein entgegentrat. Nur umspielt hier der weihevollen Handlung gemass ein ernsterer Zug den Mund. An diese Gruppe reiht sich eine andere von vier Personen. Der vorderste unter ihnen eine hohe ritterliche Erscheinung in blauem Mantel, ist eine der priichtigsten und charaktervollsten Ge- stalten des ganzen Kreises und als Gewandfigur eine der schonsten, die man auf Bildern des Quattrocento findet. Wie die Studie dazu erscheint eine Silberstiftzeichnung unter den nicht aus- gestellten Blattern in den Uffizien (Nr. 162). Sie zeigt die Figur in einer dem Bilde entgegengesetzten Stellung, stimmt aber in der Haltung und Gewanddrapierung mit ihr iiber- ein. Auch die herrliche Zeichnung eines nach rechts schreitenden Jiinglings im Jagdhut, mit einem kelchartigen Gefass in der Hand, ebendort, gehort hierher (Rahmen 62, Nr. 1247) 3 ). Mit meisterlichem Geschick sind die zahlreichen Portraitfiguren — es sind derer neunund- zwanzig — in dem knappen Raum angeordnet, jede ist an ihrem Platze, keine mochte man entbehren. Durch treffiich gelungene Uberschneidungen und Verkiirzungen, Profil- und Vorder- ansichtcn, besonders durch das mannigfaltige Spiel der Augen, ist eine reiche Bewegung, durch die verschiedenen im Gesprilch sich zusammenschliessenden Gruppen ein buntes Leben in die Bildnisreihe gekommen. Man hat nicht den Eindruck, als ob die Dargestellten dem Kiinstler eigens Modell gestanden hatten, sondern als ob er sich bei irgend einem feierlichen Empfang eines vornehmen Gastes oder fremdherrlichen Gesandtcn in den Palazzo Riccardi geschlichen und dort ungesehen die illustre Gesellschaft konterfeit habe. Wenn irgendwo unter den Werken damaliger Kiinstler, so finden wir in Botticellis Gemalde die Vorziige, die der feinsinnige Leon Battista Alberti von einem guten Geschichtsbilde verlangt: » Wie es Gewohnheit der Herrscher ist, durch Wortkiirze ihren Bcfehlen Ehrwiirdigkeit zu geben, so verleiht eine gewisse beschrankte Figurenanzahl einem Bilde in nicht geringem Grade wiirdevolle Haltung. Figurenmangel missfallt mir auch in einem Geschichtsbilde, doch ebensowenig lobe ich eine Reichhaltigkeit, die wiirdevoller Haltung entbehrt. In jedem Bilde aber erfrcut die Mannig- faltigkeit , und ganz besonders setzte sich stets jenes Bild in Gunst, das in den Stellungen der Figuren grosse Verschiedenheit zeigt: deshalb mogen also einige aufrecht stehen und das J ) Abgeb. bei Mllller-Walde, S. 20. s ) Kriedlander, 'IT. XXIX, N. 18. :1 ) P'riiher Maniera di Botticelli, jetzt Ghirlandajo genannt, Silberstift auf rusa grundiertem Papier, die Lichter weiss gehoht, die Schatten leicht ausgetuscht ; 0,290X0,150. Die Komposition. 5 j voile Gcsicht zeigen, mit emporgehobenen Handen und lebhaftem Fingerspiele, gestiitzt auf einen Fuss. Andcre mogen dastehen mit abgewandtem Gesicht, herabhangenden Armen und geschlossenen Fiissen. Und so moge Jeder seine besondere Haltung und Gliederwendung zeigen « 1 ). Die Ausfuhrung des Bildes ist von einer erstaunlichen Feinheit und Sorgfalt, ohne jedoch im geringsten kleinlich zu sein. Der namliche Fleiss , den der Kiinstler auf die Durch- bildung der Kopfe verwendet, zeigt sich in der Behandlung der Kleider. Die einzelnen Stoffe sind in ihrem Gewebe genau geschieden, die Farbung mit feinem koloristischen Sinne gewahlt. Keine bestimmte Farbe uberwiegt, sondern in alien Schattierungen stuft sich das Rot vom Purpur bis zum Rosa, das Blau und Griin von den hellsten bis zu den tiefsten Tonen ab. Die Stoffe brechen sich in geraden, langen Falten , die charakteristisch verschieden sind von der ge- schwungenen , haufig geknickten , in Zickzacklinien verlaufenden Faltengebung , die Sandro spilter anwendet. Ebenso sorgsam sind die einzelnen Quadern des zerfallenen Gemauers wieder- gegeben und der prachtige Pfau, welcher darauf sitzt. Man merkt, dass Sandro in der Jugend doch manches seinem sorgsam arbeitenden Ateliergenossen Fra Diamante abgesehen hatte. Die Kar- nation ist warm, das Rot der Wangen zart aufgesetzt, genau so wie auf den zuletzt besprochenen Wcrken, besonders den Judithbildern, denen unser Gemalde uberhaupt in der Zeichnung und Modellierung der Kopfe und Hande, in der Behandlung des Stofflichen und der malerischen Aus- fuhrung sehr nahe steht. Es kann wegen der Ahnlichkeit mit den fruhen Arbeiten Sandros, be- sonders mit dem Sebastian einerseits, wegen der stilistischen Verschiedenheit von dem 1480 ent- standenen Augustin in Ognissanti andererseits, nur in den siebziger Jahren gemalt sein. Aus der abgesonderten Stellung, die Lorenzo auf dem Bilde einnimmt, lasst sich sogar mit Wahrschein- lichkeit der Schluss Ziehen, es sei unmittelbar nach der Niederwerfung des Pazziaufstandes noch im Jahre 1478 von dem Mediceer zum Dank seiner Errettung aus Morderhand und zum Andenken an seine Vorfahren, vor allem an seinen ungliicklichen Bruder Giuliano, nach S. Maria Novella gestiftet worden 2 ). Die Annahme, die Tafel sei erst nach dem Tode Giulianos gemalt, wird durch das Bildnis des letzteren bestatigt, da es nicht nach der Natur gemacht ist, sondern in der Pro- filstellung, der gesenkten Haltung des Kopfes und der Augen eine Wiederholung nach dem er- erwahnten Originalportrait ist. Sandro Botticelli, der die Bildnisse der Verrater gemalt hatte, wurde gleichsam zum Entgelt von Lorenzo mit diesem ehrenvollen Auftrage betraut. Die Bestimmung des Bildes war massgebend fur die Auffassung und Ausfuhrung von seiten des Kunstlers. Nicht um ein kirchliches Ceremonienbild getreu der in der Schrift gegebenen Erzahlung von der Anbetung der Weisen aus dem Morgenlande handelte es sich hier, sondern um die Verherrlichung der vornehmsten Familie von Florenz: um die Apotheose der Medici. Nur dieser Gedanke beherrschte den Besteller, nur ihm sollte der Kiinstler Gestaltung verleihen. Jede Andeutung historischen Kostiims auch bei Josef und Maria ist deshalb auf das strengste vermieden; nichts sollte den rein weltlichen Charakter des Reprasentationsbildes storen. Und diesem Gedanken wird mit grosster Einfachheit und vornehmem Masshalten Ausdruck geliehen, kein Prunken mit ausserlichem Glanze, sondern eine schlichte Versammlung ernster Manner, aber Manner, deren Anwesenheit erst dem Vorgange die rechte Weihe giebt. ihm den wahren Schmuck leiht und die Unsterblichkeit sichert. Sandro ist mit der Schopfung dieses Reprasentationsbildes das Muster fur kommende Ktinstlergenerationen geworden, Einen solch weitgehenden Gebrauch von der Freiheit, zeit- genossische Portraitfiguren in dem Rahmen einer biblischen oder legendarischen Erzahlung zu vereinen, hat vor ihm kein Kiinstler gemacht, und keiner seiner Nachfolger hat ihn in der dabei gezeigten weisen Beobachtung asthetischer Gesetze zu tibertreffen vermocht. Denn er mischt hier nicht in dem Masse Dichtung und Wahrheit, Vergangenheit und Gegenwart durcheinander, wie es bei vielen historischen Kompositionen seiner Zeitgenossen der Fall ist, wo die Bildnisse nur als unbeteiligte Fiillfiguren zur Belebung der Scenerie eingefuhrt werden, die Bedeutung des eigentlichen historischen Vorganges jedoch unverilndert als Hauptsache bestehen bleibt. Bei ihm ') Delia Pittura di Leon Battista Alberti libri tre, in der Ubersetzung von Janitschek, XI. Bd. der Quellenschriften fur Kunstgeschichte, S. 1 1 8. 5 ) Miiller-Walde, S. 126, kommt zu gleichem Resultate. 62 Arbeiten der siebziger Jahre. tritt viclmehr die Handlung zuruck hinter das Individuum als solches; das ZeitgenOssische ist ihm schon Selbstzwock, das Historisch-Lcgcndarische nur Mittel zum Zweck. Das Reprasentativ- Weltlichc iibcrvviegt bei weitem das Ccrcmoniell-Kirchliche. Wie weit sich Sandro von der kirchlichen Tradition losmacht, wie streng er jcde Andeutung derselben vermeidet, beweist der Umstand, dass er alle bei dieser Darstellung iiblichen Requisitcn wie Ochs, Esel und Krippe weglasst, die Scene vom Stall in eine Ruine verlegt. Nur die zum Verstandnis notwendigstcn Figuren der Maria, des Kindes und Josefs bleiben bestehen. Sie allein geben den religiosen Mittelpunkt fiir die rein weltliche Umgebung ab. Zu diesen Vorziigen des Bildes kommt als nicht geringerer die Kompositionsweise hinzu. Hierin ist Botticelli bahnbrechend gewesen. Wahrend die Kunstler vor ihm die Darstellung friesartig aufrollen, indem sie den Schwerpunkt des Ganzen, die Madonna mit dem Kinde, in die Ecke des Bildes riicken und die Konige mit ihrem Gefolge von der Seite in langem Zuge sich nahen lassen *) , baut er die Komposition central auf, konstruiert von einem Mittelpunkt aus. Diesen bildet die in der Mittelaxe befindliche Gruppe der Maria mit Josef, auf sie spitzen sich die Massen der Zuschauer auf beiden Fliigeln keilformig zu. Zur sichtbaren Dominante werden die goldenen Strahlen, die, vom Himmel gesandt, den Scheitel des Kindes treffen. Dadurch, dass ferner die Mariengruppe mit dem knieenden Cosimo iiber die anderen raumlich erhoht ist, wird ein pyramidaler Aufbau des Ganzen erreicht, der in der hochstehenden Figur des Josef seinen Abschluss findet. Trotz des anscheinend strengen Schemas findet jedoch malerische Losung statt. Durch eine etwas schrage Verschiebung des Aufbaues, erreicht durch das Einfugen der beiden knieenden Gestalten im Vordergrunde, bleibt der Kunstler frei von starrer Symmetric; die Gruppen losen sich leicht von einander ab , die ganze Anlage erscheint natiirlich und ungezwungen. Sandro wendet hier die gleiche, mehr malerische Kompositionsweise an, die wir als eine Eigen- tiimlichkeit Fra Filippos erkannten. Aber wahrend dieser, mit Vernachlassigung einer strengen Gliederung der Massen und genauer Abwagung der einzelnen Teile gegen einander, den Nach- druck ganz allein auf eine rein malerische Gruppierung legt, benutzt sein Schiiler jene Freiheit nur, um die Strenge des architektonischen Aufbaues zu mildern, ein dem Auge gefalliges Auf- und Absteigen der Linien zu erreichen. Sie ist ihm nicht Selbstzweck sondern nur Hulfsmittel. Bei einem fur die folgende Kunstentwicklung so wichtigen Fortschritt in der Kompositions- weise, wie ihn unser Epiphaniasbild zeigt, muss man sich die Frage vorlegen, ist die Erkenntnis einer centralen auf einen Mittelpunkt hindrangenden pyramidalen Anordnung das alleinige Yer- dienst Botticellis oder sind ihm hierzu Anregungen etwa von anderer Seite geworden? Da ist es denn von Interesse zu wissen, dass auch er nicht von Anfang an diese Kompositionsweise hat, sondern gleich seinen Vorgangern zuerst die hergebrachte friesformige anwendet. Unter dem Namen Filippino Lippis hangt in der Londoner National Gallery eine niedrige Langstafel mit der Anbetung der Konige in zahlreichen kleinen Figuren (Nr. 592). Sie ist jedoch nicht sein Werk sondern das seines Lehrers Botticellis 2 ). In der rechten Ecke des Bildes zwischen den Marmorpfeilern eines an die Felswand angebauten zerfallenen Tempels sitzt Maria mit Christus. Sie beugt sich freundlich zu dem altesten der Konige herab, der auf den Knieen heranrutscht, um den Fuss des Kindleins zu kiissen. Etwas abseits, schiichtern hinter einem der Pfeiler versteckt, lehnt Josef in gelbem Mantel auf scinem Knotenstock und blickt murrisch zu Boden. Zwei Hirten mit Dudelsack und Schalmei treten zaghaft neben ihm aus dem Dunkel des Gemauers hervor. Eine stattliche Schaar von Begleitern umsteht die Konige, von denen der zweite bereits hinter dem altesten kniet, wahrend der jiingste, ein rotlicher Kraus- kopf, noch um einige Schritte zuruck, eben im Begriff ist, das Knie zu beugen. Auch einige ') Es genligt, an Darstellungen zu erinnern, wie die des Jacopo d'Avanzo in der Kapelle S. Giorgio zu Padua, des Gentile da Fabriano in der Akademie zu Florenz, des Vittore Pisano und Masaccio in der Galerie zu Berlin, des Fra Angelico in der National Gallery zu London, des Benozzo Gozzoli im Camposanto zu Pisa, des Giuliano Pesello in den Uffizien. *) Der gleichen Meinung sind J. P. Richter a. a. 0., S. 24, und Frizzoni in Arte italiana del rinascimento, S. 237. In der ersten Ausgabe seiner kritischen Betrachtung iiber die National Gallery im Archivio storico 1879, S. 251, entscheidet sich letzterer noch nicht definitiv fiir Botticelli, sondern halt dieses wie das noch zu erwahnende Rundbild mit der Anbetung der Konige von der Hand eines Mitschtilers des Filippino Lippi bei Botticelli. Anbetung der Konige in London. Leonardo da Vincis Komposition. £? aus dem Gefolge sincl nicdergcsunkcn und geben durch verschiedenerlei Zeichen, sei es fur sich durch dankerfl'illtes Aufblickcn und Erhcben der Hande gen Himmcl, sei es in lebhaftem Ge- sprach unter einander, ihren Gefiihlen Ausdruck. Es sind schlanke, reich gekleidete Gestalten, mehrere in orientalischem Kostiim. So fallt besonders im Vordergrund eine vom Riicken ge- sehene mit gelbem Turban auf, in griinem Mantel und roter Kapuze. Es ist dieselbe Gewandfigur, die neben Lorenzo de' Medici auf dem zuletzt besprochenen Bilde steht. Auch ein Zwerg in hermolin- besetztem rotem Samtwams, ein langes Schwert vor sich herschiebend, tritt in den von Mauerresten teilweise noch umgebenen Tempelraum, vor dem die Knappen mit den Rossen harren. Ein buntes Durcheinander von Menschen und Pferden, das sich nach dem Hintergrund zu in einen Engpass verliert. Die Farbenpracht vereint mit dem Reichtum der vielbewegten Gestalten muss ehedem diesem vielleicht zum Schmuck eines Cassone oder als Altarstaffel dienenden und deshalb etwas fliichtig behandelten Bilde einen hohen Reiz verliehen haben, jetzt ist es leider iibel zugerichtet und in den Kopfen der linken Seite stark verrieben und iibermalt. Trotzdem erscheint es kaum zweifelhaft, dass nicht Filippino sondern Sandro der Verfertiger ist. Der Madonnentypus ist ganz der aus Botticellis friiherer Zeit, die Drapierung und Farbe der Gewander, bei denen sich die langen Falten wiedcrfinden, die scharfe Durchbildung der Kopfe, das warme Kolorit stimmen ebenfalls mit seiner friihen Art vollkommen iiberein. Und zwar steht das Bild den Tafelchen mit den Thaten der Judith besonders nahe, wenn es auch etwas friiher als diese entstanden sein mag. Mit Filippinos Weise hat es dagegen wenig gemein. Nur der rotblonde Kopf eines jungen Mannes hinten in der Ecke erinncrt an seinen Typus, wie er ihn im Anschluss an seinen Lehrer in Jugendarbeiten zeigt. Werfen wir nur, urn uns von der Richtigkeit dieser Behauptung zu iiberzeugen, einen Blick auf die im namlichen Saal der Nation al Gallery hangende, aus Hamilton Palace stammende gleiche Darstellung von Filippinos Hand (Xr. 1124). Sie gehort seiner friihesten Zeit an und zeigt, ahnlich wie der Tod der Lucrezia im Pitti, noch einen uberwiegenden Einfluss Botti- cellis. Sie ist ebenfalls eine Langstafel, jedoch mit weniger Figurcn und reicherer Landschaft, woselbst in kleinen Figuren Scenen aus dem Leben verschiedener Heiliger wie Hieronymus, Magdalena, Tobias, Franziskus u. a. m. eingestreut sind. Die Komposition ist die centrale. In der Bildung der Menschen und Pferde sowie in der Gewandbehandlung ist eine weitgehende Ahnlichkeit mit Sandro nicht zu verkennen, in der Madonna, der Landschaft, der hellen klaren Farbung zeigt sich jedoch bereits Filippinos eigene Weise. Also, Anfang oder Mitte der siebziger Jahre hat Sandro die centrale Anordnung noch nicht , geraume Zeit darauf findet sie sich bei ihm bereits weit ausgebildet. Wir machen uns hoffentlich nicht des Vorwurfes der »Einflusstheorie« schuldig, wenn man da einmal nach ahnlichen Beispielen unter den Werken seiner Zeitgenossen Umschau halt, ob vielleicht von dort ihm Anregung gekommen sei. Aus der gleichen Zeit ist uns ein Werk erhalten, das die namliche Aufgabe auf ahnliche, jedoch noch vollendetere Weise gelost hat wie Sandros Bild : Leonardo da Vincis Anbetung der Konige. Diese Tafel ist aller Wahrscheinlichkeit nach dieselbe, welche die Signoria von Florenz am i. Januar 1478 als Ersatz des friiheren Altargemaldes von der Hand Bernardo Daddis fiir die Kapelle des hi. Bernhard im Palazzo vecchio bei Leonardo bestellte, nachdem Piero del Pollajuolo die Ausfiihrung abgelehnt hatte 1 ). Urspriinglich war, wie eine Skizze bei Mr. Leon Bonnat beweist, eine Anbetung der Hirten beabsichtigt, erst spater wahlte Leonardo die Anbetung der Konige zum Gegenstand. Auch diese Darstellung hat, wie zahlreiche Skizzen und Entwiirfe zeigen, mehrere Stadien der Entwickelung durchlaufen, ehe sie jene mustergultige Form erlangte, die wir jetzt auf der leider unvollendet gelassenen Tafel in den Uffizien be- wundern (Nr. 1252) 2 ). Sie zeigt das Problem, das sich Sandro gestellt hat, in der reinsten Losung. Die Madonna mit dem Kinde ist nicht mehr entfernt und deshalb in kleinerem Masstab iiber die anderen erhoht in den Hintergrund geriickt, sondern sie sitzt zu ebener Erde ') Auch Miiller -Walde, S. 120 ff., nimmt ein wechselseitiges Verhaltnis zwischen Botticelli und Leonardo bei der Schopfung dieser Darstellung an. *) Das ganze reiche Zeichnungsmaterial bei Miiller-Walde publiziert. 64 Arbeiten der siebziger Jahre. in gleicher Hdhe wie die sic umdrangenden Verehrcr, ganz im Vordcrgrund. Urn dieses Centrum sind die ubrigen Gestalten radial im Halbkreis angeordnet, nur der PUitz zu Fiissen der Maria ist frci gelassen, der von den knieenden Figuren der Konige flankirt wird. Dadurch ist der pyramidale Aufbau der Hauptgruppe reiner und harmonischer zum Ausdruck gebracht als bei Botticelli. Es ist nun leicht moglich, dass Sandro, als er seine Anbetung der Konige fiir Lorenzo il magnifico malte, einen Entwurf Leonardos fur den gleichen Gegenstand gesehen hatte, der ihn zur Nachbildung - anreizte. Bei dem intimen Verkchr zwischen beiden Kiinstlern ist solch ein gegenseitiges Verhaltnis sehr wahrscheinlich 1 ). Oder bezeichnet umgekehrt Sandros Gemaldc den Ausgangspunkt fiir Leonardos Schopfung? Es diirfte bei dem Mangel untriiglicher Beweise zu gewagt scheinen, hier ein entscheidendes Urteil zu fallen , besonders, wo der Biograph nur allzu geneigt ist , den Spruch zu gunsten seines Klienten zu fallen. Uberhaupt kann es sich bei dem Verhaltnis zwischen beiden Wcrkcn nur um Anregungen, nicht um Nachahmung handeln, denn beide weichen im allgemeinen wie im einzelnen ganz bedeutend von einander ab. Leonardo vormeidet im Gegensatz zu Botticelli alles Bildnismassige bei den Anbetenden und ermoglicht durch die streng ideale Auffassung - eine grossere Annaherung derselben an die gottlichen Wcsen, was Sandro bei der Kluft zwischen diesen und den menschlichen Geschopfcn nicht wagen darf. Durch die nahe Beziehung zu Leonardo gewinnt Sandros Bild einen ganz besonderen Reiz , indem es einesteils ein Zeugnis fiir das noch ofters hervortretende enge Verhaltnis zwischen beiden Meistern liefert, andernteils einen Masstab fiir den ihm innewohnenden Wert dadurch giebt, dass es auch neben dieser wunderbaren Schopfung als gleichwertig, ja als eines der hervorragendsten Werke aus dem Zeitalter Lorenzos il Magnifico bestehen kann. Die gelungene Ausfiihrung des Bildes brachte Sandro bald darauf den Auftrag zu einer neuen Darstellung desselben Gegenstandes. Der Besteller war auch diesmal einer der vornehmsten Manner von Florenz, ein Mitglied der angesehenen Familie der Pucci. Vasari nennt uns seinen Namen nicht weiter und erwahnt nur kurz das Bild, ein Rundbild der Anbetung der Konige, im Hause jener Familie 2 ). Wahrscheinlich war es Francesco di Giovanni Pucci, der auch spaterhin Botticelli mit einem Auftrage bedachte. In der National Gallery zu London (Nr. 1033) befindet sich allerdings ein Rundbild dieses Gegenstandes von Botticellis Hand, und da wir von keinem anderen Tondo des Meisters mit gleicher Darstellung Kunde haben, so werden wir wohl nicht irren, das aus der Sammlung Fuller Maitland in den Bcsitz der National Gallery iibergegangene Bild fiir das von Vasari erwahnte zu haltcn. In der englischen Galerie gilt es zwar fiir ein Werk Filippinos, doch wird es bercits von Crowe und Cavalcaselle noch an seinem fruhcren Aufbewahrungsort unter den Arbeiten des Lehrers aufgefiihrt 3 ) und auch von Frizzoni und Richter Botticelli zugeschrieben. In der Mitte des Rundes unter hohen Lempelruinen sitzt Maria mit dem Kinde, daneben steht Josef auf seinen Stab gestiitzt. Vor ihnen kniet, vom Riicken gesehen, der alteste der Konige in grtinem goldgcsticktem Kleid, daneben sein Weggenosse. Von links eilt der jungste in langem Mantel heran. Den gekronten Reisehut liiftend, beugt er leicht das Knic. Neben ihm, in rotem Gewand einer der Begleiter, barhauptig, einen goldenen Reif im blonden Haar. An ihm vorbei drangt sich ein dickkopfiger Zwerg mit schwerer Gnadenkette neugierig durch den Ring. An die Hauptpersonen reiht sich auf beiden Seiten vom Mittelplan in die Tiefe gehend, halbkreisformig, Mann an Mann gedrangt, die Schar der Begleiter, zum Teil an die Mauer gelehnt, welche den Schauplatz im Hintergrund abschliesst 4 ). Dort hinten ruhen auch die beiden Tiere an der Krippc, dort haben sich auch die Hirten der Botschaft folgend eingefunden. Den Vordcrgrund nehmen in drei Gruppcn geteilt die Knappen und Reisigcn ein. In der Mitte zwischen Mauerresten sind vicr Manner im Gesprach um einen Gaul gruppiert. ') In der spater noch zu erwahnenden Stelle seines Libro di pittura spricht Leonardo von tnostro Botticelli*. Er ist neben Luca della Robbia der einzige zeitgenossische Kiinstler, den Leonardo in seinem Buche nennt. ') Vas. Ill, S. 313. :, j III, S. 176. 4 ) Die Figuren auf der linken Seite haben sehr gelitten. Zwei tiefe Sprunge durchziehen die Tafel, die Kopfe der an der Mauer stehenden Personen sind durchgangig und zwar sehr ungeschickt erneuert. Epiphaniasbilder in London und Petersburg £c Einer von ihnen lockt einen am Boden hockenden Hund ; eilig kommt ein junger Bursche in rotem Gewand auf sie zugelaufen, er will auch sehen, was hier vorgeht. Rechts halt ein Trupp Knappen mit den Rossen, die, durch die Fanfaren heranreitender Herolde scheu geworden, sich hoch auf baumen. Auch driiben herrscht nicht vollige Ordnung unter dem Haufen. Man unter- halt sich und kummert sich wenig um den Vorgang in der Ruine. Einer unter dem Trosse thut sich ganz besonders hervor und zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Er hat seinen Schimmel nach der Mitte zugefiihrt und schaut sich, bevor er aufsitzt, auffallend nach uns um. Das thut keiner der anderen. Es ist ein flotter Reitersmann in kurzem blauem Warns, roten Hosen und gelben Stiefeln. Der Ahnlichkeit mit dem Selbstbildnis auf der Tafel aus S. Maria Novella und der Pose nach zu urteilen, scheint es Meister Sandro selbst zu sein. Hier in unbekannter Gesellschaft ist er sich des Wertes seiner Personlichkeit beAvusst und steht nicht mehr bescheiden in der Ecke. Auch diesmal fehlt nicht der grosse Pfau auf einem geborstenen Pfeiler des Ge- mauers, daneben treiben einige Affen ihr munteres Spiel. Hinter der Ruine erstreckt sich eine hiigelige Landschaft mit einem von Rehwild belebten Walde und einer befestigten Stadt, auf deren Thor zwei Reiter zusprengen. Die stilistische Verwandtschaft des Rundbildes in der Madonnengruppe, der Bewegung und Haltung der Gestalten, der Durchbildung der Kopfe, der Gewandbehandlung, den Farben und Stickereien der Kleider mit der Anbetung der Konige in den Uffizien ist eine so weit gehende, dass man annehmen muss, es sei nur geraume Zeit nach der Vollendung des Medi- ceischen Bildes fur die Pucci gemalt worden. Denn wegen der vorgeschrittenen Komposition mochte man an keine fruhere Entstehungszeit denken, und die Malweise lasst wieder keine Datierung iiber das Jahr 1480 zu x ). Die Komposition ist jetzt mehr im Leonardesken Sinne geandert, die Madonna den Anbetenden naher geriickt, sie sitzt in ihrer Mitte und nicht mehr auf einsamer Hohe wie dort. Die Gruppen des Vordergrundes waren zur Ausfiillung der Rundform notig, ebenso dient die hohe Architektur zur Fiillung des leeren Raumes, denn die Figuren reichen nur bis zur halben Bildhohe. Einen ktinstlerischen Fortschritt bedeutet das Gemalde dem Bilde aus S. Maria Novella gegeniiber jedoch nicht, erreicht es im Gegenteil nicht an Sorgfalt der Ausfuhrung und steht auch, da die Portratfiguren fehlen, an lebensvoller Frische der Auffassung hinter ihm zuriick. Etwas spater scheint, soweit sich nach der Photographie urteilen lasst, die Ausfuhrung der Langstafel mit dem gleichen Gegenstand in der Eremitage zu Petersburg zufallen. Die wieder einen Schritt weiter gefuhrte centrale Komposition, die lebhafte Bewegung, die leicht flatternden Gewander weisen das Bild in den Beginn der achziger Jahre. Dies wiirde mit Bodes Ansicht ubereinstimmen, der dariiber folgendermassen urteilt: »Letzteres (damit ist unser Bild gemeint) scheint die jiingste dieser Darstellungen nach der schlanken Bildung und den langen Falten der Gewandung. Im Gegensatz gegen das Florentiner Bild finden sich hier fast keine Portrats, dafur aber eine Fiille schoner Charakterfiguren, wie sie kaum ein zweites Gemalde Sandros auf- weist. Damit verbindet sich eine sichere Meisterschaft in Zeichnung und Verkiirzung sowie eine helle, reiche Farbung von grossem Reiz 2 ).« Der Anonymus erzahlt, Botticelli habe in Rom eine Anbetung der Magier gemalt, die sein schonstes Werk gewesen sei 3 ). Sie gilt zwar fur ver- schollen, doch steht die literarische Notiz mit der stilistischen Kennzeichen nach zu datierenden Entstehung des Bildes in Petersburg nicht in Widerspruch und lasst die Identitat beider Stiicke moglich erscheinen. Eine Vergleichung mit den von Botticelli geschaffenen Fresken in der sixtinischen Kapelle fallt nur zu gunsten dieser Vermutung aus. Auch hier sitzt Maria unter einer zum Stalle umgewandelten Ruine in der Mitte der Bild- flache. Vor ihr die Konige mit ihrem Gefolge. Die vordersten der Begleiter sind bereits nieder- gekniet, die weiter hinten befindlichen nahen sich in unterthaniger Haltung. Im Hintergrund ') Crowe und Cavalcaselle wollen zwar in der Bildung der Pferde Ahnlichkeit mit den Rossen des Monte Cavallo finden und setzen deshalb das Bild erst nach den romischen Aufenthalt. 2 ) Im Text zum Braun'schen Galeriewerk der Eremitage ; vgl. auch Waagen, die Gemaldesammlung in der k. Eremitage zu St. Petersburg, 1864, S. 29. 3 ) In Roma dipinse anchora et fecevj una tauola di magi che fu la piu (bella) opera che maj facessj. Ulmann. Botticelli. n 66 Arbeiten der siebziger Jahre. tummelt sich der Tross der Knappen. Von rechts her kommt ein Zug von Reisigen durch einen Hohlweg herangeritten. Fruchtbare von Baumen bestandene Auen erstrecken sich, soweit das Auge schaut; hinter Gebiisch versteckt ragt ein schlanker Campanile in die Liifte. In mehr als einer Figur ahnelt auch dieses Bild der Anbetung in den Uffizien. Vor allem ist die Gruppe der Madonna mit dem Kinde fast die gleiche, ja sogar die ausgestreckte Haltung ihrer Hand, mit der sie dort den Knaben fasst, wird hier typisch wiederholt, obgleich er jetzt auf ihrem linken Knie sitzt und die Hand, die somit frei geworden ist, nun steif am Schenkel ruht. Der im verlorenen Profil gegebene, verkiirzte Kopf des jugendlichen knieenden Konigs ist der gleiche, den wir in den Uffizien hinter Giuliano erblicken. Die Gruppe der Knappen zu ausserst rechts im Hintergrund erinnert an die Reiter auf der Auffindung des Holofernes. Eine grossere Anbetung aus Sandros spatester Zeit befindet sich in ganzlich zerstortem Zustand im Depot der Uffizien. Ihrer wird weiter unten in anderem Zusammenhange Erwah- nung geschehen. Aus Botticellis Werkstatt stammt ferner eine hiibsche, leider arg zerstorte kleine Dar- stellung des gleichen Gegenstandes im erst en Korridor der Uffizien (Nr. 58), die zu- sammen mit einer Scene aus dem Leben des Petrus Martyr urspriinglich wohl zu einer Predella gehort hat. Schulgut ist ein kleines Bild gleichen Inhaltes, mit der Dreieinigkeit zwischen Tobias und den Engeln in der Lunette, im Convento della Quiete bei Florenz. Aus der Mitte der siebziger Jahre etwa besitzen wir meines Erachtens das erste Beispiel einer fur Botticelli besonders charakteristischen und von ihm erst in die Malerei eingebiirgerten Art von Madonnendarstellung: der Rundbilder oder sogenannten» Tondi«. Sie sind die aussere Form fur die innere Umgestaltung, die das Marienbild durch eine freier denkende Kunst erhielt. In stetem Wechsel behandeln sie das Verhaltnis der Gottesmutter zu dem Kinde im Kreise dienender oder singender Engel, zu denen hie und da der Johannesknabe hinzukommt. Bei Botticellis Vorgangern finden sie sich kaum , Fra Filippos Bild in der Galerie des Pitti ist eines der wenigen friihen Beispiele der Art, aber dort stehen Form und Inhalt noch nicht in vollem Einklang, die Komposition konnte gerade so gut fur eine rechtwinklige Altartafel erfunden sein, sie schmiegt sich nicht der Kreisform an. Erst Sandro versteht es, das Rund mit Gestalten zu fullen, sie in ihren Bewegungen der Form selbst anzupassen und so ein einheitliches Ganzc zu schaffen. Dafiir ist er auch Muster und Vorbild fur die Zeitgenossen und die kommende Kunstlergeneration geworden. Er iibertragt diese Form aus der Skulptur in die Malerei. Die glasierten Rundreliefs des Luca della Robbia, die Marmortondi Donatellos, Desiderios und Antonio Rossellinos haben ihm darin zum Muster gedient. Seinen friihesten Erzeugnissen der Art merkt man den Zusammen- hang mit ihren plastischen Vorbildern noch deutlich an. Die Figuren sind in Kniestuck relief- artig ohne Benutzung der Tiefendimension vor den blauen Grund gestellt, jede Andeutung einer Raumlichkeit fehlt, ihr Kontur schneidet scharf wie bei einem Marmorrelief mit dem Grunde ab. Erst spater macht sich Sandro von der reliefmassigen Anordnung frei, vertieft den Grund zu einer Landschaft, schafft Ausblicke in die Feme, lasst die Figuren in der Landschaft sich bewegen, lockert die an das Kreisrund streng gebundene Form , giebt die Gestalten in ganzer Figur und verschiedener Grosse. Aus der grossen Zahl der auf uns gckommenen tondi lasst sich crsehen, dass die Nach- frage nach ihnen damals sehr rege gewesen ist. Sie waren die beliebteste Form des Kultus- bildes fur das Privathaus und die Privatkapelle. Vasari berichtet, Botticelli habe solche fiir ver- schiedene Hauser der Stadt gemalt, nennt aber nur ein kleines Stuck von feiner Ausfiihrung im Zimmer des Priors des Klosters degli Angeli zu Florenz und ein umfangreicheres mit den lebens- grossen Figuren der Madonna und Engel in S. Francesco vor dem Thore bei S. Miniato 1 ). Ersteres lasst sich jetzt nicht mehr nachweisen, mit letzterem, das Francesco Bocchi ebenfalls er- wiihnt, und woselbst man die Madonna im Kreise von Engeln sah, die mit hochster Anmut zu ») in, SS. 318 u. 324. Tondi in der Sammlung Raczinsky und den Uffizien. ft-j singen schienen, wird das jetzt in der Berliner Galerie befindliche grosse Rundbild (Nr. 102) identifiziert. Baldnuicci nennt ferner ein grosses tondo der Madonna mit Engeln im Hause des Alessandro Valori 1 ). In welchem der uns erhaltenen gegenstandlich sehr ahnlichen Stiicke man dieses zu suchen hat, lasst sich nicht mehr bestimmen. Die grossere Zahl der Rundbilder, worunter viel Schulgut, ist meiner Meinung nach erst nach dem romischen Aufenthalt Botticellis in den Jahren 1483/90 entstanden und wird in einem spateren Kapitel Beriicksichtigung finden. Hier handelt es sich nur um zwei der fruhesten Darstellungen der Art, von denen das eine wenig beachtet an einem Orte hangt, wo man alte Gemalde sonst nicht vermutet, das andere jedem Besucher der Uffizien bekannt ist. Das Tondo der Sammlung Raczinsky in der National Galerie zu Berlin ist das friiheste Beispiel der noch im Banne der plastischen Vorbilder stehenden Rundgemalde. Die Kom- position ist eine Weiterbildung der auf dem Bilde in S. Maria Nuova kennen gelernten. Die Madonna sitzt in Vorderansicht in der Mitte des Rundes, das Kind ist in engere Verbindung zu ihr gebracht, indem es nicht mehr von einem Engel emporgereicht wird, sondern halb aufgerichtet in ihren Armen ruht und mit beiden Handen ihre Brust umfasst halt. Dabei blickt es sich nach dem Beschauer um. An Stelle der beiden Engel sind vier getreten, ebensoviel auf der anderen Seite an Stelle des Johannes. Alle tragen Lilienzweige. Die vier Knaben zur Rechten singen aus einem Buche, das der zu ausserst stehende halt, wobei er, ein fein dem Leben abge- lauschter Zug, mit seinem Lilienstengel die Stelle des Textes anzeigt. Sein Nebenmann wird von ihm fast ganz verdeckt, das Gesicht ist nur in den unteren Teilen sichtbar, er hat seinen Arm um ihn geschlungen, wahrend die Rechte auf der Schulter des links vor ihm stehenden Engels ruht. Dieser singt mit grosser Aufmerksamkeit aus dem Buche, in das der daneben befindliche von oben hereinblickt. Der Chor zur Linken schweigt. Auch hier halt der zu ausserst stehende Knabe einen Psalter. Er hat wenig acht auf den Gesang driiben, verloren blickt er heraus. Er ist das Ebenbild des Johannes auf dem Dreifigurenbild im Louvre. Sein Nebenmann wechselt mit dem neben Maria stehenden Engel Blicke des Einverstandnisses. Zwischen beiden wird ein bis auf das Untergesicht uberschnittener Kopf sichtbar. Uber der Madonna schwebt von zwei Handen gehalten eine Krone. Auf den spateren Darstellungen unseres Meisters erscheinen die hier unsichtbaren Kronentrager in der Gestalt zweier Engel. In dem Madonnenkopf klingt noch etwas der Fra Filipposche Typus nach , er hat jedoch nicht mehr die ausgepragt rundliche Form wie auf den fruhesten Jugendbildern Sandros, sondern ist schon langlicher und viereckiger geformt und bildet den Ubergang zu dessen spaterem Madonnenideal. Das Kind ahnelt noch mehr den bambini der friihen Zeit, besonders dem in S. Maria Nuova, mit ihm hat es auch dieselbe Lage der Beine und die Form der Fiisse mit dem abgespreizten grossen Zehen gemein. Die Haltung ist jedoch freier, die Be- wegung lebendiger, der Korper weicher behandelt als dort. Auch die lockere Gewandbe- handlung deutet auf eine spatere Entstehungszeit. Besonders in der Durchfuhrung der fast lebensgrossen Figuren sowie in der vollendeten Komposition thut sich ein bedeutender Fortschritt jenem Bilde gegeniiber kund. Die Gruppierung der Gestalten, die Freude an Verkiirzungen und Uberschneidungen der dicht nebeneinander gestellten Kopfe, die Zeichnung der Hande, die sorgsame Ausfiihrung der Gewandstoffe weisen das Bild in niichste Nahe der Anbetung der Konige in den Uffizien. In der scharfen Zeichnung, der etwas harten Modellierung, vor allem in der Bildung der Engel, tritt wiederum die Verwandtschaft mit Verrocchio deutlich hervor 2 ). Zum erstenmal wendet Botticelli hier Goldlichter in starkem Masse zur Erhohung der kolo- ristischen Wirkung an. Alles glitzert und funkelt so prachtig, als ob Sonnenstrahlen in Tau- tropfen sich brachen. Der voile Glanz himmlischer Hohen verklart die Versammlung, erfreut und stimmt den Beschauer heiter. In Form, Inhalt und Auffassung dem Raczinskyschen Tondo nahe verwandt ist das Rundbild in den Uffizien (Saal der alten Meister Nr. 1289). Die Mutter sitzt traumerisch ') a. a. O. I, S. 568. ! ) vgl. Bode in der Gazette des beaux arts 1888, I, S. 486. Crowe u. Cavalcaselle, III, S. 173. 58 Arbeiten der siebziger Jahrc. herausblickend in dor Mitte dcs Vordergrundes. Sic halt den Knaben auf dem Schoss, der nicht mehr nach ihrer Brust verlangt, sondern bereits seines gottlichen Berufes bewusst segnend die Rechte erhebt. Die Linke fasst einen Granatapfel , den ihm die Mutter reicht. Sechs Engel sind um sie versammelt. Auch hier das Motiv mit dem Buch, das diesmal der Mittelste halt. Zwei auf jeder Seite singen mit leise geoffnetem Mund, der dritte blickt schweigend heraus 1 ). Ein unendlich schwermiitiger, schmerzensvoller Zug liegt im Antlitz Marias, ernst und sinnend blickt der fruhreife Knabe. Den furchtbaren Ernst des bevorstehenden leidensvollen Lebens, die Gewissheit eines friihen Todes zeigt hier der Kiinstler in des Christkindes Seele noch gleichsam schlummernd und doch bewusst. Die sichere Vorahnung kommenden grenzen- losen Leides spricht aus den abgeharmten, miiden, von Trauer umzuckten Ziigen der Mutter. Und dazu gleichsam als Vermittler, als Ausgleich dieser wehmutigen Gefiihle jener Chor lieb- reizender Geschopfe, geschlechtslos und wesenlos, Gebilde der reinsten Phantasie. Die schlanken Gestalten mit dem zarten Oval des Gesichtes, dem Schmuck goldblonder und brauner Locken, den grossen traumerischen Augen , dem schwellenden feingeschnittenen Mund sie sind die Ver- korperung reinster, frisch sich entfaltender Jugendschonheit. Die Anordnung der nah aneinander geriickten Gestalten vor dem durch Goldstrahlen leicht erhellten Grund ist ebenfalls noch ganz reliefartig. Gegeniiber dem Raczinskyschen Bild ist aber durch den Wegfall je einer Figur auf jeder Seite, bei voller Ausfullung des Raumes, mehr Platz fur die Bewegung der einzelnen Gestalten geschaffen, die dort auffallig starke Uberschnei- dung der Kopfe vermieden. Das ist ein Fortschritt unseres Tondo jener Rundkomposition gegeniiber. Noch andere Merkmale sprechen fur seine spatere Entstehung. Das Christuskind hat nicht mehr den friihen Fra Filipposchen Typus sondern den ausgesprochenen Botticellischen, wie man ihn auf Arbeiten aus dem Beginn der achziger Jahre, so auf dem ersten Fresko mit den Thaten Mosis in der sixtinischen Kapelle links bei dem kleinen Knaben findet. Auch der Aus- druck des Kindes ist reifer, die Bewegung freier, die Kopfform der Maria gestreckter und hagerer, der Ausdruck ernster und schwermiitiger, ahnlich wie auf den spateren Madonnenbildern. Hier zum erstenmal findet sich bei ihr neben dem Schleiertuch noch ein hunter um den Hals geschlungener Shawl, wie er spaterhin haufig wiederkehrt. In den Engeln ist der nahe Zusammen- hang beider Bilder deutlich ersichtlich, aber der Ausdruck ist auf dem Florentiner Bilde reifer und anmutsvoller. Dazu kommt noch, dass die Hande eine langere, schmale Form zeigen, die ein- zelnen Gelenke nicht mehr so scharf hervorgehoben werden. Daneben macht sich schon das vStreben bemerkbar, durch den Kontur in mehr zeichnender Weise eine Scheidung der einzelnen Gesichts- und Korperteile zu erreichen, bei diffusem Licht die Kontraste zwischen Licht- und Schattenpartien auszugleichen. Ich bin daher geneigt, die Entstehung dieses Tondo etwas spater als die des Raczinskyschen anzusetzen, etwa an das Ende der siebziger Jahre. Dieses Madonnenrund bildet die Uberleitung zu einer jetzt zu besprechenden Gruppe von Bildern, die durch die stilistische Verwandtschaft mit dem Wandgemalde des Augustin in Ognissanti von 1480 sich annahernd datieren lassen. Mit ihnen hat unser Rundbild vor allem die gesteigerte Ausdrucksfahigkeit der Gestalten, daneben auch die graue etwas stumpfe Farbung, die besonders in den Haaren hervortretende an Bronzetechnik gemahnende harte, ciselierende Behandlung, die sorgsame Ausfiihrung jedes Details gemein. Die betreffende Periode lasst sich im allgemeinen durch die Jahre 1480 und 1483, die Entstehungszeit des Augustin und das Vollendungsjahr der Fresken in der sixtinischen Kapelle, umgrenzen, ohne dass damit gesagt werden soil, dass ich die darin behandelten Werke in ihrer Entstehungszeit streng an diesen Zeitraum fur gebunden erachte. Bei dem Mangel urkundlicher Belege fur die Entstehungszeit der Bilder Botticellis muss man sich bescheiden mit der Herausarbeitung gewisser Gruppen und Perioden, bei denen die Bestimmung auf das Jahr natiirlich nicht moglich ist. l ) Eine gute Werkstattwiederholung dieser Gruppe vor einer Landschaft befand sich bei Mr. Ley land in London. Eine ahnliche Darstellung der Maria mit Kind, zu Seiten zwei Engel, hatte Mr. Bromley Davenport 1892 in der Royal Academy ausgestellt. Letzteres Bild kenne ich nicht, ebenfalls nicht eine von Mr. Cornwallis West 1892 geliehene Maria mit Kind vor einer Landschaft. Der Augustin in Ognissanti und stilistisch verwandte Werke. rossere Arbeiten treten nunmehr an unseren Kiinstler heran, er ist ein wohlbekannter, ge- achtetcr Meister *), der mit Auftragen reich bedacht wird. Im Wettstreit mit gleichstrebenden Genossen erstarkt seine Individuality, bricht sein Talent zielbewusst sich Bahn. Dabei weiss er wie friiher auch die Vorziige anderer zu schatzen und von ihnen zu lemen, vermeidet jedoch Fremdes nur oberflachlich sich anzueignen sondern verarbeitet es in sich, giebt es in neuer, eigener Form, als selbsterworbenes Gut. Eine solche Gelegenheit, das eigene Konnen im Wettbewerb mit anderen zu erproben, bot sich bei einem Auftrage, den Botticelli von der Familie Vespucci zur Ausschmuckung der Kirche Ognissanti erhielt. Domenico Ghirlandajo hatte fiir dieselbe Familie ebendort, neben verschiedenen fruheren Malereien in ihrer Kapelle, im Jahre 1480 einen Hieronymus an einem Pilaster des Lettners (tramezzo) zur Seite der Eingangsthur al fresco ausgefuhrt und als Gegen- stiick sollte Sandro einen Augustin malen. Da der Anonymus wie Vasari einstimmig mitteilen, dass beide Arbeiten in Konkurrenz zwischen den Kiinstlern entstanden sind, und das Werk Ghirlandajos die Jahreszahl 1480 tragt, da ferner Botticellis Gemalde stilistisch sehr wohl fur diese Zeit passt, so ist mit Sicherheit anzunehmen, dass der Augustin im gleichen Jahre 1480 oder unmittelbar darauf gemalt worden ist 2 ). Die beiden Heiligengestalten blieben nicht lange an ihrem urspriinglichen Platze. Im Jahre 1564 wurde, wie Vasari in der zweiten Ausgabe seiner Vite berichtet, der Lettner bei Verlegung des Priesterchores in die Chorkapelle abgebrochen, die beiden Gemalde herausge- nommen und wohlbehalten in die Wande des Langhauses eingelassen 3 ). Dort sieht man sie noch heute, und zwar schmuckt Botticellis Werk die dem Eintretenden zur rechten Hand befindliche Wand, wahrend Ghirlandajos Arbeit sich ihm gegeniiber befindet. Auf beiden Bildern ist die Raumlichkeit die gleiche. Man blickt in die Studierstube der Kirchenvater. Augustin sitzt nach links gewendet vor dem Schreibpult, darauf steht eine himmlische Sphare. Ein mit mathematischen Biichern und astronomischen Apparaten be- schwertes Brett zieht sich an der Wand entlang. Der Kirchenvater hat fiir den Augenblick die Arbeit unterbrochen ; die Linke halt das Tintenfass , die Rechte ruht beteuernd auf der Brust. Eine himmlische Vision wird ihm zu teil. Es ist ein von regstem Seelenleben und ernstester Geistesarbeit zeugender Kopf. Den knochigen, wie aus Erz geformten Schadel um- giebt ein schmaler Kranz ergrauten Haares. Unter breiter, stark gewolbter Stirn liegen ein Paar streng und durchdringend blickende Augen, kraftig springt die etwas gebogene Nase her- 1 ) Aus der obenerwahnten Vermogenserklarung des alten Mariano von 1480 geht hervor, dass Sandro damals als beschaftigter Maler in dessen Haus wohnte. 2 ) Albertini verwechselt beide liguren: In Ogni Sanii sono picture antique, et sancto Aug. di Do. G. et sancto Hiero. di Sandro. Richtig dagegen der Anonymus: Nella chiesa d'Ognisantj nel pilastro dinanzi al coro dipinse in frescho un Santo Agostino, al riscontro del San Girolamo, fatto a concorrenza con Domenicho del Grillandajo. Der Codex Petrei: et uno Santo Agostino in Ognisancti nel pilastro del coro dinanzi. Vasari III, SS. 258 u. 311. *) Wie heute noch im Dom zu Florenz ersichtlich, befand sich damals in zahlreichen Florentiner Kirchen der Priesterchor von Schranken rings umgeben in der Mitte des Vierung ; so z. B. in S. Maria Novella, wo Masaccios Dreieinigkeit den Lettner schmilckte; vgl. Vasari a. a. O. Richa, IV, S. 266. JO Der Augustin und stilistisch verwandte Werke. vor, die schmalcn von kurz geschorenem Bart umgebenen Lippen sind im Selbstgesprach leise geoffnct. Ein fein gefaltetes Chorhemd hullt die lange, hagere Gestalt ein, zum Teil verdeckt von dem roten Mantel, der, auf der Schulter zuriickgeschlagen, die orangegelbe Innenseite sehen lasst und, iiber die Kniee gelcgt, in breiten Falten zu Boden fallt. In der Handhabung der Freskotechnik zeigt der Kiinstler bei aller Harte bereits eine gewisse Sicherheit, wie sic nur langere Ubung mit sich zu bringen pflegt. Die Bildnisse der Teilnehmcr an der Pazziverschworung waren wahrscheinlich nur al secco auf den Mauergrund gemalt worden und boten keine Gelegenheit, sich in dieser Technik zu iiben. Es ist daher mSglich, dass Botticelli kurz zuvor, gerade in der Zeit, wo wir ihn mit mehreren Auftragen fur Lorenzo de' Medici beschaftigt finden, fur diesen die Wandmalereien im Spedaletto zu Volterra ausgefuhrt hatte, die von Vasari erwahnt werden, von denen jedoch nichts mehr erhalten ist 1 ). Die Farben beim Augustin sind klar und hell, im Inkarnat iiberwiegt ein grauer Ton, der in den Schatten ins Schwarzliche iibergeht. Die Konturen sind stark betont, die Finger- nagel scharf umrissen, die Nagelflachen hell beleuchtet. Dazu kommt eine scharfe und harte Modellierung der einzelnen Gesichtsteile, ein fast ubertriebenes Herausarbeiten des Knochen- gerustes in den Gliedmassen, eine ciselierende Behandlung der Haare, eine grosse Sorgfalt in der Ausfuhrung jeglichen Details: stilistische Merkmale, die bereits auf dem zuletzt genannten Rundbild in den Uffizien hervortraten und Sandros Arbeiten im Beginn der achziger Jahre charakterisieren. In der Formengebung ist eine Verwandtschaft mit den Werken der Pollajuoli, besonders mit Antonio, nicht zu verkennen. Von einem bestimmenden Einfluss dieses Kiinstlers auf Botticelli, wie ein solcher in jungen Jahren seitens Fra Pllippos und Verrocchios zu konstatieren war, kann hier bei dem voll entwickelten und in seiner Weise so bestimmt auftretenden Meister jedoch nicht die Rede sein. Antonio gait, wie bereits gesagt, unter den damaligen Kiinstlern fur den besten Zeichner und geschultesten Kenner menschlicher Form, und Sandro sucht sich deshalb an ihm zu bilden und seinem Beispiel nachzueifern. In der Auffassung ist der Augustin eine echt botticelleske Charakterfigur, durch und durch sein eigenes Gut. Hier zum erstenmale bricht seine Subjektivitat unbeengt hervor. Wahrend bei den Darstellungen aus der Geschichte der Judith, den Anbetungen der Konige, dem Sebastian das Dramatische der Handlung noch mit einer gewissen Scheu zuriickgedrangt wurde, findet jenes tief innerliche, oft bis zur hochsten Leidenschaft erregbare Seelenleben, das aus Sandros spateren, reifsten Schopfungen spricht, ihnen den unverganglichen Zauber der Personlichkeit leiht, hier seinen reinen Ausdruck. Die Gestalt des Kirchenvaters durchbebt bis in die Fusspitzen hinein eine gewaltige seelische Erregung, krampthaft presst er die Hand auf die Brust, um ihr Herr zu werden. Wie eine Vorahnung Savonarolas liegt in den vom Feuer der religiosen Begeisterung gepackten und leidenschaftlichem Selbstvergessen hingegebenen asketischen Ziigen, aus diesen Augen flackert ein nur mit Miihe gebandigter Fanatismus, der des geringsten An- stosses bedarf, um loszubrechen. Wer diesen Augustin schuf, der durfte mit Wonne Dante durch alle Qualen der Holle hinauf zur reinsten Seeligkeit folgen, musste dem prophetischen Bussprediger von San Marco aus vollem Herzen zujubeln. Eine Empfindung, wie sie den Kiinstler hier beseelt, packt ihn wieder, als er das himmlische Feuer auf die Haupter der auf- sassigcn Leviten niederfahren, als er die frommen Pilger an der Krippe von Engeln umarmen lasst. Aber sein Temperament ist jetzt noch geziigelt, noch kriimmt und windet sich der Korper nicht im Drang der Gefiihle, noch ist der Kopf wesentlich der Trager des Gedankens. Wie stiirmt und tobt es dagegen spater von der obersten Haarlocke bis zum untersten Gewandzipfel durch die ganze Gestalt, wie schiittelt den widerstandslosen Leib die iibermachtige Empfindung! Dieser Charakterzug Botticellis wird besonders bemerkbar, vvenn wir einen Blick auf die gegeniiberbefindliche Arbeit Ghirlandajos werfen. Auch sein Hieronymus ist eine ausserlich wohlgelungene Gestalt, geschickt in den engen mit Biichern, Schreibutensilien und Hausgeriit ') Das Spedaletto ist jetzt eine Porzellanfabrik des Fiirsten Corsini in der Nahe von Volterra. Von der von Domenico Ghirlandajo ebendort fttr Lorenzo de' Medici gemalten Darstellung der Schmiede des Vulkans sind Reste noch erhalten. Vas. Ill, SS. 258 u. 318. Das Fresko in Ognissanti. vollgepfropften Raum des Studio hineingesetzt, dessen Einzelheiten bis auf die Tintenspritzer am Schreibpult nach niederlandischem Muster *) und mit weit grosserer Sorgsamkeit als bei Botti- celli ausgefuhrt sind : aber ihm fehlt doch das, was der Augustin in so hohem Grade besitzt, das Lebensvolle der Personlichkeit. Der Kopf hat etwas Typisches, Ausdruckloses, die Gestalt ist zu unbelebt, sie wird von dem zahlreichen Detail beherrscht und kommt ids Hauptsache nicht recht zur Geltung. Der Hieronymus ist kein so charakteristischer Vertreter geistiger Arbeit wie der Augustin, seine Gedanken scheinen sich nicht iiber die Dinge dieser Welt hinaus erheben zu konnen. Schon hier offenbart sich klar der grundverschiedene Zug in Domenicos Kunst von der Sandros. Ghirlandajos Grosse liegt mehr in wohlabgewogener Komposition, edler einfacher Formensprache als in der Tiefe des Ausdruckes. Wo es sich darum handelt, grosse Massen im Raume anzuordnen, einen Vorgang lebendig und zugleich monumental dar- zustellen, ist niemand besser am Platze als er. Keiner seiner Zeitgenossen, ja kaum einer seiner Nachfolger, hat der Berufung des Petrus und Andreas, der Vertreibung Joachims aus dem Tempel, der Geburt Mariae oder Johannes etwas Gleiches an Grosse der Auffassung, Hoheit der Formen, Einfachheit der Darstellung zur Seite zu stellen ; aber sobald es heisst, Momente der Erregung und Leidenschaft wiederzugeben, Seelenzustande zu schil- dern, versagt seine Kraft, wie der Unter- gang Pharaos im roten Meer und der Kindermord beweisen. Auch der Hiero- nymus entbehrt des Stempels einer aus- gepragten Individuality, der dem Augustin eigen ist, und darum mussen wir Botti- celli in anbetracht des hier Geforderten den Preis zuerkennen. Noch einmal hat Sandro den gleichen Gegenstand zum Vorwurf eines Gemaldes gemacht. Diesmal jedoch in kleinstem Masstab auf einem Tafelbildchen. Der Augustin in der Studierstube in den Uffizien(Nr. 1179) ist Fra Filippo, dem er dort bis ganz vor kurzem zuge- schrieben wurde, endlich genommen und seinem Schiller zurtickgegeben worden. Sandro Botticelli. Augustinus, Wandgemalde in Ognissanti, Florenz. ') Schwarsow, Melozzo da Forli, ist der Ansicht, dass Ghirlandajo zu der Darstellung des Heiligen in einer mit allerlei Hausrat ausgestatteten Studierstube durch den hi. Markus des Melozzo da Forli in S. Marco in Rom veranlasst worden sei, den er bei seinem 1475 au ^ *476 zusammen mit seinem jiingeren Bruder Davide behufs Ausmalung einiger Raume in der von Sixtus IV. eingerichteten Bibliothek des Vatikan stattgehabten Aufenthalt in der ewigen Stadt gesehen hatte. Dies ist mbglich, und von Ghirlandajo hatte dann Botticelli die Komposition iiberkommen. Allerdings ist die Ausftihrung des zahl- reichen Beiwerkes auf Ghirlandajos Bilde, wie der Dosen und Flaschen, Schachteln, Biicher, Blatter und Papierschnitzel, der Scheere und Brille, des Lichtes und Lineales, der einzelnen Holzfasern des Pultes, der Franzen der reich gemusterten Tischdecke so im Geschmack damaliger niederlandischer Kunst, dass man geneigt ist, zu glauben, eine Darstellung ahnlichen Inhalts der Eycks oder ihrer Richtung hatte zum Vorbild gedient. Man braucht bloss an Stilcke wie den vermutlich auf ein Original des Hubert van Eyck zurttckgehenden Hieronymus im Gehaus im Museum zu Neapel oder wie die aus mediceischem Besitz stammende Madonna Memlings in den Uffizien zu erinnern. Folgt Ghirlandajo doch in der 1484 fur die Kapelle Sassetti in S. Trinita gemalten Anbetung der Hirten in gewissen Einzelheiten deutlich dem Vorbilde des Hugo van der Goes auf dessen fur Portinari gemalten grossen Altarwerk in S. Maria Nuova. Eine gleich sorgsame Wiedergabe der Blumen und des Teppichs findet sich auf zwei frtihen Madonnenbilder Domenicos im Musde Wicar zu Lille und bei Mr. Salting in London. 7 2 Der Augustin und stilistisch verwandte Werke. Auf die Urheberschaft des Frate verfiel man wohl ausschliesslich wegen der Uberlieferung Vasaris, dass jener ein sehr schemes kleines Bildchen mit einem hi. Augustin gemalt habe. Man blickt bei zuriickgeschlagenem Vorhang in das von einem steinernen, mit Madonnen- rolief und antiken Portriitkopfen gezierten Bogen abgeschlossene Studio des Kirchenvaters, der diesmal in voller Vorderansicht schreibend am Pulte sitzt. Er neigt den fast kahlen, weiss- bartigen Kopf ein wenig auf die rechte Seite und schaut emsig in sein Buch. Uber einer schwarzen Kutte tragt er einen roten goldigschillernden Mantel mit blauem Besatz und griinem Kragen. Diese Schillerstoffe , die rotlichbraune Fleischfarbe , die schmalen lang geformten Hande, die etwas unruhigen Faltenmotive, die Anbringung braunfarbiger goldgehohter Reliefs auf steinernem Grund sind stilistische Merkmale, welche das Bildchen mit ahnlich fein ausgefuhrten kleinen Stiicken wie der daneben hangenden Allegorie der Verlaumdung, einem Madonnenbildchen bei Mr. Heseltine in London und der Geburt Christi vom Jahre 1500 in der National Gallery teilt, und die seine Entstehung in die spatere Zeit Sandros etwa in die zweite Halfte der achziger Jahre oder in den Beginn der neunziger Jahre verweisen. Unseren Biographen ist von einem Augustin Botticellis in kleinem Format nichts bekannt, wohl aber von einem kleinen Hieronymus, welchen der Anonymus als ein ganz besonderes Werk hervorhebt 1 ). Vermutlich bezieht sich die Notiz auf die kleine »Komm union des Hiero- nymus« im Besitze des Marchese Farinola, des Erben des Marchese Capponi zu Florenz, von der sich Repliken in der GalerieBalbi zu Genua und bei Sir William Abdy in Paris 2 ) befinden. Der greise Asket kniet, von zwei Monchen gestiitzt, vor dem Altare und empfangt das Sakrament aus den Handen eines Priesters, dem zwei andere assistieren. Uber dem Altare erscheint der gekreuzigte Christus. Es ist ein fein empfundenes, sorgsam durchge- fiihrtes Bildchen, etwa aus der gleichen Zeit wie das eben besprochene. Zu erwahnen ist in diesem Zusammenhange noch eine Botticelli zugeschriebene S i 1 b e r- stiftzeichnung eines sitzenden Kardinals, vermutlich eines Hieronymus, in der Sammlung der Uffzien (Rahmen 57, Nr. 193). Obwohl Morelli gerade dieses Blatt als charakteristische Probe von Sandros Zeichenweise zum eingehenden Studium empfiehlt 3 ), so scheint mir dessen Autorschaft im Gegenteil mehr als fraglich. Wer die Zeichnungen zum Dante kennt, wird hier vergeblich die dem Meister eigene sichere Strichflihrung und geniale Behandlungsweise suchen. Die Um- risse sind hart und unbelebt, die Gewandung ist holzern und ohne den Botticelli eigenen Schwung, die Arme sind zu kurz geraten, die Hande zeigen in ihrer karrikierten Gespreiztheit eine schwach- liche Nachahmung der dem Meister selbst gelaufigen Formen. Wenn auch aus der Reihenfolge an sich, in der Vasari die Werke der Kiinstler auffuhrt, kein Schluss auf ihre Entstehungszeit zu Ziehen ist, so hat der Biograph doch bei dem Bilde der Kronung Maria fur San Marco bewusst oder unbewusst das Richtige getroffen. Er fahrt namlich nach Erwahnung des Augustin in Ognissanti fort: »Durch dieses Werk erwarb sich der Kiinstler Ruf und Ansehen, so dass ihm von der Arte di Porta Santa Maria (der Zunft der Seidenwirker) der Auftrag ward, fur San Marco eine Kronung unserer Frauen in einem Chor von Engeln zu malen, die er auch sehr gut entworfen und ausgefiihrt hat« 4 ). Diese hohe oben abgerundete Tafel befindet sich ietzt in der Akademie zu Florenz (Sala II del Botticelli, Nr. 47). Auf blumiger Au vor breitem Gewasser stehen vier Heilige, ihre Aufmerksamkeit dem Vorgange weihend, der sich zu ihren Hauptern in Himmelshohen abspielt. Zu ausserst links Johannes der Evangelist. Der Korper ist wenig bewegt, aber das von dichtem weissem Locken- haar und machtigem langherabwallendem Bart umfiossene Antlitz wendet er in tiefer Erregung hinauf, die Linke ist halb in Erstaunen halb in Beteuerung erhoben, die Rechte halt sichtbar die ') Et fece assaj opere piechole bellissime et infra l'altre un San Girolamo, opera singulare. Desgl. der Codex Petrei: Fecie piu quadri di cose pichole et infra l'altre uno Santo Girolamo. 2 ) Nach einer Mitteilung des Herrn Director Bode. Vgl. Cicerone 6. Aufl. Ill, S. 570. *) Die Galerie Borghese etc., S. 112. Braunlich grundiertes Papier, 0,245x0,125 m. 4 ) III, S. 312. Albertini: Lascio stare la tavola di frate Bartolomeo ord. pred. et quella di Sandro. Der Anonymus: Nella chiesa de frati di san Marcho e di sua mano una gran tauola allato alia porta della chiesa. Der Codex Petrei: una tauola in S^ Marcho allato alia porta della chiesa a mano sinistra. Sandro Botticelli Akademie, Florenz DIE KRONUNG DER MARIA Die Kronung der Maria ftir S. Marco. n 3 aufgeschlagene Offenbarung. Den machtigen , knochigen Korper umgiebt ein einfaches blaues Gewand, das, bis an die Knochel reichend, die nackten Fiisse freilasst. Uber die linke Schulter ist der rote Mantel geworfen, der, unter dem rechten Arm durchgezogen, in breiten Massen am rechten Bein herunterfallt ; eine Manteldrapierung, die wegen der wuchtigen Faltenmotive von Sandro mit Vorliebe bei monumental wirkenden Figuren angewendet wird. Rechts daneben, um einen Schritt zuriick, steht Augustinus in bischoflichem Ornat. Fr hat keinen Blick tibrig fiir die Erscheinung in der Hohe, seine Aufmerksamkeit konzentriert sich vielmehr auf das Niederschreiben des Vorganges, er will der Menschheit Bericht hinterlassen von den hochsten Greheimnissen der Religion, deren gelehrter Verteidiger er ist. Es sind ahnliche Zuge wie auf dem Fresko in Ognissanti, nur der Bart ist etwas voller, die ganze Erscheinung etwas jugendlicher aufgefasst als dort. Neben ihm, ein wenig ihm zugewendet, Hieronymus in Kardinals- tracht. Das bartlose, von vielen Kasteiungen und Entbehrungen abgemagerte Antlitz ist nach oben gewendet, inbriinstig schaut er hinauf, aus den Augen flackert es von heiliger Begeisterung, die Rechte Hegt beteuernd auf der Brust, in der Linken halt er ein Gebetbuch. Zu ausserst rechts auf einer Linie mit Johannes steht S. Eligius, der besonders in Florenz vielverehrte Schutz- patron der Schmiede. Er erscheint hier als der Vermittler zwischen der glaubigen Gemeinde und der himmlischen Erscheinung: den Blick seitwarts auf uns gerichtet, weist er mit der segnenden Rechten nach oben , wo in Himmelshohen die Jungfrau gekront wird. Inmitten einer aus weissen und roten Cherubkopfen gebildeten Mandorla, von goldigem Glanze umstrahlt, thront auf leichtem Wolkensitz Gottvater mit bis auf den Gurtel herabwallendem Bart, die Tiara auf dem tiber die Schulter fallenden silbervveissen Haupthaar. In der ausgestreckten Linken halt er die schmale feingegliederte Krone, die erhobene Rechte spendet den Segen uber der vor ihm in keuscher Ergebenheit sich neigenden Maria. Um sie herum schlingt sicl; der holdeste Reigen zarter Engelknaben, in vollendeter Anmut schwebend und schwingend. Wohl selten ist der Rythmus des Tanzes vollendeter zum Ausdruck gebracht worden als in diesem Auf- und Niederneigen, diesem Vor- und Riickwartsschweben der von duftigen, flatternden, in alien Regenbogenfarben schillernden Gewandern umspielten zarten Wesen, halb J tingling halb Jungfrau. Wie stiirmen sie hervor hinter der gleich einer Wolkenwand sich aufbauenden Cherubglorie, den feurigen Blick fest auf die Auserwahlte des Herrn gerichtet, voll Eifer, so oft wie moglich den Reigen um sie zu schlingen. Zwolf an der Zahl sind es, die sich dem Auge darbieten, die iibrigen werden von den Gestalten Gottvaters und Marias verdeckt, aber zwischen den Wolkenstreifen wird hie und da noch ein leicht g'ehobener Fuss sichtbar, genug', um die ganze Figur daraus sich erganzen zu konnen. Eine reiche Mannigfaltigkeit, eine be- wunderungswiirdige Abwechslung herrscht bei ihnen vor. Keiner ist dem anderen gleich, iiberall eine andere Bewegung, eine gesteigerte Wendung des Korpers, bald ein Vorneigen bald ein Zuriickwerfen des von langem Lockenhaar umspielten Hauptes; stets ein neues Ge- wandmotiv, hier ein vom Wind geschwelltes dort eine lose fiatterndes Kleid. Mit grosster Sorgfalt ist jede Falte durch die Bewegung der Glieder begriindet, jeder Saum mit staunens- werter Feinheit gekrauselt. Die Luft ist erfullt von roten und weissen Rosen, die mit vollen Handen vier Knaben ausstreuen, je ein Paar auf jeder Seite. Mit treffender Charakteristik sagt ein feiner Kenner der italienischen Renaissance mit Bezug auf dieses Bild: La pittura toscana aveva un altissimo senso della bellezza primaverile, un vivissimo amore per i fiori. Mentre gli Umbri movono i cuori divoti a meditazione innanzi alle semplici composizioni religiose, i Veneziani vi profondono un lusso orientale di musaici, d'oro e di frutta splendenti, e i Ferraresi arricchiscono i troni delle Sante Vergini di gemme, di metalli, di marmi, Firenze sparge fiori nelle pitture sacre con le mani degli Angioli. L'arte fiorentina e tutta un incanto di primavera, tutta olezzante di gelsomini e di rose 1 ). Jul. Meyer ist der Ansicht, die Kronung der Maria sei gleichzeitig mit der Anbetung der Hirten vom Jahre 1500 in der National Gallery entstanden; so verwandt, so iibereinstimmend erscheinen ihm beide Darstellungen 2 ). Ich kann ihm darin durchaus nicht beipflichten. Die ') A. Venturi, La primavera nelle arti rappresentative, Nuova Antologia, terza serie, Vol. XXXIX 1892, S. 47. -) Jahrb. d. k. preuss. Kstslg. XI, S. II. Ulmann, Botticelli. Tn j a Der Augustin und stilistisch verwandte Werke. sorgsam gezcichnetcn, auf das genaueste durchmodcllicrtcn Gestaltcn auf dcr Kronung in ihrer gemcssenon Bewegung, die von jeder Wendung des Korpers Rechenschaft ablegendo Gewandung der Engel stehen in direktem Gegensatz zu jenen manadenhaft dahintaumelnden Engeln dort, deren wild bewegte Kleider lose nach alien Himmclsrichtungen wehen. Wo findet man in jener spaten, von religiosem Fanatismus erfullten Schaffensperiode Botticellis eine solch bescheidene, ausschliesslich durch den Augenblick bedingte Xeigung des Korpers wie hier bei der Maria, solch schlichte, in grossen Massen herabfallende Gewandung wie bei ihr und Gottvater, von den bis in die einzelnen Barthaare und jede Fingerspitze mit peinlichster Sorgfalt durchgearbeiteten ruhig dastehenden wuchtigen Heiligengestalten nun ganz zu schweigen? Dagegen stelle man letztere mit dem Augustin in Ognissanti zusammen. Ohne auf die grosse Ahnlichkeit der Typen Gewicht zu legen, schlagende Ubereinstimmung in der Durchbildung des Einzelnen: in den scharf gezogenen Konturen, der sorgsamen aber harten Modellierung der Kopfe, den wie in Bronze ciselierten Barthaaren, der Bildung und Bewegung der Hande, dem gelblich grauen Inkarnat mit schwarzlichen Schatten, den breit und gross gehaltenen Gewandern. Und, um auf Einzelheiten einzugehen, vergleiche man den Kopf des Eligius in seiner Behandlung mit dem des Augustin auf dem Fresko, den rechten Arm und die rechte Hand des Hieronymus mit der gleichen Handhaltung dort, die linke das Buch haltende Hand des Augustin hier mit der das Tintenfass haltenden seines Doppelgangers, — beiderseits die glciche Zeichnung, die namlichen Formen. Sollten diese Beweise fur die Entstehung des Werkes um 1480 noch nicht geniigen, so vergleiche man den Madonnentypus hier mit dem auf den bekanntesten Rundbildern, und man wird finden, dass er auf der Kronung noch mehr die aus den friihern Bildern bekannten an Fra Filippo und Verrocchio gemahnenden rundlichen Formen zeigt, wahrend spater ein gestreckteres Oval vorherrschend ist, wobei besonders die Nase langer und an der Kuppe breiter gebildet wird. Und noch einen Grund fur die Annahme der relativ friihen Entstehung unseres Bildes. Im Kabinet der Uftizien (Rahmen 53, Nr. 192) befmdct sich die Federzeichnung zu dem zu ausserst rechts aufwarts schwebenden Engel 1 ). Die sorgsame Ausfuhrung und etwas angstliche Linien- fiihrung weist das Blatt im Gegensatz zu den frei behandelten Zeichnungen zum Dante in die friihere Zeit des Meisters. Schon etwas spater ist die Federzeichnung der drei schwebenden aus einem Buche singenden Engel ebenda (Rahmen 55, Nr. 1 87) 2 ) entstanden, wie die flackernden Lichter auf den Gewandern, die geschwungenen und vertieften Falten beweisen. Zu welchem Zwecke diese Engelgruppc entworfen wurde, lasst sich nicht sagen , da sie auf keinem Bild Sandros nachzuweisen ist. Des verwandten Gegenstandes wegen sei sie hier erwahnt. Verglichen mit den verschiedenen Darstellungen desselben Gegenstandes von Fra Filippo Lippi bietet Botticellis Schopfung einen bedeutenden Fortschritt in der Komposition. Auf den Bildern jenes Meisters im lateranensischen Museum, ursprunglichfur Carlo Marsuppini gemalt, und in der Akademie zu Florenz vom Jahre 144 1, findet die himmlische Handlung auf einer mit Pilastern verzierten wohlgefugten Thronestrade inmitten eines feierlichen Hofstaates von Engeln statt, in einer das voile Geprage des Irdischen tragenden Raumlichkeit. Den Eindruck der wcltlichen Ceremonie vervollstandigen dort die an den Thronstufen knieenden in ein und demselben Raume mit der Gottheit befindlichen Stifterfiguren, hier das Bikinis des Ktinstlers. In dcr Apsis des Domes zu Spoleto zeigt uns Fra Filippo den Vorgang allerdings in der Hohe, aber der schwere Thron Gottvaters, die ruhig dastehenden Engel, die zahlreichen auf Wolken knieenden Heiligen- gestalten widersprechen trotzdem dem Gcfiihl der unbegrenzten Weite, des Uberirdischen, das wir vor dergleichen Vorgangen in himmlischon Spharen zu empfinden verlangen. Botticelli dagegen erreicht in seinem Bilde diesen Eindruck , indem er das Geschehnis zeitlos, als Vision darstellt. Unten auf dcr Erde stehen als Reprasentantcn der Menschheit die vier heiligen Manner, da reisst zu ihren Hauptern der Wolkenschleier entzwei und ihrem entziickten Auge zeigt sich ewig, unvergilnglich Gottvater mit der Jungfrau im Kreise der himmlischen ') Gelbliches I'apier, Feder und Pinsel, 0,193x0,212. 2 ) Rotlich getontes Papier, 0,105x0,225. Sonstige Darstellungen der Kronung Maria. Das Bikl fur Matteo Palmieri. j r Heerscharcn. Auf einer fast gleichzeitigen Darstellung desselben Gegenstandes in San Gimignano (1483) verwischt Piero del Pollajuolo den Eindruck des Visionaren wieder dadurch, dass er die Heiligengestalten nicht abgesondert von der Gottheit auf Erden darstellt, sondern zusammen mit ihr, ahnlich wie Fra Filippo, auf Wolken knieend in himmlischen Hohen. Die vollendete Losung des von Botticelli hier gestellten Problemes hat spater Raffael in der Disputa und der Madonna di Fuligno gefunden. Die zu der Kronung der Maria gehorige Pr e del la befindet sich jetzt von ihr getrennt ebenfalls in der Akademie (Nr. 49). Die fiinf daselbst dar gestellten Scenen stehen in engstem Zusammenhang mit den Gestalten des Hauptbildes. Zu iiusserst links sehen wir Johannes auf Patmos mit der Abfassung der Offenbarung beschaftigt. Eine verwitterte Greisengestalt, in sich gekauert sitzt er da auf kleinem Eiland, das einzige lebende Wesen zwischen hochgettirmten Felsen und der Weite des Meeres. Daneben blickt man in ein Studio, woselbst Augustin am Schreibpult sitzend in tiefer Ergebenheit zu den goldenen Strahlen aufschaut, die durch die Thiir zu ihm hereindringen. In der Wirkung des in den dammrigen Raum einfallenden Lichtes ist dieses Bildchen von hohem koloristischen Reiz , ebenso die daneben befindliche ebenfalls im Innern eines Zimmers spielende Verkiindigung. Daneben kniet Hieronymus in felsiger Einode vor dem Kruzifix, die entblosste Brust den Schlagen des Kieselsteines preisgebend. Den Ab- schluss bildet S. A16 in der Schmiede, wo er den abgeschnittenen Huf beschlagt 1 ). Ahnlich in der Komposition, aber an Figuren reicher ist eine grosse Kronung der Jungfrau, die aus der jetzt zur Artillcriekaserne umgewandelten Kirche S. Jacopo diRipoli nach dem Convento La Quiete bei Florenz gebracht worden ist. Auch hier wird die obere Halfte der Tafel von der inmitten musizierender Engel knieenden Maria eingenommen, wahrend unten an Stelle von vier Heiligen deren achtzehn stehen. Unter ihnen erkennt man Johannes, Petrus, Antonius, Bartholomeus, Ludwig, Franz, Bernhardin, Paulus, Jakobus, Sebastian, Magdalena und Katharina. Ist die Komposition auch im Stile Botticellis und lasst an Ghirlandajo, dem das Bikl von Richa zugeschrieben wird 2 ), nicht denken, so ist die Ausfuhrung doch fiir ersteren zu schwach. Morelli und der Cicerone sprechen es mit Recht entgegen dem Urteil von Crowe 11 nd Cavalcaselle, die es fiir eine sorgfaltige Arbeit aus Botticellis guter Zeit halten, diesem selbst ab und weisen es einem seiner Nachahmer zu 3 ). Zu einem gleichen Urteil gelangt man auch gegeniiber einer gegenstiindlich verwandten arg mitgenommenen Darstellung mit vier Heiligen in der Sakristei der Badia von Vol terra 4 ). Ebenfalls wesentlich Schulausfiihrung soil eine grosse Liinette mit der Kronung Maria, zur Seite zwei Engel, beim Marquis of Lothian in Newbattle Abbey in Schottland sein 5 ). In diesen Kreis von Darstellungen gehort auch ein Bild, das zwar nicht die gleiche, so doch eine verwandte Scene aus der Mariengeschichte behandelt. Die von der National Gallery 1882 aus der Hamiltonsammlung erworbene Himmelfahrt der Maria (Nr. 1126) ist gut beglaubigt, daher stets fiir ein Hauptwerk Botticellis gehalten und dementsprechend auch bezahlt worden. Das Bild hat eine interessante Geschichte, und so ist ihm mehr Aufmerksam- keit und Bewunderung zu Teil geworden , als es seinem Kunstwerte nach verdient. Es war, wie Vasari, Baldinucci und Richa erzahlen, von dem als florentinischen Gesandten am Hofe *) vgl. Ilg, D.e Bedeutung der St. Eligiuslegende fiir die Kunstgeschichle, in den Mitteilungen der k. k. Zentral- kommission, Bd. XIX, S. 179 ff. 2 ) Chiese fiorentine, IV, S. 305, vgl. auch Kollini, Firenze antica e moderna illustrata, vol. VII, cp. VIII, S. 109. 3 ) Lennolieff, Die Galerien Borghese etc. S. 109; Crowe u. Cavalc. Ill, S. 170. Die von Rio, L'art chretien II, S. 401, Botticelli zugeschrieb;nen beiden Heiligenliguren zu seiten des Sebastiansaltares in S. Maddalena de' Pazzi zu Florenz gehoren Raffaelino del Garbo an, wie schon Richa richtig tiberliefert. 4 ) Crowe u. Cavjlc. Ill, S. 171. h ) Nach einer Mitteilung des Herrn Direktor Bode. Eine Kronung Maria ebenfalls in einer Lunette befand sich auf der Ausstellung alter Meister aus Privatbe 3 itz in Edinburg 1S83. Sie ging dort unter Fra Filippos Namen, ist aber nach dem Urteil J. P. Richters (Kunstchronik 1883, S. 763) eine eigenhandige Arbeit Botticellis »voll Eeben und Feuer.« Richter schliesst besonders aus der Zeichnung der Hande auf eine Jugendarbeit Sandros. Die ebenda unter Botticellis Namen vora Marquis of Lothian ausgestellten zwei Rundbilder halt Richter nur fiir unbeholfene Schiilerwerke. Vgl dagegen J. M. Gray in The Academy v. 7. Juli 1883, S. 14. 10* 76 Der Augustin unci stilistisch verwandte Werke. Alfons von Neapel beschaftigten und als Dichter und Gelehrten bekannten Matteo Palmieri fur seine Familienkapelle in S. Pioro Maggiore bei Botticelli bestellt worden. Bostatigt wird die Nach- richt durch das auf dem Bilde angebrachte Stifterportrat Palmicris, dcssen Ziige aus der bezeich- neten Bi'isto des Antonio Rossellino im Bargello bekannt sind. Nur kurze Zeit erfreute sich das Gemalde des Ehrenplatzes auf dem Altare der Kapelle. Palmieri hatte in seinen spateren Jahren ein umfangreiches religios-mystisches Gedicht »La citta di Vita* verfasst, worin cr in Nachahmung der Gottlichcn Komodie unter Fiihrung der Kumaischen Sibylle eine Wanderung durch die Elyseischen Gefilde nach dem Himmel unternimmt. Nach seinem Tode (1475) wurde diese Dichtung, die zu seinen Lebzeiten nur im engsten Freundeskreise zirkuliert hatte, von einigen Ubelwollenden der Geistlichkeit in Florenz denunziert. Man wollte darin eine von der Kirche als ketzeriseh verdammte Ansicht des Origines iiber die Natur der bei der Emporung Lucifers neutral gebliebenen Engel finden , das Gedicht ward beschlagnahmt, das Bild, worin Botticelli den dort ausgesprochenen Gedanken Gestaltung verliehen haben sollte, verhangt, und die Kapelle, wo es sich befand, geschlossen. Nachdem man des Langeren iiber die Schuld oder Unschuld des toten Palmieri mundlich und schriftlich gestritten und die peinliche Angelegenheit, wie uns Richa 1 ) versichert, auch ausserhalb Italien viel Staub aufgewirbelt hatte, wurde das Ge- dicht von der Inquisition der Anschuldigung der Ketzerei freigesprochen, Bild und Kapelle der Offentlichkeit zuruckgegeben. Auch Botticelli war somit von dem auf ihm lastenden Vorwurfo der Teilnahme an der Haresie gereinigt. Spater kam das Gemalde , das nach Baldinuccis Zeugnis durch die ihm zugefugtcn Unbilden sehr gelitten hatte, nach der Villa Palmieri, von wo es nach dem Tode des letzten Spross dieser Familie nach England verkauft wurde. Im unteren Teil des Bildes sind die Apostel um den mit Lilien erfullten Sarkophag versammelt, der in weiter Landschaft, mit dem Blick auf Florenz und Prato, steht. An den beiden Enden kniet der Stifter und sein Weib. In der Hohe beugt sich die Auferstandene vor Christus, in Mitte einer von Engeln, Patriarchen, Propheten, Aposteln, Evangelisten, Martyrern, Kirchenlehrern und heiligen Jungfrauen gebildeten Glorie, die in zwei Zonen von je drei iibereinander befindlichen Reihen sitzend angeordnet sind. Die Engel jeder einzelnen Reihe unterscheiden sich von denen der anderen durch die Farbe der Gewander unci die ihnen beigegebenen Attribute. Trotz der ausfuhrlichen Beschreibung des Bildes und seiner Schicksale von der Hand der erwahnten Gewahrsmanner, trotz des hohen Lobes, das Vasari seiner Vollendung spendet, hat sich die neueste Kritik dennoch ablehnend gegen die Autorschaft Botticellis verhalten, und wie ich glaube, mit vollem Recht. So geschickt die Komposition, so abwechslungsreich die Bewegung der zahlreichen Figuren ist, das Ganze entbehrt doch durchaus des feinen Geistes, der Sandros eigenhandige Werke auszeichnet. Auch unter Beriicksichtigung der dem Bilde zugefiigten Un- bilden, auch unter Annahme umfassender Restaurationen lasst sich die holzerne Behandlung der Kopfe, die Harten in der Gewandung, die stumpfe, branstige Farbung nicht mit seiner Weise in Einklang bringen. Eine Vergleichung des Gemaldes mit der inhaltlich sehr ahnlichen Zeichnung zum XXVIII. Gesang des Paradiso im Dantekodex zu Berlin zeigt klar und deutlich, welch ganz andere Freiheit und Zierlichkeit in der Bewegung, welch ganz anderes selisches Leben Botticellis Gestalten besitzen. Bode hatte vollkommen Recht, als er es entgegen dem Urteile der Verfasser der Geschichte der Italienischen Malerei Sandro selbst absprach und einem der Werkstatt Ver- rocchios nahestehenden Kunstler zuwies, dessen stilistische Eigenart cr auch in der »Vierge glorieuse« im Louvre, in dem »Rossialtar« und der Kronung Maria im Berliner Museum und dem »Ruccellai- altar« in der Nationalgalerie zu London erkannte 2 ). Der Typus der Engel, die Mannerkopfe, die Gewandbehandlung stehen auf unsercm Bilde Verrocchios Art nilher als Botticellis, in einzelnen Frauengestalten, besonders in der Maria, ist dagegen eine Verwandtschaft mit Fra Filippos und Sandros Gebilden wieder nicht zu verkennen. Schmarsow hat diesen Kunstler fur identisch erklart mit Francesco di Giovanni Botticini (1446 — M97)' welchem urkundlichen Zeugnisses zufolge am ') Vol. I, S. 154. ') Bode im Jahrb. d. k. preuss. Kuns'.slg. Ill, 24 ((., und Italienische Bildhauer der Renaissance, S. 142 ff. Die vierge glorieuse No. 347 unter Cosimo Rosselli, die Bilder in Berlin No. 70 A und 72, der Ruccellaialtar No. 227 unter Cosimo Rosselli vgl. Crowe u. Cavalc. Ill, S. 166. Francesco Botticini. Der grosse Kupferstich der Himmelfahrt Maria. -,n 28. Marz 1484 von der Compagnia di S. Andrea della Veste Bianca zu Empoli der jetzt in der Kollegialkirche daselbst befindliche Andreasaltar iibertragen wurde 1 ). Genaue Vergleichung der wohlerhaltenen Einzelgestalten des Andreas und Johannes des Taufers dort mit der Himmel- fahrt Maria und den verwandten Bildern bestatigt die Richtigkeit dieser Annahme. Moglich, dass Vasari bei den fast ubereinstimmend lautenden Namen beide Kiinstler verwechsclte und dem bcriihmteren Meister zuwies, was Eigentum des geringeren Genossen war. Dasselbe Versehen begegnet ihm wieder bei Erwahnung der beiden En gel, die sich zu Seiten des dem Andreasaltar gegentiber befindlichen Sebastians von Antonio Rossellino in der gleichen Kirche zu Empoli befinden und ebenfallsein Werk Botticinissind. Auch dasunter Botticellis Namen gehende Bild mit Tobias und einem Engel in der Akademie zu Florenz (Nr. 20) zeigt die eharakteristischen Merkmale jenes Kiinstlers. Es ist eine fast getreue Wiederholung der Mittelgruppe aus Verrocchios grossem Gemalde ebenda und liefert einen schlagenden Beweis fur die Abkangigkeit Botticinis von diesem Meister. Vielleicht hat Botticelli in der That den Auftrag zu einer Himmelfahrt Maria von Palmieri erhalten, jedoch nur die Komposition selbst entworfen, die Ausfiihrung dagegen Botticini iiberlasscn. mit dem er, wahrscheinlich aus Verrocchios Werkstatt her bekannt , in den siebziger Jahren gemeinschaftlich zusammcnarbeitete 2 ). Die grosse Verwandtschaft der Kunst Botticinis mit der Botticellis spricht fiir solch ein engeres Verhaltnis zwischen beiden 3 ). Das Todesjahr Palmieris giebt den spatesten Termin fiir die Entstehung des Bildes in London. Vasari berichtet ferner, Botticelli habe auch im Dom zu Pisa in der Capella dell' Impagliata eine Himmelfahrt der Jungfrau mit einem Chor von Engeln begonnen, das Werk aber, weil es ihm nicht gefallen, unvollendet gelassen 4 ). Wahrscheinlich ist uns diese Komposition in dem grossen aus zwei Platten zusammengesetzten Kupferstich (B. XIII. 86, No. 4. Pass. V. 42, Xo. 100, Koll. No. 38) erhalten, dem einzigen mix bekannten florentinischen Stich, den ich, was Erfindung und Zeichnung anbelangt, mit annahernder Bestimmtheit fiir Botticelli in Anspruch nehmen mochte. In der unteren Halfte sind die Apostel ura den leeren Sarkophag versammelt, im lebhaftesten Ausdruck hochsten Erstaunens und hingebender Begeisterung zu der Auferstandenen emporblickend, die von singenden, Lilienzweige haltenden Engeln emporgetragen, dem auf einem Felsabhang knieenden Thomas den Giirtel herabreicht. Musizierende Knaben, je vier zu beiden Seiten, umschweben die Gottesmutter. Im Hintergrund erblickt man eine naturgetreue Ansicht von Rom. Bartsch erwahnt das Blatt unter den unbekannten Stichen des 15. Jahrhunderts und findet in der technischen Behandlung Ahnlichkeit mit den Kupferstichen des Nicoletto da Modena, Ottley halt es wegen der stilistischen Ubereinstimmung mit Zeichnungen und Gemalden Botticellis fiir einen eigenhiindigen Stich dieses Meisters, Passavant nennt es ebenfalls ein von ihm gezeichnetes und gestochenes Hauptwerk; Kolloff 5 ) dagegen findet die Gestalten der Apostel so roh und plump, ihre Stellung und Geberden so iibertrieben heftig und im einzelnen so karrikaturartig, Hande und Fiisse so schwach und plump gezeichnet, dass er darin nichts von dem feinen Geist Sandros erkennen kann. Vielmehr sieht er in den »gemeinen Charakteren der Kopfe und der Ausfiihrung des Stiches« eine auffallende Verwandtschaft mit dem grossen Stich des Abendmahles. (Pass. V. 46. No. 114). Kolloffs hartes Urteil scheint mir durchaus ungercchtfertigt. Keiner der zeitgenossischen florentinischen Kupferstiche kann sich mit dem ') Das urkundliclie Material tiber Francesco Botticini und seinen Sohn Raffaello zusammengestellt von Milanesi im Anhang zur Vita des Raffaellino del Garbo, Vas. Opp. IV. ! ) Frizzoni a. a. O., S. 242, schreibt das Bild ebenfalls Botiicelli ab und halt es von der Hand eines schwacheren, an Verrocchio sich anschliessenden Nachfolgers Sandros, wobei er unentschieden lasst, ob dieser Botticini ist; J. P. Richter, a. a. O, S. 28, spricht sich nicht bestimmt tiber die Echtheit aus, neigt aber ebenfalls mehr dazu, in der Ausfiihrung die Arbeit eines Schulers oder Nachahmers Botticellis zu erkennen. 3 ) Ich gehe hier nicht weiter auf die kiinstlerische I'ersbnlichkeit Botticinis ein, da ich beabsichtige, an anderem Orte ausfiihrlicher iiber ihn zu handeln. 4 ) III, S. 322 : e nel duomo di Pisa, alia cappella dell' Impagliata, comincio un' Assunta con un coro d'Angeli , ma poi, non gli piacendo, la lascio imperfetta. 6 ) Meyers Kiinstlerlexikon unter Baccio Baldini, S. 610. 78 Der Augustin unci slilistisch verwandle Werke. unsrigen an Macht und Grdsse der Erfindung messen, auch nicht an Grosse des Formates, wobei vor allem nicht vergessen wcrden darf, was fur tochnische Schwierigkeiten damals die Ausftihrung solch grosser Platten mit sich brachte. Und dann ist die Technik in keiner Beziehung geringer wie bei den in einer ahnlichen »breiten Manier« gestochcnen Blattern der Sundrlnt (Pass. V. 6. No. 71, Koll. No. 1), der ehernen Schlange (Pass. V. 6. No. 93, Koll. No. 2), des tempi inn Salomonis (Pass. V. 6. No. 95), David und Goliath (Pass. V. 6. No. 94), u. a. m. Nur die Strichfiihrung ist der Grosse der Figuren entsprechend fester, breiter und harter ! ). Ob Botticelli selbst, von dem Vasari ja die Beschaftigung mit dem Kupferstich iiberliefcrt, dieses Blatt gestochen, was angesichts der eine grosse Ubung bedingenden Grossenverhaltnisse und anderer technisch sehr ahnlicher formal aber abweichender Stiche hochst unwahrscheinlich ist; ob Vasaris mythischer Baccio Baldini auch hier seine Hand im Spiel hat, kann ich nicht entscheiden. Doch spricht schon die Botticelli sonst fremde getreue Wiedergabe einer Stadtansicht mit antiken Bauten im Hintergrund fiir fremde Zuthat. Die Komposition und den Entwurf des Figiirlichen dagegen halte ich fiir Sandros Work. Die inmittcn singender Knaben sitzende Madonna ist durchaus in seinem Charakter, die mit geschlossenen Ftissen gleichsam in der Luft hangenden musizierenden Engel 2 ) finden sich genau so wieder auf den letzten Blattern im Berliner Dante- codex und auf der Geburt Christi vom Jahre 1500 in der National Gallery in London. Ihre sowie der Apostel Gewander, der Gesichtstypus, die Haltung und Zeichnung der Hande zeigen seine Formen, nur vergrobert durch die beschrankte Fahigkeit des ausftihrenden Stechers. Die Gruppierung der Apostel urn den leeren Sarkophag ist klar, die Bewegungen sind nicht tibertriebener als auf den spaten Bildern des Meisters wie auf der ebenerwahnten Geburt Christi, der Anbetung der Konige im Depot der Uffizien, den Darstellungen aus dem Leben des Zenobius, der Beweinung Christi u. a. m. Ganz ahnlichen bartigen Kopfen begegnen wir auch auf den Dante- zeichnungen. Ein Entwurf zu dem Thomas auf dem Stich scheint die lavierte Federzeichnung eines nach rechts knieenden mit erhobenen Fianden inbriinstig nach oben schauenden unbartigen Mannes in der B i b 1 i o t e c a Ambrosiana zu M a i 1 a n d zu sein 3 ). Der LTmstand , dass die Licht- und Schattcnpartien hier so scharf abgegrenzt sind, vermehrt die Wahrscheinlichkeit einer urspriinglichen Bestimmung dieser Zeichnung als Vorlage fiir den Stich. Auf der obenerwahnten Zeichnung mit der Engelstudie zu der Kronung Maria befindet sich noch eine Figur, die uns eine wichtige Handhabe zur Datierung eines anderen urn- fangreichen Gemaldes giebt. Es ist dies eine Studie zu dem Johannes dem Taufer auf dem grossen Altarbild der thronenden Madonna mit Heiligen, das der Ktinstler fiir das Kloster des hi. Barnabas malte 4 ), und welches jetzt in unmittelbarer Nahe der Kronung in der Akademie zu Florenz hangt (Nr. 52). In einer auf reich verziertem, marmornem Sockel sich erhebenden, muschelformig nach oben abgeschlossenen Thronnische sitzt Maria, das Haupt wenig geneigt, den Blick auf den Beschauer gerichtet. Mit beiden Handen sttitzt sie den Jesus- knaben, der noch nicht fest auf ihrem Knic stehen kann, und, etwas vorgebeugt, die Rechte scgnend erhebt. Auf der Estrade zu beiden Seiten des Thrones befinden sich je zwei Engel, von denen die aussersten den purpurfarbenen, hermelinausgeschlagenen Baldachin zuriickschlagen, wahrend die beiden vordersten die Symbole der Passion, Dornkrone und Nagel, halten. Davor stehen auf dem buntgetafelten Fussboden in zwei Gruppen gesondert sechs Heilige. Links Katharina, Augustin und Barnabas , rechts Johannes der Taufer , Ambrosius und Michael. Katharina ahnclt in der Haltung der Magdalena auf dem Altarbild aus S. Ambrogio , die altlichen, hageren Ziige sind die namlichen wie bei der Madonna auf dem Rundbild in ') Keiner dieser Sliehe hat in der Zeichnung meiner Meinung nach ernstlich etwas mit Botticelli selbst zu thun. 2 ) Ahnlich bewegt sind sieben musizierende Engel auf einem Casson e in der kleinen Galerie der C oil egia ta zu Empoli. Sie werden dort Botticelli zugeschrieben, rtihren jedoch nur von einem Schiller oder Nachahmer her. 3 ) Raccolta Resta, fol. 14, 0,177X0,170; Braun, Nr. 258. 4 ) Albertini : In sancto Barnaba b una tavola grande per mano di Sandro Botticelli. Der Anonymus: E di sua mano in San Bernaba la tauola dell' allare maggiore di Nostra Donna et Santa Caterina. Der Codex Petrei: In Santo Bernaba una tauola di Nostra Donna e Santa Catherina. Va<=. Ill, S. 31 1. Altarbild fur San Barnabas. -, g den Uffizien, dcr sie auch in der Behandlung der Haare, der Anordnung des Schleiertuches und des bunten Shawls um den Hals gleicht. Augustin ist auch hier schreibend dargestellt, er lauscht den Worten, die sein Nachbar, der schwarzbartige Barnabas, ihm zufltistert. Der Taufer ist das abschreckende Bild eines Asketen , wie auch Donatello ihn schildert. Wirr hangt das schwarze Haar herab, er blickt aus dem Bilde heraus und raunt uns etwas zu , wo- bei er die Rechte zur Bekraftigung erhebt. Ambrosius, der in stiller Verehrung verloren vor sich hinstarrt, wird zum Teil von dem vor ihm stehenden Erzengel verdeckt, der in voller Riistung mit blankem Schwert hier Wache halt 1 ). Oben zu beiden Seiten des Baldachins sind zwei Medaillons mit der Verktindigung in die Rtickwand der kapellenartigen Xische eingelassen. Mit ihnen schnitt ehedem die Tafel ab, der ganze obere Teil des Baldachins sowie der die Raum- lichkeit abschliessende Steinbogen sind spatere Zuthat 2 ). Das Bild befindet sich in tiblem Zustand. Die Farbe ist in den Gewandern abgeblattert, die Kopfe sind zum Teil stark tibermalt. Trotzdem ist in Zeichnung und Formengebung die Hand Botticellis noch klar zu erkennen, und der Stilcharaktcr weist auch dieses umfangreiche Altarbild in den Beginn der achziger Jahre, in eine Periode mit dem Augustin und der Kronung Maria. Ausser dem Umstande, dass der in der namlichen Zeichenmanier ausgefiihrte Entwurf zum Johannes und die Engelstudie fur die Kronung auf einem Blatte sich befinden, spricht die Ubereinstimmung in den Augustinus Figuren sowie in dem Ambrosius hier mit dem Eligius und Gottvater dort fiir eine gleichzeitige Entstehung beider Bilder. Es sind dieselben wie aus Erz gegossenen Kopfe, die kraftigen gut modellierten Hande, die schweren in breiten Massen sich brechenden Gewander. Besonders kennzeichnend fiir diese Zeit sind auch die kraftig durchgebildeten breiten Fiisse, welche noch nicht die Sandro spater eigene schmale, gestreckte Form mit dem iiber- trieben lang gebildeten grossen und zweiten Zehen aufweisen. Die Tafel aus S. Barnaba kann als eine Weiterentwickelung des auf dem aus S. Ambrogio stammenden Madonnenbilde in derselben Sammlung angewendeten Kompositionsschema gelten, als eine Weiterentwickelung der centralen Konstruktion. Den Mittelpunkt nimmt die Gottesmutter ein, um sie gruppieren sich strahlenformig die Engel und Heiligen. Aber auch hier, ebenso wie auf der Anbetung der Konige, herrscht nicht starre Symmetrie vor. Den in einer Diagonale nach innen aufgereihten drei Heiligen links entspricht rechts eine mehr halbkreisformig ge- schlossene Gruppe. Ebenso sind die Engel in anmutiger Mannigfaltigkeit bewegt. Ausser der bereits oben erwahnten S k i z z e zu dem Johannes befindet sich noch eine grossere mit Feder und Pinsel ausgefiihrte Studie zu der namlichen Gestalt in den Uffizien. (Rahmen 55, No. i88) s ). Wahrend erstere in der Haltung des Kopfes und des linken Armes sowie in der Manteldrapierung mit der Ausfiihrung iibereinstimmt, in der Haltung des rechten Armes, der Schrittstellung und der Lange des Gewandes dagegen abweicht, ist letztere bis auf den Kopf, der hier bartig und mehr nach links gewendet ist, fast getreu iibernommen worden. Auch hier deutet die sorgsame, sogar etwas unbeholfene Zeichenweise auf eine ziemlich friihe Ent- stehung des Blattes 4 ). Ist es schon an und fur sich unwahrscheinlich, dass solch ein grosses Altargemalde ohne Staffel bestanden haben sollte, so erscheint es erst recht unverstandlich, warum man die aus der gleichen Kirche in die Florentiner Akademie uberfiihrten vier kleinen Tafel n nicht langst als die dazu gehorige Predella erkannt hat, um so mehr als sie inhaltlich in engstem Zusammenhang mit den Personen jenes Bildes stehen (Saal II No. 6 — 9). Unter den urspriing- lich zusammcngehorigen, jetzt auseinander gesagten und in einem Rahmen iibereinander ver- einigten Tafelchen finden wir auf der einen namlich Salome mit demHauptedesTaufers< ') Auf den kleinen fliichtigen Entwurf zum Michael auf einem nicht ausgestellten Blatte der Uffiziensammlung ist bereits hingewiesen worden. 2 ) Richa VII, S. 65, erwahnt bereits die von Agostino Veracini vorgenommene Anstuckung. 3 ) 0,360x0,155. 4 ) Nicht Botticelli dagegen gehort die ihm fragweise zugeschriebene Halbfigur eines Johannes in der gleichen Zeichnungssammlung an (Kahmen 55, No. 196). Diese Federzeichnung riihrt von Raffaellino del Garbo oder einem verwandten Kilnstler her. 80 Der AugUStin und stilistisch verwandte Werke. auf der anderen cine Pi eta, aui den beiden iibrigen Seen en aus der Legende des Augustinus und Ambrosius. Inhaltlich licgt also kein Grund gegen ihre Zugehorigkeit zu dem Hauptbilde vor, stilistisch gehoren sie bestimmt dersclben Zeit an wie dieses. Vermutlich sind sie schon zu der Zeit, als das Bild von Agostino Veracini angestiickt und restauriert wurde, vom Altarc genommen, auseinander gesagt und vielleicht als Schrankfullung verwendet worden 1 ). Dies ist um so eher moglich, als sie ganz aussergewohnlich fein ausgefuhrt und von hohem koloristischen Reiz sind. Um so befremdender ist es, dass die Verfasser der Geschichte der italicnischen Malerei die Bilder von s:> wenig Belang finden, dass sie dieselben in einem Atemzuge mit dem nicht nur nicht Botticelli selbst, sondern nicht einmal seiner direkten Werkstatt ange- horenden » Andreas vor dem Henker betend« in dem namlichen Zimmer der Akademie nenncn konnen 2 ). Die Erhaltung der iibrigen Stiicke ist nicht eine gleich gute wie bei der Darstellung der Salome, wo die Farbe noch heute von einer solchen Tiefe und Leuchtkraft, von solch eigenartigem Reiz ist, dass das Werk erst gestern aus dem Atelier des Kiinstlers gekommen zu sein scheint. Eine niedrige rote Backsteinmauer, in deren Fugen der weisse Mortel leuchtet, bildet den Hintergrund fur die in ein grtinschillerndes Gewand gekleidete, nur bis zum Knie sichtbare zarte Madchen- gestalt. Sie hat soeben den Kerker, dessen eisenvergitterter Schlund dunkel hinter ihr gahnt, vorlassen und eilt, die Schiissel mit dem abgetrennten Haupte vor sich hertragend, fliichtigen Schrittes an der Mauer vorbei. Der zarte Madchenkopf mit dem in den Nacken zuriickgestrichenen, von einer Perlenkette zusammengehaltenen rotblonden Haar hebt sich in feinem Kontur licht- und luftumflossen von dem im Abendrot erstrahlenden Himmel ab. Rechts ein schmaler Ausblick in eine Landschaft mit einem kleinen See, tiber den die Abendnebel sich breiten, und einer in der Dammerung sich verlierenden Bergkette. Alle Einzelheiten sind vermieden, das Ganze ist nur fltichtig hingewischt. ]\Ian hat hier den schlagenden Beleg fur den von Leonardo da Vinci in seinem Buch uber die Malerei Botticelli in den Mund gelegten Ausspruch: das Studium des Landschaftlichen sei eitel , denn wenn man nur einen Schwamm voll verschiedenerlei Farben gegen die Wand werfe , so hinterlasse dieser einen Fleck auf der Mauer , in dem man eine schone Landschaft erblicke 3 ). Leider arg zerstort ist die Pieta. Die Figur des im Grabe stehenden Erlosers ist ganz iibermalt, aber auch hier fuh.lt man noch die Wirkung des dunklen Korpers vor der hellen Luft, in die hinter den Sarkophag eine Cypresse und dunkelgriines Gestrauch schwarz und kiihn hineinragen. In der in nebelige Feme sich erstreckenden Landschaft mit Fliisscn und Htigeln, alles in unbestimmten Massen ebenfalls nur mit fliichtigen Strichen angedeutet, sieht man links im Vordergrund zwei Schwane in einem Gewasser, rechts wie ein Schatten dahin- schwebend, fast korperlos, Christus das Kreuz tragend von einem einzigen Krieger gefolgt. Das namliche Problem, eine dunkel gehaltene Gestalt vor freie Luft zu stellen, in ihr das Spiel von Licht und Schatten zu zeigen, beschaftigt Botticelli bei der so haufig dargestellten Scene zwischen Augustin und dem Knaben. Am oden Meeresstrand steht der Heilige in bischof- lichem Gewand, er hat nachgedacht uber die Lehre von der Dreieinigkeit, deren Geheimnis er durch Verstandesscharfe zu ergrunden wieder und wieder vergeblich versucht hat. Da sieht er ') Man denke an Giottos Folge aus dem Leben des hi. Franz in der Akademie zu Florenz. 2 ) No. 30. Crowe u. Cavalc. Ill, S. 170. 3 ) Leonardo da Vinci, Libro di pittura, parte II, 60 in der Ubersetzung von H. Ludwig in den Quellenschriften fiir Kunstgeschichte XV, S. 117. Der Wortlaut der ganzen Stelle ist: Der ist nicht allseitig, der nicht zu alien Dingen, die in der Malerei enthalten sind, gleichmassig Lust hat, wie z. B. wenn einen die Landschaft nicht freut, so halt er dafiir, dieselbe sei eine Sache, zu der es nur kurzen und einfachen Studiums bediirfe. So sagte unser Botticelli, dies Sludium sei eitel, denn wenn man nur einen Schwamm voll verschiedenerlei Farben gegen die Wand werfe, so hinterlasse dieser einen Fleck auf der Mauer, in dem man eine solche Landschaft erblicke. Es ist wohl wahr, dass man in einem solchen Fleck mancherlei Er- findung sieht ■ — d. h. ich sage, wenn sie einer darin suchen will — namlich menschliehe Kopfe, verschiedene Tiere, Schlachten, Klippen, Meer, Wolken oder Walder und anderlei Dinge, und es ist gerade wie beim Klang der Glocken, in den kannst du auch Worte hineinlegen, wie es dir gefallt. Aber obschon dir solche Flecken Erfindungen geben, so lehren sie dich doch nicht irgend einen besondercn Teil zu vollenden. Und jener Maler malte sehr traurige Lands chaften (tiistissimi paesij. — Mir ist unbegreiflich, wie Morelli diese Stelle fur apokryph erklaren konnte. Sandro Botticelli Gemaldegalerie, Berlin MADONNA MIT DEN BEIDEN JOHANNES Die Predellenbilder. Die Verkiindigung im Pal. Barberini. gj plotzlich zu seinen Fiissen den wundersamen Knaben, der sich abmiiht, mit einem Loffel das Meeres- wasser in ein kleines in den Sand gegrabenes Loch zu schopfen. Der Kirchenvater biickt sich zu dem Kind herab und fragt nach seinem Beginnen. Scharf zeichnen sich die be'iden dunkeln Gestalten von dem in lichtes Grau gemeinsam verschwimmenden Hintergrund von Luft und Wasser ab, aber die Kontraste sind dennoch gemildert, wie ein zarter Nebel duftig und ver- schleiernd Hegt es liber dem Ganzen. Die folgende Darstellung zeigt Ambrosius auf dem Totenbett. Zwei Manner sind be- schaftigt, ihm das Herz herauszunehmen. Das Bildchen ist stark tibermalt und die Gestalten losen sich nicht mehr recht ab von dem schwarzen Grund. In engstem Zusammenhang mit diesen Tafeln steht die kleine Verkiindigung im Palazzo Barberini zu Rom. Wenn auch von Morelli nur als ein schwaches Erzeugnis der Schule Botticellis betrachtet und mit der von einem spateren Nachahmer herriihrenden Madonna im letzten Saal der Galerie Colonna auf eine Stufe gestellt 1 ), von Crowe und Cavalcaselle sogar dem Marco Zoppo zu- geschrieben 2 ), ist dieses Bildchen doch ein echtes Werk des Meisters selbst, ein wahres Kabinetstiick an Feinheit der Ausfuhrung. Die Raumlichkeit zerfallt in zwei Teile. Rechts offnet sich bei zuriick- gezogenem Vorhang der Blick in das Wohngemach, wo die Jungfrau vor einem Betpult kniend die Botschaft empfangt. Auf dem Sims der mit Kissen belegten Wandbank stehen eine Laterne, Biicher und Schachteln. Eine Thiir in der Riickwand fiihrt in ein kleines Gelass, das fast in seiner ganzen Ausdehnung von dem rotiiberdeckten Bett eingenommen wird. Durch eine Saulenreihe getrennt ist links ein zweiter Raum. Hier ist der Engel hereingeschwebt, eben beugt er, das schleppende Gewand ein wenig liiftend, das Knie vor der Auserwahlten. Er neigt das Haupt, in der Linken halt er den Lilienzweig. Durch zwei Fenster im Hintergrund schaut man in eine Berglandschaft. Das Gemalde ist von einer Tiefe der Empfindung, einer Anmut und Keuschheit der Auffassung, dabei von einer Feinheit der Ausfuhrung, dass es den Vergleich mit den besten Schopfungen der niederlandischen Kunst nicht zu scheuen braucht. Mit grosstem Fleiss fiihrt der Meister das Wandbrett mit dem Gerat, das Bett, die holzgetafelte Decke, die Berglandschaft aus. Aber nirgends etwas Kleinliches, den Figuren ist die gleiche Sorgfalt zu teil geworden, das Ganze aus einem Gusse. Der Gabriel gleicht der Salome dort, auch sein Gewand zeigt die namlichen Falten- motive. Die Farbung hat denselben satten gelblichen Ton, der Farbenauftrag ist ebenso pastos. Auch in den Massen stimmt das Bild mit den vier Predellenstiicken iiberein 3 ). Die Vermutung liegt daher nahe, es habe urspriinglich mit diesen ein Ganzes gebildet und sei bei Abtrennung und Zerlegung der Predella abhanden gekommen. Vielleich eine Studie zu dem Gabriel hier ist die schone Silberstiftzeichnung eines Verkiindigungsengels in der Sammlung der Uffizien (Rahmen 57 Nr. 200) 4 ). Er erscheint in halb schwebender halb schreitender Stellung, das im Profil gehaltene Antlitz unmerklich ge- hoben; der linke Arm ist dreimal in verschiedener Haltung gezeichnet. Diese Sorgsamkeit der Ausfuhrung, diese koloristischen Effekte sind keine Spielereien, die sich Botticelli nur gelegentlich, gleichsam um sich selbst genug zu thun, bei Bildern kleinen Formates erlaubte, sondern, wie schon die fein ausgeflihrten Details auf dem Wandbild in Og- nissanti zeigten, ein ausgepragtes Merkmal seiner Arbeitsweise in dem Zeitraum, von dem wir hier handeln. Dies beweist jenes umfangreiche Altargemalde, das, fur die Capella Bardi in der Kirche S. Spirito zu Florenz gemalt, jetzt einen Hauptschmuck der Berliner Galerie bildet (Nr. 1 06) 5 ). Es stellt die thronende Madonna mit dem Kinde zwischen Johannes dem Evangelisten und dem Taufer dar. l ) Die Galerien Borghese etc., S. 107. *) V, S. 345, allerdings so ungenau beschrieben, dass man zweifelhaft sein kann, ob unser Bildchen gemeint ist. 3 ) Da die Verkiindigung ausgeschnitten und in einen eigenen Holzrahmen eingesetzt worden ist, so betragt die Breite 0,33 statt 0,37 oder 0,39 in. der in Florenz befindlichen Stiicke. In der Hohe 0,20 stimmt sie mit diesen iiberein. 4 ) 0,233x0,140. 5 ) Vas. Ill, S. 310. Von Albertini nicht erwahnt. Der Anonymus Gaddianus : In Santo Spirito e di sua mano nella capella de' Bardj la tauola dell' altare doue e dipinto I* Nostra Donna et 1° San Giouanni Batt. Im Codex Petrei : una tauola in s^ Spirito di s to Giouanni; vgl. ausserdem Borghini und Baldinucci a. a. O., Richa IX, S. 23. Ulmann, Botticelli. ' ! ^2 Der Augustin und stilistisch verwandte Werke. Ahnlich wie auf den Madonnenbildern in Xeapel, in den Uffizien und im Louvre wahlt der Kiinstler auch hier als Ort der Handlung einen von der Natur mit alien Reizen liebevoll ausgestatteten Garten. Hier hat sich Natur und Kunst sogar noch verbunden, um die Umgebung fur die hehre Gottesmutter so herrlieh und prachtig wie moglich zu gestalten. Eine reich skulpierte, mit verschiedenfarbigem Marmor ausgelegte Steinbriistung vertieft sich in der Mitte zu einer breiteren, auf beiden Seiten zu einer schmaleren Nische. In der mittleren sitzt Maria, dem Knaben die Brust darbietend. Ein ahnliches Motiv somit wie auf dem Raczinskybild, nur ruht das Kind nicht wie dort in ihren Armen, sondern liegt, entsprechend dem Knaben auf der Tafel in S. Maria Nuova, mit Handen und Fiissen strampelnd auf ihrem Schoss. Daruber wolbt sich eine aus Palmblattern und Schilfgewachs kunstreich geflochtene Laube, eine ahnliche aus Cypressen- zweigen gebildete iiberschattet den links stehenden Taufer, eine gleiche aus Myrtenzweigen den rechts stehenden Evangelisten. Kupferne mit Olivenzweigen besteckte und mit Rosen geftillte Schalen stehen auf der Balustrade. Der weissbartige Johannes, das Ebenbild Gottvaters auf der Kronung und des hi. Ambrosius auf dem Altargemalde aus S. Barnaba, blickt sinnend in die Feme. Spielend dreht er den Kiel in der rechten Hand, wahrend die Linke das geoffnete Buch halt. Der Taufer vergisst auch hier nicht seines Vermittleramtes. Mit der Rechten auf Christus weisend spricht er zu der Gemeinde die Worte: »Ecce agnus dei qui tollis pechata mundi«, die auf einem an dem Rohrkreuz befestigten Schriftband stehen. Er ist derselbe braungebrannte verwilderte Sohn der Wtiste mit den abgezehrten Ziigen, den wir bereits aus dem obenerwahnten Bilde und der dazugehorigen Zeichnung kennen. Neben ihm im Grase liegt die einhenkelige Schale, das Zeichen seines Tauferamtes. Der Typus der Madonna, die Anordnung ihres Schleiertuches , die langgezogenen Falten des scharlachroten, an den Armeln weissgepufften, uber die roten Schuhe herabfallenden Kleides, die Faltlung ihres Mantels finden sich ubereinstimmend auch auf der Kronung und dem Bilde aus S. Barnaba. Ebenso ist das Kolorit, die Zeichnung der Kopfe, die Bildung und Haltung der Hande *) und Fiisse die gleiche in dieser durch die Zugehorigkeit zu dem Augustin von 1480 naher datierbaren Gruppe von Gemalden. Auch Jul. Meyer erkennt den engen stilistischen Zusammenhang zwischen der Kronung Maria und unserem Bilde und ruckt es daher gleich diesem in das Ende des Jahrhunderts 2 ). Bestarkt wird er in der Datierung durch das im Vordergrund des Bildes angebrachte Tafelchen mit dem Gekreuzigten, worin er ein Er- kennungszeichen der Anhanger Savonarolas zu finden glaubt. Hierfur liegt jedoch kein Analogon vor, denn von dem als Parallele herangezogenen Madonnenbilde des Raphael de Caponibus vom Jahre 1500 im Museum von S. Maria Nuova zu Florenz steht es ebensowenig fest, dass das kleine Bild des Gekreuzigten darauf ein Hinweis auf die Anhangerschaft .Savona- rolas ist. Und der Umstand allein , dass der Brief Michelangelos vom 2. Juli 1496, den dieser unter Botticellis Adresse an den jungeren Lorenzo de' Medici aus Rom richtete, die Uberschrift »Christus« tragt und dass Christus spater auf Veranlassung Savonarolas zum Konig von Florenz ausgerufen wurde, besagt doch immer noch nicht, dass das Bild des Gekreuzigten auf einem Gemalde als die Devise eines Anhangers des Busspredigers von S. Marco zu betrachten ist. Das Vorhandensein des Crucifixes hier diirfte sich vielmehr auf ganz einfache Weise erklaren lassen. Sandro liebt es in seiner refiektierenden Art, bei den Schilderungen des Christuskindes, sei es auf dem Hauptbilde selbst durch die von Engeln vorgezeigten Marterwerkzeuge, sei es auf der Predella durch die Darstellung der Pieta oder des Gekreuzigten, symbolisch auf das kommende Erlosungswerk hinzuweisen. Dieser Absicht entspringt auch hier die Anbringung des ') In der Zeichnungssammlung des British Museum (Kasten XX, Pp. I, Nr. 14) befinden sich in einer Umrahmung vereinigt zwei aus der Sammlung Vasari und Marielte stammende Fra Filippo Lippi zugeschriebene Blatter mit Handstudien. Sie sind auf rosa grundiertes Fapier in Silberstift ausgefiihrt und in den Lichtern leicht weiss gehoht. An Stelle des Lehrers mochte ich hier die Weise seines Schulers Botticelli erkennen, und zwar hat das obere Handepaar augenscheinlich als Studie zu den Handen der Madonna auf dem Berliner Bild gedietH. Es sind dies die einzigen Zeichnungen, die ich in der Sammlung des British Museum von Botticelli kenne. Die ihm frtiher dort zugeschriebenenen Blatter (Kasten XVI, Pp. I, Nr. 12 u,. Nr. 24) sind nicht von seiner Hand, sondern von Filippino oder einem diesem nahestehenden Florentiner Kiinstler. ») a. a O., S. 13. Madonna mit den beiden Johannes aus S. Spirito. liotticellis Stellung zur Antike. §} Crucifixes. Der glaubige Beschauer soil sich nicht allein an dem menschlich nahen Verhaltnis zwischen der Madonna und dem Jesusknaben erfreuen, es soil sich auch zugleich des durch den Tod besiegelten Liebeswerkes seines Heilands bewusst werden. Das Bild ist von hoher koloristischer Wirkung. Mit feinem Geschick ist das dreifache Rot der Gewander, der helle und dunkle Marmor, die braunen Fiisse und der weisse Stein, auf dem sie stehen , nebeneinander gesetzt. Stofflich treffiich wiedergegeben sind die kupfernen Gefasse, die Blumen, Blatter und Friichte. In reizvollen Kontrast tritt das Schwarzgriin der Striiucher zu dem tiefen Blau des Himmels und dem lichten Fleisch des Madonnenkopfes mit den goldblonden Haaren. Fein abgestimmt ist das Silbergrau der Olive zu dem Schwarz der Cypresse und dem tiefen Grun der Myrthe, hell leuchten die gelben Zitronen aus dem dunklen Laub hervor, klar heben sich die weissen Lilien von dem Himmelsblau ab. Der ganze Glanz siidlicher Sonne ist iiber das Bild gebreitet, strahlt aus jedem Blatt, jeder Blume wieder, iiberzieht alles mit goldenem Schimmer. Ahnliche, jedoch noch hohere koloristische Vorziige besitzt jenes Gemalde, welches das Hauptwerk Botticellis genannt zu werden verdient. seinen Ruhm am weitesten verbreitet hat: die Allegorie des Friihlings in der Akademie zu Florenz (P Sala del Botticelli, Nr. 26). Es ist meiner Meinung nach die letzte Arbeit, die Sandro in Florenz vor seiner zeitweiligen Ubersiedelung nach Rom ausfuhrte. »Deshalb rate ich jedem Maler, er moge sich mit Dichtern, Rhetoren und anderen ahn- lichen in der Wissenschaft Bewanderten vertraut machen, einerseits weil diese ihn mit neuen Erfindungen beschenken, andererseits weil sie ihm sicherlich fur eine schone Komposition seines Bildes forderlich sein werden, durch welches beides der Maler sich gewiss Anerkennung und Ruhm seines Werkes erwerben wird.« Wenn irgend einer der zeitgenossischen Maler, so hat Sandro Botticelli diese Worte Leon Battista Albertis beherzigt ] ). Denn der Stoff zu alien seinen Darstellungen mythologisch-allegorischen Inhaltes ist zeitgenossischen oder klassischen Schriftstellern entlehnt, nicht eine Komposition ist durch das Studium antiker Kunstwerke allein bestimmt. Allerdings wird er kaum selbst die alten Autoren in der Ursprache gelesen haben, wenigstens die griechischen nicht, aber es gab in der zweiten Halfte des funfzehnten Jahrhunderts in Florenz genug gelehrte Manner, die ihm hier als Vermittler ratend zur Seite standen, abgesehen von den Ubersetzungen und Nachbildungen klassischer Autoren in italienischer Sprache. Unter letzteren ist besonders eine Dichtung von Wichtigkeit, da ihr Botticelli den Stoflf und die Anregung zu seinen beiden umfangreichsten und bedeutendsten antikischen Gemalden entlehnt hat, Angelo Polizianos Giostra, ein Festgedicht auf ein von Giuliano de' Medici 1476 in Florenz ver- anstaltetes Turnier 2 ). Angelo Poliziano, der Freund und Hausgenosse Lorenzos il magnifico, scheint nach allem, was wir aus Sandros Werken selbst schliessen konnen, dessen literarischer Beirat bei der Herstellung von Bildern mythologischen Inhaltes gewesen zu sein, die Vermittler- rolle zwischen dem Kiinstler und seinen Auftraggebern, speziell Lorenzo, gespielt zu haben. In Botticelli fanden der dem klassischen Altertum mit ganzer Seele hingegebene Medicaer und sein humanistischer Freundeskreis die geeignete Kraft zur Verkorperung jener Ideen, die sie beschaftigten, denen sie in ihren Dichtungen Ausdruck gaben. Durch sie wird der Kiinstler in das humanistische Treiben hineingezogen und er, der bis dahin gleich seinen Vorgangern und Zeitgenossen fast ausschliesslich religiosen Gegenstanden seinen Pinsel gewidmet hatte, zu dem bahnbrechenden und bedeutendsten Vertreter mythologisch-allegorischer Profanmalerei in der Fruhrenaissance. Denn die eigenartige, selbstandige, halb naive halb selbstbewusste Stellung der Florentiner Kunst im Quattrocento der antiken Formenwelt gegenuber wird von keinem Kiinstler so glanzend vertreten wie von Botticelli. Im Gegensatz zu der gleichzeitigen antikisirenden Richtung der Schule von Padua, in Abweichung selbst von verwandten Meistern wie Domenico Ghirlandajo und Filippino Lippi, die mit archaologischer Genauigkeit die antiken Denkmaler kopieren und sich in ihrer ') Liber de pictura in der Ubersetzung von Janitschek, S. 146. 2 ) Das Gedicht wurde zwischen 1476 und 1478 verfasst und blieb nach der Ermordung Guilianos unvollendet. In dem ersten Buch schildert Polizian das Reich der Venus, im zweiten die Erscheinung der Nymphe Simonetta, die, von Venus gesandt, den rauhen Jager Giuliano zur Liebe bekehren soil; vgl. Gaspary, Italienische Literaturgeschichte, 1888, II, S. 228 ff. II* 84 I^ er Augustin unci slilistisch vervvandte Werke. getreuen Wiodorgabc gefallcn , betrachtet Sandro diese mchr mit laienhaftor Freude, sucht sich iibcrall das ihm gcfallig und anmutig Erscheincnde heraus, verquickt cs mit seinem eigenen Formgcfuhl und schafft daraus cine neue cigenartige Gestaltenwelt Hierin ist ihm wieder Pioro di Cosimo auf das engste verwandt. Ihre Gestalten sind Schopfungen ihrcr Phan- tasie, und von der antiken Herkunft ist ihnen nur ebensoviel geblieben, um erkennen zu lassen, was dor Kiinstler durch sie hat ausdri'icken wollen. Zu den Lieblingsgegenstanden in den Dichtungen Lorenzos und seines Kreises gehort die Schilderung des Landlebens und damit zusammenhangend das Lob und die Preisung der erbli'ihenden Natur. Dichtungen, wie des ersteren Nencia da Barberino, Luigi Pulcis Beca da Dicomano, Polizians Rusticus sind nach antiken Mustern dem Preise des Landlebens gewidmet. Es ist daher begreiflich, dass man gerade zum Schmucke der Landhauser Naturschilderungen im Bilde liebte und bei den in antiken Vorstellungen sich bewegenden Anschauungen nicht die Darstellung der Natur selbst sondern der das organische Leben in der Natur verkorpernden Gottheiten verlangte. Einem solchen Wunsche ist auch der Auftrag Lorenzos zur Ausfuhrung des Gemaldes mit der Allegoric des Fruhling entsprungen, das ursprtinglich wohl fiir Careggi, den Lieblingssitz des Medicaers und seines Freundenkreises gemalt, von Vasari zusammen mit der noch zu besprechenden Geburt der Venus in Castello, der Villa des Herzogs Cosimo I., erwahnt wird, wahrend der Anonymus als ihren Besitzer Giovanni de' Medici auffuhrt, unter dem er wohl Giovanni delle Bande Nere, den Vater des Herzogs Cosimo I. meint *). Vasaris Worten nach zu urteilen, scheint ihm der Sinn der Darstellung bereits nicht mehr ganz klar gewesen zu sein. Erst in allerneuester Zeit ist gleichzeitig von verschiedenen Seiten die richtige Deutung gegeben worden 2 ). Sandros Bild ist eine Illustration zu den Versen Polizians in der Giostra, wo il regno di Venere »das Reich der Venus « geschildert wird: Ma fatta Amor la sua bella vendetta Mossesi lieto pel negro aere a volo ; E ginne al regno di sua madre in fretta Ov' e de' piccol suo' fratei lo stuolo Al regno ove Grazia si diletta, Ove Belta di fiori al crin fra brolo, Ove tutto lascivo drieto a Flora Z e f i r o vola e la verde erba infiora ") Der Maler fiihrt uns nach Cyperns bltihendem Garteneiland, zu jenem . . . lieto pratel . . , U' scherzando tra' fior lascive aurette Fan dolcemente tremolar l'erbette 4 ) Im Schatten hoher Orangenbaume, deren Friichte goldig aus dunklem Laube hervorleuchten : Raggia davanti all' uscio una gran pianta, Che fronde ha di smeraldo e pomi d'oro 5 ) steht Venus, in weissem Gewande, als Gottin der Liebe und der in Friihlingslust erstehendcn Natur fi ). Mit der Linken den golddurchwebten Mantel an den Hiiften aufschurzend, weisst sie ') Vas. Ill, S. 312: delle quali oggi ancora a Castello, villa del Duca Cosimo, sono duo quadri figurati, l'uno, Venere che nasce, e quelle aure e venti che la fanno venire in terra con gli Amori; e cosi un' altra Venere, che le Grazie la fioris- cono, dinotando la primavera. Der Anonymus: A Castello in casa il signore Giouannj de Medicj piu quadri dipinse, che sono delle piu belle opere che facessj ; vgl. auch Frey, II codice Magliabechiano, S. 359. 2 ) A. Bayersdorfer, Kunstgeschichtliches Verzeichnis der in den ersten vier Banden des klassischen Bilderschatzes enthaltenen Gemalde, 1 892, S. VIII. A. Venturi, La primavera nelle arti rappresentative a. a. O., S. 46. A. Warburg a. a. O., S. 23 ff. 8 ) Stanze di Messer Angelo Poliziano cominciate per la Giostra del Magnifico Giuliano di Piero de' Medici, libro I, Str. 68, in der Ausgabe von G. Carducci, Le Stanze, L'Orfeo e le Rime di Messer Angelo Ambrogini Poliziano, Firenze 1 863, S. 39. «) I, 70. 5 ) I, 94- (i ) Venturi deutet diese Figur als Simonetta, Bayersdorfer und Warburg als Venus. Die Allegorie des Frtihling oder das Reich der Venus. gc mit der Rechten nach oben, wo iiber ihrem Haupte Amor schwebt, der »hinterlistige Bogen- schtitze« giovane undo, farettato augcllo 1 ), mit verbundenen Augen einen flammenden Pfeil nach den drei Grazien entsendend, die sich links im Vordergrund im Rundreigen schwingen. In durchsichtige flatternde Gewander gehtillt, schweben sie daher iiber den blumenreichen Grund, Hand in Hand, den Fuss im Tanzschritt leicht gehoben. Daneben steht ein nur mit leicht- umgeworfenem Gewandstiick bekleideter Jiingling mit Helm und Krummschwert, den Fliigelschuhen und dem Drachenstab nach zu urteilen, Merkur. Er blickt nach oben, wobei er mit seinem Caduceus die Nebel in den Baumwipfeln zerstreut 2 ). Auf der rechten Seite kommt mit behendem Fuss ein jugendliches Weib einher. Ihr weisses mit Blumen aller Arten iibersaetes, blattformig ausgezacktes Kleid schmiegt sich im Lauf den schlanken Gliedern an und lasst die kraftigen Formen deutlich hervortreten. Fine Rosenguirlande bildet den Giirtel, ein dichter Kranz aus Wiesenblumen ist um Hals und Nacken geschlungen, mit den Blumen des Feldes sind die wirr herabhangenden blonden Haare durchflochten. Wie ein Saemann schreitet das Weib einher, mit voller Hand streut sie Rosen vor sich her, deren sie in Fiille im aufgeschiirzten Gewande triigt. Es ist Primavera, die Gottin des Friihlings 3 ), den Worten Polizians gemass: Ma lieta Primavera mai non manca, Ch' e suoi crin biondi e crespi all' aura spiega E mille fiori in ghirlandetta lega 4 ) In ihr hat der Maler auch die Ztige vereinigt, die der Dichter von der Erscheinung der Nymphe Simonetta giebt: Candida e ella, e Candida la vesta, Ma pur di rose e fior dipinta e d' erba : Lo inanellato crin dell' aurea testa Scende in la fronte umilmente superba 6 ) oder an anderer Stelle: . . . e ghirlandetta avea contesta Di quanti fior creasse mai natura, De' quali era dipinta la sua vesta c ) Und wie sie iiber die Flur dahineilt, beginnt unter ihren Schritten allcs zu bliihen und zu griinen : Mosse sovra l'erbetta e' passi lenti Con atto d'amorosa grazia adorno Ma l'erba verde sotto i dolci passi Bianca gialla vermiglia azzura fassi 7 ) Wie sprosst und bliiht es iibefall, mit welch reichem Blumenflor ist der Rasen bedeckt! Da steht neben der stolzen Filie das bescheidene Veilchen, neben der buntfarbigen Nelke das weisse Gansebliimchen, Narcissen heben ihre gelben und weissen Kopfe aus saftigem Grim hervor, Erd- beeren bliihen und reifen versteckt dazwischen. Und immer einen neuen Regen von Rosen streut die freigebige Gottin iiber diese Herrlichkeit aus, des Blumenreichtums in ihrem Schoss scheint kein Ende zu sein: Poi con la bianca man ripreso il lembo Levossi in pie con di fior pieno un grembo 8 ) ') I, 1 20. 5 ) Venluri halt diesen Jiingling fur Giuliano de' Medici, auf welchen der Pfeil Amors gerichtet sei und »che sembra sentir la voce della Gloria chiamare alia giostra i valorosi, e, rivolto al cielo, invoca l'aiuto di Pallade, di Venere e di Cupido.t Warburg, S. 36, verweist fur die Einfiihrung des Merkurs, der in der Giostra selbst nicht auftritt, auf die Horazische Ode I, XXX und auf eine freie Nachbildung derselben in Zanobio Acciajuolis Ode »veris description 3 ) Bayersdorfer nennt sie Flora, mit Recht deutet auch Warburg sie als die Fruhlingsgottin ") 1, 72. °) I, 43- ") I, 47- 7 ) I, 55- K ) 1, 47- 86 I )er Augustin and stilistisch verwandte Werke. Nebon dor Fruhlingsgottin eine merkwiirdige Grruppe. Ein jugendliches Weib in durch- sichtiger Gewandung flicht vor einem durch die Baume daherstiirmenden gefltigelten Jiingling. Er hiilt die Fliehende an Arm und Schulter gofasst, woboi ihr Blumen aus dem Munde sprossen, Pflanzon Fiisse und Gewandung umranken : Flora, die, gemass der oben angefuhrten Stelle. bei der Bertihrung mit Zephyr zur »Blumonsponderin« wird. Der Ktinstler schildert den Vorgang nach der Erzahlung in Ovids Fasten ! ), indem er den von demsclben Dichter besungenen Mythus von Apollo und Daphne einwebt: .... nudabant corpora venti Obviaque adversas vibrarant flamina vestes Et levis inpulsos retro dabat aura capillos 2 ) Polizian giebt bei der Beschreibung des Reliefs mit dem Raub der Europa an der Pforte des Venuspalastes eine Nachahmung dieser Stelle: . . . . e i be' crin d' auro Scherzon nel petto per lo vento avverso: La vesta ondeggia, e in drieto fa ritorno 3 ) Zephir ist ein kroitiger Jiingling von grtinlicher Farbung mit machtigen Flugeln und langen. fliegenden Haaren. Sein Gewand wird vom Luftzuge gepeitscht, bei seincm Nahen biegcn sich die starken Stamme und ein Blumenregen ergiesst sich auf die Erde: Zefiro il prato di rugiada bagna, Spargendolo di mille vaghi odori: Ovunque vola, veste la campagna Di rose gigli violette e fiori: L'erba di sue bellezze ha meraviglia Bianca cilestra pallida e vermiglia 4 ) Warburg bringt zur Vergleichung mit der Fruhlingsgottin , in der er ein idealisiertes Bildnis der bella Simonetta erkennen will, die Abbildung einer antiken Flora , die sich in den Uffizien befindet und schon von Vasari im Palazzo Pitti gesehen wurde 5 ). »Eine gewisse Ahnlichkeit in der Behandlung der Gewandpartie«, schreibt Warburg, «die sich bei der Statue wie auf der Figur im Bilde an das vorgestellte linke Bein eng anlegt und von der Knie- kehle aus nach unten geht, ist unbestreitbar vorhanden, und eine Anlehnung an dieses (oder ein derartiges) Vorbild ist um so eher denkbar, als auch der Gegenstand derselbe ist: die Gestalt eines blumenbekranzten Madchens 6 ), das im Schoss des Gewandes Blumen und Friichte tragt, aufgefasst als personliches Sinnbild der wiederkehrenden Jahreszeit«. Ich kann zwischen beiden Figuren jedoch nur eine ganz oberfiachliche Ahnlichkeit finden, wie sie sich eben durch das ahnlicho Motiv als Blumcnstreuerin ergiebt. Man braucht nicht so weit nach einem Analogon fiir die Gestalt unseres Bildes zu suchen. Eine Vergleichung mit dem lilientragenden Engel auf Verrocchios grossem Tobiasbild in der Florentiner Akademie zeigt, woher Botticelli die Anregung zu seiner Gestalt gekommen ist. Auch die rosenstreuenden Engel auf seiner Kronung Maria in derselben Galerie sind Vorlaufer der Primavera. Ebenso haben die tanzenden Grazien ihre Vorbilder in den Engelreigen dieses (iemaldes, und kehren wieder als tanzende Tugenden auf den Dantezeich- nungen zu Purgatorio XXIX — XXXI. Fiir ihre Bildung war die Vorschrift Leon Battista Albertis massgebend: »Ein gleichfalls gefalliger Anblick waron jene drei Sell-western, welchen Hcsiod ') Fast. V, 193 ff., vgl. Warburg, S. 27, der noch mehrere verwandte Schilderungen aus der zeitgenossisehen Literatur beibringt. *) Met. I, 527. 8 ) I, 105. 4 ) I, 77- ") a. a. (>., S. 34. ") Der Kopf der Statue ist jedoch, wie Warburg nach Dttlschke (Ant. Bildw. Ill, S. 74, Nr. 121) angiebt, modern und eine gute Renaissancearbeit. Mir scheint er eine Arbeit des reifen Cinquecento, Auch beiJe Anne bis zuin Kllenbogen und beide Fiisse sowie der untere Teil der Gewandung sind modern. Die Allegorie des Frlihling oder das Reich der Venus. 8? die Namen Euphrosync, Aglaja und Thalia gab, und die man malte einander an den Handen haltend, lachelnd in ungegiirtetem und durchsichtigem Gewande« J ). Die Venus unseres Bildes hat auch nicht einen antikischen Zug, es ist dem Kiinstler nicht gelungen, in dieser von Kopf bis zu Fuss nach damaliger Tracht gekleideten Frau den Charakter der Liebesgottin zum Ausdruck zu bringen. In der malerischen Wirkung, mit der ihr lichter Kopf vor die dunkle Lorbeerhecke gesetzt ist, lasst sich passend das ungefahr aus den gleichen Jahren stammende, Leonardo mit Recht zugeschriebene, weibliche Bildnis beim Fiirsten Liechten- stein vergleichen. Auch in der sorgsamen Ausfuhrung der unzahligen Blumen des Vordergrundes beriihrt sich hier innig Sandros und Leonardos Kunst. Was die hier und in ahnlichen Darstellungen hervortretende, im Vorhergehenden schon kurz bertihrte Stellung Botticellis zur Antike anbelangt, so hat sie Jul. Meyer treffend charaktc- risiert: »Im Quattrocento stand der Kiinstler naiver, ursprunglicher, noch im Kampfe mit der Natur begriffen, der Antike freier gegenuber. Gerade weil sein Verstandnis der Gestalt als solcher noch weniger entwickelt war, entnahm er der antiken Formenwelt mit unbe- fangener Willkiir, was ihm taugte, un- bektimmert urn das Detail des klassi- schen Musters. Genau ebenso verhielt er sich zum antiken Inhalt. Aus eigener Erfindung bereicherte und erweiterte er ihn nicht bloss mit allegorischen Zugen sondern auch mit neuen Ge- stagen und Vorstellungen, die er ohne weiteres dem Lebensinhalte einer neuen Weltanschauung und seines Zeitalters entnahm. Er goss neuen Wein in die antiken Schlauche und neues Leben in die griechischen und romischen Gotter- und Heldengestalten. Hier setzte offenbar in der bildenden Kunst selbst ein poetisch-schopferisches Element ein, wenn auch Dichter und liuma- nisten an dieser Erneuerung wesentlich mitarbeiteten. Und eben weil hier die individuelle Phantasie des Malers und des Bildners mit eingriffen, musste in dem Prozess dieser Umgestaltung manches dunkel und ratselhaft bleiben. Das iibrigens erhoht noch den Reiz des Geheimnisvollen, der schon an sich in dem marchenhaften Zug dieses ganzen profanen Vor- stellungskreises liegt. Es ist die schwebende Stimmung, die Empfindung eines ganzen Zeitalters, welche, durch die Phantasie des Kiinstlers in die antike Welt gleichsam iibergeleitet, in solchen Bildern mit zum Ausdruck kommt. Und so umschwebt diese Darstellungen ein Dammerlicht, das nichts gemein hat mit der Tageshelle, in welche das Cinquecento die Antike gertickt hat. Daher bleibt in der Deutung solcher Darstellungen haufig ein unaufgeloster Rest »ein Zauber- hauch, der ihren Zug umwittert«, der sich nicht fassen lasst, aber zu ihrer ktinstlerischen Wirkung nicht wenig beitragt« 2 ). ') Libro de pictura ed. Janitschek, S. 147 ; vgl. auch Warburg a. a. O., S. 23, 2 ) a. a. 0., S. 4. Sandro Botticelli. Allegorie der Fruchtbarkeit. Zeichnung. Sammlung Malcolm, London. 88 F> er Augustin und stilistisch verwandte Werke. Eine Skizzo zu dcm Kopf dor Venus auf dem Fruhling befindet sich in den Uffizien (Rahmen 57, Xr. 1156) 1 ). Sic zcigt den namlichen, den frtihen Madonnenkopfen und der Judith so ahnlichen Typus in der gleichen geneigten Ualtung wie auf dem Bilde, aber ohne Schleier und mit an den Schlafen zusammengeknotetem llaar. Auch die schone, Filippino zugeschriebene Kr eidezeichnung einer an die Flora erinnernden nach links laufenden weiblichen Gestalt mit aufgenommenen Gewande und fliegenden Haaren ebendaselbst sei als echtes Werk Rotticellis hier erwahnt (Rahmen 62, Nr. 1249) 2 ). Dem gleichen Vorstellungskreis wie das eben besprochene Bild gehort die Allegoric der Fruchtbarkeit in der Sammlung des Herzogs von Aumale zuChantilly an. Dorthin gelangte das Gemalde aus der Sammlung Reiset. Es stellt ein nach links schreitendes ubcr- lebensgrosses Weib in weissem mit blaugelber Scharpe verziertem Gewande dar, die einen Korb voll Friichte auf dem Kopfe tragt. Ihr zur Seite gehen zwei Knaben, von denen der cine sich mit Weintrauben beladen hat, wahrend der andere, der eine aus Kirschen gebildete Kette um den Hals tragt, eine Rohrflote in der Hand halt. Die vor schwarzem Grund stehenden Gestalten sind in den grinsenden Gesichtern mit den wild und wirr in der Luft herumfliegenden Kleidern und Haaren, den iiberlangen Proportionen, dem dunklen grauen Fleischton eine wahre Karrikatur auf Botticellis Stil. Er selbst hat keinen Anteil an der Ausfuhrung 3 ), sie gehort einem Schuler oder Nachahmer an, von dem wir im folgenden noch zwei Arbeiten erwahnen werden. Die Komposition jedoch geht auf eine schone Zeichnung Sandros im Besitze von Mr. Malcolm in London zuriick 4 ). An Stelle des Korbes tragt das Weib hier ein Fullhorn im Arme und stiitzt sich auf einen Knaben 5 ). An der Linken fiihrt sie einen zweiten mit durch- sichtigem Hemdchen bekleideten Jungen, der sich lachend nach zwei ihm folgenden Kindern umwendet, die gleich ihm Weintrauben tragen. In Bewegung und Ausdruck ahnelt diese alle- gorische Frauengestalt der Primavera auf dem Fruhling, der Knabe an ihrer Seite erinnert an den traubenschleppenden Jungen rechts im Vordergrund der Versuchung Christi in der sixtinischen Kapelle. Der freien, sicheren Zeichenweise nach zu urteilen gehort das Blatt in die achziger Jahre. Die aus der Sammlung Villardi stammende weissgehohte und lavierte Feder zeichnung einer nach links schreitenden Frauengestalt mit einem Fullhorn, im Besitze des Marquis de Chennevieres, ruhrt nicht von Botticelli her, dem sie dort zugeschrieben wird, sondern ist umbrisch "). Als allegorische Frauengestalten sind ferner die Jahreszeiten auf vier Botticelli zu- geschriebenen Bildern bei Lord Rosebery aufgefasst. Der Fruhling ahnelt der gleichen Gestalt auf dem grossen Bilde. Der Sommer wird durch ein Weib reprasentiert, das eine Korngarbe auf dem Kopfe und eine zweite samt einer Sichel in der Linken tragt. Als Herbst erscheint eine Frau mit einem Knaben. Sie hat ahnlich der Gestalt in Chantilly einen Korb voll Trauben auf dem Kopfe und einen gleichen auf dem Riicken. Der Winter ist ein Weib, das, einen Reisigbiischel unter dem Arm, sich an einem Feuer warmt ''). ') Silberstift auf rotgrundiertem Papier, weiss gehoht, 0,212X0,172. Einen gleichen Stil und gleiche Technik zeigt ein leider arg zerstorter Frauenkopf ebenda, Rahmen 57, Nr. 1153; 0,245x0,185. Die iibrigen, Botticelli zugeschriebenen Zeichnungen haben teils gar nichts mit ihm selbst zu thun, wie Nr. 1 151, 1152, 11 54, 1 1 55, teils gehbren sie seiner Schule an, wie Nr. 1 149. 2 ) »Maniera di Filippinos, 0,210X0,155. Die im Rahmen 52 unter Nr. 198 und 199 Botticelli zugeschriebenen allegorischen Frauengestalten, die eine mit einer Fackel, die andere mit einem Gefasse sind iiberhaupt nicht florentinisch, sondern gehoren nach Umbrien in die Nahe l'inturicchios. Die etwas altertiimliche Zeichnung einer Muse in der Zeichnungs- sammlung zuWindsor, dort Botticelli zugeschrieben, ist ebenfalls ausgesprochen umbrisch und von Morelli (Die Galerie zu Berlin, abgeb. daselbst S. 219) dem Giovanni Santi zugeteilt worden. 3 ) Nach Crowe u. Cavalc. Ill, S. 178, zweifellos von Botticelli. *) Federzeichnung auf rosa grundiertem Papier, 0,320X0,250; No. n des Robinsonschen Kataloges, Braun No. 21, Ausgestellt 1879 in der Ecole des beaux arts zu Paris. 6 ) Ftlllhorn, rechte Hand und Knabe nur in Silberstiftvorzeichnung gegeben. ") Ebenfalls 1879 in Paris ausgestellt, Braun No. 22; 0,200x0,130. ? ) Die Bilder waren von Miss Hannah de Rothschild 1878 in der Royal Academy ausgestellt. Ich kenne sie nicht Allegorien der Fruchtbarkeit und der Jahreszeiten. gn Ebenfalls als Allegorie der Fruchtbarkeit ist die Halbfigur eines Weibes zu deuten, das sich mit beiden Handen Milch aus den Briisten driickt, im Besitze des Colonel Sterling in London. Crowe und Cavalcaselle sehen darin ein treffliches Specimen von der Art, wie Botticelli sich die Antike aneignete l ), von anderer Seite wird dessen Autorschaft bestritten und das Bild einem zwischen Botticelli und den Pollajuoli stehenden Kiinstler zweiten Ranges zugewiesen 2 ). Aus dieser Zeit haben wir wieder einen urkundlichen Beweis fiir das Ansehen, dessen sich unser Kiinstler in seiner Vaterstadt erfreute. Am 5. Oktober 1482 wird ihm zusammen mit Domenico Ghirlandajo der Auftrag zur Ausmalung der Sala dell' Udienza im Pallazzo publico zu Florenz zu teil 3 ). Wahrend Ghirlandajos Fresken noch heute den Schmuck dieses Saales bilden, ist von Botticellis Arbeiten nichts zu sehen. Vermutlich hat er sie nie ausgefiihrt. Ein ehren- vollerer Auftrag war zur selbigen Zeit an ihn ergangen, der ihn den Arbeiten in seiner Vaterstadt entzog. Papst Sixtus IV. entbot ihn zur Ausmalung seiner neu erbauten Palastkapelle nach Rom. Verfolgen wir nun des Kiinstlers Thatigkeit in der ewigen Stadt. ») III, S. 177- 2 ) Claude Philipps in der Gazette d. b. a. 1886, I, S. 168. Es befand sich 1886 auf der exposition of old masters. Ich kenne es nicht. 8 ) Gaye, Carteggio I, S. 578 : Item dederunt (5. Oktober 1482) vigore dictae legis Dominicho et Sandro Marini, pictoribus, faciam sale audientie dominorum dicti palatii ad pingendum et ornandum etc. Ulmann, Botticelli. Die Wandgemalde in der Sixtinischen Kapelle. n keinem dcr unter Sixtus IV. entstandenen Monumentalwerke lcbt der Name des baulustigen Papstes fur alle Zeiten in solch ruhmreichem Andenken wie in der wahrend der letzten Jahre seines Pontifikates ausgefiihrten schlichten Kapelle im vatikanischen Palast. Der Bau, ein Werk des Florentiners Giovanni de' Dolci, war zwischen Fruhjahr und Herbst 1481 vollendet. Zu seiner Ausschmiickung wurden Kiinstler aus Florenz und Umbrien berufen: vSandro Botticelli, Domenico Ghirlandajo, Cosimo Rosselli, Pietro Perugino, Pinturicchio, Luca Signorelli. Ihre Arbeiten sind in dem an den Langseiten des schmalen rechteckigen Baues herumlaufenden Freskencyklus mit biblischen Historien und den dariiber befindlichen Papstbildnissen erhalten. Die Wirkung dieser Werke wird jetzt allerdings abgeschwacht durch Michelangelos Riesenleistung an der Decke und der Altarwand, der gegeniiber es schvver wird, ihnen die gerechte Anerken- nung zu zollen, die sie verdienen. Am 15. August 1483 wurde die Kapelle durch den greisen Papst selbst mit grossem Prunke enthullt und feierlich eingeweiht. Dieses Datum hat demnach als ausserster Termin fur die Vollendung der hier in Frage kommenden Wandmalereien zu gelten J ). Diirfen wir Vasari glauben, so hat Botticelli eine Art Oberleitung bei der Ausschmiickung der Kapelle ausgetibt, die allerdings wohl nur in einem Vertrauensposten zwischen den mit- beschaftigten Kunstlern und dem Papste, wenn es sich um Zahlungen oder Streitigkeiten handelte, bestanden hat. Weiter kann sich diese Stellung nicht erstreckt haben. Auf die Ausgestaltung des ganzen ktinstlerischen Unternehmens hat Sandro nicht eingewirkt. Sein Anteil an den historischen Kompositionen iiberragt, von Signorelli abgesehen, der erst an letzter Stelle zur Be- schleunigung der Arbeit herbeigerufen wurde, nicht den der anderen Meister. Diese gehen bei der Ausmalung der ihnen zugeteilten Rechteckfelder auch ganz selbstandig zu Werke 2 ). Moglich dass Vasari mit den Worten ordinb (il papa) che egli (Botticelli) ne divenisse capo nichts anderes hat sagen wollen, als dass Botticelli mit der Ausmalung den Anfang gemacht habe. Denn er schreibt die Bildnisse heiliger Papste, die sich im letzten Drittel der Kapellenhohe oberhalb der schmalen ringsumlaufenden Galerie zu seiten der rundbogigen Fenster in gemaltcn Nischen be- finden, Sandro selbst zu, und sie mussten ja vollendet sein, ehe die darunter befindlichen historischen Kompositionen in Angriff genommen werden konnten. Da zu seiner Zeit bereits die Gemalde Michelangelos die Decke schmiickten, so waren diese Bildnisse fiir ihn die unter Sixtus zuerst ausgefuhrten Bestandteile des ganzen Freskencyklus. Vasari spricht nur von alcuni sauti Papi, nelle iiicchie di sopra alle storic, die Botticelli ausgefuhrt habe, und scheint bereits Bedenken gegen die Zuteilung samtlicher achtundzwanzig Gestalten — zwolf auf jeder Langseite, zu Paaren zwischen den scchs rundbogigen Fenstern ') Diese Daten sind von Schmarsow endgultig bestimmt worden ; vgl. Melozzo da Forli S. 207 und die daselbst angegebene friihere Literatur, ausserdem E. Miintz, L'Art a la cour des Papes III. 2 ) Der Anonymus weiss von dieser Suprematie Botticellis nichts, ist iiber die Arbeiten in der sixtinischen Kapelle Uberhaupt nicht gut unterrichtet, da er sich, wie ein Vermerk am Rande des Manuskriptes sagt, erst danach erkundigen will. Seine Angaben sind sehr lakonisch : Et nella capella di Sixto fece 3 faccie o quadri. Der Codex Petri : E a Roma nella capella di Sisto III. Die Papstbildnisse. Fra Diamantes Anteil daran. qi angeordnet, vier auf der der Altarwand gegentiberliegenden Wand zwischen den beiden gemalten Fenstern — an einen Kiinstler gehabt zu haben 1 ). Die neueste Forschung hat ihm darin Recht gegeben. Schmarsow, der zum erstenmal diese dekorative Bildnisreihe eingehender stilkritischer Untersuchung unterworfen hat, unterscheidet mit Erfolg drei Hande daran: Fra Diamante, Botticelli, Ghirlandajo. Fra Diamantes Mitarbeit ist erst neucrdings durch die beiden bereits erwahnten von Milanesi und Venturi veroffentlichten Urkunden bekannt geworden. Da der Klosterbruder bereits 1482 wegen Auszahlung der ihm fur seine Malereien in der sixtinischen Kapelle bewilligten Pension von 100 Dukaten mit der Vallombrosaner Abtei S. Fedele de' Poppi prozessiert, so ist wohl anzunehmen, dass er sogleich nach Vollendung des Baues als erster zu seiner Ausmalung vom Papste berufen wurde. Schmarsows Vermutung, dass wir seine Arbeit an der oberen Halfte der Kapelle, wo jetzt die Malereien Michelangelos sich befinden, zu suchen hatten, ist gerecht- fertigt, da die Angabe Albertinis, dass die Kapelle zur Zeit Julius II. bereits mit eisernen Ketten verklammert werden musste 2 ), sich doch wahrscheinlich auf die Decke bezieht und Michelangelo auch zuerst nur einen Teil derselben, — wohl den, der am meisten gelitten hatte — ausmalen sollte. Moglich, dass dort als Vorlaufer der darunter befindlichen heiligen Papste nach herkomm- licher Weise Propheten, Apostel und Evangelisten dargestellt waren, Kompositionen, die auch Michelangelo zuerst beibehalten wollte. Vermutungsweise mochte ich Fra Diamantes Mitwirkung — denn die noch zu besprechenden wenigen Papstbildnisse konnen doch unmoglich seine einzige, mit 100 Dukaten Rente zu vergtitende Leistung in der Kapelle gewesen sein — auch in der Ausfuhrung der von Schmarsow im Entwurfe auf den papstlichen Hofmaler Melozzo da Forli zuruckgefuhrten Dekoration der Fensterleibungen, Pfeiler und Pilaster, sowie in der Umrahmung der fur die Historienbilder bestimmten Felder und der Nischen fiir die Paptbildnisse suchen. Gerade in der Herstellung gemalter Scheinarchitektur war er ja bewandert, wie die Fresken in Prato und Spoleto lehren. Fein gezeichnete Ornamente und reiche Verzierungen liebte er ja iiberall anzubringen, und das anmutige Rankenwerk mag auch hier seinen vollen Beifall gefunden haben. Doch dies sind nur Vermutungen, die zwar ausgesprochen werden dtirfen, fiir deren Beweis sich aber bisher keine urkundlichen Belege gefunden haben. Mit mehr Bestimmtheit dagegen kann man des Klosterbruders Mitwirkung oben unter den Papstbildnissen behaupten, unter denen Schmarsow die Gestalten des Alexander I. und Fabianus auf der rechten, des Eleutherus und Dionysius auf der linken Wand als kiinstlerisches Eigentum Fra Diamantes erkannt hat 3 ). Betrachten wir diese statuarisch aufgefassten Bildnisfiguren etwas naher. Es sind durch- weg gedrungene, breit gebaute Gestalten mit grossen etwas tief zwischen den Schultern sitzenden Kopfen. Sie stehen fest und wenig bewegt in ihren Nischen. Die Kleidung ist bei diesen vier die gleiche: uber der Alba tragen sie einen weiten am Halse von dem Superhumerale bedeckten Chormantel, um welchen die weisse mit Kreuzen bestickte Stola geschlungen ist. Die Tiara sitzt fest auf dem Haupte und ist etwas in den Nacken zurtickgeschoben. Die bartlosen, stark- ') Urspriinglich waren es wohl dreissig oder zweiunddreissig Papstbildnisse, je nachdem man den ersten beiden fehlenden Papsten Linus und Cletus noch Christus und Petrus hinzufiigt. Diese befanden sich wahrscheinlich an der jetzt von Michelangelos Jungstem Gericht bedeckten Altarwand oberhalb der urspriinglich dort befindlichen Malereien Peruginos. Die Reihe beginnt jetzt links mit Clemens I. und gelangt dann abwechselnd von einer Wand zur andern tiberspringend bis zu Damasus an der dem Altar gegeniiberliegenden Schmalseite ; vgl. Schmarsow a. a. O., S. 208. Die Reihenfolge, in der sie an der betreffenden Wand folgen, ist : Auf der linken Seite (der Beschauer steht mit der Front nach dem Jiingsten Gericht) : I. (neben dem ersten Fenster) Clemens L, 2. u. 3. (zwischen den folgenden Fenstern) Euaristus u. Sixtus I., 4. u. 5. Hyginus u. Anicetus, 6. u. 7. Eleutherus u. Zephyrinus, 8. u. 9. Urbanus I. u. Anteros, 10. u. 11. Cornelius u. Stephanus I., 12. (neben dem letzten Fenster) Dionysius. Auf der rechten Seite: I. Anacletus, 2. u. 3. Alexander I. u. Telesphorus, 4. u. 5. Pius I. u. Soter, 6. u. 7. Victor I. u. Callistus I., 8. u. 9. Pontianus u. Fabianus, 10. u. 11. Lucius I. u. Sixtus II., 12. Felix I. An der Schmalseite: 1. Eutychianus, 2. u. 3. Marcellinus u. Marcellus, 4. Damasus I. 2 ) Capella P. P. Syxti IIII in palatio peqmlchra, in qua sunt picturae novi et veteris testamenti cum pontificibus Sanctis, manu et arte mirabili nobilium pictorum concertantium, videlicet: Petri de Castro plebis, et Alexandri et Dominici et Cosmae atque Philippi Floren. quam tua beatitudo ferreis catenis munivit : ac superiorem partem testudineam pulcherrimis picturis et auro exornavit, opus praeclarum Michaelis Archangeli Floren., statuariae artis et picturae praeclarissimi. Francisci Albertini opusculum de Mirabilibus novae urbis Romae, herausgeg. von A. Schmarsow, Ileilbronn 1886, S. 13. 3 ) Der Standort des Beschauers befindet sich hier wie im folgenden mit der Front nach dem Jiingsten Gericht. 12* 02 Die Wandgemalde in der Sixtinischen Kapelle. knochigen Kopfe mit den breiten, langen Nasen, den weit auseinander stehenden seitlich blicken- den Augen, dem festgeschlossenen miirrisch verzogenen Mund sind etwas konventionell behandelt und im Ausdrucke wenig belebt. Alexander I. (Al. 7587') halt in der ausgestreckten Linken ein Buch, die Rechte ist segnend erhoben. Eine ahnliche Handbewegung und die gleiche Form der Hand findet sich bei dem hi. Gregor auf der Giirtelspende in der Galerie zu Prato. Diesem ahnelt auch Alexander in dem starken Schadelbau und in dem Gesichtsausdruck. Der in schweren, eckig gebrochenen Falten herabfallende Chormantel ist mit Sternen bestickt, welche, zum Teil jetzt zwar abgesprungen, dieselbe plastische Ausfuhrung zeigen wie die Schmuckgegenstande und Gewandkanten auf den Fresken und einigen Tafelbildern in Prato. Desgleichen auch die Nagel des Buchdeckels. Fabian us (Al. 7594) halt mit beiden Handen eine beschriebene Pergamentrolle, der Mantel ist ohne Muster und nur mit einem breiten gestickten Streifen ver- sehen. An der Tiara dagegen linden sich die aufgesetzten Goldpunkte wieder. Der Kopf er- innert bereits etwas an Ghirlandajos Typus und ahnelt z. B. dem Thomas von Aquino auf dem Altarbild dieses Meisters in der Akademie zu Florenz. Eleutherus (Al. 7608) links ist da- gegen in jeder Beziehung charakteristisch fur Fra Diamante. Er hat den breiten fleischigen Kopf nach rechts gewendet und blickt miirrisch in die Feme. Der linke Arm verschwindet vollstandig unter dem schweren Mantel, nur die Finger sind sichtbar, die ein dickes Buch mit reich verziertem Deckel halten, auf welches der ausgestreckte Zeigefinger der Rechten weist. Der breite Streifen des mit goldenen Tupfen besaten Chormantels ist ebenso wie der Buchdeckel mit plastisch aufgesetzten Sternen versehen. Besonders auffallig sind hier die drei breiten, durch die Biegung des Armes im Gelenk hervorgerufenen Quetschfalten der Armel. Sie finden sich genau so wieder unter anderem bei Giovan Gualberto an der Fensterwand des Chores in Prato, bei Joseph auf der Darstellung im Tempel in S. Spirito und den meisten Gestalten Fra Diamantes in Spoleto. Die Hand zeigt wenig Modellierung und hat die dem Kiinstler eigne breite Form mit den kurzen, dicken Fingern. Dionysius (Al. 7602) halt mit beiden Handen ein geoffnetes Buch, sein Blick aber schweift verloren in die Feme. Er tragt einen prachtigen Mantel aus geblumtem Stoff, der das gleiche Muster zeigt wie das Gewand des Gregor auf der Giirtelspende, und das sich ganz ahnlich auch bei dem Rock des Herodes auf dem Fresko mit dem Tanz der Salome in Prato und bei dem Mantel der Maria auf dem Deckengemalde in Spoleto findet. Mit diesen vier von Schmarsow nur als besonders charakteristische Beispiele hervorge- hobenen Gestalten ist das uns erhaltene Werk Fra Diamantes in der sixtinischen Kapelle jedoch noch nicht erschopft. Anteros (Al. 7605) links zeigt solch ubereinstimmende stilistische Merk- male mit den bisher besprochenen Figuren, dass ich auch ihn Fra Diamante zuschreiben mochte. Man vergleiche nur die Zeichnung der Augenbrauen und der kleinen seitwarts blickenden Augen, die Modellierung der Nase und des Mundes mit dem Kopfe des Eleutherus, um auch hier die Mache ein und desselben Kiinstlers zu erkennen. Vor allem sprechen fiir Diamante die Falten- gebung, die Form der Hande sowie nicht zum wenigsten die Gewandbehandlung und das plastisch ausgefuhrte Sternmuster am Besatze des Chormantels, der unten das Wappen der Rovere zeigt. Ebenso ist Telesforus (Al. 7587), zwischen dem ersten und zweiten Fenster rechts, das Ebcnbild des Alexander. Selbst die Haltung der linken Hand ist iibereinstimmend. Bei Eutychianus (Al. 7601), zu ausserst links an der der Altarwand gegeniiberliegenden Seite, ist nur der Kopf von Fra Diamante ausgefiihrt, die iibrige Gestalt dagegen, besonders die Gewandbehandlung und die Form der Hande verraten die Art Botticellis. Umgekehrt gehort wieder das punktierte Gewand mit dem Palmettenmuster an der Kante und die breiten Hande des Callistus I. (Al. 7592), auf der rechten Langseite, dem Frate an, wahrend der Kopf unverkcnnbares Eigentum Botticellis ist und dieselben Ziige wie dessen Aaron unten auf der Vernichtung der Rotte Korah zeigt. Ein ahnliches Verhaltnis zwischen Ghirlandajo und Dia- mante findet sich bei Hyginus (Al. 7610) und Anicetus (Al. 7609) auf der linken Wand. Das Gewand des ersteren zeigt dasselbe plastisch gearbeitete Sternmuster wie das Alexanders driiben ; der Saum des Mantels und der Buchdeckel des Anicetus die namliche Verzierung wie bei Eleu- ') Ich gebe zur leichteren Vergleichung die Numinern der dieser Untersuchung zugrundeliegenden Alinarischen J'hotographien. Die Papstbildnisse. Botticellis und Ghirlandajos Anteil daran. g? therus und Anteros. Kopfe und Hande dagegen sind von Ghirlandajo ausgefuhrt x ). Des- g-leichen riihrt wohl das konventionell behandelte, die Arme verdeckende Chorgewand bei Pius I. (Al. 7589) auf derselben Seite vom Frate her, der Kopf, der grosse Verwandtschaft mit dem Hieronymus in Ognissanti zeigt, ist wiederura Eigentum Ghirlandajos 2 ). Von den iibrigen Papstfiguren verteile ich die besterhaltenen folgendermassen unter Botticelli und Ghirlandajo. Auf Botticellis Rechnung kommt ausser den bereits erwahnten Teilen an Eutychianus und Callistus, auf der rechten Seite Soter (Al. 7590). Typus und Ausdruck entsprechen genau dem Eligius auf der Kronung Maria. Ebenso gleicht Sixtus II. auf derselben .Seite (Al. 7596) in der Haltung des Kopfes, dem schwarmerisch nach oben gerichteten Blick, der Haltung der rechten Hand vollig dem Augustin in Ognissanti. Euaristus auf der linken Wand (Al. 7612) ist ein Doppelganger des Hieronymus auf der Kronung Maria. Auch die feine Faltlung des Chorhemdes sowie die Form der Hande sind fur Sandro charakteristich. Stephanus auf der- selben Wand (Al. 7603) kann seinerseits die Verwandschaft mit dem schreibenden Augustin auf dem Bilde aus S. Barnaba nicht verleugnen. Doch sind Kopf und Hande iibermalt. Bestimmt auf Ghirlandajo zuriickfiihren lasst sich neben den schon besprochenen Teilen am Hyginus und Anicetus auf der rechten Seite Anacletus (Al. 7586). Der knochige Greisen- kopf mit der feinen, etwas gebogenen Nase, dem zweigeteilten welligen, weissen Vollbart und dem langen gelockten Schnurrbart findet sich sogar bis auf die seitliche Wendung genau so wieder bei dem Greise links hinter Christus unten auf Ghirlandajos Fresko mit der Berufung des Petrus und Andreas und auf zahlreichen Tafelbildern seiner Hand. Auch die Gewandbehandlung mit den zahlreichen Faltchen am Armel ist fiir ihn charakteristisch. Ein Blick auf die beiden knieenden Bischofe zu Fiissen der Madonna in den Uffizien (Nr. 1297) kann davon iiberzeugen. Victor auf der gleichen Seite (Al. 7591) hat in dem bartlosen scharf geschnittenen Gesicht, dem seitlichen Blick unter miirrisch zusammengezogenen Brauen sein Gegenstiick in dem Dionysius links neben Maria auf dem Madonnenbild des Meisters in der florentiner Akademie (Saal V, Nr. 167). Seiner Weise entsprechen ebenfalls Lucius 3 ) (Al. 7595) und Felix auf dieser Seite (Al. 7597). Drtiben kommen fur ihn in Betracht Clemens (Al. 7613), fiir dessen Typus wie Gewandbe- handlung man nur auf den knieenden Bischof links auf dem oben erwahnten Altarbild in den Uffizien zu verweisen braucht. Zephyrinus (Al. 7607) ahnelt dem Victor I., die ganze Gestalt ist jedoch stark iibermalt. Ebenso scheint mir Marcellinus (Al. 7599) mehr den Ghirlandajo eigenartigen unbartigen Typus zu besitzen 4 ), wahrend Urban auf derselben Seite (Al. 7606) und Dam as us auf der Schmalwand (Al. 7598), letzterer allerdings in den unteren Teilen des Gesichtes erneuert, wieder den weissbartigen Greisenkopf dieses Meisters zeigen. Die noch iibrigen vier Figuren : links Sixtus I. und Cornelius, rechts Pontianus, auf der Schmalseite Marcellus, sind zum Teil oder ganz erneuert, so dass sie sich keinem bestimmten Kiinstler zuweisen lassen. Man kann sich den Hergang bei der Ausmalung der Kapelle demnach etwa folgendermassen denken. An erster Stelle, wahrscheinlich schon 1481, wird Fra Diamante berufen, der durch seine Malereien in Spoleto dem Papste bekannt geworden war und als Klosterbruder vielleicht in Rom auch gute Verbindungen besass. Seine Arbeiten haben sich vielleicht auf die Malerei der Decke und die Herstellung der rein dekorativen Teile der Wande erstreckt. In einigen der Papstbildnisse tritt uns sein Anteil fassbar entgegen. Doch sein Talent erwies sich gar bald als unzureichend fiir die ihm gestellte Aufgabe, es werden tiichtigere Krafte herangezogen, Botticelli, als einstiger Ateliergenosse vom Frate selbst vielleicht warm empfohlen, und Ghirlandajo erscheinen auf der Bildflache und arbeiten gemeinsam mit Diamante an der Herstellung der langen Portratreihe. Von anderen Kiinstlern ist so friih nichts zu bemerken. Sandro und Domenico mogen es nicht ungern gesehen haben, wenn ihnen der Frate die lastige Auspinselung der stereotypen Chormantel ab- *) Nach Schmarsow von Botticelli. 2 ) Nach Schmarsow teilweise von Botticelli ausgefuhrt. 3 ) Allerdings stark iibermalt. Nach Schmarsow von Botticelli. 4 ) Nach Schmarsow zum Teil von Botticelli. g4 Die Wandgemalde in der Sixtinischen Kapelle. nahm, zumal cr in der kunstrcichen Verziorung der Gewiinder durch die Praxis in Prato und Spoleto besser bewandert war. Als aber diese mehr dekorativen Arbeiten an der Decke und zwischen den Fenstern gethan waren, blieb kein Raum mehr fur die Kunst Diamantcs. In der Schopfung grosser historischer Kompositionen konnte er mit seinen herbeigerufenen Landsleuten nicht konkurrieren , da bcdurfte es doch noch etwas mehr als der sorgsamen Mahveise eines fleissig und gewissenhaft arbeitenden Handwerkers , der, technisch zwar recht ti'ichtig geschult, den Anforderungen einer hohen Kunst jedoch keineswegs gewachsen war. So musste sich denn der Papst wohl oder iibel entschliessen, ihm den Abschied zu geben, und er that dies, indem er ihn zum Entgelt auf Kosten anderer iiberreich belohnte. Als Schmuck der Langwande der Kapelle sind Darstellungen aus der biblischen Geschichte gewahlt, und zwar entspricht jedesmal einer Scene aus dem alten Testament auf der linken eine solche aus dem neuen auf der rechten Wand, indem einem Ereignisse aus dem Leben Mosis ein entsprechendes aus dem Leben Christi gegeniibergestellt ist 1 ). Auf der jetzt von Michel- angelos Tiingstem Gericht bedeckten Altarwand hatte nach Angabe Vasaris Perugino zu seiten der Hifnmelfahrt Maria hier die Auffindung Mosis, dort die Geburt Christi gemalt. Daran schliesst sich, grosstenteils von Pinturicchio ausgefiihrt, als erste Darstellung der Langseiten links bereits der Auszug Mosis aus Midian nach Agypten und die Beschneidung des Erstgeborenen, rechts die Taufe Christi mit den Nebenscenen der Predigt Johannis und Christi in der Wuste. Daneben erst erzahlt Botticelli, durch das entsprechende Gegenstiick aus dem Leben Christi ge- zwungen, die zeitlich davor liegenden Schicksale des Volksfiihrers im Lande Midian vor seiner Mission in Agypten, parallel dazu die Versuchungen, die der Heiland vor Beginn seiner Lehr- thatigkeit zu bestehen hatte. Das folgende Freskenpaar von der Hand Ghirlandajos schildert den Untergang der Agypter im roten Meere' 2 ) und die Berufung des Petrus und Andreas. Dann fiihrt uns Cosimo Rosselli zum Berge Sinai, wie Moses die Gesetzestafeln erhalt, wie er sie beim Anblick des goldenen Kalbes zertrummert und die Schuldigen hinrichten lasst, driiben zeigt er Christi Thaten im galilaischen Land: die Bergpredigt und die Heilung des Aussatzigen. Jenseits der das Presbyterium von dem Platz der Laien abgrenzenden Marmorschranken fahrt Botticelli im Leben Mosis fort mit der Vernichtung der Rotte Korah, Perugino in der Thatig- keit Christi mit der Einsetzung des Schliisselamtes. Daran schliesst Luca Signorelli, der zur Beschleunigung der Arbeit, wie gesagt, noch zuletzt herbeigerufen ward, die Darstellung der letzten Tage Mosis: seinen Abschied vom Volke Israel, die Einsetzung Josuas zu seinem Nach- folger, das Erschauen des Landes Kana und seinen Tod; Cosimo Rosselli das Abendmahl mit den Nebenscenen des Gebetes in Gethsemane, der Gefangennahme und Kreuzigung Christi. Auf der anstossenden Schmalwand war einst von der Hand des Cortonesen noch der Kampf des Erz- engels Michael mit dem Satan um den Leichnam Mosis, von Ghirlandajo die Auferstehung Christi zu sehen. Beide Fresken, bereits zu Vasaris Zeit arg mitgenommen, sind jetzt durch spatere Pinseleien ersetzt. Dem ersten Bilde Botticellis liegt die Schilderung von den Thaten Mosis im Lande Midian zugrunde, wie sie im zweiten Buch Mosis vom zweiten bis zum vierten Kapitel erzahlt werden. In sieben Einzelscenen versucht der Kiinstler den Worten der Schrift Gestaltung zu ver- leihen. Er beginnt auf der rechten Seite mit dem Racheakt an dem agyptischen Vogt. Vor einer pfeilergetragenen Halle hat Moses den Agypter, der einen seiner Stammesgenossen miss- handelte, zu Boden geworfen und schwingt iiber dem Schreienden das Schwert. Voll Entsetzen stiirtzt ein jugendlicher Mann, das Opfer jener Misshandlung, von dannen, hulfesuchend in den Armen einer Frau sich bergend. Auf diese That hin muss Moses, um der Rache Pharaos zu entgehen, fliehen. Eiligen Schrittes entweicht er im Hintergrunde, den keulenartigen Stab ge- schultert, in das Land Midian. Auch hier, wo er bei einem Brunnen Unterschlupf findet, tritt J ) Ich gehe nicht weiter, als es gerade ftir den allgemeinen Uberblick erforderlich ist, auf die von den ubrigen Kiinstlern geschaffenen Wandbilder ein, indem ich dafiir auf das ganz vortreflliche, inhaltsreiche Kapitel bei Schmarsow a. a. O. verweise. 2 ) Friiher dem Cosimo Rosselli zugeschrieben , doch von Schmarsow, wie mir scheint, mit vollem Recht als ein Werk des Domenico Ghirlandajo unter iiberwiegender Teilnahme des Piero di Cosimo erkannt. a. a. O., S. 21S ff. Mosis Thaten ini Lande Midian. q- er als ein Beschiitzer der Bedrangten auf. »Der Priester aber in Midian hatte sieben Tochter, die kamen Wasser zu schopfen und fulleten die Rinnen, dass sie ihres Vaters Schafe tranketen. Da kamen die Hirten und stiessen sie davon. Aber Mose machte sich auf, und half ihnen und trankte die Schafe.« In der Mitte des Bildes im Vordergrund ist Moses bemiiht, aus einem im Schatten hoher Baume aufgemauerten Ziehbrunnen Wasser den herandrangenden Schafen in einen Trog zu leeren. Ihm gegeniiber stehen anstatt der sieben Tochter Jethros zwei blondhaarige, in Lammfell und buntgekantete Gewander gekleidete, barfussige Hirtinnen der Campagna. Die eine dreht sich nach ihrer Gefahrtin urn und weist sie auf die unerwartete giinstige Losung der Handel. Diese, ein Kranzlein in den aufgelosten Flechten, blickt noch ganz verschuchtert drein. Weiter zuriick jagt der Heifer in der Not die riicksichtslosen Burschen samt ihrer Herde mit erhobenem Knuttel von dannen. Doch nicht allzulang sollte sich Moses der landlichen Ruhe als Hirt seines Schwagers Jethros erfreuen : der Herr verlangt seine Dienste. So fmden wir ihn im Hintergrund am Berge Horeb, wie er auf des Hochsten Befehl seine Schuhe lost und daneben, wie Gott aus dem feurigen Busch zu ihm redet. Links im Vordergrund zieht er bereits mit seiner Sippe nach Agypten. Er voran, den Stab Gottes in der Hand, mit der Linken nach vorwarts weisend; hinter ihm sein Weib Ziporah zu dem Tungsten herabgeneigt, der bereits wegemiide sich an den Arm der Mutter hangt; daneben der altere Bruder, ein schoner blondhaariger Knabe, ein Hundlein im Arme. Ihnen folgt der Tross der Knechte, junge und alte, einige in orientalischer Tracht, andere im Lederkoller, mit dem Schwert umgiirtet. Gebuckt schreiten die Dienerinnen unter schweren Lasten einher. In unverkennbarer Freude an reichen, lebendigen Schilderungen lasst Sandro seinem Er- zahlertalent hier freiesten Lauf. Unbektimmert um die Forderungen einer einheitlichen wohlge- gliederten Komposition giebt er, noch in einer friiheren Kunsttradition befangen, ahnlich wie Fra Filippo auf den ersten Freskostreifen in Prato, ein »Episodenbild«, lasst zeitlich nacheinander ge- schehene Ereignisse als gleichzeitig nebeneinander auf einem Plane stattfinden. Die Flucht Mosis nach Agypten, seine Berufung auf dem Berge Horeb werden mehr nebensachlich im Hintergrunde abgehandelt, und doch hatte gerade letztere als Hauptsache in den Vordergrund gestellt werden miissen. Aber dem Kiinstler lag mehr an der Ausgestaltung der landlichen Genrescene, ihn fesselte gerade beim Auszug aus Midian in einer Anzahl indi- vidual behandelter Kopfe seine Befahigung im Portratfach zu zeigen. Man darf wegen dieser Mangel nicht allzuscharf mit ihm rechten. War ihm doch fruher nicht Gelegenheit gegeben, ahnliche umfangreiche Historienbilder zu entwerfen, stand er bei der grossen Anzahl der darzu- stellenden Einzelbilder hier doch einer ganz besonders schwierigen Aufgabe gegeniiber. Audi die ersten Darstellungen Peruginos, Ghirlandajos und Rossellis in der Kapelle leiden an einer ahn- lichen Unubersichtlichkeit der Anordnung, einer Uberfiille an Motiven und Figuren. Sandro musste erst lernen, gerade in der Beschrankung sich als Meister zu zeigen , wie es in dem an letzter Stelle ausgefiihrten Bilde mit der Vernichtung der Rotte Korah der Fall ist. Ganz je- doch konnte er seine iiberreiche Phantasie, das leidenschaftliche Ubersprudeln seines schopferischen Geistes nie bandigen. Sein warmes Empfindungsleben heischt eine warme Aussprache, er will alles sagen, was er fiihlt und vergisst dariiber manchmal die Grenzen, die ihm von der Kunst gesteckt sind. Das namliche fortgesetzte Ringen seiner vielgestaltenden , mitteilungsbedurftigen Phantasie mit den Mitteln der Darstellung gibt sich auch in den Illustrationen zu Dantes Gott- licher Komodie kund. Die Erhaltung des Wandgemaldes ist bis auf die Gruppe Moses iiber dem Agypter und die Erscheinung im feurigen Busch eine leidlich gute. Die Technik ist noch etwas hart und sprod wie bei dem Augustin von 1480. Erst im Laufe der Arbeit wird Sandro diese Malweise ganz gelaufig. Die Farbe der Gewander ist hie und da etwas sehr grell, so in der Zusammenstellung eines gelben Gewandes und griinen Mantels bei Moses. Die feste Zeichnung und scharfe Durchbildung der Kopfe und Hande lasst den engen Zusammenhang zwischen diesen Wandmalereien und den zuletzt besprochenen Tafelbildern deutlich hervortreten. Der Typus und die Tracht des jugendlichen Volksfiihrers ist ebenso wie bei Perugino dem Christi angeahnelt. Gewelltes, in den Nacken herabfallendes schwarzes Haupthaar, wenig Schnurr- g6 Die Wandgemalde in der Sixtinischen Kapelle. und Backenbart. Die Scene, wo Moses die Hirten verjagt, konnte ohne weitercs zu einer Ver- treibung der Handler aus dem Tempel verwendet werden. In den jugendlichen weiblichen Kopfen linden wir das Marienideal der Bilder aus S. Barnaba und S. Spirito, in dem jungsten Sohn Mosis den Typus des Christkindes, in dem alteren den der Engel auf diesem und dem Rundbilde in den Uffizien wieder. Die beiden Hirtenmadchen sind eine Ubertragung der Grazien aus dem Garten Cytheras in die Ebene der romischen Campagna. Die Gewandung fallt bei alien Ge- stalten in breiten Massen, die Bewegungen sind auch bei heftiger Erregung gemassigt. Die einfache Landschaft mit der hart gegen den Himmel sich abhebenden Hugelreihe im Hintergrund und den in das Himmelblau hineinragenden schwarzgriinen Oliven- und Myrthenbaumen im Vordergrund ist ganz im Charakter Botticellis. Von der Mitarbeit eines bestimmten Gehilfen ist hier noch nichts bemerkbar. Mit ahnlichen Schwierigkeiten der Komposition wie hier hatte Sandro bei der Darstellung der entsprechenden Begebenheiten aus dem Leben Christi zu kampfen. Die Evangelicn berichten von einer dreimaligen Versuchung des Heiland: in der Wiiste, auf der Zinne des Tempels, auf einem hohen Berg '). Diese drei Ereignisse sollte der Kiinstler auf einem Bilde ver- einigen. Welches jedoch als Hauptsache herausnehmen, ohne die Wirkung der tibrigen abzu- schwachen? Er hilft sich auf eine ganz eigenartige und nicht gerade gelungene Weise aus der Verlegenheit, indem er die eigentliche Handlung in drei Nebenscenen in kleinen Figuren in den Hintergrund verlegt, zwar so, dass sie, auf erhohter Ortlichkeit stattfindend, dem Beschauer immer- hin deutlich bleiben, aber doch gegen die Handlung im Vordergrund zuriicktreten. Diesen nimmt in seiner ganzen Ausdehnung eine Opferceremonie ein, die wir uns vor dem im Hinter- grund sich erhebenden Tempel zu Jerusalem zu denken haben. Vor dem von Andachtigen um- ringten Altare steht der Hohepriester und empfangt ein Becken mit Weihwasser von einem von rechts herantretenden Jungling. Zahlreiche Zuschauer, teils stehend teils sitzend zu Gruppen ver- einigt, fiillen den weiten Platz. Es sind samtlich Bildnisse hoher Geistlicher und vornehmer Laien aus der nachsten Umgebung des Papstes. Zur Belebung der Handlung sind einzclne ( renrefiguren eingeftigt, so rechts im Vordergrund ein jugendliches Weib, das schnellen Schrittes mit einem Bund Reisig dem Altare sich naht, ein mit Weintrauben beladenes Biiblein vor sich hertreibend. Diese Frauengestalt geht, wie bereits erwahnt, auf Fra Filippos Vorbild zurtick. Eine entsprechende Figur mit einem Korb auf dem Kopfe eilt auf der andern Seite mehr im Hintergrund herbei. In ihr erkennt man die Magd aus der Heimkehr der Judith wieder. Hinter dem Altare erhebt sich der Tempel mit inkrustirter Fassade. Auf dem Giebel stehen auf sockel- artigem Unterbau, gleich einer plastischen Gruppe, Christus und der als Monch verkleidete Satan. Auf der linken Seite des Bildes spielt sich auf einem mit Baumen bewachsenen Felsabhang das diesem vorangehende Geschehnis ab, wie der Bose den Erloser auffordert, aus Steinen Brot zu machen, darunter wie Christus von Engeln den Felspfad herabgeleitet wird; driiben steht auf steiler Klippe der Heiland, mit erhobener Rechten das die Vermummung abstreifende Ungetiim von sich stossend. Schon sind drei Engel genaht, ihm den Tisch zu deckcn. Im Hintergrund erstreckt sich die Ktiste mit Stadten, Kirchen und Palasten. Davor stehen zwei hohe Eichen, der Wappcnbaum des Papstes. Fur die Begebenheit im Vordergrund sucht man vergebens nach einer Belegstelle in der Bibel. An Christus bei dem weissgekleideten Jungling zu denken, der in Parallele zu dem hilf- reich eingreifenden Moses driiben hier etwa den Hohenpri ester beim Opfer unterstutzte 2 ), ver- bietet das Fehlen des Heiligenscheines. Auf alien Gemalden in der Kapelle triigt er dieses Zeichen seiner Gottlichkeit. Eher liesse sich in dem Greisc und dem Jtingling eine Personifi- kation des alten und neuen Testaments, der Synagoge und der jungcrstohonden christlichen Kirche suchen, wie sie in der fruheren Kunst durch ein altes und ein junges Weib dargestellt zu werden pflegte. Oder ist die ganze Ceremonie nur dazu da, den Vorwand fiir die Einftihrung zahlreicher Bildnisse abzugeben, vcranlasst durch den Wunsch des Papstes, von der geiibten >) Ev. Matth. IV, I — II. Ev. Luc. IV. I — 13. 2 ) So Schmarsow. Versucliung Christ' Filippino Lippis Mitarbeit. 97 Hand Sandros seinen ganzen Hofstaat portratiert zu sehen? 1st etwa bei dem Vorgang auf die Weihe eines papstlichen Nepotcn angespielt, der in dem geschaftigen Jiingling den Zeit- genossen kenntlich war? Unter den hier gegebenen Bildnissen interessieren uns zwei rechts in der Ecke ganz besonders. Der eine in drei viertel Ansicht, besonders scharf beleuchtet, schaut traumerisch ins Weite. Es ist, wie eine Vergleichung mit dem Selbstbildnis auf der Anbetung der Konige lehrt, Meister Sandro sclbst. Neben ihm steht sein Schliler Filippino Lippi. Denn ihn und keinen andern haben wir in dem scharf herausblickenden Kopf daneben zu erkennen. Es sind genau dieselben Zuge, die namliche Kopfstellung, die uns das Selbstbildnis in der Brancacci- kapelle auf dem Fresko Petrus und Paulus vor dem Prokonsul iiberliefert hat. Dass der damals hochstens funfundzwanzigjahrige Filippino als Gehilfe seines Lehrers mit nach Rom gegangen ware, ist schon an und fur sich nicht unwahrscheinlich , jedoch wir haben Beweise fur seine Anwesenheit dort. Erstens nennt Albertini ihn ausdrucklich unter den bei der Ausmalung der sixtinischen Kapelle beteiligten Kiinstlern. Denn sein Philippus Florentinus beruht nicht, wie Schmarsow glaubte, auf einer Verwechslung Fra Filippos mit Fra Diamante, sondern Philippus (Philippo) bei Albertini oder Filippo Lippi bei Vasari ist stets Filippino, wahrend sein Vater bei beiden immer den Beinamen Frate oder Fra fiihrt. Zweitens ist Filippinos Abwesenheit von Florenz im Jahre 1482, zu der Zeit also, wo die Ausmalung der sixtinischen Kapelle stattfindet, urkundlich bezeugt. Am 3 1 . Dezember dieses Jahres namlich ubertragt die Signorie von Florenz dem Kiinstler in seiner Abwesenheit an Stelle Peruginos die Ausmalung eines Raumes im Palazzo pubblico unter gleichen Bedingungen und zu gleichem Preise J ). Darin haben wir auch den Termin fur die Anwesenheit Botticcellis in Rom. Filippino muss zvvischen der Ausfuhrung des Fresko mit den Thaten Mosis und desjenigen mit der Versuchung Christi zur Unterstiitzung seines Lehrers in Rom eingetroffen sein. Denn wahrend auf dem ersteren sich seine Hand noch nicht nachweisen lasst, hat er bei der Ausfuhrung des letzteren schon einen bedeutenden Anteil. Von ihm namlich riihrt die Landschaft sowie die Architektur auf dem zweiten Bilde her. Botticelli ist kein Landschaftsmaler. Seine Abneigung fur diescn Zweig der Kunst wird nicht nur durch die bereits mitgeteilte Stelle bei Leonardo bezeugt sondern findet in seinen Werken geniigende Bestatigung. Wie wir sahen, stellt er seine Gestalten entweder ganz vor die freie Luft oder giebt im Hintergrund eine monotone Hiigelreihe und eincn kleinen nur fliichtig angelegten landschaftlichen Ausschnit oder, was das haufigste ist, er stellt seine Figuren vor eine Hecke oder vor eine Wand dunkelbelaubter Baume. Stets ist die Landschaft fur ihn nur der notwendig hinzugefugte Prospekt, vor dem die Gestalten agieren, nie hat man das Gefiihl, dass die Figuren auch wirklich in der Landschaft stehen, mit derselben ein Ganzes bilden. Desshalb raumt er ihr auf keinem seiner eigenhandigen Bilder eine solche Bedeutung ein, wie es hier auf dem zweiten Wandbild der Fall ist. Auch bei der Ausfuhrung des Baumschlages vermag er nicht den Baum als ein Ganzes, Geschlossenes von Asten, Zweigen und Bliittern zu behandeln, wie er sich dem Auge in einer gewissen Entfernung darstellt, sondern er malt jedes Blatt, jede Blume fur sich als ob der Beschauer sich in nachster Nahe befande. Was er dabei von Landschaft giebt, ist rein ideal, nirgends merkt man ein eingehendes Natur- studium. Anders Filippino. Bei ihm hat die Landschaft als solche bereits ihre Bedeutung, sie wird dem Figiirlichen nicht untergeordnet sondern als gleichberechtigter Faktor behandelt. Seine landschaftlichen Griinde sind nach der Natur studiert. Dieselben iiberhangenden baumbewachsenen Felsenpartien und der namliche naturgetreue Baumschlag wie auf dem Wandgemalde hier findet sich auf mehreren Werken Filippinos, ganz besonders auf seinen Jugendbildern, wie dem 1480 gemalten, also der hier behandelten Periode zeitlich sehr nahestehenden Vision des hi. Bernhard in der Badia zu Florenz und auf der Ende der achziger Jahre etwa entstandenen Madonna zwischen Hieronymus und Dominikus in der National Gallery zu London (Nr. 293). Auf letzterer J ) Gaye, Carteggio I, S. 579: 1482, 31. Dezember. Item concesserunt Filippo fratris absenti ad pingendum earn partem, quam alias locaverunt Perugino pictori, et pro illo pretio et cum illis conditionibus et qualitatibus, prout dicto Perugino locaverant ; locationem autem dicto Perugino factam revocaverunt. Ulmann, Kotticelli. 13 gg Die Wandgemalde in der Sixtinischen Kapelle. finden sich genau zwei solche Eichen wie auf dem Fresko. Ebenso ist die sorgfaltige Aus- fiihrung der Tempelfassade im Ilintergrund sowie der ganze Stil dieses Bauwerkes in seinem Geschmacke. Auf Bildern seines Lehrers findet sich dergleichen nicht. Wir werden bei Be- trachtung des nachstfolgenden Wandgemaldes noch deutlichere Beweise fur Filippinos Bethatigung gerade auf dem Gebiete der Architekturmalerei kennen lernen. Ob sich des Gehilfen Teilnahme hier iiber das Landschaftliche hinaus auch auf das Figtir- liche erstreckt, will ich nicht mit derselben Bestimmtheit behaupten, doch scheint es mir, als ob die Gruppe dreier im Gesprache befindlicher Manner links im Vordergrund, von denen einer auf der Marmorschranke sitzt, mehr seinem als des Meisters Stil entsprache. Lasst sich schon aus der Mitarbeit Filippinos bei diesem Fresko auf eine spatere Entstehung als des Gegenstiickes schliessen, so wird dies noch bestatigt durch eine flottere, freiere Technik, starkere Bewegtheit der Gestalten, harmonischere Farbengebung. An Stelle der grellen Gewander treten vorwiegend dunklere Stoffe in roten und blauen Niiancen. Auf dem nachstfolgenden Bilde mit der Vernichtung der Rotte Korah ist kaum mehr etwas von den Schwierigkeiten zu merken, die Botticelli bei der Komposition der ersten Fresken zu schaffen machten. Die Anordnung ist klar und ubersichtlich, die Raumbchandlung einfach und gross, die Anzahl der Personen auf das notigste beschrankt. In drei abgeschlossenen Gruppen spielt sich der Vorgang im Vordergrund ab. In der Mitte des freien Platzes, den nach hinten eine getreue Nachbildung des Konstantinsbogens begrenzt, steht der greise Moses mit erhobenem Stabe die Rache des Himmels auf das Haupt der Frevler herniederflehend, die sich erdreisteten, am Altar des Herrn zu opfern. Bereits ist sein Wunsch erhort, kopfiiber taumeln die Verwegenen, vom Feuer ihrer eigenen Raucherpfannen getroffen, zu Boden. »Dazu fuhr das Feuer aus von dem Herrn und frass die zweihundertundfunfzig Manner, die das Raucherwerk opferten« 1 ). Aaron steht in vollem priesterlichen Ornat dabei und schwingt das Rauchfass. Daneben eilt Eleasar mit den Pfannen hinweg, um sie dem Befehl Jehovas gemass zu Blechen zu schlagen und den Altar damit zu behangen. Diese Figur bildet den Ubergang zu der Gruppe rechts, wo der aufsassige Pobel Moses steinigen will und nur durch das Dazwischentreten Josuas von seinem Beginnen abgehalten wird. Dem Vorgange fehlt es nicht an zeitgenossischen Zuschauern, unter denen zu ausserst rechts der Kardinal Rodrigo Borja, der spatere Papst Alexander VI., durch die Brutalitat seiner Ziige auffallt. Auf der linken Seite des Gemaldes verflucht Moses Korah, Dathan und Abiram, unter denen die Erde zerreisst, so dass »sie lebendig zur Holle fahren«. Auch diese Scene ist mit der Mittelgruppe durch die Gestalt eines zu Boden stiirzenden Leviten verbunden. Weiter zuriick steht als unbeteiligter Zuschauer der Kardinal Raffaello Sansoni Riario mit einem Pralaten. Durch den Konstantinsbogen, an dessen Front die drauende Inschrift steht »Nemo sibi assumat honorem nisi vocatus a deo tamquam Aron« schweift der Blick auf eine Meeresbucht, an dessen Ufer sich rechts antike Tempelruinen und weiter zuriick eine wohlbefestigte Stadt erstrecken, wahrend links eine Galeere zur Ausbesserung am Strande liegt. Viel hatte Botticelli im Laufe der Arbeit von den wohlgegliederten, klar aufgebautcn Kompositionen Ghirlandajos und Peruginos gelernt. Das zeigt sich deutlich bei seiner letzten Arbeit. Gerade bei einem seiner erregbaren Empfindungsweise so konformen Stoff wie diesem hatte man die Schilderung wild entfesselter Leidenschaft in voller Ungebundenheit erwarten konnen. Aber dass er gerade hier zu gunsten der Darstellung Mass zu halten verstand, muss um so hoher angeschlagen werden. Weiter liess sich die Beschrankung in der Figurenzahl kaum treiben, ohne unklar zu werden. In der Mittelgruppe werden die verschiedenen auf- einanderfolgenden Nebenereignisse in je einer Figur vorgefuhrt, aber so, dass jede von diesen doch wieder an der Haupthandlung teilnimmt. Dabei hat der dramatische Affekt gar keine Einbusse erlittcn. Ein Blick auf gegenstandlich verwandtc Darstellungen wie der Zorn Mosis iiber die An- betung des goldencn Kalbes von Cosimo Rosselli oder Ghirlandajos Untergang Pharaos im roten Meer zeigt erst, welch ganz andere Akkorde Sandro gegenuber den anderen Kunstlern anzu- schlagen imstande ist, wenn er in die Saiten greift. ') IV. Much Mose, c. 16, 35. Vernichtung der Rotte Korah. Filippinos Skizze. 99 Hatten wir nicht schon auf der Versuchung Christi geniigende Beweise fur Filippinos Mitarbeit, hier bei dem letzten Wandgemalde wiirde sich sein Anteil unzweifelhaft ergeben. Die dominierende Stellung, welche der Konstantinsbogen auf dem Bilde einnimmt, die bis ins einzelne hinein sorgfaltige Nachbildung des Originals bleibt bei Sandros ablehnender Haltung gegen- iiber der getreuen Wiedergabe antiker Kunstwerke ganz unverstandlich und hat nichts Analoges auf irgend einem anderen seiner Werke, findet jedoch in der antikisierenden Art des Schiilers ihre vollige Erklarung. Auf dessen mit romischen Bauten und archaologischen Reminiscenzen voll- gepfropften Gemalden liessen sich zahlreiche Gegenstiicke auffiihren. Filippinos fleissiges Studium der romischen Altertiimer wird ausserdem von Vasari und Benvenuto Cellini ausdriicklich be- zeugt. Eine Zusammenstellung der noch zu ervvahnenden allegorischen Darstellung der Ver- leumdung Botticellis mit Filippinos Fresken in der Strozzi-Kapelle zeigt die grundsatzlich ver- schiedene Stellung von Lehrer und Schiiler den antiken Bauformen gegeniiber. Fiir die Mitarbeit Filippinos gerade an dem letzten Wandgemalde haben wir aber noch einen thatsachlichen Beweis. Es befmdet sich namlich in der Sammlung der Uffizien unter Botti- cellis Namen eine kleine Federzeichnung Filippinos zu diesem Fresko (Rahmen 55, No. 146) 1 ). Es ist eine Skizze zu, nicht nach dem Fresko. Dies zeigt sofort eine oberflachliche Vergleichung. Die Mittelscene ist diesem gegeniiber reicher an Figuren, die selbst wieder anders um den Altar gruppiert sind. So fehlt Aaron und der forteilende Eleasar, wahrend die Zahl der Leviten erhoht ist und den auf dem Bilde leeren Raum vor dem Altar eine niederstiirzende Gestalt ein- nimmt. Bei der Gruppe rechts findet sich die sehr lebendige Gestalt eines steineaufraffenden Mannes, die auf dem Gemalde fehlt. Auch die iibrigen Figuren sind abweichend, ebenso stimmen die Gestalten der linken Seite in den Einzelheiten auf Skizze und Ausfiihrung nicht iiberein. Im Hintergrund sieht man auf dem Blatte, auf der gleichen Stelle wie auf dem Fresko, in fliichtigen Strichen angelegt den Konstantinsbogen, daneben links der Wirklichkeit entsprechend ein Stuck des Kolosseums. Der Stil der Zeichnung spricht meiner Meinung nach iiberzeugend fiir Filippino. Die kecke, gemal fliichtige Manier, mit der Feder mehr anzudeuten als auszufiihren, ist Botticelli fremd, findet sich dagegen genau auf mehreren Federzeichnungen Filippinos, so u. a. auf den Entwiirfen zu der Auferweckung der Drusiana in der Strozzikapelle 2 ) und zu dem Triumphe des Thomas von Aquino fiir die Caraffakapelle in Rom 3 ). Besonders in der Behandlung des architektonischen Hintergrundes stimmen diese Blatter mit jenem durchaus iiberein. Man wird sich die Entstehung der Zeichnung zu unserem Wandgemalde am leichtesten erklaren konnen aus dem Wunsch Filippinos, Botticelli die Wirkung des Konstantinsbogens als Bekronung des Ganzen vor Auge zu fiihren. Es mag den begeisterten Altertumsfreund genug gekrankt haben, als ihm der Meister das Kolosseum strich. Ob jener auch sonst noch auf die Komposition des Wandgemaldes eingewirkt hat, lasst sich nicht sagen, da man nicht weiss, wie weit die Vorlage und Angabe Botticellis fiir die vorliegende Skizze massgebend war. Im Figiirlichen scheint sich des Schiilers Anteil in manchen Gestalten zu erkennen zu geben, so in den Portratkopfen auf der rechten Seite, die in Auffassung und Ausfiihrung den Bildnissen in der Brancaccikapelle verwandt sind. Der weissbartige Alte mit grimmigem Gesicht, der zu ausserst links auf Moses eindringt, ist ein Typus, wie er unter den Philosophen auf dem Triumph des Thomas von Aquino in der Caraffakapelle wiederkehrt. Ebenso entspricht der vorn tiberstiirzende Levit links vom Altare in den verzerrten Gesichtsztigen und dem flackernden Faltenwurf seiner im hochsten Affekt ubertriebenen Ausdrucksweise. In diesem Aufenthalt Filippinos in Rom liegt auch die Erklarung fur die so friih bereits in seinen Bildern auftretende Vorliebe fiir antike Bauten und klassische Reminiscenzen. Aus dem Grunde allein hat schon Lanzi eine Teilnahme Filippinos an der Ausmalung der six- tinischen Kapelle fiir moglich gehalten, irgend welche Beweise dafiir jedoch nicht beigebracht 4 ). ') 0,120x0,195; Braun, Nr. 278. 2 ) Uffizien, Rahmen 77, Nr. 186. s ) British Museum, 20. Kasten der italienischen Zeichnungen, Nr. i860 — 6 — 18 — 75. Von Braun unter ,,Perugino' 1 photographiert. 4 ) Geschichte der Malerei in Italien, ubers. von J. G. v. Quandt 1830, I, S. 67. •3* I oo Die Wandgemaldc in der Sixtinischen Kapelle. Damals wird Filippino auch die Bekanntschaft des Kardinals Oliviero Caraffa gemacht haben, der ihn dann, sobald der Kiinstler von Florenz loskommen konnte, 1489 zur Ausmalung seiner Familienkapelle in S. Maria sopra Minerva nach Rom berief. Diirfcn wir dem Berichte Vasaris glauben, so hat Sandro, abgesehen von der kiinst- lerischen Ausbildung, wenig direkten Nutzen von seiner Thatigkeit in Rom gehabt. Denn anstatt zu sparer!, verbrauchtc er als schlechter Haushalter sogleich die vom Papste ausbezahlte Summe schon dort bis auf den letzten Soldo und kehrte sofort nach Vollendung seiner Arbeit so arm nach Florenz zuri'ick, wie er gekommen war. Wir tiberlassen dem Biographen die Verant- wortung fur diese Behauptung, ebenso wie fur die weitere Erzahlung, Botticelli sowie die iibrigen in der Kapelle beschaftigten Kiinstler hatten schliesslich noch den Verdruss gehabt, dass der mit einem eigenartigen Kunstverstandnis begabte Papst Sixtus bei Enthtillung der Kapelle den von ihnen verspotteten Malereien Cosimo Rossellis wegen des vielen Goldes und der prachtigen Farben, besonders des schonen Ultramarin, den Vorzug gegeben und diesem, dem Unfahigsten, sogar eine ganz besondere Belohnung habe zukommen lassen, wahrend er die anderen noch obendrein zwang, ihre fertigen Gemalde durch Aufsetzen von Gold und tibermalen mit besserem Ultramarin zu entstellen 1 ). Noch heute sieht man in der That auf samtlichen Gemalden eine ziemlich reiche Anwendung von Goldlichtern bei den Blattern der Baume und Biische, allerdings nirgends so stark wie auf Cosimos Gesetzgebung auf Sinai. Darauthin mag wohl spater die von Vasari breit erzahlte Anekdote entstanden sein. Auch Botticelli ist recht verschwenderisch mit den Gold- lichtern auf dem ersten Fresko umgegangen. Die koloristische Wirkung derselben auf blondem Haar und dunklem Laub scheint ihm so gefallen zu haben, dass er sie von jetzt ab mit grosser Vorliebe auf alien Tafelbildern anbringt. ') Im Leben Cosimo Rossellis. Vas. Ill, S. 188 fl. Die nachromische Periode bis um 1490. 'iir den weiteren Verlauf der achziger Jahre sind wir in bozug auf das Leben und die I Thatigkeit unseres Ki'instlers so gut wie ohne urkundliche Nachricht. Nur von einem Rundbild der Madonna horen wir aus dera Jahre 1487, das er fur das Sitzungszimmer des Magistrato de' Massai della Camera zu Florenz auszufiihren hat. tiber seinen Verbleib wissen wir jedoch nichts. Durch Kombination auf Grund historischer Thatsachen dagegen lassen sich dann mit ziemlicher Sicherheit zwei aus der Villa Lemmi in den Louvre gelangte Wandgemalde mytho- logisch - allegorischen Inhalts auf das Jahr i486 datieren. Diese zeigen Botticelli noch in voller Schaffenskraft und geben den Anhaltspunkt zur Datierung anderer stilistisch vervvandter Arbeiten. Auf das Jahr 1490 lasst sich ferner mit annahernder Gewissheit die Entstehung der fur die Monche von Cestello gemalten Verkiindigung in den Uffizien (Nr. 1316) festsetzen. Aus den neunziger Jahren sind dann mehrere urkundliche Nachrichten tiber Auftrilge und Ehreniimter erhalten, die fur das ungeschmalerte Ansehen Botticellis als Kiinstler sprechen. Danach ist Vasaris Mitteilung, Sandro habe nach seiner Riickkehr aus Rom seine Thatigkeit als Maler ganz vernachlassigt und die Zeit mit Kommentierung und Illustrierung des Dante und Arbeiten fur den Kupferstich hingebracht, wodurch er in grosse Not geraten sei 1 ), unrichtig oder wenigstens nur teilweise den Thatsachen entsprechend. Richtig ist die in diese Zeit fallende Beschaftigung Botticellis mit Dante. "Wir werden spater sehen, dass die Illustrationen zu der gottlichen Komodie in diesem Decennium entstanden sind. Unrichtig jedoch ist die Be- hauptung, Sandro habe wegen dieser Arbeit die Malerei vernachlassigt fur den direkt auf den romischen Aufenthalt folgenden Zeitraum bis etwa zum Jahre i486; denn innerhalb desselben sind mehrere zu des Ki'instlers Hauptwerken zahlende Gemalde geschaffen worden, wie deren enger stilistischer Zusammenhang mit den Fresken der sixtinischen Kapelle einerseits mit den Fresken aus der Villa Lemmi andererseits beweist. Zutreffend ist die Behauptung Vasaris bis zu einem ge- wissen Grade dagegen fur die zweite Halfte des Decenniums, wo besonders in den Madonnen- bildern, deren Datierung durch Vergleichung mit der Verkiindigung von 1490 annahernd er- moglicht ist, ein Uberhandnehmen der Mitarbeit von Schtilern sich ftihlbar macht. Die grossere Anzahl der Marienbilder dieser Zeit, meistens Tondi, gehen nur in der Komposition auf Sandro zuriick, in der Ausfuhrung sind sie ganz oder zum grossten Teil Atelierarbeit. Botticelli scheintgerade in den achziger und neunziger Jahren eine grosse Werkstattbeschaftigt haben. Denn zahlreich ist das auf uns gekommene Schulgut, und in ihm findet sich fast durch - gangig der spatere Stil des Meisters nachgeahmt. Vasari spricht in der ersten Ausgabe seiner Viten sogar von »infiniti giovani«, die in Sandros Bottega zeichnen lernten. Milanesi hat fiinf Kiinstler aus den Gildebiichern zusammengestellt, die dort thatig waren 2 ). Da jedoch weitere Anhaltspunkte tiber ihre kiinstlerische Thatigkeit fehlen, so ist es bis jetzt unmoglich, be- stimmte Stiicke unter den Bottegararbeiten mit ihren Namen in Verbindung zu bringen. Ihr Aufenthalt in der Werkstatt Botticellis in den achziger Jahren ist teils durch Eintragung in das ') m, s. 317. *) Vas. IX, S. 258, als Erganzung zu Vol. Ill, S. 221. 102 Die nachromische Periode. Gildenregister belegt, teils aus dem Alter der betrefFenden zu entnehmen. Es sind in der von Milanesi gegebenen Reihenfolge: Jacopo di Domenico di Papi (Toschi) (1463 bis 8. Mai 1530). Er befand sich 1480 mit siebzehn Jahren in der Lehre bei Botticelli und ist wohl identisch mit dem bei Vasari erwahnten Jacopo. Giovanni di Benedetto Cianfanini (1462— 1542). Raffaello di Lorenzo di Frosino Tosi, genannt il Toso (geb. 1469). Auch dieser weilte bereits 1480 in der Werkstatt. Biagio d' Antonio Tucci (1446— 15 15) wird als Biagio von Vasari in einer heiteren Geschichte erwahnt, aus der das freundschaftliche Verhaltnis zwischen Meister und Schiilern hervor- geht, und die hinwiederum beweist, dass gerade die Ausfuhrung der Tondi mit der Madonna und Engeln uberwiegend von den Schiilern besorgt wurde 1 ). Biagio muss immerhin ein Kunstler von einiger Bedeutung gewesen sein, denn am 5. Oktober 1482 erhalt er zusammen mit Pietro Perugino den Auftrag, in der Sala dell' Udienza im Palazzo pubblico zu Florenz die gegen den Platz zu liegende Fensterwand auszumalen 2 ). Weder von dieser Arbeit noch von sonstigen Werken seiner Hand haben wir jedoch eine Spur. Immerhin mag man bei den besten Arbeiten aus Botticellis Werkstatt an diesen Schiiler denken. Der Ubersichtlichkeit halber werden die Werke Botticellis, deren Entstehungszeit ich in dieses Decennium setze, in zwei Gruppen geteilt, und zwar in der ersten die stilistisch und gegen- standlich an den »Fruhling« sich anschliessenden Gemalde mythologisch-allegorischen Inhalts, in der zweiten die religiosen Darstellungen besprochen. Unter den mythologischen Scenen ist an erster Stelle die in den Uffizien be- findliche Geburt der Venus (Nr. 39) zu nennen. Sie wird zusammen mit dem Fruhling von Vasari in Castello erwahnt und ist, wenn auch im Format etwas abweichend, dennoch als Gegen- sttick dazu zu betrachten. Wie dort gab auch hier Polizians Giostra die Vorlage fur die Dar- stellung. Es liegt ihr namlich die Beschreibung zu grunde, die der Dichter von einem der Reliefs mit der Geburt der Venus giebt, welche die Pforten des Palastes der Liebesgottin auf Cypern schmtickten. Polizians Schilderung ist eine Nachbildung des homerischen Hymnus auf Aphrodite. Die fur die Deutung des Gemaldes in Betracht kommenden Verse lauten: „Nel tempestoso Egeo in grembo a Teti Si vede il fusto genitale accolto Sotto diverso volger di pianeti Errar per l'onde in bianca schiuma avvolto; E dentro nata in atti vaghi e lieti Una donzella non con uman volto, Da' zefiri lascivi spinta a proda Gir sopra un nicchio; e par ch'el ciel ne goda. L'Ore premer 1' arena in bianche vesti; L'aura incresparle e' crin distesi e lenti. v ) Das von Vasari III, S. 319 berichtete Historchen ist, wenn auch nicht wahr, doch immer gut erfunden : Biagio hatte ein Tondo der Madonna mit Engeln vollendet und hatte es gerne verkauft. Sandro findet auch in der That fiir ihn einen Kaufer, der das Bild fiir sechs Goldgulden ersteht. Er berichtet sofort iiber den Handel dem iibergliicklichen Gesellen, rat ihm jedoch, das Gemalde denselben Abend noch der besseren Beleuchtung halber holier zu hangen und am anderen Morgen den Kaufer ins Atelier mitzubringen. Als Biagio fort war, verfertigt der zu Scherz gern aufgelegte Meister mit einem anderen Gehiilfen Namens Jacopo acht capuzzi aus rotem Papier, die damals in Florenz tibliche kapuzenartige Kopfbedeckung, und befestigt sie mit Wachs iiber den Kopfen der Engel. Als nun am andern Morgen Biagio mit dem Kaufer, der in den Scherz eingeweiht war, stolz vor sein Werk tritt, sieht er zu seinem Schreck die Madonna anstatt im Kreise von Engeln in der Mitte der Ratsherren von Florenz. Da der Kaufer trotzdem ganz ernst bleibt und das Bild noch obendrein lobt, bleibt auch er still, geht mit dem Biirger heim und streicht vergniigt den Verdienst ein. Bei seiner Rtickkunft findet er sein Bild, von dem Sandro unterdessen die Vermummung abgenommen hatte, wieder im alten Zustand. Jetzt weiss der geprellte Geselle gar nicht, wie ihm geschehen. Auf seine Fragen hin wird er von Meister und Genossen noch ausgelacht, die nichts von roten Kapuzen gesehen haben wollen. >Du bist vor Freude iiber den Verdienst ganz ausser dem Hauschen«, versetzte ihm Sandro, jglaubst du etwa, der Biirger hatte das Bild gekauft, wenn das der Fall gewesen ware.« Da musste denn der arme Biagio selbst an eine momentane Geistesverwirrung glauben und liess den Spott seiner Genossen ruhig iiber sich ergehen. — An diesen Scherz erinnert eine in den Uffizien befindliche Federzeichnung sechs singender und Lilien haltender Engel, von denen die vier hinteren Kapuzen tragen (Kali men 87, Nr. 1248). Das Blatt gehort in die Schule Botticellis. *) Vas. Ill, S. 319, Anm. I. Wk - ^^ ■r Si* /, 4 V ^y / ^ \ > (S) D Z w > w Q H (^ PQ W o w 5 T3 a Die Geburt der Venus. IOX Giurar potresti che dell' onde uscisse La Dea premendo con la destra il crino, Con l'altra il dolce porno ricoprisse; E, stampata dal pie sacro e divino, D'erbe e di fior la rena si vestisse; Poi con sembiante lieto e peregrino Dalle tre ninfe in grembo fusse accolta, E di stellato vestimento involta 1 ). Sandro giebt den Moment der Ankunft der Schaumgeborenen am Lande. Auf einer flachen Muschel steht die Gottin, unbekleidet, mit der Rechten den Busen sich schutzend, mit der Linken das lange goldige Haar liber den Schoss breitend. Wie ein schwankes Rohr wird sie unter einem Rosenregen von zwei Windgottern 2 ), die, fest einander umschlingend und mit ausgebreiteten Flugeln und wehenden Gewandern daherstiirmend, mit den Zehen die hellgrune Flut streifen, dem Ufer zugetrieben, wo eine Hore, wohl die Fruhlingsgottin 3 ), mit ausgebreitetem Mantel ihrer harrt. Reich mit Blumen durchwiikt ist das fur Venus bestimmte Gewand, Korn- blumen schmiicken das Kleid der Hore, die ahnlich wie die »Primavera« auf dem Frtihling eine Rosenguirlande als Gurtel und einen Kranz von Rosenblattern um den Hals tragt 4 ). Bei der Darstellung der Windgotter beobachtet der Maler genau die Vorschriften, welche L. B. Alberti in seinem Tractat iiber die Malerei fur die Einfiihrung der Windgott- heiten auf Bildern und fur die »transitorischen Bewcgungen in Haar und Gewand« giebt 5 ). Beim ersten Anblick der leicht auf der Muschel dahinschwebenden Venusgestalt fallt jedem sofort in der Haltung die Ahnlichkeit mit der nur wenige Sale davon in derselben Sammlung stehenden Mediceischen Venus auf. Man ist der sicheren Meinung, Sandro habe diese Antike gekannt und sei auf Wunsch des Bestellers hier nachgebildet. Doch diese mit der gefalschten Kunstler- inschrift des Kleomenes versehene Statue ist erst 1584 aus dem Besitze der Familie della Valle in den der Medici iibergegangen und erst 1677 aus deren Villa zu Rom nach Florenz gebracht worden u ). Botticelli kann sie also unmoglich gesehen haben. Aber es scheint noch J ) I, 99 ff. Vgl. Gaspary a. a. O., II, S. 232. Venturi a. a. O., S. 45. Warburg a. a. O., S. I ff. Schon Rosini, Storia della pittura italiana, Pisa 1 84 1, III, S. 127, zitiert gelegentlich der Erwahnung dieses Bildes die betreffenden Verse Polizians. Jul. Meyer, S. 6, verweist nur auf den homerischen Hymnus als Vorlage fur die bildliche Darstellung, des-gleichen Woermann a. a. O., S. 50. *) Im homerischen Hymnus ist es Zephiros allein. 3 ) Warburg, S. 43, erkennt in ihr die Ziige der Simonetta. 4 ) Genau dagegen der Schilderung Polizians entspricht die gleiche Darstellung auf einer der Federzeichnungen, welche das bereits erwahnte handschriftliche Exemplar ausgewahlter Gedichte Lorenzos de Medici u. A. m. auf der Biblioteca Laurentiana schmiicken (s. S. 2, Anm. 1). Auf der iiber Fol. 30 u. 31 des Bandes sich erstreckenden Zeichnung sieht man Venus aus der Muschel ans Land steigen, mit der Rechten greift sie sich in die Haare, die Linke bedeckt den Schoss. Am Ufer stehen die Horen. Die eine, ein Fiillhorn im Arme, schwingt im Jubel ein Gewandstiick wie eine Fahne in der Luft, ihre Genossin breitet ein Kleid aus, die dritte kommt von links herangelaufen und halt einen Kranz mit beiden Handen. Neben Venus fahrt Neptun auf seinem von Seetieren gezogenen Wagen iiber das Meer. Am Ufer eine reiche Htigellandschaft. Die tibrigen Zeichnungen des Bandes sind nicht so umfangreich wie diese, aber inhaltlich ebenfalls hochst interessant. Fol. I schmiickt oben ein Ornamentstreifen, bestehend aus einem ornamental behandelten Drachen ; unten Amor mit Pfeil und Bogen , einsam auf einem Steine in weiter Landschaft sitzend. Fol. 2 : Ein Hirte sitzt Flote spielend unter einem Baum , vor ihm sein Hund, im Hintergrund die Herde. Fol. 13. In der Mitte des Blattes zwischen den Zeilen ein Meerkentaur, eine nackte Nymphe auf dem Riicken; unten am Rande sitzt links ein Hirt auf der Geige spielend, rechts eilt ein jugendliches Weib mit flatternden Haaren, Blumen in der Hand, davon. Im Hintergrund eine Herde und reiche Landschaft. Fol. 20: Rechts sitzt unter einem Baume auf erhohtem Steine Amor, auf ihn kommen von links in eiligem Schritt eine Frau und hinter ihr ein Jtingling zu. Hintergrund iippige Landschaft, links ein Hiigel, darauf eine Kirche. Fol. 22 : Links sitzt unter einem Lorbeerbaum ein bekleideter schoner Jtingling, die Geige spielend, rechts unter einem Baume ein Hirte die Flote blasend. Dahinter zwei Pane (Apollo und Marsyas). Sowohl die Formgebung, wie die Gewandbehandlung, ganz besonders jedoch die frei entwickelte Landschaft und die grotesken Ornamente weisen diese Zeichnungen in die umbrische Schule in nachste Nahe Pinturicchios. Nebenbei zeigen sich bolognesische Einflusse. '") ed. Janitschek, lib. II, S. 130, vgl. A. Springer, Zeitschrift fur bildende Kunst XIV (1879), S. 61. R. Vischer, Luca Signorelli 1879, S. 157. Warburg, S. 5, der die betreffende Stelle aus Alberti im Wortlaut mitteilt. °) Michaelis, Archaol. Ztg. 1880, S. 13. Aus einer Beschreibung der Ausschmuckung der Prozessionsstrasse, auf welcher Leo X. am 11. April 15 13, am Tage seiner Wahl, von S. Peter nach dem Lateran zog, kann man schliessen, dass sich schon damals die Statue im Palazzo della Valle befand. vgl. Michaelis, Kunstchronik 1890, S. 299. io4 Die nachromische Pcriodc. andere antikc Repliken derselben Venusfigur gegeben zu haben, wenigstens wird eine der Medicei- schen ahnliche bereits am Ende des vierzehnten Jahrhunderts von dem beriihmten Grammatiker Benvenuto Rambaldi in einer »casa privata« zu Florenz erwahnt x ). Moglich oder sogar wahr- scheinlich, dass Sandro diese, vielleicht im Hause der Medici befindliche, Antike kannte und davon auf seinem Gemalde eine freie Nachbildung in seinem Sinne gab. Denn von einer Kopie der Antike kann auch hier nicht die Rede sein. Typus und Formengebung sind echt botticellesk. Eigene Erfindung ist auch die Zuhilfenahme des langen wehenden Haares zur Verdeckung des Schosses und die wundervolle leichte Bewegung des schlanken Korpers, wodurch erst das Leben- dige, Momentane zum Ausdruck kommt. Es bedeutet immerhin einen kunstlerischen Erfolg fiir die damalige Zeit, einen lebensgrossen weiblichen Akt in Bewegung darzustellen, nur in Eva- gestalten hatte man sich vorher in einem ahnlichen Gegenstande, aber mit weniger Erfolg versucht '-'). Das Bild ist in diinnen Temperafarben auf Leinwand gemalt, eine der wenigen Bei- spiele, wo Sandro sich dieses Materials anstatt der iiblichen Holztafel bediente 3 ). Die Behand- lung ist mehr im dekorativen Sinn, wie die Darstellung des Wassers zeigt, die Ausfiihrung, besonders der Blumen, fliichtiger als auf dem Friihling. Auch stiirmt und wiihlt es auf diesem Bilde trotz der Anwesenheit des Zephirs noch nicht so in Kleidern und Haaren wie hier, jegliche Bewegung ist gemassigter. Es finden sich dort auch noch nicht die iiberlangen Fiisse mit den langen beweglichen Zehen, die im Mittelglied infolge eines tiefen durch starken Kontour hervor- gerufenen Einschnittes wie gebrochen erscheinen. Ebenso ist die Modellierung im einzelnen auf der Geburt der Venus iiberhaupt nicht so sorgsam, das Ganze mehr fiir eine weitere Entfernung vom Auge berechnet. Der Umstand, dass beide Bilder als Gegenstiicke fiir den gleichen Ort gemalt waren, bedingt jedoch keineswegs auch eine gleichzeitige Entstehung. Es wird vielmehr geraume Zeit zwischen ihrer Ausfiihrung verstrichen sein. Gehort der Friihling seinem Stile nach mehr zu den Arbeiten aus dem Anfang der achziger Jahre, schliesst sich eng der Kronung Maria an, bildet die direkte Vorstufe zu den sixtinischen Fresken, so ist die Entstehung der Geburt der Venus nach den romischen Aufenthalt mehr in die Mitte des Decenniums, in nachste Nahe der Fresken aus der Villa Lemmi (i486) zu setzen 4 ). Als Skizze zu dem Bilde war eine im Besitze des Herzogs von Aumale in Chan til ly befindliche Federzeichnung, in der Ecole des beaux arts 1879 in Paris ausgestellt (Braun Nr. 20). Sie hat jedoch weder etwas mit dem Gemalde noch mit Botticelli oder seiner direkten Werkstatt zu thun, sondern ist, wie Warburg nachgewiesen 5 ), eine Zeichnung nach dem heute in Woburn Abbey befindlichen Sarkophag mit der Darstellung des Achilles unter den Tochtern des Lyko- medes auf Skyros, der seit Mitte des 14. Jahrhunderts an der Treppe von S. Maria Araceli in Rom eingemauert war G ). ') Voigt, Wiederbelebung des klassischen Altertums II, S. 380, und Jul. Meyer, S. 8, woselbst der Wort- laut der Stelle bei Rambaldi in der Ubersetzung von Tamburini mitgeteilt ist. Miintz, Histoire de l'Art p. 1. R. I, 224, weist am Sockel der Kanzel Giovanni Pisanos in der Kathedrale zu Pisa eine Kopie der Mediceischen Venus nach. 2 ) Brticke, Schonheit und Fehler der menschlichen Gestalt, Wien 1891, S. 24, 48, 81, hebt mit Recht einige anatomische Mangel an Botticellis Venus hervor; doch man weiss nicht, wie weit sich der Klinstler hier durch gevvisse Proportionsregeln leiten liess. 8 ) Botticelli ist wahrend seiner ganzen Thatigkeit dem Temperaverfahien treu geblieben. Auch das weibliche Bildnis im Pitti ist auf Leinwand gemalt, ebenso die Anbetung des Neugebornen beim Earl of Wemys und die Geburt Christi in der National Gallery. Auch die im Inventar der mediceischen Kunstschatze aufgefiihrte, weiter unten noch zu besprechende Pallas war auf Leinwand gemalt. 4 ) Der ahnlichen Ansicht ist Jul. Meyer, S. 6: »In der ganzen Behandlung, wie in der Ausfiihrung des Beiwerkes steht die Geburt der Venus hinter der Allegorie des Friihlings zuriick ; sie zeigt nicht mehr dieselbe Frische, noch die gleiche Vollendung und nahert sich mehr jener zur Manier verfestigten Gewbhnung, welche wir an den spateren Werken des Meisters wahrnehmen. Dennoch sind beide Gemalde, die daher auch wie Gegenstiicke erscheinen, wohl gleichzeitig und vermutlich mit einem dritten zusammen, das nun verschollen ist (Pallas mit dem zechenden Bacchus) (!) von Lorenzo de' Medici fUr die vom alten Cosimo zu Castello erbaute Villa bestellt gewesen. Vielleicht darf man annehmen, dass die Arbeit durch die Kriegsunruhen der Jahre 1478 — 1480 unterbrochen und die Geburt der Venus erst nach der Riickkehr Lorenzos in den achziger Jahren ausgefuhrt oder vollendet wurde. Auch die Auffassung und Behandlung der Korperform spricht fiir eine solche spatere Zeit.« £ ) S. 14/15, daselbst abgeb. Die rote Farbung der beiden Tafeln ebenda beruht auf einem Versehen. e ) Dr. M. Friedlander machte mich auf die grosse stilistische Ahnlichkeit dieser Zeichnung mit den Stichen des von Heinneken Luc Antonio de Giunta genannten italienischen Monogrammisten aufmerksam. Die Ubereinstimmung der links auf Einzelgestalt der Venus in Berlin. Mars und Venus in London. IO? Eine Wiederholung der Venus auf dem Florentiner Gemalde befindet sich in der Galerie zu Berlin (Nr. 1124). Die nackte Figur, in ubereinstimmender Haltung, steht auf festem Boden vor tiefschwarzem Grund, gerade im Gegensatz zu der vor Himmel und Wasser dahinschwebenden Gestalt dort. Auch die Anordnung der Haartracht ist geandert, indem, der ruhigen Haltung entsprechend, die wehenden Massen weggelassen und an ihre Stelle zwei schmale Zopfchen getreten sind, die steif auf den Busen herabhangen. Man sieht jedoch noch in dem Grunde der Tafel das urspriinglich an der rechten Seite des Kopfes herabhangende Haupthaar durchscheinen. Diesc Wiederholung besitzt nicht die gleichen Vorziige wie die Vorlage. Durch den scharfen Kontrast zwischen dem lichten Fleisch und dem schwarzen Grund treten gewisse Harten in der Modellierung der Brust und des Leibes merklich hervor. Auch der herrliche Schwung des Konturs ist verloren gegangen, die Beine erscheinen dem Vorbilde gegeniiber steif und leblos. Schon aus diesem Grunde mochte ich nicht an eine Originalstudie zu dem Florentiner Bilde denken l ) , abgesehen von der Unwahrscheinlichkeit einer durch kein zweites Beispiel aus damaliger Zeit belegten Ausfuhrung einer lebensgrossen Aktstudie. Vermutlich haben wir hier eine jener »femine ignude« vor uns' deren es nach der Angabe des Anonymus und Vasaris ja mehrere von der Hand Botticellis gab 2 ). Ihre haufige Wiederholung mag die etwas handwerksmassige Ausfuhrung auch dieses Bildes erklaren 3 ). Mit Vorliebe verweilt Sandro, wie wir sehen, bei der Darstellung der Venus und der in ihr Reich gehorigen Gottheiten. Ihr Verhaltnis zu Mars, von dem die Alten so manch heiteres Geschichtchen zu erzahlen wussten, reizte auch ihn zur Schilderung. Hier mag er ebenfalls durch die Verse Polizians geleitet worden sein, wenn er sie auch nicht so getreu illustriert wie auf den beiden Gemalden fur Castello. Der Dichter lasst den zuruckkehrenden Amor seine Mutter in der Gesellschaft des Mars finden: Trovolla assisa in letto fuor del lembo, Pur mo di Marte sciolta dalle braccia, II qual rovescio gli giacea nel grembo, Pascendo gli occhi pur della sua faccia 4 ). Ein anmutiges Genrebild voll gesunden Humors, nicht mehr, ist Botticellis Darstellung von Mars und Venus auf dem aus der Sammlung Barker in die National Gallery zu London gelangten Langbilde (Nr. 915). Nicht den Freuden der Liebe sondern dem gliederlosenden Schlummer hat der Kriegsgott sich hingegeben. Ausgestreckt ruht er mit ubereinandergeschlagenen Beinen im Schatten eines Baumes. Er hat sich der schweren Riistung entledigt, nur ein Gewand- stiick bedeckt den Schoss. Das Haupt ist ihm zuriickgesunken, die breite Brust hebt sich unter den tiefen Atemziigen. Ihm gegeniiber hat sich Frau Venus unter Lorbeergestrauch auf weichem Rasen niedergelassen. Sie stutzt den rechten Arm auf ein rotes golddurchwirktes Kissen und blickt zum Geliebten hinuber. Ein leises Lacheln umspielt ihren Mund, da sie das Treiben von vier bockbeinigen Satyrknaben gewahr wird, die sich der Waffen des Gottes bemachtigt haben und ihr heiteres Spiel damit treiben. Einer ist in den dem Schlafenden zur Stiitze dienenden Panzer gekrochen und guckt mit dem gehornten Dickkopf und halbem Oberkorper aus ihm heraus, wobei der Schlingel im Vollgefuhl der vollbrachten Heldenthat die Zunge herausstreckt. Zwei seiner Kameraden machen sich mit der machtigen Lanze zu schaffen. Der eine, dem der ubergestiilpte Helm Kopf und Hals verdeckt, hat den Griff umklammert und lasst sich von seinem Vordermann leiten, der, mit schelmischem Lacheln nach Mutter Venus hin, die Stange gegen den der Zeichnung befindlichen weiblichen Halbfigur in Haartracht, Gesichtstypus, Zeichnung des Nackten und Faltengebung mit der allegorischen Frauengestalt auf dem Blatte 3 des Meisters (B. XIII, S. 390, No. 2, Pass. V, S. 62, No. 2) ist in der That sehlagend. Die Verwandtschaft dieser Zeichnung mit den Stichen des Monogrammisten ist um so wichtiger, als die in Frage kommende weibliche Halbfigur ihre Vorlage nicht wie die iibrigen Gestalten des Blattes in der antiken Vorlage hat. ») So Bode in der Gaz. d. b. a. 1888, I, S. 486. 2 ) Zwei lebensgrosse Venusgestalten werden von Crowe u. Cavalc. Ill, S. 175, im Besitze des Lord Ashburton in Bathouse erwahnt. 3 ) Morelli, die Galerie zu Berlin, S. II, halt es ungerechtfertigter Weise fur ein Atelierwerk nach dem Bilde in den Uffizien. 4 ) La Giostra I, 122. Ulmann, Botticelli. 14 jq6 Die nachromische Periode. Baum anrennen lasst, so dass ein Schwarm Bienen, der in einem der hohlen Aste haust, auf- geschreckt das Ilaupt des Schlummernden umschwirrcn. Am dreistesten jedoch benimmt sich der vierte der Unholde. Er hat sich ganz nahe hinzugeschlichen und tutet dem Schlafer mit seiner Muscheltrompete ins Ohr. Hoffentlich wird er der wohlverdienten Tracht Priigel nicht entgehen *). Man sieht, Sandro ist nicht nur ein guter sondern auch ein humoristischer Erzahler, und Vasari weiss ja auch manches Anekdotchen iiber dessen Spasse zu berichten. Ein einfaches weisses Gewand mit schmaler Goldborte hiillt den Korper der Venus ein und schmiegt sich in zartem Gefalte den schlanken Formen an. Das am Hinterkopf in sorgsam geflochtenen Zopfen aufgesteckte goldblonde Haar fallt in zwei dicken Strahnen an den Schlafen herab. Es ist nicht mehr der Typus der frtiheren Zeit wie bei der Venus auf dem Fruhling, sondern der hagere, langgestreckte der spateren Zeit, wie ihn die Tochter Jethros und die Grazien zeigen. Die Be- handlung des Nackten, die Verkurzung im Kopfe des Mars sind ohne Tadel und zeugen von grosser Sicherheit iiber die Form. Zwar ist der Korper im einzelnen nicht so durchgearbeitet wie beim Sebastian, doch die Umrisse sind sicherer, die Durchbildung der Hauptteile bestimmter. Die Gewandung ist mit grosser Sorgfalt ausgefuhrt, bei jeder Falte ist sich von der Lage des darunter befindlichen Gliedes Rechenschaft gegeben. Die Farben sind hell und kiihl wie auf dem Fruhling, die Schatten noch nicht so grau wie auf der Geburt der Venus. Von letzterem Werke unterscheidet sich das unsrige auch noch durch ruhigere Bewegung, durch einfachere Gewand- motive sowie durch bescheidenere Anwendung von Goldlichtern. Es sind dies Unterschiede, die fur eine etwas fruhere Entstehung sprechen und es dem Fruhling und dem Bildnis der Smeralda Bandinelli zeitlich nahe bringen. Die mit aufgerichtetem Oberkorper nach rechts im Grase ruhende Venus der Londoner Tafel ist mit geringen Abweichungen wiederholt in zwei Darstellungen der Liebesgottin mit Eroten, von denen sich die eine in der National Gallery (Nr. 916), die andere im Louvre (Nr. 185) befindet. In Stellung und Haltung ist die Hauptfigur fast die gleiche wie dort, nur hat sie Gesicht und Blick mehr nach aussen gewendet und die Lage der Fiisse verandert. Mars fehlt hier, an die Stelle der Satyrknaben sind drei Eroten getreten — auf dem Londoner Exemplar tragen sie durchsichtige kurze, hemdartige Gewander, auf dem Pariser nur einen Schurz von Blattern — von denen der eine zwischen den Beinen der Gottin kniet und in einem mit Rosen gefullten Korbe herumwlihlt, aus dem ein zweiter eine Hand voll herausnimmt ; wahrend der dritte und kleinste auf dem Londoner Bilde unter dem linken Arm der Venus durchgekrochen ist, um iiber ihren Leib weg das Kissen, worauf sie sich stiitzt, mit Rosen zu schmiicken, wobei er jedoch nicht eine grosse Weintraube loslasst, mit der er der Mutter unsanft auf den Leib driickt; auf dem Pariser Bilde winkt er seinen Genossen, neue Blumen zum Schmuck der Gottin herbei- zubringen. Hier bildet den Hintergrund eine Steinbriistung, iiber die man in ein Flussthal blickt, auf der Londoner Replik schweift das Auge in eine bergige, von vielfach gewundenen Gewassern durchstromte Landschaft mit befestigter Stadt und waldigen Hohen im Vorderplane. Auch hier mogen Verse Polizians aus der Giostra die Anregung zu der Darstellung gegeben haben. Sopra e d'intorno i piccioletti Amori Scherzavon nudi or qua or la volando: E qual con ali di mille colori Giva le sparte rose ventilando: Qual la faretra empiea de' freschi fiori, Poi sopra il letto la venia versando 2 ). So anmutig die Darstellung ist, so wenig befriedigt die Ausfiihrung beider Stiicke. Die wie auf einem Streckbett mit aneinander geschlossenen, auf dem Louvrebilde noch mit rotem ') Es ist intereressant, zu verfolgen, wie ahnlich Piero di Cosimo die gleiche Darstellung auf dem friiher im Besitze yon Vasari, jetzt in der Berliner Galerie befindlichen GemSlde behandelt. Es ist noch reicher an anmutigen Details wie jenes. s ) I, 123. > Q CD < Venusbilder mit Eroten in London und Paris. Vervvandte Darstellungen der Werkstatt und Schule. iqq Mantel umwickolten, Beinen steif daliegende Venus entspricht nicht Botticellis Gefiihl fur Anmut der Form [und Grazie der Bewegung. Starr ist die Haltung des Oberkorpers, nichts von der leichten Neigung des Kopfes, der Biegung des Halses, welche die Gottin auf dem Bilde mit Mars zeigt. Die Gewandung ist ganz schematisch behandelt und zeigt wenig Verstandnis fur den darunter befindlichen Korper. Die unzahligen Faltchen rieseln wie Wasser am ganzen Korper herunter, unschon direkt wirkt der hohe Bausch iibsr ihrem Leib. Ihr viereckiger Kopf mit dem zuge- spitzten, gekniffenen Miindchen und den auf den Seiten hoch aufgetollten hobelspahnartigen Haaren hat keine Analogic unter Sandros Frauenkopfen. Ebenso ungeschickt ist die Zeichnung ihrer Hande, die der Linken ist sogar fehlerhaft. Auf dem Londoner Exemplar sind die Putten besser, doch auch bei ihnen die Haarbehandlung ausserst holzern, die Formen plump. Die breite Landschaft ist fiir den in ihr enthaltenen Reichtum der Motive und die Grosse des Bildes zu fliichtig behandelt, Baume und Berge nur hingevvischt und ohne jeden Reiz. Das Londoner Stuck ist noch das bessere und geht in der Komposition ebenso wie das Pariser auf Botticelli selbst zuriick, die Ausfiihrung dagegen ist bei beiden nicht eigenhandig J ). Beide sind Arbeiten der Werkstatt, und zwar zeigt das Londoner Bild 2 ) dieselbe Hand wie das Sandro selbst zuge- schriebene Gemalde der Reise des Tobias mit den drei Engeln in der Pinakothek zu Turin (Nr. 98), wo sich das perriickenartige in der Mitte gescheitelte Haar, der gespitzte Mund, das spitzzulaufende Kinn, die scharf betonten Kinnladen, die rieselnden Falten, die iiberlangen Proportionen, die gleiche Landschaft wiederfinden. Die Replik im Louvre stimmt dagegen in der globigen Form der Hande und Fiisse, dem lcichenhaften grauen Inkarnat, dem verzerrten manierierten Gesichtsausdruck mit der Allegorie der Fruchtbarkeit in Chantilly iiberein. Die gleichen stilistischen Merkmale zeigt die Einzelgestalt der hi. Magdalen a im Museum zu Lille (Nr. 885). Sie wird dort dem Cosimo Rosselli zugeschrieben, gehort jedoch einem Schiller oder Nachahmer Sandros an, der die diirre Gestalt in Anlehnung an Donatello schuf. Er ist, wie gesagt, derselbe, welcher die Venus im Louvre und die Allegorie der Fruchtbarkeit in Chantilly malte. Die Darstellung einer ruhenden Venus mit Putten hat auch Verrocchios Werkstatt be- schaftigt, wie ein Entwurf auf einem der Skizzenbuchblatter in Berlin (Nr. 1360) lehrt. Dort liegt die nackte Gestalt in ahnlicher Stellung wie bei Botticelli am Boden, zwei Eroten kriechen an ihr herum. Auf der Riickseite des Blattes befindet sich ein Entwurf zu einer stehenden Venus. Die Federzeichnung einer liegenden nackten weiblichen Gestalt mit einem Putto von Verrocchios Hand befindet sich auch im Kabinet der Uffizien (Rahmen 29, Nr. 131 tergo). Die ebenda (Rahmen 48, Nr. 212) Botticelli zugeschriebene Pinselzeichnung Amor mit Venus riihrt nicht von diesem her 3 ). Schulerzeugnis geringer Giite ist ferner ein beim Earl of Wemyss in London befindliches sehr zerstortes Cas son e stuck mit dem Tode des Adonis. Den Vordergrund fiillt eine Jagdgesellschaft in Zeittracht. Die jungen Manner tragen zum Teil Portratziige. Im Hinter- grund sieht man den Kampf mit dem Eber und die Klage der vom Meere heraneilenden Venus. Die Gestalten sind im allgemeinen in der Weise Botticellis gehalten, die Bewegung jedoch ist zu steif, die Ausfiihrung viel zu schwach fiir ihn. Im ahnlichen Stile und ebenfalls geringe Werkstattsarbeit ist ein Cassone mit dem Urteil des Paris bei Mr. Charles Butler in London 4 ). Die zweimal wiederkehrende Figur der Athene mit zwei kleinen den Schlafen entsprossenden Fliigeln erinnert an den weiblichen ') Reiset, Gaz. d. b. a. XV, S. 116, halt dagegen das Londoner Bild fiir eine Schulkopie nach dem im Louvre, stellt letzteres jedoch auch nicht sehr hoch. 2 ) Waagen, der das Bild noch in der Sammlung Barker sah, glaubte, dass die Draperie spater hinzu gemalt sei. Doch ist alles, wie ich bei einer genauen mit der Leiter unternommenen Untersuchung des Originals feststellen konnte, von einer Hand. Crowe u. Cavalc. Ill, S. 175, sprechen sich uber die Echtheit beider Bilder nicht aus. J. P. Richter a. a. O., S. 27, halt aus den gleichen wie oben angefuhrten Griinden das Londoner Stuck fiir Werkstattsarbeit. 3 ) Schmarsow, Melozzo da Forli, schreibt sie Piero di Cosimo zu. 4 ) Ein Cassone mit der Darstellung von Ulysses und den Sirenen in der Liverpool Royal Institution war unter Botticellis Namen 1 857 in Manchester ausgestellt. Vgl. W. Burger, Trcsors d'Art en Angleterre, 2. Aufl., S. 30. I I O Die nachromische Periode. Damon auf der zur Kronung Maria gehorigen Predella mit dem Wunder des Eligius in dcr Akademie zu Florenz. Ins Reich der Venus fuhrt uns auch die Handlung auf einem der beiden Wandgemalde, die, im Jahre 1873 von Dr. Lemmi in einem Gemache seiner zwischen Florenz und Fiesole ge- legenen Villa unter dem Kalk hervorgezogen, seit 1881 einen wertvollen Besitz des Louvre aus- machen. Drei weibliche Wesen in Idealgewandern, von einer vierten gefiihrt, schrciten Lilien in den Handcn tragend auf einc rechts stehende junge Frau in Zeittracht zu. Die vorderste unter ihnen streut ihr Blumen l ) in ein aufgehaltenes Tuch. Daneben steht ein Putto mit einem zerstorten Wappenschild. Uber den Sinn der Darstellung kann kaum ein Zweifel herrschen. Die drei sich fiihrenden, eng aneinandergeschmiegten Frauen sind die Grazien, die Fuhrerin ist Venus. In der Frau in Zeittracht hat Cos. Conti richtig Giovanna d'Albizzi, die Gemahlin Lorenzo Torna- buonis erkannt 2 ), deren Ziige Ghirlandajo auf dem Fresko der Heimsuchung Maria im Chor von S. Maria Novella anbrachte 3 ), und die uns ebenso wie die ihres Gemahles durch Miinzen bekannt sind 4 ). Im Jahre i486 fand durch Vermittlung Lorenzos de Medici ihre Vermahlung mit Lorenzo di Giovanni Tornabuoni statt; die Villa Lemmi war von 1469 bis 1541 im Besitze der Tornabuoni: die Vermutung Contis, die beiden Fresken seien aus Anlass der Vermahlung beider von Botticelli ausgefiihrt worden, ist angesichts der Wappenhalter nicht nur hochst wahrscheinlich sondern kann im Hinblick auf den Stil der Arbeit sogar als bestimmt angenommen werden. Giovanna Tornabuoni als Herrin des Hauses v on Venus und den Grazien begriisst und beschenkt, ist demnach der Inhalt des einen Gemaldes. Das Gegenstuck zeigt die Einfiihrung des Lorenzo Tornabuoni in das Reich derfreienKiinste. Zur Linken tritt der den Wissenschaften ergebene Gemahl in roter Miitze und gleichfarbigem Rock etwas zaghaft herein, von einem Weibe gefiihrt, die ihren Schiitzling einer auf hohem Felsensitze thronenden Frau empfiehlt. Diese, in einen mit goldenen Flammen bestickten Mantel gekleidet, halt einen Bogen in der Linken und erhebt lehrend die Rechte: die Philosophie, die hochste unter den Wissenschaften. Die Fuhrerin ist die Dialektik, sie waltet hier des Amtes als Fiirsprecherin. Zu Fiissen der summa philosophia sitzen in Gruppen zu dreien geordnet die iibrigen Vertreterinnen des Trivium und Quatrivium. Ihr am nachsten links die Geometrie, ein junges flachshaariges Weib in lila Mantel, ein Winkelmass in der Hand; neben ihr die Astronomie mit einer Sphare, das feine Profil im Gesprach zu der Musik gewendet, die auf einer Orgel spielt. Blondes im Nacken lose geknotetes Haar flutet ihr iiber den roten Mantel den Riicken herab. Auf der anderen Seite zuvorderst die Arithmetik, sie stiitzt sich auf eine mit algebraischen Formeln bedeckte Tafel und schaut, die Finger zahlend bewegend, den Ankommling an. Daneben die Grammatik, eine alte Matrone mit einer Haube, in der einen Hand einen Skorpion in der anderen eine Gerte. Den Schluss macht die Rhetorik mit einer halbentfalteten Schriftrolle in den Handen. Links in der Ecke gleich druben die Reste eines wappenhaltenden Putto. Den Ort der Handlung bildet ein Hain, von dem jedoch nur einige Baumstamme in geringen Resten erhalten sind. Uberhaupt ist die Erhaltung dieser Wandgemalde leider eine recht schlechte 5 ). Grosse Stiicke sind abgeblattert, die Farben sind im Laufe der Zeit sehr verblasst, an mehreren Stellen ist nur noch die Untermalung erhalten. Immerhin ist die koloristische Wirkung noch eine grosse, besonders auf der besser erhaltenen Darstellung mit dem Empfang der Giovanna. Reich mit Gold verzierte weisse, griine und orangefarbige ungegtirtete Gewander umflattern die schlanken Formen der Grazien, rotlichblondes Haar fallt in dichten Strahnen auf die Schultern herab. Der Typus ') Jetzt sind nur noch die in den Kalk eingeritzten Umrisse von drei Blumenstengeln erkennbar. 2 ) L'Art 1881, IV, S. 86 ff. und 1882, I, 59 ff.; vgl. danach Ch. Ephrussi, Gaz. d. b. A. 1882, S. 442 ft'., daselbst abgeb :) ) Sitwell im Art Journal 1889, S. I ff und Enrico Ridolfi, Giovanna Tornabuoni e Ginevra dei Benci sul coro di Santa Maria Novella in Firenze, Archivio storico ital. Serie V, t. VI, 1890, S. 426/56. 4 ) Abgeb. bei Friedlander, Jahrb. d. k preuss. Kstslg. II, Tf. 28, 13 u. 14 und Ileiss, Les Medailleurs de la Renaissance, Florence et les Florentins, Paris 1 89 1. 5 J Ausser den beiden im Louvre befindlichen Stucken wurden noch die Reste einiger anderer Wandgemalde unter dem Kalk hervorgezogen. Auf dem einen Hess sich noch die Figur eines alten Mannes erkennen, der seinen Arm urn die lluften eines Knaben oder Madchens legte. Doch verschwanden diese Uberbleibsel bald nach der Aufdeckung infolge des Temperaturvvechsels. Die Wandgemalde der Villa Lemmi. Bilder zu Boccaccios Decameron. Ill der Kopfc ist auf beiden Bildern der gleiche, und zwar der ausgepragte weibliche Idealtypus der achziger Jahre. Portratziige anderer Glieder der Familie Tornabuoni, wie Ephrussi meint, vermag ich daher hier nicht zu erkennen. Es liegt viel Ausdruck in den Gesichtern, die Durchbildung im einzelnen ist auf beiden Stiicken gleich gut. Ich finde keinen Unterschied in der malerischen Be- handlung, sondern beide scheinen mir von Botticelli selbst ausgefiihrt. Ich stimme daher Ephrussi nicht bei, der in der Einfuhrung des Lorenzo Tornabuoni nur Schiilerarbeit und zwar eines von Botticelli und Ghirlandajo gleich beeinflussten Gehiilfen erkennen will 1 ). Dieses Stuck tragt vielmehr in allem den Stempel von Sandros eigener Kunst. Es liegt nur in seiner schlechteren Erhaltung, dass es minder giinstig wirkt als das Gegenstiick. In diese Reihe allegorischer Darstellungen gehort auch die, wahrscheinlich von einem Cassone stammende, langliche Tafel mit funf auf Wolken thronenden weiblichen Ge- stalten in der Galerie Corsini zu Florenz (Nr. 340). Da ihnen jegliches Attribut fehlt, so ist ihre weitere Benennung unsicher, vermutlich sind es die Vertreterinnen des Quatrivium mit der summa Philosophia. Denn die mittlere Gestalt ist sowohl durch ihre eigene Stellung als durch die Richtung der iibrigen auf sie hin als vornehmste unter ihnen gekennzeichnet. Der Typus der Kopfe, die starkknochige Korperbildung, die Gewandbehandlung zeigen gewisse Uber- einstimmung mit fri'ihen Arbeiten Botticellis, doch ist die Durchfiihrung im einzelnen fur ihn selbst zu schwach. Wir haben es hier nur mit einer Werkstattsarbeit zu thun. Einer gleichen Veranlassung wie die Pariser Fresken verdanken die fur casa Pucci in Florenz gemalten und dort von Vasari erwahnten vier Darstellungen zu der Novelle des Boccaccio von der verschmahten und endlich erhorten Liebe des Nastagio degli Onesti ihre Entstehung 2 ). Die vier kleinen, langlichen Bilder verschwanden in den sechziger Jahren aus dem Palazzo Pucci, befanden sich eine Zeit lang in der Sammlung Barker und gelangten von dort in den Besitz von Mr. Leyland in London. Von dort sind sie vor kurzem nach Lyon verkauft worden. Sie waren zum Schmuck von Hochzeitstruhen bestimmt, und zwar beweisen die auf ihnen angebrachten Wappen der Pucci, Bini und Medici, wie die Herausgeber des Vasari erkannten, dass sie anlasslich der Hochzeit des Pierfrancesco di Giovanni Bini mit Lucrezia di Francesco di Giovanni Pucci im Jahre 1487 entstanden sind. Auf der ersten Darstellung sehen wir den von Paolo Traversaris Tochter schnod ver- schmahten Nastagio degli Onesti vor den Zelten von seinen Freunden Abschied nehmen. Seinem Grame hingegeben, die Hande ringend, wandelt er, den federgeschmiickten capuccio am langen Bande auf dem Riicken, im Schatten des am Meeresufer sich erstreckenden Pinienwaldes von Classe, der Hafenstadt Ravennas, einher. Wehklagend stiirzt ein vollig nacktes jugendliches Weib auf ihn zu, von zwei grossen Riiden und einem geharnischten Reiter mit hocherhobenem Schwerte verfolgt 3 ). Nastagio ergreift in Ermangelung einer Waffe einen Ast und stellt sich damit dem Reiter entgegen. Die zweite Tafel zeigt die Vollbringung des Racheaktes. In der Mitte, auf einer kleinen Waldblosse, liegt das Weib mit dem Gesicht am Boden. Der fremde Rittersmann ist abgestiegen und beugt sich iiber sie. Mit einem Dolche offnet er ihr den Riicken, um das Herz herauszureissen, welches er darauf seinen Hunden vorwirft. Voll Grauen eilt Nastagio von dannen. Im Hintergrund wird das wieder erstandene Weib dem Meere zugehetzt, an dessen Kuste sich links die Mauern von Classe, rechts sparlich bewachsene Dunen erheben. Das von Nastagio dem Paolo Traversari und seiner stolzen Tochter gegebene Festmahl im Walde bringt J ) Warburg a. a. O., S. 25, vermutet wegen einer Notiz bei Vasari (III, S. 269), dass Ghirlandajo fiir die Tornabuoni in Chiasso Macerelli, das ist die heutige Villa Lemmi, eine Kapelle al fresco ausmalte, audi hier einen stilistisch zwischen Botticelli und Ghirlandajo stehenden Kiinstler als Verfertiger der Fresken im Louvre. Vasaris Mitteilung stosst jedoch die Behauptung, Botticelli sei der Autor, nicht um, vielmehr konnen beide Kiinstler ja ebenso wie in Ognissanti, im Palazzo pubblico, in der sixtinischen Kapelle und im Spedale von Volterra auch dort gleichzeitig neben einander gemalt haben. Schwerlich waren auch die in Paris befindlichen Malereien inhaltlich fur eine Kapelle passend gewesen. *) Vas. Ill, S. 313: Similmente, in casa Pucci fece di figure piccole la novella del Boccaccio di Nastagio degli Onesti, in quattro quadri, di pittura molto vaga e bella. vgl. Decameron, Giornata quinta, Novella ottava. 3 ) In der Erzahlung tragt der Ritter dunkle Riistung und reitet auf schwarzem Pferd; auf dem Bilde ist er mit goldstrahlendem reich verziertem Panzer und rotem Mantel angethan und sitzt auf einem Schimmel. I i 2 Die nachromische Periode, die Darstcllung des dritten Bildes. Man sitzt gcrade beim Nachtisch, als die wilde Jagd heran- braust. Lautjammernd bricht die Gehetzte, von den Hunden gepackt, vor der Tafe] der Frauen nieder. Diese, sechs an der Zahl , springen voll Entsetzen auf, den Tisch samt Geschirr und Speisen umstossend. Frohlockend stent Nastagio mit erhobenen Handen vor der vor Schreck wie vcrsteinerten Geliebten. Einer der aufspielenden Musikanten hat eine Trommel ergriffen, um sie nach dem schwarzen Hunde zu schleudern. Weiter zuriick vor den Zelten iiberbringt eine Dienerin Nastagio die Zusage seiner Dame. Der Speiseplatz ist durch einen mit Guirlanden ein- gefassten, von Baum zu Baum gespannten bunten Teppich abgegrenzt, an deren Stammen die Wappen der Pucci, Medici und Bini befestigt sind. Daruber hinweg schaut man auf das Meer mit steilen Klippen und einer auf kleiner Insel sich erhebenden Festung. Auf dem letzten der Ge- malde wird das Hochzeitsmahl gefeiert. Unter einer pfeilergetragenen Halle sind zwei mit Linnen iiberdeckte Tafeln aufgeschlagen. Links sitzen die Frauen, in ihrer Mitte die Braut, ihr gegenuber als einziges mannliches Wesen der Brautigam. Rechts ist der Tisch der Manner, alte und junge, fast durchgangig Portrats, unter diesen Giuliano de' Medici und Polizian. Von beiden Seiten treten vier Diener herein, wohlgefullte mit der Serviette umwickelte Schiisseln in den Handen, jeder will den anderen in Zierlichkeit des Aufwartens ubertreffen. Vorn steht der Schenktisch mit kostbaren Goldgefassen , den Hintergrund schliesst ein Triumphbogen ab, durch dessen Bogen man in eine Flusslandschaft blickt. An den Pfeilern der Halle sind wieder die von Myrthenkranzen umwundenen Wappen der drei verschwagerten Familien angebracht, darunter stecken in bronzenen Fackelhaltern in der Form von Diamantringen — der Devise der Medici — schlanke Myrthenbaumchen. Auch im Hinblick auf die mehr dekorative Verwendung der besonders in den Kopfen stark aufgefrischten Bilder ist die Ausfiihrung im einzelnen doch fur Botticelli nicht gut genug 1 ). Die Komposition ist dagegen ganz in seiner Weise, rein discursiv wie auf den Fresken der sixtinischen Kapelle und in den Dantezeichnungen. Mit letzteren haben diese Bilder tiberhaupt manche Figur gemein, wie z. B. das von den Hunden gepackte fliehende Weib auf der ersten Tafel der von den Hunden verfolgten Gruppe der Spieler Lano und Jacopo auf dem Blatte zum XIII. Gesang des Inferno gleicht. Die Bildung der Pferde, die perspektivisch vorziigliche Zeichnung der hohen Architektur, die lebendige Bewegtheit der Gestalten entspricht gleichfalls voll- kommen seiner Weise. Zuthat des ausfiihrenden Gehiilfen dagegen ist die reiche Landschaft mit den sorgsam ausgefiihrten Pinien, der Triumphbogen und sonstiges Beiwerk. Von kultur- historischer Seite sind diese Bilder, namentlich die beiden Darstellungen des Gastmalcs, von hochstem Interesse. Ein moderner Kellner durfte von der Grandezza seiner alten, kurzrockigen Kollegen lernen, und ein findiger Koch konnte aus den aufgetragenen Speisen das ganze Hochzeitsmenu erstehen lassen. Unter den von Botticelli fur Lorenzo de' Medici gemalten Werken hebt Vasari im Palaste dieser Familie ganz besonders eine lebensgrosse Pallas hervor, die iiber einem Wappen in der Form iibereinandergelegter Scheite brennenden Holzes stand 2 ). Auch einen Bacchus, der sich mit beiden Handen eine Schale an den Mund fi'ihrt, erwahnt der Biograph in der Guardaroba des Herzogs Cosimo. Beide Stiicke sind verschollen, jedoch lasst sich auf Grund eines gestickten Teppichs, einer Zeichnung in den Uffizien und einer Notiz im Inventarium der Mediceischen Kunstschatze wenigstens eine Vorstellung von der Pallas Athena gewinnen 3 ). Miintz hat ki'irzlich einen im Besitz des Grafen von Baudreuil befindlichen gestickten Teppich publiziert, der folgende Darstellung zeigt 4 ). Auf felsigem Boden, dem im Hintergrundc einige Blumen entsprossen , schreitet von rechts nach links eine fast ganz in Vordcransicht ') Vgl. auch J. P. Richter in der_Kunstchronik XV, S. 441. 2 ) III, S. 312. In casa Medici, a Lorenzo vecchio lavoro molte cose: e massimamente una Pallade su una impresa di bronconi che Inittavano fuoco. La quale^dipinse~grande quanto il vivo. Ebenso Borghini. 3 ) Das folgende ist ein Auszug aus des Verfassers Aufsatz »Eine verschollene Pallas Athena des Sandro Botticelli*, Bonner Studien, Aufsatze aus der Altertumswissenschaft, Reinhard Kekule zur Erinnerung an seine Lehrthatigkeit in Bonn gewidmet von seinen Schidern. L'erlin 1891, S. 203/13. 4 ) Histoire de l'Art pend. la Ren. I. Die farbige Abbildung bildet das Titelblatt. Die Athena filr Lorenzo de' Medici. 113 gesehene weibliche Gestalt einher. Langes, goldblondes Haar umwallt das Haupt, wahrend iiber der Stirn zwei Flechten von einer edelsteingeschmuckten Agraffe zusarnmcngehalten werden. Ein weites, flatterndes, von einem Gurtel gehaltenes Gewand mit goldener Kante hiillt die schlanken Glieder ein. Rote, die Zehen frei lassende Stiefel bedecken einen Teil der Beine. Sandro Botticelli. Entwurf zu einer Athena. Uffizien. Florenz. In der Rechten tragt das Weib einen Helm, in der Linken einen Olzweig. Neben ihr hangt an einem Baumstumpf der mit dem Medusenhaupt geschmiickte Schild, links ist an einer Stechpalme der Panzer befestigt. Um den Stamm windet sich ein rotes Band mit der Devise: Sub sole sub umbra virens. Die Deutung der Darstellung giebt eine Tafel oben in der rechten Ecke des Teppichs mit folgender Inschrift : Ulmann, Botticelli. 15 1 14 Die nachromische l'eriode Ex capite etherei Nata sum Jovis Alma Minerva Mortales cunctis Artibus erudiens. Daneben befindet sich noch ein von Mitra und Bischofsstab gekrontes Wappen. Einge- rahmt wird das Ganzc von cincm aus Stecbpalme, gekrontcn Herzen und dem roten Bande mit der obcn erwahnten Devise gebildeten Ornament. Bereits beim ersten Anblick dieser Gestalt drangt sich der Gedanke an Sandro unab- weisbar auf, und bei naherem Vergleich mit anderen Werken des Kiinstlers finden wir hier auch die gleiche Haltung wie bei der Venus auf dem Friihling, den gleichen Typus wie bei der Liebes- gottin auf der Geburt der Venus und dem .Bilde Mars und Venus. In der Zeichnungs- sammlung der Uffizien (Rahmen 52, Nr. 201) befindet sich ein Blatt, das nicht nur von alters her die Benennung Botticelli tragt, sondern ihm auch ohne alien Zweifel angehort 1 ). Die auf rotlich getontem Papier mit Feder umrissene und mit dem Pinsel ausgetuschte Zeichnung stellt cine fast ganz in Vorderansicht gehaltene weibliche Gestalt dar, wie sie, in der Linken cinen Olzweig, in der Rechten einen unkenntlichen Gegenstand, von rechts nach links einher- schreitet. Langes Haar schmiickt das Haupt, das leichte im Winde flatternde Gewand wird von einem Bande unter dem Busen gehalten, die Fiisse stecken in Halbstiefeln. Eine Vergleichung mit der Figur auf dem Teppich zeigt, dass wir hier den Entwurf zu der Athena besitzen. Der unkenntliche Gegenstand in der Rechten des Weibes ist der vorderc Teil des Helmes, dessen andere Halfte bei Beschneidung des Blattes weggefallen ist. Mit Ausnahme des Kopfes, der auf der Zeichnung vom Kiinstler zweimal geandert ist, herrscht bis ins kleinste Detail hinein peinlichste Ubereinstimmung hier und dort. Ein wichtiger Faktor ist ferner, dass der Grund des Blattes mit einem Quadratnetz iiberzogen ist und die Konturen durchstochen sind, ein Beweis, dass die Zeichnung bestimmt war, in grosserem Masstab iibertragen zu werden. Es bleibt nun noch die Frage zu erortern iibrig, ob die Athena auf der Zeichnung eine Studie zu, die auf dem Teppich eine Nachbildung nach dem fur Lorenzo il magnifico gemalten Bilde ist. Wie aber sah letzteres aus? Auch hieriiber haben wir Nachricht. In dem Inventar der Medici wird unter den nclla camera di Piero befindlichen Kunstwerken ein Bild Botticellis mit folgenden Worten aufgefiihrt: Uno panno in uno intavolato viesso d'oro alto bra. 4. in circlia c largo bra 2 cntrovi una fighura di pa . . . (sic) et con uno schudo dandresse (sic) e una lancia d'archo di mano di Sandro da Botticelli f. 10. Uber die Erganzung des pa . . kann wohl nach Vasaris Bericht kein Zweifel herrschen 2 ). Wir haben hier den urkundlichen Beweis, dass sich im Zimmer Pieros befand ein Leinwandbild in einem goldenen Rahmen, ungefahr 4 Ellen hoch und 2 Ellen breit 3 ) und darauf eine Pallas mit einem Schild und einem lanzenartigen Pfeil 4 ) von der Hand des Sandro Botticelli, geschatzt auf 10 Gulden. Allerdings lesen wir in der Beschreibung nichts von Vasaris impresa di bronconi che buttavano fuoco, aber diese bronconi waren nichts anderes als ein Liebeswappen, das sowohl der altere Giuliano, der Bruder, wie Piero, der Sohn Lorenzos il magnifico, fuhrten 5 ), und das sich entweder urspriing- lich unter der Figur auf dem Bilde befand oder — dies mochte man aus seiner Nichterwahnung im Inventar schliessen — erst nachtriiglich hinzugefiigt war. Etwas Ahnliches findet sich ja auch auf dem Teppich, wo die Stechpalme in einer bestimmten symbolischen Beziehung zu ') 0,222X0,138. Eine Wiederholung dieser Zeichnung, 0,333 X 0,220, ohne Quadratnetz, in gleicher Technik, befindet sich in der Universitatsgalerie zu Oxford. Auf der Riickseite des Blattes ist ein mit dem Stift gezeichneter Frauenkopf im Profil, ahnlich dem Frankfurter Bildnis. 2 ) Les collections des Mcdicis, S. 86. Miintz hatte bei Abfassung meines Aufsatzes diese Emendation noch nicht gebracht, sie findet sich erst im zweiten Bande seiner Histoire de l'Art p. 1. R., S. 634. Ich kannte sie daher nicht. 3 ) Nach Warburgs Berechnung, S. 19, wiirde dies in unserem Mass etwa 2,44x1,22 m. betragen. 4 ) Es ist darunter die auf mythologischenDarstellungen damaliger Zeit haufig vorkommende, als Jagdgeschoss gebrauchliehe pfeilartige dtinne Lanze zu verstehen. Die Stelle mit »dandresse« ist vollig korrupt. Sollte etwas Ahnliches wie caschetto zu lesen sein? °) Als Liebeswappen Giulianos erwahnt von Vasari in den Ragionamenti VIII, S. 118, als das Pieros von Paolo Giovio, wonach es von Angelo Poliziano erfunden war. Vgl. Warburg, S. 18 ff, der diese Stellen beigebracht hat. Sonstige Darstellungen der Athena- I j c » dem Besteller zu stehen scheint, denn die Zweige dieses Baumes kommen in der Umrahmung in enger Verbindung mit dem Wappen vor. Weder diese noch die weiteren geringen Abweichungen konnen jedoch gegen eine Identifizterung der Zeichnung und der Stickerei mit der fur Lorenzo gemalten Athena sprechen ] ). Sie sind umvesentlich und erstrecken sich nur auf Nebensach- liches. Ob die Gottin die Lanze in der Hand gehalten hat, wird im Inventar nicht gesagt, sie kann gerade so gut wie der Panzer an einem Baume gelehnt haben und ist bei der Wieder- holung auf dem Teppich aus irgend welchen Griinden weggeblieben. Gerade bei Botticelli haben wir ja mehrere Beispiele, wo sich auf zwei Bildern gleichen Inhaltes im Beiwerk mehr oder minder starke Abweichungen finden. Man vergleiche nur die Venus in den Uffizien mit der Einzelgestalt der Gottin im Berliner Museum, oder die ruhende Venus mit Eroten in der National Gallery mit dem gleichen Bilde im Louvre, um sich zu iiberzeugen, dass geringe Anderungen in der Haltung der Figuren oder dem begleitenden Beiwerk der Gesamtkomposition keinen Abbrt-.ch thun. Selten erstreckt sich ja die Ubereinstimmung zwischen Entwurf und Ausfiihrung bis in das kleinste Detail, wo der Kiinstler oft noch wahrend der Arbeit andert und verbessert. Ebenso verhielt es sich mit einer Wiederholung oder Kopie in damaliger Zeit. Von einer getreuen Wiedergabe des Originals wie heutigen Tages konnte bei der ausgepragten Individualitat der Kiinstler nicht die Rede sein. Was die Ausfiihrung des Tcppichs betrifft, so sieht Mtintz darin eine italienische Arbeit aus dem Ende des fiinfzehnten oder dem Anfang des sechzehnten Janrhunderts. Ich mochte ihm darin vollstandig beipflichten und die Entstehung noch in die Lebcnszeit Botticellis setzen. Denn die Ubereinstimmung mit der Zeichnung ist eine so grosse, die Wiedergabe des von Sandro" bevor- zugten Typus eine so getreue, dass der ausfiihrende Sticker noch ganz untcr dem personlichcn Einflusse seines Vorbildes gestanden haben muss. Eine spatcre Zeit wiirde niemals so rein den Charakter eines Werkes aus dem Quattrocento wiedergegeben haben. Dass aber bereits in der zwciten Halfte des fiinfzehnten Jahrhunderts die Gobelinstickerei in Florenz in holier Bliite stand, beweisen die nach Antonio Pollajuolos Zeichnungen ausgeftihrten Stickereien mit Darstellungen aus dem Leben des Taufers im Baptisterium zu Florenz '-'). Ausserdem wird ja die Beschaftigung Sandros mit Vorzeichnungen fur Stickereien von Vasari ausdrticklich bezeugt. Nicht ohnc Interesse ist es, mit dieser Athena eine andere zu vergleichen, die sich auf einem der von Botticelli zu Dantes divina commedia ausgeftihrten Bl cittern befindet. Im zwolften Gesang des Purgatorio beschreibt Dante die am Boden befindlichen Reliefs mit Beispielen von Hochmut, wo unter anderen dargestellt war, wie Apollo, Pallas und Mars bewaffnet um ihren Vater Jupiter herumstehen und die zerstreuten Glieder der Giganten betrachten 3 ). Sandro, der ja mit peinlicher Genauigkeit den Worten des Dichters mit seinem Griffel folgt, zeigt uns diese Scene im ganz kleinen Masstabe. Die Gotter erscheir.en in damaliger Kriegstracht, und Jupiter steht wie ein siegreicher Condottiere auf dem Schlachtfeld Bei der Pallas dagegen beriihrt sich die traditionelle Form mit der individuellen Auffassung des Ktinstlers. Halb antik halb modern ist ihre Erscheinung. Sie steht, den Helm auf dem Haupte, nach links gewendet im Profil da, ihr erhobener rechter Arm stiitzt sich auf den Speer, der linke ruht auf dem mit dem Medusenhaupt verzierten Schild. Sie ist in ein faltenreiches Gewand mit gepufften Armeln gekleidet, das sich in dieser Form so haufig bei Botticellis Engeln findet. Ahnlich ist die Gottin auf einem der kleinen Reliefs aufgefasst, welche die Balustrade des Konigsthrones auf dem Bilde der Allegorie der Verleumdung nach Apelles schmiicken. Noch auf eine Zeich- nung Sandros in der Biblioteca Ambrosiana zu Mailand sei hingevviesen, wo eine alle- ') Auch Miintz erkennt neuerdings in der Athena des Teppichs eine Kopie nach dem von Vasari erwahnten Bilde, a. a. O., II. S. 634. 2 ) Die Zeichnungen wurden Antonio Pollajuolo vor 1470 aufgetragen, die Stickereien selbst sind teils von Italienern, teils von Franzosen und Niederlandern ausgeftihrt. Vasari III, S. 299, Anm. 2. s ) Purgatorio XII, v. 31. Vedea Timbreo, vedea Pallade e Marte Armati ancora, intorno al padre loro Mirar le membra de' giganti spirt \ •5* j j 5 Die nachromische Periode, gorische Frauengestalt mit Strcitkolbcn und dem mit dem Medusenhaupt versehenen Schilde auf cinem aus Akanthusblattern gebilcleten Sockel stcht (Coll. Resta, fol. 14, Braun Nr. 25) J ). Es ist nicht klar, ob man darin einen Entwurf zu einer Pallas oder einer Fortitude* zu erkennen hat, da letztere bald mit den Attributen des Horkules bald mit denen der Athena erscheint. Der Streitkolben spricht eher fur eine Allegorie der Tapferkeit. Diese Zeichnung ist oval beschnitten worden und zusammen mit der schon erwahnten Einzelfigur eines knieenden jugendlichen Mannes mit erhobenen Armen — vielleicht einer Studie zu dem Thomas auf dem grossen Kupferstich der Himmelfiihrt Maria — von dem letzten Besitzer auf einem Blatt des Klebebandes vereinigt worden 2 ) Die Darstellung der Pallas auf dem Teppich ist fur Botticellis Auffassung der Antike besonders lehrreich. Gerade hier, wo es sich um die Wiedergabe einer einzelnen der Mythologie entlehnten Gottheit handelte, hatte er Gelegenheit gehabt, seine archaologischen Kenntnisse zu zeigen. Aber nichts lag ihm ferner als dies. Wer weiss, ob er iiberhaupt eine antike Athena- statue sich angesehen hat. Und wenn dies auch der Fall war, so hat er selbige doch nicht nachgeahmt, sondern nach diesem Vorbild aus seiner Phantasie ein neues Wesen geschaffen, das er in seiner naiven Kuhnheit dem antiken Gebilde als ebenbiirtig zur Seite stellte. Lucian gehort ebenso wie Ovid zu einem der Lieblingsschriftsteller des humanistischen Italiens. Im Beginn des fiinfzehnten Jahrhunderts von Aurispa und Filelfo aus Byzanz nach Italien gebracht, war er bereits einige Jahre fruher durch die lateinische Ubersetzung des Guarino da Verona weiteren Kreisen bekannt ge worden 3 ). Besonders haben die in seinen Schnften cnthaltenen Kunsturteile und Beschreibungen beriihmter Bilder des Altertums den nach klassischen Vorbildern fur eigene Kompositionen suchenden Kiinstlern und Kunsttheoretikern damaliger Zeit gefallen. Vor allem war die Beschreibung eines allegorischen Gemaldes der Verleumdung von Apelles, das dieser angefertigt haben sollte zur Brandmarkung der Ver- dachtigungen, die gegen ihn iiber Teilnahme an einer Verschworung sein Kunstgenosse und Nebenbuhler Antiphilus beim Konig Ptolemaus von Agypten vorgebracht hatte 4 ), dazu angethan, einer in Allegorien sich mit Vorliebe ergehenden Kunst zu imponieren und zur Nachbildung anzureizen. Leon Battista Alberti war iiber den Gegenstand dieser Darstellung so entziickt, dass er ihn den Kiinstlern nicht nur warm empfiehlt sondern durch nochmalige Wieder- holung der Beschreibung denjenigen, die Lucian weder im Urtext noch in der Ubersetzung kannten oder verstanden, mundgerecht zu machen versucht. Seine Anpreisung war auch von Erfolg gekront. Zahlreiche Kiinstler der Folgezeit wie Botticelli, Mantegna, Franciabigio, Raffael, Luca Penni, Mocetto behandeln den Stoff in Gemalden, Zeichnungen und Stichen, wobei sie sich teils an Albertis Bericht teils an Lucians ausftihrliche Beschreibung halten 5 ). Botticellis Bild von der Allegorie der Verleumdung nach Apelles befindet sich jetzt in den Uffizien (Nr. 1182). Es war, wie Vasari berichtet, vom Kiinstler selbst an Antonio Segni, einen ihm eng befreundeten Florentiner Edelmann, geschenkt worden c ) und ist eine fast getreue Illustration zu den Worten Albertis. Dort heisst es namlich: »Gut wird er (der Maler) dann thun, sich fleissig mit Dichtern und Oratoren zu beschaftigen. Diese haben viele ktinst. lerische Mittel mit dem Maler gemein, und da sie reich an Kenntnis vieler Dinge sind, so werden ') Braunlich grundiertes Papier, Silberstift und Feder, 0,190X0,90. 2 ) Warburgs Vermutung, diese Zusammenstellung riihre von Botticelli selbst her, und man habe darin einen Entwurf zu dem Holzschnitt der Giostraausgabe von 1513 zu erkennen, wo Giuliano vor flammendem Altar kniet und die Pallas Athena um Beistand zuin Tournier anruft, ist schon angesichts der verschiedenartigen Technik der Zeichnungen sowie der durch- gangigen Abweichungen der Figuren hier von denen des Ilolzschnittes unhaltbar. Zudem ist das Papier der beiden Zeich- nungen verschieden. Was der Anfertiger dieses Klebebandes selbst von der ZusammengehOrigkeit der beiden Blatter hielt, geht daraus hervor, dass er die knieende mannliche Gestalt Botticelli, das weibliche Wesen Fra Filippo zuschreibt ! Der Holz- schnitt der Giostroausgabe hat soviel und so wenig wie die Mehrzahl der iibrigen florentinischen Buchillustrationen dieser Zeit mit Botticelli selbst etwas zu thun. a ) Rich. Forster, Lucian in der Renaissance, im Archiv fur Literaturgesch., Bd. XIV, S. 337 ft". 4 ) Lucian in der Schrift : Dass man der Verleumdung nicht glauben soil. r ') Rich. Forster, Die Verleumdung des Apelles in der Renaissance, Jahrb. d. k. preuss. Kstslg. 1887 VIII, S. 29 ff. l; ) Vas. Ill, S. 324. Eine »storia della Calumnia« ohne Angabe des Kiinstlers wird im Inventar der mediceischen KunstschStze aufgefiihrt, Die Allegorie der Vcrlcumdung nach Apclles. 117 sie von grosser Hilfe fur die treffliche Komposition eines Geschichtsbildes sein, dessen erster Ruhm in der Erfindung (der Fabel) besteht. Von welchem Belang dies' ist, ersehen wir daraus, dass schon die schone Erfindung fur sich allein, ohne malerische Darstellung, anmutet. Man lobt jene Beschreibung, welche Lucian von der »Verleumdung«, die von Apelles gemalt wurde, giebt. Es scheint mir nicht ausserhalb meines Themas zu liegen, sie hier wieder zu erzahlen, um die Maler aufmerksam zu machen , welche Sorgfalt sie auf die Erfindung zu wenden haben. Es zeigte jenes Bild einen Mann mit sehr grossen Ohren, zu dessen Seite zwei Frauen standen, von welchen man die eine die »Unwissenheit«, die andere den »Argwohn« nannte. Von der andern Seite her kam die » Verleumdung« ; diese war ein Weib von prachtig schonem Anblick, doch zeigte der Ausdruck ihres Gesichtes allzuviel Verschlagenheit. In der Rechten trug sie. eine brennende Fackel, mit der anderen Hand schleppte sie einen Jungling bei den Haaren herbei, welcher seine Hande zum Himmel emporstreckt. Dann war ein Mann da, bleich, missgestaltet, ganz mit Schmutz bedeckt, von schaurigem Ansehen, einem vergleichbar, der durch langes Miihsal auf dem Schlachtfeld abgezehrt und entkraftet wurde; dieser fiihrt die »Verleumdung«, und man nannte ihn den »Neid«. Es folgten dann zwei andere Frauen als Geleiterinnen der Verleumdung, welche sie mit Gewandung und Schmuck versahen: Es scheint mir, man nannte die eine »List«, die andere »Tauschung«. Hinter diesen folgte die »Reue«, eine Frau gekleidet in Trauergewandung und sich selbst ganz zerfleischend. Endlich kam ein Madchen , ziichtig und anspruchslos: man nannte es die »Wahrheit« 1 ). Sandro oder sein gelehrter Ratgeber kannte jedoch auch die Erzahlung Lucians, denn er giebt dieser gemass den Richter Albertis als Fursten mit einer Krone auf dem Haupte auf hohem Throne in prachtigem Gewande. Der Kiinstler fiihrt uns in eine weite hohe Halle. Eine doppelte Pilasterordnung tragt das Gewolbe, durch dessen Bogen man hinaus aufs blaue Meer schaut. Mit plastischem Schmuck ist das Gemach aufs reichste verziert, an den vier Seiten der Pfeiler stehen Marmorstatuen in Nischen, dariiberhin ziehen sich am Gesims bronzene Relief- streifen, mit ihnen sind auch die Sockel der Pfeiler, die Balustrade des Thrones, die Wolbung der Bogen bedeckt. Die Behandlung der Raumlichkeit hier zeigt wieder schlagend, wie wenig Sandro sich um antike Bau- und Kunstwerke kiimmert, wie ganz selbstandig er sich seine eigene Antike schafft. Denn nicht antike Helden und Gotter findet man als Statuen in den Nischen, sondern Judith mit dem Haupte der Holofernes, bartige Propheten- und Apostelgestalten , unter ihnen freie Nachbildungen nach Donatellos S. Georg und marmornem David sowie nach Castagnos Filippo Spano. Im hochsten Grade bezeichend fur seine Auffassung der Antike sind auch die Darstellungen der kleinen braun in Gold ausgefiihrten Reliefs. Beginnen wir unten an der Estrade des richterlichen Thrones. Da sehen wir eine Athena mit dem Haupt der Medusa ; daneben den Mythus von Jupiter und Antiope, wo ein schlafendes Weib von einem Manne beschlichen wird, der ihr das Gewand wegzieht, wahrend im Hintergrund am Meeresstrand einige Satyrknaben schlafen. Von Sandros oder seines Ratgebers Kenntnis der Lucianschen Schriften zeugt ferner die folgende Darstellung mit der Kentaurenfamilie nach Zeuxis 2 ). In einer Fels- landschaft liegt eine gehornte Kentaurin, einem bocksbeinigen Jungen die Brust reichend. Ein anderes ruht an ihrem Leibe. Der bartige, ebenfalls gehornte Kentaur einen Bogen in der Linken, halt ihr einen jungen Lowen entgegen. Mit einem solchen spielt bereits einer seiner Sprosslinge im Vordergrund 3 ). Als folgendes Relief schliesst sich daran die Darstellung eines Reiterkampfes, deren Einzelheiten jedoch wegen des iiber die Thronstufen herabhangenden Teppichs nicht erkennbar sind. Oberhalb all dieser mythologischen Scenen findet man dann ganz unverhofift am Gesims Judith, wie sie das Haupt des Holofernes in einen von der Dienerin gehaltenen Sack steckt; daneben wieder eine Nymphe von einem Hirten belauscht; die ') ed. Janitschek S. 144. *) Lucian, Zeuxis 3; vgl. Kinkel, Mosaik zur Kunstgeschichte 1876, S. 399. °) Es erscheint befremdlich, dass Botticelli hier die Kentauren aller Uberlieferung zum Trotz gehornt darstellt. Denn dass er diese Zwittergeschopfe sehr wohl in Ubereinstimmung mit den antiken Vorlagen bilden konnte, zeigt die Illustration zu Inferno XII unter den in der Vatikanischen Bibliothek befindlichen Blattern zum Dante. Dort giebt er Gestalten voll wilder Kraft und Bewegung, die Verbindung von Mensch und Tier ist gliicklich vermittelt. I i 8 r)ic nachmmische l'eriode. Befreiung des Prometheus; einen von einem Eros gefesselten und gebandigten Kentaur, den ein Weib an den Haaren vorwarts zieht, und eine Kentaurenschlacht. Dann trifft man drei Eroten im Spiel mit einem Lowen, von denen der eine ihm auf dem Riicken sitzt, ein anderer ihm zu trinken giebt, ein dritter ihn mit der Peitsche antreibt. Zwischen herein kommt wieder S. Georg im Kampf mit dem Drachen ; die Ermordung der Lucrezia ; die Auffindung der Ariadne durch Bacchus; Apollo und Daphne; die Gerechtigkeitsliebe des Trajan; Darstellungen von Pferderennen ; Jagdscenen und Puttenfriese. Man sieht, Botticelli hat hier seine ganze mythologische Weisheit ausgekramt, aber er kennt nur die betreffenden Erziihlungen aus den Dichtern und Schriftstellern, von einer Xachbildung geschweige Nachahmung antiker Kunstwerke ist jedoch nichts zu merken. Er steht hier wieder in direktem Gegensatz zu Ghirlandajo und Filippino Lippi, die auf ihren Bildern mit peinlicher Treue und sichtbarer Freude jedes antike Relief, jede Sarkophaginschrift kopieren. Was die eigentliche Handlung auf dem Bilde betrifft, so gliedert sich der Vorgang ubersichtlich in drei Gruppen. Rechts thront der kOnigliche Richter auf erhohtem Sitz zwischen »Unwissenheit« und »Argwohn«, die ihm in die langen Ohren blasen. Das Schleichende, Lauernde ist in der Haltung des rechts stehenden »Argwohns« sprechend zum Ausdruck gebracht. Leisen Schrittes tritt das Weib heran, weit vorgebeugt fiustert sie, die Hand an den Mund gelegt, dem Richter den verderblichen Rat ins Ohr. Dieser streckt die Hand nach der Verleumdung aus, die sich mit ihren Genossinnen vor dem Throne eingefunden hat. Den »Neid« giebt Sandro der Angabe Albertis gemass als einen bartigen ausgemergelten Kerl in zerfetztem Fellgewand und Kapuze, der aufdringlich dem Konige seine knochige Linke entgegenha.lt. Der »Verleumdung«, einem jugendlichen Weib in blauem Mantel, flicht die »List« eine Perlenschnur ins blonde Haar, wahrend die »Tauschung< sie mit Blumen schmuckt. Eilig kommt letztere herangeschritten, die goldenen Flechten und das rote Gewand flattern im Winde. In der Gestalt der in zerlumpten Trauergewandern einherschreitenden Reue ist der Kiinstler den Vorschriften seines »concetto« gefolgt, die Bildung der »Wahrheit« als nacktcs mit der Rechten nach oben weisendes Weib ist dagegen seine eigene Erfindung. Die Ahnlichkeit dieser Gestalt mit seiner Venus Anadyomene in den Uffizien ist einleuchtend. Wie bereits aus der Deutlichkeit der in winzigen Verhaltnissen ausgefuhrten Reliefs er- sichtlich, ist die Durchfiihrung des Bildes bis ins einzelne hinein von wunderbarer Feinheit und Sorgfalt. Die Farben der Gewander, die nackten Korperteile, das verschiedenartige Material der Architektur sind von einer luftigen Frischc und Helligkeit wie auf keinem anderen Werke Sandros. Reich ist die Anwendung von Goldlichtern in Haaren und Gewandern, koloristisch sehr wirksam sind die schillernden Farben, besonders das prachtige Goldgriin 1 ). Alles ist von hellstem Sonnen- schein iibergossen, der mit seinem Lichte die hohe Halle durchflutet, an den goldenen Reliefs entlanghuscht, die Korper umspielt, im smaragdgrtinen Meere sich spiegelt und in dem Himmels- blau wiederstrahlt. Die Gestalten sind von sehr gestreckten Proportionen , die Bewegungen hastig, die Gewander stark bewegt. Dadurch kommt ein leicht bizarrer Zug in die ganze Dar- stellung, wodurch sie unruhig, ja fast manieriert wirkt. Es sind dies stilistische Eigentumlich- keiten, wie sie sich auf den beiden besprochenen Bildern mythologischen Inhalts so ausgepragt noch nicht fanden, und besonders im Hinblick auf die Fresken der Villa Lemmi von i486 die Datierung der Verleumdung in das Ende der achziger Jahre notwendig machen. Zwei Blatter mit Zeichnungen zu diesem Bilde befinden sich in Chant illy im Besitz des Herzogs von Aumale. Das eine enthalt die Gruppe der Verleumdung mit dem am Boden liegenden Jiingling, das andere den koniglichen Richter mit dem links neben ihm stehendem Weibe. Die in Silberstift auf rosa getontem Papier ausgefuhrten Zeichnungen sind arg zerstdrt und in den Umrissen hart und roh mit der Feder nachgezogen. Die Kopfe besitzen wenig Ausdruck, die Zeichnung der Hande und Fiisse ist stumpf, die Falten sind unbelebt. In ihrem ') Ich verwies bei der Besprechung des kleinen Auguslin in den Uffizien auf diese koloristischen Eigentiimliclikeiten und setzte die Entstehung jenes Bildchens in den gleichen Zeitraum mit der Verleumdung. Man vergleiche zu diesem Zwecke das Gewand des Augustin mit dem der >Arglist«, das Tnkarnat des Ileiligen mit dem der »Reue«, die Beliandlung der K6pfe und Iliinde bei beiden Figure n. Zeichnungen zu der Allegorie der Verleumdung. IIQ jetzigen Zustand ist nichts mehr von Botticellis eigener Weise darin zu sehen, eher mochte man auf Nach zeichnungen eines Schulers nach dem Bilde schliessen 1 ). Audi der als Studie zu der >Wahrheit« bezeichnete weibliche Akt auf rotem Papier, in abweichender Stellung und Haltung des Kopfes und rechten Armes, in den Uffizien Sandro Botticelli. Maria, das "Magnificat" schreibend. Uffizien, Florenz. (Rahm. 55, Nr. 190) diinkt mir eher eine Zeichnung nach einer antiken Venusstatue als eine Studie zu unserem Bilde. Mit Botticelli hat er nichts zu thun. J ) Friiher in C. Sackville Bales Sammlung in London und dort von Waagen als Studien zu dem Bilde in den Uffizien erwiihnt. (Treas. of Art in Gr. Brit. Suppl. IV, S. 1 17). Die in der Behandlung ahnlichen Hexen in der Zeichnungs- sammlung der Uffizien (Rah men 54, No. 203) riihren nicht von Botticelli her, dem sie dort zugeschrieben werden, sondern stehen Filippino am nachsten. 120 Die nachromische Periode. Die religiosen Gem aide dieser Jahre bestehen fast ausschliesslich in Madonnen- darstellungen. Da diese wegen ihrer grossen Ahnlichkeit stilistisch zu wenig Anhaltspunkte fur eine zeitliche Einordnung unter sich bieten, so besprechen wir sie in rein formaler Anordnung in drei Gruppen. In der ersten die Rundbilder, in denen die Madonna, ebenso wie in den frtiher kennengelernten Stiicken in der Raczinsky-Sammlung und in den Uffizien, in Kni est tick im Kreise von Engeln erscheint. Die Bilder dieser Gruppe enthalten lebensgrosse oder fast lebens- grosse Figuren. In der zweiten Gruppe werden die Rundbilder behandelt, in denen Maria und ihre Umgebung in ganzen Figuren gegeben sind. Die Gestalten sind meistens etwas unter Lebensgrosse. Die dritte Gruppe wird die sonstigen religiosen Darstellungen verschiedenen Formates dieser Zeit enthalten. Die Grosse dieser Bilder ist ganz verschieden J ). Unter den Rundbildern der ersten Gruppe nimmt die das »Magnificat« schreibende Madonna in den Uffizien (Nr. 1267) den Ehrenplatz ein. Sie ist neben dem Friihling das bekannteste und beliebteste Bild Sandros in Italien, zu seiner Beschreibung braucht es daher keiner Worte. Den beiden Tondi aus den siebziger Jahren gegenuber zeichnet es sich durch eine vollendetere Komposition, reifere Auffassung, gesteigerte Bewegung, freie malerische Behandlung aus. Aus diesen Grtinden halte ich es ftir spater entstanden als jene. Die scharfe, durch eine starke Verteilung von Licht und Schatten erreichte Modellierung, wie sie in den dem Augustin verwandten Arbeiten hervortritt, fmdet sich hier nicht mehr. An Stelle einer geschlossenen ist eine mehr diffuse Beleuchtung getreten, wodurch gewisse dort hervor- tretende Harten in der Behandlung gemildert, die Ubergange weicher geworden sind. Der Kontur dient fast ausschliesslich zur Belebung der Flachen, die Figuren sind in Freilicht behandelt, die Lichter breit verstrichen, wie tiberhaupt die Behandlungsweise eine langere Praxis in der Freskomalerei verrat. Dieselben Grtinde, wie bei der Geburt der Venus, bestimmen mich, auch dieses Rundbild in die gleiche Zeit, direkt nach der Ruckkehr aus Rom, zu setzen 2 ). Der wesentliche Grund fur eine spatere Datierung als die ahnlichen Stticke in der Raczinsky- Sammlung und in den Uffizien ist jedoch die bereits hervorgehobene Vollendung in der Rund- komposition und die damit zusammenhangende gesteigerte Bewegung. In drei konzentrischen Kreisen ist das Ganze komponiert, den aussersten bilden die beiden die Krone haltenden Knaben, den folgenden Maria und der vorntiber geneigte Engel, den mittelsten das Christuskind und die beiden vor ihm befmdlichen himmlischen Geschopfe. In einer fortlaufenden Bogenlinie bewegen sich die Umrisse, es ist ein immerwahrendes Zuneigen und Anschmiegen der einzelnen Gestalten. Was Botticelli an Tiefe der Empfmdung, an Schon- heit der Form zu Gebote stand, hat er hier zu einem unzertrennlichen Ganzen zusammengefugt. Ein plotzliches Aufleuchten gottlicher Inspiration verklart das Antlitz des Jesusknaben, tiefste Andacht, voiles Vertrauen beseelt die in Demut sich leiten lassende Mutter. Uber den Engeln ') Wenn ich samtliche spatere Kompositionen der Maria mit dem Kinde des Zusammenhanges wegen hier unter den Werken der achziger Jahre bespreche, so soil damit nicht gesagt sein, dass ich die Entstehungszeit aller dieser Bilder auch in diese Zeit setze. Ich bin vielmehr iiberzeugt, dass ein grosser Teil der Werkstattsbilder in die neunziger Jahre, vielleicht sogar noch in die ersten Jahre des folgenden Jahrhunderts fallt, doch es ist bei dem Charakter dieser Gemalde nicht moglich, eine strengere chronologische Scheidung zu treffen. Es sei hierbei auf zwei Punkte aufmerksam gemacht, in denen ich um Nachsicht des Lesers bitte. Der eine betrifffdie Liickenhaftigkeit des hier gegebenen Materials. Soviel mir an eigenhandigen Werken Botticellis und guten Stiicken seiner Werkstatt aus dieser Zeit personlich oder durch Mitteilung bekannt geworden ist, habe ich erwahnt, ausgeschlossen wurden nur ganz minderwertige Arbeiten von Nachahmern. Aber gerade von den Tondi ist so manches Stiick in italienischen und englischen Privatsammlungen verborgen, so dass ich mir wohl bewusst bin, eine Vollstandigkeit des vorhandenen Materials nicht erreicht zu haben. Der zweite Punkt betrifft die hier gegebenen Beschreibungen. Da es sich um gegenstandlich sehr ahnliche Bilder handelt, so wiirde eine eingehende Beschreibung eines jeden einzelnen Stiickes ermiidend wirken. Ich habe mich daher bei denselben auf das zum Verstandnis des Dargestellten Notwendigste beschrankt und hoffe, durch diese Ktirze nicht unklar, durch die notwendigen Wiederholungen aber auch nicht allzu eintonig geworden zu sein. ') Crowe u. Cavalc. Ill, S. 156, setzen dieses Bild in die allerfruheste Zeit Botticellis, indem sie darin deutlich >in Erfindung und Auffassung, in Charakter und Geberdensprache« den Einfluss Fra Filippos sehen und in der Gruppierung und Behandlung des Gewandes dessen Stilweise nachgeahmt finden. Jul. Meyer ist der Ansicht, das Tondo sei ebenso wie die anderen Hauptwerke dieser Richtung in der ersten, seiner Meinung nach fruchtbarsten Periode von Botticellis Thatigkeit, in ., S. 26, scheint es auch ein Werkstattsbild zu sein: but it in the instance it is difficult to give a decised opinion because the picture is hung high, and also became it is possibly repainted. Meine oben gemachten Angaben beruhen auf einer genauen Untersuchung des Originals mittels einer Leiter. 2 ) Jahrb. d. k. preuss. Kstslg. XI 1890, S. II. 8 ) Der gleichen Ansicht ist Frizzoni in Zahns Jahrb. fur Kunstwissenschaft, 3. Jahrgang, S. 84; dagegen erklart es Morelli, Kunstkritische Studien iiber italienische Malerei, Die Galerie zu Berlin, 1893, S. II, fllr ein echtes und herrliches, sehr charakteristisches, mit grosser Liebe unci Sorgfalt behandeltes Werk des Meisters und rechnet es zu den vorziiglichsten Arbeiten Botticellis. Tondi in London, Berlin, Mailand, Turin, Galerie Borghese. 125 S. Barnaba kennen lernten. Auf ganz besonders anmutige Weise wird es auf dem kleinen Rundbild in der Ambrosia n a zu Mailand behandelt, das zu den feinst empfundenen und dank seiner trefflichen Erhaltung zu den koloristisch wirksamsten Werken Sandros gehort. Maria kniet auf dem Wiesengrund und spritzt dem vor ihr stehenden, von einem Engel gehaltenen Kind einen Milchstrahl entgegen, das scherzend mit erhobener Windel sich dagegen zu schutzen sucht. Dahinter schlagen zwei lebhaft bewegte Engel den Vorhang eines roten goldverzierten Baldachins zuruck, so dass der Blick liber eine Steinbriistung hinweg auf eine Flusslandschaft mit bewaldeten Hohen fallt. Der keusche, ncch .etwas befangene Ausdruck des zarten Madonnen- kopfes, die frei und doch bescheiden bewegten Engelgestalten , die sorgsame Ausfiihrung der Gewiinder, der Landschaft und des Beiwerkes, wie der ganz im Vordergrund stehenden metallenen Vase mit einer Lilie sowie des den Baldachin oben kronenden Blumcnkranzes und eines hinten auf der Bri'istung liegenden Buches verweisen dieses liebens- wiirdige Bildchen in die beste Zeit des Meisters, in unmittelbar Nahe des » Magnificats «. An Filippino Lippi, wie es geschehen, kann hierbei nicht gedacht werden 1 ). An den Ausgang der ach- ziger Jahre dagegen sctze ich wegen der engen stilistischen Zu- gehorigkeit zu der auf das Jahr 1490 datierbaren Verkiindigung in den Uffizien die Entstehung der Rundbilder in der Galerie zu Turin und in der Sammlung Borghese zu Rom. Auf dem Gemalde in Turin (Nr. 99) hat Maria im Freien sich neben einer Briistung niedergelassen und stillt das Kind, links kniet ein Engel mit einem Rosenzweig in der Hand, rechts naht sich der Jo- hannesknabe mit ehrfurchtsvoller Geberde. Im Hintergrund erstreckt sich eine Flusslandschaft mit Stadten und Vesten. In der sinnigen Auffassung des mutterlichen Verhaltnisses, in der Innigkeit, mit der sich Maria liber das in vollen Zugen trinkende Kind beugt, in der demutsvollen Scheu, mit der sich die beiden Zuschauer nahen, in der anmutigen Bewegung der Gestalten, der Sicherheit der Zeichnung und der Behandlung der Landschaft thut sich Botticellis eigene Weise kund. Eine Schulwiederholung ohne den Engel und mit etwas veranderter Landschaft befand sich vor Jahren bei Mr. F. Murray in Florenz. Das Rundbild in der Galerie Borghese zeigt Maria mit dem Kinde im Arm auf einer Steinbank sitzend. Beide blicken auf den vor ihnen knieenden Johanneskirtben herab, iiber den Christus segnend das Handchen erhebt. Hinter ihnen, durch eine Steinbriistung getrennt, stehen sechs singende Engel, je drei auf jeder Seite. Sie haben Kranze aus Rosen und Feld- S a n d r Botticelli. Madtuinentondo. Hiblioteca Ambrosiana, Mailand. ') Umgekehrt gehort ein friiher in der Casa Nuti, jetzt in England befindliches Tondo der Madonna mit Kind, dem kleinen Johannes und zwei Engeln nicht Botticelli an, dem es in Florenz zugeschrieben wurde, sondern ist ein Werk seines Schulers Filippino odcr eher dessen Schiilers Raffaellino del Clnrho (photogr. Brovielleicht auch den Kartonc Botticelli selbst, in der Ausfiihrung dagegen sieht er Schlilerarbeit. Crowe u. Cavalcaselle loben das Bild, auch der Cicerone envahnt es unter den echten Werken Botticellis Anbetungen in London, Florenz. Madonnenbilder in Mailand, London. Schulbilder. 127 offene Fenster hereinlugt, kraftig setzen sich dagegen die dunklen Baume der kleinen Landschaft im Hintergrund ab 1 ). Ahnlich behandelt ist ein gut erhaltenes Hochbild in Casa Ginori zu Florenz. Wie dort sitzt die Jungfrau in Kniestiick, den Knaben auf dem Schoss, in einem Zimmer, durch dessen Fensterausschnitt man in eine Fandschaft blickt 2 ). Stilistich dem ersteren Bilde eng verwandt ist auch eine kleine Madonna mit Kind und dem Johannesknaben im Besitze von Mr. John P. Heseltine in London. Die Erhaltung ist eine bessere wie dort, die Gestalten sind in ganzer Figur gegeben. Im Freien sitzt Maria rechts vor einer mit Reliefs geschmuckten Briistung, das Kind auf dem Schoss, und beugt sich zu dem kleinen Johannes herab, der anbetend vor ihnen kniet. Letztere Figur ahnelt derselben Gestalt auf dem Borghesetondo. Die Ausfuhrung ist von hochster Feinheit, sie erinnert an Stilcke, wie die kleine Verkiindigung in der Sammlung Barberini und den kleinen Augustin in den Uffizien. Die sorgsam auf braunem Grund in Gold ausgefuhrten Reliefs der Balustrade stellen Schlachten zwischen Reitern und Fussvolk dar und gleichen in der Behandlung den dekorativen Reliefs auf der Allegorie der Verleumdung nach Apelles. Eine wahre Perle der reifsten Kunst Sandros aus der Mitte der achziger Jahre ist ferner die Anbetung des Neugeborenen im Besitze des Earl ofWemyss in London. Es ist ein Bild von grosseren Dimensionen, die Figuren sind nur wenig unter Lebensgrosse. Eine bliihende Rosenhecke bildet den Hintergrund fur die demutsvoll geneigte Gestalt der Maria, die in Anbetung vor dem auf blumigen Rasen schlafenden Kinde kniet. Es hat beide Fiisse auf- gestemmt, die Rechte ruht auf der Brust, die Linke im Schosse. Die namliche Madonnen- gestalt mit dem von blonden, in losen Wellen herabfallenden Haaren eingerahmten feinen Profil wiederholt spater Sandro auf der Geburt Christi in der National Gallery. Dort sind jedoch die Proportionen gestreckter, der Faltenwurf knittriger und flatternder. Schon bei Besprechung der Tondi hatten wir ofters Gelegenheit, darauf hinzuweisen, wie das friihe Madonnenbild Botticellis mit dem Johannesknaben im Louvre die Vorlage fur verschiedene Kompositionen seiner Schiller abgegeben hat. Nicht weniger wie drei auch in der hohen recht- eckigen Form ubereinstimmende gute Wiederholungen dieses Bildes sind mir bekannt geworden : im Staedelschen Institut zu Frankfurt a/M. (Nr. 12) 3 ), in der Galerie zu Dresden (Nr. 8) und im Besitze von Mr. Leyland in London 4 ). Die auf alien drei Bildern uber- einstimmende Komposition weicht nur insofern von dem Vorbild ab, als die Scene in einen mit Bogenfenster im Hintergrund abgeschlossenen Innenraum verlegt ist, der Johannesknabe nicht mehr mit auf der Brust gekreuzten Armen herausschaut sondern mit gefalteten Handen Maria anblickt, das Kind fast in gleicher Haltung nicht mehr auf dem Schoss der Mutter stent sondern mehr auf ihrem Arm sitzt. Kleine Abweichungen finden sich ferner in der Anordnung des Kopf- tuches und in der Unterlage des Gebetbuches. Der Typus der Madonna, die langgeformten Hande, die schweren schwarzen Umrisse, die matte Farbung weisen samtliche Wiederholungen in die spatere Zeit Botticellis. Sie sind durchgangig recht flau behandelt, die Zeichnung ist hart und zum Teil auch fehlerhaft, das Verstandnis fur die Korperform, besonders bei dem Christus- kinde, recht mangelhaft. Das Exemplar in Dresden diirfte noch das beste unter den dreien sein, scheint mir jedoch auch nur Werkstattsarbeit 5 ). Fur eine spate eigenhandige Arbeit Sandros dagegen halte ich das ebenfalls auf das Louvrebild in der Komposition zuruckgehende Madonnenbild in der National Gallery zu ') Botticellis Weise stent auch die sitzende Madonna mit dem nackten, von einem Granatapfel nascbenden Kinde in der Akademie zu Florenz (Saal I (V) Nr. 28 >Unbekannt«) nahe, doch erlaubt der schlechte Zustand des Bildchens keine nahere Bestimmung mehr. *) Nach einer Mitteilung des Herrn Ad. Bayersdorfer. 3 ) Fruher im Besitze von Widmann in MUnchen, woselbst von Crowe und Cavalcaselle (JII, S. 174) erwahnt. 4 ) Eine ganz geringe stumperhafte Kopie hangt in einem Gange des Palazzo vecchio. °) Nach Crowe u. Cavalc. gehort das Frankfurter Bild zu den grautonigen, mittelmassigen Arbeiten, ist aber ein echtes Bild. Morelli, Die Galerien Munchen und Dresden (1 89 1), S. 336, halt das Dresdener Exemplar fur eigenhandig. Immerhin ist dasselbe weit besser als die Brustbilder des jugendlichen Johannes des Evangelisten (Nr. 1 1) und des Johannes des Taufers (Nr. 22) ebenda, die ganz geringwertige Schuhvare sind. 128 Die nachromiscbe l'eriode. London (Nr. 782) '). Der Johannesknabc fohlt, die Haltung der Gottesmutter und dcs Kindes ist fast die gleiche wie dort, nur ist der Kopf der erstercn nicht mchr in Profil sondern in dreivicrtel Wendung nach links gegeben. Durch ein Fenster links blickt man in eine Fluss- landschaft mit einer Stadt und schlanken hoch in die Luft ragenden Baumen im Vordergrund. Der Madonnentypus ist der gleiche wie auf den Rundbildern in Turin, in der Borghesegalerie und auf der schon ofters zum Vergleich herangezogenen, noch zu besprechenden Verkundigung, er ist von weit individuellerer Bildung als die Kopfe auf den zuletzt erwahnten Schulbildern, die Zeichnung ist korrekter wie dort. Auch die graue trube Stimmung hat dieses Stuck mit der Verkundigung und den eben erwahnten Rundbildern gemein. Ich setze seine Entstehung daher gleich der der anderen in den Beginn der neunziger Jahre. Eine ahnliche jedoch von cinem geringen Nachahmer ausgefuhrte Komposition befindet sich im Museum zu Lille (Nr. 210) 2 ). Ebenfalls nicht eigcnhandig sondern Atelierarbeit ist eine vcrwandte Darstellung in der Galerie zu Turin (Nr. 374) 3 ). Maria in Kniestiick, von vorne gesehen, halt das Kind, welches sich mit den Fiissen auf einer Briistung aufstemmt. Durch eine Saulenhalle blickt man auf eine Landschaft mit Stadt. Einem zwischen Botticelli und Ghir- landajo stehenden hochst schwachen Kunstler gehort die Ruhe auf der Elucht im Museum zu Leipzig an. Die Gruppe der Madonna mit dem Kinde, das auf einem umgestiirzten Saulenkapitel unter einer Palme steht , entspricht den Bildern in Frankfurt, Dresden u. s. w. Weiter zuriick sitzt Josef nebcn einem Architravstiick und schneidet Brot 4 ). Den gleichen Gegenstand behandelt ein grosses Bild bei E. Andre in Paris. Nach einer Mitteilung Bodes riihrt es von Botticelli selbst her. Angesichts der zahlreichcn zum Teil minderwertigen Schularbeiten, im Hinblick auf die fluchtige Ausfuhrung und die an Manierismus grenzende Wiederholung gelaufiger Typen und Bewegungsmotivc in einzelnen eigenhandigen Werken Botticellis dieser Zeit wird man Vasaris Vorwurf, der Kunstler habe »als spekulativer Kopf« seine Zeit anstatt mit Malen mit anderen Dingen, bcsonders mit der Beschaftigung mit Dante, hingebracht, erklarlich finden. Aber dieser Vorwurf verstummt sofort, wenn man die Friichte dieses Dantestudiums naher betrachtet, die Vasari, nach allem, was er dariiber sagt, in ihrer ganzen Fi'ille nicht bekannt gewesen zu sein scheinen. Botticellis Zeichnungen zu Dantes Gottlicher Komodie sind ein Werk, das, einzig in der Geschichte der Kunst dastehend, mehr als vollen Ersatz fur die Mangel seiner ') J. P. Richter a. a. O., S. 26, sieht auch hier nur ein Schulbild, Frizzoni dagegen halt es ebenfalls ftir echt, Archiv. stor. 1879, S. 252. *) Ebenda ohne Nummer eine Madonna das auf einem Kissen stehende Kind an sich driickend, ist eine geringe Arbeit eines Nachahmers. Nicht besser ist ein ahnliches Botticelli zugeschriebenes Stuck im Museum zu Rouen. Das gleiche gilt von der unter einer Bogenhalle stehenden Madonna mit dem segnenden Kinde auf dem Arme unter Botticellis Namen in der Galerie Colonna in Rom. Das in der Doriagalerie (Saal VI, Nr. 5) Botticelli zugewiesene Rundbild mit Maria, Josef, Christus und Johannes hat gar nichts mit ihm zu thun, sondern gehort einem spateren Florentiner an, der in einem Mischstil von Raflaellino del Garbo und Perugino pinselt. Das Bild No. 52 in der Gemaldesammlung des Kapi t olinis ch en Museums ist meiner Meinung nach ein Werk des Macrino d'Alla, wie eine Vergleichung mit dessen bezeichneten Bildern in der Certosa zu Pavia und im Museum zu Turin beweist. 3 ) Nach Crowe u. Cavalc. Ill, S. 172, ein treffliches Spezimen von Botticellis Manier. Der Sandro in der gleichen Sammlung zugeschriebene Triumph 6Ve r Keuschheit (Nr. 369) riihrt nicht von ihm selbst her, sondern ist, wie auch der Cicerone in der neuen Auflage erkennt, die Arbeit eines schwacheren Nachahmers oder Schiilers. Derselben Hand gehoren wohl auch die sehr zerstorten vier allegorischen Darstellungen vom Triumph der Keuschheit, der Liebe, der Religion und der Zeit in dem kleinen O rat o r ium von S. Ansano bei Fiesole an, die vonMilanesi, Vas. Ill, S. 328, Botticelli selbst zugeschrieben werden. Stilistisch verwandt sind ferner drei kleine Tafeln scheinbar mit Darstellungen aus der Geschichte der Esther unter Nr. 66 — 68 im I. Gang der Uffizien, zwei Scenen aus dem Leben Casars (Nr. 1132U. 1133) in der Galerie zu Berlin und ein Cassone mit der Fabel von Amor und Psyche bei Mr. Charles Butler in London. Vielleicht ist dieser besonders fiir die Bemalung von Truhen beschaftigte Kunstler, der zweifellos zu Botticellis Schule gehort, als Zeichner ffir den Holzschnitt thatig gewesen, mehrere Triumphztige unter den damaligen llorentinischen Holzschnitten sind dem Stile dieser kleinen Bilder eng verwandt. 4 ) Eine ahnliche Komposition findet sich auf einer Caffaggiolomajolika im Kunstgewerbemuseum zu Berlin (Schrank 222). Josef sitzt schlafend zur Rechten, das Kind steht auf einem Postament statt auf einem Kapitel. Die Dantezeichnungen. I2Q malerischen Arbeiten dieser Jahre bietet. In ihnen ist in vollem Masse enthalten, was die Grosse seiner reifsten Schopfungen ausmacht: der Reichtum der gestaltenden Phantasie, die Macht und Tiefe der Empfindung, die Schonheit der Form und die Anmut der Bewegung. Ihre Ausfiihrung erstreckt sich iiber eine geraume Zeit, sie sind wie kein anderes Werk geeignet, den Ubergang von den heiteren anmutsreichen Gebilden aus dem Anfang und der Mitte der achziger Jahre zu den ernsten, strengen der neunziger Jahre zu vermitteln 1 ). Ihre Herkunft aus mediceischem Besitz ist durch die Notiz des Anonymus im Leben Botticellis: dipinse ct storib un Dante in cartapccora a Lorenzo di Piero Francesco de' Medicj' 2 ), il che fu cosa maravigliosa tcnuto bezeugt, die Autorschaft Botticellis, sofern dieselbe angesichts der stilistischen Beschaffenheit der Zeichnungen tiberhaupt in Frage kommen kann, ervviesen durch die eigenhandige Bezeichnung des Kiinstlers >Sandro di Mariano« auf dem Blatte zum 28. Gesang des Paradies. Wann der Codex aus mediceischem Besitz verschwunden , welches seine spateren Schicksale gewesen, ist unbekannt. Die erste Notiz iiber ihn stammt aus dem Jahre 1803, wo er einem auf dem alten Papierband befindlichen Vermerk zufolge von dem italienischen Kunsthandler Molini in Paris kollationiert wurde. SpiLter gelangte er in den Besitz des Herzogs von Hamilton, in dessen Bibliothek Waagen ihn sah und dariiber kurz in seinem Buch iiber die Kunstschatze Englands berichtet 3 ). 1884 wurde der Codex mit anderen wertvollen Schatzen aus der Hamiltonsammlung von der preussischen Regierung angekauft und dem kgl. Kupferstichkabinet zu Berlin einverleibt. Es sind 88 durchschnittlich 32 cm hohe und 37 cm breite Blatter aus Pergament, davon 85 mit Zeichnungen. »Die Blatter bestehen aus feinem Ziegenpergament. Auf der sogenannten »Haarseite« ist je ein Gesang des Gedichtes der Breite nach sechsteilig in jener halbgotischen Schrift geschrieben, welche seit dem XIV. Jahrhundert kalligraphisch ausgebildet wurde, und die man im Gegensatz zur »alla antica« Schrift »moderna« nannte. Auf der »Fleisch- seite« des Pergaments befinden sich die Zeichnungen. Der Codex war ursprunglich derartig eingerichtet, dass der Text zu jeder Illustration dieser gegeniiber auf der Vorderseite des nachst- folgenden Blattes, der Text immer recto und die Illustration verso zu stehen kam. (Also z. B. auf einem Blatte Text zu Gesang IX und die Illustration zu Gesang X.) Auf diese Weise hatte der Leser in dem aufgeschlagenen Bande den Text stets gleichzeitig mit der zugehorigen Zeich- nung vor Augen. Jedem Gesang ist je eine Zeichnung gewidmet, nur Inferno XXXIV macht eine Ausnahme, wo der grosse Satan auf zwei verschiedenen Blattern dargestellt ist, einmal in Halbfigur, das anderemal in ganzer Gestalt auf zwei zusammengefiigten Pergamenten. Die Hand- schrift war vom Schreiber vollendet, be vor der Kiinstler an seine Arbeit ging; fur die Initialen, welche am Anfang eines jeden Gesanges stehen sollten, ist entsprechend Raum freigelassen. In der Folge der Berliner Dante-Ulustrationen fehlen am Anfange des Inferno die Blatter mit den Bildern vom I. bis zum VII. Gesang, die Zeichnung zu Gesang VIII ist vorhanden, darauf folgt abermals eine Liicke, Gesang IX bis XVI umfassend. Von Inferno XVII bis Paradiso XXX lauft die Reihe ununterbrochen fort. Die Blattseite, auf der die Zeichnung zu Paradiso XXXI zu stehen kommen sollte, ist weiss geblieben, die Serie schliesst mit der angefangenen Skizze zu Paradiso XXXII « 4 ). Acht von den im Berliner Codex fehlenden Blattern zum Inferno hat Strzygowski 1886 ') Es liegt nicht in meiner hier gesteckten Aufgabe, ausftihrlich iiber das Gegenstandliche dieser Zeichnungen zu handeln. Ich verweise zu diesem Zwecke auf Friedrich Lippmanns vortreffliche sErklarende Beschreibung zu den Zeichnungen von Sandro Botticelli zu Dantes Gottlicher Komodie, nach den Originalen im K. Kupferstichkabinet zu Berlin«, Berlin, Grote 1887, und Josef Strzygowski, »Die acht Zeichnungen Sandro Botticellis zu Dantes Gottlicher Komodie im Vatikan. Ein Supple- ment zu dem Codex im k. Kupferstichkabinet zu Berlins, Grote 1887. Inhaltlich sind die Zeichnungen in Berlin auch kurz besprochen von W. Liibke in »Nord und Siidi, April 1883, XXV. Bd., 73. Heft, S. 35/53. 2 ) Lorenzo di Pierfrancesco de' Medici (1456 — 1503) gehort einer Seitenlinie des mediceischen Hauses an und nahm keinen hervorragenden Anteil an den Staatsgeschaften. Bei Verjagung seiner Neffen Piero und Giuliano 1494. blieb er in Florenz und vertauschte, um seine biirgerliche Gesinnung zu bekunden, den Namen Medici mit dem »Popolano«, wobei er die »palle«, das Wappen der Familie, von seinem Hause entfernte. Er ist auch der Auftraggeber fur die ebenfalls jetzt in Berlin befindliche Johannesstatue des jugendlichen Michelangelo. 3 ) Treasures of Art in Great Britain III, S. 307. 4 ) Lippmann a. a. O. Ulniann, Botticelli. '" I 7Q Die nachromische Periode. auf dor vatikanischen Bibliothek gefunden und verGffcntlicht J ). Es sind die Zeieh- nungen zu Inferno I, IX, X, XII, XIII, XV und XVI und ein Titelblatt mit der Gesamt- ansicht der Holle. Sie befinden sich in einem aus der Handschriftensammlung der Konigin Christine von Schweden stammenden Miscellaneenbande, der 1690 mit .der iibrigen Bibliothek der verstorbenen Konigin von Papst Alexander VIII. angekauft wurde 2 ). Es fehlen somit nur die Illustrationen zu Inferno II — VII und XIV, doch kann man sich, wie Strzygowski erfolgreich versucht hat, aus der Gesamtdarstellung der Holle und den noch zu erwahnenden Stichen der Landinoschen Dante- Ausgabe von 1481, eine Vorstellung von dem Inhalt dieser verlorenen Blatter bilden. Samtliche Zeichnungen in Berlin wie in Rom sind mit dem Metallstift entworfen und mit der Feder in schwarzer oder braunlicher Farbe nachgezogen. An vielen Stellen ist, da die Ausfiihrung in Feder unterblieb, nur die Vorzeichnung erhalten und selbst da, wo sie als fehlerhaft vom Kiinstler erkannt wurde, stehen geblieben. Vorzeichnung wie Ausfiihrung in Feder sind von einer Hand und zwar von Botticelli selbst 3 ). Auf einer Reihe von Blattern, besonders Purgatorio XIV — XXVII, ist die Nachzeichnung in Tinte sehr fliichtig und sogar teilweise auch fehlerhaft, man thut gut, sich da mehr an die darunter stehen gebliebene Vorzeichnung zu halten, die tiberhaupt das feine Spiel der Linien in der geistreich skizzierenden Behandlungsweise besser beobachten lasst als die harteren Federstriche. Die Illustrationen zu Inferno XVIII im Berliner Codex sowie diejenigen zu Inferno X und XV und das Ubersichtsblatt der Holle unter den Vatikanischen Blattern sind mit Deckfarben ausgemalt; die Zeichnung zu Gesang X allerdings nur in den Gewandern. Lippmann vermutet mit Recht, dass urspriinglich nach Art illuminierter Handschriften eine durchgangige Ausfiihrung in Farben geplant war, dieselbe jedoch schon bei den Arbeiten am Inferno nach einigen Versuchen aus kiinstlerischen Riicksichten von Sandro aufgegeben wurde. Wenn Lippmann der weiteren Ansicht ist, diese Versuche in Farbe rtihrten von Botticelli selbst her, so mochte ich ihm darin nicht beipflichten. Denn nicht nur sind diesem die angewendeten Farben wie lila, saftgriin, karmin, kupferrot auf seinen Bildern sonst fremd, sondern dem Illuminator geht auch jedes tiefere Verstandnis fiir die Korperformen ab, wie das Blatt im Berliner Codex beweist. Die nackten Korper der dort von Teufeln mit Geisselschlagen herumgejagten Kuppler und im Schlamme steckenden Schmeichler sind mit gleichmassig gestrichelten, mit spitzem Pinsel angstlich ausgefuhrten braunen Schatten iibertupft, ohne auf die einzelnen Korper- formen irgend welche Riicksicht zu nehmen. Wir besitzen ja mehrere in ahnlicher Technik lavierte Federzeichnungen von Botticelli — ich verweise nur auf die Engelstudie zu der Kronung Mariae und den Johannes zu der thronenden Madonna aus S. Barnaba — die zeigen, wie dieser selbst in ahnlichen Fallen zu arbeiten pflegte. Ich glaube, die Ausfiihrung in Farbe wurde einem professionellen Illuminator iibertragen, der sich jedoch der hier bei der grossen Anzahl kleiner Figuren besonders schwierigen Aufgabe nicht gewachsen zeigte, weshalb die Fortfiihrung unterblieb. Die Illustrationen sind, wie Lippmann richtig bemerkt, in der der Einteilung der Dichtung entsprechenden Reihenfolge entstanden: Inferno, Purgatorio und Paradiso. Dies scheint mir aus folgenden Merkmalen hervorzugehen. Wahrend Sandro in den Zeichnungen zu den beiden ersten Teilen des Gedichtes in naiver Erzahlerfreude die in einem Gesange nach einander berichteten verschiedenartigen Ereignisse, ahnlich wie auf dem frtihesten Fresko in Rom, alle neben einander auf einem Blatte vereinigt und sich nicht scheut, die Gestalten Virgils und Dantes so oft zu wieder- holen, als er es der Deutlichkeit halber fur notig erachtet, thut sich in den Blattern zum Paradiso das Streben nach moglichster Beschrankung kund. Er vermeidet thunlichst alle Wiederholungcn, legt den Nachdruck nicht auf die Wiedergabe der in dem Gedichte erzahlten einzelnen Gescheh- nisse sondern sucht die innere Wirkung, den diese auf das Gemiit Dantes und die Haltungsweise Beatrices ausiiben, im Ausdruck der beiden wiederzugeben. Dazu kommt als zweiter Unterschied zwischen den Zeichnungen der beiden ersten und des letzten Teiles des Gedichtes die Grosse 1 Vgl. die Fundnotiz, Kunstchronik 1886, S. 4668*. 2 ) Codici della Regina di Svezia, No. 1896, l<"ol. 97 — 103. s ) Waagen, der die Zeichnungen nur fliichtig ansehen konnle, zvveifelte an der durchgangig eigenhcindigen Ausfiihrung und glaubte, verschiedenc Hiinde zu erkennen. Die Dantezeichnungen, •3' der Figuren. Dort sincl sie namlich durchgangig in kleinem, hier in bedeutend grosserem Mass- stab gehaltcn. Damit zusammenhangend ist das Portratmassige in den Ziigen Dantes in den Illustrationen zum Paradies viel scharfer betont als vorher. Ausserdem herrscht daselbst eine freiere Gewandbehandlung und freiere Zeichenweise bei gestreckteren Proportionen vor. Eine Sandro Botticelli. Zeichnung zu Dantes Gdttlicher Komodie (Ausschnitt). Kupferstichkabinet, Berlin. Ausnahmc von dieser Reihenfolge macht nur die in Rom befindliche Zeichnung zu Inferno I Sie stimmt stilistisch und in der Grosse der Figuren durchaus mit den Illustrationen zum Paradiso uberein und weicht auch im Typus des Virgil von dem in den ersten Teilen gegebenen ab 1 ). *) Virgil ist sonst bei Botticelli ein bartiger Greis in damaliger Professorentracht , Talai- mit breitem Kragen, pelz- verbramter, kegelformiger Miitze, 17* ] ->2 Die nachromische Periode. Sie ist wahrscheinlich erst nachtraglich zusammen mit dem Titelblatt der Holle den bereits vollendeten Teilen vorgesctzt worden. Was nun die Entstehungszeit dieser Zeichnungen betrifft, so setzen Lippmann wie Strzy- gowski den Beginn der Illustrierung vor 148 1 ja »vermutiich wesentlich friiher«. Lippman glaubt, die Fertigstellung habe sich durch Jahrzehnte hindurch gezogen und sei im Hinblick auf die Nichtvollendung der letzten beiden Blatter zum Paradiso erst durch den Tod des Bestellers (1503) oder des Kiinstlers (15 10) unterbrochen worden. Ahnlicher Ansicht ist Jul. Meyer, der »aus inneren Grunden« annimmt, »dass die Zeichnungen zur Holle noch vor 1480 entstanden sind, die Blatter aber zum Fegefeuer und zum Paradies der Zeit nach der Riickkehr Sandros von Rom (1482) und zwar bis zum Schluss des Jahrhunderts angehoren; wobei die ersteren im Wesentlichen dem Jahrzehnt bis etwa 1492, die letzteren der Zeit vor Ausgang und urn die Wende des Jahrhunderts zufallen mogen* 1 ). Auf die Fixierung des Beginnes der Illustrierung vor 1 48 1 verfiel man deshalb, weil man als feststehende Thatsache annahm, die Kupferstiche zum Inferno in der mit Christoforo Landinos Kommentar versehenen Florentiner Ausgabe der Divina Commedia von 1481 (gedruckt von dem Breslauer Nicolaus Lorenz, italienisiert Lorenzo della Magna [Allemagna], seien Kopien nach den Zeichnungen Botticellis und diese miissten daher, soweit sie als Vorlagen in Betracht kommen, damals vollendet gewesen sein. Obgleich urspriinglich eine durchgangige Illustrierung dieser Landinoschen Ausgabe geplant war, wie die zur Aufnahme der Plattenabziige oder aufzuklebender Abdriicke zwischen dem Text freigelassenen Stellen beweisen, so fiihrt doch kein Exemplar mehr als 19 resp. 20 Stiche, je nachdem man die zuweilen vorkommende zweite Version der Abbildung zu Gesang III hinzurechnet. Die meisten Exemplare haben sogar weit weniger Abbildungen, manche gar keine, wie selbst das von Landino der Signoria iiberreichte auf Pergament gedruckte Prachtexemplar auf der Biblioteca nazionale. Aus welchen Grunden die bloss bis zum 19. Gesang des Inferno gefiihrte Illustrierung mit Kupfern unterblieb, ist unbekannt, wahrscheinlich fanden die schr mangelhaft gearbeiteten Stiche wenig Anklang und der Verleger wollte sein mit den schonsten Typen gedrucktes Buch nicht durch Einfiigung schlechter Abbildungen entwerten. Sind diese Kupferstiche in der Dante - Ausgabe von 1481 nun wirklich so mit den Zeichnungen Botticellis ubereinstimmend, dass sie als direkte Kopien darnach betrachtet werden mtissen? Ich glaube, nein. Stilistische Verwandtschaft und gegenstiindliche Ahnlichkeit besteht zwar zwischen ihnen, aber daraus geht furs erste nur hervor, dass auch die Stiche auf Botticellische Zeichnungen zuriickgehen. Weshalb aber gerade auf die fur Lorenzo di Pierfrancesco de' Medici angefertigten ? Auch nicht ein Stich unter den neunzehn stimmt mit den betreffenden Zeichnungen in alien Teilen uberein, auf jedem finden sich bedeutende Abweichungen, die meisten Stiche sind sogar durchgangig verschieden von der Vorlage. Und zwar besteht die Abweichung in den Stichen nicht etwa nur in Einzelheiten der Tracht, nicht nur in veranderter Haltung und Bewegung und einer Minderzahl der Figuren, sondern die Anordnung der Gruppen im Raume, die Stellung der einzelnen Figuren, ja die ganze Darstellung ist teilweise grundverschieden. Die Vereinfachung der umfangreichen Kompositionen der Zeichnungen durch Weglassen einiger Gruppen und Figuren, durch Beseitigung unnotiger Wiederholungen ware ja bei einer freien Anlehnung des Stechers an die Vorlage im Hinblick auf den ihm zu Gebote stehenden beschrankten Raum leicht zu erklaren, nicht dagegen, dass dieser ganz neue Gestalten und Gruppen an Stelle bereits vorhandener setzt, ganz neuc Darstellungen entwirft wie z. B. zu Gesang IX, wo sich auch nicht in einer Figur vollige Ubereinstimmung zwischen Stich und Zeichnung findet. Durch die dem Textbande Lippmanns beigegebenen Reproduktionen der Kupferstiche ist jeder in den Stand gesetzt, sich von den grossen Abweichungen zwischen Stichen und Zeichnungen zu iiberzeugen. Die Thatsache, dass die Dar- stellungen beiderseits gegenstandlich sich ahneln, beweist bei der Gleichheit des behandelten Stoffes noch nichts, erst eine auch aufs einzelne sich erstreckende Ubereinstimmung konnte fur einen solch engen Zusammenhang, wie ihn Vorlage und Nachahmung bedingt, unzweifelhaft sprechen. So frei pflegen doch sonst Stecher nicht ihren Vorlagen gegenuber zu verfahren. Und noch ein wichtiger ') a a. <>., S. 9. Die Dantezeichnungen. [n Grund gegen die Annahme eines direkten Abhangigkeitsverhaltnisses der Stiche von den Zeich- nungen. Alle Zuthaten und Anderungen in den Stichen sind nicht, wie Lippmann behauptet, »schlecht und recht zusammengeflickt« sondern ganz in der gleichen Weise gezeichnet wie die der Vorlage entnommenen Figuren. Es ware immerhin zu verwundern, wenn ein Kiinstler von so geringem Formenverstandnis , wie der Verfertiger dieser Stiche, so gut bewegte und richtig gezeichnete Gestalten wie z. B. den vor der Wolfin fliehenden Dante zum ersten, das den beiden Wanderern mit dem Gorgonenhaupt entgegentretende Ungetiim und den die Teufel von den Thoren der Hollenstadt zurucktreibenden Engel zum neunten Gesang selbst entworfen hatte. Und schliess- lich, ist es nicht auch unwahrscheinlich, dass Botticelli die auf Bestellung eines Privaten ausgefiihrten Zeichnungen aus einer unvollendeten Serie heraus behufs Reproduktion der Offentlichkeit iiber- geben hatte? Sollte sich die Sache nicht vielmehr folgendermassen verhalten? Als Landino oder die Drucker des Dante eine Illustrierung ihrer Ausgabe mit Stichen ins Auge fassten, wandten sie sich an den mit Landino befreundeten Botticelli mit dem Auftrage, ihnen die Vorlagen dazu zu zeichnen. Dies war vor oder um das Jahr 1481. Der Kunstler that dies, der ausfuhrende Stecher jedoch erwies sich als zu untiichtig oder sonstige Hindernisse traten ein, nur ein Teil des Inferno wurde mit Stichen versehen, die Weiterillustrierung unterblieb. Diese Sachlage entspricht vollstandig der Mitteilung Vasaris ^conientb (Botticelli) una parte di Dante, e figurb lo Inferno, e lo inise in stampav. (gab es in den Druck). Was aus den darnach noch fehlenden Stichen zu den iibrigen 14 Gesangen des Inferno geworden ist, wissen wir nicht. Wahrscheinlich kannte auch Vasar nicht mehr Stiche als wir, und Botticelli hat iiberhaupt nicht mehr als 19 Blatter als Vorlagen geliefert. Sandros Beschaftigung mit Dante blieb nicht unbekannt. Bald darauf, nach seiner Ruckkehr aus Rom, gab ihm Lorenzo di Pierfrancesco de' Medici, vielleicht durch Vermittlung Landinos, seinerseits nun den Auftrag, ein sauber geschriebenes Manuskript der ganzen Dichtung mit Handzeichnungen zu illustrieren. Es entspricht vollstandig dem damals noch herrschenden Vorurteil gegen gedruckte Biicher, dass der vornehme Mann sich seinen Dante schreiben und mit Originalzeichen ausschmiicken liess, wahrend ihm eine mit aller Sorgfalt hergestellte gedruckte Ausgabe mit Kupferstichen zu Gebote stand. Botticelli griff bei dieser zweiten Folge von Illu- strationen auf die erste zuriick, erweiterte, durch die grossere Raumausfullung gezwungen, die fruheren Entwiirfe, anderte Einzelnes, und so ist die allgemeine Ahnlichkeit zwischen den Stichen und den Zeichnungen entstanden. Nicht die Zeichnungen sind meiner Meinung nach die zuerst ausgefiihrten, sondern die Stiche. Das Jahr 1481 giebt somit im allgemeinen nicht den terminus ante sondern post quern fur die Entstehung der Zeichnungen. Einer Datierung des Beginnes der Illustrationsfolge in die Mitte der achziger Jahre ent- spricht nun auch der Stil der Zeichnungen vollstandig. Bereits auf den Blattern zum Inferno sind die Bewegungen freier, die Gewandung loser und flatternder als auf den Bildern aus dem Anfang der achziger Jahre, wie unter anderem eine Vergleichung des schwebenden und laufen- den Engels auf dem Blatte zu Inferno IX mit dem Engelreigen auf der Kronung Mariae, besonders mit der dazugehorigen Engelstudie in den Uffizien zeigt. Im Verlauf der Arbeit steigert sich der Hang des Kunstlers zu Beweglichkeit und Schwung der Gestalten immer mehr, die Figuren auf den Zeichnungen zum Paradies sind so heftig bewegt wie auf der Allegorie der Verleumdung und stilistisch verwandten Bildern aus dem Ende der achziger und Anfang der neunziger Jahre. Trotz dieser und der oben hervorgehobenen Unterschiede in der Folge der Blatter ist das Ganze doch so aus einem Gusse, dass ich mir nicht denken kann, die Ausfuhrung habe sich durch mehrere Jahrzehnte hingezogen. Ist es denn wahrscheinlich, dass ein Auftraggeber, namentlich eine so einflussreiche Personlichkeit wie ein Mitglied des mediceischen Hauses, Decennien lang ein fur den personlichen Gebrauch bestimmtes Buch behufs Illustrierung bei einem Kunstler liegen lasst? Man iiberschatzt doch auch die in diesen 93 Blattern vorhandene Arbeitsleistung allzusehr, wenn man glaubt, zu ihrer Vollbringung seien viele Jahre notig gewesen. Man weiss ja, wie schnell selbst heutigen Tages Illustratoren arbeiten, und in der zweiten Halfte des Quattrocento, wo der kiinstlerische Schmuck von ganzen Kapellen in wenigen Monaten oder binnen Jahresfrist vollendet wurde, war das technische Konnen noch ein viel grosseres. Die in den Dantezeichnungen angewendete Technik erforderte nicht viel Zeit, die Vorzeichnung ist ganz fluchtig, haufig nur andeutend ge- 134 Die nachromische Periode. geben, das Nachziehen der Umrisse dcr kleinen Figuren mit der Feder war auch kein so muhsames, zeitraubendes Geschaft, namentlich nicht, wenn man sieht, wic der Kiinstlcr auch nicht einmal nach der Natur zeichnet sondern gelaufige Formen, Proportionen und Bewegungsmotive immer in dcrselben skizzierenden Behandlungsweise wiederholt. Aus dem Umstand allein, dass Botticelli mehrere Blatter nur zum Teil, einige iiberhaupt nicht in Feder ausgefiihrt, die Illustrationen zu den letzten Gesangen des Paradiso gar nicht entworfen hat, kann man auch nicht schliessen, dass der Tod des Bestellers oder des Kiinstlers die Vollendung gestort habe. Wer weiss, welches Hindernis, und deren giebt es ja so viele, an der Nichtvollendung schuld war. Vielleicht hat der Auftraggeber selbst die Arbeit, da ihre Fertigstellung ihm schon zu lange wahrte, dem Kiinstler weggenommen, und erklart sich so das Unvollendete derselben in einzelnen Teilen. Bei der kiinstlerischen Wiirdigung dieser Zeichnungen muss man einen Punkt ganz besonders im Auge behalten: den der Deutlichkeit. Von ihm liess sich Botticelli anfanglich ganz ausschliesslich leiten, ihm ordnete er alle sonstigen kiinstlerischen Riicksichten unter. Er will in seinen Zeichnungen einen Kommentar zu der Dichtung geben, der nicht nur das Verstandnis erleichtern sondern schon beim blossen Anblick dem Unterrichteten den Inhalt des betreffenden Gesanges in das Gedachtnis zuruckrufen soil. Deshalb die immerwahrenden auf die Dauer ermtidend wirkenden Wiederholungen der Hauptpersonen, die Haufung von Einzelgruppen auf einem Blatte. Mehr auf Reichhaltigkeit der Darstellung als auf sorgsame Auswahl einzelner kiinstlerisch besonders verwertbarer Scenen kam es wohl auch dem Besteller an, dessen Wiinsche sich hier mit der Lust des Kiinstlers am Fabulieren deckten. Botticelli dringt dabei nicht immer in den tieferen Sinn der Dichtung ein, bleibt vielmehr haufig an der Oberflache haften und ist zufrieden, wenn er nur wortlich und ausftihrlich interpretieren kann. Manchmal wird er durch diese Wortlichkcit an die ausserste Grenze des Darstellbaren gedrangt, und nur seinem richtigen kiinstlerischen Taktgeftihl ist es zu danken, wenn er sich vor Geschmacklosigkeiten bewahrt. Stellte ihm doch die Phantastik Dantes haufig fast unlosbare Aufgaben, und man muss seine Erfindungsgabe nur bewundern, mit der er selbst dessen ungeheuerlichsten Schilderungen bildnerische Form verleiht. Liess sich die Verwand- lung der Diebe in Schlangen anders darstellen als Sandro es mit grausenerregender Deutlichkeit auf der Zeichnung zum XXIV. Gesang des Inferno gethan, wiirde ihn nicht ein Hieronymus Bosch , ein Hollenbrueghel um seine Versammlung von Teufelsfratzen auf den Blattern zum XXI. und XXII. Gesang ebenda beneidet haben? In ihrer Bildung und in der Darstellung antiker Gestalten wie Charon, Minos, Pluto, Cerberus, Phlegias als Teufel ist Sandro noch in der Anschauung des Mittelalters befangen 1 ). Die Erscheinung vom Wagen der Kirche, der Uberfall und seine Verwandlung (Purgat. XXIX ff.) inspiriert den Kiinstler zu einer der geistreichsten Schilderungen innerhalb der ganzen Folge, die wegen ihrer Klarheit im Gegensatz zu der dunklen Mystik Dantes hier im Gegenteil wieder auf die Gedankenarbeit des Illustrators das giinstigste Licht wirft. Gerade in diesen Blattern finden sich genug Reminiscenzen an Figuren und Gruppen auf seinen Bildern, die fur die chronologische Bestimmung wichtig sind. So erinnern, wie bereits erwahnt, die sieben leuchtertragenden Engel an die Gestalten auf dem Rundbild in Berlin, die tanzenden »Tugenden« an die Grazien auf dem Reich der Venus, die im Kreise um Beatrice sitzenden »Drei« und »Vier« Frauen an die Versammlung der Vertreterinnen der Wissenschaften auf dem Fresko der Villa Lemmi im Louvre. Sandro in diesen Zeichnungen den Vorwurf einer schlechten Anatomie zu machen, ist durchaus ungerechtfertigt 2 ). Er zeigt hier vielmehr die voile Herrschaft iiber die mensch- lichen Formen, wie sie nur wenigen zeitgenossischen Kiinstlern zu Gebote stand. Nur mit wenigen Strichen sind Korper und Gliedmassen angegeben, aber jeder Strich sitzt an der rcchten Stelle, keiner ist zuviel, kcincr zu wenig. Auf einigen Blattern, wie bei der Darstellung dcr im untersten Brunnen stehenden Giganten, verrat sich in den nackten Korpern das Studium Antonio Pollajuolos. Welche Duftigkeit in der Gewandung, welchen Schwung in der Bewegung ') Vgl. Volkmann, Bildliche Darstellungen zu Dantes Divina Commedia bis zum Ausgang der Renaissance, Leipzig 1892. *) Charles Ephrussi in der Gazette des beaux arts 1885, S. 404 fif. Er spricht von einer simplicity puerile der Krfindung, einem bizarre pGlemcle de figures enfantines de chctive anatomie. I Die Dantezeichnungen. I •? tr Sandro mit ein paar Fedcrstrichen zu erreichen imstande ist, zeigt die Gestalt Beatrices auf samtlichen Blattern zum Paradies. Hier ist er Pollajuolo, ja alien seinen Zeitgenossen weit uber- legen und reicht an Leonardo ebenbiirtig heran. Geradezu bewundernswert ist die Leichtigkeit, mit der er bei den Reisenden, der jeweiligen Stimmung derselben entsprechend, den Ausdruck ihrer Gesichter modelt, eine Linie niehr oder weniger geniigt, urn hochstes Entziicken oder nagenden Zweifel bei Dante, liebevolle Aufmunterung oder strafende Zurechtweisung im Antlitz Beatricens auszudriicken. Die Blatter III, V, VII und XVI gehoren zu dem Vollendetsten, was an Seelen- schilderung mit so geringen Mitteln in der bildenden Kunst erreicht worden ist. Nicht ohne Grund sagt Vasari, Botticelli sei ein solch ausserordentlicher Zeichner gewesen, dass spaterhin alle Kiinstler sich bemiiht hatten, Zeichnungen von seiner Hand zu erwerben. Die Illustrationen zum Dante in ihren Vorziigen und ihren Mangeln sind vielleicht das Charakteristischste , was die Florentiner Kunst am Ausgang des Quattrocento hervorgebracht hat. In der naiven Erzahlerfreude den Wandgemalden damaliger Zeit vergleichbar, reichen sie an Tiefe der Empfindung, an Schonheil der Form hini'iber zu den Meisterwerken des Cinquecento. Die neunziger Jahre, Savonarola und das Ende. |m letzten Decennium fliessen die Nachrichten iiber Botticellis Leben und Wirken etwas reicher wie vordcm, aber im Gegensatz dazu ist diese Periode an Werken seiner Hand armer. Die kleine Zahl der auf uns gekommenen Arbeiten ist jedoch um so interessanter, als sie ein getreues Spiegelbild der Stimmungen geben, die den Kiinstler sowie tausend andere wahrend dieser fiir Florenz verhangnisvollsten aller Zeiten beherrschten , und die sich in keinen anderen zeit- genossischen Kunstwerken so klar und beredt aussprechen wie in seinen Bildern. Am Anfang des letzten Jahrzehntes stent als ein sicher datierbares Werk die bereits ofters erwahnte Verkiindigung in den Uffizien (Nr. 131 6). Das Bild, von Vasari in einer Kapelle des Klosters der Monche von Cestello, der jetzigen Kirche S. Maria Maddalena de' Pazzi, erwahnt, war, wie aus einer von Milanesi beigebrachten urkundlichen Notiz hervorgeht 1 ), von Bene- detto di Ser Giovanni Guardi fiir den Preis von dreissig Dukaten zum Schmucke seiner Familien- kapelle in obiger Kirche bestellt worden. Da der Altar dieser Kapelle am 26. Tuni 1490 vom Bischot Pagagnotti geweiht wurde, so ist anzunehmen, dass das fiir denselben bestimmte Bild kurz vor oder kurz nach diesem Zeitpunkt gemalt wurde. Maria empfangt die Botschaft stehend vor dem Betpult in einem mit Marmorfussboden versehenem Gemach, dessen hohe Thiir sich nach dem Blumengarten und einer Flusslandschaft hin offnet. Bei den verheissungsvollen Worten des Engels wanken ihr die Knie, sie dreht sich schiichtern nach ihm um, und mit geneigtem Haupte und abwehrender Geste giebt sie ihre Ergebenheit in den gottlichen Willen kund. Der Bote des Herrn ist eben vor ihr niedergesunken, sein Blick ruht inbrunstig auf der Auserwahlten, in seinem Gewand flutet noch die Bewegung des raschen Fluges nach. Eine tiefe Empfindung, ein reiner seelischer Zusammenklang thut sich in dem Ausdruck und der Bewegung beider Gestalten kund. Maria ist voller Demut und Hingabe , Gabriel voller Pflichteifer. Koloristisch macht das Bild jedoch keinen angenehmen Eindruck. Die Farbung ist grau und stumpf, das Rot im Kleid des Engels, das Blau im Mantel der Madonna kalt und grell. Die Konturen sind schwer und hart, die Modellierung flach und verblasen, storend wirken die rotlichen Lichter im grauen Fleisch. Die braunen Haare losen sich in strahnigen Flechten und fallen nicht mehr in leichtem Gelock herab. Jede Anwendung von Goldlichtern fehlt. Die Landschaft im Hintergrund mit dem zwischen einer befestigten Stadt und einem Schloss dahin- fliessenden Strome ist grau und kalt wie an einem Novembertag, der gleiche Baum wie auf dem kleinen Madonnenbilde in der National Gallery ragt auch hier einsam in die Liifte. Diesem Bilde steht das unsere, wie schon gesagt, stilistisch sehr nahe, es ist derselbe hagere, abgeharmte Madonnenkopf mit dem miiden Ausdruck, der sich auch auf den Rundbildern in Turin und in der Borghesegalerie findet 2 ). Gleichfalls der spateren Zeit Sandros gehort die sturmisch bewegte V erkiin digung in der Art Corporation Gallery in Glasgow (Nr. 48) an. Der Vorgang ist ahnlich >) Zu Vas. Ill, S. 314. 2 ) Nach Morelli, Die Gal. Borghese etc., S. 107, ist es ebenso wie die Tondi in Turin und in der Borghesegalerie ein Schulbild nach einer Skizze des Meisters. Verkllndigungen in Florenz und Glasgow. 137 geschildert. In einem geriiumigen Gemache empfangt Maria die Botschaft von dem Engel, der durch einen Portikus hereinschwebt. Durch denselben blickt man auf eine Hiigellandschaft. Waagen lobt das Bild trotz der langen Proportionen und der grauen Farbung als eine gute Arbeit 1 ). Als eigenhandige allerdings rein dekorativ behandelte Arbeiten erscheinen mir auch zwei kleine aus einer Predella oder einem Rahmen ausgesagte Tafelchen mit der Maria und dem Verkiindi gun gs en gel im Zimmer des Direktors der Corsinigalerie zu Florenz. Sandro Botticelli. Die Veikiindigung. Uffizien, Florenz. Die grosse von der Berliner der Casseler Galerie leihweise iiberlassene Verkiindigung (Nr. 443) gilt dagegen dort mit Recht als Werkstattsarbeit 2 ). Aus dem Jahre 149 1 haben wir zwei urkundliche Beweise fur das Ansehen, dessen sich Botticelli noch bei seinem alten Gonner Lorenzo magnifico erfreute. Am 5. Januar gehort er 1 ) a. a. O., Suppl. IV, S. 459- 2 ) Von Crowe und Cavalc. Ill, S. 173, unter No. 1 17 der Berliner Galerie als echtes Werk, aber von nicht hervor ragendem Werte bezeichnet. Ulmann, ljotticelli. 1*^ jig Die neunziger Jahre. jener Kommission von Kiinstlern an, die auf Veranlassung des Medici unter dem Vor- sitze der beiden "Wcrkmeister Maso degli Albizzi und Tommaso Soderini zusammengetreten war, um iiber die zahlreichen fur die Konkurrenz der Domfassade eingelaufenen Modelle und Zeichnungen zu entscheiden. Neben Lorenzo di Credi, Domenico Ghirlandajo, Pictro Perugino u. a. m. wird auch Botticelli erwahnt. Ebenfalls durch Vermittlung Porenzos wird ihm am 1 8. Mai desselben Jahres zusammen mit Domenico und Davide Ghirlandajo und dem Buchmaler Gherardo der Mosaikenschmuck der Kapelle des hi. Zenobius im Dom zu Florenz iibertragen. Peider geriet das Unternchmen im folgenden Jahr durch den Tod des Protektors ins Stocken, und es ist uns somit die Gelegenheit genommen, Sandros Fahigkeiten auf diesem von Domenico Ghir- landajo eifrig und mit grossem Erfolg betriebenen Kunstgebiete kennen zu lernen. Auch Vasari berichtet von der Fertigkeit Botticellis in musivischer Arbeit, jedoch in einem anderen Zweige dieser Kunst. Er sei namlich der erste gewesen, der Bilder auf Fahnen und anderen Draperien aus mosaikartig zusammengesetzten Stoffstiicken herzustellen verstanden habe, wodurch seine Arbeiten vor gemalten Fahnen den Vorzug gehabt hatten, dass die mittels Beize aufgetragenen Farben nicht ausgeblichen seien und man die Farbe des Stoffes von beiden Seiten gesehen habe. Petzteres soil wohl heissen, dass die so hergestellten Fahnen mittels der auf beiden Seiten gefarbten, mosaikartig zusammengesetzten Pappen das namliche Bild von beiden Seiten zeigten. Unter den Arbeiten dieser Art preist Vasari besonders den Baldachin in Orsanmichele, der voll verschiedenartiger Madonnenfiguren gewesen sei 1 ). Von diesen und ahnlichen Arbeiten seiner Hand ist meines Wissens jedoch nichts mehr erhalten. Auch Vor z eich nun gen zu Stickereien hat unser Kiinstler nach Vasaris Zeugnis geliefert, unter den en dieser das gestickte Banner eines von den Monchen von S. Maria Novella bei Prozessionen gebrauchten Vortragkreuzes wegen der Reichhaltigkeit der figiirlichen Darstellung ruhmt. Fur ein Uberbleibsel solcher nach Botticellis Vorzeichnungen ausgefiihrten Stickereien halte ich die von dem Riickenstuck eines Chormantels stammende leider arg zerstorte Kronung Mariae in Museo Poldi-Pezzoli zu Mailand. Die von einer Cherubglorie umgebene Gruppe Gottvaters und der Jungfrau ist die gleiche wie auf dem grossen Gemalde aus S. Marco, die den Vorhang zuriickschlagenden Engel zu beiden Seiten haben ihre Genossen auf dem Altarbilde aus S. Barnaba in der Florentiner Akademie. Ihre flatternden Gewander ver- raten in jeder Pinie der schon geschwungenen Falten den Entwurf Sandros. Ebenso entsprechen die beiden darunter befindlichen schwebenden Engel, welche das von einem Fruchtkranz umgebene (zerstorte) Wappen des Stifters halten, genau der bereits erwahnten Gruppe dreier aus einem Buche singender Engel auf einer Zeichnung in den Uffizien. Die zu Fi'issen der Gottheit befindlichen Stifterfiguren sind bis auf die Gesichter leider vollig zerstort. Auch die unter Nr. 814 und Nr. 819 in derGalleria degli Arazzi zu Florenz befindlichen Stickereien mit Heiligen- figuren erinnern an Botticellis Weise, haben jedoch den Entwurf seiner Hand nicht so uber- zeugend treu bewahrt wie das schone Mailander Stuck. Zu gleichem Zwecke ist vermutlich auch die sauber auf Seide ausgefuhrte Federzeichnung, die Auferweckung zweier Knaben durch einen Heiligen im Beisein eines Koniges und seines Gefolges, in der Zeichnungssammlung des Pouvre (Nr. 424), entstanden. Sie wird dort nur fragweise Botticelli zugeschrieben , ist aber ein echtes und charakteristisches Stuck aus seiner spaten Zeit, wie eine Vergleichung mit den Zeichnungen zum Dante, besonders zum Paradiso, beweist. Eine echte, gegenstandlich und stilistisch verwandte Federzeichnung mit der Auf- erweckung eines Knaben befindet sich in den Uffizien (Rahmen 54, Nr. 1149). Der spaten Schaffenszeit Botticellis gehort auch die dem Raffaelino del Garbo zugeschriebene, vermutlich fur eine Predella bestimmte Federzeichnung mit dem Martyrium der hi. Pucia im Pouvre an (Nr. 2009) 2 ). >) III, S. 323- 2 ) Louvre Nr. 424 : 0,296 X 0,230. Nr. 2009 : 0,225 X 0)3 00 - Uffizien Nr. 1 149 : 0,160 X 0,145. Das im Louvre auf Botticelli getaufte Blatt (No. 104) mit einem in halber Wendung nach rechts genommenen mannlichen Kopf und einem im Profil nach rechts vorgebeugt stehenden Manne in Miltze und langem Gewand in Silberstift auf rosa grundiertem Papier riihrt nicht von ihm her, sondern steht Raffaelino del Garbo am nachsten. Ebenso verhalt es sich mit dem Botticelli im Katalog zugeschriebenen Blatt mit der Halbfigur eines Heiligen ebenda (No. 426). Zeichnungen ftir Stickereien. Legende des Zenobius, Geschichte der Virginia. j in 1st auch der Mosaikenschmuck der Zenobiuskapelle nicht erhalten, so besitzen wir doch mehrere Langstafeln mit Scenen aus dem Leben dieses Florentiner Bischofs von Botti- cellis Hand, die uns Ersatz gewahren miissen fur die nicht zur Ausfiihrung gelangten Dar- stellungen der Kapelle. Zwei von diesen ihrem Format nach zum Schmuck von Truhen bestimmten Tafeln befinden sich noch im Besitz des Marchese Rondinelli zuFlorenz, eine ist mit der von Quandtschen Sammlung in die Dresdener Galerie tibergegangen (Nr. 9), zwei weitere sollen seit kurzem die Sammlung Mond in London zieren. Das erste der in Florenz zuriickgebliebenen Stiicke zeigt in der Reihenfolge von links nach rechts den Abschied des Zenobius von seiner Familie, seine Taufe und seine Thatigkeit als Priester sowie seine Bischofs- kronung durch Papst Damasus. Die Ortlichkeit bleibt die gleiche: ein prachtiger Renaissance- bau , der sich in einer pfeilergetragenen Vorhalle nach der Strasse zu offnet. Auf dem zweiten in Florenz befindlichen Bilde sind drei Wunderthaten des Heiligen dargestellt. Links treibt er zwei unter einer Loggia sitzenden Besessenen den Teufel aus, daneben erweckt er auf offenem Platze den toten Sohn der nach Rom gepilgerten Wittwe, rechts lasst er vor dem Stadtthore den vom hi. Ambrosius gesandten unterwegs gestorbenen Diener zum Leben erstehen. Die beiden letzten Thaten hatte auch Ghiberti in den Reliefs auf dem die Gebeine des Heiligen umschliessenden Bronzeschreine geschildert. Botticelli halt sich in seiner Darstellung jedoch frei von diesem Vorbild. Das Wunder an dem iiberfahrenen Knaben und den Tod des Heiligen zeigt die Dresdener Tafel. Ersterem Ereignisse, das sich in drei Einzelscenen abspielt, ist der grossere Teil des Bildes eingeraumt. Man sieht den Knaben tot unter einem zweiradrigen Karren liegen, daneben, wie die laut wehklagende Mutter, von einigen Beteiligten umringt, einem Monche den Verungliickten bringt, der darauf im Inneren der Kirche den Eltern lebend zurtick- gegeben wird. Wie Crowe und Cavalcaselle in diesen heftig bewegten , tiberlangen Gestalten und den grellen kreidigen Farben den Stilcharakter der Jugendperiode Botticellis finden konnen, ist mir unerklarlich. Im Gegenteil sind diese Bilder so charakteristische Beispiele fiir die spateste Zeit Sandros wie kaum ein zweites Stuck. Ob die Ausfiihrung durchgangig eigenhandig ist, erscheint mir bei der teilweise sehr fliichtigen Behandlung fraglich, besonders in der Sterbescene in Dresden diirfte Mitarbeit von Schtilern zu erkennen sein 1 ). Stilistisch diesen Bildern eng verwandt und gleich ihnen erst in den neunziger Jahren entstanden erachte ich die Langstafel mit der Geschichte der Virginia in der Sammlung Morelli, jetzt in der stadtischen Galerie zu Bergamo. In fiinf Gruppen wird der bekannte Hergang erzahlt 2 ). Die Raumlichkeit ist eine prachtvolle, mit Marmorverkleidung, Reliefs und skulpirten Pfeilern reich geschmiickte Renaissancehalle , die in einer apsidalen Nische ihren Abschluss findet, woselbst eine Marmortreppe zu dem Sitz der Richter hinauffiihrt. Die sorgsame Behandlung der Architektur, die feine Ausfiihrung der uber den beiden Thiiren angebrachten Schlachtenreliefs stellt dieses Bild auf ungefahr die gleiche Stufe wie die Allegorie der Verleumdung. Die Bewegungen und der Ausdruck sind jedoch ubertriebener, die Proportionen noch gestreckter als dort. Einige der zahlreichen kleinen Figuren, w T ie das schreiende Weib links, entsprechen genau den Gestalten auf den Zenobiusbildern. Den Mittelgrund nimmt ein Trupp Reiter ein; auch hier fmden sich analoge Gestalten in dem Auszug des Trajan auf dem Blatte zum X. Gesang des Purgatorio wieder 3 ). Eine ahnliche Darstellung, die Verwandten der Lucrezia schworen an ihrer Leiche Rache, befindet sich im Besitz der Lady Ashburnham in London. Dieses Cassone- Bild ist eine besonders reizvolle Darstellung der Art und steht ebenfalls der Verleumdung nach Apelles nahe 4 ). Das wiirde ja zeitlich mit der Entstehung der Morellischen Langstafel ungefahr stimmen, und man kann vermuten, dass beide ihrem Inhalte nach ursprtinglich gemein- *) Morelli, Die Galerien zu Miinchen und Dresden, S. 336, halt das Bild fiir ganz eigenhandig. 2 ) Livius, lib. Ill, pg. 44 ff. Zwei Cassone mit der gleichen Darstellung von der Hand Botticinis besitzt der Duca di Brindisi (Antinori) in Florenz. *) Nicht Botticelli dagegen gehort die in derselben Sammlung befindliche, von Morelli ftir eigenhandig erklarte Halbfigur eines segnenden Christus an. Sie ist die schwachliche Leistung eines manierirten Nachahmers. 4 ) Nach einer Mitteilung des Herrn Direktor Bode. 18* IAO Die neunziger Jahre. schaftlich zum Srhmuck eines Zimmers gcdicnt haben. Vasari erwahnt ja ohne Angabe dcs Gegenstandcs mehrere solche in Nussbaumrahmen eingefugte Tafeln »mit vielen schr lebhaften Figuren« als Zimmerschmuck im Hause dcs Giovanni Vespucci 1 ). Moglich , dass uns hier Reste dicser Wandvertafelung crhaltcn sind. Die in den zuletzt betrachteten Werken hervortretendc Erregtheit und zu Uber- treibungen neigende hochgradige Empfindsamkeit Botticellis hat ihren Grund in der von Jahr zu Jahr iiberhandnehmenden religiosen Schwarmerei, der sich der Kiinstler seit dem erfolgreichen Auftreten des Dominikanermonches Fra Girolamo Savonarola in Florenz (1490) ganz und gar hingegeben hatte. In Savonarola entstand den Renaissancebestrebungen ein gewaltiger Gegner 2 ). Unter seinem Regimente musste die humanistische Bildung ihre Feuerprobe bestehen. Doch sie hatte zu feste Wurzeln geschlagen, als dass der prophetische Monch von S. Marco mit seinen mittel- alterlichen Anschauungen sie fiir die Dauer hatte verdrangen konnen, ebensowenig, wie er das mediceische Prinzipat fiir die Folge vernichten konnte. Beide erbltihten nach seinem Tode erst recht, erstarkten mehr als ehedem. Der heidnischen Bildung wie dem mediceischen Mazenat gait Savonarolas Kampf in gleichem Masse. Wollte er jener entgegenarbeiten durch die Riick- kehr zu einer wahrhaft christlichen Lebensanschauung, so musste er dieses brechen, unter dessen Schutze die Altertumspflege erst die weite Ausdehnung genommen, die Begeisterung fiir antikes Leben, Wissenschaft und Kunst erst alle Kreise durchdrungen hatte. Ohne die Medici hatte das humanistische Treiben in Florenz nie einen solchen Hohepunkt erreicht, mit ihnen sollte es auch zu grunde gehen. Auf beider Trummer gedachte der Reformator dann im freien Florenz den theokratischen Staat zu errichten, von dem die Inschrift vom Jahre 1495 am Signorenpalast noch heute beredte Kunde giebt 3 ). Fiir kurze Zeit gelang ihm ja auch die Verwirklichung seiner Ideale, aber gar bald brach der aus religioser Begeisterung errichtete Bau in sich zusammen. Savonarolas reformatorische Thatigkeit erstreckte sich auf alle Gebiete. Fiir unsere Zwecke hier ist jedoch nur sein Verhaltnis zur bildenden Kunst von Wichtigkeit und Interesse. Haufig finden sich in seinen Predigten und Traktaten Ausserungen iiber die Kunst 4 ), da er sich wohl bewusst war, dass er gerade auf diesem Gebiete am ehesten einem Verstandnis bei dem florentinischen Volke begegnen wiirde. Dass er die Darstellung heidnischer Stoffe verbot, versteht sich bei seiner feindlichen Stellung zur antiken Kultur und Literatur von selbst. Sollen doch Terenz und Ovid, Catull und Tibull verbrannt werden, sind ihm doch Platos und Aristoteles Schriften nicht anderes als eine Fundgrube ketzerischer Ansichten. »Lasst ab von den Gotzen, die ihr in eueren Hausern habt, ich meine die unanstandigen Gemalde.« heisst es in einer Fasten- predigt 1497. »Es giebt gewisse Leute«, predigt er um die gleiche Zeit, »welche unziichtige Bilder in ihren Zimmern haben und sagen : die haben uns so und soviel gekostet, wir diirfen sie nicht vernichten. Solche Leute jedoch haben nicht den Geist Gottes in sich«. Vor allem unter- sagt Fra Girolamo die Darstellung nackter Figuren. » Aristoteles, der doch ein Heide war, sagt schon in seiner Politik, dass man keine unziichtigen Figuren malen diirfe allein aus Riicksicht auf die Kinder, die durch solchen Anblick verdorben werden. Was soil ich da gar iiber euch, christliche Maler, sagen, die ihr halbnackte Figuren hinstellt! Das ist Unrecht, enthaltet euch dergleichen. Und ihr, die ihr solche Werke in eueren Hausern habt, iibertiincht sie, vernichtet sie und thut so ein Gott und der Jungfrau Maria wohlgefalliges Werk.« Ebenso verurteilt Savonarola in einer Fastenpredigt des Jahres 1496 in scharfen Aus- driicken die Profanierung religioser Darstellungen durch Einfuhrung von Portratfiguren unter der Maske von Heiligen und deren prachtiges Auftreten im Gegensatz zu der evangelischen Einfachheit. »Ihr opfert dem Moloch sagt der Prophet d. h. dem Teufel. Meinen Tempel und 1 III, S. 312. 2 ) Vgl. E. Miintz, Savonarole et la Reaction contre la Renaissance, L'Art 1881, IV, S. 162 flf. *) Christo regi, suo domino dominantium liberatori, deo summo, opt. max. Mariaeque virgini Reginae dicavit S. P. Q. F. *) Zusammengestellt von G. Gruyer, Les illustrations des ccrits de Jerome Savonarole public's en Italie au XV e et au XVI« siccle et les paroles de Savonarole sur l'Art, Paris 1879. Daraus sind zum Teil die folgenden Zitate entnommen. Savonarolas Stellung zur Kunst. I 4 I meine Kirchen habt ihr euerem Gotte Moloch iiberliefert. Welche Unsitte herrscht in Florenz ! Sobald die Mutter ihre Tochter verheiratet haben, beeilen sie sich, dieselben mit Ostentation zu zeigen, putzen sie wie Nymphen auf und fuhren sie in diesem Aufzug nach S. Reparata. Da habt ihr denn die Gotzen, die ihr in meinen Tempel gestellt habt! Die Figuren, die ihr in den Kirchen malen lasst, sind die Bilder euerer Gotter, und die jungen Leute sagen sofort beim Anblick dieses oder jenes Madchens: diese ist eine reine Magdalena oder dort ein wahrer Johannes! In den Kirchen aber Heilige malen, die dem ersten Besten auf der Strasse gleichen, ist ein grosses Unrecht und ein schweres Verbrechen gegen die gottlichen Dinge. Ihr Maler handelt iibel; wenn ihr die Folgen solchen Thuns voraussahet, wie ich sie voraussehe, ihr wurdet nicht mehr derlei Bilder malen. Alle Nichtigkeit der Welt bringt ihr in die Kirche. Glaubt ihr etwa, die Jungfrau Maria sei so gekleidet gewesen wie ihr sie darstellt? Ich aber sage euch, dass sie in ganz einfacher Kleidung einherging wie eine arme Frau, und dass sie ihr Gesicht in Ziichtig- keit fast ganz verhiillt trug. Desgleichen die hi. Elisabeth. Ihr wurdet gut daran thun, solch freche Gebilde zu zerstoren. Ihr gebt der Jungfrau Maria ja das Ansehen einer Dime. Seht nur, wie ihr das Gottliche in den Staub zieht!« In Savonarolas Augen dient die bildende Kunst ausschliesslich didaktischen Zwecken, sie soil denen, die nicht lesen konnen, die heiligen Geschichten erzahlen und ihren Inhalt ver- deutlichen : »Die Bilder in den Kirchen sind die Bi'icher der Kinder und Frauen. Man sollte bei ihrer Ausfuhrung deshalb noch vorsichtiger zu Werke gehen als es die Heiden gethan, wie z. B. die Aegypter, welche nichts Unpassendes malen liessen. Vor allem muss man die anstossigen Figuren vermeiden und keine Darstellung dulden, deren Mittelmassigkeit Gelachter erregt. Nur die ausgezeichnetsten Meister diirfen in den Kirchen malen und nur anstandige Dinge. Wenn sie die Jungfrau darstellen, miissen sie dieselbe mit all der Bescheidenheit ausstatten, die ihr eigen gewesen ist.« Noch deutlicher spricht er sich uber die der Kunst obliegende erzieherische Aufgabe aus in einer Predigt fiber das erste Kapitel Johannis: »Wer sich in der Liebe Gottes erhalten will, der muss sich von Zeit zu Zeit stiller Betrachtung hingeben, die Schrift studieren, Predigten horen, Himmel und Erde betrachten und sich in Christi Thaten versenken. Jede dieser Beschaftigungen wird euch den Herren lieben lehren und euch hohe Wonne verschaffen. Die- jenigen aber, die nicht lesen konnen, sollen sich die Gemalde beschauen, damit sie darin das Leben Christi und seiner Heiligen kennen lernen.« »Denn«, sagt der Prediger in einem schonen Vergleich an einer anderen Stelle, »die Liebe ist wie ein Maler. Die Werke eines guten Malers entziicken die Menschen so, dass sie sich ganz in ihren Anblick verlieren, haufig sogar dadurch in Exstase versetzt werden und ihrer selbst ganz vergessen. Dies ist auch die Wirkung, welche die Liebe zu Jesus Christus in unserer Einbildungskraft hervorruft.« Bestimmter bezeichnet Savonarola einige fur die Kunst besonders darstellungswerte Gegenstande in einer Fastenpredigt des Jahres 1497 : »Verbannt aus eueren Zimmern die unziichtigen Figuren. Erziehet euere Kinder in Ehrbarkeit, zeigt ihnen die Werke Gottes z. B. Bilder mit Darstellungen der Holle und des Paradieses. Und indem ihr ihnen die Holle erklart, sagt ihnen : Seht hier sind Menschen, die verdammt wurden, weil sie in ihrer Kindheit Vater und Mutter missachteten und hier solche, die gestohlen haben. . . . Ebenso zeigt ihnen das Paradies und sagt : Diese hier wohnen bei den Engeln, weil sie Vater und Mutter geehrt, weil sie niemals unehrbare Rede gefiihrt, weil sie gut und fromm gewesen sind.« Doch solche umfangreiche Bilder kann nicht jeder in seinem Hause haben, aber ein Kruzifix kann und muss jeder besitzen, und unter alien Werken der Kunst zur Ausschmiickung des Heims giebt ihm Savonarola den ersten Platz : »Folgt nicht denen, die in ihren Zimmern unehrbare Bilder haben, die zur Verfuhrung anreizen, glaubt mir, denn unsere Sinne sind befangen. Blickt auf das Kruzifix wie in ein Buch und leset es, ihr werdet darin ein vorziigliches Mittel zur Starkung des Glaubens finden.« Aber wer religiose, zur Andacht und Verehrung bestimmte Gebilde schafft, muss nach Fra Girolamos Ansicht unbedingt selbst ein glaubiger und frommer Christ sein. Deshalb stellt er an die Kunstler die Anforderung, ihren Gotzen zu entsagen und ihr Heil in der Kirche zu suchen. Sie sollen jenen frommen Mannern folgen, die durch Predigten auf den Lebenswandel des Volkes einzuwirken versuchen, die heiligen Schriften erklaren und die Menschen gliicklich \A2 Die neunziger Jahre. machen wollen. Donn diese wiirden den Malern, welche mit Worken beschaftigt sind, die Werke ihrer Hand und auch Werke Jesu Christi sind, grosse Kraft und starken Trost verleihen. Nur so kann seiner Meinung nach die Kunst gedcihen, denn »diese ist ein Erzeugnis unseres Geistes und Kunstwerke entstehen aus menschlicher Erfindung«. »Jeder Maler«, heisst es in einer Predigt von 1497, »malt sich selbst. Er malt sich nicht sowohl als Mensch, da er ja auch Lowen, Hirsche, Manner und Frauen bildet, sondern er malt sich vielmehr als Maler, d. h. er realisiert seine eigenen Gedanken. Wie verschiedenartig auch der Inhalt seiner Darstellungen sein mag, immer tragen dieselben den Stempel seines Geistes.« Auch der Prior von S. Marco will die Natur zur Lehrmeisterin der Kunst haben. Im Advent des Jahres 1493 predigte er : »Die Kunst muss die Natur nachahmen so gut sie kann. Ich will dies an dem Beispiel des Malers und seines Schiilers klar machen. Sagt mir, was sucht der Schuler beim Meister? Ich will es euch sagen : Der Meister entwirft ein Bild in seiner Phantasie, das seine Hand auf dem Papier ausfiihrt, und dieses Bild tragt den Stempel seiner Erfindung. Der Schuler studiert diese Zeichnung und bemiiht sich, sie nachzuahmen. Allmahlig, dank solcher Modelle, nahert er sich dem Stile seines Meisters. So sind auch alle Dinge in der Natur und alle Geschopfe aus dem Geiste Gottes entsprungen. Gott trug sie von Anfang an in sich, weil er seit aller Ewigkeit die Idee und die aussere Form aller Dinge, die er gemacht, in seinem Geiste hatte und hat. Und als er daranging, die Welt zu schaffen, da pragte er diese Ideen, diese Bilder, diese Modelle in lebendigen Formen aus. Wollen wir Gott nachahmen, den wir nicht sehen ? Wie werden wir da zu Werke gehen ? Wir werden die Zeichnungen, Modelle und Bilder seiner Hand betrachten, d. h. wir werden die Gegenstande der Natur nachahmen wie der Maler, der zum Modell einen Baum oder einen Menschen nimmt und danach sein Bild macht. Merkt euch indess, dass die Kunst trotz aller Fertigkeiten eines Kiinstlers die Natur nicht vollig nachahmen kann, denn ihr fehlt das Leben.« Doch die korperliche Schonheit allein bedingt fur Savonarola weder im Leben noch in der Kunst den Wert einer Personlich- keit, die geistige Schonheit ist ihm das Ausschlaggebende. Horen wir ihn in einer iiber Ezechiel gehaltenen Fastenpredigt 1497 seine asthetischen Ansichten entwickeln : »Die Schonheit eines Mannes oder eines Weibes ist um so grosser und vollendeter , je ahnlicher sie der ersten, urspriinglichen Schonheit ist. Die Schonheit besteht nicht allein in den Farben, sie ist eine Eigenschaft, die in dem Gleichmass und der Ubereinstimmung der Glieder und der iibrigen Teile des Korpers beruht. Ihr werdet ein Weib nicht allein deshalb fur schon halten, weil sie eine schone Nase und schone Hande hat, sondern, weil alles an ihr wohl propor- tioniert ist. Doch woher kommt diese Schonheit ? Wenn ihr genau zusehet , so werdet ihr erkennen, dass sie aus der Seele kommt. Denn sobald die Seele entwichen ist, wird der Korper bleich und entstellt : seine Schonheit ist verschwunden. Desgleichen wenn ein Kiinstler eine Figur nach der Natur malt, ist sein Werk immer weniger schon als sein Modell. Denn trotz all seines Verdienstes kann er seinem Gemalde doch nicht das Leben geben, welches die Natur beseelt, und die Kunst kann der Natur nicht vollig gleichkommen .... Frauen, riihmt euch nicht eurer Schonheit, ihr seid alle hasslich ! Wollt ihr die Schonheit der Seele sehen ? Schaut euch einen frommen Menschen an, Mann oder Weib, der die Anfechtungen des Fleisches bezwungen, schaut ihn an, wenn er betet und wie sich sein Antlitz verklart vom Glanz der gottlichen .Schonheit oder wenn er sein Gebet vollendet hat : Ihr werdet die Schonheit Gottes auf seinem Gesicht leuchten, ihr werdet ein engelgleiches Antlitz sehen .... Nehmt einen heiligen aber ausserlich hasslichen Mann, ihr werdet erkennen, dass ein jeder ihn gern anschaut, und dass die Heiligkeit seiner Hasslichkeit zum Trotz auf seinem Antlitz strahlt und ihm An- mut verleiht.« An einer andern Stelle heisst es in gleichem Sinne: »Wie unsere Vernunft sich der Organe des KOrpers als ihrer Werkzeuge bedient, so iiben unsere Gedanken, besonders im Stadium des Affektes, einen grossen Einfluss auf den Korper aus und spiegeln sich vor allem in den Augen und in dem Gesichtsausdruck .... Da jede Wirkung der Ausdruck ihrer Ur- sache ist, so steht es fest, dass die Schonheit und das verehrungswurdige Aussehen eines vollendeten Christen notwondigerweise in der Schonheit der Seele und der Frommigkeit seines Lebenswandels besteht. Man sicht also, dass die innere Schonheit, die Giite und Reinheit der Seele, einen grossen Einfluss auf die aussere Schonheit ausiibt.« Botticelli als Piagnone. j^-? Wenn bei irgend einem seiner kunstverstandigen Zuhorer, so mussten diese Worte Savonarolas bei Botticelli auf fruchtbaren Boden fallen. Durch die Beschaftigung mit Dante war er fur den Mysticismus des prophetischen M6ncb.es vorbereitet. Sein tief religioses Gemiit hatte ja stets in seinen Schopfungen nach Ausdruck gerungen, nicht selten auf Kosten der Form. Hier wurden seine Bestrebungen nun durch den von ganz Florenz wie ein Orakel verehrten Mund Fra Girolamos sanktioniert. Sandros Begeisterung fur »Schonheit der Seele« kennt jetzt keine Grenze mehr. Wenn sie nur zum Ausdruck gelangt, so scheint ihm jede Bewegung erlaubt. Jedem Gliede muss sich die seelische Erregung mitteilen, in jeder Miene, jeder Geste die iibcrstromende Empfindung sich kund thun. Aber nicht allein in der Kunst, audi im Leben folgt er blindlings den Vorschriften des Reformators, indem er seinem ganzen Dasein ein streng religioses Geprage verleiht. Er ward, nach Vasaris Mitteilung, ein begeisterter Parteigiinger des Dominikaners, ein » Piagnone «, wie man dessen mit Prozessionen und frommen Gesangen die Stadt erfiillenden Anhanger im Gegensatz zu ihren Gegnern den »Arrabiati« nannte. Botticelli ist nicht das einzige Beispiel fur den unumschrankten Einfluss des Monches auf die Florentiner Ktinstlerschaft. Man weiss, dass Baccio della Porta aus Gram iiber Savonarolas Tod fur einige Zeit ganz der Kunst entsagte und am 26. Juli 1500 in Prato das Ordenskleid des hi. Dominikus nahm. Er ist als Fra Bartolommeo in der Kunst stets ein schwarmerischer Verteidiger der Kunstdoktrinen seines Meisters geblieben. Michelangelos Verhaltnis zu Savonarola ist bekannt. Schon 1495 wahlte der Miniaturmaler Benedetto Bettuccio die Kutte, und im gleichen Jahre Ambrogio, der Sohn des Andrea della Robbia, der selbst ein begeisterter Anhanger des Dominikanerpriors war. Der Bildhauer Baccio da Montelupo musste nach der Verbrennung Savonarolas aus Florenz fliehen, um der Verfolgung seitens seiner Gegner zu entgehen. Simone Cronaca, der Vollender des Palazzo Strozzi, ubernahm 1495 auf Fra Girolamos Befehl die Urn- gestaltung des grossen Saales im Palazzo vecchio, »ein grosser Freund und ergebener Anhanger des Monches«, wie Vasari berichtet. Lorenzo di Credi, der ein Portrait Benivienis, des gelehrten Freundes und wissenschaftlichen Verteidigers des Monches, make, gehorte ebenfalls zu dessen eifrigsten Anhangern. Solange Lorenzo magnifico selbst mit Ruhe und Einsicht den Angriffen des Refor- mators gegeniiberstand und die Zugel des Staatswesens mit sicherer Hand fiihrte, treffen wir auch Botticelli noch als Klient des Mediceers, wie die Auftrage aus den Jahren 1491 beweisen. Als aber nach dessen Tod (1492) sein hochfahrender, unfahiger Sohn Piero im November 1494 Florenz an Karl VIII. auslieferte, trat der Kiinstler an der Seite der ehemaligen intimsten Freunde Lorenzos, wie Politian, Pico della Mirandola, Marcilius Ficinus, zur Partei jenes Mannes uber , der die Vertreibung der Medici bewirkt hatte und Florenz die alte Freiheit wiedergeben wollte. Savonarolas unbeschranktes Regiment iiber Florenz fallt in die Jahre 1494 bis 1498. Im Jahre 1496 zahlte Sandro sicher zu seinen Anhangern, wie der bereits erwahnte Brief Michelangelos beweist, den dieser mit der bezeichnenden Uberschrift »Christus« unter Botticellis Adresse an Lorenzo di Pierfrancesco de' Medici, den Auftraggeber des Giovannino, sandte. Vasari in seiner einseitigen Parteinahme fiir die Medici und seiner Abneigung gegen alles, was mit Savonarola zusammenhangt , behauptet, Botticelli habe sich in seiner leidenschaftlichen Parteigangerschaft ganz von der Malerei abgewendet, wodurch er in Armut und Elend verfallen sei. Diese Behauptung des Biographen ist jedoch mit Vorsicht aufzunehmen. Im Jahre 1496 malt Sandro im Schlafsaal der Nonnen von Monticelli einen hi. Franziskus al fresco, und diese Thatsache beweist, dass er damals noch kiinstlerisch thatig war. Leider ist diese Arbeit nicht mehr erhalten, wir wurden darin wahrscheinlich die beste Illustration zu Savonarolas Worten iiber die Wirkung der seelischen Schunheit auf das Aussere selbst eines hasslichen und asketischen Menschen haben. Aus dem Jahre 1498 besitzen wir die Vermogenserklarung Sandros und seines Bruders Simone. Sie wohnten gemeinsam im Hause der Benincasa und des Lorenzo Filipepi , der Kinder ihres altesten Bruders Giovanni, im Viertel Ognissanti 1 ). Als gemein- J ) Es lasst sich daraus entnehmen , dass Botticelli nicht verheiratet gewesen ist. Damit stimmt auch die vom Anonymus erzahlte Anekdote : Tommaso Soderini versuchte eines Tags, den Kiinstler zum Heiraten zu bewegen. Doch dieser antwortete ihm: »Es ist nur wenige Nachte her, da traumte mir, ich sei verheiratet. Ich empfand dariiber einen solchen Schmerz, 144 Die neunziger Jahre. schaftlichon Besitz geben die Briider cin Wohnhaus und cin Stuck alten Weinlandcs vor dor Porta di S. Frcdiano an. Danach muss die von Vasari behauptete Armut unseres Kunstlers nicht so gross gewesen sein. Vasari berichtet ferner, dass der beste nach einer Zeichnung Botticellis angefertigte Stich der »trionfo della Fede di Fra Girolamo Savonarola* gewesen sei 1 ). Was der Biograph damit meint, ist nicht klar. Die erste Ausgabe von Savonarolas Tractat »Verita della fede christiana« den Vasari unter dem »trionfo della Fede« verstehen konnte, ist aus dem Jahre 15 16, also sechs Jahre nach Sandros Tod. Der ihm beigegebene Holzschnitt, Gottvater von Cherubin umgeben halt den gekreuzigten Christus im Arme, hat nichts von Sandros Stil. An den in der breiten Manier« ausgefuhrten Kupferstich (B. XIII, 88, Nr. 7; Pass. V. 8; Koll. S. 611, Nr. 68) kann ganz abgesehen von der unserem Meister fremden Formengebung schon wegen der aus der Aufschrift hervorgehenden Beziehung der Darstellung auf die Predigerthatigkeit des Minoriten- monches Fra Marco aus dem Kloster S. Maria in Gallo bei Ancona nicht gedacht werden. Von einer sonstigen Verherrlichung der Lehre Savonarolas von Botticellis Hand ist mir unter den damaligen Holzschnitten und Kupferstichen nichts bekannt. Es ist selbstverstandlich, dass sich Sandro in jenen Jahren, wo er der Fuhrerschaft Savona- rolas ganz und gar vertraute, der Darstellung aller von diesem als ketzerisch und unziichtig bezeichneten Stoffe enthielt. Man wird daher in diesem Zeitraum vergebens nach Bildern mytho- logischen Inhaltes suchen. Wer weiss, wie viele seiner »halbnackten Figuren« den von einem blinden Fanatismus geschiirten Opferbranden in den Karnevalstagen 1496 und 1497 auf der Piazza della Signoria zum Opfer fielen ! Ein Gliick fiirwahr, dass sich seine beiden Hauptwerke aus diesem Darstellungskreise in der abgelegenen Mediceervilla der Zudringlichkeit der von Savonarola organisierten Knabenpolizei entzogen, die, in die Hauser eindringend, »Gegen- stande der Verdammnis« einforderten. Wahrscheinlich hatte der Kiinstler selbst in dem in Florenz krassierenden Sittlichkeitsfieber seine Geburt der Venus auf den Scheiterhaufen ge- schleppt. Der Reformator crlaubte ja nur religiose, der Unterweisung und Erbauung dienende Bilder. Wie mag sich der Illustrator der divina commedia in dem Gefuhle, ein gutes Werk vollbracht zu haben, gefallen haben, als er von der Kanzel herab die Darstellung der Holle und des Paradieses empfehlen horte ! Der Dominikaner verlangte ausserdem die >Schilderung des Lebens und Leidens Christi. Sandro gehorchte, soviel ihm seine Bussiibungen iiberhaupt Zeit zur Ausubung seines Handwerkes liessen, auch dieser Vorschrift. Hatte er sich friiher nie mit der Leidensgeschichte des Erlosers beschaftigt, so besitzen wir unter den wenigen Arbeiten jener Jahre zwei Gemalde mit der Grablegung Christi. Die grossere Komposition befindet sich in der alten Pinakothek zu Miinchen (Nr. 10 10), die kleinere in der Sammlung Poldi-Pcz z oli zu Mailand (Nr. 35). Unter dem zerschmetternden Eindruck einer Charfreitagspredigt in S. Maria del Fiore hat Sandro das Bild in Miinchen geschaffen, das an Grosse der Erfindung, an dramatischer Wucht der Handlung einzig dasteht unter den Arbeiten seiner Hand. Es ist der Aufschrei einer bis zur Verzweiflung betriibten Seele. Die laute Klage um den am Kreuz gestorbenen Heiland hallt wider an dem Gestein des Felsengrabes , vor dem die Getreuen sich zum letzten Liebesdienst versammelt haben. Maria hat der Schmerz iiberwaltigt. Ohnmachtig sinkt sie zuriick, von Johannes liebevoll aufgefangen. Ihre Arme, die einst den Sohn als liebliches Kind- lein getragen, ihre Kniee, die ihn so oft geschaukelt, sie vermogen nicht mehr den Toten zu halten , der nun starr und kalt mit steif herabhangeuden Armen in ihrem Schosse ruht. Doch die eine der Frauen ist schon bereit, knieend stutzt sie mit beiden Handen Christi Haupt, das, der erschlaffenden Hand der Mutter entgleitend, herabtallt und druckt weinend die Lippen auf das geliebte Antlitz. Von der anderen Seite ist Magdalena genaht und benetzt mit ihren dass ich erwachte und nicht mehr einschlafen konnte, so dass ich mich erhob und die ganze Nacht durch Florenz rannte wie ein Besessenert. Da erkannte Messer Tommaso, dass an diesem Ilagestolz Hopfen und Malz verloren sei! J ) III, S. 317, Mise in stampa ancora molte cose sue di disegni ch'egli aveva fatti, ma in cattiva maniera, perche l'intaglio era mal fatto : onde il meglio che si vegga di sua mano e il trionfo della Fede di fra Girolamo Savonarola da Ferrara. Grablegung in Mtinchen und Mailand. j * e Thranen die Wundmale der Fiisse, auf die ihre gelosten Flechten herabfallen. Die dritte der Frauen steht neben der Gottesmutter; das Gesicht schaudernd mit dem Mantel verhullend, blickt sie vollcr Schmerz und Grauen auf die blutig'en Nagel in ihrer Hand. Diese Gestalt vervollstandigt die in musterhafter Weise als abgestumpfte Pyramide aufgebaute Hauptgruppe- Neben ihr, etwas abseits, steht Petrus mit klagend erhobener Rechten, ihm entsprechend auf der linken Seite Paulus und Hieronymus als stumme Zeugen des Traueraktes. In der Bildung Christi weicht Sandro vollig ab von der Tradition. Gedenkend der Worte Savonarolas iiber die Schonheit des Heilands 1 ) stellt er ihn dar als kraftigen, fast bartlosen Jung- ling. Kein Todeskampf hat die edlen Ziige entstellt, keine Spuren der erlittenen Qualen zeigt der sehnige Korper, ja ein Schimmer von Freudigkeit liegt iiber dem jugendlichen Antlitz gebreitet. Tobt auch der heftigste Schmerz in aller Herzen, so hat der Meister doch in dem Ausdruck und der Bewegung der Gestalten noch Mass zu halten verstanden. Nirgends uberschreitet er die Grenzen des Wohllautes. Aber der vollig geloste Faltenwurf der grellfarbigen Gewander, die stumpfe braune Farbung mit den schweren schwarzen Umrissen, die leidenschaftlichen Schmerzens- ausbriiche in den beiden am Boden kauernden Frauen — alles dies sind Merkmale der spatesten Zeit seines Schaffens, sie weisen das Bild in die letzten Jahre des Jahrhunderts. Zwei Werke sind es, deren Erinnerung bei dem Anblick dieser Schopfung Botticellis erweckt wird : Donatellos Grablegung im Santo zu Padua und Michelangelos Pieta in S. Peter zu Rom. Donatellos und Botticellis Werke sind sich innerlich verwandt in der Darstellung des lauten, leidenschaftlichen Schmerzes, der dramatischen Bewegtheit der Komposition. Michelangelo dagegen, dem bei der in diese Zeit fallenden Entstehung seines Bildwerkes (1499) das Gemalde seines alteren Freundes nicht unbekannt geblieben sein mag, vermeidet die Heftigkeit des Affektes und bringt im Gegensatz dazu die hochste Resignation im stummen Schmerz der Mutter wohlthuend und ver- sohnend zum Ausdruck. Ob man angesichts der zwar unterlebensgrossen jedoch nicht kleinen Figuren des Munchner Bildes annehmen kann, es sei identisch mit der von Vasari in S. Maria Maggiore erwahntcn Pieta, obwohl diese ausdriicklich con figure piccole bezeichnet wird 2 ), mag dahingestellt bleiben. Doch mochte man aus dem Standort des Gemaldes allato alia capclla rfe' Panciaticlii schliessen, dass es sich urn ein Hochbild an einem Pfeiler handelte. Beide Faktoren, kleine Figuren und Hochformat, finden sich vereinigt bei der zweiten Darstellung desselben Geg - enstandes im Museum P ol di-Pezz o li zu Mailand. Auch hier nimmt die ohnmachtig zurticksinkende Maria die Mitte ein. Der sie auffangende Johannes steht nicht mehr neben sondern hinter ihr, halt ihr das Haupt und blickt voll Schmerz und Besorgnis auf die Mutter herab. Ihre Rechte lasst den auf ihren Knieen liegenden Sohn los, die Linke ruht schlaff auf der Schulter einer der Frauen, die, sich herabneigend, behutsam mit beiden Handen das Haupt Christi sttitzt. Dadurch ist zwar der schaurige Eindruck des hinten iiberstiirzenden Leichnams gemildert, aber die Hand- lung hat auch an momentaner Wirkung vcrloren. Magdalena halt auch hier die Fiisse des Toten umklammert, ihre am Boden kauernde Gestalt windet und krtimmt sich im wilden Schmerz. Uber ihr steht weinend, das Gesicht in den Handen vergraben, die dritte der Frauen. Nikodemus bildet, uber Johannes stehend, den Abschluss der pyramidal aufgebauten Komposition. In voller Verzweiflung wendet er den Blick gen Himmel, gleichsam in Anklage Dornenkrone und Nagel weisend. Den Hintergrund bildet das Felsengrab mit seiner schwarz gahnenden Offnung. Das Bild steht nicht auf gleicher Hohe wie das Miinchener, die Gestalten sind iiber- lang, die Bewegungcn und Stellungen, besonders bei Magdalena, unnattirlich und ubertrieben. Botticelli ist hier nicht mehr Herr der Form geblieben. Die Farben der Gewander sind grell ; gelb, ziegelrot, grim sind die herrschenden Ntiancen, das Inkarnat ist lederfarben, die Falten bruchig und langgezogen. Trotzdem kann ich nicht Frizzonis Ansicht teilen, der hier die Arbeit *) Predigt uber Amos 1496. '*) Uorghini, der ebenfalls die Kleinheit der Figuren betont, sah das Bild nicht mehr an seinem urspriinglichen Platze, zu Richas Zeiten befand es sich in der Sakristei der Kirche. Ulmann, Botticelli. 19 I 46 Die neunziger Jahre. eines Schiilers oder Nachahmers sieht 1 ), noch weniger Morelli vorstehen, der in diesem in Format und Komposition vollig abweichenden Bilde eine kummcrliche Kopie dcs Miinchener Exemplares erkcnnen will 2 ). Der leidenschaftliche , bizarr wirkende Zug und die stumpfe Farbengebung, welche dem Mailander Bilde eigen sind, kommen nicht auf Recbnung eines Schwacheren, sondern sind charakteristische Merkmale dor unter religioser Schwarmerei und gemiitlicher Er- regung leidenden Kunst Sandros in dieser Periode. Nur Erzeugnis der Werkstatt oder Schule dagegen ist eine umfangreiche Darstellung des Pfingstfestes in lebensgrossen Figuren bei Sir Francis Cook in Richmond. Der Stil ist derjenige der Spiitzeit des Meisters. Auch am Ende seines Schaffens greift Botticelli noch einmal zur Gestaltung des in seiner fri'iheren Zeit mit soviel Anmut und Liebe behandelten Vorwurfes der Madonna mit dem Kinde und dem Johannesknaben vor einer Rosenhecke. Doch wie abweichend von damals ist seine Auffassung jetzt! Auf dem im Palazzo Pitti befindlichen Bilde (Nr. 357) sitzt Maria nicht mehr in lauschiger Ecke im heiteren Spiel mit dem Kinde, dem der Taufer andachtig zuschaut, sondern in Triibsal wandelt sie einher, den Sohn auf dem Arme. Da kommt Johannes herangeschritten, die Mutter macht Halt, reicht ihm den Gespielen zum Kuss herab, und beide Kinder umarmen sich innig, ja leidenschaftlich. Dabei liegt eine Wehmut auf den Gesichtern, als ob es schon hier einen Abschied auf ewig gelte. Die Madonna beugt sich tief herab, Christus windet sich in den Arraen des Freundes. Das ganze Bild ist eine Bogenlinie, die Farbung branstig, die Falten sind wie geknicktes Schilf. Maria zeigt denselben Typus wie die Magdalena auf dem eben besprochenen Bilde, gleich grotesk ist die Biegung ihres Oberkorpers. Auch hier gilt dasselbe Urteil wie dort: Trotz des unleugbaren Manierismus ist dieses Bild ein echtes spates Werk Sandros. Es ohne weiteres unter das Schulgut zu werfen, wie Morelli thut, ist ein etwas gewaltsames Verfahren zu gunsten des Meisters. Werkstattsarbeit dagegen ist ein kleines Bild in der Sam m lung Dreyfus zu Paris, wo sich das gleiche Motiv, nur im Gegensinn, findet. Johannes ist daselbst knieend dargestellt. Noch eine andere aus den siebziger Jahren beliebte Komposition begegnet uns hier wieder um die Wende des Jahrhunderts : Die Anbetung der Konige. Das jetzt in ganz zerstortem Zustand im Depot der Uffizien befindliche Bild stammt aus dem Palazzo Vecchio, und es ist daher anzunehmen, dass wir darin jene Vistoria de j magi zu erkennen haben, die der Anonymus nel palazzo de signori sopra la scala che va alia Catena erwahnt. In der Hohe ungefahr mit dem Bilde gleichen Inhaltes aus S. Maria Novella iibereinstimmend, in der Breite dasselbe jedoch iibertreffend, fuhrt uns diese schmahlich zugerichtete Tafel die bekannte Begeben- heit in einer Unmenge von Figuren vor. Unter einem Strohdach, vor einer Grotte, die durch spatere Hand in ein Felsenthor umgewandelt ist, und woriiber sich urspriinglich ein Engelreigen befand, steht Josef auf den Kruckstock gestutzt, daneben sitzt Maria mit dem Kinde, dessen Fiisschen der auf den Knieen heranrutschende Konig kusst. Funf andere Manner, gleich diesem ohne Abzeichen ihrer Wurde, knieen im Vordergrund. An sic reiht sich auf beiden Seiten eine grosse Zahl teils in Verehrung sich nahender teils in erregtem Gesprach auf den Vorgang deutender Personen. Den Abschluss bildet der Tross der Knappen mit den Pferden, zum teil ganz iiber- malt, zum teil, wie die langen grau in grau ausgefuhrten Reiterzuge im Hintergrund, spatere Zuthat. Auch die Madonnengruppe mit Josef ist durch einen Restaurator des XVII. Jahrhunderts vollstandig uberpinselt. Infolge dieser starken Retouchen und der sonstigen schlechten Er- haltung macht das Bild keinen crfreulichen Eindruck und hat an Botticelli selbst als Urheber zweifeln lassen 3 ). Ob die Ausfuhrung eigenhandig ist, vermag ich bei dem jetzigen Zustand der Tafcl nicht zu entscheiden; die Komposition, Auffassung und Zeichnung der Figuren sind da- gegen ganz im Charakter der eigenen spatcsten Arbeitcn Sandros und ruhren von ihm selbst her. Es fmden sich genug Reminiscenzen an Gestalten aus der Geschichte des Zenobius und der Virginia. Eine schwarmerische Begeisterung, eine der Aussenwelt ganzlich vergessende Hingabe ') Zeitschrift fur bildende Kunst, Bd. XVII, S. 49. 2 ) Die Galerien zu Miinchen und Dresden, S. 125. ■) Kunstchronik, Bd. XVI. S. 275. Madonnenbild im Pitti. Anbetung der Konige aus Palazzo Vecchio. J47 an den erschienenen Messias spricht aus alien Mienen, liegt in jeder Geste. Die Korper biegen und winden sich in iiberstromendem Gefuhl, eine fieberhafte Erregung durchzuckt jedes Glied. Der eine erhebt in lautem Jubel die Hande, der andere, am Boden kauernd, kreuzt sie in tiefster Zerknirschung liber der Brust; dieser weist mit ausgestreckter Hand auf Christus, jener streckt in feierlichem Schwur die Rechte gen Himmel ; ein anderer schiitzt wie geblendet von der Er- scheinung die Augen, ein zweiter legt, von plotzlichem Erstaunen gepackt, die Hand an den geoffneten Mund; ein weissbartiger Alter wendet sich sogar weinend ab, unfahig seiner Gefiihle Herr zu bleiben. Dieselbe tief religiose, leidenschaftliche Empfindung, welche die Getreuen Christi, die frommen Pilger an der heiligen Krippe beseelt, spricht auch hier aus jeder Bewegung, stempelt auch dieses Bild zu einem unter Savonarolas Einfluss gemalten kiinstlerischen Glaubens- bekenntnis. Eine iiusserliche Bestatigung findet diese Beziehung noch durch die Anwesenheit Savonarolas selbst auf dem Bilde. Denn wohl mit Recht hat man sein Portrat in dem links neben Josef stehenden Mann in Dominikanerkutte - - die einzige Monchsgestalt auf dem ganzen Bilde — der seinen Nebenmann mit ausgestreckter Linken auf das Christuskind weist, zu er- kennen geglaubt 1 ). Ob dieser Nebenmann in grauem Haar Lorenzo de' Medici ist, wie ebenfalls behauptet worden, mit dessen Ziigen der hier Dargestellte allerdings entfernte Ahnlichkeit zeigt, wollen wir dahingestellt sein lassen. Sandro hatte dann seinen Gunner allerdings in anderer Umgebung und unter anderen Verhaltnissen dargestellt wie das erste Mai. Eine Wiederholung der Gruppe auf der linken Seite hinter Savonarola mit dem sich baumenden Pferde besitzt Mr. Salting in London. Ich konnte an Ort und Stelle nicht ent- scheiden, ob dieses ebenfalls sehr retouchirte, nur in Untermalung auf Leinwand ausgefiihrte Stuck, zu dem noch ein zugehoriger Teil in anderem Besitze sich befinden soil, das Uber- bleibsel eines grosseren Ganzen , etwa einer Wiederholung des obigen Bildes, oder nur ein Ent- wurf zu diesem ist. Es schien mir jedoch von Botticelli selbst herzuriihren. Es ist bezeichnend fur die von Savonarolas Vorschriften ganz abhangige Kunst Sandros in dieser Zeit, dass er bis auf dessen und Lorenzos Portrat, im Gegensatz zu seinen fruheren Darstellungen des gleichen Gegenstandes, alles Bildnismassige bei den Konigen und ihrem Gefolge vermeidet, alle Beteiligten in schlichte, einfache Gewander ohne jeden Schmuck kleidet. Gleiche Merkmale charakterisieren jenes kleine Gemalde, das wir an letzter Stelle unter seinen Werken hier zu erwahnen haben: die aus der Sammlung Fuller-Maitland stammende Geburt Christi vom Jahre 1500 in der National Gallery zu London (Nr. 1034). Wie auf dem eben besprochenen Gemalde bildet auch hier eine mit Strohdach iiberdeckte Grotte den Stall. Vor der Krippe liegt das nackte Kindlein auf der Erde, Maria kniet anbetend davor, hinter ihm hockt der greise Josef mit ubereinandergeschlagenen Beinen in sich versunken am Boden. Von rechts nahern sich anbetend zwei Hirten, von einem En gel geleitet; ihnen entspricht auf der anderen Seite eine Gruppe von drei knieenden Mannern in langen fliessenden Gewandern — wohl die drei Konige. Auch ihnen hat sich ein Engel zugesellt, der sie mit der ausgestreckten Linken auf den Messias weist. Die Engel halten Olzweige in den Handen, mit Kranzen aus gleichem Laub sind Llirten und Konige geschmiickt: Reich und Arm, jeder ist gleich vor Gott. Auf das Dach der Hiitte sind drei Engel herabgeschwebt das » Gloria in excelsis« singend. Gleich ihren Ge- nossen unten tragen sie Zweige in den Handen, Kranze in den Haaren. Uber ihrem Haupt hat sich der Himmel aufgethan und, von goldigem Glanze umstrahlt, schwingen sich zwolf Engel im Rundreigen. Auch sie halten in den Handen Olivenzweige, die mit Spruchbandern umwunden sind, und von denen zierliche Kronen herabhiingen. Letztere sind der Lohn fur die durch Jesum Christum zur Seligkeit eingehenden drei bekranzten Erdenwaller, die im Vordergrund von drei ') C. Heath Wilson in »The Academy* vom 20. November 1 880. Wenn derselbe in diesem Bilde die von Vasari erwahnte Verherrlichung der Lehre Savonarolas erkennen will, so vergisst er, dass diese ausdriicklich als ein Erzeugnis des Kupferstiches bezeichnet wird. Unverstandlich ist , in welchem Kopfe von hoher Schonheit er Lionardo da Vinci, in welchem er Benivieni erkennen will. Was hat vollends der sich weinend abwendende Alte mit dem von Fra Girolamo zerstorten Wuchergeschaft und der Errichtung der »montes pietatis* zu schafifen? Vgl. auch Rich. Fischer, Introduction to a catalogue of the early Italian prints in the British Museum, 1880, S. 124 19* 148 Die neunziger Jahre. Engeln stiirmisch begriisst werden. Einige Teufel vorkriechcn sich bei dem Xahen der himm- lischen Boton crschrockon in den Felsspalten. Die drei Pilger* welche an Olivenzweigcn befestigtc Bandschleifen mit der Aufschrift »hominibus bonae voluntatis* tragen, sind Idealgestalten, aber es kann wohl kein Zweifel daruber bestehen, dass in ihncn der Kiinstler die drei Martyrer des Dominikanerordens Girolamo Savo- narola, Domenico Buonvicini di Pescia und Sylvestre Maruffi verherrlichen wollte 1 ). Dass sich die ganzc Darstellung auf den reformatorischen Prior \-on S. Marco bezieht, durch seine Worte inspiriert 1st, beweist die zweiundeinhalbzeilige Aufschrift des Bildes, die, in griechischer Sprache abgefasst, sich am oberen Rande dcsselben befindet. Sie lautet: TAYTHN ■ rPAQHN • EN TQi ■ TEAEI • TOY XSSSSZ ETU2 EN TAIS ■ TAP. ...S- TH2 ITAAIA2 • AAEEAX- AP02 ■ EPQ ■ EN ■ T9J- META ■ XPONON ■ HMIXPONQ' EPPAOX ■ I1APA ■ TO ■ ENAEKATOX • To ■ APIo ■ IQAXXU ■ EN ■ TQi- AIIOKAAYVEQ2 • B9J ■ OYAI ■ EX ■ TIP ■ AY 2 EI ' TQX ■ P..AI- HMI2Y - ETON To AIABOAU ■ EIIEITA • AE2MO0H2ETAI ■ EX ■ TQI ■ IBQI ■ KAI ■ BAEWOMEN II A VON- OMOIOX ■ TW rPAQH'- TAYTW- Nach Sydney Colvin 2 ) sind die durch Ladierung der Leinwand entstandenen Lticken folgendermassen zu erganzen : TavxrjV ygcupijv b> r rats raga/w; xfjg 'Izahiag AXs^avdgog iyco Iv to) [lira ynovov yfii%Q

o)i) xal ftttyio/ier Trarovfi-svov ofiotor zavty xfj yQatpfj. »Dieses Bild malte ich, Alessandro, am Ende des Jahres 1500 wahrend der Wirren Italiens, in der halben Zeit nach der Zeit, gemass des elften Kapitels S. Johannis, im zweiten Wehe der Apokalypse, in der drei und einhalbjahrigen Loslassung des Teufels, dann aber wird dieser gefesselt werden gemass des zwolften, und wir werden ihn sehen zu Boden getreten wie auf diesem Bilde«. Uber die Lesung der Jahreszahl kann kein Zweifel herrschen. Obgleich X im Griechischen fur 600 und 2 fur 200 gebraucht wird, so hat Botticelli oder sein in dieser Sprache nicht sehr erfahrener Ratgeber X entsprechend clem lateinischen J/(ille) als Abkiirzung fur %{iXiog) und 2 entsprechend dem gleichen Buchstaben C im Lateinischen fur 100 gesetzt. Unter den Wirren Italiens ist jene unheilvolle politische Zerrissenheit um die Wende des Jahrhunderts gemeint, die uber alle Teile dieses Landes seit der franzosischen Invasion hereingebrochen war. Florenz selbst befand sich nach dem Blutgericht liber Savonarola in der schlimmsten Lage. Die innere Zwietracht erfiillte die Nachbarn mit Eroberungsplanen und die toskanischen Stadte mit Freiheitsgedanken. Pisa setzte, von Venedig und dem Herzog von Mailand unterstiitzt, mit Erfolg den Unabhangigkeits- kampf fort. Die Medici erspahten jede Gelegenheit, die Rcpublik in schlimme Lage zu ver- setzen, und unterstiitzten mit Rat und That die ehrgeizigen Bestrebungen und Eroberungs- geliiste des Cesare Borgia in Toscana. In der Lombardei kampfte Ludwig XII. und Ludovico Moro um den Besitz von Mailand. Am 17. April 1500 wurde dieses schonste Herzogtum Italiens mit Frankreich vereinigt und der angestammte Herrscher zur ewigen Gefangenschaft nach Frankreich gefiihrt. Auch Xeapels Konig stritt ungliicklich gegen den franzosischen Ein- dringling. In der Romagna war Cesare Borgia, gestiitzt auf das Bvindnis mit Ludwig XII. mit papstlichen Truppen eingeriickt und hatte sich nach blutigen Kampfen zum Herren von Imola und Forli gemacht. In Rom wiitete er mit Dolch und Gift unter seinen wirklichen und vermeintlichen Gegnern und befieckte gleich seinem Vater Alexander VI. durch ein schmach- volles Leben die Ileiligkeit des papstlichen Stuhles. In der folgenden mystischen Zeitangabe »in der halben Zeit nach der Zeit« licgen ver- mutlich nicht recht verstandene Reminiscenzen des Kiinstlers an ahnliche Stellen bei Daniel und in der ( )ffonbarung Johannes vor. So heisst es bei Daniel (VII, 25) »Sie werden aber in seine Hand gegeben werden eine Zeit, und etliche Zeit, und eine halbe Zeit« oder ebenda (XII, 7) »dass es eine Zeit, und etliche Zeit, und cine halbe Zeit wahrcn soll«. Und in der durch Savonarolas ?) So auch Crowe in der Gazette d. b. A. 18S6, II, S. 474 und Jul. Meyer, Jahrb. d. K. preuss. Kstslg., S. 15. s ) The Academy, 15. Febr. 187 1, S. 130. Ich gebe im folgenden die Ireffenden Erklarungen dieses Gelehrten wieder. Danach sind auch die von Schorn in den Noten zu Vasari (II, 243/44) und von Waagen versuchten Lesarten zu berichtigen. Sandro Botticelli Nationalgalerie, London DIE GEBURT CHRISTI Die Geburt Christi von 1 500 in London. Schluss. 140 Erklarungen und Predigten in jenen Jahren des Unheils besonders gekannten Offenbarung Johannis finden sich gleichc mystische Zeitbestimmungen vvie »und es werden die Leichen etlichc von den Volkern und Geschlechtern und Sprachen drei Tage und einen halben sehen« (XL 9) und ebenda Vers 11 »und nach diesen Tagen und einem halben fuhr in sie der Geist des Lebens von Gott« oder XII, 6 : »dass sie daselbst ernahret wiirde tausend zweihundert und sechzig Tage« (3V2 Jahre), und ebenda Vers 14 »da sie ernahret wiirde cine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit«. Zu dem Zeitpunkte, wo der Kiinstler das Bild malte, waren »eine Zeit und etliche Zeit und eine halbe Zeit« (2V2 Jahre) seit dem Martyrium Savonarolas (23. Mai 1498) und »eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe« (3V2 Jahre) seit der Exkommunikation des Dominikaners durch Papst Alexander VI. (12. Mai 1497) verflossen. Auf die gleichen Ereignisse spielen auch die folgenden Worte an »im zweiten Wehe der Apokalypse, in der drei und einhalbjahrigen Loslassung des Teufels«. Im zweiten Wehe der Apokalypse, d. i. im elften Kapitel der Offenbarung, werden die von Gott gesandten »zwei Zcugen« durch das aus dem Abgrund aufsteigende »Tier« iiber- wunden und getotet. Die >zwei Zeugen« sind Savonarola und sein Hauptkampe Buonvicini da Pescia, in ihrem Tode sieht der Kiinstler die Erfiillung der im elften Kapitel Johannis gegebenen Prophezeiung. Wie im einzelnen , so ist auch in der ganzen Darstellung diese Geburt Christi eine Ver- herrlichung Savonarolas und seiner Thatigkeit. Derm der Engelreigen hier hat sein Vorbild in jenen Rundtanzen, welche Monche, Priester und als Engel verkleidete Chorknaben, alle mit Olizenzvveigen bekranzt, urn die brennenden Scheiterhaufen unter dem Gelaute der Glocken auf der Piazza della Signoria in den Karnevalstagen 1496 und 1497 auffiihrten 1 ). Eine Federzeichnung zu der Mittelgruppe unseres Bildes befindet sich in den Uffizien (Rahmen 53, Nr. 209) 2 ). Josef hat nicht den Kopf in die Arme vergraben, sondern stiitzt ihn schlafend in die Linke, auch die Haltung der linken Hand des Kindes ist abweichend. In der Zeichenweise entspricht das Blatt ganz den Illustrationen zum Paradiso. Angesichts der hohen Vollendung dieses Bildes fallt Vasaris Behauptung, Sandro habe sich durch die Anhangerschaft an Savonarola ganz der Malerei entfremdet, in sich zusammen. Obwohl es schwer wird, zu glauben, die Geburt Christi sei das letzte Werk, das er geschaffen, und voile zehn Jahre habe sein Pinsel geruht, so weiss ich doch keine eigenhandige Arbeit von ihm zu nennen, die sich mit annahernder Wahrscheinlichkeit dem anbrechenden Jahrhundert zuweisen Hesse. Moglich oder sogar wahrscheinlich , dass eine Reihe der friiher in anderem Zusammenhang erwahnten handwerksmassigen Bilder der Maria mit dem Kinde allein und mit Engeln in dieser spatesten Zeit in seiner Werkstatt entstanden sind. Doch sie sind keines- wegs bezeichnend fiir seine eigene kunstlerische Thatigkeit, und ihre Besprechung an dieser Stelle wiirde im Hinblick auf das hohe Konnen und die sorgsame Ausfiihrung, die uns noch im Jahre 1500 in der Geburt Christi entgegentreten, ein falsches Bild von der Leistungsfahigkeit des Meisters am Abend seines Lebens geben. Wir wollen daher mit diesem treff lichen Gemalde die Besprechung der Werke Sandro Botticellis beschliessen. Unserem Kiinstler, der nach des Biographen Mitteilung durch korperliche Gebrechen am Ende seines Lebens sehr heimg - esucht war, wird es wie so manchem seiner Altersgenossen ergangen sein: sie fanden sich nicht mehr zurecht in den Anschauungen und Bestrebungen der neuen Zeit. Sie raumten daher willig das Feld einer neuen Generation, die berufen war, den stolzen Bau, den sie aufgerichtet hatten, zu kronen. Noch erlebt er die Vollendung von Michelangelos David und giebt am 25. Januar 1503 neben einigen anderen »Alten«, wie Cosimo Rosselli, Piero di Cosimo , Filippino Lippi, Lorenzo di Credi, sein Gutachten iiber den besten Standort des marmornen Kolosses ab 3 ). Bald ') Vgl. Burckhardt, Kultur der Renaissance 2. Aufl. II, S. 223. 2 ) 0,160 X 0,255. :l ) Gaye, Carteggio II, S. 458. Das Gutachten Botticellis lautet: Cosimo (Rosselli) a detto apunto dove a me pare per esser veduto da viandanti e dall' altro canto con una giuditta (d. i. an der Treppe vor S. Maria del Fiore) o inella loggia de' Signori, ma piu tosto in sul chanto della chiesa et quivi judico stia bene et essere el miglior luogo da lorini. I eg L)ie neunziger Jahre. darauf stellten Lionardo und Michelangelo ihre Kartons fiir den grossen Saal im Palazzo vecchio aus. Um die gleichc Zeit kommt der junge Raffael nach Florenz. Am 17. Mai 15 10 stirbt Sandro Botticelli und wird in der Kirche Ognissanti, dem Schauplatz seines Schaffens, in der Familiengruft der Filipepi beigesetzt. Im gleichen Jahre malt Michelangelo oberhalb der Papst- bildnisse und der »Vcrnichtung der Rotte Korah« die Decke der Sixtinischen Kapelle und wenige Sale davon der Gottliche Urbinate die Fresken der Camera della Segnatura. -^-(^g^*^- Verzeichnis der Botticelli zugeschriebenen Gemalde. Die fett gedruckten Nummern bezeichnen diejenigen Gemalde, die ich ftir eigenhandig ausgefiihrte Arbeiten Botticellis halte. Die Masse verstehen sich mit Ausnahme der in England befindlichen Stiicke in Metern, und zwar ist die Hohe stets der Breite vorangestellt. Deutschland. i. 5. « 12 Lauf. Nr. Seite Berlin, Kgl. Museum. Nr. 78. Bildnis eines jungen Marines. Brust- bild ohne Hande, Holz. 0,41x0,31. 52 Nicht von Botticelli, sondern von einem dem Filippino Lippi nahestehenden Kiinstler, vielleicht von dem Meister der Fresken in S. Martino zu Florenz. Nr. 102. Maria mit Kindu. leuchtertragenden Engeln. Rund, ganze Fig., Holz, Durchm. 1,92. 124 Unter iiberwiegender Mitwirkung von Schulern aus- gefuhrt. Nr. 106. Thronende Maria mit Kind, Jo- hannes d. Tf. und Johannes d. Evang. Ganze Fig., Holz. 1,85x1,80. Nr. 106 A. Weibliches Bildnis. Brustbild ohne Hande, Holz. 0,54X0,41. Werkstatt. Nr. 106 B. Bildnis des Giuliano de' Me- dici. Brustbild ohne Hande, Holz. 0,54X0,36. Eigenhandige Wiederholung nach dem Bilde der Samm- lung Morelli in Bergamo. Nr. 1 124. Venus. Ganze Fig., Leinwand. 1,57x0,68. Eigenhandige Wiederholung nach der »Geburt der Venus« in Florenz. Nr. 1128. Sebastian. Ganze Fig., Holz. 1,95x0,75. Si 54 4Q 105 Nationalgalerie, Sammlung Raczinsky. Oskar Hainauer. 9. Bildnis eines jungen Mannes. ohne Hande, Holz, lebensgross. Schule. Dresden, Galerie. 46 8. Maria mit Kind und acht Engeln. Rund, Kniestuck, Holz. Durchm. 1,35. 67 Brustbild S3 Cassel, Galerie. 10. Nr. 443. Verktlndigung. Ganze Fig., Holz. 1,06X1,13- 137 11. Nr. 8. Maria mit Kind undjohannes d. Tf. Kniestuck, Holz. 0,89X0,73. 127 Werkstatt. Nr. 9. Scenen aus dem Leben des Zeno- bius. Ganze Fig., Holz. 0,65x1,82. 139 Aus der Sammlung Qu»ndt, gehort mit zwei beim Mar- chese Rondinelli in Florenz befindl. Tafeln zu einer Folge. S. Nr. 51 d. Verz. Lauf. Nr. Seite 13. Nr. 10. Maria mit Kind und ftlnf rosen- tragenden Engeln. Kniestuck, breitoval, Holz. 0,80x0,92. 123 Schule<). 14. Nr. 11. Johannes der Evangelist. Brustbild mit Handen, Holz. 0,47x0,39. 127 Schule. 15. Nr. 12. Johannes der Taufer. Brustbild mit Handen, Holz. 0,46x0,31. 127 Schule. Frankfurt a. M., Staedelsches Kunstinstitut. 16- Nr. II. Weiblicher Kolossalkopf. Brustbild ohne Hande, Holz. 0,82X0,54. 54 17. Nr. 12. Maria mit Kind und Johann es d. Tf. Kniestiick, Holz. 0,93x0,74. 127 Werkstatt. Leipzig, Stadt. Museum. 18. Ruhe auf der Flucht. Ganze Fig., Holz. 0,32x0,31. 128 Schule. Munchen, Alte Pinakothek. U) Nr. 1010. Grablegung Christi. Ganze Fig., Holz. 1,38x2,08 144 Wien, Akademie. 20- Maria mit Kind und zwei Engeln. Rund, Kniestuck, Holz, Durchm. 1,12. 121 Zeitweilig in der Galerie Liechtenstein. Aus Casa Canigiani in Florenz. Graf Lanckoronski. 2t. Maria mit Kind und Johannes. Rund, Kniestuck, Holz, Durchm. 0,78. Aus der Sammlung Leclanche in Paris. 22. Maria das Kind anbetend und Johannes. Rund, kleine ganze Fig., Holz. Schule. 23. Christus als Salvator mundi thronend, von einem Stifter verehrt. Predella, kleine ganze Fig., Holz. Schule. Fiirst Liechtenstein. 24- Bildnis eines jungen Mannes. Brustbild ohne 122 Hande, Holz, lebensgross. SI England. Brighton, A. Const. Jonides, Esq. 25- Bildnis einer jungen Frau. Halbfigur mit Handen, Holz, lebensgross. 57 Glasgow, Art Corporation Gallery. 26. Nr. 48. Verktlndigung. Holz, ig'/j in. X 23in. 136 Haigh Hall, Lord Crawford. Maria das Kind stillead, von zwei Engeln verehrt. Rund. 123 Liverpool, Royal-Institution. 28. Odysseus und die Sirenen. Cassone. 1857 in Manchester unter "Botticelli ausgestellt. 109 ') Schulbilder befinden sich ausserdem in Altenburg, Dusseldorf, Konigsberg, Meiningen (Schloss) und Miinster. 152 Verzeichnis der Botticelli zugeschriebenen Gemalde. Lauf. Nr. London, National Gallery. 29. 30. 31 32. 33 34 35. 36. 37 38. 39 40. 41. 42. 43. 44. 45. Nr. 226. Maria mit Kind, von zwei Engeln gekront und vonjohannes verehrt. Rund, ganze Fig, IIolz, Durchm. 3 ft. 8 1 /., in. L'berwiegend Werkstattsausfiihrung. Nr. 275. Maria mit Kind, einem Engel und Johannes. Rund, Kniestiick, IIolz, Durchm. 2 ft. 9 in. Werkstatt. Nr. 592. > Filippino Lippi « , Anbetung der Konige. Ganze Fig., Holz, 1 ft. 8 in. X 4 ft. 7 in. Nr. 626. Bikinis eines jungen Mannes Brust- bild ohne Hande, IIolz, 14 in. X II in. Friiher Masaccio genannt ; es gilt von ihm dassrlbe wie von Nr. 1 d. Verz. Nr. 782. Maria mit Kind. Kniestiick, IIolz, 2 ft. 9 in. X 2 ft. I 1 /., in. Nr. 915. Mars und Venus. Ganze Fig., IIolz, 2 ft. 3 1 /, in. X 5 ft. 8 in. Nr. 916. Venus mit Amoretten. Ganze Fig, Holz, 3 ft. «/ g in. X 5 ft. 8 in. Schule. »Filippino Lippii, Anbetung der Rund, ganze Fig., Holz, Durchm. 4 ft. Nr. 1033. Konige. Nr. 1034. Geburt Christi. Ganze Fig., Fein- wand, 3 ft. 6'/ s in. X 2 ft. 5 l /. 2 in. Nr. 1 1 26. Himmelfahrt der Maria. Ganze Fig., Holz, 7 ft. 5 in. X 12 ft. 3 1 /.,, in. Von Francesco di Giovanni Botticini ausgefuhrt. Seite 124 123 62 53 127 105 106 64 U7 75 Ashburnham, Lady. Die Verwandten derLucrezia schworen an ihrer Leiche Rache. Cassone. 139 Ashburton, Lord, Bathhouse. Zwei Venus-Gestalten. 105 Benson, R. Esq. Maria mit Kind und zwei Engeln. Rund. 123 Werkstatt. Boyce, Esq. Maria mit Kind und zwei Engeln. Kniestiick. 30 Florentinisch urn 1470. W. Bromley Davenport, Esq. Maria mit Kind und vier Engeln. Rund, Kniestiick, Holz, Durchm. 38 in. 68 1892 in der Royal Academy Exhibition unter Nr 144. Butler, Ch., Esq. Urteil des Paris. Cassone. 109 Schule Cornwallis West, Esq. Maria mit Kind. Kniestiick, Holz, 25x22 in. 68 1892 in der Royal Academy Exhibition unter Nr. 153. Lauf. Nr. Seite Heseltine, J. P., Esq. 46- Maria mit Kind und Johannes. Ganze kleine Fig., IIolz. I27 Ley land, Esq. (1892 verkauft). 47. Maria mit Kind. Rund, Kniestiick, Holz. 68 Werkstatt. 48. Maria mit Kind und Johannes. Kniestiick, Holz. 127 Werkstatt. 49. Maria, das Kind stillend, mit Johannes. Knie- stiick, Rund. 123 Werkstatt. 50. Vier Darstellungen aus der Geschich te des Nastagio degli Onesti nach Boccaccios Decameron e. Holz. 111 Nach dem Entwurfe Botticellis in der Werkstatt aus- gefuhrt. Jetzt in Lyon. Mond, L., Esq. 51. ZweiLangstafeln mitScenenausdemLeben desZenobius. 139 Rosebery Lord. 52. Die vier Jahreszeiien. Holz, 31 in. x 9V2 in. 88 1878 in Manchester ausgestellt. Salting, Ch., Esq. 53- Maria das Kind verehrend mit Johannes. Rund, ganze Fig, Holz. 126 Seymour, Lady. 54- Bildnis einer jungen Frau. Brustbild ohne Hande. Holz, 25 V 2 in. X 17 in. 56 1892 in der Royal Academy Exhibition unter Nr. 143. Sterling, Colonel. 55. Halbfigur eines Weibes, das sich mit beiden Handen Milch aus den Brtisten driickt. 89 1886 in Manchester ausgestellt. Wemyss, Earl of. 56- Maria das Kind verehrend. Ganze, fast lebensgrosse Fig., Leinwand. 127 57. Tod des Adonis. Cassone. 109 Schule. Newbattle Abbey (Schottland). Marquis of Lothian. 58- Kronung der Maria. Ltlnette. Werkstatt. 59. Maria mit Kind und Engeln. Rund. Schule. Richmond, Cook Francis, Sir. 60. Pfingstfest. Ganze, lebensgrosse Fig. Schule. 75 75 146 Frankreich. Chantilly, Due dAumale. 61. Allegorie der Fruchtbarkeit. Ganze, lebens- grosse Fig. 88 Nach einer Zeichnung Botticellis (bei Malcolm) von einem Schiller ausgefuhrt. 02. Maria mit Kind und einem Engel. Kniestiick. 34 Schule Fra Filippos. 63. Bildnis der Simonetta Vespucci. Brustbild ohne Hande. 53 Von Piero di Cosimo. Lille, Museum. 64. Nr. 210. Maria mit Kind. Kniestiick, IIolz, 0,63 Xo,47. 128 Schule. 65. Nr. 885. Magdalena. Ganze, fast lebensgr. Fig. 109 Unter "Cosimo Rosselli«, ruhrt von der gleichen Hand, einem Schiller oder Nachahmer Botticellis, her, wie die Allegorie der Fruchtbarkeit in Chantilly und die Venus mit Amoretten im Louvre. Marseille, Galerie. 66. Nr. 304. Maria mit Kind. 30 Paris, Louvre. 67. Nr. 183. Maria mit Kind und Engeln. Rund, Kniestiick, Holz, Durchm. 1,14. 1 21 Werkstattswiederholung des » Magnificat* in denUffizien. 68- Nr. 184. Maria mit Kind und Johannes. Kniestiick, Holz, 0,93x0,69. 43 Verzeichnis der Botticelli zugeschriebenen Gemalde. 153 Lauf. 09. 70. 71 n n 75. 77. 106 Nr. Seite Nr. 185. Ruhende Venus mit Amoretten Ganze Fig, Holz, 0,85x2,20. Werkstatt. Nr. 186. Predella. Holz, 0,23x0,90. Schule. Nr. 222. sFra Filippo Lippie, Maria mit Kind un cl fiinf Engeln. Ganze Fig., Holz, 0,62x0,42. 31 Lorenzo Tornabuoni in den Kreis der Wissenschaften eingefiihrt. Gauze, lebensgr. Fig., Fresko. lie Giovanna Tornabuoni von Venus und den Grazien beschenkt. Ganze, lebensgr. Fig., Fresko. 11c 1873 von Dr. Lemmi in seiner bei Florenz gelegenen Villa aufgedeckt, seit 1881 im Louvre. Nr. 1663 des Inventars. >Florentinische Schule des XV. Jahrh. « Bildnis eines jungen Mannes. Brustbild ohne Hande, Holz, lebensgross. Abdy, William, Sir. Andre, E., Ms. 76. Ruhe auf der Flucht. Baudreuil, Comte de. 5° Kommunion des Hieronymus. 72 Wiederholung des Bildes im Palazzo Capponi zu Florenz. 128 Teppich mit einer Athena. 11: Nach einer Zeichnung Botticellis in den Uffizien. Vermutlich eine Wiederholung des fur Lorenzo de' Medici gemalten Bildes. Lauf. Nr. Seite 80. Dreyfus, Gust., Ms. 78. Maria mit Kind und Johannes. Ganze, kleine Fig. 46 Werkstatt. Leclanche (1892 verkauft). 79- Weibl. Id ealbild n is. Brustbild ohne Hiinde, Holz, 0,42X0,28. 55 Jetziger Aufenthaltsort unbekannt. S. auch Nr. 21 des Verz. Roziere, de la, Ms. Schule. Rouen, Museum. 82. Maria mit Kind. Schule. 123 Maria mit Kind und Johannes. Rund, Knie stiick. Im Palais Bourbon ausgestellt. Schule. Eine ahnliche. noch schwiichere Leistung be- findet sich im Museum von S Maria Nuova, eine ebenfalls geringwertige Komposition mit einem jugendl. Sebastian an Stelle des Johannes war vor Jahren bei Mazzanti in Florenz. Vendeuvre, Baron de. 81. Maria mit Kind. Rund, Knieestiick. Im Palais Bourbon ausgestellt. 123 128 Ital S3 84. 85. 86. 87. 88. 89. 90 91 92 9$. 94. 95 96 Bergamo. Accademia Carrara, Galleria Morelli. Nr. 21. Bildnis des Giuliano de' Medici. Brustbild ohne Hande, Holz, 0,60x0,40. Nr. 25. Die Geschi elite der Virgi nia. Ganze, kleine Fig., Holz, 0,82X1,65. SegnenderChristus. Halbfigur, Holz, 0,47 XO,33. Schule. 49 139 139 Galleria Locchis. Nr. 27. »Masaccio«, G eisselung Christi. Garze Fig., Leinw., 0,66x0,60. — Schule. Empoli, Collegiatkirche. Zwei En gel mit Stift er n , zu Seiten der Sebastian- statue von Ant. Rossellino. 77 Von Francesco di Giovanni Botticini. Langstafel mit musizirenden Engeln. 78 Schule. Florenz, Accademia delle belle arti. Nr. 46. Thronende Maria mit Kind, Katharina, Magdalena, Johannes d. Tf, Franciscus, Cos mas und Damianus. Ganze Fig., Holz, 1,67x1,93. 42 Nr. 47. Kronung der Maria. Ganze Fig., Holz, 3,72x2,43. 72 Nr. 49. Predella zu Nr 47. Ganze Fig., Holz, 0,19x2,66. 75 Nr. 52. Thronende Maria mit Kind, Engeln, Katharina, Augustin, Barnabas, Jo- hannes d. T f., A m b r o s i u s und Michael. Ganze Fig., Holz, 3,26x2,68. 78 Nr. 6. Pieta, Kniestiick, Holz, 0,20x0,39. 80 Nr. 7. Salome mit dem Haupte des J o - hannes. Kniestiick, Holz, 0,20x0,39. 79 Nr. 8. Augustin und der wasser- schopfende Knabe. Ganze Fig., Holz, 0,20x0,37. 80 Nr. 9. Ambrosius auf dem Totenbette. Ganze Fig., Holz, 0,20x0,37. 80 Nr. 6—9 bildeten vermutlich mit der Verkiindignng in der Galerie Barberini zusammen (Nr 152 des Verzeich- nisses) die Predella zu Nr. 52. Ulmann Botticelli. ien. 97- Nr. 26. Allegorie desFruhling oder das Reich der Venus. Ganze Fig., Holz, 2,03x3,14- S3 98. Nr. 20. Tobias mit dem ErzengelRaphael. Ganze Fig., Holz, 1,32x0,90. 77 Von Francesco di Giovanni Botticini. 99. Nr. 21. Tobias mit den dreiErzengeln. Ganze Fig, Holz, 1,32x1,53. 37 Von Andrea del Verrochio. 100. Nr. 28. >Unbekannt«. Maria mit Kind. Kniestiick, Holz, 0,40X0,28. 127 In der Art Botticellis, doch erlaubt die schlechte Er- haltung des Bildes keine nahere Bestimmung mehr. Palazzo Pitti. 101- Nr. 348. Maria in i t Kind, Johannes und Engeln. Rund, Kniestiick, Holz, Durchm. 1,13. 122 Werkstatt. 102- Nr. 353. We ibliches Bildnis. Halbfig, Lein- wand, 0,61 XO,40. 55 103- Nr. 357. Maria mit Kind und Johannes. Ganze Fig., Leinw., 1,34X0,92. 146 104. Nr. 372. »Andrea del Castagno«, Mannliches Bildnis. Brustbild ohne Hande. 50 Nicht von Botticelli, dem es neuerdings zugeschrieben wird. Florentinisch, 2. Halfte des XV. Jahrh. Uffizi. 105- Nr. 39. Geburt der Venus. Ganze Fig., Lein- wand, 1,70x2,74. 102 106. Nr. 57. .Unbekannt*. Predigt und Mar- tyrium des Petrus Martyr. Predellenstiick. Ganze Fig., Holz, 0,35x0,52. 66 Schule. 107. Nr. 58. Anbetung der Konige. Predellen- stiick. Ganze Fig., Holz, 0,35x0,52. 66 Schule. 108. Nr. 66. Cassone mit Darstellung eines Gastmahls. Ganze Fig., Holz, 0,43X0,62 12S Schule. 109. Nr. 67. Cassone, ganze Fig., Holz, 0,43x0,82. 12S Schule. 110. Cassone, ganze Fig., Holz, 0,43X0,58. 128 Schule. 111. Nr. 7S. Maria mit Kind. Kniestiick, Holz, 0,69x0,47. 3° Schwiichliche Leistung eines Nachahmers. •54 Verzeichnis der Botticelli zugeschriebenen Gimalde. I.auf. 118. 113. 114 115 116 117. 118 119 120. 131 122 123 124 125. 126. 127. 128 129 130. 131. 132. 133 134 135. Nr. Seite Nr. 79. » Unbekannt i. Maria m i t Kind in einer Cherub glorie. Ganze Fig., Holz, 1,05x0,49. 30 Nr. 1154 >Florentin. Schule um 1440*. Bildnis des Piero di Lorenzo de' Medici. Brust bild ohne Ilande, Holz, 0,54X0,37. Nr. 1 1 56. Judith mit der Magd. Ganze Fig., Holz, 0,27 XO,2I. Nr. II 58. Auffindung desLeichnams des Holofernes. Ganze Fig., Holz, 0,27x0,21. Nr. 1 179. Augustin im Studio. Ganze Fig., Holz, 0,38x0,27. Nr. 1 1 82. Allegorie der Verleumdung Ganze Fig., Holz, 0,60X0,90. Nr. 1267 b's. Maria, das »Magnificat« schreibend, mit Kind undEngeln Rund, Kniestuck, Holz, Durchm. 1,12. Nr. 1286. Anbetung der Konige. Ganze Fig., Holz, 1,10X1,35- Nr. 1289 Maria mit Kind u n d s e c h s Engeln. Rund, Kniestuck, Holz, Durchm. 1,42. 67 Nr. 1299. Allegorie der Tapferkeit. Ganze Fig., Holz, 1,62x0,85. Nr. 1303. Maria mit Kind unter einem Steinbogen vor einer Rosen heck e. Ganze Fig, Holz, 1,20x0,62. Nr. 131 6. Verkundigung. Ganze Fig, Holz, 1,46X1,53- Depot. Anbetung der Konige. Ganze Fig., 5o 43 45 71 116 120 57 39 3i 136 146 Holz, 3 ft. s«/ 2 in. X 5 ft. 7 in. S. Ansano, Oratorio di, (bei Fiesole). Vier Cas son e t af e In mit alleg orischen Triumphziigen. Ganze, kleine Fig , Holz. 128 Schule. Innocenti, Ospedale degli. »Fra Filippo Lippic Maria mit Kind und einem Engel. Kniestuck, 0,87x0,60. 24 S. Maria Maddalena de' Pazzi. Rochus und Ignazius. Ganze Fig., Holz. 75 Von Raffaellino del Garbo. Museo di S. Maria Nuova. Nr. 23 »Fra Filippo Lippic, Maria mit Kind, Johannes und Engeln. Kniestuck, Holz, 0,85X0,62. 26 SS. Ognissanti. Augustin. Ganze Fig., Fre=ko, 1,50x1,104) 69 Convento La Quiete (bei Florenz). Kronung der Maria. Ganze Fig., Holz, 3,50 Xi,95- 75 Bis vor kurzem in der Kirche S. Jacopo di Ripoli zu Florenz. Schule. Anbetung der Konige. Ganze Fig., Hoi/, 1,20X0,75. 66 Schule. Pal. Alessandri. Maria, das ^Magnificat* schreibend, mit Kind und Engeln. 121 Wiederholung des Bildes in den Uffizien. Pal. Antinori (Duca di Brindisi). AnbetungdesKindes. Rund, Holz, Durchm. 0,75. 1 26 Pal. Capponi (Marchese Farinola). KommuniondesHieronymus. 72 Pal. Corsini. Nr. 167. Maria mit Kind und Engeln. Rund, Kniesttick, Holz, Durchm. 1,42. 121 Werkstatt. Lauf 13(5. 137. 138. 139 140 141. Nr. Seite Nr. 176. »Filippino Lippic, Maria mit Kind. Kniestuck, Holz, 0,74X0,56. 33 Nr. 210 >Pollajuoloc, Bildnis eines Mannes mit Ring in der Hand. Brustbild mit Handen, Holz, 0,44x0,32. 50 Nicht von Botticelli, dem es neuerdings zugeschrieben wird , sondern von einem zwischen Pollajuolo und Botticelli stehenden Kunstlcr. Nr. 340. Langstafel mitfiinfaufWolken thronenden we ib lichen Gestalten. Ganze Fig., Holz, 0,54X1,58. 111 Werkstatt. (Im Zimmer des Direktors) Maria und der Ver- k ttn digu ngse n gel. Rund, ganze Fig., Holz, 0,15x0,10. 137 Pal. Ginoii. Maria mit Kind Kniesttick. 127 Pal. Panciatichi. Maria mit Kind, dem e i n Engel Wein- trauben reicht. 34 Pal. Rondinelli. 142- Zwei Langstafel n mit Scenen aus dem Leben des Zenobius. Ganze Fig., Holz. 139 S. Nr. 12 u. 51 des Verz. Genua, Pal. Adorno. 143. Vier kleine Tafeln mit allegorischen Triumphziigen. 45 Schule. Pal. Balbi. 144. Kom in union des Hieronymus. 72 Wiederholung des Bildes im Pal. Capponi zu Florenz. Mailand, Ambrosiana. 145- Maria mit Kind und Engeln. Rund, ganze Fig., Holz, Durchm. 0,68. 144. 146. 147 148 149. 150. 151 152 Museo Poldi-Pezzoli. Nr. 17. Maria mit Kind. Kniestuck, Holz, °,5 8 Xo,39. 126 Nr. 35. Grablegung Christ i. Ganze Fig, Holz, 1,07x0,71. 145 Neapel, Museo Nazionale. Nr. 32. Maria m i t K i n d und z w e i E n g e 1 n. Kniestuck, Holz, 0,98x0,70. 28 Museo Filangieri. Mannliches Bildnis. Halbfig. mit Handen. 53 Rom, Capitol. Nr. 52. Maria mit zwei Heiligen. 128 Von Macrino d'Alba Cappella Sistina. Einzelfiguren hi. Papste, Thaten Mosis in Midian, Versuchung Christi, Ver- nichtung der Rotte Korah. 90 Ganze Fig, Wandgemalde al fresco. Pal. Barberini. Verk iindigung. Ganze Pig, Holz, 0,20x0,33. 81 S. Nr. 96 d. Verz. Pal. Colonna. 153. Maria mit Kind unter einerBogenhalle. Kniestuck. 128 Schule. Pal. Doria. 154. Maria mit Kind, Josef und Johannes. 12S Schwachliche Leistung eines Florentines aus d. Fnde des XV. Jahrh. ') Die Masse verstehen sich fur die Grosse des au>geschnitteueii Fresko ohne die spater hinzugefugten Pilaster und das Gebalk. Lauf. Nr. Verzeichnis der Botticelli zugeschriebenen Gemalde. Lauf. Nr. Principe M. Chigi. 155. Maria mit Kind, dem ein Engel Korn- ahren reicht. Seite 34 Villa Borghese. 156 Maria mit Kind, Johannes und sechs Engeln. Rund, ganze Fig, Holz, Durchm. 1,70. 125 Siena, Marchese Fabio Chigi. 157. Maria mit Kind und zwei Engeln. Rund, Kniestttck, Holz. 122 Werkstatt. J 55 Seite Turin, Pinakothek. Tobias mit den drei Erzengeln. 158. Nr. Ganze Fig., Holz, 1,00x1,27. 109 Werkstatt. 150- Nr. 99. Maria mit Johannes und Engel. Rund, ganze Fig., Holz, Durchm. 1,20. 125 160. Nr. 369. Triumph der Keuschheit. Ganze Fig, Holz, 0,42x0,65. 128 Schule. 161. Nr. 374. Maria mit Kind. Kniestuck, Holz, 0,80x0,57. 128 Werkstatt. Volterra, Badia (Sakristei). 102. Kronung der Maria. Schule. 75 Russland. St. Petersburg, Eremitage. 163. Anbetung der Konige. Ganze Fig., Holz Seite65 :o v Namen- und Ortsregister. Acciajuoli, Zan., 85. Alba, Macrino d', 128 (2). Alberti, Leon. Batt., 60. 83. 86. 103. 116. 117. 118. Albertini, Franc, 2. 39. 43. 57. 69 (2) 72 (4). 78 (4)- 81 (5). 91. 97. Albizzi, Giovanna, 1 10. — Maso, 138. — Ormanno, 48. — Rinaldo, 48. Alexander VI., Papst, 98. 148. 149. Alexander VIII., Papst, 130. Alfons v. Neapel, 76. Ancona, 144. Angelico, Fra, s. Fiesole. Anonymus Magliabecbianus s. Codex. A n tiph ilus, 1 16. Apelles, 116. 117. 139. Arezzo, 10. Aristoteles, 140. Aurispa, 1 1 6. Avanzi, Jacopo degli, 62(1). B. Baldini, Baccio 77 (5). 78. Baldinucci, Fil. , 2. 3. 57. 67. 75. 76. 81 (5). Baldovinetti, Alesso, 19. 36(1). 37. Bandinelli, Baccio, 56. — Smeralda 56. 106. Bandini, Bern. 48 (4). 49. Bartolini, Leon., 5. 14. 17. 23. 30. 35. Bartolommeo, Fra, 143 Benivieni, 143. 147 (1). Bergamo, Accad. Carrara, 21. 49. 59. 139. Berlin, Gemaldegal., 16. 18. 28. 32 33. 37. 47. 49. 52. 53. 54. 58 (1). 59. 62(1). 67. 76. 81. 105. 106(1). 115 124. 128 (3). — Kunstgewerbemus. 128 (4). — Kupferstichkab. 129 ff. — Naiionalgalerie, Samml. Raczinsky, 67. 68. 82. 120. 123. — Sammlung Hainauer, 53. Bettuccio, Bened., 143. Billi, Ant., libro di, 3. Bini, Pierfrancesco, 111. 112. Boccaccio, 22. m. Bocchi, Franc, 3. 57. 66. Borghini, Raff., 2. 3. 27. 43. 57. 81 (5). !45j;2). Borgia, Cesare, 148 Bosch, Hi er on., 134. Boston, Privatbes., 60. Botticini, Franc, di Giov., 20. 76. 77. — Raffaello, 77 (1). Bovacchiesi, Bartolommea de, 17. Bramante, 14(1). Branca, Ant. del., 6(4). Brueghel (Hollenbrueghel), 134. Brunellesco, Fil, 2(7). Buonaccorsi, Biagio, 2(1). Buonfigli, Benedetto, 6. 11. Buonvicini, Dom , 148. 149. Burchiello, Dom, 51. c. Ca'affa, Oliviero, 100. Careggi, 84. Carlieri, C. M., 3. Cas=el, Gemaldegal., 137. Castagno, Andrea del, 19. 21. 37. 42. 43- 49 1 17 Castello, 84. 102. 104 (4). 105. Castiglione d' Olona, 7. Calansanti, Franc, 6(8). 23. Cattaneo, Gasp., 53(4). Cattocchia, 53(4). Catull, 140. Cellini, Benven, 99. Cennini, Cennino, 24(1). Chanlilly, Due d'Aumale, 34. 53. 54(3)- 55. 59 (1), 88. ioj.. 109 118. Chiasso Macerelli, 59. ill. Christine v. Schweden, 130. Cianfanini, Giov., 102. Cimabue, 2 (6. 8). 3. Cinelli, Giov., 3. 57. Clemens VII., Papst, 53(4). 57- Codex,Laurentianus(Plut.XLI,Nr. 33), 2(1). 103 (4) — Magliabechianus Anonymus , (Bibl. Naz. CI. XVII, 17), 2. 28. 39. 47- 48. 57(3)- 65. 69. 71. 72- 78(4) 8115). 84. 90(2). 105. 129. 146. — Petrei, 3. 39. 57 (3)- 6 9 (2). 72(1.4)- 78(4). 81(5). 90(2). — Strozzianus, 3. Cosimo, de' Medici, s. Medici. Cosimo, Piero di, 24(1). 54. 84. 94 (2). 106(1). 109. 149. Credi, Lorenzo di, 28 (3). 37. 138. 143- 14-9- Cronaca, Simone, 143. D. Daddi, Bern., 63. Dante, 3. 22. 42. 71. 95. 101. 115. — Zeichnungen zur Gottlichen Komodie, 2(1). 22(1). 45(2). 72. 76 78. 86. 112. 115. 117. 124. 128—135. 138. Datini, Franc, 14. D i a m a n t e , F r a, Lebensdaten]4 — 5 . 1 4. 20. — Gehilfe Fra Filippo Lippis, 4 8. 12. 13. 14. 18. 19. 23. 34. 36. 61. Diamante, Fra, — Selbstandige Ar- beiten,Tafelbilder, 5(3) 19. 20 21. — Fresken in der Sixtin. Kapelle, 4. 14. 91—94- 97- Dolci, Giov. de', 90. Donatello, 7. 15. 59. 77. 117. 145. Dresden, Gemaldegal, 123. 127. 139. E. Empoli, Collegiata, 18. 77. 78 (2). Ercole I. v. Ferrara, 5. Eyck, Hub. van, 71 (1). Fabriano, Gentile da, 62(1). Feo, 4. Ficinus, Marcil., 143. Fiesole, Fra Angelico da, 3. 6. 12. — Mino da, 58. Filelfo, 116. Filipepi, Alessandro, 1. 22. — An- tonio, 22(1) 23. — Bartolommeo, 22(1). — Benincasa I. 143. — Giovanni, 1. 22. -- Lorenzo, I. 22 ([). — Mariano d' Antonio, 22(1). — Mariano di Vanni, 1. 22. 69 (l). 129. — Simone, I. 22(1). 143. — Vanni I. 22 Fiorenzo di Lorenzo, 15. 38 Florenz, S. Ambrogio, 16. 42. 43. 47. 59. 78. 79- — SS. Annunziata, 19. 20. — S. Ansano (Fiesole), 128(3). — Badia, 33. 97. — Battistero, 7. 1 15. — Convento La Quiete, 66. 75 - S. Croce, 7. 9. 17. 59(1). — Dom, 1. 21. 70(1). 138. 149(3). — S. Francesco (al monte), 66. 124. — Innocenti, 24. 25. 27. 28. 29 — (4)- 3 '(3)- 35- 37- 4*- — S. Jacopo di R'poli, 75. — S. Lorenzo, 12 16. 58(1). — S. Marco, 72. 138 140. 142. — • S. Maria del Carmine(Brancaccikapelle), 9. 18. 35. 59. 97- — S. Maria Maddalena de' Pazzi, 136. — S. Maria Maggiore, 38. 47. 48. 145 — S. Maria Novella, 8. 15. 17. 28(1) 42. 52. 57. 58. 59. 61. 65. 70(1) 99. no. 138. 146. — S. Maria Nuova ("Museum"), 26. 28. 29' 30. 31- 33- 34(4). 35- 37- 42. 67' 71(1). 82. — S. Martino, 52. — S. Miniato (al monte), 40. — SS. Ognissanli, 1. 32. 35. 61. 68. 69. 70' 73- 74 93 "I. 143 150. Namen- mid Ortsregister. >57 Florenz, Orsanmichele, 138. — S. Pancrazio, 5. — S. Salvi, 5. — S. Spirho, 16. 28(1). 33. 81. 96. — Accademia di belle arti, 8(1). l8. 27. 32. 37.41.42. 45-5 6 - 62 (0 72 74- 75. 78. 79. 80. S3. 86. 92 93- 1 10. 127 (i). — Bargello, 33. 48. 49- 5 8 - 7<»- — Gall, degli Arazz', 138. - Pal. Alessandri, 121. — Pal. Antinori (Duca di Brindisi) 126. 1 39 (2). — Pal. Bartolini-Salimbeni, 37(3). — Pal. Buonarotti, 20. - Pal. Canigiani, 121. - Pal. Capponi (March. Farinola), 72. — Pal. Corsini, 33. 35. 50 (3). ill. 121. 137- — Pal. Ginori, 127. — Pal. Kuti, 125 — Pal. Pancialichi, 34(4). — Pal. Pitti, 8. 15. 16. 23. 25. 31. 35. 50. 54. 55. 56. 63. 86. 104(3). 122. 146. — Pal. Pucci, in. - Pal. Riccardi (Medici), 10. 15 16. 20. 39- 48. 55- 5 s - 60. — Pal. Rondinelli, 139. — Pal. Strozzi, 49. 143. — Pal. Vecchio, 8. 63.97. 102 127(4). 140. 146. — Poggio Imperiale, 16. 57. - Uffizien, 15. 16. 21. 23. 24. 25. 26 27. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 39 40 41. 43- 44- 45- 50. 57. 58- 66 70. 71. 78. 79. 82. 86 93. 96 101. 102. 115. 116. 118(1). 120 123. 124. 128 (3). 136. 146. — Zeichnungskabinet, 27. 41. 45 59(4). 60. 72. 74. 79. 81. 88 99. 102(1). 109. 114. 119. 133 138. 149. Follini, 3(7). Forteguerra, Grabmal des, 200 Francesca, Piero della, 1. 11. Franciabigio, 116. Frankfurt a. M , Staedelsches Kunstinstitut, 33- 53 54- 127- Franzesi, Napol., 48. G. Gajuole, 56. Garigliano, 50. Genua, Pal. Adorno, 45. - Pal. Balbi, 72. (Iherardo, Buchmaler, I. 50. 138. Ghiberti, Lor., 139. Ghirlandajo, Davide, I. 71 (1). 13S. — Domenico, 1. 8. 9. 29. 58. 59. 60(3). 69. 70. 71. 75. 83. 89. 90. 91. 92. 93. 94. 95. 98. in (1). 11S. 138. Giotto, 7. 9- 17. 53. 80(1). Giovio, Paolo, 114(5). Giunta, Luc. Antonio de', 104(6). Glasgow, Privatbes. 36. — Art Corpo ration Gallery, 136. Goes, Hugo van der, 13. 71 (l). Gozzoli, Benozzo, 10.16.20. 27.37. 58.(1). 62(1). Guardi, Giov., 136. H. Hang, Museum, 54. Haigh Hall, Lord Crawford, 123 Inghirami, Geminiano, 6. 17. Julius II., Papst, 14(1). 91. K. Karl VIII. v. Frank reich, 143. K leomen e s , 103. Konstantinopel, 48. Landino, Christoforo, 3. 130 132. 133. Leipzig, Stadt. Museum, 128. Lemmi, Villa, 101. 104 no. 118. 134. Leo X., Papst, 103 (5). Lille, Galerie, 71 (1). 109. 128. — Musee Wicar, 59. 60. Lippi, Filippino, 4. 6(8). 29. 31. 34. 38. 43. 52. 59. 62 63. 64. 83. 88. 97. 98. 99. 100. 118. 125. 149. — Fra Filippo. Als Lehrer Botticelli?, 3. 4. 21. 23. 24 ff. 30. 32. 33. 35—38. 41. 44. 45. 62. 120. — Fresken in Prato, 4. 5 — 11. 12. 13. 15. 16 17. 44. 95. — Fresken in Spoleto, 4. 11 — 14. 16.25 — Tafelbilder, 12. 14 — 19. 24. 29 (4). 30. 3i- 34- 53(2). 66. _ 71 (1). — Selbstbildnisse in Prato, 8. in Spo- leto, 13. Liverpool, Royal Instit., 109. Lodovico il Moro, 148. London, British Mus., 45(2). 82 (1). 99(3) — Nationalgallery, 2(1). 28 29(4). 47 52. 55- 62. 63 64. 72 73(2). 75 76. 78. 97. 104(3). i°5- IO ° 107. 109. 115. 123. 12;. 127 128. 136. 147. — Privatsammlungen, — — Ashburnham, Lady, 139. — — Ashburton, Lord, 105 (2). — — Benson, 123. — — Boyce, 30. — — Bromley-Davenport, 68(1). - — Butler, 109. 128(3). — Cornwallis-West, 68 (0 - — Heselline, 72. 127. — — Jonides, 55. - Leyland, 68(1). ill. 123. 127. — — Malcolm, 41. 45. 87. 88. — — Mond, 139. — — Rosebery, Lord, 88. — Salting, 33. 71 (I). 126 147. - — Seymour, Lady, 53. 56. — — Sterling, 89. — — NYemyss, Earl of, 50(3). 104(3). 109. 127. Lorenzo, Don (Monaco), 39. Lorenzo della Magna, 132. Lorenzo de' Medici, s. Medici. Lorenzo de Pelago, 7(1). Lucasgilde, 5. 14. 38. Lucian, 116. 117. Lucrezia Buti, 6. 15. 17. 18. Ludvvig XII. v. Frankreich, 148. Lyon, Hi. M. Macchiavelli, 2(1). Mailand, Bibl. Ambrosiana, 78. 115 125 — Museo Poldi-Pezzoli, 126. 138. 144 145. Majano, Bened. da, 59. Manfredus de Manfredis, 5. Mantegna, Andrea, 36(1). 116. Marseille, Galerie, 30(1). Marsuppini, Carlo, 26. 74. Maruffi, Lylv., 148. Masaccio, 3. 7. 9. 17. 18. 35 53 62(1). Masolino, 3. 7. 12. 35. Medici, Antonio, 48. - Bianca Cappello, 4}. - Carlo, 7. 8. 10 Medici, Cosimo, »pater patriae*, 8. 16. 50. 57. 58. 62. 104(4). — Cosimo I, Grossherzog, 53. 56. 84.. — Giovanni, 6. 16. 23. 57. 58. — Giovanni delle Bande Nere, 84. — Giuliano,42.43.48.49.53-57.5 8 -S9.6i. S3. 85 (2). 112. 114. 116(2). — Giulio, 53(2). — Lorenzo il Magnifico, 1. 16. 43. 48. 49- 5° 5 2 - 53- 59- 60. 61. 63. 64. 70. S3. S4. 10 i. 104(4). iro - 1 14 1 >5 137- 138. «43- 147- — Lorenzo di Pierfrancesco, 2 (1). 82. 129. 133. 143. — Piero >ilGottoso«, 10(1). 56. 58.59. 60. — Piero di Lorenzo, 32. 50. 51. 114. 129(2). 143. Mediceische Kunstschatze, Inventar ders., 5(3). 16. 5 S( 4 ). 104(4). 112. 114. 115. 116(6). — Venus, 103. 104. Melozzo da Forli, 2(2). 5(1). 14(1). 20. 71 (1). 91. Memling, Hans, 71 (l). Mercatanzia (Handelsgericht), 39. 41. Michelangelo Buonarotti, I. 2(8). 82. 90. 91. I22('). 129(3). 143- 145. 149. 150. Mdanesi, Niccolozzo de, 6. Mirandola, Pico della, 32. 143. Mocetto, Girol., 116. Modena, Nicoletto da, 77. Montelupo, Baccio da, 143. Monlicelli, I. 143. Muhamed II , Sultan, 48. Miinchen, Alte Pinakothek, 16. 25. 126. 144. N. Nardini, Bern., 4. Neapel, Museum, 28. 29. 31. 35. 71(1). 82. — Museo Filangieri, 50(3). Nera di Benincasa, 22(1). Nerli, Bern, 50. Newbattle Abbey, Marquis of Lothian, 75. Niccolini, Aug., 5. Niccolo da Tolentino, 21. o. Orsini, Clarice, 56. — Gentile Virginio, 39 (6). Ovid, 86. 116. 140. Oxford, Universitatsgal., 1 14 (1). Pacioli, Luca, 29. Padua, S. Antonio, 145. - Cappella S. Giorgio, 62(1). Paganotti, Bischof v. Florenz, 136. Palmieri, Matteo, 76. 77. Pa pi, Jacopo (Toschi), 102. Paris, Louvre, 16. 17. 18. 19. 20. 25. 26. 3i- 34 35- 39- 42. 49- 5°- 59- 67. 76. 82. 101. 106. 109. no. 115. 121. 123. 127. 134. — Zeichnungskabinet, 34(2). 138. — Privatsammlungen. — — Abdy, 72. — — Andre, 1 28. - Bonnat, 49, 63. — — Chennevieres, 88. — Dreyfus, 15(1). 19. 59. 146. — — Leclanche, 55. 122. — — Roziere, 123. - — Vendeuvre, 123. Pavia, Certosa, 128(2). Pazzi, Verschworung, I. 48. 49. 61. 70. t58 Namen- und Ortsregister. Pazzi, Francesco, 4S. - Jacopo, 48. — Rinato, 48. l'enni, Luca, I 16. Perugia, 6(4). 10. — Palazzo del Comune (Gemaldegal.), 6. 38. Perugino, Pietro, 15. 43. 52. 1)0.1)4. 95. 97. 9S. 99(3 . 102. 128(2). 138. Peruzzi, 49. Pesellino, Franc, 16(2). 19. 20. 21. 42. 53(2)- Pesello, Giul., 21. 62(1). Pest, Akademie, 19. Petersburg, Eremitage, 65. Petrei, Ant., s Codex. Petrucci, Cesare, 4. 14. Pinturicchio, Bern, 2(1). 37(1) 38(3). S8(2). 90. 94. Pisa, Camposanto, 58(1). 62(1). — Dom. 77. 104 (1 "). Pisano, Andrea, 7. — Giovanni, 104(1). — Vittore (P^anello), 62(1). Poliziano, Angelo, 2(1). 48(4). 53(4). 60. 83. 84. 102. 103(1 4). 105. 106. 112. 114(6). 143- Pollajuoli, 23. 29. 40 41. 43. 89. — Antonio, 28. 39. 39(6). 41. 47. 50. 54. 59. 70. 115. 134. 135 - Piero, 39. 41. 53(2). 63. 75. Prato, Ceppo, 5. 14. 17. — Dom (Pieve), 4. 5 — 11. 12. 13. 16. 17- 35- 44- 92. — S. Domenico, 13. 18. — S. Francesco, 17(1). — S. Margherita, 4. 19. — S. Maria del Carmine, 5(4). — S. Spirito (Convento de' Servi), 18. 20. 92. — Pal. del Comune, 4. 14. — Gemaldegalerie, 13. 14. 17. 18. 21. 92. Pucci, 65. 115. — Antonio, 47. — Fran- cesco 64. — Lucrezia, ill. Pulci, Luigi, 84. R. Raffael (Santi), 2(2). 9. 15. 75. 116. '5°- Raffaellino del Garbo, 52(2). 77 (1). 79(4). 82. 125(1). 128(2). 138(2). Rambaldi, Ben v., 104. Ravenna, ill. Riario, Raffaello, 98. Ricciardo di Michele, 5. Richa, 3. 24 57. 70(1'. 75 76. 79. 81 (5)- HS(2)' Richmond, 146. Robbia, Ambrogio della, 143. — Andrea, 1 43 . Luca, 12. 15. 38 (1). 64 (1). 66. Rom, S. Marco, 71(1). — S. Maria in Araceli, 104. — S. Maria sopra Minerva Cnpp Caraffa). 99. 100. — S. Maria del Popolo, 14. — S Pietro in Vaticano, 145. — Pal. Barberini, 81, — Capitol, 128 (2) — Pal. Chigi, 34(4). — Pal. Colonna, 128(2). — Pal. Doria, 128(2). ' — Pal. del Laterano, 74. — Pal. del Vaticano, 15. 71 (1). 150. — — Capp. Sistina, 4. 5. 15. iS. 35 68. 90 100. 150. — — Biblioteca, 117. 130. — Villa Borghese, 125. 126. 128. 136. Rosselli, Cosimo, 20. 90. 94. 98. too. 109. 149. Rossellino, Ant., 17(1). 31. 40. 66. 76 77. Rossetti, Dante Gabr., 56. Rouen, Museum, 128. s. Salviati, Franc, 48. — Jacopo, 48. San Fedele de' Poppi, 5 91. Sangallo, Francesco da, 54. — Giuliano da, 120. San Gimignano, 75. San Pietro di Gello, 5. Santa Maria dell' Antella, 5. Santa Maria in Gallo, 144. Santa Maria Ughi alle Corti, 5. Santi, Giov., S2 (2). Savonarola, Fra Girol., 46. 71. 82. 140 — 145. 147. 148. 149 Segni, Ant., 1 16. Settignano, Desiderio da, 15 66. Siena, S. Giovanni, 7. — Pal. Fab. Chigi, 122. Signorelli, Luca, 90. 94. Simonetta, s. Vespucci. Sirigatti, Rid., 44. Sixtus IV., Papsr, 5. 14. S9. 90. too. Soderini, Franc, 5. — Tommaso, 137, 143(1). Spagliati, Bartolommea di, 22(1). Spoleto, Dom., 4. 8(1). 11 — 14. 16. 18. 19. 20. 25. 74. 92. Squarcione, Franc, 36(1). Strozzi, Filippo, 59. Terenz, 140. Terranova, 4. Thomas von Spoleto (Goldschmied), •4(1). ttbull, 140. Tornabuoni, Giovanni, 59. — Lorenzo, 59. 1 10. ill. — Lucrezia, 56. Tosi, Raffaello, (il Toso), 102. Trosci, Franc, 27(1). Tucci, Biagio , 102. Turin, Museum, 32. 109. 125. 126. 128. 136. Iwickenham, Orleans House, 34. u. Uccello, Paolo, 19. V. Valle, della, 103. Valori, Alessandro, 67 — Nice. 2(1). Vasari, Giorgio, 1. 2. 4(1). 5(1). 6(5) 8. 13. 15. 16. 17. 18. 22. 23. 26 38. 39. 43. 47. 48. 49. 53. 56. 57 58. 59. 66 69 70 72 75. 76. 78 Si (5) 82(1). 90 94 99 100 101 102. 106(1). in. 114. 115. 116. 128 '33 '35' I3 6 - L38 HO. 143 144 145- '49 Veracini, Agost, 79(2). 80. Verona, Guarino da, 116. Verrocchio, Andrea del, 15. 19. 20. 21 23. 28. 29. 32. 33. 35 — 38. 39. 41.42. 45- 47- 60. 67 70. 74. 76. 77. S6 109. 121. Vespucci, Giovanni, 140 — Marco, 53 (2) — Piero, 48. — Simonetta, 53. 54. 55- 58(2). 83(2). 84(6). 85. 86. 103 ..(3)- Vinci, Lionardo da, 313. 15. 36(1). 37. 3S. 41. 49. 63. 64. 65. 80. 87. 97- 121. 135 147(0 '5°- Viviano di Bartolommeo, 56. Volterra, 5. 70 75. Ill (1) w. Wien, Akademie, 121. 122. — Albertina, 45. — Gal Lanckoronski, 122. — Gal. Liechtenstein, 49. 51. 121 Windsor Castle, Zeichnungssamml. 8S (2). Woburn Abbey, 104. z. Zeuxis, 117. Zoppo, Marco, Si. : ~~ - ^aaA ^aaaAaaAAaaaAAHP *;Aa.a>yaaaa .aa. a^^a. Aa^ ■AA ^ ■*.. . \AAAA A _a«.. ..*H ,' >a~^ " " "' ' -'-^^ ' a^^/V aaa^aaAaa ' r ! !%^^ma> -^ . . - . - , - AA A^'^ - aa aaaaaaa ■ r- r " - - - r ? - ' >aaaa^^ ^2^AA AA AAAAfv aa ^:":'-^^' a ^a^amaaa^%. a » aiA . *aa aA A'^O a a. aaa. A/ V^ a^a.a.a a ^ v :,aaaaAa AA^A^A^ ~ ~ „ A " A aA/V^Y - 'AAAA^AA,- .AAAA'^^ .-.-. aaa^^Aaa^AA^^ ~o. ■■/ ■"■::-- -:^;^„ a aaaaaa^ - :• *AvAAA ^^>A - %A A . A4A ..j - n a7\ ^^•. Aa >"a^aaaaAaAa^ ■^^O^aAaaaa.aJ a^AAaAAa.a '"AAaAaAaA ^a ' ' ' '- - ; - - * ■ ■ \A/? " ~. - v- - - - *' p AA»A4.i.. 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