4 Digitized by the Internet Archive in 2016 https://archive.org/details/ansichtendesbospOOpard ANSICHTEN DEä BOSPHORUS UND CONSTANTINOPEL’S, VON MISS PAHDOE, Verfasserin des Werkes cc The City of the Sultan ” u. s. w. MIT BILDERN NACH DER NATUR GEZEICHNET VON VV. H. BARTLETT, ESQ., DER ENGLISCHE TEXT DEUTSCH BEARBEITET VON Dr. JOH. von HORN, vorm. kais. Russ. Militair Intendanten und Gouverneur, Director des Instituts für Diplomaten zu Göttingen, ordentl. Prof, der Theol. zu Dorpat, und der Philos. zu Petersburg; Verfasser des Werkes über den Hannoverischen Guelfenorden, des diplomatischen Berichts u. s. w., Ehrenmitgliede der Soc. d. Wiss. zu Frankfurt u. s. w. LONDON : G. VIRTUE ; HAMBURG: B. S. BERENDSOHN. INHALT Seite. Einleitung. — A llgemeine Bemerkungen übtr Constantinopel, den Bosphorus und die Umgegend . . I Das Thal des Süssens Wassers. — Grossherrlicher Sommerpalast ....... 4 Die Vorstadt Eyoub.— Erinnerung an Ali Pascha von Janina ....... 7 Die Türkischen Bäder — Pracht der Badeanstalt des Sultane. — Oeffentlic'ie Bäder . . . .12 Zusatz des Deutschen Herausgebers . . . . . . . . .Hi Der Palast zu Beschicktasch. — Geschmack des Sultans Mahmud im Bauen. — Drehderwische . . -17 Die Festen Schlösser auf der Europäischen und Asiatischen Seite des Bosphorus . . . .21 Die Fontaine im Asiatischen Thale des Süssen Wassers ... .... 23 Die Wasserleitung bei Pyrgo .......... 2& Das Mausoleum Solyman’s des Prachtvollen. — Die grausame Sultanin Roxalane . . . .20 Yeni Djami, oder die Moschee der Sultanin Mutter Das Pantoffelgeld der Sultaninnen . . . 30 Die Tscharschi, oder Bazaars zu Constantinopel. — Der Waffenmarkt, Sattelmarkt, Tabaksmarkt, Porcellan- markt u. s. w. — Seidenzeuge mit Goldstickereien . . . . . . .31 Die Fontaine zu Galata. — Türkische Kaffeehäuser ...... .33 Prospeet vom Berge Burlgurlhu . . . . . . . . . .41 Die Türkischen Häuser am Bosphorus. — Verschiedenheit der Malerei . . . . .12 Die Moschee der Sultanin Walide, vom Hafen aus gesehen ....... 45 Die Moschee des Sultan’s Achmed I. — Die Säule Constantin's. — Ausstellung der Fahne Mahomed’s . . 40 Die Säule des Kaisers Marcian .......... 50 Scutari, die Asiatische Vorstadt Constantinopels Der dortige Leichenhof. — Abergläubische Meinungen. — Traditionen über den Mädchenthurm. — Der Obstmarkt. ...... 52 Die Musiker im Asiatischen Thale des Süssen Wassers. — Die Wallachischen Sänger . . .53 Beglier Bey, das Sommerschloss des Sultans. — Die Staatszimmer ...... 00 Die Sophienmoschee zu Constantinopel. — Ihre Gallerie ....... 03 Zusatz des Deutschen Herausgebers . . ...... ßß Der Ocmeidan, oder freie Platz zu Uebungen im Bogenschiessen *...... 08 Das Serai Bournou. — Der dortige Springbrunnen, die Bibliothek, der Garten der Wonne u. s. >.v. . „ 70 Die Vorstadt Top-hanne.— Die berühmte Fontaine auf dem Obstmarkt . . . . .70 Die Mauern von Constantinopel. — Alte Inschriften auf ihnen. — Die Festung der Sieben Thürme . . 73 * Um den Abschnitt über den Ocmeidan zu verstehen, muss bemerkt werden, dass bei den Türken die Geschick- lichkeit im Bogenschiessen nicht darnach beurtheilt wird, ob Jemand ein bestimmtes Ziel trifft, sondern nach der Entfernung, bis zu welcher sein Pfeil gelangt. Der Bogen der Türken ist auch verschieden von dem Gothischen long- brno der Engländer, und dem in Deutschland gebräuchlichen, denn er ist aus Hom gearbeitet, rückwärts gebogen und von der zierlichen Form, wie wir ihn bei den Abbildungen der Diana und des Cupido zu sehen gewohnt sind. Wenn der Sultan auch nicht selbst Theil nimmt am Bogenschiessen im Ocmeidan, präsidirt er doch oft bei diesen Unterhaltungen. Nicht nur kleine weisse Denksteine, welche hie und da in der Ebene stehen, erinnern an ausserordentliche Thaten im Bogenschiessen, sondern auch der Bogen und die Pfeile des Siegers bei bedeutenden Kampfspielen, welche in einem Kiosk feierlich aufgehängt werden, und denen man einige Verse in vergoldeten Buchstaben beifügt. ln solchen epigrammatischen Complimenten sind die Türkischen Dichter sehr glücklich. Lieberhaupt haben die Asiaten von Natur ein schönes Talent aus dem Stegreif zu dichten, und dieses wird in Constantinopel sorgfältig ausgebildet. — Anm. d. Deutsc/ion Herausg. IV INHALT. Die Moschee der Sultanin Chasade . ... Die Moschee Suleiman’s, des Prachtvollen. — Ihre gemalten Glasfenster . Der Hafen von Constantinopel ....... Die Einfahrt in das Schwarze Meer. — Buyukdere. — Der Riesenberg u. s. w. Der Palast des Belisarius ......... Die Serail Spitze. — Interesse der Aussicht von dort .... Das Dorf YenikeuY. — Das Feuerfest ....... Dolma-Batche, oder das Thal der Kürbisse ...... Das Bassin im Walde von Belgrad.— Der brennende Wald. — Wasserleitung des Kaisers Valens. — Misslm genes Wagestück. — Die Cisternen der Stadt ...... Die Moschee des Sultans Bajazed. — Der Feuerthurm. — Pracht der Aussicht von dort Der gespaltene Thurm beim Kononenthor ....... Das Dorf Istenia. — Die dortige Marmorfontaine ...... Das Arsenal von Pera her dargestellt. — Docken. — Magazine — .Das Admiralitätsgebäude. — Anccdote Der Thurm zu Galata.— Kaffee Kiosken. — Die fliegende Brücke. — Das Zollamt Die Tchernberle Tasch, oder angebrannte Säule. — Ueberreste des Kreuzes Christi Die Fähre zu Scutari. — Eine Türkische Karawane von Wallfahrern. — Die Prinzessininseln Ein Türkisches Zimmer. — Beschaffenheit eines Harems ..... Der Sclavenmarkt — Sclavinnen aus Georgien und Circassien. — Die Moschee Osman’s Der kleine Leichenhof zu Pera. — Verschiedenheit Christlicher und Türkischer Begräbnissplätze Der Guz-Couli oder Mädchenthurm. — Geschichte Hero’s und Leander’s Das Dorf Bebec am Bosphorus. — Der dortige kaiserl. Kiosk ..... Die Chane oder Karawanseraien zur Beherbergung Reisender. — Ihre Einrichtung,— Bewirthung in ihnen Das Fort Beil-Gorod am Bosphorus. — Die Türkischen Gondeln auf dem Bosphorus Die Wasserleitung Baghtche-Keui.— Die Symplegaden. — Die grosse, alte Platane bei Buyukdere Der Kaffee-Kiosk. — Bewirthung in ihnen.— Die Türkischen Improvisatoren Rückblick auf den Bosphorus und Schluss. — Die grosse Mannigfaltigkeit der Prospecte, welche er darbietet — Er ist besonders belebt im Junius. — In grösster Pracht erscheint er bei Mondlicht.— Die Dörfer und Landsitze am Bosphorus .... ..... DRUCKFEHLER. S. 26. Z. 15. von oben 1. das® st. die, und am Ende: effectvollen. S. 27. Z. 21. ist “ Grabma,' einzuschalten vor “seiner.” S. 94. Z. 12. 1. geschieht’s. S. 105. Z. 12. von unten ist “ Stellen ” einzuschalten nach “ einigen.” Seite. 83 84 87 91 94 96 97 99. 101 111 115 116 118 120 122 123 131 132 135 140 141 144 148 150 153 158 VERZEICHNISS DER STAHLSTICHE, MIT BEMERKUNG DER SEITEN, WO SIE EINZULEGEN SIND. f l. Portrait op Miss Pardoe toface the Vignette : Scene on the Barbyses, in the vatley of Sweet Waters, Miss Pardoe und gegenüber die Vignette, welche eine Partie am Barbyses, im Thal des Süssen Wassers (S. 4. 23.) vorstellt ......... 2. Palace of the Sweet Waters, der kaiserliche Palast im Thal des Süssen Wassers . . . . > 3. Court of the mosque of Eyoub, der Hof der Moschee zu Eyoub ...... > 4. Eyoub, die Vorstadt Eyoub bei Constantinopel ........ ♦5. The Golden Horn, frorn the cemetery of Eyoub, das Goldene Horn, oder der Hafen von Constantinopel, dargestellt vom Leichenhofe zu Eyoub ........ • 6. Coollng-room of a Hammäm, Kühlzimmer eines Türkischen Badehauses ..... • 7. Scene from above the new palace of Beshiktash, Prospect oberhalb des neuen Palastes Beschiktash 8. The Bospliorus, from above Beshiktash, loohing north, der Bosphorus nach Norden hin, dargestellt von Beschiktash her ........... 9. The castles of Europe and Asia, die festen Schlösser auf der Europäischen und Asiatischen Seite des Bosphorus 10. Fountain of the Asian valley of Sweet Waters, on the Bosphorus, die Fontaine im Asiatischen Thale des Süssen Wassers am Bosphorus ....... • 11. Aqueduct of the emperor Valens, near Pyrgo, die Wasserleitung des Kaisers Valens bei Pyrgo . 12. Mausoleum of Solyman the Magnißcent and Roxalana, das Mausoleum Solyman's, des Prachtvollen, und de Sultanin Roxalane ........ 13. Interior of the mausoleum of Sultan Solyman, das Innere des Mausoleums des Sultans Solyman 14. Yeni Djami, or mosque of the Sultana Valide, Yeni Djami, oder die Moschee der Sultanin Mutter • 15. Great avenue in the Tscharschi, der lange Gang in dem Türkischen Kaufhause zu Constantinopel 10. The Armour Bazar, der Waffenmarkt ....... • 17 . A scene in the Tscharschi, eine Scene in den Bazaars zu Constantinopel 18. Ka'imac shop in the Tscharschi, eine Türkische Bude, in welcher man geronnene Milch verkauft 19. Fountain in Galata, die Fontaine zu Galata ....... 20. View from mount Bulgurlhu, Fernsicht vom Berge Bulgurlhu .... 21. Turkish cou7itry-houses on the Bosphorus, Türkische Sommerhäuser am Bosphorus 22. Mosque of Sultana Valide, from the port, die Moschee der Sultanin Walide, vom Hafen aus dargestellt •23. The Atmeidan, or Hippodrome, die Atmeidan oder Reitbahn ..... • 24. Court of the mosque of Sultan Achmet, der Hof der Moschee des Sultans Achmed 25. Column of Marcian, die Säule des Kaisers Marcian ....... > 26. Cemetery of Scutari, der Leichenhof zu Scutari ....... '27. Fountain at Scutari, die Fontaine zu Scutari ....... 28. Musiciansat the Asian valley of Sweet Waters, die Musiker im Asiatischen Thale des Süssen Wassers • 29. The summer palace of Beglier-Bey, das Grossherrliche Sommerschloss Beglier Bey 30. Court and Fountain of St. Sophia, der Hof und die Fontaine der St. Sophienmoschee zu Constantinopel 31. Interior of St. Sophia's das Innere der Sophienmoschee ...... 32. View from the Ocmeidan, Prospect vom Platze Ocmeidan, wo man sich in Schiessen mit dem Bogen übt - 33. Column of Theodosius, die Säule des Kaisers Theodosius ...... • 34. Fountain and square of St. Sophia, die Fontaine und der grosse Platz beider St. Sophienmoschee ■ 35. Third court of the Sera'i Bournou, dritter Hof des Serai Boumou ..... 36. Fourth court of the Serai Bournou, vierter Hof des Serai Boumou ..... Seite. 1 4 7 9 10 15 17 20 21 23 25 26 27 30 31 33 34 36 38 41 42 45 46 40 50 52 56 58 60 63 65 68 70 73 74 75 VI VERZEICHNISS DER STAHLSTICHE. '37. Fountain and market at Tophanne, die Fontaine und der Marktplatz zu Tophanne ' 58. The city walls, descending to theport, die Mauern von Constantinopel, welche sich nach dem Hafen hinziehen • 39. Top-Kapousi, or the Cannongate, Top-Kapousi oder das Kanonenthor .... ■ 40. Fountain and mosque of Chahzade, die Fontaine und Moschee der Sultanin Chasade . ,41. Mosque of Suleimanie, from the Seraskier's tower, die Saleimanieh, oder die Moschee Solyman’s, des Prach vollen, dargestellt vom Thurm beim Schloss des Seraskiers ..... 42. Interior of the mosque of Suleimanie, das Innere der Moschee Solyman’s .... . 43. Mihrab of the mosque of Suleimanie, der Hochaltar der Moschee Solyman’s .... 44. The porl of Constantinople, der Hafen von Constantinopel ...... ■ 45. Entrance to the Black Sea, from the Giant's Grave, die Einfahrt in das Schwarze Meer, vom Ricsengra' dargestellt ........... , 46. The Bosphorus, oppnsite the Genoese castles, der Bosphorus, gegenüber den Genuesischen Schlössern •47. Therapia, and the Giant's grave, Therapia und die Riesengruft ..... 48. Buyukdere, from the Giant's grave, die Vorstadt Buyukdere, vom Riesengrabe dargestellt . »49. Palace of Belisarius, der Palast des Belisarius . ...... 50. The Seraglio Point, die Serail Spitze ........ 51. Yenikeuij, on the Bosphorus, das Dorf YenikeuY, am Bosphorus .... ’ 52. Dolma-Batche,from the metropolis of Pera, Dolma-Batche, vom Begräbnissplatz zu Hera dargestellt • 53. A bendt in the forest above Beigrade, das grosse Bassin im Walde oberhalb Belgrad 54. Aqueduct of Valens, in the city, die Wasserleitung des Kaisers Valens in Constantinopel • 55. Cislern of Ben-Vibcr-Direg, or the Thousund and One, die Cisteme Binbirdirek, oder die Tausend und Eine ■56. Yere-Batan-Serai, die Wasserhalle Yerebatan Serai ...... 57- Mosque ofBajazet, with the Seraskier's gate, die Moschee Bajazed’sund das Thor des Schlosses des Seraskier 58. Court of the mosque of Bujazet, der Hof der Moschee Bajazed’s .... 59. The Sea of Murmora, from the Seraskier's tower, das Marmora Meer, wie es sich vomTeuerthurm, bei; Schloss des Seraskiers, zeigt ........ *60. Riten Um er, near the Top-Kapousi, der gespaltene Thurm, beim Kanonenthor 61. Jstenia, near Therapia, das Dorf Istenia bei Therapia ..... 62. The Arsenal, from Pera, das Arsenal von Pera her dargestellt .... • 63. The tower of Galata, der Thurm zu Galata ...... • 64. The floating bridge, die fliegende Hafenbrücke ...... 65. The Tchernberle Tash,or burnt pillar, die Tchemberle Tash oder angebrannte Säule • 66. View from the ferry at Scutari, Aussicht von der Fähre zu Scutari •67. Constantinople, from Scuturi, Constantinopel, wie es sich von Scutari her zeigt • 68. Entrance to the Seven Towers, das Castell der Sieben Thürme von der Seite, wo man hinein geht 69. A Turkish apartment, in the Fanar, ein Türkisches Zimmer im Fanar 70. The mosque of Osmanie, from the slave market, die Moschee des Sultans Osman III, vom Sclavenmark dargestellt ... ....... 71. The Petit Champ-des-morts, Pera, der kleine Leichenhof zu Pera .... 72. Tomb in the cemetery of Scutari, ein Grabmonument auf dem Leichenhofe zu Scutari > 73. The Guz-Couli, or maiden’s tower, der Guz-Couli or Mädchenthurm 74. Bebec, on the Bosphorus, das Dorf Bebec am Bosphorus ..... 75. A public Chan, Ansicht eines Chan oder allgemeinen Einkehrhauses > 76. Fort Beil-Gorod, die Festung Beil-Gorod ...... 77- Aqueduct of Baghtche-Keui, die Wasserleitung Baghtche-Keui' .... 78. View through the aqueduct of Baghtche Keui, Prospect durch die Wasserleitung Baghtche-KeuV - 79. A Cnffee-Kiosque, on the Port, ein Kaffee-Kiosk am Hafen ..... • 80. Map oj the cnvirons of Constantinople, Karte der Umgegend von Constantinopel mit dem Thracischen Bosphorus ....... .... Seite. 76 7 « 80 83 84 85 86 87 89 90 91 92 94 96 97 99 101 104 106 108 111 112 114 1 15 1 16 118 120 121 122 123 126 126 130 132 135 137 140 141 144 148 150 152 153 157 EINLEITUNG. ALLGEMEINE BEMERKUNGEN ÜBER DIE PRACHT DES BOSPHORUS, WIE SIE SICH IN DEN MALERISCHEN PARTIEN VON CONSTANTINOPEL UND DESSEN NÄHERN ODER ENTFERNTERN UMGEBUNGEN ZEIGT “ Vom ‘ Riesengrabe’ stellte sich dem Blick Ein farbenreiches, grosses Schauspiel dar ; Ich sah die Fluthen rollen des Bosphorus,* Hier an Europa’s Ufer spielen, Dort Asien’s Gestade peitschen.” — Byron. In dem Leben eines jeden Menschen kommem drei Abschnitte vor, denn er beschäftigt sich entweder mit Erwartungen, oder mit der Gegenwart, oder mit Rückermnerungen. Mannigfaltig wird er von den Zauberbildern bewegt, welche im Frühling des Lebens die Hoffnung seiner Phantasie vorhält ; indem er sodann die Dinge in ihrer Wirklichkeit vor sich sieht, fühlt er sich zu Anstrengungen und nützlicher Thätigkeit ermuntert ; doch den ruhigsten, dauerhaftesten Genuss gewährt ihm das Andenken an die Ver- gangenheit. Auch einzelne Begebenheiten im menschlichen Leben sind diesem V er- hältniss unterworfen, wie mir dies besonders jetzt fühlbar -wird, da ich die Feder ergreife, um die Scenen darzustellen, mit denen ich die herrlichen Gestade des Bosphorus umgeben erblickte. Ehe ich sie gesehn, ehe ich in der malerischen Hauptstadt des Türkischen Reichs gewesen, stellte sich meiner Phantasie eine Menge bunter Bilder von den glänzendsten Farben dar, und ich sah einer Reihe romantischer Abenteuer entgegen, nicht geringer als die der Tausend und Einen Nacht ; ich träumte von allerlei Dingen, die eigentlich ohnmöglich waren, aber das Vergnügen, welches ich in meinem Luftschloss fand, hielt mich von einer nüchternen Untersuchung zurück, und ich schwelgte in dem Reichthum * Der (Thracische) Bosphorus, oder sogenannte Kanal von Constantinopel, ist die Meerenge zwischen Europa und Asien, welche das schwarze Meer mit dem von Marmora verbindet, bei Constantinopel B o EINLEITUNG. und der Pracht der Darstellungen meiner Phantasie. Dann kam ich nach Stambul,* der Nebel der Romantik verschwand, die entzückendsten Bilder standen vor mir und jeden Augenblick wurde meine Wissbegierde angeregt. Der heitere Plimmel Con- stantinopel’s, sein glänzendes Meer, sein Amphitheater dicht bevölkerter Hügel, seine so sehr begünstigte, geographische Lage, seine politische Wichtigkeit, seine eigenthümlichen bürgerlichen und religiösen Einrichtungen machen ohne Zweifel den dortigen Aufenthalt unendlich interessant und beschäftigen den Beobachter auf die mannigfaltigste Weise. Der biedere Türke, der verschmitze Grieche, der stattliche Armenianer, und der furchtsame Jude fesseln nach einander die Aufmerksamkeit des Beobachters und sind doch nur ein Theil der so sehr gemischten Bewohner dieser alten Residenz. Wohl kam es mir zuweilen vor, als sei ich noch nicht völlig aus dem Zauberkreise meines Feenlandes ; aber ich wohnte auf meinen Excursioncn bald bei Pürsten, bald bei Bauern, ich hatte Zutritt zu den liäusslichen Cirkeln aller Classen, und überzeugte mich, dass che Wirklichkeit die Erwartung übertreffe. In einem Werke, “ die Plauptstadt des Grossultans,” the City of the Sultan, welches ich eben dort schrieb, legte ich meine Bemerkungen über die Erscheinungen, welche sich mir darboten, und über merkwürdige Ereignisse des Tages nieder. Jetzt, da ich in meine Heimath zurück- gekehrt bin, kommt mir mein Aufenthalt in Constantinopel wie ein schöner Traum vor, an welchen man sich gern wieder erinnert. Die treuen, nach der Natur gezeichneten Bilder des Herrn Bartlett, welche vor mir liegen, bieten eine vortreffliche Gelegenheit dar, durch Bearbeitung eines beschreibenden Textes zu ihnen, meinen frühem Genuss zu erneuern. Ich nehme ein gelungenes Blatt des Künstlers nach dem andern auf, und rufe dabei die Umstände und Vorfälle in mein Gedächtniss zurück, welche mir die dargestellten Gegenstände interessant machten ; ich versetze mich wieder in Gedanken an die Ufer des Bosphorus, und erinnere mich an schon gesehene Naturscenen, historisch merkwürdige Oerter, mit Urnen verbundene Traditionen und Lieder, an Kämpfe und Siege. Dieser ruhige Genuss, bei welchem ich die völlige Freiheit der Auswahl habe, und welchen ich nach Gefallen abkürzen oder verlängern kann, ist frei von den Beschwerden und Gefaliren des Aufenthaltes in Constantinopel, und dabei gesichert anfangt, an zwanzig Italiän. Miglien in der Länge und an den engsten Stellen nicht mehr als fünf hundert Schritt in der Breite hat. Die Türkischen Geographen nennen ihn Bophas. Er entstand wahr- scheinlich, und schon nach dem Zeugniss alter Schriftsteller, mittelst eines vulcanischen Durchbruchs des schwarzen Meeres, wovon die Spuren an der Mündung desselben vorhanden sind. An den engsten Stellen sind feste Schlösser erbaut, und die in der Mitte des Kanals, wo Darius mit seinem Heere aus Asien nach Europa zog, heissen Itumili hissar und Anatoli hissar, d. i. das europäische und das asiatische Schloss. — Die älteste Beschreibung des Bosphorus lieferte Dionysius von Byzanz; und die 1818 erschienene Schrift des Grafen Andreossy : Yoyage ä l’embouchure de la mer noire ou essay sur le Bosphore hat sich in gutem Andenken erhalten. — Anm. d. Deutschen Ilerausg. * Bei den Türkischen Geographen heisst Constantinopel Stambul oder Istambol, d. i. der fruchtbare Ort. — A. d. D. H. AESTHETISCHH BEURTHEILUNG DER UMGEBUNGEN DES BOSPHORUS. gegen Täuschungen der Phantasie. So dürfte denn erst jetzt der Augenblick gekommen seyn, dass ich ganz das Vergnügen gemessen kann, welches ich mir von der Betrachtung des Bosphorus, seiner Umgebungen, und namentlich Constantinopels, versprach. Der Character dieser Osmanischen Hauptstadt ist in jeder Hinsicht neu, ihr eigenthümlich, und dies ist es eben, was die Aufmerksamkeit des Europäischen Beobachters an sie fesselt, sie ihm so wundervoll erscheinen lässt. Alle ihre Hauptpartien, ihre untergeordneten Theile, ihre ganze Oertlichkeit., sind so verschieden von dem, was er im westlichen Europa gesehn, dass jede Gruppe von Bildern der Natur oder der Kunst ihn aufregt, alles was um ihn her vorgeht ihn in Spannung versetzt ; und indem nie gesehene Pracht sich ihm darstellt, er die Umstände kennen lernt, unter welchen Menschen hier handeln, wird er die engherzigen Vorurtheile ablegen, welche ihn veranlasstcn, der natürlichen Beschaffenheit und den bürgerlichen oder gesellschaftlichen Einrichtungen seines Geburtslandes, unbedingt den Vorzug vor allen andern zu geben ; er wird sich von vielen Bedürfnissen, welche ihm unentbehrlich schienen, entwöhnen lernen und so wirklich unabhängiger von Umständen werden. Von einer andern Seite betrachtet hat die hiesige Gegend unter der Regierung des jetzigen Grossherrn durch viele von ihm vorgenommene Veränderungen eine in mancher Hinsicht neue Gestalt angenommen. Das Aeussere der Hauptstadt hat sich beträchtlich geändert, vorher unbekannte Gewohnheiten sind bei ihren Bewohnern herrschend geworden, und sie urtheilen über Vieles anders als früher. Die pittoresken Reste Maurischer Architectur, welchen der Orientalische Character so deutlich aufgedrückt, ist, machen neuen Gebäuden in Europäischem Geschmack Platz, und an die Stelle der schwerfälligen, herabhängenden Bedeckungen der Brunnen treten leichte Einfassungen von Eisen. Man sieht die bunten Malereien, die grellen Farben an den Wetterdächern hölzerner Paläste verschwinden, und Säulen von Marmor, geschmackvoll mit Bildwerken geziert, sich erheben. Solche Umgestaltungen dürften ihren Einfluss äussern auf den Eindruck, welchen die Betrachtung so Geier altertliümlichen Denkmale des Bosphorus wohl hervorbringen konnte; die Hinwegräumung so vieler Bilder vergangener Jahr- hunderte muss die Illusion des Anschauens einer frühem Zeit schwächen. Einst wird Constantinopel eine rein Europäische Stadt seyn mit Palästen, Märkten und Fabrik- anlagen im neuesten Geschmack ! Aber auch dann wird man noch forschen nach dem, was hier früher war, als sich noch überall ein angestammter Nationalcharacter ausdrückte, der Osmane sich für den allein Rechtgläubigen hielt, sein Reich für das mächtigste. Mit Vergnügen schauen wir auf die Gemälde der frühem Herrlichkeit von Tyrus und Sidon, Niniveh und Carthago, entnehmen aus ihnen zugleich manche nützliche Lehre. Auch in Hinsicht Stambul’s wird dieser Fall eintreten, wenn der Strom der Ereignisse das Zaubergewebe wegräumen sollte, mit welchem Jahrhunderte die Paläste der Chaliphen bekleideten, und dann wird dieses, den Zeitgenossen zur Darstellung der Gegenwart gewidmete, Werk, nachfolgenden Geschlechtern nicht ohne Nutzen seyn zur Veranschauligung der Vergangenheit. 4 DAS THAL DES SÜSSEN WASSERS, BEI CONSTANTINOPEL. “ Ein Lebensborn Von hellem Wasser quellte tief im Grunde Und zog sich schlangelnd durch die Blumen Aue. F,s Iahten durstig sich in ihm die Heerden, Die Vögel eilten hin mit fröhligem Gesang.” Abington’s Chaos. Das von den Franken* sogenannte Thal des süssen Wassers heisst bei den Türken Kyat-Kliana und bildet eine anmuthige Niederung am Fusse einer Hügclreihe zwischen Eyoub und Hassa Kui, dem Judenstadtviertel. Es ist an allen Seiten eingeschlossen und erscheint, von den Anhöhen herab angesehn, wie ein grosser Sclunaragd. Durch das dichte Gras des Thaies und unter dem Schatten seiner prächtigen Bäume rauscht der Barbyses — ein klarer, doch nicht beträchtlicher Fluss, an dessen Ufern sich zwei Feenschlösser erheben, wie sic kaum ihres Gleichen haben. Das grössere ist ein Sommerpalast, in welchem die Favoritinnen des Sultans manche Tage der warmen Jahres- zeit im Genuss ziemlicher Freiheit vertändeln. Die dicht vergitterten Zimmer des kaiserlichen Harems verlassend umfängt sie hier der liebliche Schatten der Dickichte des Schlossgartens, ergehen sie sich in dessen Pfaden, oder verträumen die Zeit in vergoldeten Pavillions, Kiosks, am Ufer des Flusses und fahren in ihren von Vergoldung glänzenden Phaetons, arabas, gezogen von gelbweissen Ochsen, unter hohen Platanen dahin. Dies ist aber auch Alles, und man darf nicht glauben, dass es ausserdem den schönen Gefangenen verstattet sei, eine Welt, von welcher sie sonst mit so vieler Vorsicht ausgeschlossen werden, nur aus der Ferne anzusehen. Vielmehr wird, wenn der Harem nach Kyat- Khana zieht, an der ganzen Reihe der Hügel am Thal ein Militaircordon aufgestellt, und das Publicum von dem Theil derselben, welcher dem Palast zunächst liegt, sorgfältig entfernt gehalten. Es mag sich treffen, dass man Gelegenheit findet, die schönen Gefangenen flüchtig zu sehen ; sie sitzen übrigens dicht verschleiert in prächtigen Gondeln, Kaiken, welche auf dem Barbyses fortgleiten, und denen andere Böte mit einem Theil der Negergarde der Hofaltung folgen. Eine Zeitlang war in diesem Palast eine Papierfabrik und Druckerei, welches Veranlassung gab, dass man den Ort über- haupt Kyat-Khana nannte — ein Ausdruck, welcher, buchstäblich übersetzt, das Papier- haus bedeutet. Nämlich ein gewisser Renegat Ibrahim legte hier 1727, unter der * So heissen hier fremde Europseer. DER GROSSHERRLICHE SOMMERPALAST. 5 Regierung Achmed’s III., eine Papiermanufactur an, und verband damit hernach auch eine Druckerei. Aber beides gab er wieder auf, weil der Ulema das Drucken des Coran nicht gestatten wollte, sondern glaubte, es profanire ein so heiliges Buch. Die neu errichteten Gebäude so wie die Maschinen verfielen dann alhnählig. Aber der Gross- sultan Seliin, Onkel und Vorgänger des jetzigen Kaisers, hielt die Druckerkunst für sehr nützlich, und räumte jenen Palast ein, um darin zu arbeiten. Leider missglückte ihm dieser Versuch, wie viele andere zur Verbesserung des Zustandes seiner Unter- thanen, worüber er am Ende selbst sehr Leben einbüsste. Jetzt sind alle Spuren dieser Unternehmung aus dem Thal verschwunden, und das Gebäude ist wieder ein kaiserliches Residenzschloss geworden. Der andere kleinere Sommerpalast in diesem Thal gehört auch dem Grossherrn, wird aber zuweilen von vornehmen Hofbeamten bewohnt. Er steht ganz am Rande des Barbyses, und die Gondeln gleiten mit einer Schnelligkeit, dass sich der Fremde darüber wundert, bald unter den Fenstern des Schlosses dahin, bald unter den dicken Zweigen der Bäume auf der andern Seite, und die Bewohner der Villa finden mittlerweile in ihrem dolce far niente ihr Vergnügen daran, das Vorbeifahren der Gruppen an- zusehen, ihre Chibouken zu rauchen, und sich von der kühlen Luft des Flusses amvehen zu lassen. Die Boden dieses Thaies ist mit so herrlichem Rasen von vollem, glänzendem Grase bedeckt, wie man ihn sonst in der Gegend von Constantinopel nicht antrifft. Im Frühling ist hier der "Weideplatz des kaiserlichen Gestütes. Die schönen Arabischen Pferde werden mit vielem Gepränge hingeführt und nach Orientalischer Weise an Phähle angebunden ; Bulgaren haben die Aufsicht, und ihre Zelte sind im Thale auf- geschlagen, welches sie, bis sic abgelöst werden, unter keinem Vorwände verlassen dürfen. Im Sommer ist dieses herrliche Thal der Versammlungsort aller Stände, um hier am Freitag, (dem Türkischen Sonntag,) das Vergnügen zu gemessen, welches ein heller Himmel, ein fliessender Strom, Sonnenschein, grüne Bäume und Stauden gewähren, und welches Niemand so gnt wie der Orientale zu schätzen versteht. Ahm jungen Ochsen gezogene Fuhrwerke, die eine Bedeckung haben von Plüschsammt mit Fransen besetzt und von lebhaften Farben; Phaetons mit Vergoldung und von schnellen Pferden gezogen ; ferner Gondeln, welche durch die Zahl ihrer geschmückten Ruderer den Rang und den Reichthum der Eigenthümer anzeigen, setzen jeden Augenblick neue Ankommende aus. Die weiss verschleierten Frauen werden durch die dichten Zweige majestätischer Bäume gegen die brennende Sonne geschützt, und auf ihren Matten oder Teppichen kauernd, von ihren Sclaven bedient, hören sie stundenlang der Musik der W allachen und Bulgaren zu, welche für sehr mittelmässige Leistungen Lob und Petras * erhalten ; oder sie kaufen von den schwarzäugigen Böhmischen Blumenmädchen * Eine kleine, dünne Türkische Münze von Kupfer und Silber, welche etwa einen halben Pfennig; werth und so leicht ist, dass bei Zahlungen in freier Luft der Wind sie wohl wegbläst wenn man sich nicht vorsieht. — A. d. I). H. C 6 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. bedeutsam geordnete, hübsche Sträusse, und sehen den Slavoniern zu, welche, hier misstönenden Sackpfeifen unter dem Arm führend, auf eine sehr ungefällige Art wie unvollkommen abgerichtete Bären tanzen. Abgesondert von dem grossen Haufen sieht man hier und da Griechen sich geschmackvoll mit ihrer Roma'ika belustigen, oder meistens wohlgebildete Kinder spielen und hüpfen; zugleich gehen Leute, welche kühles Wasser oder Confect verkaufen auf und nieder, werden nach allen Seiten hin begrüsst und angerufen. Kurz es ist eine überaus lebendige Scene ; selbst der, dem eine Stelle in einem Fuhrwerk oder Boot zu theuer ist, lässt es sich nicht verdriessen, den Weg aus der Stadt zu Fuss zu machen, und achtet nicht die brennende Sonne, um nur an den Freuden dieses Tages Theil nehmen zu können. Zuweilen werden auch bedeutende Staatsgeschäfte zu Kyat-Khana verhandelt,* und dann lebt es auf dem schimmernden Barbyses von den vergoldeten Barken der Paschas und Beys, welche, wie Meteore, auf dem rieselnden Fluss fortschiessen. Den vor nehmen Staatsmann selbst bemerkt man auf seinen Polstern im Grunde des Bootes ruhend und ruhig seine Chibouke rauchend, während ein Diener, welcher dicht hinter ihm auf dem hohem Hintertheil der pfeilschnellen Barke sitzt, einen grossen rothen Schirm über ihm hält, ihn gegen die brennende Sonne zu schützen. Der jetzige Grossherr f liebt das Thal Kyat-Khana ganz besonders, und hat beträcht- liche Summen an die Verschönerung des dortigen Palastes und der zu ihm gehörigen Gartenschlösser und Brunnen gewandt. Aber zwei Jahre besuchte er es gar nicht, nämlich als hier seine Favoritin Odalike, in der Blüthe der Jugend und Schönheit, während eines Besuchs, welchen sie ihrem kaiserlichen Gebieter abstattete, plötzlich starb. Sein Schmerz über ihren Verlust war so tief, dass er das Thal gleich verliess, und es nicht wieder besuchte, bis der lindernde Balsam der Zeit die ihm geschlagene Wunde geheilt hatte. Zu ihrem Andenken liess er unter den Fenstern des von ihm bewohnten Saales ein Monument errichten, bestehend in einem Grabstein mit einer Inschrift von goldenen Buchstaben, welcher von einer Thränenweide beschattet wird und sich auf einer viereckigen Plattform erhebt. Wenn der Wind durch die biegsamen Zweige des Baumes dringt, führt er sie fast in den Saal des Palastes. Man sagt, dass der jetzige Kaiser Mahmoud, welcher für einen ziemlichen Dichter gehalten wird, in der Zeit seiner Trauer eine Elegie voll von Gefühl auf sie schrieb. Sei dies, so ist sie doch jetzt vergessen und eine ganze Schaar neuer Schönheiten füllt die goldgeschmückten Zimmer des Palastes zu Kyat-Khana. * Der wichtige Tractat wegen Abtretung der Krimm an Russland wurde in Kyat-Khana unter- zeichnet. — A. il. D. H. t Er starb seitdem unerwartet am l ,eD Julius 1839, im 54 J. seines Alters. — A. d. 1). H. I EYOUB, EINE VORSTADT VON CONSTANTINOPEL. “ Zu schäum wie viel für dieses schöne Land Der Himmel that. erfüllet mich mit Wonne!” Byron. Die Stadt Eyoub* nahe bei Constantinopel, aber von seinen Mauern nicht eingeschlossen, ist den Türken besonders heilig ; sie fängt am östlichen Ende der Hauptstadt an, zieht sich bis nach dem Rande des Hafens hin, und hat überhaupt eine reizende Umgebung. Ihre prächtige Moschee und ilir pittoresker Leichenhof sind beide historisch merkwürdig, ihre Lage aber, da sie die ganze Linie des Goldenen Horns f überblickt, zugleich einen entzückenden Prospect weit den Bosphorus hinauf gewährt, hat vielleicht ihres Gleichen nicht. Sanft gerundete Hügel mit Bäumen verschiedener Art, die sich aber alle durch Schönheit auszeichnen, bedeckt, bilden einen höchst romantischen Hintergrund ; der hohe Ahorn und der belaubte Platanus, die Acacie sich wie ein Fächer ausbreitend, und die steife Cvpresse blühen neben einander und beschatten ein Gewirr von Gräbern. Der Oit selbst ist besser und regelmässiger gebaut als sonst gewöhnlich hier zu Lande ; ansehnliche, gefällige Wohnungen umgeben einen Theil des Hafens. Die gedachte Moschee ist vom reinsten, weissen Marmor erbaut, und ihren Hofraum , welcher ebenfalls mit Marmor gepflastert ist, beschatten gigantische Bäume. Sie wird für den heiligsten aller Tempel in Constantinopel gehalten, denn an dieser Stelle, sagt man, wurde, während (der ersten) Belagerung der Hauptstadt durch die Saracenen im J. 668, Abu Eyoub, der Waffengefährte des Propheten, getödtet, welches,* etwa 800 J. später, eine übernatürliche Erscheinung dem Grosssultan Mahomed II. offenbarte. Zum Andenken an jenes Ereigniss legte er den Grund zu der jetzigen Moschee, welche zu * Dieser Türkische Name ist gleichbedeutend mit Hiob. — A. d. D. H. t Der zugleich sichere und bequeme Hafen von Constantinopel hiess früher das Horn von Byzanz, später nannte man ihn das Goldene Horn. Er ist am Eingang 500 Engl. Ellen breit und zieht sich siebei. Engl. Meilen lang in das Land. Eine unglaubliche Menge der verschiedenartigsten Vögel schwärmt hier, besonders in den kaltem Monaten, umher, singt und setzt sich auf die mit Korn beladenen Fahr- zeuge ruhig speisend als kenne sie die religiösen, sie schützenden Bedenklichkeiten der Muhammedaner. Besonders den Turteltauben, welche in hohen Ehren gehalten werden, verwehren die Türken nichts. — A. d. I). Her aus ff. I Hauptsächlich die Stelle, wo Abu Eyoub begraben worden, auf welcher Mahomed II. ein prächtiges Mausoleum aufführen liess. — A. d. D. H. ANSICHTEN DES BOSPHORUS. £ don geschmackvollsten gehört, und eine Vergleichung mit denen der Hauptstadt nicht scheuen darf. Eine eigenthiimliche Wichtigkeit erhält sie dadurch, dass der Grosssultan bei seinem Regierungsantritt hier mit dem Schwerdte der Gnade umgürtet wird.* Kein Ungläubiger darf unter irgend einem Vorwände die Moschee von Eyoub betreten ; es wurde dies für eine Entweihung derselben gehalten werden. Selten, immer ungern, erlaubt man Christen nur in den Hofraum zu kommen. Nahe am Ufer steht zu Eyoub einer der, von dem unglücklichen Sultan Selim gebauten Sommerpaläste, das anmuthige Thal überschauend, durch welches der Barbyses ruhig fortströmt, ehe er sich im Hafen verliert. Jetzt gehört er der Sultanin Asme, ältern Schwester des jetzigen Grosssultans. Die Auschmüciumg des Innern ist sehr überladen, aber freilich überaus kostbar, und ganz im Orientalischen Geschmack. Das vormalige Staatszimmer des unglücklichen Monarchen ist über und über vergoldet ; die Wände haben Nischen und ihr Karniess mit Stalactiten gleicht dem, welches die Grüfte vieler alten Münsterkirchen England’s schmückt. Das schwerfällige dieser gekünstelten Verzierung wird durch die Zimmerdecke von mattem Blau, hie 'und da mit Silber Sternen, gemindert. Das äussere des Gebäudes ist ganz im Maurischen Ge- schmack; das Dach tritt hervor, und die Fassade ist von beträchtlicher Länge. Nahe bei diesem Schloss steht die grosse Fez Manufactur, wo jetzt alle Kappen für die Armee und den Llof verfertigt werden. Dies Gebäude aus neuerer Zeit steht auf der Stelle eines alten, verfallenen Lustschlosses des Kaisers, und ist ehr nicht unwichtiger Theil in dem Gesammtbilde der Gegend. Hinsichtlich der Anstalt selbst dürfte folgende sie betreffende Anecdote den meisten Lesern unbekannt seyn. In alten Zeiten kaufte man die Mützen für die Grossherrlichen Truppen zu Tunis, wo sich treffliche Fabriken hiezu befanden. Aber der hohe Preis, welchen man dort forderte, veranlasste, dass Omer Effendi den Rath gab, eine Mützenfabrik im Lande selbst anzulegen. Er veranlasste darauf eine Anzahl Tunisischer Arbeitsleute ihn nach Constantinopel zu begleiten, und diesen wies man anfangs das alte Schloss an, an dessen Stelle seitdem das jetzige, ansehnliche Gebäude getreten ist. Unter ihrer Leitung verfertigte man nun Kappen, die eine ganz gute Facon hatten und auch ihr Gewebe fand Beifall; allein was das Färben anbetrifft, erklärten sie, dies sei ein Geheimniss, sie verständen es nicht Die Türkische Regierung liess also noch mehrere Arbeitsleute aus Tunis kommen, um den Plan des unternehmenden Omer Effendi zur Ausführung zu bringen ; aber obgleich man die besten ausgewählt hatte, die man finden konnte, war der Erfolg ihrer Leistungen doch nicht so wie man es erwartet hatte, denn die Farbe war ■schmutzig, und hatte nicht den Glanz der Tunisischen. Die Facon und das Gewebe der Mützen waren sonst wie bei den Tunisischen. Die Araber erklärten, die fehlerhafte Färbung rühre von dem Wasser in und bei Constantinopel her ; dies schicke sich nicht zu den Färbestoffen, deren • ' V * Diese Ceremonie hat die Bedeutung der Krönung, und man bewahrt das Schwerdt, welches dabei gebraucht wird, nebst verschiedenen Reliquien des Propheten, in der Moschee zu Eyoub. — A. d. D. Her. ERINNERUNG AN ALI PASCHA. 9 sie sich bedienten. Man machte noch einen Versuch zu Smit, allein der Erfolg war nicht besser, und so war man schon im Begiiif, die Fabrik wieder aufzugeben, als Omer Effendi Verdacht gegen die Ehrlichkeit der Arabischen Arbeitsleute schöpfte, daher einen geschickten Armenier aus Angora, Namens Avanis Aga, als Türken verkleidete, und als Aufwärter im Färbehause anstellte. Dieser Mann war ein guter Chemiker und gab genau auf alles Acht; allein man hatte keinen Verdacht, weil er nur als Aufwärter da war, und übrigens ziemlich einfältig zu seyn schien. So hörte er von ihnen, wie man in Tunis verfahre, und sah zugleich, wie sie die Farbe verdürben. Sobald Avanis Aga den Betrug entdeckt hatte, welchen die Arbeiter entweder aus Gehorsam gegen geheime Befehle des Dey’s gespielt hatten, oder aus Eifersucht, da sie vielleicht ihrem Vaterlande das einträgliche Geheimniss zu erhalten wünschten, fing er selbst an zu arbeiten, ohne Jemandem etwas davon zu sagen. Er gebrauchte bei dem Färben von zwei Mützen Wasser aus Smit, und sobald sie trocken waren überreichte er sie dem Omer Effendi, welcher sie von echt Tunisischen nicht unterscheiden konnte und, erfreut über den glücklichen Ausgang der Sache, die Araber vor sich kommen liess, um ihnen die Mützen zu zeigen. Diese begriffen bald, dass sie überlistet waren, dreheten sich mit einem Male tun, starrten den Armenier an, rmd schrien indem sie ihre Turbane auf die Erde warfen, ihr Haar zerrissen : “Yaccoup! Yaccoup!” (Jacob, Jacob !) Der Aufseher der Anstalt entliess sie darauf ihres Dienstes ; sie erhielten indessen für die Zeit, da sie in Con- stantinopel gewesen, eine gute Vergütung und wurden frei nach Tunis zurückgeschickt. Zugleich wurde Avanis Aga als Oberfärber der kaiserlichen Manufactur zu Eyoub angestellt, und er hat nun die Ehre, über die eigentliche Farbe der Mütze zu entscheiden, welche Mahmoud der Mächtige, “ das Licht der Sonne,” “ der Abglanz der Herrlich- keit der Welt,” trägt. Aber das interessanteste Bild der Scenerei von Eyoub ist der schön gelegene Leichenhof auf der Abdachung einer mit Bäumen dicht besetzten Anhöhe. Nach dem von Scutari halten die Türken auf ihn am meisten. Hier sind die Gräber des grausamen Ali Pascha von Janina, (Tepeleni,) dessen Leben, Empörung und Tod einen wilden, schauderhaften Roman aus der wirklichen Welt bilden, seiner drei Söhne und seines Enkels ; alle erlitten dieselbe Strafe und ihre Ivöpfe, aber nicht der übrige Körper, sind hier neben einander begraben. Dem Auge des Fremden werden fünf längliche Mar- morblöcke nicht entgehen, welche, an einer leicht bemerkbaren Stelle, gegenüber dem Thore von Selyvria an der Befriedigungs Mauer neben einander liegen ; sie sind von verschiedener Höhe, mit Turbanen geziert und der, welcher das Haupt jenes Wütherichs deckt, hat die Inschrift : — “ Hier liegt der Kopf des einst so berüchtigten Tepedelenly Ali Pascha, Statthalters in der Sandschakschaft von Janina, welcher über fünfzig* Jahre * Damit ist es wohl nicht so genau zu nehmen. Vor 1787 konnte es ihm schwerlich einfallen, sich die Oberherrschaft von Albanien anzumassen ; denn es fehlte ihm zur Ausführung eines solchen Planes an den erforderlichen Mitteln. Diese erlangte er erst seit jenem Jahre, als er sich, an der Spitze eines unternehmenden Albanischen Hülfscorps, der im Kriege mit Russland begriffenen Türkischen Armee sehr D 10 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. nach der Souverainetät von Albanien strebte.” Die Inschriften auf den übrigen Grab- steinen geben blos den Namen und Stand der unter ihnen hegenden Opfer an, und schlicssen sehr naiv mit der Bemerkung : “ er wurde geköpft !” Man hielt den Umstand, dass sie mit dem Empörer verwandt waren, für Verbrechen genug, und legte ihnen eigene Vergehungen nicht weiter zur Last. Ich hatte eines Tages Gelegenheit, die Witwe des lange gefürchteten Paschas zu sehen, als ich einen Besuch machte im Griechischen Quartier, dem Fanar. Sie ist die Tochter eines Griechischen Popen oder Geistlichen in Janina und ziemlich unterrichtet. Sie war sein- schön und man sagt, dass der Pascha sie leidenschaftlich gebebt habe. Gleich - Avohl soll sie ihn der Türkischen Begierung für Geld verrathen haben. Die Richtigkeit dieser Angabe ist wohl sehr zweifelhaft, aber ohnstreitig hatte sie viel Einfluss auf ihn, und blos durch ihre Vorstellungen und Bitten wurde er von der Ausführung des ver- zweifelten Vorhabens abgehalten, sie selbst, sich und seine Schätze mit Pulver in die Luft zu sprengen, damit sie nicht in die Hände des Grosssultans fielen. Sie war zugleich die Unterhändlerin zwischen Ah und Khurschid Pascha. Aber welchen Vertrag sie auch machte, so empfing sie nach der Hinrichtung ihres Mannes von der Türkischen Regierung weder Geld noch Land, sondern wurde in einem völlig dürftigen Zustande unter die Aufsicht des Griechischen Patriarchen gestellt, und lebte dann blos von milden Geschenken. Ich hörte, dass sie selten ihr Zimmer verlasse, nur um dem Gottesdienste in der Kapelle des Patriarchen beizuwohnen, und überhaupt sein - andächtig sey.* Der Prospect vom Leichenhof ist entzückend. Auf der einen Seite sieht man die Stadt auf ihren sieben Hügeln mit tausend prächtigen Kuppeln glühend im Sonnenglanz, und mit tausend langen spillenförmigen Thürmen gen Himmel schauend, welche sich am Rande des Plafcns fortziehn bis sich diese Linie verliert bei dem steilen, mit Palästen beladenen Punct des alten Byzanz, über welchen hinaus man das Ende des Bosphorus entdeckt und die Bergkette von Bulgurlhu am Tliracischen Ufer des Kanals. Auf der andern Seite des Hafens gleitet sanft der Barbyses fort, sich wie ein Silberfaden durch das Thal Kyat-Khana ziehend, um seinen Beitrag zu geben zu den, Schiffe mit reichen Ladungen führenden, Gewässern des Goldenen Horns. Wenige Schritte von diesem ruhigen Strom steht am Ende eines massigen Dorfs eine kleine Moschee, halb unter Bäumen versteckt, dem Anschein nach von keiner Bedeutung, und daher von Fremden nützlich gemacht hatte. Er starb aber schon am 5 ,cn Fehr. 1822, und war zu Tepeleni 1744 geboren. Zwei von seinen Söhnen, Veli und Muchtar Pascha, wurden bereits im Aug. 1821 hingerichtet. — A. d. D. II. * Nachdem sich Ali Pascha fast zwei Jahre gegen Khurschid Pascha, welchen die Türkische Kegierung mit einer grossen Macht gegen ihn beorderte, gefochten hatte, bewog ihn allerdings Wasilika, seine Gemahlin, dass er seine festen Plätze übergab, aber gegen die eidliche Versicherung, dass man sein Vermögen und Leben schonen wolle. Khurschid Pascha gab diese eidliche Versicherung am l ton Febr. 1822, aber brach sie schon am 5 ten Febr., und liess seinem Gegner in dem Sommerschloss, wohin er sich zurückgezogen, melden, er müsse sterben. Ali widersetzte sich einen Augenblick, wurde aber mit sechs seiner Anhänger niedergehauen. — A. d. D. Herausg. DIE MOSCHEE DES BLUTES. U selten beachtet. Wir müssen aber auf sie aufmerksam machen, da sie ein geschicht- liches Interesse hat. Sie heisst die Moschee des Blutes, und ist vom Grunde bis an die Spitze ihres einzigen Thurms roth angemalt, welches keine dem Auge wohlthuende Wirkung macht. Sie bezeichnet die Epoche der letzten Belagerung Constantinopels, zu welcher Zeit bewaffnete Haufen hineindrangen ; einige davon fanden den Tod in ihr und so wurde der Tempel entweihet, da sich, nach Muhamedanischen Grundsätzen, der Tod nicht in ihm zeigen darf. Nahe dabei befindet sich ein kahler Hügel, ohne alle Bäume, dem Anschein nach trauernd: er schliesst die irdischen Ueberreste aller Rechtgläubigen in sich, welche in jenem merkwürdigen Kampfe umkamen und deren Zahl viele tausende beträgt ; aber kein Denkmal, keine Inschrift bezeichnet die Dienste, welche sie leisteten. Weiter über diese Moschee weg bemerkt man die Gebäude des See Arsenals, die Schiffsbauwerfte, die Galeeren, (welche unter dem Befehl des Oberadmirals stehen,) die Pulvermagazine und den verfallenen Palast eines vormaligen Grossadmirals : diese Gebäude bedecken das Ufer bis nach der Vorstadt von Kassimpascha hin, wo die Caserne für die Seetruppen auffallen wird. Sie ist freilich ein gewaltiges Gebäude, aber sonst nur durch den schlechten Geschmack ihrer bunten Frescomalereien ausgezeichnet, und das Oede des Ortes erweckt einen kalten Schauder. Nahe dabei befindet sich die neue Admiralität Tershana, ein scheckiges, geputztes Gebäude, dessen Ausschmückung keinen sonderlichen Geschmack verräth. Es steht an einer kleinen Bay und hat die Aussicht auf eine Anlände von Holz. Hinter einer Docke, welche mit starken, gut gebaueten Mauern eingeschlossen ist, und in welche man durch zwei schöne, eiserne Thore gelangt, unterhalb Kassimpascha, erhebt sich eine mit Cypressen bedeckte Höhe, welche nach dem Wasser zu abfällt, und hier bildet das Ende eine steile, zum Theil aus dem Felsen gehauene, und zum Theil künstliche Treppe, welche die Todtentreppe, Meite- eskelli, heisst. Dieser dunkele W ald bezeichnet den sogenannten “ kleinen Leichenhof” zu Pera, der von Fremden (Europaeern, sogenannten Franken,) bewohnten Vorstadt ; und der Landungsplatz unten an der bemerkten Treppe dient vorzüglich zum Einschiffen von Leichnamen, welche die Verwandten eines verstorbenen Türken nach dem Todtenacker der Asiatischen Vorstadt Scutari bringen. Gerade vor dem Landungsplatz weg verschliesst den Hafen eine Schiff brücke, welche sich von dem Hafendamm zu Galata, (dem Revier der Fränkischen Kaufleute, beherrscht von dem Hügel, auf welchem Pera gebaut ist,) nach dem sogenannten Gartenthor, bei dem Perlen Kiosk, und dicht unter die Mauern des Serails zieht ; die ferne’ TJferlinie aber mit den Häusern und öffentlichen Gebäuden von Topp- banne besetzt, tritt allmählig zurück, und verschwindet am Ende unter dem herrlichen Schatten von Bulgurlliu. DIE TÜRKISCHEN BÄDER. Erschöpft von Hitze und mit Schweiss bedeckt, Ruht die Osmanin hier auf seid’nen Polstern ; Sie schliesst die Augen, träumt, und gleicht der Rose Wenn Regentropfen sich an sie hangen. Zu ihrer Seite knieet eine Sclavin, Das volle Haar zu ordnen, erfrischt Zugleich die Schmachtende durch Wohlgeruch. Aus d. Papieren d. Verfasserin. Kein Genuss ist bei den östlichen Völkern so vervollkommnet wie die Freuden der Badstuben ; die der Reichen und Vornehmen verwirklichen die Phantasien der tausend und Einen Nacht, so feenhaft sind sie, so leicht und heiter, mit gemaltem Glas, weissem Marmor, Brocat und Stickereien geschmückt. Auch eine sonst beschränkte Baderei hat bei den Türken immer drei Gemächer, nämlich die Vorhalle, in welcher man die Badekleidung anlegt ;* dann das Kühlzimmer, welches viele Polster und sonstige Bequemlichkeiten hat, dabei mässig geheizt wird, weil die Badenden eine kurze Zeit in ihm verweilen, ehe sie sich der frischen Luft der vordem Stube aussetzen ; endlich die eigentliche Badstube, in welcher es so zum Ersticken heiss ist, dass man die ersten Secunden wirklich nicht at Innen kann. Die Grossheirliche Badeeinrichtung im Sommerpalast Beglerbeg ist eine der ge- schmackvollsten und kostbarsten der Haupstadt und deren Umgebung. Da man sie nur auf ausdrückliche Erlaubniss des Sultans selbst zu sehen bekommt, so verdient sie wohl eine nähere Beschreibung. Eine carmoisinfarbene Tliüre mit einem Karnicss in der Form eines halben Mondes und reich vergoldet, öffnet dem Eintretenden einen kleinen Saal, in welchem sich ein Bassin von feinem, weissem Marmor mit zwei Schwänen, aus demselben Material gearbeitet, befindet ; diese scheinen in dem klaren W asser zu spielen, welches von hier durch nicht sichtbare Röhren in die "Wasserbehälter für den Bedarf der Badenden geleitet wird. Das Licht dringt in diesen Saal nur nachdem es sich durch Sterne und halbe Monden von gemaltem Glas gedrängt hat, welche sich im Marmordach * Die Badekleidung besteht hauptsächlich in einem baumwollenen Ueberwurf und hölzernen Pan- toffeln; die letztem sollen die Füsse gegen die Hitze des heissen Bodens schützen. Das Heitzen der Badstuben geschieht durch Röhren, welche durch die Mauern laufen und die heisse Luft nach allen Seiten hinleiten. Damen baden gewöhnlich jeden Tag; Männer zwar nicht so häufig, allein überhaupt macht den Türken ihre Religion zur Pflicht, sich oft zu waschen, und befiehlt ihnen überdies auch ausdrücklich, zu gewissen Zeiten und unter besondern Verhältnissen, sich zu baden. — A. d. D. II. 13 DIE ÖFFENTLICHEN BADER DER TÜRKEN. wie Juwelen Trauben ausnebmen ; es herrscht liier also ein Halbdunkel. Das dann folgende Kühlzimmer ist mit reich gesticktem Seidenzeuge behängt, und hat an der Mauer des untern Endes des Divans einen grossen Spiegel in einem Rahmen von Gold und Email, oben mit dem geschickt gearbeiteten Ottomanischen W apen ; der Divan selbst aber ist aus Atlas gebildet und gewinnt durch die Mannigfaltigkeit der dazu gebrauchten Seidenzeuge von lebhaften Farben das Ansehn eines Blumenbettes ; die hier und da auf den Sitzen liegenden Polster sind auch sehr hübsch und kostbar. Das Badezimmer ist hier eine sehr grosse Halle von vielem Geschmack, seine A\ ände. Decke und das Pflaster sind mit Marmorplatten belegt und die Beleuchtung wie beim Kühl- zimmer. Die Idee, dass hier Springbrunnen angebracht sind, gefällt sehr, und übrigens verursacht hier jeder Fusstritt ein langes, dumpfes Echo, das tiefe Schweigen des Ortes unterbrechend. In dieser Beschreibung ist nichts übertrieben, und sie kann zugleich dazu dienen, sich überhaupt von allen Bädern der vornehmen Türken eine Vorstellung zu machen. Die Badeanstalten der Paschas, Beys u.s.w. sind in ihren wesentlichen Einrichtungen der obigen gleich, aber nach den Mitteln der Eigenthümer nieirr oder weniger glänzend. In ihnen verweilen die schönen Bewohnerinnen der Paläste ganze Stunden, und eine glühende Schwefelhitze einathmend lagern sie sich hier in weiten Umschlagetüchern von Musselin, welche mit Gold durchwirkt sind und goldene Fransen haben. Ihrdunkelcs Haar fiiesst über ihre elfenbeinenen Schultern herab. Nichts ist ihnen angenehmer, als der Zustand des Schmachtens, in welchen sie das Bad versetzt; nach demselben schlürfen sie Sorbet aus den schönsten Früchten bereitet, und oft überlassen sie sich auch einem Schlummer, welcher nirgends so tief ist, wie in den dichten Dunstwolken eines Badezimmers. Eine sehr verschiedene Scene bietet aber der öffentliche Hammam dar. Hier ist kein zum Träumen einladendes Schweigen, hier kann man sich nicht tiefsinnigem Nach- denken hingeben, denn Hunderte versammeln sich in ihm, und das Echo des Daches mit so vielen Kuppeln verstärkt und verlängert jeden harten Ton zu zehnfachem Missklang. Anstalten dieser Art sind in Constantinopel zahlreich und manche Unternehmer sollen sich ein, nach dem Maasstabe dieses Landes sehr beträchtliches, Vermögen dadurch erworben haben, obgleich sie eine hohe Taxe bezalden müssen. Sie sind von acht Uhr Morgens bis Sonnenuntergang offen, und Männer sowohl als Frauen besuchen sie einen Tag um den andern. Manche Damen heben sie so sehr, dass sie alle ihre Mussestunden im Hammam zubringen. Er ist ihnen ein Paradies, in walchem sie hauptsächlich Erholung und Vergnügen suchen. Im Badehause besprechen im Orient die Damen Ahes, was sie interessirt : hier erzählen sie sich Stadtneuigkeiten und Familienscandal, verabreden oder hindern Heirathen ; hier fragen sie sich einander um Rath, klagen sich ihre häusliche Noth, rühmen sich der Gewalt über ihre Männer, und unterhalten sich daneben gelegentlich auch von Politik. Im Gegensatz zu der Stille und Ruhe des Harems ist ihnen der Lärm, die Unruhe, die Geschäftigkeit in einem Hammam überaus erwünscht VOX.. I. v. 14 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. Im Badezimmer ist der Fussboden so heiss, dass man, wenigsten anfangs, mit blossen Füssen nicht darauf stehen kann. Hölzerne Pantoffeln sind daher unentbehrlich und diese sind mehrere Zoll hoch. Bei Vornehmen sind sie ein sehr kostbarer Artikel, denn das Band, mit welchem sie über der Spanne befestigt werden, ist oft mit Juwelen besetzt. Die Form des Badezimmers ist achteckig. Es ist ein grosser Saal mit acht Fontänen, und umgeben mit kleinen Cabmetten für Diejenigen, denen die mehr für den allgemeinen Gebrauch bestimmte Halle nicht gefällt. Wie ich es hier fand, habe ich in meinem Werke : the city of the Sultan, die Hauptstadt des Grosssultans, erzählt, und vielleicht dürfte es passend sein, Folgendes aus ihm anzuführen. “ Einige Augenblicke war ich ganz verwirrt. Der schwere, dichte Schwefeldunst hätte mich fast erstickt ; das wilde gällende Geschrei der Sclavinnen, welche in den schallenden Kuppeln des Saales läuteten, hätte wohl den Marmor, mit welchem er belegt war, bewegen können ; dazu das Kichern, Flüstern, Gemurmel der Damen unter einander ; der Anblick von fast dreihundert Frauenzimmern, die nur zum Theil gekleidet waren und deren feinen Ueberwurf der Wasser dampf so ganz durchdrungen hatte, dass er ihre Formen deutlich sehen liess ;* die geschäftigen Sclavinnen auf und ab gehend, nackt von oben bis an den Nabel, die Arme über dem Busen gefaltet, und dabei auf dem Kopf Pakete von Tüchern, die mit Fransen besetzt oder gestickt waren, balancirend ; ganze Gruppen hübscher Mädchen, die zusammen schwatzten, mit einander lachten, dabei Confect assen, Sorbet oder Lemonade tranken ; Haufen spielender Kinder, die sich aus der erstickenden Atmosphäre nichts zu machen schienen, und, was dem Ganzen die Krone aufsetzte, die wilden, scharftönenden Melodien, welche ein Türkisches Sängerchor anstimmte, und das Echo in dem grossen Baume wiederholte, als ob liier Dämonen hauseten — alle diese Züge zusammengenommen stellten mir ein Bild dar, welches ich geneigt war für die Ausgeburt einer kranken Phantasie und für Täuschung zu halten.” Während es in diesem Saale so bunt und wild hergeht, versammeln sich Badende um die Fontainen, welche immer einen reichen Vorrath von heissem und kaltem Wasser haben, und bei jeder Dame stehen eine oder mehrere Sclavinnen.f Das Haar wird gekämt und aus * Der blaue oder rothe Ueberwurf der Männer geht nur vom Nabel bis an die Knöchel und ist gewöhnlich vom Baumwolle, aber auch von Seide und Leinewand. — Anm. d. D. Herausg. ■f Bei den Männern geht es etwas stiller zu, wenigstens sprechen sie nicht so viel. Sie lassen sich im Badesaalp auf eine ausgebreitete Decke nieder, haben unter dem Kopf ein Küssen, und so liegend warfen sie sich rechts und links und nehmen die verschiedensten Positionen an, ohne sich im geringsten Zwang anzuthun. Die Hitze ist immer so beträchtlicji, dass in kurzer Zeit der Schweiss hervortritt. Tn diesem Zustande bleibt der Badende eine Weile liegen, dann tritt sein Diener herein, welcher ihn mit zeuchenen Handschuhen über dem ganzen Körper reibt. Ist er krank, hat er z. B. die Gicht in den Schultern, so massirt ihn auch der Aufwärter, d. h. er drückt methodisch Haut und Fleisch, durchknetet ihn. Den Kunstausdruck massiren haben auch die Engländer beibehalten, welche dafür to mass sagen ; er ist aus dem Griechischen hergenommen, wo gatrut'iv reiben bedeutet, oder aus dem Arabischen, wo mass sanft drücken heisst. Bei dieser Operation w'ird der unbemerklichste Schmutz aus den Poren getrieben, die Glieder werden gedehnt, die Gelenke gerenkt, und die Haut schuppt massig ab, gewinnt DIE TOILETTE DER TÜRKINNEN 15 einer metallenen Schaale Wasser darauf gegossen.* Hernach werden die Glieder sanft gerieben, wobei die Hand der Sclavin mit einem Handschuh, oder vielmehr einem Beutel, aus Kameelharen gewebt, bedeckt ist. Zuletzt tritt die Badende an die Thür des Saales, um ihr triefendes Gewand mit einem trocknen zu vertauschen, und in diesem tritt ' sie in das Kühlzimmer. In dem Kühlzimmer werfen sich die Türkinnen auf ihre Matten und Teppiche, und liegen hier oft Stunden lang das Haar mit schweren Tüchern bedeckt und sonst ganz in lange, weisse Umschlagetücher, die wie Grabtücher aussehn, gewickelt. Hörte man sie nicht unaufhörlich zusammen schnattern, und machte sie der Dampf nicht roth, so sollte man glauben, man habe eine Anzahl todter Körper vor sich, die man begraben wolle. Bei dem öftern Aufgehn der Thür des Badesaales dringt in das Kühlzimmer viel Qualm ; aber die Hitze, welche daraus entstehen müsste, wird durch kleine Känale mit Wasser von nur massiger Wärme gemindert, welche in allerlei Richtungen sich durch den Boden ziehen und so eine Temperatur hervorbringen, welche die Badenden auf den Eintritt in die Vorhalle vorbereitet. Sind die Türkinnen so weit fertig, dass sie sich in die Vorhalle wagen, f so springen sie auf ihre Sophas und ihre aufmerksamen Sclavinnen wickeln sie in warme Kleider, giessen dann Duftessenz auf ihr Haar, flechten dies aber nur lose, so dass das wohl- riechende Wasser darin bleibt, und schmücken es zuletzt mit einem hübschen Kopftuch von gesticktem Musselin. Ueber das Gesicht und die Hände wird eine andere Art von wohlriechendem Wasser gesprengt und nun sinkt die Erschöpfte, unter einer Decke von Atlass oder von Eiderdunen, in einen süssen Schlummer. Unterdessen sieht es im dabei ein sanftes, glattes Ansehn wie Atlass, welches sich einige Stunden hält. Das Shampuen bei den Indiern ist ein noch kräftigeres Massiren, und man rühmt sehr das darauf folgende Wohlbehagen. — A. d. D. H. * Bei der Reinigung der Haare gebrauchen die Türkischen Damen das Kaffeh-kil , welches eine parfumirte, seifenartige Erde ist. Um entbehrliche Haare von Stellen, wo man sie nicht wünscht, weg- zubringen, bedienen sich Männer und Frauen eines sanften Aetzmittels, welches Otk heisst, und aus einem dunkelbraunem Mineral Rusma, halbgelöschtem Kalk, Wasser und Honig bereitet wird. Rusma wird 7on den Arabern Dersa genannt und besteht aus einem Theile Operment und 8 Theilen Kalk. Diese Composition hat eine graue Farbe und wenn man Haare damit bestreicht, so fallen sie in wenigen Minuten aus, ohne dass es Schmerzen machte. Bei dem Waschen der Haare und des Kopfes gebrauchen die Türkinnen hauptsächlich Rosenwasser. — A. d. D. H. \ Das erste Zimmer oder die Vorhalle, Jamelien, ist nämlich oben offen, so dass die Luft freien Zutritt hat und die Temperatur hier sehr verschieden ist von der des Badezimmers. Die Toilette, welche die Türkischen Damen im Ankleidezimmer machen, nimmt bedeutend mehr Zeit weg, als die der Herrn. Ausser dem, was im Text hierüber vorkommt, bemerken wir noch Folgendes. Sie waschen sich hier über den ganzen Körper mit Rosenwasser. Die Augenbraunen schwärzen sie mit einem Präparat, welches Cohel. heisst und eine Auflösung von Zinn, mit Galläpfelextract vermischt, ist. Ihre Nägel färben sie mit Hennegelb, welches aus den Blättern der in Egypten häufig vorkommenden Staude Henne bereitet wird. Das im Text bemerkte Wärmen der Kleider, welche sie anlegen, geschieht durch den wohlriechenden Dampf des Aloe Holzes. — A. d. D. II. 16 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. mittlern Theile dieses Ortes aus, als ob hier Markt wäre ; man bietet Zuckerwerk, Sorbet und Früchte zum Verkauf an, aber die alten Weiber, welche Schalen mit dicker, saurer Milch in ihren Körben haben, sind oft auch Ueberbringerinnen von Liebesbriefen. Ncgrinnen gehen auf und ab mit dem Mittagsessen oder den Chibouken ihrer Gebiete- rinnen, es werden vertrauliche Mittheilungen gemacht, Geheimnisse ins Ohr geflüstert u. s. w. Die ganze Scene ist überhaupt so neu und zugleich so anziehend, dass kein Europäer einen Türkischen Hammam ohne viel Vergnügen besuchen wird. Zusatz des Herausgebers. Folgende fernere Bemerkungen über diesen Gegenstand dürften den Lesern willkommen seyn. Die Erwärmung des Wassers wird im Funda- mente des Gewölbes veranstaltet, von wo es nach den Kanälen in den Mauern, aus diesen in die Marmorbassins geleitet wird. Im Badezimmer steht der Beaumurche Wärmemesser meistens auf 30*. Wenn die anwesenden Badegäste es verlangen, werden auch Bäucher- pulver gebrannt, deren Dampf sich dann mit dem Qualm aus den Fontänen und der Cisterne verbindet und die Badenden in eine Wolke von Wohlgerüchen hüllt, welche in alle Poren dringen und eine angenehme Wirkung auf den Körper machen. Für die Sicherheit der im Ankleidezimmer abgelegten Effecten haftet die Aufseherin, Hämomdji Cadina, die einen erhabenen Sitz im Vorzimmer einnimmt. Aus der Darstellung der Verfasserin des Englischen Textes dieses Werkes sieht man, dass es Badehäuser giebt, welche an verschiedenen Tagen der Woche abwechselnd sowrnhl von Männern als Frauen besucht werden. Aber noch gewöhnlicher ist jedem Geschlecht sein eigenes Badehaus bestimmt; ja, der Name vieler Bädereien zeigt auch gleich an, welche Classe der Bewohner Constantinopels darin erwartet wird, z. B. Gharib Hammami oder das Frem- denbad, Erg ad Hammami oder das Tagelöhnerbad. Auf diese Weise fällt schon Einiges von dem Befremdenden des gemeinschaftlichen Badens so vieler, sich meistens einander unbekannten Menschen weg. Baden sich ja auch bei uns unter freiem Himmel Hunderte in der See oder in Flüssen ohne Unterschied des Alters, Standes und Banges ! Die Türken lernten bei der Eroberung Constantinopels im J. 1453 den ganzen Badeluxus der Griechen kennen und nahmen ihn zum Thcil an. Bei den Griechen war es aber nicht ungewöhnlich, dass sehr angesehene Männer öffentliche Bäder besuchten, obgleich die Beichen ihre eigenen Privatbäder hatten. Eben so war es auch bei den Bömern, welche gleichfalls in Hinsicht ihrer Badeeinrichtungen Griechischen Mustern folgten, wie schon das Wort thermee anzeigt. Wir finden, dass selbst Bömische Kaiser, um sich beliebt zu machen, zuweilen in öffentlichen Anstalten badeten. Von den Bädern des neuen Seraiszu Constantinopel sind besonders die des Sultans, der Sultanin Cliasseki, (Favoritin,) und der Sultanin Walide, (Mutter,) zu bemerken. Das innerste prachtvolle Bad des Harems ist blos aus Tavernier’s und Ewlia’s Beschreibungen bekannt. Unter den öffentlichen Badeanstalten zu Constantinopel zeichnet sich das, in der Vertiefung der alten Cisterne des Arcadius von Mohammed II. angelegte, Tsclmkur Hammam, (d. i. Bad des vertieften Grundes,) durch Schönheit und Grösse besonders aus. Nächst diesem haben die von Aja Sophia, S. Bajasid, Wefa Meidani, Cliasseki, Jeni ■URSPRUNG DER TÜRKISCHEN BADEEINRICHTUNGEN. 17 Hammam u.s.w. den meisten Zuspruch. Ueberhaupt wird die Zahl der öffentlichen Bader in Constantinopel auf 130 angegeben — eine bedeutende Zahl, die gleichwohl mit der des alten Borns unter den Kaisern keine Vergleichung zulässt. Hier waren allein 856 Freibäder, wo Einwohner unentgeltlich warm oder kalt baden konnten. Agrippa liess in der Zeit da er iEdil war, nicht weniger als 160 offen tliche Badeanstalten aufführen, und sie wurden von Vespasian, Titus, Domitian, Aurelian, Maximian u.s.w. bedeutend vermehrt. Die berümten Bäder Caracalla’s waren mit 200 Marmor Säulen geschmückt und es konnten darin bequem 1800 Personen zugleich baden. Doch übertrafen die tliermce Diocletiance alle Vorgänger an Pracht und Umfang. Mehrere Jahre nach einander sollen, wie man lies’t, viele tausend Menschen daran gearbeitet haben, und Einiges hat sich von ihnen bis jetzt erhalten. Unterdessen badeten die Römer und Griechen nur zum Vergnügen, während die Türkischen Aerzte viele Krank- heiten damit heilen, namentlich Mangel an Appetit, unvollkommene Verdauung, Magenbesch werden, Hautkrankheiten, rheumatische Uebel, und die meisten der soge- nannten Frauenzimmer kranklreiten. Die Kuppeln der ansehnlichen Badeanstalten zu Constantinopel sind Abends erleuchtet. DER PALAST ZU BESCHICKTASCH.* “ Schau hier Europa’s Ufer, dort Asien’s Gestade Geschmückt mit Palästen des Sultans und der Paschas, Den Ocean bedeckt mit Linienschiffen, Das Gold der Kuppeln des Sophien Tempels strahlen, Cypressen Haine und den Olympus hoch und weiss.” — Byron. Das neue Sommerschloss zu Beschicktasch, welches der Sultan Mahmud II. aufführen liess, hat eine reizende Aussicht. Diese begreift zunächst das Marmor Meer und fast die ganze Länge des Bosphorus, nebst der Vorstadt Scutari über der Meerenge auf Asiatischem Boden und am Fusse der düstern Bergkette von Burlgurlhu-Dagi. Ausserdem * Beschicktasch ist ein Flecken auf der Europäischen Seite des Bosphorus, 1 Stunde oberhalb Con- stantinopel. Es ist auf der Stelle des alten Jasonium gebaut, wo Jason gelandet seyn soll, auch ein Lorbeerhain und Altar des Apollo stand. — A. d. D. H. F 18 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. gewährt dieser Prospect einen Schimmer des alten Chalcedon,* so wie des hohen, schneebedeckten Olympus, welcher sich in dem reinen Blau das Horizonts zeigt wie eine Perle mit Saphiren besetzt ; und der Ausblick erstreckt sich nach dem Serai Bournou, dessen weitläuftige Mauern den Raum einer Stadt einschliessen, so wie nach den sieben Hügeln des herrlichen Stambul. Vielleicht giebt es in der Welt keine ähnliche Scene ! Aber stellt sich der Beobachter auf die Anhöhe oberhalb der Gärten des Palastes, und schaut auf dessen schwerfälligen, unschönen Bau von Holz hinab, so wird er es freilich bedauern, f dass diese Kaiserwohnug der Pracht ihrer Umgebung so wenig angemessen ist ; nur die stattliche Säulenreihe von weissem Marmor, welche sie an der See Seite einschliesst, ist an ihr zu rühmen. In seiner Jugend liess sich der Sultan Mahmud von einem berühmten Astrologen die Zukunft Vorhersagen und hörte, dass er in Allem glücklich seyn würde, so lange er Paläste baue. Auf diese Prophezeiung scheint er viel gehalten zu haben, denn jede hübsche Bucht des Bosphorus hat nun ihren Kiosk, und die Zahl der Schlösser in der nächsten Umgebung von Constantinopel beläuft sich auf sieben und fünfzig. Der neueste und weitläuftigste von ihnen ist der Palast zu Beschicktasch, er steht aber ohne Zweifel den übrigen, was Schönheit und pittoresken Bau betrifft, nach. Gleichwohl wählte der Sultan den Baumeister dieses Schlosses, einen Armenier, nicht ohne reifliche Ueberlegung. Er genehmigte den Bauplan deswegen, weil man ihm sagte, er sei durchaus Europäisch.- Dies ist auch gewissermassen wahr ; denn die herrlichen, gut proportionirten Säulen des Peristyls abgerechnet, hat das grosse Gebäude, welches über eine Million Pfund Sterling kostete, ganz das Ansehn einer Manufactur. Folgende diesen Palast betreffende Anecdote characterisirt den kaiserlichen Gründer desselben und verdient daher w r olil hier eine Stelle. Als es noch nicht entschieden war, wem die Leitung dieses bedeutenden Baues anvertraut werden solle, empfohl ihm einer seiner Günstlinge einen Architecten, der auch ein Armenier war. Tag und Stunde wurden bestimmt, wann ihn der Sultan auf der Baustelle selbst sprechen wollte, um seine Meinung über die beste Benutzung derselben zu hören. Ehe sie aber bei ihrer * Chalcedon liegt auf der nordwestlichen Spitze von Kleinasien, Constantinopel gegenüber und nicht weit von Scutari. Es ist besonders dadurch berühmt, dass hier das vierte allgemeine Kirchenconcilium im Herbste d. J. 451 gehalten wurde. Der Kaiser Marcian hatte hier damals 600 Bischöfe versammelt, hauptsächlich um die Lehre von den beiden Naturen in Christo in Erwägung zu ziehen, und diese wurde auch von ihnen genau bestimmt, besonders in Gegensatz der Monophysiten. Der Kaiser Valens liess den einst so blühenden Ort zerstören, weil er für Procopius Partei genommen, und die Steine der Stadt- mauern nach Constantinopel bringen, um daraus die berühmte Valentinianische Wasserleitung zu bauen. Jetzt ist der Ort ein armes Dorf, welches die Türken Kademki nennen, aber die Griechen behalten noch den alten Namen bei. — A. d. D. H. t Der Englisch Geschmack zieht für Schlösser die casteüated form vor — die Bauart alter fester Burgen mit Thürmen, Zinnen u.s.w. Windsor Castle wird als ein Muster dieses Styls angesehn, und man setzt ihm das neue Palais Buckingham in London bestimmt nach, welches in einem Styl gebaut ist, wie die meisten neuern Fürstenschlösser des Continentes — A. d. D H. GESCHMACK DES VORIGEN SULTANS IM BAUEN. 19 nachmaligen Unterredung hierauf zu sprechen kamen, traf es sich, dass der Sultan nach dem Serai Bournou hinwies, dessen hohe Mauern nur glänzende Dächer sehen Hessen, hier und dort auch einen langen, weissen Minaret, oder eine statthche Kuppel, welche aus einem Walde von Cypressen und Ahornbäumen hervorbhckte. Der Sultan fragte dann den Armenier ganz gerade, was er von diesem Palaste des Sultans Amurath sage. Vorsichtig antwortete derselbe, er habe nie Gelegenheit gehabt, dies Gebäude zu unter- suchen, könne daher keine Meinung darüber haben. “Verschaffen Sie ihm diese Gelegenheit,” sagte der Sultan zu dem Bey, welcher den Armenier vorgestellt hatte, “ und morgen will ich hören, was er sagt.” Wenige AugenbHcke darauf sass der Baumeister in einer kaiserHchen Barke, und es dauerte nicht lange, so befand er sich an einer Stelle, die bis dahin kein Ungläubiger hatte betreten dürfen. Aber mochte ihn der Schimmer und die Vergoldung des berühmten Serai’s blenden, oder suchte er zu ängstiich jedem Missverständniss seiner Worte vorzubeugen, oder hatte ihm sein bemerkter Gönner bei Hofe gesagt, wie er sich über jenes Schloss ausdrücken solle, kurz er erklärte, als er wieder bei dem Sultan eingeführt wurde, es sey, so viel ihm bekannt, nichts auf der W eit, was mit Amurath’s Palaste verghchen werden könne. “ Meinen Sie, dass Europa nichts ihm Aehnliches hat ?” fragte der Sultan ganz ruhig. “ Ich habe viele Städte des westlichen Europa’s besucht,” antwortete der unter- thänige Armenier, “ aber nirgends vom Aufgang bis zum Untergang der Sonne etwas so Vorzügliches gesehn, wie das Serai Bournou.” “ Das wäre !” lächelte der Sultan ; “ dann reden ja die Franken die Unwahrheit, wenn sie mir Modelle schicken und dabei anführen, diese stellten die Schlösser ihrer Fürsten vor.” Dabei öfihete er eine Rolle von Papieren, welche er in der Hand hielt, und zeigte dem schon bestürzten Armenier Pläne der verschiedenen kaiserlichen und könighchen Paläste in Europa. “ Haben Sie einige von diesen Fürstenwohnungen gesehn und finden sie die Abbildungen richtig ?” “ Ich habe,” sprach der Armenier, “ mehrere Europäische Fürstenschlösser gesehn, und diese Abbildungen sind richtig.” “Wenn dies ist,” erwiederte der Sultan, “so taugen Sie nicht zu der von mir beabsichtigten Unternehmung. Nur ein Betrüger oder ein Wahnsinniger könnte jenes Serai Bournou,” und dabei wies er wieder nach ihm hin, “ mit diesen heitern, leicht gebaueten Fürstenhöfen vergleichen : jenes ist hinter hohen Mauern und unter dunkeln Bäumen versteckt, nur zu Blutscenen und Cabalen geeignet ; diese stehen frei da und sind offen, die reinen Strahlen der himmhschen Sonne zuzulassen. Ich wünsche mii ein Schloss gleich den letztem, und wir haben also nichts mehr zu besprechen.” Der Armenier warf sich bestürzt vor dem “ Herrn der drei Meere” nieder, und suchte sich so gut er konnte über das Misslingen seines Planes wie über die ungnädige Abfertigung zu trösten. Auf der Stelle des jetzigen Grossherrlichen Palastes zu Beschicktasch stand sonst 20 ANSICHTEN DES BOSPIIORI’S. ein hübscher Kiosk, welchen der Sultan Selim* erbaut hatte. Es war ein schimmernder Pavillon von lebhaften Farben, einer hohen Tulpe gleichend, welche unter einem Gewirr von Cypressen aufschiesst. Ausserdem stand liier eine Tekie oder Stift der Dreh- Derwische,f welche ihre Klause nicht verlassen wollten, obgleich der Bau des neuen Palastes täglich vorrückte und schon weit über das bescheidene Dach des heiligen Gebäudes wegragte. Auf die wiederholte Weisung, die Tekie zu räumen, erwiederten sie, es stehe nicht in ihrer Macht, da sie die Asche eines Heiligen zu bewachen hätten.* Sein Grabmal konnten sie in der That aus dem Fenster ihrer Wohnung sehen; es befindet sich auf der Hälfte des Weges, wenn man die Anhöhe oberhalb des Kanals hinauf geht, und ist mit einem Gitterwerk von glänzend grüner Farbe eingeschlossen. Man wandte sich dann an den Oberpriester oder Scheik-Islam und bat, er möge die Leute mit Gewalt fortschafifen ; aber dieser wollte mit der Sache nichts zu thun haben und entschuldigte sich damit, dass es ein übles Beispiel für Fälle solcher Art geben würde, wenn er hier einschreite. Die Sache blieb nun ruhen bis der Bau schon völlig das Bethaus mit den dazu gehörigen W ohnungen einschloss ; alsdann aber lies der Sultan dem Ober Derwisch blos den Tag melden, wann er fortziehn müsse, sonst würde man ihm das Dach über dem Kopf einreissen. Der würdige Herr wurde ganz bestürzt, allein die Sache liess sich nicht ändern. Wenige Stunden darauf zog die ganze Brüderschaft ruhig nach einem hübschen Hause nicht weit vom Ufer, welches ein Hof- beamter bewohnt halte, der aber kürzlich gestorben war, daher der Sultan es ihnen hatte anweisen lassen. Linienschiffe, welche in den Hafen einlaufen, werfen in der Mitte desselben, ganz nahe bei Beschicktasch, Anker und nichts gleicht der herrlichen Wirkung, welche ihre metallenen Kanonen machen, wenn sie einen Salut feuern. Das Gekrache prasselt an den Hügeln hin, wird in Intervallen von den Mauern des Serail zurückgeworfen, und verhallt endlich in der Ferne in einem lang gedehnten Schall, welcher dem Rumpeln der Wogen des schwarzen Meeres, bei einem nahenden Sturmwetter, gleicht. * Der Palast, welchen Selim III. zu Beschicktasch auffiihren liess, war für seine Schwester bestimmt; aber eine Feuersbrunst verzehrte ihn in der Periode der Regierung Mahmud’s II., welcher dann ein neues Schloss erbauen liess. • Der Punct, welchen es einnimmt, ist so malerisch, die ganze Gegend so reizend^ dass schon Sultan Mahomed IV., mit einem Aufwande von drittehalb hundert Beuteln Piaster, hier im J. 1090 der Hegira (1679) einen Sommerpalast erbaute. Ungemein erweitert und verschönert wurde derselbe unter der Regierung des Sultans Mahmud I. im J. d. H. 1160 (1747). — A. d. D. H. f Turning Dervisches, Dreh-Derwische, im Türkischen : Mewlewi — ein mystischer Mönchsorden der Muhamedaner, gestiftet von dem berühmten mystischen Dichter Mewlana Dschelaleddin Ar- Rumi. Ein Theil der Obliegenheiten der Ordensglieder besteht in einem Kreistanz, welcher symbolisch die Harmonie der Sphären darstellen soll, dem Absingen von Gedichten ihres Stifters u.s.w. Ueberhaupt giebt es bei den Muhamedanern einige 30 verschiedene Mönchsorden. — A. d. D. H. I Es ist die Rede von der Grabstätte, dem Kloster und der Schule Jajah Efendi’s, eines gastfreien und unter der Regierung Selim’s II. im Geruch der Heiligkeit verstorbenen Mannes, dessen Grab als Wallfahrtsort häufig von Constantinopel aus besucht wird. — A. d. D. H. DES KLOSTER DER DREH-DERWISCHE. 2 ] Die Schlossgärten sind von bedeutendem Umfang, aber bis sie eine Beschreibung verdienen, wird noch einige Zeit hingehen. Als ich in Beschicktasch war, befand sich ein grosser Theil der Seite der Anhöhe hinter dem Palaste noch im Naturzustände ; nur hie und da bemerkte man Puncte mit schönen Cypressen besetzt, Gruppen von Mandel- bäumen oder Acacien, und einzelne, majestätische Ahornbäume. Aber die Bulgarischen Arbeitsleute waren thätig und ihre weissen Zelte gaben der Scene das pittoreske, fr öliliche Ansehn eines Sommerlagers. DIE FESTEN SCHLOSSER AUF DER EUROPÄISCHEN UND ASIATISCHEN SEITE DES BOSPHORUS. “Wo das Gestade starrt von hohen Mauern Und von Geschütz, der Strom bewaffnet ist, Manjspäht auf Schiffe, die in Dunkelheit gehüllt, Verderben bringend nahe kommen möchten.” — Byron. An der engsten Stelle des Bosphorus, an welcher Darius einst eine Schiffbrücke schlagen liess, stehen, an beiden Seiten desselben, etwa auf dem halben Wege hinaufwärts, zwei feste Schlosser, wie schon in der Anmerkung zu Seite 2 erinnert ist. Das Asiatische Schloss Anatoli hissar war, als noch die Janitscharen das Regiment hatten, das Gefängniss der Bostandschi, der Leibwache* des Sultans; wenn sie ein Verbrechen begangen hatten, wurden sie hier nach Umständen eingesperrt oder hingerichtet. Es erhebt sich am Rande eines lieblichen kleinen Flusses, welcher sich in den Bosphorus ergiesst und * Eine Leibwache kann man die Bostandschi insofern wohl nennen, als sie die Bewachung der Serais und Gärten haben, auch den Sultan ins Feld begleiten. Aber sie bilden kein militairisches Corps, wie man doch oft glaubt. Bostan heisst eine Melone, ein Melonengarten ; aber die Bostandschi, die sich im Serai des Grosshern befinden, sind nicht sowohl Gärtner, als Garten- und Ruderknechte des Sultans, dessen Barke sie bedienen. Ihr Aufseher ist der Bostandschi-Baschi, der das Steuerruder dieser Barke führt, und ihre Zahl betrug ehemals 3000, jetzt nur 600. Der Bostandschi-Baschi hat nicht nur den Garten des Serai, sondern auch alle am Kanal gelegenen kais. Paläste und Belustigungsörter unter seiner Aufsicht. In Constantinopel sind dreissig von ihnen, die sogenannten Chasseffis, d. h. die Innersten, die Vollstrecker der Blutbefehle des Sultans, den sie immer bei öffentlichen Auszügen begleiten. Sie tragen alle rothe Oberkleider und rothe cylindrische, senkrecht in die Höhe steigende, und dann auf die Schultern fallende Mützen, unterscheiden 6ich aber durch ihre Gürtel in neun Classen nach Alter und Dienststufen. — Anm. d. D. H. VOL. I. Q 22 ANSICHTEN DES BOSPHORÜS. aas mit Bäumen eingefasste Asiatische Thal des Süssen Wassers bespült. Die Türken nennen dies Gewässer Guiuk-Suy oder Brust Wasser, wegen seiner vorzüglichen Klarheit. Rumili hissar oder das Europäische Schloss am gegenüber liegenden Ufer ist in eigenthümlichem Styl erbaut. Den Grundriss bilden die Buchstaben des Namens des Propheten, der, wie man sagt, es in sechs Tagen erbaute, und der Griechische Kaiser sei seinem Wunsch, auf der Europäischen Seite des Kanals festen Fuss zu haben, nicht entgegen gewesen. Das hiess freilich die Höflichkeit zu weit treiben und war nicht eben politisch gehandelt. Dies Castell wurde vormals oft genannt, da es zum Gefangniss der Janitscharen diente; sollte einer sein Verbrechen mit dem Tode büssen und hatte der Sultan den Befehl zur Hinrichtung erlassen, so wurde ihm durch einen Kanonenschuss von der Vollziehung desselben Nachricht gegeben. Die grosse Kanone steht noch in der Schiessscharte des untern Walles. Vom Meere her gesehn scheint dieses feste Schloss nicht so stark zu seyn, wie es doch wirklich ist ; es hat treffliches Quellwasser und Raum für gute Verwahrung von Lebensmitteln. Nach der Seeseite hat es nur einen Ausgang, welcher einen niedrigen, aber breiten Bogen bildet, und der Verrätherweg heisst ; durch ihn schleppte man die erdrosselten Janitscharen bei den Füssen und warf sie in den Bosphorus. Von den vier Hauptthürmen des Schlosses dient einer gelegentlich zum Staatsgefängniss für Personen von Stande. Der ihm zunächst weiter hinauf gelegene heisst der Blutthurm, und in diesem wurden die Agas oder Befehlshaber der Janitscharen in der Stille hingerichtet ; ihren Leichnam schaffte man dann durch einen Canal unter dem Fundament nach dem Bosphorus. Man verfuhr etwas schonender mit ihnen, weil man glaubte, es könnte Unruhen veranlassen, wenn man den Leichnam eines Agas eben so geringschätzig behandele und öffentlich verunehre, wie den eines Gemeinen. Der Janitscharen Thurm steht auf einer Anhöhe innerhalb der Mauern und hat eine überaus schöne Aussicht : auf der ehren Seite sieht man die Linie des Canals sich nach der Oeffnung des mit Inseln besetzten Marmor Meeres ziehen ; auf der andern hat man den Eingang in das Schwarze Meer mit den blauen Symplegaden* in dunkler Ferne, welche die Angabe der Fabellehre wahr machen und sich über das Gewässer der vom Sturm bewegten See erheben zu wollen scheinen. Das Werkzeug, an welches die Schnur befestigt wurde, um einen Janitscharen zu erdrosseln, ist ein alter Römischer Bogen von ausserordentlicher Stärke. Die Hinrich- * Die Symplegaden, welche auch nach ihrem blauen Ansehn aus der Ferne, Cyanece, oder die Azur- inseln heissen, sind zwei nicht beträchtliche Felseninseln am Eingang des Schwarzen Meeres, die eine auf der Asiatischen Seite, die andere auf der Europäischen, in nicht beträchtlicher Entfernung von einander. Lärmend brechen sich an ihnen die Wogen der See, und erfüllen die Luft mit Schaum und Staubregen, dass das Licht des Tages verdunkelt wird. Die Durchfahrt durch sie war daher gefährlich, oft verderblich, und die alte Fabellehre erzählte noch weiter, sie ständen nicht fest, sondern schwämmen, und vereinigten sich zuweilen, um vorbeisegelnde Schiffe zu zerbrechen. Juno führte die Argonauten sicher hindurch, und Orpheus zauberte sie endlich mit seinem Leierspiel fest. — A. d. D. H. HINRICHTUNG DER JAN1TSCHAREN 23 tung geschah an einer bestimmten Stelle des bedeckten "Weges, welcher alle Thürme der Festung verbindet, und es ist schmerzlich von dieser Todesstätte auf die Pracht der schönen Natur zu schauen, zumal wenn man sich die grosse Zahl derjenigen vor stellt, denen dieser Ausblick der letzte war. Der blaue Himmel, an welchem in hellem Glanz dife Sonne strahlt, das schimmernde Gewässer, der fantastisch und immer verschieden sich gestaltende Schatten, welchen die breiten Blätter des Feigenbaumes auf die Erde werfen, und der Gesang wilder Vögel aus dem Gebüsch unter den Wällen — Alles scheint sich zu vereinigen, der Welt einen hohem Reiz zu geben und dem Leben einen Werth, welcher zehnfach die Bitterkeit des Todes erhöhen musste. Innerhalb der Mauern der Festung Anden sich einige solide Häuser von hübschen Gärten umgeben. Die Bewohner derselben müssen immer unter sich heirathen, da es ihnen nicht erlaubt ist, sich mit Familien zu verbinden, welche nicht zur Festung gehören. Ueberhaupt besitzt Rumeli hissar, (welches, mit Ausnahme eines Falles in neuerer Zeit, allen Europäischen Reisenden verschlossen war,) ein hohes intellectuelles Interesse, und grosse malerische Schönheit. i DIE FONTAINE IM ASIATISCHEN THALE DES SÜSSEN WASSERS. “ Welch’ eine Scene von hellem Licht und scnön gefärbten Blumen, Von dichtem Blätterwerk und rieselndem Gewässer! In weissen Schleiern erscheinen mir die Frauen, in Turbanen Die Männer; die Erde glänzt im Sonnenschein, Ein Flitterschimmer deckt das Meer, Gerülle ziehen sanft sich fort In dem Canal, der Wind schickt seinem kühlen Hauch Vom Gipfel ferner Berge; harmonisch fliessen in einander Die Mutterstimme und des Kindes frohes Lächeln.” Aus d. Papieren d. Verfasserin. Das von den Europseern sogenannte Thal des Süssen Wassers heisst bei den Türken Guiuk-Suy und hat eine angenehme Lage am Ufer gegen die Mitte des Bosphorus. Was es so reizend und behebt macht, ist, wie bei dem schon beschriebenen Thal Kyat Khana, der Umstand, dass es von einem hübschen Strom frischen Wassers durschnitten wird, welcher zuerst unter dem Schatten hoher, belaubter Bäume fortläuft, und zuletzt sein leichtes Gerülle mit den schnellem Wellen des Canals verbindet. Am Rande desselben steht Anatoli hissar, oder das Asiatische Castell, und erinnert schmerzlich an 24 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. den Ernst des wirklichen Lebens, sonst möchte der Fremde hier in Arcadien zu seyn wähnen, so angenehm ist die Gegend. Am Freitag, welches der Sonntag der Muhamedaner ist, drängen sich in diesem Thal die Vergnügen und Zeitvertreib suchenden. Der Europäische Reisende kann hier dann die Sitten und das Betragen der Türkischen Frauen besser kennen lernen, als sonst irgendwo ; denn hier, auf Asiatischem Boden, fühlen sie sich zu Hause und nehmen es nicht so genau mit den sie beschränkenden Vorschriften ihres Glaubens. Hier sind ihre Jaschmacs nicht so sorfältig geordnet, Fremde finden leichter Zutritt zu ihnen, und sie schmücken mit sehr gefälliger Artigkeit das anmuthige Thal. Alle Stände besuchen das liebliche, von Wohlgeruch duftende Thal. In stattlichem Ernst fahren die Sultaninen über den grünen Rasen in ihren vergoldeten Phaetons, welche Ochsen in schimmerndem Geschirr ziehen, deren sammetne Bedeckung stark mit Gold gestickt ist und goldene Fransen hat: schneller rollen die Wagen aus den Harems der Paschas vorüber, sie haben eine glänzende Bekleidung, die Pferde sind fertig angeschirrt, und die jungen schönen Damen darin ruhen auf Polstern von Atlass oder Sammet, oft sind sie auch in Schawls von hohem Werthe gehüllt. Aber die Frauen vieler Beys, Effendis und Emirs verlassen ihre Phaetons, setzen sich auf Persischen Teppichen unter der belaubten Decke stattlicher Ahornbäume, deren es so viele im Thale giebt, und vertreiben sich hier die Zeit] die ältern Damen rauchen, die jungem sehen in ihre Taschenspiegel, und dabei grüssen sie nach allen Seiten. Die Zuckerbäcker und Wasser Verkäufer haben hier eine gute Ernte. Die Fontaine Guiuk-Suy steht in der Mitte einer doppelten Reihe von Bäumen, welche das Ufer des Bosphorus einfassen. Sie ist in schönem Styl aus feinem, weissem Marmor gebaut und mit sorgfältig bearbeiteten Arabesken verziert. Nach der Stelle, deren Schmuck sie ist, eilen die Damen, wenn die vom Canal her kommende Abendluft diesen Theil des Thaies kühler und angenehmer macht als den, in welchem sie die frühem Stunden des Tages zubringen, und von diesem trennt sie nur der schon genannte Strom, über welche eine schwerfällig gebaute hölzerne Brücke geht. Die ganze Scene ist überaus reizend ! Sclavinnen eilen hin und her, ihren Gebie- terinnen, in bedeckten Crystallbechern oder V äsen von getriebenem Silber, W asser aus der Fontaine zu bringen ; Fruchthändler gehen auf und ab mit amberfarbigen Trauben und, goldenen Melonen ; V olkshaufen versammeln sich um Sclavonische Musiker und eilen dann nach einer Truppe Arabischer Gaukler ; Eilboten sprengen über das weiche Gras, ihre Bestellungen zu überbringen ; in aller Stille fahren Wagen die beraste Bahn hinauf oder hinunter, wie es die schönen, darin sitzenden Damen befehlen ; eine Flotte von Barken tanzt auf dem Gerülle des Wassers, bereit einen Theil der Gesellschaft nach Hause zu bringen und nach dem Europäischen Ufer überzusetzen ; und die Strahlen der Sonne überziehen mit einem Goldanstrich die Thürme des jenseitigen Europäischen Castells so den langen, hübschen Schatten noch weiter hervorhebend, welchen sie auf das Wasser werfen. £■ 5 DIE WASSERLEITUNG BEI BYRGO. “Ein Denkmal besserer Zeiten und höherer Kunst!” — Byron. Dieser schöne Ueberrest des Kunstfleisses und des Geschmacks einer frühem Zeit wird von Einigen dem Kaiser V alens, von Andern dem Kaiser J ustinian zugeschrieben, und es dürfte schwer seyn zu entscheiden, welche Meinung die richtigere ist, da keine Urkunden über die Zeit ihrer Erbauung und ihren Gründer vorhanden sind, feie zieht sich durch ein liebliches, von Hügeln eingeschlossenes Thal bei Pyrgo, und gehört zu den alten Wasserleitungen, zwischen Constantinopol und dem romantischen, von EuropEcern bewohnten Orte Belgrad am Schwarzen Meere, welche sich auf unsere Zeit erhalten haben. Die starke, sich fast auf 800,000 E. belaufende Bevölkerung der Hauptstadt und die oft hier ein tretende Dürre veranlassten, dass man mit bedeutenden Anstrengungen und vieler Kunst nach ihren Cisternen und Behältern Wasser aus den vielen Strömen leitete, welche von den Bergen am Schwarzen Meere fallen, und aus den Bächen der zwischen ihnen liegenden Thäler. Man hält jeden Bach, wie unbedeutend er auch sei, wenn er von einer Anhöhe herabsteigt, unten an, so dass liier tiefe grosse Landseen gebildet werden, und aus diesen wird das Wasser in Böhren aus Ziegelsteinerde fortgeleitet, um sich in die Wasserleitungen in den Thälern zu ergiessen und den Character der wilden Gegend zu veredeln. Diese künstlichen Wasserbehältnisse heissen bendts und wurden ursprünglich von Griechen angelegt. Die sie umgebenden Erdwälle sind mit Marmor eingefasst, auf denen man orientalische Sinnsprüche eingegraben sieht, und überhaupt haben sie etwas imponirendes, selbst prachtvolles. Indessen lassen die Türken die Wasserleitungen ihrer Vorfahren allmählig in Verfall gerathen und haben dafür abge- sonderte, viereckige W asserpfeiler, suy-terrasi, errichtet, deren Anlage ziemlich interessant ist, und daher hier beschrieben zu werden verdient. Auf jedem derselben ist ein kleiner Behälter, und Böhren, denen längst den Anhöhen ähnlich, führen auf der einen Seite das Wasser hinein, auf der andern hinaus. Jeder Pfeiler ist sechs Zoll niedriger als der vorhergehende, so dass ein allmähliger Abfall des Wassers von den Bergen nach der Hauptstadt entsteht, und da ihre Zahl beträchtlich ist, so geben sie einen guten Vorrath von Wasser. Zuweilen reicht doch dieser , nicht aus, nämlich bei ungewöhnlich lang anhaltendem trocknem Wetter, wie es 1822 und 1836 der Fall war. Welch’ ein Schrecken sich in solchen Zeiten bei den Türken verbreitet, kann man sich leicht vorstellen, wenn man bedenkt, dass frisches AVasser ihnen nicht blos so sehr vgl. r. H 26 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. ein Gegenstand des Bedürfnisses ist, dass sie sich ohne dasselbe schon unbehaglich fühlen, sondern es auch bei der Ausübung ihrer Religionspflichten nicht entbehrt werden kann. Es ist rührend zu sehen, wie in solchen Fällen ein Derwisch auf dem Kamm des Jouchi-Daghi oder Riesenberges den Himmel beobachtet, ob eine Regenwolke im Anzuge sey, da es sein Amt ist, dem ängstlich auf sie harrenden Volke sogleich davon Nachricht zu geben. Nach langem Warten sieht er endlich eine kleine, schwere Wolke niedrig über dem Marmor Meer oder dem Euxinus hängen — ein sicheres Zeichen baldigen Regens. Auch die Christlichen Bewohner fülilen sich dann zum Dank gegen die Vorsehung aufgefordert und lesen in ihrer heiligen Schrift ähnliche Fälle göttlicher Fügung nach, z. B. während des Zuges der Israeliten in der Wüste. Ueberhaupt werden sie hier oft an Stellen des Alten Testamentes erinnert, da sich der Koran auf mehrere ausdrücklich bezieht. Der Künstler wählte einen glücklichen Augenblick, um die Wasserleitung von Pyrgo aufzunehmen. An dem einen Ende des gewaltigen Baues ruhete lieblich der Sonnenglanz auf den grauen, alten Steinen ; die ändere verschleierte, einen effectvollem Contrast bildend, der kühle Schatten des Berges, welchen ein Blumenmantel von Cistenröschen, Kaperstauden und wilde Weinstöcke schmückten. Eine Gesellschaft Reisender war angekommen, ihre Mittagsmahlzeit zu halten ; man sieht ihren Wagen von Auerochsen gezogen, Lastesel und Stallknechte. Frohes Lachen und die Töne der Regsamkeit der Menschen weckten das Echo des Thaies mit seinen Bogenstellungen. Natur und Kunst, die Gegenwart und Vergangenheit waren dem Zeichner gegenwärtig und er lieferte ein nicht nur treues, sondern zugleich sehr characterisches Bild. DAS MAUSOLEUM solyman’s des prachtvollen. “ Ein Baum aus längst verflossener Zeit, Beschattet das gebogene Dach ; Ein wilder Weinstock windet sich Um das in Blau und Gold gemalte Fenster.” Nach dem Grabdenkmal Solyman’s führt, vom äussern Hofe von Solimanieh, ein schöner bedeckter Weg, an dessen Seiten man durch das Gitter einer reichen Blätterfülle blickt, wie sie meistens die üppigen Gewächse des Orientes auszeichnet. Es ist ein leichtes, DIE GRAUSAME SULTANIN ROXALANE. hübsches Gebäude von weissem Marmor, beschattet von einer jener ausserordentlichen Platanen, deren Alter nicht berechnet werden kann, und welche selbst eine Art V aldung bilden. Die seltene, schöne Purpurlilie schiesst hier in grosser Menge gleichsam aus dem Fundament empor, und drängt ihre königliche Blume innerhalb des Schirmes, welcher die gewölbte, das Denkmal einschliessende Säulenreihe schützt. Sem Äusseres ist durchaus würdevoll und gefällig ; es gleicht mehr einem Tempel des Frohsinns, als einem Heiligthum zur Aufbewahrung der irdischen Ueberreste Verstorbener bestimmt. Mit Mühe drängen sich die Strahlen der Sonne durch die frischen, grünen Blätter jenes Riesenbaumes, werfen ein unstätes Licht auf die Marmorstufen, und zeichnen auf diese tausend fantastische Bilder. Blaue Tauben, die ihr Nest in seinen Zweigen bauen, füllen die Luft mit einem sanften Girren, welches die Stille des geweiheten Ortes angenehm unterbricht. Geht man über die Schwelle auf dem kostbaren Teppich in das Innere, so erscheint auch hier der Tod in keiner schreckenden Gestalt ; man erblickt die Sarco- phagen des kaiserlichen Gründers, seines Nachfolgers, des Sultans Achmed und der beiden Töchter Solyman’s. Auf denen der Sultane hegen hohe, künstlich gefaltete Turbane von weissen Mussehn mit Federbüschen, auf denen der Prinzessinnen aber Schawls von grünem Casimir, welche freilich durch die Zeit sehr gelitten haben. Nahe am Eingang steht auf einem Gestell ein mit bewunderungswürdiger Kunst gearbeitetes Modell der Moschee zu Mecca und der Gruft des Propheten mit Pilgern, welche auf dem Wege nach der heiligen Stadt sind. Wenige Schritte von der Ruhestätte Solyman’s ist das seiner Favoritin und Gemahlin, der bekannten Roxalane, welche dem Ubermass ihres Muttergefühls alle Weiblichkeit opferte und sich durch tief empfundenen Schmerz über den Verlust ihres Sohnes zu schweren Verbrechen liinreissen liess. Auch sie ruht unter einer Marmor- kuppel und ihr Sarcophag ist mit kostbaren Schawls belegt. Ueber ihr Grabmal und das des Sultan’s wirft dieselbe Platane ihren Schatten, aber die rothen Stellen, welche durch die gemalten Fenster sich auf der Bahre der hartherzigen Roxalane zeigen, erinnern an das unschuldige Blut, welches zur Befriedigung ihrer Selbstsucht vergossen wurde. Ihr genügte es nicht, die Mutter des ältesten Sohnes des Sultans zu seyn, welchen dieser so sehr liebte, dass er bei dessen frühzeitigem Tode* in laute Klagen und bittere Thränen ausbrach, auch am Tage des Leichenbegängnisses vielen Sclaven die Freiheit schenkte, damit sie sich desselben immer mit Verehrung und Dank erinnern möchten. Nein, ihr Tiegerherz trieb sie an, den bethörten Sultan zu bewegen, dass er einen seiner Söhne, welchen er mit einer ihr verhassten Nebenbuhlerin hatte, nämlich den Prinzen Mustapha, umbringen lassen möchte — so verleugnete sie alle Weiblichkeit nachdem sie, eine Renegatin, ihren väterlichen Glauben abgeschworen hatte. Um den Untergang des edlen jungen Mannes zu bewirken, nahm sie schonungslos zu schweren Anklagen ihre Zuflucht. So wenig fühlte er sich schuldig, dass er nicht entfernt den * Mohammed, der älteste und geliebteste Sohn Solyman’s (oder Suleiman’s), starb 1543 als Stadtnaher von Magnesia. — Anm. d. D. H. 28 ANSICHTEN DES BOSPHORTTS. chwarzen Verrath ahnete, deren Opfer er deswegen ward, weil Solyinan sich ganz von seiner Favoritin leiten liess. Er war nicht allein, als er zum Sultan gerufen wurde, sondern Zeangir, der Sohn Roxalane’s und sein bester Freund, stand an seiner Seite. Dieser begleitete ihn auch nach dem Feldlager ihres gemeinschaftlichen Vaters. Sobald sie aber bei seinem Zelte anlangten, entwaffnete man Mustapha und nun erst schöpfte dieser Verdacht. Schweigend ging er vorwärts, und als er über die Linie der Leibwache des Sultans vorgeschritten war, fielen vier Häscher, mit der Todesschnur versehen, über ihn her. Mit gerechtem Unwillen über diese Behandlung stiess sie der verrathene Prinz zurück, riss sich von ihnen los, und rief die Soldaten, bei denen er sein beliebt war, zu Hülfe. Er wollte zu ihnen eilen, aber man liess ihm keine Zeit. Solyman selbst erschien am Eingang des Zeltes, und ein zorniger Blick, eine drohende Bewegung brachte die Häscher bald wieder zur Besinnung. Sie ergriffen noch einmal den un- glücklichen jungen Mann, erdrosselten ihn vor den Augen seines Vaters, und legten den zuckenden Leichnam vor die Füsse desselben auf den Teppich. Es war das "Werk eines Augenblicks, und Zeangir war in Schmerz verloren, als er den geliebten Bruder, welcher so kurze Zeit vorher in der Bliithe der Gesundheit neben ihm gestanden hatte, braun und blau da liegen sah. Dieser Leichnam bildete fortan eine Scheidewand zwischen ihm und seinem Vater. Seine Mutter hatte er schon lange gemieden, denn bei seinem milden Sinn fühlte er sich unwohl in der Nähe einer so ränkevollen, blutdürstigen Person ; aber nun hatte er auch keinen Vater mehr und sein braver Bruder, der Liebling der Truppen und des Wiks, war dahin. Er fühlte, dass nichts ihm diesen Verlust ersetzen könne, und in tiefen Schmerz versunken, ohne ein Wort zu sagen, ohne eine Thräne zu vergiessen, warf sich der junge Prinz auf den Leichnam des gemordeten Mustapha. Da zersprang sein geängstigstes Herz. Dienstfertige Hofleute wollten ihn von seinem gemordeten Bruder trennen, und seinen Schmerz erleichtern ; er war aber schon todt.* So verlor Roxalane einen zweiten Sohn. Ihre Bosheit hatte ihm das Leben geraubt, aber darüber machte sie sich keine Vorwürfe ; kein Kummer verdunkelte ihre Augen, diese strahlten vielmehr von Freude, und bewiesen, dass sie sich glücklich fühle, eine scheussliche Rache befriedigt zu haben ! Was soll man von der Herzlosigkeit und Wolfsnatur dieser Frau sagen, wenn man bedenkt, dass sie sich nur wenige Wochen darauf einen neuen Todesbefehl von dem irregeleiteten Solyman verschaffte ! Ihre verführerischen Künste, ihre Zärtlichkeit, ihre äussere Liebenswürdigkeit hatten ihn ganz bestrickt, und die Heftigkeit ihrer Leiden- schaft erschreckte ihn. Der Prinz Mustapha hatte nämlich einen Sohn, einen jungen Knaben von kaum 10 Jahren, schön, brav und sehr geliebt. Diesen wollte die Sultanin * Mustapha wurde in derselben Moschee beigesetzt, in welcher schon der in der vorigen Anmerkung erwähnte Prinz Mohammed ruhete. Diese heisst daher die Prinzen Moschee, Scliehsadegan dschamissi . Sie steht den ehemaligen Casernen der Janitscharen gegenüber und wurde nach dem Muster der Moschee Mohammeds vom Architecten Sinan 1548 erhaut, doch mit dem Unterschiede, dass der Dom der Prinzen. Moschee auf allen vier Seiten mit eben so vielen Halbkuppeln umgeben ist. — A. d. D. Ueb. CHARACTER DES SULTANS SOLYMAN. 29 auch aus dem Wege schaffen. Aber sie wusste, dass seine Mutter sehr für ihn besorgt war, ihn nicht aus den Augen lasse. Es wurde also ein Ausflug nach einem Sommer- schloss bei Broussa* vorgeschlagen. Die Mutter sass in einem Phaeton an der Seite ihres jungen Sohnes und eine Sicherheitswache begleitete sie. Aber in einer Ebene über Mondania hinaus musste der Wagen brechen und der Eunuch, dem die Vollziehung des Todesbefehls anvertraut war, schlug nun dem kleinen Prinzen vor, sie wollten beide vorausreiten und Leute schicken, welche die nöthigen Keparaturen besorgen könnten. Der muntere Knabe war gern dazu bereit, als er aber an der Pforte des Schlosses anlangte, hielt ihn der Mordmeister an, machte ihn mit dem erhaltenen Auftrag, ihn aufzuhängen, bekannt, und überreichte ihm die dazu bestimmte Schnur. “ Allah ist gross, ”f sprach der Unglückliche, “ und der Sultan ist sein Schatten auf Erden; es sey denn, ich ergebe mich in mein Schicksal.” Man schaffte hierauf die Witwe Mustapha’s nach Broussa, wo sie den schmerzlichen Verlust ihres einzigen Kindes beweinte. + * Bursa, oder Broussa war, ehe die Türken Constantinopel eroberten, die Hauptstadt des Ottoma- nischen Reiches, und hat eine angenehme Lage in einer fruchtbaren Ebene mit hübschem Gehölz, welches die Bergketten des Olympus einschliessen. Sie hat jetzt ohngefähr 65,000 E. und ist sonst durch ihren blühenden Handel, ihre Manufacturen, 140 Moscheen und unendlich viele schöne Fontainen ausge- zeichnet. — Anm. d. D. H. t Allah ist das im Coran vorkommende Wort für Gott. J Solyman, welcher von 1520 bis 1566 regierte, war fast ein halbes Jahrhundert durch seine Siege zu Lande und zur See der Schrecken Europa’s und Asiens. Auch Deutschland wurde von ihm bedroht, allein die tapfere Vertheidigung Wien’s vereitelte auf einige Zeit seine Pläne ; er stürmte es 20 Mal in 20 Tagen, musste sich aber nach einem Verlust von 80,000 M. zurückziehen. Die damaligen Conjuncturen würden es ihm dennoch erlaubt haben, sich zum Gebieter von Europa zu machen, hätte nicht zu derselben Zeit Carl V. ihm entgegengewirkt. Von seinem Hang zur Grausamkeit ist dies ein Beweis, dass er im J. 1526 nach seinem Siege bei Mohatz in Ungarn 1500 der vornehmsten Gefangenen in einen Kreis stellen und im Angesicht seiner Armee enthaupten liess. Man sieht daraus, wie es der Roxalane gelingen konnte, ihn zu bewegen die Söhne, welche er mit ihrer Nebenbuhlerin hatte, erdrosseln zu lassen, wobei ihre Absicht war, ihrem Sohn Selim II. die Thronfolge zu sichern. — Anm. d. D. H. VOL. I. t 3C YENI DJAMI, ODER DIE MOSCHEE DER SULTANIN MUTTER. “ Tritt behende, denn Du stehst Auf geweihtem Boden!” Die schöne Moschee Yeni Djami, welche auch die Moschee der Sultanin Walide (Mutter) heisst, wurde 1665 von der Mutter Mahomed’s IV. nach dem Muster der Achmeds- und Prinzen- Moschee mit grosser Pracht errichtet. Sie steht am Gartenthor auf der Stelle der von der Mutter Mahomeds II. erbaueten kleinen Sulmije, (finstern Moschee.) Ihre Minarete (spillenförmige Thürme) sind sehr geschmückt ; jeder von ihnen hat nicht weniger als drei Gallerien mit Bildwerken im Saracenischen Geschmack, sorgfältig bearbeitet und an vielen Stellen getheilt. Das Portal ist von gewaltigem Umfang und die metallenen Thore sind stark mit Perlenmuter besetzt. Der offene Säulenkreis um die Moschee hat drei hohe Bogen, ist terrassirt, und so geräumig, dass über hundert Personen darin Platz haben. An der Fassade läuft eine doppelte Reihe äusserer Gallerien weg, die in gutem Styl bearbeitet sind ; die sie bildenden Bogen sind nach einem hübschen Grundriss aufgeführt und mit Verzierungen nicht überladen. Von der Mitte des grossen Daches erhebt sich die Hauptkuppel auf vier kleinern ruhend, welche sie nach den W olken zu tragen scheinen ; unter ihr nimmt sich die Gruft der erlauchten Gründerin freilich verhältnissmässig klein aus, ist aber auch in einem schönen Baustyl ausgeführt. Es steht diese Moschee nahe beim Hafen, und ihr Hof geht fast bis an das "Wasser. Zwei majestätische Ahornbäume der Stadt werfen ihren Schatten auf sie, und die knorrigen, ästigen Stämme mit den fantastisch gedreheten Zweigen beweisen, dass sie eben so alt sind, wie der herrliche Tempel, welchen sie so sehr verschönern. Unter ihrem kühlen Schatten versammeln sich viele Müssige, welche durch die Ruhe des Ortes und die erfrischende Luft dahin gezogen werden ; sie verweilen hier mehrere Stunden, schlagen ihre Sonnenzelte von gestreiftem Baumwollenzeuge auf, und breiten ihre Matten für ein Mittagsschläfchen aus, während die Melonen- und Sorbet- Verkäufer ihre Wohlgeruch verbreitende Waare anzubringen suchen, und der süsse Duft des Tabacks von Salonichi aus den Pfeifen ( chibouques ) aufsteigt. Diese Bemerkungen werden den Hof der Moschee Yeni Djami hinlänglich charac- terisiren. Uebrigens soll sie, nach der Tradition, von dem Ertrag des Verkaufs eines mit Diamanten besetzten Pantoffels der Sultanin Mutter erbaut seyn. Ohne Zweifel entstand diese Sage daher, dass, wie es wahrscheinlich ist, die Kosten von dem in der DAS PANTOFFELGELD DEB SULTAN INNEN. 31 Turkey sogenannten Pantoflelgelde, bislimalik, bezahlt wurden ; dieses den weiblichen Gliedern der regierenden Familie ausgesetzte Geld hat einige Aehnlichkeit mit dem, was man in England die “ privy purse” nennt, und in andern Ländern die Privatcasse, Schatoulle des Fürsten. DIE TSHAKSCHI, ODER B AZ AARS ZU CONSTANTINOPEL. “ Mein Schloss ist voll von Goldgeschirr und Silber, In Koffern schön verziert mit Elfenbein ist Wohlverwahrt mein Geld. Gesteppte Decken liegen In grosser Zahl in Kisten von Cypressenholz. Ich habe Zelte, bunte Baldachine, Feine Leinwand, viel köstliches Geräth. Aus Tyrus wurden die Tapeten mir gesandt, Die Türkschen Polster sind mit Perlen reich geschmückt.” Shakspeare. Europäer, die ihre Heimath nicht verliessen, haben, was man ihnen von den Bazaars in Constantinopel gesagt hat, immer für Träume aus den “ Arabischen Nächten” gehalten, ■und der zurückgekehrte Pilger wird nicht halb so viel befragt wegen der Einrichtung des Atmeidan oder Rennplatzes mit seinen alterthümlichen Resten, selbst nicht wegen der Pracht der grossen Sophien- Moschee, als man sich nach diesen Marktplätzen* der Residenz an drei Meeren erkündigt. Vormals, als die Leute noch nicht so aufgeklärt waren, glaubten die bausbäckigen Buben in den abgelegenen Dörfern von England, London sei mit Silber gepflastert und man habe dort keinen andern Staub als Goldstaub. So wollen auch jetzt noch Viele behaupten, die Bazaars in Constantinopel wären so schimmernd und prächtig., wie der Zaubergarten Aladdin’s. Nichts ist weniger der Fall ! Ein Tsharschu ist interessant durch seinen bedeutenden Umfang, seine besondern Einrichtungen, und die pittoresken Wirkungen der immer sich verschieden gestaltenden Gruppen von Menschen, durch ihre Tracht, ihre Gesichtsbildung und ihre nationalen Eigenthümlichkeiten mannig- faltig ausgezeichnet. Man muss sich nich vorstellen, dass die Bazaars im Oriente grosse Säle sind, in denen lange Reihen hübscher Ladentische mit allerlei artigen Kleinigkeiten * Constantinopel hat 26 Marktplätze, Bazaar, Persisch Tscharschu, Arabisch Suk. — Anm. d. I) 32 ANSICHTEN DES BOSPHORTJS. bedeckt wären, mit Bijouterien, Tand und Staat, welche solche Oerter der Zeitvertreib suchenden Welt in London anziehend machen. Etwas Hübsches ist nicht an einem Türkischen Marktplatz ; ein Tsharschu besteht aus einer solchen Menge bedeutender Strassen, dass er einer kleinen bedeckten Stadt gleicht, dessen Dach von starken, gemauerten Bogen getragen wird. Enge Gallerien, nur leicht durch ein hölzernes Geländer befriedigt, verbinden diese Bogen an manchen Stellen ; der Prospect von ihnen auf das wechselnde, bunte Getümmel im Grunde macht einen ausserordentlichen Effect, und es wird dem Fremden, welcher sich auf dieser Schwindel erregenden Höhe befindet, wohl auch sonderbar Vorkommen, dass ihn hier so viele Tauben umgeben ; sie lassen sich durch seine Anwesenheit nicht stören, scheinen an die Nähe von Menschen und an Getümmel gewöhnt zu seyn, nichts Leides erfahren zu haben, sich daher keine Sorgen zu machen. Jede Strasse eines Bazaars ist einem besondern Handelszweig bestimmt. So stehen in der, welche Bezenstein heisst, zwei Reihen Ladentische der Juweliere ; diese breiten hier ihre Teppiche aus und machen auf Streifen von starkem, gelbem Papier, welches wie Pergament aussieht und auf die Kniee gelegt wird, ihre Berechnungen, wobei sie, ohne die Pfeife aus dem Munde zu nehmer, ihre Rohrfeder in die Tinten- bouteille tunken, und diese tragen sie in den Falten ihrer Leibbinde. So erwarten sie mit feierlichem Ernst ihre Kunden. Am Ende der Plattform hat der Kaufmann sein geheimes Cabinet, dessen Thür verwahrt ist, da manche derselben die grössten Kost- barkeiten enthalten, besonders Perlen, Türkisse, und Brillianten. Nach den mit gläsernen Deckeln versehenen Behältnissen von schmutziger Farbe, welche auf dem Ladentisch stehen und nur wenige Artikel enthalten, zu urtheilen, sollte man freilich in der Bezensteiner Gasse nichts Besonderes und Seltenes erwarten : es trete aber nur der Fall ein, dass ein aufmerksamer, erfahrner Juwelenhändler, welcher fast ohne Ausnahme ein Armenier ist, eine Wahrscheinlichkeit sieht, sich einen guten Kundmann zu sichern, dann öffnet er die Thür seines Allerheiligsten, und das müsste ein sehr sicheres Auge seyn, welches durch die Menge der ihm entgegenstrahlenden Juwelen nicht geblendet würde. “ Da ist es voll von Goldgeschirr, Von Silberbecken reich verziert,” und da findet man Trinkschalen, mit Edelsteinen besetzt; Rosenkränze, tusbeess, an denen jedes Knöpfchen ein Juwel ist; Diamantenbüschel fantastisch für die Turbane der jungen, schönen Damen des Harems geordnet; Bouquets von Edelsteinen, in Form von Federn zusammengesetzt, für die Mützen der Edellente ; Schabracken, steif von Perlen, goldenen Ringen, Ketten und Sternen, für die Arabischen Rosse der Paschas, und so viele andere Schätze, die hier ohnmöglich einzeln genannt werden können. Die Abtheilung der Geldwechsler ist düster und wenig einladend, es sei denn, dass Jemand gern edele Metalle klingen hörte; dies Vergnügen kann man hier reichlich gemessen, da die Wechsler von einer Stunde des Tages zur andern damit beschäftigt DER WAFFENBAZAAR. 33 sind, Geld in die Wageschaalen zu schaufeln, oder Goldstangen zu probiren. Dis Armenier besitzen auch diesen Handelszweig fast ausschliessend, und viele der Ange- sehensten unter ihnen sind Bankiers der Paschas, haben sich durch ausgezeichnete Gewissenhaftigkeit, Rechtlichkeit und Piinctlichkeit allgemeine Achtung erworben. Unter den Türken giebt es wenige Geldwechsler ; überhaupt sind sie zu Handlungs- speculationen nicht aufgelegt und sie ziehen Geschäfte vor, die nicht riskant sind. Noch wenigere Geldwechsler giebt es unter den Griechen, und, wie es scheint, blos aus dem Grunde, weil es ihnen schwer wird, sich in diesem Geschäft Kunden zu verschaffen. Die grössere Zahl der Geldhändler zu Constantinopel bilden daher Armenier und Juden. Unter den Letztem sind viele sehr achtbar in ihrem ganzen Benehmen, sehr zuverlässig im Verkehr mit Andern, und besitzen dabei ein bedeutendes Vermögen, welches Denjenigen, welche mit ihnen Geschäfte machen, noch ferner Sicherheit gewährt. Die Türkische Regierung hat ein wachsames Auge auf dieses bedrückte, so sehr herabge- würdigte Volk. Ein besonders interessanter Theil des Tsarschu ist der Waffenbazaar, wo Jemand sich in fünf Minuten wie der Geist im Hamlet kleiden, von Kopf bis zu Fuss mit den Waffen fast aller beliebiger Völker und Nationen ausgerüstet werden kann. Die Wände sind an beiden Seiten behängt mit alten Schilden von dem eines Paladin bis zu denen in neuerer Form des halben Mondes; Pferdegeschirr mit fassonnirtem Metall und mit schimmernden Nägeln besetzt; Kriegerschmuck von solcher Schwere, dass er für Riesen gearbeitet zu seyn scheint; Helme von allen Formen und Grössen, viele mit Devisen, welehe an die besten Tage des Ritterwesens erinnern ; Speere, so leicht wie Zauberstäbe und fast auch so schimmernd; Panzeranzüge, durch den Rost der Jahrhunderte erblindet; Englische Gewehre, Americanische Büchsen, und Indianische Bogen, neben einander hängend ; Damascener Degen, Egyptische Säbel, Türkische Schwerter hegen in grossen Haufen durch einander. Die Parderfelle erinnern an die Dienste, welche sie geleistet, denn sie sind vom Sattel schon abgerieben ; gegen sie gelehnt sieht man oft alterthüm- liche Flinten mit schwerfälligen Luntenschlössern, aber mit so schönen Arabesken in getriebenem Silber verziert, wie sie nur im Oriente gemacht werden. Der Fremde muss lachen, wenn er beobachtet, wie eifrig man hier bemüht ist, Fi änkische Käufer an sich zu ziehen. Sie werden von Einem zum Andern gewinkt und dies mit solchen Gebehrden, solchem Ernst, dass es fast ohnmöglich ist zu widerstehn. Dutzende verschiedener Sachen werden dann vorgelegt und so schnell nach einander, dass keine Zeit ist, sie genau zu untersuchen. Zuerst etwa Waaren einfach aus dem dunkeln Stahl der Persischen Provinz Korassan gefertigt ; dann gleich darauf schwere, aber mit vieler Sorgfalt bearbeitete Albanische Pistolen ; hernach wieder Damascener Säbel mit Sinnsprüchen aus dem Koran ; und nun wird der Kaufmann vielleicht, als bezweifele er, dass der Fremde an kriegerischen Waffen Vergnügen finde, sie alle auf die Seite schieben, und eine lockende Auswahl feiner Bernstein Mundstücke zu Pfeifen ausbreiten, Unterkleider auf den kostbaren Weberstühlen Persiens gearbeitet, Tapeten aus Tyrus und VOL. I. K 34 ANSICHTEN DES BOSPHORTJS. einen grossen Vorrath feiner, theurer Luxusartikel. Mittlerweile dauert andern Handelsleuten die Zeit schon zu lang bis die Reihe auch an sie kommt, den reichen Franken anzuführen. Um ihn von den Läden ihrer Nachbarn wegzuziehn, lassen sie einen Sclaven vor ihm auf und nieder gehen, etwas sehr Hübsches in der Hand haltend, z. B. eine Pistole, deren Griff mit Juwelen besetzt ist, oder einen lederfarbenen Rock, welcher mit so vieler Kunst und so sorgfältig mit Gold gestickt ist, dass es nothwendig auffallen muss. Kaufleute von allen Nationen treiben hier Handel, und der Armenier breitet seinen Teppich neben dem des Türken aus, der bleiche Jude steht in einer Reihe mit dem scharfsichtigen, listigen Griechen, hie und da sieht man auch einen Perser unruhig unter seinen Waaren sitzen, denn man erkennt ihn an seinen eigentümlichen, beweglichen Gesichtszügen, welche der grosse, weisse Turban nicht völlig beschattet. Während sie in voller Arbeit sind, belagern Haufen müssiger Besucher den Eingang der Strasse ; sie lachen, schreien, und machen einen donnernden Lärm, welchen das Echo des langen Gebäudes wiederholt. Der Schuhmarkt* hat ein sehr lebhaftes Ansehn eigener Art. N ämlich in Constanti- nopel ist es üblich, und in der That gesetzlich, dass jede Nation Schuhe mit der Farbe ihres Landes trage. So trägt der Türke Stiefel und Pantoffel von blankem, gelbem Maroccoleder, der Amenier carmoisinrothe, der Jude purpurrothe, der Grieche schwarze. Auf diese Weise hat der Schuhmarkt den Farbenreichthum eines Tulpenbeetes. Nimmt man dazu, dass der Orientale nicht von den Launen der immer wechselnden Mode beherrscht wird, so begreift man, dass ein Gewerksherr ohne Gefahr grosse Vorräthe von Sachen anfertigen lassen kann ■ sie kommen nicht aus der Mode und werden an bestimmte Classen von Käufern bald abgesetzt. Der schönste Artikel, welchen das Schustergewerk liefert, sind wohl die mit Gold gestickten und mit Juwelen besetzten Pantoffeln, wie sie die schönen Damen des kaiserlichen Harems bei feierlichen Gelegen- heiten tragen, und die hohem Classen überhaupt bei allen Festlichkeiten im Hause. Sie verursachen in einer vornehmen Türkischen Familie bedeutende Ausgaben, daher man nach ihnen die Schatullengelder der Damen der kaiserlichen Familie bishmalik, Pantoffel- gelder, benannt hat, wie shon vorgekommen ist. Bei diesen theuern Pantoffeln findet man auch eine Zahl runder Handspiegel, analies, mit kurzen Griffen und mit Gold oder Silberstickerei eingefasst, zuweilen auch mit Saamenperlen verziert. Dieses hübsche Spielwerk ist den Türkinnen unentbehrlich, und es liegt nicht blos auf ihrem Putztisch, sondern sie haben es auch bei sich, wenn sie in Gondeln, auf ihren Polstern gestützt, schnell den Bosphorus auf und nieder fahren und Seelüfte die Falten ihrer schneeweissen * Von diesem iat verschieden die Chawaffchana oder Schumacher Halle, welche blos Bedürfnisse der Fussbekleidung enthält. Nämlich ausser den Bazars haben auch mehrere Gewerke ihre besondern Verkaufsstätte, wie die Klempner, Buchbinder, und besonders ist zu bemerken der Schuh- und Sattelmarkt Anm. d. D. Ilerausg. DER SATTELMARKT. 35 Schleier und weiten Mäntel in Unordnung bringen. Mit Hülfe ihrer Handspiegel können sie Alles wieder zurechtmachen, was an ihrem Anzuge fehlt. Doch die glänzendste Strasse des Marktes ist die der Sticker. Hier sieht man allenthalben Seidenzeuge mit so vielen, geschickt gearbeiteten Gold und Silber Sticke- reien, dass sie davon steif stehen ; Mussehn von so feiner Art, dass man ihn kaum zwischen den Fingern fühlt und verziert mit vielen seidenen Blumen in lebhaften Farben ; Tabaksbeutel aus Caschmir, an denen man Jahrelang gearbeitet haben muss; kostbare Umschlagetücher aus Persien mit goldenen Bändern, welche Sprüche aus dem Koran bilden, oder mit Liebesliedern aus dem Hafiz. Was in Constantinopel gestickt wird kommt von Amenischen Frauen, welche noch zurückgezogener leben, als selbst die schönen Türkinnen in der Stille des Harems, zugleich auch ihren sparsamen, unver- drossenen Männern in rastlosem Fleiss nacheifern. Aber was kostbare Sachen dieser Art betrift, besonders Stickereien auf Schawlstoff, so werden sie von Persien einge- führt. Der Obstmarkt befindet sich dicht am Wasser, und enthält einen Ueberftuss getrock- neten Obstes aller Art, Feigen und Datteln aus Smyrna, Bosinen und Pflaumen, kleine süsse Korinthen u.s.w. Aber der Käse, welchen man in diesen Läden auch verkauft? gehört nicht dahin, und die Bussische Butter in Kalbshäuten zeigt sich, neben so vielen lockenden Artikeln, nicht vortheilhaft. Die Seidenzeuge aus Broussa nehmen eine beträchtliche Strasse ein, da die Arbeiten der berühmten Weberstühle jener alten Hauptstadt von den Türken sein geschätzt werden, sowohl wegen ihrer Zeichnung als ihres Gewebes. Da der Haupthandel zu Broussa in roher Seide besteht, so sind zwei Drittheile seiner Häuser mit Seidenwürmern gefüllt. An Seide fehlt es daher den Webern nicht, und sie wenden sie in so reicher Maasse an, dass viele geglaubt haben, ihre starken Seidenzeuge wären aus Seide mit Baumwolle gemischt fabricirt, da doch letzteres Material bei ihnen theurer als Seide und überhaupt auch schwerer zu bekommen ist. ' Die Farben ihrer Stoffe sind selten glänzend, da das W asser bei Broussa so mineralisch ist, dass es die Seide, während sie gesponnen wird, bedeutend angreift ; aber wahrscheinlich erhält sie dadurch auch ihre ausser- ordentliche Stärke und Dauer. Die Arbeiter zu Constantinopel sind sein erfahren darin, Gold und Silberfäden in den Webereinschlag zu weben, und die so gewebten Seiden - zeuge schätzt man in den Harems sehr. Die einfachem Arten werden von Männern und Frauen getragen, und fast der ganze Anzug eines Türken oder Armeniers, wenn er einigermaassen von Stande ist, besteht in Seidenstoff aus Broussa. Die Nachfrage nach diesem Artikel ist daher sehr stark, und verhältnissmässig denn natürlich auch die Anfertigung desselben. Es giebt in einem Bazaar wenige Stellen, wo mehr Geschäfte gemacht würden, als das Bevier der Seidenzeuge. Die Waarenballen der Kaufleute enthalten vielleicht einige Europäische Atlasse, und Genuesische Sammete ; aber die Fränkische Dame, welche sie sucht, hat keine grosse Auswahl, da der Vorrath solcher Artikel nicht bedeutend ist, weil sie sich verhältnissmässig nicht gut verkaufen.* 36 ANSICHTEN DES BOSPHOKTJS. Der Confectmarkt verdient auch sehr besucht zu werden, denn die Orientaler sind sehr geschickt in der Bereitung feiner Zuckersachen und wohlriechender Essenzen. Die eingemachten Rosenblätter — ein Feenschmaus — sehen so glänzend aus, so zart und fast so frisch, als hätte sie ein spielender Zephyr, welcher die Gärten von Nishapor durchstrich, eben abgeschüttelt. Trockner Pflanzenextract, mit Zucker, wohlriechenden Essenzen, und dem Saft von Obst vermischt, wird in hundert verschiedenen Gestalten verkauft und man giebt ihm eine eben so grosse Mannigfaltigkeit des Geschmacks. Kuchen aus einem Teig, mit Sorbet angemacht, Fässer von Chalva, (einer Mischung von Mehl, Honig und Oel,) feines Zuckerwerk aus Smyrna oder Scio, und Reihen von Wurstdärmen, als Festons aufgehängt und gefüllt mit verdicktem Traubensaft, welchem Walnüsse und Mandeln zugesetzt werden, gehören zn den beliebtesten Artikeln der Sekelijes oder Zuckerbäcker. Wir dürfen aber die Kaimac, oder geronnene Milch, nicht vergessen, welche auch hier verkauft wird, denn kaum giebt es in dem üppigen Oriente eine feinere Speise. Ihr Name Kaimac bedeutet in der Türkischen Sprache “die höchste Vortrefflichkeit,” und zeigt, wie sehr man hier diese Leckerei liebt. *Es ist ein Vergnügen zu sehen, wie sich die Leute nach dem Tisch drängen, auf welchem sie ganz frisch zum Verkauf ausgestellt wird. Weniger Absatz findet die Mahalabe, eine andere Milchspeise, welche eine Art Blancmanger ist, und mit Rosenwasser, Zucker und Honig gegessen wird. In der Nähe dieser Confectbäcker Colonie sind die Wasserverkäufer eifrig beschäftigt und gehen mit ihren Vasen, nach Griechischen Mustern geformt, unter die Leute. Sie führen grosse crystallene Trinkschaalen, welche sie mit vieler Sorgfalt rein und kühl halten, in einem hölzernen Behältniss, und dieses haben sie mit Riemen vor der Brust befestigt ; ihr Ausrufen hat einen harmonischen und schwermüthigen Ton, aber sie sind höflich, auf- merksam und thätig, und für etwa anderthalb Pfennige kann der Besucher immer einen Labetrunk erhalten. Auch die Steinhändler haben hier ihre eigene Stelle, und zuweilen kann man bei ihnen seltene Antiken kaufen, wiewohl immer zu übermässigen Preisen, denn sie kennen die Liebhaberei der Franken für solche Sachen. Die Türken sind treffliche Steinhauer und graviren auch gut, aber diese Arbeit ist hier theurer als sonst in Europa. Der Tabaks Markt ist ein nicht unwichtiger Theil der Tscharschi, da in Constanti- nopel jährlich eine so grosse Menge davon verbraucht wird und man so viele Sorten desselben hat. Am meisten schätzt man doch den aus Salonichi und Latakia : den ersten rauchen, wegen seiner Milde und seines feinen Geruchs, die Frauen, und verwöhnte Männer; den letztem ziehen die geringen Volksclassen wegen seiner grossen Stärke vor. Viele andere Arten kommen aus der Krim, Hormus, und vielen Theilen des Orients, auch aus Ungarn, und man hat sehr ansehnliche Vorräthe davon. Wenn man bedenkt, dass in Constantinopel nie ein Besuch gemacht, nie eine Unterhandlung gepflogen wird, keine Stunde vorübergeht, ohne die ewige Pfeife, so braucht nicht erst noch bemerkt zu werden, dass in diesem Theil des Bazaars der meiste Lärm ist. Die Nargliile oder Wasserpfeife ist der Indischen Hookah sehr ähnlich, und wird gewöhnlich erst nach dem DER PORZELLAN MARKT. 37 Mittagsessen gereicht ; sie ist mit Tabak aus Schiras* gestopft, welchen man mit Rosen- wasser besprengt, auch wohl, um ihn dadurch wohlriechender zu machen, Räucherkerzchen oben auflegt; das Wasser, durch welches der Rauch geht, ist mit wohlriechender Essenz von Blumen oder Gewürzen gemischt. — Der Gewürzmarkt hat ein durchaus Orientalisches Ansehn, denn er ist voll von den theuersten Specereien der Levante, welche hier in so Ungeheuern Quantitäten aufgehäuft liegen, dass die Tische brechen möchten. Man sieht Pyramiden von Nelken, kleine Hügel von Ingwer, grosse Haufen Caneel, Säcke Muskatenblüthe und hat einen so vielfältig Zusammengesetzen Wohl- geruch, wie in den Gewürzhainen des glücklichen Arabiens. Der Porzellan Markt enthält eine schöne Sammlung von Fabricaten vergangener und neuester Zeit, von dem einfachen, aber sorgfätig bearbeiteten Becher einer neuern Manufactur zu Worcestershire in England, bis zurück zu der zierlich geformten, aber von der Zeit angegriffenen Vase, die vielleicht aus einer Atheniensischen Ruine ausge- graben wurde. Die herrlichen Dresdner Porzellanwaaren mit wohlgelungenen Blumen stehn hier neben Fabricaten der Französischen Manufactur zu Sevres. Wie fein sind die Farben auf beiden verbunden und bearbeitet! Man findet hier auch eine Menge von Krügen mit künstlichen Blumen, von Ormoulu- und Alabaster-Tischuhren aus Paris und Genf, denn diesen Schmuck lieben die Türken sehr und haben ihn in allen Zimmern ihrer Häuser. Ueberhaupt ist der Porzellanmarkt ein sehr angenehmer Ort der Müsse. Um nicht langweilig zu werden schliessen wir mit einer Beschreibung des Schawl Marktes, vor welchem die Ehemänner so bange sind, wegen der lockenden Kostbarkeiten, die er enthält. Was die öffentlich ausgestellten Sachen betrifft, so sind sie mehr in die Augen fallend und bunt, als dass sie innern Kunstwerth hätten ; sie kommen haupt- sächlich aus Schottländischen und Französischen Fabriken, und werden viel von den mittlern und geringem Classen gekauft. Man hängt sie an den Wänden auf, oder breitet sie auf den Teppichen der Handelsleute aus, und neben ihnen sieht man Griechische Kopftücher aus Musselin mit Goldflecken, Umschlagetücher von dünnem Flor aus Kameelziegenhaar und gestickte Badewickeltücher. Aber hinter dem Kaufmann ist ein geheimes Magazin, und in diesem liegen die kostbarsten Schawls aus Tibet und dem Ostindischen Fabrikort Lahore ; Goldstoffe aus Bagdadf und die theuersten Artikel des Anzugs einer Morgenländerin. Viele, welche hier mit ihren Waaren ausstehen, sind Perser, und wehe dem arglosen Franken, der in ihre Hände fällt! Sie besitzen die List des Griechen, die Beharrlichkeit des Armeniers, und die Schelmerei des Juden; in Erfindung von Unwahrheiten aber und der Fertigkeit sich zu * In dieser Stadt Persien’s wurde der vorhin in diesem Artikel gedachte Dichter Hafiz geboren. Das dortige grosse Bazaar ist ein Engl. Viertelmeile lang und von gelben gebrannten Ziegelsteinen sufgeführt. Vor dem Erdbeben von 1824 hatte Schiras oder Shiraz 52,000 Einwohner. — Anm. d. D. H. - t Die dortigen Bazaars enthalten 1200 Buden, in denen alle Erzeugnisse Orientalischen Kunst- Seisses so aufgespeichert und ausgelegt sind, dass man die Waaren von einerlei Art beisammen findet —Anm. d. D. II. VOL. I. L 38 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. verstellen, sind sie ihren übrigen Landsleuten in Persien gleich. Es zeigt hier vielleicht ein Persischer Kaufmann einen Schawl, wohlwissend, dass dieser mit 1000 Piastern gut bezahlt seyn würde ; er wird aber zuerst zwei bis drei tausend fordern, und so lange er glaubt, dass die geringste Wahrscheinlichkeit ist, diesen Preis zu erhalten, wird er bei dem Barte seines Vaters und dem Grabe seiner Mutter schwören, dass er den Schawl weit unter dem Werth verkaufe, weil er in den Zügen des Verkäufers eine glückliche Vorbedeutung lese, oder in Folge eines Traumes, oder wegen einer andern eben so wahrscheinlichen und vernünftigen Ursache. Sieht er aber, dass der Käufer ein Kenner ist, den man nicht übersetzen kann, so schämt er sich nicht, auf einmal zwei bis dreihunter Piaster abzulassen, bis er auf den eigentlichen Preis herunter kommt. Die Griechischen Damen haben eine wahre Manie für hübsche Schawls, und alle Orientalerinnen treiben es darin zu einer sinnlosen Verschwendung, wenn sie Gelegen- heit finden, ihre Liebhaberei oder ihre Grillen zu befriedigen. Der Handel mit dieser Waare ist daher sehr bedeutend. Auch Sclaven, welche in grossen Häusern die Aufsicht über die Garderobe des Harems haben, besuchen diesen Markt, handeln, dingen, tauschen mit eben so viel Kenntniss des W erthes, wie die Kaufleute selbst. Ausserdem bringen sie alte Schawls hierher, um sie repariren zu lassen. Dies thun einige alte Türken, welche am Ende dieser Marktstrasse auf ihren Teppichen niedergekauert sind, die Brille auf der Nase haben und die Nadel in der Hand. Sie benehmen sich sehr geschickt bei ihrer Arbeit, und weben Fäden ein, deren Farbe sich zu dem Muster des Schawls so genau passt, dass das Auge Mühe hat, die ausgebesserte Stelle zu entdecken. Dies sind die Tsarschi zu Constantinopel ! Man könnte in ihnen eine ganze Woche zubringen ohne zu ermüden, ohne Langeweile zu empfinden, gewiss auch nicht ohne mannigfaltige Belehrung und wahren Nutzen DIE FONTÄNE ZU GALATA. “ Nur wenig ist es wohl, Zu reichen einen Becher frischen Wassers ; Doch schlürfen Fieberlippen den Labetrunk, Ist das Gefühl noch süsser, erquickender, Als wenn, im Vollgenuss des jungen Lebens, Der Nectarsaft mit Wonne uns erfüllt.” — Ion. Die Fontänen zu Constantinopel und in seiner Umgegend sind alle, mehr oder weniger, vorzügliche Bauwerke ; aber besonders zeichnet sich die in dem beigelegten Bilde DIE TÜRKISCHEN KAFFEE-KIOSKS, 39 behandelte aus in Plan und Verhalt. Sie steht in der Mitte eines kleinen, freien Platzes am Fusse einer steilen Anhöhe, welche sich von der Vorstadt der Kaufleute zu Galata nachdem "Wohnsitz der Ungläubigen” zu Pera* zieht. Ueberhaupt ist der Grund- riss, nach welchem sie gebaut wurde, sehr gefällig, die Verhältnisse ihrer einzelnen Theile wohl berechnet, und ihr ganzes Ansehn würdevoll. Da die Verbesserungssucht sich noch nicht an ihr derbes, stark hervorstehendes Karniess gewagt hat, so ist sie eine so genaue Probe des reinen Maurischen Architectur Styls, wie irgend eine in Con- stantinopel. Das Dach bilden vier kleine Dome, welche von einem Netzwerk ausge- zackter Bildhauerarbeit umgeben sind ; dadurch gewinnt sie ein leichtes, hübsches Ansehn, welches auf das Auge, wenn es von der Vorderseite hinaufblickt, einen wohthuenden Eindruck macht. Die Frontons und das grosse, ungleich gehobene Karniess am Grunde der Kuppeln, sind mit hübschen Arabesken reich bemalt. Fünf schmale Säulen von weissem Marmor scheiden den vordem Theil des Baues in vier gleich grosse Abtheilungen, welche bis an die Hälfte ihrer Höhe durch ver- goldetes Gitterwerk eingeschlossen sind. Hinter dessen schützendem Schatten steht eine Reihe metallener Gefässe am Rande eines Wasserbehälters, welcher immer einen Vorrath von kühlem Wasser für durstige Reisende enthält. Die beiden Seitenflügel haben von auswärts zugängliche Bassins, welchen immer reichlich W asser zufliesst, und aus diesen versorgen sich die Bewohner der nächsten Umgegend. Einen Theil des Platzes nehmen Caffee-Kiosks ein, welche von Acazien und wilden Weinstöcken beschattet werden ; und der die Ruhe liebende Muselmann raucht hier gemüthlich seine Pfeife noch ganz unter dem Schatten der Fontaine, aus welcher er sich einen kühlen, gesunden Labetrunk holt. Hier legt der Lastträger, Khamal, seine schwere Bürde nieder, welche auf zwei lange, von seinen Schultern gestützte Stangen gelegt war ; er weiss, dass er sich hier nicht nur ausruhen, sondern auch erquicken kann, ehe er den steilen Weg antritt, dessen unebenes Pflaster die Schwierigkeit ihn zu passiren noch vermehrt. Hier verweilt der Diener einer vornehmen Familie, welcher Sclave nur dem Namen nach ist, ein halbes Stündchen, um Neuigkeiten einzusammlen oder mitzutheilen. Hier bietet der kriechende Jude seine lumpigen Mundstücke von Elfenbein mit verblichener, weisser Farbe, oder von nachgemachtem Bernstein an ; der Bernstein zerbricht leicht bei der Bearbeitung, welches ihn demi theurer macht, und zu einer Nachahmung desselben fühlte, wobei man Harzpulver und Bruchstücke des Bernstein gebraucht. Der Wanderer wie der blos Zeitvertreib Suchende findet hier * In Galata und Pera, Vorstädten von Constantinopel, wohnen die Abkömmlinge der Italiänischen Colonisten, welche sich im Mittelalter hier niederliessen und mit den ursprünglichen Griechischen Einwohnern vermischten, ln Galata sind sie Kaufleute, Krämer und Matrosen; in Pera wohnt ausser den Europäischen Gesandten und deren Gefolge eine kleine Anzahl unter sich verschwägerter Familien, welche sich seit ein Paar hundert Jahren in dem ausschliesslichen Besitz der Dragomanns und aller unter- geordneten Stellen bei den fremden Gesandschaften gesetzt haben und, stolz auf ihre genuesische Abkunft, vorzugsweise Peroten nennen lassen. — Anm. d. D. IT. 40 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. Erholung oder Vergnügen. Auf Stühlen sitzend, die nur wenige Zoll hoch und aus Zweigen geflochten sind, bilden sich Gruppen, die ihre Bequemlichkeit malerisch gemessen, wie es sich zu den übrigen Verhältnissen schickt; sie rauchen ihre Pfeifen, schlürfen ihren Kaffee, und nehmen dazu einen tüchtigen Trunk aus dem hellen Quell- wasser. Die Häuser, welche den Platz einschliessen, gehen einen genauen Begriff von der Türkischen Art zu bauen. lieber dem Erdgeschoss ist ein Ausbau, von hölzernen Strebepfeilern gestützt und mit vielen vergitterten Fenstern ; dies ist der Harem des Gebäudes. Unten betreibt der Hausherr sein Gewerbe, oder verkauft, auf einem hölzernen Ladentisch nahe an der Strasse niedergekauert, seine Waaren, welche im Laden umher aufgehängt sind ; dabei lässt er die Pfeife nicht aus dem Munde und seine Pantoffeln liegen neben ihm. LTnter diesen Krämerbuden nehmen sich die, in welchen Sorbet* und Blancmanger verkauft wird, besonders hübsch aus. Der Zuschauer sieht mit Vergnügen, wie in den Ersten aus Giesskannen von klingendem Metall Ströme von Limonade und anderm kühlen Getränk fliessen ; und nicht weniger lockend sind die sauber gehaltenen Präsen- tirteller von weissem Holz, auf welchen die Letztem ihr Mohalibe oder Blancmanger zum Verkauf anbieten, es mit einem feinen Tuch bedeckt haltend, welcher mit Rosen- wasser angefeuchtet ist. Aber auch die Buden, in welchen man Pfeifenköpfe, Boudaka, verkauft, wird man nicht unbeachtet Vorbeigehen, denn die Formen der meisten sind sehr zierlich und unter den theuern mit Vergoldung und Email finden sich wahre Kunstartikcl. Ganz nahe bei der Fontäne ist eine Strasse von einem Schlag Menschen bewohnt, die nichts als Pfeifenröhre verfertigen ; sie sind des Absatzes derselben gewiss und betreiben ihr Gewerbe ziemlich unabhängig. Ihre meisten Röhre sind aus Kirschen oder Jasminen Holz und oft schliessen sie, unter den wilden Weinstöcken und Acazien der schönen Fontäne dieses Platzes, einen Handel mit reisenden Krämern * Sorbet, Engl. Sherbet, Sorbetto, bedeutet “ein kühlendes Getränk,” und wird aus Wasser. Zucker, Citronensaft. Rosenwasser, getrocknetem Obst, und Ambra bereitet. — Anm. d. D. H. 41 PROSPECTE VOM BERGE BULGURLHÜ. “ Wohl ungern wird der Fremde sich von des Orients Citronenhainen trennen, die reine Luft, So würzig, so belebend, ungern verlassen! Er sieht hier die Natur in ihren Feierkleidern, Und sollte, dass er sie verliert, nicht trauern ? Aus d. Papieren der Verf. "Wenn der Wanderer auf dem waldigen Gebirge Bulgurlhu steht, vor sich liegen hat, unmittelbar zu seinen Füssen, die Stadt Scutari und in der Entfernung Constantinopel, in seinem Rahmen von hellem, durchsichtigem Wasser ausgebreitet, so wird diese Scene gewiss einen so tiefen Eindruck auf ihn machen, dass er sie nie vergisst. Von diesem Punct blickt er in die geheimnissvollen Gärten des Serai Bournou, weit auf dem glänzenden Marmora Meer hin, die Ufer des Bosphorus entlang, in das Goldene Horn und auf St. Sophiens glühende Kuppel ; auf die sieben Hügel der kaiserlichen Resi- denz, die düstern Trümmer des Castells der sieben Thürme, die alten Mauern von Byzanz, die neuern Paläste der Sultane, die hübschen Inseln der Propontis, und die fernen, schneebedeckten Kuppen des Olympus, ihn als Gebieter der fruchtbaren Ebene von Broussa bezeichnend. Denen, welche sich eine genaue Vorstellung von dieser Scene zu machen wünschen, wird es willkommen seyn, dass der Pinsel des Malers sie wiedergeben und anschaulich vor ihnen hinstellen konnte, denn blosse Worte vermögen nicht die Pracht dieser Erscheinung auszudrücken. Sie nach Verdienst zu würdigen, die ganze Herrlichkeit dieses Panoramas zu untersuchen, hat der Reisende mehrere Stunden nöthig und er wird sich ein Zelt aufschlagen lassen unter den wilden Thymian und Oelbäumen des Berges, unter den Kameelen, welche einige Zeit im Schatten ruhen, wenn sie oben angelangt sind, um dann, beladen mit Waaren aus den Bazaars der Hauptstadt, ihren Weg tiefer in das Innere des Landes fortzusetzen. Da man diese Thiere nie auf der Europäischen Seite des Kanals sieht, so geben sie dem Bilde einen eigenthümlichen Ausdruck, und erinnern den Reisenden daran, dass er in Asien ist. Vielleicht ist dies der vortheilhafteste Punct, um Stambul in seiner ganzen Aus- dehnung zu betrachten und seine ausserordentliche Pracht, als eines Ganzen, zu begreifen. Seine eigenthümlichen Umrisse, sein Meeresgürtel, die blauen Wogen, welche spielend in alle, sie einladenden Krümmungen des Ufers zu dringen scheinen, seine zahllosen Kuppeln, seine speerförmigen Minarete, welche wie polirtes Elfenbein glänzend gen Himmel streben, ihn zu begriissen scheinen; seine Waldbäume, welche die bunten Gebäude beschatten; seine Cypressenhaine, welche sich bis an den Rand des Wassers VOL. I. M 42 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. ausdehnen — sind nur einige Theile der an diesem unvergleichen Platze vereinigten schönen Partien. Der Maler hat ohnstreitig ein lohnendes Feld für sein Talent, wenn er sich von dem Berge Bulgurlhu umsieht; aber der Erzähler mag sein Lob bis zur Uebertreibung mit Worten auschmücken, und doch wird seine bloss wörtliche Beschreibung keinen genauen Begriff von diesem reizenden, mannigfaltigen und glänzenden Panorama geben. DIE TÜRKISCHEN HAUSER AM BOSPHORUS. “ Wir sahen ein gewaltiges Gebäude, Im prunkenden Gescnmack der Türken bunt bemalt, Vergoldungen an vielen Theilen der Frontons. Und so gleicht jeder Sommersitz am Bosphorus Den neu bemalten Feuerschirmen, er stellt Den Wechsel in einer Opern Scene dar.” Byron. Obgleich das vorstehende Urtheil des berühmten Dichters von vielen Landhäusern am Bosphorus wahr ist ; so leidet es doch auf andere durchaus keine Anwendung und es ist daher zu allgemein. Von sehr vielen der dortigen Lustschlösser kann durchaus nicht gesagt werden, dass sie neu bemalten Feuerschirmen glichen. Man muss aber die Ufer des Bosphorus studiren, theils wegen ihrer natürlichen Schönheit, theils weil in dem allgemeinen äussern Ansehn der Gebäude, welche sie einschliessen, sich der Character der Türken zu erkennen gicbt. Nämlich man muss sich die Türkei als ein Land vor- stellen, wo man hauptsächlich für die Gegenwart lebt, sich um die Zukunft nicht kümmert, und an die Vergangenheit nicht weit er denkt. Der Türke arbeitet, baut und speculirt nur für sich, wie sein Vater es auch gemacht hatte, und seine Kinder mögen sich abmühen und forthelfen, wie sie können, dabei sich die Grundsätze einer starren Lebensklugheit ohne Poesie zur Richtschnur dienen lassen. Glück ist auch in den westlichen Ländern, mehr oder weniger, eine ungewisse Sache ; aber im Orient dauert es vielleicht nur einen Tag. Steigt daher der Osmane in der Gunst Desjenigen, welcher allein es gewähren kann, so baut er gleich oder kauft eine Wohnung, welche seinen glänzenden Aussichten angemessen ist, lässt sie für den Augenblick ausmalen und verzieren. Die neue Verzierung ist vielleicht von Dauer und das Glück auch. Sollte aber die Verzierung sich nicht so lange halten, als sein Glück besteht, so lässt er VERSCHIEDEN HEIT DER MALEREI AN HÄUSERN. 43 es sich nicht verdriessen, die Malerei und Vergoldung erneuern, das vom Wetter oder durch Zufall Verdorbene ausbessern zu lassen. Sollte hingegen sein Glück, wie oft der Fall ist, von kurzer Dauer seyn, so denkt er auch nicht weiter an sein früheres Wohlleben, ist zufrieden mit den ihm übrig gebliebenen verblichenen, verfärbten Kesten desselben, und ist nur darauf bedacht, sein Haus in wohnbarem Stande zu erhalten, ruhig die Zeit abwartend, wann er den frühem Schmuck wiederherstellen kann. Der Fremde kann daher, in der Gondel auf dem Wassergerülle fortgleitend, die Lage der meisten Anwohner des Bosphorus nach dem Aeussern ihrer Häuser beurtheilen. Der begünstigte Hofmann hat ein ansehnliches Sommerschloss, dessen Vorderseite mit Vergoldung und Malerei vielfältig geschmückt ist. Das Gitterwerk des Harems erscheint in lebhaften Farben gemalt, der Söller mit wohlreichenden Blumen besetzt, auf den Marmorstufen, an denen sich die blauen, leichten Wellen brechen, stehen bei gutem Wetter Haufen von Bedienten, und die Gondel, welche unten ihren Herrn erwartet, gleicht einem Feenschiff, glänzend von Gold und Purpur. Arabesken schmücken die Mauern und hübsche Lusthäuser blicken aus den Blättern der hohen Bäume der grossen Gärten, in welchen Musik ertönt — Alles athmet hier Wohlseyn. Die Landsitze des abgesetzten Beys und in Ungnade gefallenen Ministers sind eben so stattlich und grossartig, allein es geben sich an ihnen viele Spuren des Verfalls zu erkennen. Die Farben haben ihren Glanz verloren, auf den Marmorterrassen wächst Gras, hie und da sind Fensterscheiben, ist das Gitterwerk beschädigt, und der Wind dringt in die Zimmer. Offenbar hat der Besitzer absichtlich sein Schloss in Verfall gerathen lassen, er sucht etwas darin. Schlimmer steht es mit den leeren Lustschlössern der Verbannten. Ihr Verfall ist durchaus wahr und ungekünstelt ; Gras und Unkraut schiessen üppig aus den Kitzen des Hofpflasters auf; die Fensterläden sind aus den Hespen und rasseln, wenn der Wind sie schüttelt ; das modernde Dach kann den Regen nicht mehr abhalten, welcher in tausend Windungen durch die Frescomalereien der einsamen, vom Echo wiederhallenden Zimmer dringt ; Tauben nisten in den Gallerien, und Heuschrecken lassen sich in den ver- schiedenen Abtheilungen des Gartens hören, nur ihren Gesang vernimmt man in den verlassenen Lusthainen. Die Häuser der Armenischen und Griechischen Rajahs oder Vasallen der Pforte sind durchaus entweder roth ohne Glanz gemalt, oder haben eine bleigraue Farbe, denn die lebhaften Farben, welche die Türken so sehr lieben, sind ihnen verboten, und die Juden müssen mit schwarz zufrieden seyn. Die reichern Rajahs pflegen ihren Lust- schlössern, wenn sie vorzüglich gross sind, zwei verschiedene Farben zu geben, damit sie das Ansehn gewinnen, als beständen sie aus zw r ei Gebäuden. Der Styl, in welchem die Gebäude am Bosphorus aufgeführt sind, ist höchst unre- gelmässig, verschiedenartig, eben deswegen aber auch sehr dazu geeignet, den Pinsel des Malers zu beschäftigen. Die Türken lieben nämlich die Natur so sehr, dass sie nie verfehlen, ein hervorstehendes Bogenfenster anzubringen, oder einen Flügel hinzu- 44 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. zufügen, wenn sie dadurch eine hübsche Aussicht gewinnen können, die ihnen sonst ent- gehen würde, oder auch nur einen Seitenblick nach einer interessanten Partie. Deren giebt hier es nun viele, besonders bei jeder Wendung des Bosphorus. Man sieht also, dass die Häuser der Türken hier das Ansehn gewinnen müssen, als wären sie allmählig aus einzelnen Abtheilungen entstanden. Der Prospect, welchen sie bilden, ist um so mehr einzig in seiner Art, da hinter ihnen eine Kette fruchtbarer, reich mit Holz besetzter Pliigel liegt, welche in eine Reihe von Prachtgärten und Anlagen verwandelt sind. Mit Recht sind also diese Sommerschlösser, wegen der herrlichen Scenerei, die sie zeigen, allgemein beliebt. Man beobachtet von ihnen aus das rege Leben auf dem Kanal, welcher mit Wahrheit die Heerstrasse von Constantinopel genannt werden kann, und die Luft ist sehr gesund. Oft stehen diese Gebäude ganz am Rande des Wassers und nicht einmal eine Terrasse trennt sie von ihm. Gewöhnlich ragen auch die obern Etagen über die untern hervor, so dass sie auf eine eigene Art über dem Wasser hängen. Dies hat nun zu- weilen üble Folgen. Wenn nämlich kein Wind ist und die Segel nichts helfen, um das Schiff zu lenken, wird dieses wohl durch den reissenden Strom bis unter die Fenster der Häuser getrieben, wo das Wasser noch ziemlich tief ist. Dann schlängelt sich das Tauwerk vielleicht um Theile des Llauses, oder das Bugsprit dringt in die Fenster der Salons, reisst das Dach des Gebäudes weg, oder es entstehen andere seltsame Beschädi- gungen. Aber die Anwohner wollen einen wahren Genuss einem ungewissen Uebel nicht aufopfern, und so bauen sie ihre Wasserpaläste so kühn, als ob sich hier nie ein Schiff sehen liesse. Die abhängigen Terrassen bilden nicht den geringsten Theil dieser merkwürdigen Landsitze. Oft sind sie zum Gebrauch des Harems mit Gitterwerk umgeben, imd der Wohlgeruch ihrer Blumen erfüllt die Atmosphäre. In der Mitte des Hofplatzes ist ein Bassin, nach welchem sich kleine Kanäle ziehen. Diese sind, wo man in die Gondeln steigen kann, überwölbt, so dass die schönen Bewohnerinnen des Harems nach Gefallen ein und aussteigen können, ohne den entweihenden Blicken der Vorbeigehenden aus- gesetzt zu seyn. Das Innere dieser interessanten Wohnungen ist meistens sehr geschmackvoll einge- richtet, und immer so, dass es Frohsinn erweckt. Auf den Wänden sind Landschaften, Blumen, Früchte al fresco gemalt, und die Zimmerdecken sind immer sehr geschmückt. Kurz diese Sommer Schlösser am Bosphorus sind so eigenthümlicher Art, und fast auch so hinfällig, so schwach, wie Feenpaläste. 4.') DIE MOSCHEE DER SULTANIN WALIDE. VOM HAFEN AUS GESEHEN. “ Schau dieses Bild, sieh jenes Sie stellen Grosses dar im Kleinen.” Shakspeare. Es ist schon zu S. 30 ein Bild der Moschee Yeni Djami vorgekommep, welches zugleich ihren schönen Hof zeigte. Aber der Künstler wünschte, in einem zweiten Bilde, hier noch ferner den ausserordentlichen Effect wiederzugeben, welchen dieses Gebäude macht, wenn es vom Hafen aus gesehen wird. Der blendend weisse Marmor, ans dem es aufgeführt ist, seine dünnen, sehr geschmückten Minarete, sein stattliches Prachtthor und die feierliche Stille in ihm, contrastiren sehr mit den übrigen dunkeln, schwarz - braunen Gebäuden des Hafens, in welchen die Arbeiter so laut lärmen. Der unbe- schäftigte Beisende möchte wünschen, den in Vergoldung glühenden Tempel nach einem angemessenem Ort zu versetzen ; allein der Maler, welcher seine ganze Aufmerksamkeit der Zeichnung dieses schönen Baues widmet, vergisst den hiesigen Tumult, den Schmutz, und das Toben, um sein Skizirbuch mit einem interessanten Bilde zu bereichern. Die Moschee der Sultanin Walide steht fast am Bande des Hafens, und ihr Hof ist von diesem nur durch den Baluhk, oder Fischmarkt, getrennt. Da hier die Ueberfahrt von Galata nach Stambul ist, so liegt immer eine grosse Menge Böte bereit. Hier landet auch fast jeder Franke auf seiner Beise nach der “ Hauptstadt der Becht- gläubigen.” Die Scene, welche sich ihm hier darstellt, wird ihn anfangs befremden ; er wird die hiesige Unruhe und Geschäftigkeit nicht mit seinen gewohnten Vorstellungen von den ernsten Orientalen reimen können. Die scharfe, gellende Stimme des streit- süchtigen geschwätzigen Griechen, die drohende Heftigkeit des zürnenden Armeniers, die Feierlichkeit der Bede des stattlichen Türken, das eilige Grüssen der Kaufleute, wenn sie nach den Bazaars gehen oder von dort kommen, das laute Bufen der Boots- schiffer, welche mit einander weteifernd Passagiere an sich zu ziehen suchen — alles dieses zusammen erfüllt die Luft, und dabei ist die Unruhe und Verwirrung auf dem Wasser nicht geringer, als die auf dem Lande. Die spitz zu laufenden Arabischen Barken mit hohem Vordertheil, welche ihre Ladung einnehmen wollen, gerathen oft in Gefahr, dass das vergoldete Bildwerk, mit dem sie verziert sind, von den schnellen, mit ihnen vermischten Gondeln beschädigt werde. Die in Vergleich mit ihnen schwerfällig und plump aussehenden Europäischen Böte fahren beständig hin und her zwischen dem L T fer und den Schilfen, zu welchen sie gehören und aus welchen sie Waaren bringen. vol. i. N 46 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. Eilboten mit geheimen Depeschen der Ortsbehörden fahren eilig vorbei. Die Gondel des Zeitvertreib suchenden Herrn, mit ihrem carmoisinrothen Teppich, ihren weichen Polstern, ist sehr in Gefahr, da die Ruderer, nachdem sie lange vergebens auf seine Rückkehr von einem Besuch gewartet, schläfrich geworden sind. Das Fährboot mit seiner schmutzigen Vergoldung ist dagegen, von einem gewinnsüchtigen Eigenthümer geleitet, stets in Bewegung. Die sorgfältig geschmückte, hübsche Gondel aus dem fürstlichen Harem bringt die verschleierte Favoritin, von vernummten. Sclavinnen begleitet, nach der andern Seite des Hafens. Die Barke des Ministers schiesst mit der Eile eines wilden Vogels über das Wasser hin und wirft, während die derben Ruderer sich bei ihrer Arbeit bücken, rechts und links Silberschaum, wie einen Diamanten Regen, um sich. Der Kaiser selbst hat vielleicht die Absicht Kyat- Khana zu besuchen, denn in der Entfernung sieht man seine Barke, vom Sonnenschein beleuchtet, kommen, sich wie eine Masse schimmernden Goldes zeigend. Erhaben über alles dieses Geräusch, diese Geschäftigkeit der irdischen Welt, zeigt sich der schneeweisse Tempel der unglücklichen Walide in tiefem Frieden und neben ihm das prächtige Mausoleum, in welchem seine kaiserliche Erbauerin ruht. Tag vor Tag erneuert sich die nämliche Scene, neue malerische Gruppen bilden sich verschieden gestaltet, der blaue Himmel lacht wohlwollend auf alle herab, und auf dem hellen Spiegel des Hafens scheint sowohl die feierliche Moschee wieder, als das stille Grabmal, und sieht man die unstäten Schatten jeder Gondel, welche, mit vielbeschäftigten Reisen- den gefüllt, sich hier vielleicht sehen lässt. DIE MOSCHEE DES SULTANS ACHMED I. “ Der stillen Andacht widmete man diesen Tempel Doch oft entweiht ihn lärmendes Geschrei, Hört man den Ton der wilden Leidenschaft ln seinen stillen Höfen .” Obgleich die Achmedije nicht so gross ist als die Sophien Moschee, auch in ihren ein- zelnen Partien weniger geschmückt, als die Suleimanie, übertrifft sie doch beide durch den Effect, welchen ihr Aeusseres macht. Schon ihre Lage ist bewunderungswürdig, da der ansehnliche, von üppigen Bäumen besch ittete, Platz, auf dem sie steht, eine Seite des Atmeidan bildet, und diese Rennbahn gehört zu den Theilen der Stadt, die am höchsten 1»IE SÄULE CONSTANTIN ’s. 47 liegen, ist dabei von dem alten Hippodrom nur durch eine hübsche Mauer von weissem Marmor, welche mit einem vergoldeten Geländer abwechselt, getrennt. Aber eine besondere Auszeichnung derselben ist dies, dass sie allein von allen Tempeln Constanti- nopel’s 6 Minarete hat, da, wie man sagt, ihr fürstlicher Erbauer in Constantinopel eine Moschee zu haben wünschte, welche mit der zu Mecca um den Vorzug weteilern könnte. Nicht ohne Schwierigkeit erhielt man hiezu die Einwilligung des Mufti’s, aber weil man es doch nicht für passend hielt, dass eine Moschee die durch die Gruft des Propheten geweihete übertreffen sollte, brachte man die Zahl der Minarete der letztem auf 7. Gleichwohl ist von den Moscheen in Constantinopel die Achmedije ohnstreitig die ansehnlichste. Die Anordnung der Minarete ist sehr graciös, da nur zwei von ihnen mit dem Hauptgebäude verbunden sind, die übrigen dagegen plötzlich und unregel- mässig durch das dichte Laubwerk hervorbrechen, in welches die Moschee vergraben ist. Ihre Gallerien von Saracenischer Bauart gleichen einer Einfassung von Fransen, und die schmalen vergoldeten Thurmspitzen glänzen im Sonnenschein, die stattlichen Baumstämme aber, welche so alt sind, wie das Gebäude, mindern das Blendende seiner weissen Farbe, erquicken das Auge und verbreiten kühlenden Schatten. Am obern Ende des Atmeidans steht das Denkmal Constantin’s, eine viereckige, 30 F. hohe Säule. Aber ihr Name gründet sich blos auf eine Tradition, und diese ist jetzt nicht melir im Stande zu entscheiden, welchem der vierzehn Kaiser mit Namen Constantin sie gewidmet war. Es mag Constantin der Grosse gewesen seyn, welcher aus den Trümmern des alten Byzanz die neue nach ihm benannte Hauptstadt des oströmischen Reiches bildete, den ll ten Mai 330 einweihete und wohl der ausgezeichnetste seiner Namensgenossen war. In diesem Fall verdiente das Denkmal immer zur Erinnerung an seine Tapferkeit und Macht erhalten zu werden. Aber die zwölf Constantine, welche ihm folgten, waren unthätig und geistesschwach, eine Bürde der Erde und keiner besondern Auszeichnung würdig ; ihnen hätte die Säule nur als ein. Finger erscheinen können, welcher gen Himmel wies und ihnen sagen wollte, dass ihr Ahnherr mit Verachtung auf sie herabschaue. Dem letzten dieses Stammes hätte man wohl eine Ehrensäule errichten mögen, denn als ein Held fiel fechtend Constantinus Palaeologus, als Mohammed II. am 29 ten Mai 1453 Constantinopel stürmte und einnahm ; man fand ihn unter einem Haufen Erschlagener, nur an den goldenen Adlern auf seinen Schuhen kenntlich, denn er hatte seinen Purpurmantel abgelegt, um der Bemerkung des Feindes zu entgehen. Aber ihm kann doch diese Säule nicht gelten ; sein Andenken lebt nur in der Geschichte und den Liedern der Dichter. Vormals hatte sie eine Bedeckung von Erz, weche ihr unvollkommenes Gemäuer verhüllte ; seitdem aber diese weggenommen ist, hat sie auch ihre Pracht ver- loren und kann nicht mehr zu dem Zweck dienen, zu welchem sie aufgeführt wurde. Die jetzt schonungslos der Witterung preisgegebenen Steine haben ganz das Ansehn einer ungeschickten, nachlässigen Bearbeitung. Spuren grosser Nägel von Erz, welche vormals zur Befestigung der äussern Oberfläche dienten, sieht man noch, aber kein Bedauern kann jetzt den begangenen Raub ersetzen. Wer das Denkmal im Vorbeigehn 43 ANSICHTEN T/ES BOSPHORES. ansicht, ohne es näher zu untersuchen, muss sich wundern, dass ein so leichter, unvoll- ständiger Bau, von so geringem Umfang und dabei so bedeutender Höhe, sein Gleich- gewicht so lange behaupten konnte. Nicht weit von dieser Säule steht, gegen die Mitte des Atmeidan, der sogenannte Delphische Dreifuss. Er ist besonders durch eine Tradition interessant, an welche die Türken fest glauben, nämlich dass, wenn er durch einen Zufall zerstört oder verrückt werden sollte, Constantinopel wieder eine Christliche Hauptstadt werden würde. Er besteht in einer aus drei metallenen Schlangen gewundenen Säule, die ehedem im Tempel zu Delphi den Dreifuss getragen haben und von Constantin d. Gr. nach Constantinopel geführt seyn soll ; der fehlende Kopf der ersten Schlange soll bei dem Transport der Trophäe nach Constantinopel verloren gegangen seyn ; den zweiten soll der Sultan Achmed mit Einem Hiebe seiner Säbels abgehauen haben, als er dem zusammenge- zogenen Heere einen Beweis von der Stärke seines Armes geben wollte ; der dritte soll verschwunden seyn, man weiss nicht wie oder wohin. Nur diese Yolkstradition giebt jenem Ueberbleibsel des Alterthums einiges Interesse, welches sonst keine Beachtung verdienen würde. Am untern Ende des Platzes steht, auf einem Fussgestell von weissem Marmor, ein hübscher Obelisk von röthlichem Egyptischem Granit mit einer Vorstellung der Siege des Kaisers Theodosius, welche aber sehr roh ist und gegen die Egyptischen Hieroglyphen sehr absticht, welche sich gleich darüber befinden und mit so vieler Kunst bearbeitet sind.* Er misst ein und sechzig Fuss in der Höhe, und ist an sich selbst hübsch, aber das Interesse, welches er erregt, wird doch dadurch geschwächt, dass neben ihm Bauwerke eines andern Landes und aus anderer Zeit stehen. An den Atmeidan selbst reihen sich Erinnerungen aus der Regierung des Vaters des jetzigen Sultans, welche interessanter sind, als alle seine alterthümlichen Denkmäler. Hier suchten sich 1823 die Janitscharen gegen die Truppen des Sultans Mahmud zu behaupten, aber ihr Widerstand war vergebens und endete mit ihrem völligen Unter- gang. Allein auf diesem Platz soll das neu organisirte Truppencorpsf Tausende nieder- gehauen oder von den Fenstern der umliegenden Häuser aus erschossen haben. Mehrere Anführer, welche man hier gefangen nahm, wurden auf Befehl des Sultans an einer grossen Platane anfgehängt, welche von den Türken seitdem “der Baum der Todesangst” * Die Hieroglyphen bedecken alle vier Seiten des Obelisks; die Abbildungen in erhabener Arbeit aber befinden sich auf dem 12 F. hohen Marmor-Sockel. Der bemerkte Obelisk wurde aus Egypten über Athen nach Constantinopel gebracht und hier, nachdem er durch Erdbeben umgestürzt worden, unter Theodosius wieder aufgerichtet, wie die zweifache griechische und lateinische Inschrift des Sockels besagt. — Anm. d. D. II. f Nizam Djedid, d. i. die neue Einrichtung. Aber unter dieser Benennung war man mit der Militairreform Selim’s unzufrieden, daher der Vater des jetzigen Sultans die Benennung Nizam Attick, d. i. die alte Einrichtung, wählte und erklärte, sie sei eben die, welche Solyman I. vorgeschrieben habe. Dies stellte das Volk zufrieden. AUSSTELLUNG DEB ”AHNE MAHOMED’S. 41* genannt wird; er steht bei dem Thore, welches in den innern Hof der Moschee führt. Das Innere der Achmedije ist zunächst in architectonischer Hinsicht wegen der 4 Säulen von gewaltigem Umfange zu bemerken, welche ihren Dom tragen, wegen der grossen, hübschen Gallerien, mit einer Bedachung von Musivarbeit, und wegen ihrer hohen Kanzel von Marmor. Ein besonderes historisches Interesse hat es aber dadurch erhalten, dass hier die Sandschak Sherif, oder die heilige Fahne Mahomed’s, ausgestellt wurde, als sich die Janitscharen dem Willen des Sultans nicht unterwerfen wollten. Sie war ein halbes Jahrhundert lang nicht öffentlich ausgestellt worden, aber die Idee, sie jetzt zu zeigen, war klug berechnet und man durfte erwarten, dass dadurch ein allgemeiner Enthusiasmus hervorgebracht werden würde. Jeder treue Moslem reihete sich um sie. Sie ist die Reliquie Mahomed’s, welche seine Anhänger am meisten verehren, und nach einem Volksglauben soll sie aus seinen Unterkleidern verfertigt seyn. Ihre Ausstellung war mit vielen Feierlichkeiten begleitet. Es wurde ein Festzug gebildet, welcher sich vom kaiserlichen Schatzgebäude nach der Moschee des Sultans Achmed bewegte. Voran ging die Körperschaft der Ulema, gewählte Verse aus dem Koran vortragend ; dann kam der Sultan selbst, begleitet von den Grosswürdenträgern und mit einem glänzenden Gefolge seines ganzen Hofstaates. Die gewöhnlichen Aus- rufer machten zugleich in der ganzen Stadt bekannt, dass die heilige Fahne ausgestellt werde, und dies brachte eine ungemeine Aufregung hervor. Sobald sich der Zug der Moschee näherte, wurde ihr grosses, dem Atmeidan gegenüber gelegenes, Thor geöffnet, durch welches er eintrat. Nun bestieg der Cheek- Islam die Stufen der Kanzel, die Sandschak Sherif hier mit tiefer Ehrfurcht aufpflanzend. Sobald dies vollendet war, sprach der Sultan den Bannfluch gegen alle diejenigen aus, welche der Fahne Mahomed’s und seines Nachfolgers nicht folgen wollten. So erhielt diese Moschee eine heilige Weihe, welche ihre übrigen Reize noch sehr erhöht, und gern weilt der Reisende in ihrem Innern, wo ihm so Vieles interessante Erinnerungen darbietet. An eisernen Stangen, welche quer durch die Moschee gehen, ist eine schätzbare, sehenswerthe Sammlung antiker Vasen aufgehängt, welche eine sehr geschmackvolle Zeichnung haben und sorgfältig gearbeitet sind, ja oft findet sich bei ihnen noch eine weitere V erzierung durch Edelsteine und Perlenmutter ; ausserdem bemerkt man auch Strausseier, als Sinnbilder der V orsehung ; Kornähren, als Symbole des W ohlstandes ; und sonstige bildliche Verzierungen. Aber das schönste der Achmedije als eines Gebäudes, ist ihr innerer Hof, umgeben von graciösen Saracenischen Säulen, deren Kapitäler aus Stalactiten zu bestehen scheinen und eine überaus schöne Grundlage der Bogen bilden. Der ganze Hof ist mit vorzüglichem Marmor gepflastert, 'und aus seiner Mitte erhebt sich eine stattliche Fontäne oben mit einer geschmackvollen Kuppel, in ihrer Umgebung Frische und Kühle verbreitend. Zur linken Seite des Eingangsthores ist ein Altan, von welchem alle Firmane von allgemeinem Interesse dem Volke laut verlesen werden ; man gelangt auf ihn durch eine Thür der Moschee, welche ein VOL. I. O 50 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. Fenster hat. Alles zusammen genommen muss man sagen, dass von allen Moscheen in Constantinopel keine mehr Aufmerksamkeit verdient, als die Achmedije, man mag sie nun als öffentliches Gebäude betrachten, oder als einen Tempel der Andacht, oder als ein Denkmal merkwürdiger Ereignisse. DIE SAÜLE DES KAISERS MARCIAN. “ Der stolze Adler Rom’s, aus Stein gehauen, Hoch gestellt, trug hier ein Denkmal des Verdienstes, Bestimmt für alle Zeiten, doch von der Zeit zerstört.” Ein schöner Rest Römischer Pracht ist die sogenannte Säule des Kaisers Marcian, welche im Garten eines Türkischen Hauses, nahe beim Thor von Adrianopel, steht. Das Fussgestell ist mit Kränzen von Eichenblättern verziert, der Schaft ist 80 F. hoch, und auf dem schön bearbeiteten Corinthischen Kapital ruht ein Marmorblock, welcher ein zweites Kapital trägt. Dieses bildet vier Adler von gigantischer Form, welche auf ihren ausgebreiteten Flügeln das Postament einer jetzt nicht mehr vorhandenen Statue tragen. Aus der Benennung des Denkmals sollte man freilich schliessen, es sey das Bild des Kaisers Marcian, welches fehle ; aber bei den Griechen in Constantinopel hat sich eine Tradition erhalten, nach welcher die Säule für das Bild eines heidnischen Gottes, des Apoll, Mercur, Mars, bestimmt gewesen, und sie finden diese Angabe wahrschein- licher. Die Türken nemien die Säule Kestachi, und schätzen sie blos insofern, als sie Einiges zum Schmuck der Gegend beiträgt, wiewohl der würdige Besitzer des Gartens, in welchem sie steht, sich offenbar durch die Bewunderung, welche sie bei Fremden findet, sehr geschmeichelt fühlt. An ihren schmalen Schaft lehnt sich ein Oelbaum aus alter Zeit, dessen knotiger, malerischer Stamm in einem Zustande des Ablebens ist ; an ihrem Grunde blühen Blumen ; dicht bei ihr stehen mehrere dunkle Cypressenbäume, welche bedeutend hoch sind, doch an der Seite dieses aufstrebenden Denkmals sich wie Zwerge ausnehmen ; und in einiger Entfernung guckt aus den belaubten Bäumen des Gartens eine kleine Moschee mit einem bescheidenen Grabdenkmal hervor. Steht der Reisende nachsinnend neben diesem Monument des Alterthums, sitzt der Künstler an der zusammenstürzenden Mauer, welche es von der Heerstrasse scheidet, um es in sein Skizirbuch zu zeichnen, so schlagen wohl aus dem vergitterten Fenster der DIE SÄULE MARCIAN’S. 51 Wohnung, welche eine volle Aussicht auf dasselbe hat, fröhliche Stimmen von Frauen an sein Ohr und es wird ihm nicht entgehen, dass er selbst der Gegenstand ihrer un- schuldigen Unterhaltung ist. Sie wollen sich die Langweile ihres einförmigen Lebens vertreiben, und die fremdartige, geschmacklose Kleidung des Wanderers, sein Kopf mit keinem Turban geschmückt, sein Kinn ohne Bart, selbst was ihn jetzt beschäftigt, macht ihnen Spass und sie lachen darüber ; ihre Freude wird noch durch die gewisse Erwar- tung bedeutend erhöht, dass Herr Akif, der jetzige bejahrte Besitzer des Gartens, ein Geschenk von dem Besuchenden erhalten wird, denn dies pflegt immer angeboten zu werden. Dieser Ehrenmann verdient selbst auch von dem Künstler gezeichnet zu werden. Sein Aeusseres schickt sich zu der Säule und dem Oelbaum ; gleichzeitig mit jener scheint sein Haar ergraut zu seyn und er ist abgewelkt wie dieser. Die in neuerer Zeit in seinem Vaterlande eingeführten Reformen haben keine Veränderung in seiner Tracht und in seinen Sitten hervorgebracht ; er hat ganz das Ansehn eines Asiatischen Türken, der nie die Pracht der “ Goldenen Stadt” gesehen hat. Sein weiter Turban ist nur nachlässig in Falten gelegt ; seine langen Tschalvar gleichen, wegen ihres bedeu- tenden Umfangs, den Pumphosen ; seine gewaltigen Acrmel sind unten offen ; in dem Schawl, welchen er um den Leib gewunden, steckt ein grosser, voller Tabacks- beutel, und er lehnt sich auf sein langes Pfeifenrohr mit einer herausfordenden Miene, festen Haltung, dass man sein Gefühl von Unabhängigkeit und edlem Stolz bemerkt. Er zeigt das Monument wie Jemand, welcher einem Fremden eine Gefälligkeit erweiset. Scheint ein solcher sich nicht genug für dasselbe zu interessiren, oder bleibt er so lange, dass es lästig wird, so lässt sich Akif dies doch nicht verdriessen, und wird ihm am Ende eine Erkenntlichkeit angeboten, so reicht er seine Hand mit der Ruhe und dem Ernst eines Gläubigers, welcher die Bezahlung einer rechtmässigen Schuld empfängt. Dabei ist aber der ehrwürdige Akif kein Kenner von Alterthümern ; Steine gelten ihm für weiter nichts als Steine, und um Inschriften, welche nicht aus dem Koran genommen sind, kümmert er sich nicht. Während der Rauch sich aus seiner Pfeife über seinem langen, weissen Bart in die Höhe windet, mögen ihm wohl manche Betrachtungen durch den Kopf gehen, welche füi den Franken eben nicht schmeichelhaft sind, und es mag ihm sonderbar scheinen, dass dieser so eifrig bei einer alten Ruine beschäftigt ist, nach Spuren einer Zeit und eines Volkes sucht, die längst und für immer vergangen sind. SCUTARI, DIE ASIATISCHE VORSTADT CONSTANTINOPELS.* “ Wo tausend Gräber strahlen, mit Gold bedeckt, Cypressenbäume ihren Trauerschatten Vereinen, wohl gedeihen. Und jeder Zweig, Ja jedes Blatt trägt doch den Ausdrück tiefen Kummers, dem gleich, wenn Liebe nicht erwiedert wird.” Byron. Der erste mit Constantinopel verbundene Gegenstand, welchen der Reisende nach der Fahrt durch die Dardanellen entdeckt, ist der grosse Cypressenhain von Scutari. Wie eine ferne Regenwolke am blauen Himmel erscheint auch seine Masse von dunkeim Trauerlaub anfangs nicht grösser als eine Hand, aber allmählig, so wie das Schiff durch das Gewässer vordringt, entfaltet sie sich am Horizont, und Ende ist man im Stande sich einen ziemlichen Begriff von ihrem Umfang zu machen. Dieser ausserordentliche Leichenhof ist vielmehr eine Todtenstadt, necropolis, und an Grösse wie in malerischer Darstellung einzig in seiner Art. Sein kalter, stiller Schatten kleidet über drei Engl. Meilen Land in das Trauergewand des Todes, und wehrt von Gräbern ohne Zahl das Licht der Sonne ab. Von dem Muselmann, welcher seinen letzten Athem von sich giebt, kann man mit Recht sagen, dass er in ein ruhiges Grab hinabsteigt, denn seine Asche wird nie wegen des wenigen Raumes, welchen sie einnimmt, entweiht, und kein Leichnam wird in eine Gruft gelegt, in welcher schon ein Todter ruht. Auf diese Weise dehnen sich denn die Begräbnissplätze der Türken immer weiter aus, und bilden einen eigenthümlichen Zug ihrer Landschaftsbilder. Man kann sich nichts Feierlicheres denken, als die Wirkung der tiefen, ergreifenden Dunkelheit des Leichenhofes von Scutari mit seinen tausend sich durchkreuzeuden Fusswegen, welche nur schwach gezeichnet sind, da es auch am Mittag hier nur dämmert ; und mit seinen Millionen Denksteinen, welche sich gegen einander lehnen, als wollten sie jeden Zoll der geweiheten Erde, welchen sie einnehmen, zum Gegenstand eines Streites machen, und ein Vorrecht gegen andere behaupten. Nach der allgemein * Scutari ist eine Europäische Verstümmelung des Persischen Namens Uskudar, welcher eigentlich einen Postboten bedeutet. Dieser Ort ist nämlich die Hauptstation der Asiatischen Couriere. Er hat .‘13,400 Einwohner, ausser beträchtlichen Seiden- und Baumwollenwebereien auch starke Gärbereien, iet der Wohnort des Persischen Gesandten bei der Pforte, und der Aufbruchsort aller nach Osten ziehenden Karawanen. — Anm. d. D. H. DER LEICHENHO" ZU SCUTARI. 5 ^ bei den Türken angenommenen Meinung, werden sie in einer niclit naher bestimmten Periode aus Europa vertrieben werden, daher sie, um ihre Asche vor \ erunreinigung durch die Ungläubigen zu schützen, eine Stelle in diesem Asiatischen Gewirr von Gräbern zu erhalten suchen. So geschieht es, dass ein Jahr nach dem andern der Umfang der purpurfarbigen Weinberge und goldenen Kornfelder kleiner wird, während die Cypressenhaine an Ausdehnung gewinnen. Allmählig verschwinden die blüthen- reichen Fruchtbäume und die lieblichen Weizenfelder, welche ihre langen, biegsamen Blätter jedem leisen Hauch des Windes folgen lassen. Die Sichel des Schnitters und das Messer des Weinlesers bleiben unbeschäftigt, denn auf dem Boden, welchen sie bearbeiteten, wird jetzt eine Staat ausgestreut, von welcher die Ernte erst am letzten Tage der Welt gewonnen werden kann. Bei jedem Türkischen Begräbniss ist es Gebrauch, dass der dabei beschäftigte Imam, oder Priester, eine Cypresse am obern Ende, und eine am Fuss jedes Grabes pflanzt. Nun kommen zwar die meisten nicht fort wegen Mangel an Luft und Baum ; allein die, welche aufwachsen, stehen doch so nahe bei ehrander, dass sie einen dichten, dunkeln Wald bilden. Zuweilen lässt man wohl eine Lücke darin, wie in der für dieses Werk abgebildeten Partie ; und der Zweck ist dabei, dass durch die offen gelassenen Stellen die frische Luft eindringen soll, indem die Ausdünstungen der Gräber die Atmosphäre sonst verunreinigen und zu allerlei Krankheiten Veranlassung geben würden. Aber der grösste Thcil des Leichenhofes besteht in einer ununterbrochenen Dunkelheit des Todes von beträchtlichem Umfang, und gespenstisch blicken die Denk- steine mit Turbanen, die Säulen mit goldenen Inschriften unter den schwarzen Stämmen der Cypressen hervor. Wie viele nützliche Lehren dringen sich uns hier in den stillen Gängen dieser weitläuftigen Stadt der Todten auf! Man bemerkt liier vergoldete Grab- mäler, welche mit einem Geländer eingefasst sind und oben entweder einen Bosenzweig haben oder einen Turban, um die Mutter oder den Vater einer Familie zu bezeichnen; die übrigen sinnbildlichen Verzierungen an beiden sind dieselben, aber an den letztem zahl- reicher, Ihre Inschriften enthalten die Namen und Titel einflussreicher und begüterter Geschlechter, welche hier abgesondert ruhen und deren Staub sich nicht mit dem andrer Menschen vermischen soll. Doch sind nach allen Seiten hin Gräber geringer Leute, welche sich in ihnen ganz in demselben Zustande befinden, und dieselbe ungestörte Buhe gemessen. Hier hegen, halb unter üppiges Gras vergraben, Inschrifttafeln, welche die Zeit unleserlich machte und um welche die Erde sich allmählig ablösete, dass sie ihre Haltung verloren ; dort reden vergoldete, schimmernde Säulen von Trennung und Tod, ohne dass die Witterung ihnen geschadet hätte. Auch in dieser Stadt der Todten folgt eine Generation der andern, dem gestern Verstorbenen der heute Entschlafene, und so geht das Werk des Todesengels fort, denn für den morgen Kommenden ist Baum genug vorhanden. Aber was bedeutet jene Gruppe hoher, mit Turbanen geschmückter Säulen, jede von einer schmalen, viereckigen Steinplatte sich erhebend, welche offenbar nicht gross genug ist, um einen vollständigen Leichnam zu bedecken ? VOL. i. P ANSICHTEN DES BOSPHORES. 64 Ein beängstigendes Gefühl ergreift den Fremden bei diesem Anblick, er vermuthet, dass dies keine gewöhnlichen Gräber sind, und er irrt sich nicht. Unter jenen schmalen Steinen ruht blos das Haupt derjenigen, welche ein Opfer eigener Verirrungen oder fremder Intrigen wurden, und deren übrigen Körper man auf eine entehrende Weise fortschaffte. Unten ihnen befinden sich Landesverräther, deren Anschläge man entdeckte, Heerführer, welche in ihren Unternehmungen unglücklich waren, und aufstrebende Staatsdiener, welche der Neid ihrer Nebenbuhler stürzte, als sie sich in ihren Träumen von wachsender Macht und steigendem Ansehn glücklich fühlten. Man versagte allen diesen eine nur einfache, prunklose Bestattung zur Erde, welche sie den übrigen ihres Geschlechts wieder gleich gestellt hätte. Die Turbane, so sorgfältig über jedem dieser vom Henker abgetrennten Köpfe eingegraben, sind ein wahrer Spott, um so empfindlicher weil er auf eine gesuchte Weise, nicht auf die gowöhnliche Art durch Worte ausge- drückt ist. Ihre Form, Faltung und Grösse zeigen den Bang des Unglücklichen an, von dem doch nur ein kleiner Theil unter der schmalen Platte von Granit oder Marmor liegt! Aber auf diesem Leichenhofe sind ja auch die Gräber der Liebe, mit Blumen geschmückt, und gepflegt von zarter Hand mit Theilnahme und Bedauern. Wenden wir uns denn lieber zu ihnen und vergessen es, dass noch eine andere Hand, als die, welche allen Menschen Leben und Daseyn verleiht, den Cypressenhainen dieses Leichenhofes ihre Opfer zu übergeben wagte. Jeder Türkische Leichenhof hat seine eigentümlichen abergläubischen Traditionen, und die, -welche dem Begräbnissplatz zu Scutari angehören, verdienen wegen ihres wilden, poetischen Characters hier angeführt zu werden. Wir bemerken dabei zunächst, dass der Bosphorus von Vögeln in ganzen Schaaren besucht wird, welche etwa so gross sind wie Drosseln, und dunkle Federn haben, ausgenommen auf der Brust, wo sie blass blau sind. Sie sollen zu der Gattung von alcedo* gehören, aber man hat dies nicht zur Gewissheit bringen können, da die Türken nicht erlauben, sie zu fangen, und es für jeden Franken gefährlich seyn würde, auf sie zu schiessen. Fälle, dass man solche Vögel todt gefunden hätte, sind auch nicht vorgekommen. Man sieht diese sonderbaren Vögel nie speisen oder sich irgendwo niederlassen ; zuweilen fliegen sie niedrig, aber wenn ihnen dann ein Schiff entgegen kommt, ändern sie doch nicht die Kichtung ihres Flugs, sondern heben sich entweder etwas höher, oder lassen das Boot durch, ohne die geringste Scheu zu zeigen. Schnell, aber geräuschlos nehmen sie ihre Bichtung vom Schwarzen Meere nach der Propontis, wo sie sich gleich umdrehen und nach dem Schwarzen Meer zurück fliegen ; wenn sie dort angelangt sind, halten sie sich wieder nicht auf, sondern wenden sich um und kehren nach dem Marmor Meer zurück. So fliegen sie von einem * Alcedo ist der Linnäische Name eines Vogels, welchen die Griechen Halcyon nannten; Eisvogel ; martin- pecheur, alcyon. Dieser Vogel, (welcher übrigens sich durch den Reichthum und die Pracht seiner Farben auszeichnet,) hat bei verschiedenen Völkern abergläubische Vorstellungen veranlasst. Die Ostiaken in Sibirien machen aus seiner Haut und seinem Schnabel Amulete, und die Bewohner der Inseln des Südmeers halten ihn in hoher Achtung. — Anm. d. D. H. abergläubische Meinungen. 55 Tage zum andern und vom frühen Morgen bis zum Untergang der Sonne ohne sichtbaren Zweck den Kanal entlang ; sie rasten nicht, und die Richtung ihres Flugs ist immer dieselbe. Die räthselhafte unheimliche Lebensweise dieser sonderbaren Vögel hat einer Sage den Ursprung gegeben, nämlich dass sie die verurtheilten Seelen der Gottlosen wären, deren Asche einen Ruheplatz auf dem grossen Leichenhofe zu Scutari gefunden habe, deren Geist aber mit den reinem Wesen ihrer weniger sündigen Nachbarn nicht verkehren dürfe. Viele Türken glauben noch an diese Sage, nach welcher jene Vögel kurzweg “ die verdammten Seelen” genannt werden. Zur Unterstützung der Sage trug der Umstand bei, dass, wenn bei Sturmwetter der Wind den Vögeln die gewöhnliche Richtung den Kanal entlang nicht gestattet, sie schreiend nach dem Cypressen Hain fliegen, um dort Schutz zu finden. Da nun dies die einzige Zeit ist, wo sie einen Laut von sich geben, so haben abergläubische Leute, deren es in östlichen Gegenden genug giebt, sich eingebildet, dass ihr Geschrei, welches scharf und durchdringend ist, aus Angst herrühre, indem sie zur - Strafe für ihre frühem Vergehungen, die sie sich einander erzählten, verurtheilt wären, auf den Gewässern von Constantinopel ewig hin und her zu fliegen und keine Ruhe im Grabe fänden. Aber bei der Beschreibung des grossen Asiatischen Leichenhofes, welcher ein bedeutenden Zug in dem Bilde von Scutari ist, dürfen wir dieses selbst auch nicht ausser Acht lassen. Seine glänzenden Häuser bedecken die hübsche Landspitze, mit der eine Bergkette schliesst, welche die Asiatische Seite des Bosphorus umgiebt, hernach zurück- tritt, um an ihrem Grunde von den stärkern wilden Wogen des Marmormeeres bespült zu werden. Man kann sich nichts so reizendes denken, wie die Lage der Stadt Scutari, welche auf jenem schönen Puncte die langen Schatten ihrer wie Pfeile auf- schiessenden Minarete weit über das Gerülle des Bosphorus nach dem Europäischen Ufer hin wirft und, wo die Felsenküste, an deren Grunde es wie eine Perle eingefasst steht, zurücktritt vor den Wogen der Propontis, selbst auch wieder beschattet wird von dem majestätischen Bulgurlhu Daghi, welcher, von einem klaren, blauen Himmel um- geben, düster und ernst um sich blickt, den Stürmen und dem Ungewitter Trotz bietet. Wenn das Licht der Sonne auf das schimmernde Gewässer fällt, welches an seinem Fuss rauscht, und nach welchem sich die hängenden Gärten der bedeutendsten Häuser freundlich hinneigen, zugleich den felsigen Abhang mit einem farbenreichen Schmuck einfassend, stellt, sich der gefällige Contour des Ortes, so wie der zarte Hauch des Windes sein launiges Spiel treibt, auf der Fläche des glänzenden Meeres in Zauber- kreisen bald länger, bald breiter dar. Gruppen von Häusern in dem Rahmen eines üppigen Laubwerkes, kaiserliche Kiosken mit den glänzenden Farben des Regenbogens gemalt, und Rasen, welche, mit dem lieblichsten Grün bedeckt, sich bis an den Rand der beiden, die Stadt einfassenden Meere ziehen, geben ihr ein munteres, heiteres Ansehn. Und nicht so weit als ein Pfeil vom Ufer fliegt, steht der kleine, malerische “ Mädchen - thurm.” 56 ANSICHTEN DES BOSPIIORUS. Dieses Castell ist auf einem Felsen von so geringem Umfang erbaut, dass sein Fundament die ganze Fläche desselben einnimmt und das Gebäude auf den W ogen zu schwimmen scheint. Es hat einen hohen Thurm und seine Mauern sind nach der Art alter Burgmauern. Folgende Legende will den Zweck seiner Erbauung erklären. Ein Sultan, dessen Name nicht mehr bekannt ist, hatte eine sehr hübsche Tochter, das einzige Kind, welches der Prophet ihm gewährt hatte, an dem sein ganzes Herz hing, und das seine theuerste Hoffnung war. Schön wie eine Houri des Mohammedanischen Para- dieses, und lebhaft wie der Sommerwind, wenn er über den Rosengarten von Nishapor wegrauscht, reifte sie zur Mannbarkeit heran, und ihr besorgter Vater hielt es jetzt für rathsam, einen berühmten Sterndeuter wegen ihres künftigen Schicksals zu befragen. Nachdem dieser sorgfältig sein vielfarbiges Wahrsagerbuch nachgeschlagen hatte, sprach er die schreckliche Prophezeihung aus, dass sie in ihrem achtzehnten Jahre die Beute einer Schlange werden würde. Der Sultan erschrak über diese entsetzliche Botschaft, liess aus ängstlicher Besorgniss den Mädchenthurm, Guz- couli, bauen, seine Tochter, bis das verhängnisvolle Jahr vorüber sey, in ihn sperren, und dachte, er habe auf diese Weise das gedrohete Unglück ganz ohnmöglich gemacht. “Aber,” setzt die Legende liinzu, “wer kann etwas ausrichten gegen sein kismet, Schicksal? Wer kann etwas ändern in seinem felech, Sternbilde ? Was am Himmel einmal geschrieben ist, ist geschrieben, und was dies sey, war dem Sultan gesagt. Der Tod erreichte die Prinzessin durch eine Natter, welche sich in ein kleines Tünchen von Feigen aus Smyrna geschlichen hatte, und man fand sie in ihrem achtzehnten Jahre todt auf dem Sofa liegen, eine Feige neben ihr, und die Schlange auf ihrem Busen ausgestreckt, dessen Lebensblut sie vergiftet hatte, wie die, welche dem Leben der Königin Cleopatra ein frühes Ziel setzte ! Doch giebt es noch eine andere Tradition, welche den Ausgang der Sache ver- schieden angiebt. Nach dieser schlich sich keine Schlange bei der Gefangenen ein, sondern ein Persischer Prinz, welcher von ihrer ausserordentlichen Schönheit gehört und dadurch neugierig geworden war, ruderte seine Gondel bei Nacht unter die Mauern des Guz- couli, hatte dann Gelegenheit sie zu sprechen, gewann ihre Neigung, und ent- führte sie mittelst einer seidenen Schnur und seines starken Armes, gerade in der entscheidenden Periode ihres Schicksals. Wolle der Leser selbst die Version des V organges wählen, welche ihm die wahrscheinlichste scheint ! Der Obstmarkt zu Scutari stösst an das Ufer des Canals und in seiner Mitte steht eine Fontäne, schon vor Alters in einem einfachen aber gefälligen Styl erbaut, deren reicher Vorrath an Wasser von fast unvergleichlicher Güte ist. Es kommt von dem waldigen Berge Bulgurlhu herab, aber aus einem unerklärbaren Aberglauben gestatten die Türken den Bewohnern * Der Mädchen- oder Leanderthurm war ein Fort nach welchem, zur Sperrung- der Propontis, eine Kette ging von dem durch Manuel Comn. erbauten Thurm der gegenüber liegenden Akropolis (jetzt feerai Bournou.). Er wird gegenwärtig als Leuchtthurm und Gefängniss gebraucht. — Anm. d. D. H. DER OBSTMARKT ZU SCUTARI. 57 der Europäischen Seite des Kanals selbst bei grosser Dürre nicht, sich davon zu holen. Man musste daher 1836, als es in Constantinopel so sehr an Quellwasser fehlte, dieses mit vielem Zeitverlust und bedeutenden Kosten aus beträchtlicher Entfernung, selbst aus den Dörfern an der Mündung des Schwarzen Meeres, herbeischaffen, während die Fontäne zu Scutari den Ueberfluss ihres einladenden Stromes unbenutzt dem Bosphorus zuführen durfte. Von dem Markt hat man einen trefflichen Ausblick über den Kanal, und dieser Platz ist auch sonst interessant. Er zeigt, welche köstliche, übersüsse Früchte man hier gewinnt, und ein Europäer wird sich eben so sehr über ihre Menge als ihre niedrigen Preise •wundern. Die Feigen und Melonen aus Scutari sind im ganzen Orient berühmt, und erstere kommen denen von Smyrna fast gleich. Auf keiner Insel des Archipelagus giebt es vorzüglichere, besonders saftigere Granatäpfel. Apfelsinen, Citronen, Pfirschen, sind auch in Ueberfluss vorhanden, und seine goldenen Aepfel haben wohl die Form der in westlichen Ländern wachsenden, übertreflen sie aber sonst an Feinheit des Geschmacks. Hat sich denn der Franke in Scutari umgesehen und belustigt, so mag er sich noch den unschuldigen Spass machen, in seiner Gondel eine Rückfracht herrlichen Obstes aus Scutari mitzunehmen, wozu eine Handvoll Piaster hinreicht.* * Scutari war früher eine für sich bestehende Stadt, Chrysopolis, deren Erbauung in die ältesten Zeiten des grossen Perserreiches fällt, die aber schon zu Strabo’s Zeit ihre Mauern verloren hatte. Die hiesigen Klöster der vorzüglichsten Derwisch- Orden sind wegen des grossen und unmittelbaren Zuflusses der Asiatischen Karawanen in einem glänzenderen Zustande, als die in Constantinopel selbst, und Reisende besuchen am häufigsten das Kloster der Rufaji wegen der Gauklerkünste dieser Derwische. Mit der obigen Ausführung über den Leichenhof von Scutari vergleiche man meine Abhandlung über bedeutende Europäische und Americanische Kirchhöfe zu Frankfurt a. M., Wien, Liverpool, London, Neuhaven u.s.w. S. 11. im zweiten Bande des von mir nach dem Englischen bearbeiteten Werkes America in Bildern. London, 1840. — Anrri. d. I). H VOL. I, Q 58 DIE MUSIKER DES ASIATISCHEN THALES DES SÜSSEN WASSERS. Wir kommen, das Herz zu erfreuen, Mit Liebe, Gesang und Musik ; Die fröliche Jugend umgiebt uns, Hell strahlt am Himmel die Sonne, Vom Meere webt labend der Wind ; Kein Sänger kann glücklicher seyn ! Es ist schon S. 4. eine Beschreibung des Thaies des Süssen Wassers gegeben, seiner majestätischen Platanen, seines lieblichen Flusses, und herrlichen, grünen Basens; der jungen Schönheiten, welche seine stillen Gänge füllen, der Spatzierfahrten, welche die Sultaninnen darin anstellen, und der rosigen Kinder, deren frohe Töne das Echo wieder - giebt. Aber die hiesigen Musiker sind eine ganz eigene Art von Leuten, und der bei diesem Werke beschäftigte Künstler wünschte auf sie besonders aufmerksam zu machen, widmete ihnen daher ein eigenes Blatt. In der That verdienen sie dies ! Freilich sind die Melodien ihres Gesanges und ihrer Musik nicht gerade süss zu nennen, und es ist nicht gerade das Ohr des Kenners nöthig, um ihre Misstöne zu entdecken, nicht der gebildete Geschmack eines Dichters, um die Abgeschmacktheiten in ihren Liedern zu bemerken. Gleichwohl wird man nicht umhin können, sie mit freudigem Lächeln zu begrüssen, denn wo man überhaupt vergnügt ist, wird man auch geneigt seyn zu lachen, und ihre Dichtungen enthalten, ohnerachtet aller Mängel der Composition und des Vortrags, doch immer auch Gutes, manche nützliche Andeutung. Man werfe nur einen Blick auf die Gruppe, welche die Musiker umgiebt ! Hier sitzt nachsinnend die erfahrne Matrone, in Kückerinnerung an ihre Jugend- jahre vertieft, der Beschränkungen gedenkend, welchen sie damahls ausgesetzt war ; aber die Unterbrechung durch die Musik der herumziehenden Sänger ist ihr nicht unwillkommen, sie hört ihnen vielmehr mit sichtbarem Vergnügen zu, und vergisst über sie, über ihren treffenden Witz, einfaches Ansehn, alles Uebrige. Neben ihr sitzt ein junges, schönes Frauenzimmer, freilich mit eifersüchtiger Sorgfalt gekleidet, allein mit einem so warmen Herzen, einer so blühenden Phantasie, als gäbe es in ihrem Lande gar keine Gitterfenster ; für sie haben die Lieder des wandernden Barden einen tiefem Sinn, ihr sagen sie viel Zärtliches, darum röthen sich ihre Wangen und ihr Puls schlägt WALLACHISCHE SÄNGER. 59 schneller. Aufmerksame Kinder sammeln sich in Gruppen, schauen und hören in stumme Verwunderung vertieft. Langsam, gedehnt und eintönig tragen die Minnesänger eine Reihe von Liedern vor, und allerdings kann ihr Vortrag nicht dazu beitragen, das Anziehende, was sonst der Text vielleicht haben möchte, zu erhöhen. Aber gelegent- lich rütteln sie die Tambourine, lassen sie die Silberglocken derselben schallen, vernimmt man den hohlen Laut der kleinen Arabischen Trommel, und dies mindert denn das Einförmige der Unterhaltung. Dass ihr Gesang, von jenen Instrumenten gewöhnlich begleitet, wirklich nicht ohne Vergnügen gehört wird, sieht man deutlich; denn viele der schönen Zuhörerinnen bleiben Stunden lang, verrathen nicht die geringste Lange- weile, und geben vielmehr ihren Beifall zu erkennen indem sie leise sagen : Maschallah ”! und “ Ajaib* !” Meistens sind diese Musiker Wallachen und Juden. Höchst sonderbar nimmt es sich aus, wie sie bei Einer Note so ausserordentlich lange verweilen. Sie werfen dann den Kopf zurück, sperren den Mund weit auf, sehen starr mit den Augen vor sich hin, und lassen nun einen Satz folgen, welchen sie schnell und mit Nachdruck sprechen. Dabei ist noch zu bemerken, dass diese orientalischen Künstler hier nicht die einzigen sind, sondern dass ausser ihnen auch andere sich die Bewunderung der verschleierten jungen Damen zu erwerben suchen. Zauberer, Wahrsager, Stegreifdichter, Erzähler von Mährchen und Bulgarische Tänzer besuchen ebenfalls dieses Thal, bemühen sich den Musikern Zuhörer abzugewinnen, und lassen sich durch die häufigen Unter- brechungen nicht stören, welche Obsthändler, Sorbet- und Wasser Verkäufer beständig veranlassen. Inzwischen sich doch die Musiker die beliebtesten und ein schon bekannter Sänger von entschiedenem Talent hat, besonders bei festlichen Gelegenheiten, im Asiatischen Thale des Süssen Wasser seinen guten Verdienst * Wunderschön! Der Ausdruck Maschallah bedeutet wörtlich “ das Werk Gottes,” und wird von den Türken oft in der Unterhaltung gebraucht, deren Zusammenhang und Sinn ihn näher bestimmen. Hier würde er durch “ göttlich” ! zu übersetzen seyn. — Anm. d. D. H. 60 BEGLIER BEY, DAS SOMMERSCHLOSS DES SULTANS. “ Den heitern Himmel trübte keine Wolke, Die blauen Wogen rollten sanft dahin, Der Sand der Küste lag ruhig, unbewegt, Die Vögel stimmten süsse Lieder an — ; Da zeigte sich dem Auge ein Zauberschloss, Mit Marmor, Perlenmutter und Porphyr Schön geschmückt, mit Fenstern von gemaltem Glas.” Byron. Der kaiserliche Sommerpalast Beglier Bey liegt auf der Asiatischen Seite des Bosphorus und ist der anziehendste Gegenstand desselben. Er ist von sehr bedeutendem Umfang und aus Holz gebaut, hat eine unregelmässige Vorderseite und zieht sich am Bande des Kanals hin, dessen Wogen seine langen, stattlichen Terrassen von scheinendem Marmor bespülen und an einigen Stellen in deren vergitterte Einbugen dringt. Der Harem desselben hat ein schräges Dach, von einer langen Keihe Fenster durchbrochen, welche durch ein dünnes Gitter von vergoldetem Holz gesichert sind ; der Haupttheil aber, oder der Salemliek, bildet ein Achteck, dessen spitz zu laufendes Dach mit einem Halbmond geschmückt ist und dieser trägt einen Stern, dessen reich vergoldete Spitzen im Son- nenscheine wie spielendes Feuer blitzen. In dieser Hauptabtheilung des Schlosses sind die Staatsgemächer, die Privatsäle des Sultans, und die von Personen der Hofhaltung bewohnten Zimmer. Das ganze Gebäude ist theils weiss angestrichen, theils mit einer blassen Goldfarbe, und hat mehr das Ansehn eines durch einen Zauberschlag entstandenen Feenpalastes, als eines Gebäudes, wie es von Menschen aufgeführt zu werden pflegt. Durch ein Marmor Thor zu Ende der Terrasse, welche nach der Stadt zu geht, tritt der Besuchende in einen Blumengarten, dessen Duft sich weit verbreitet. Fontänen werfen hier ihren dünnen Wasserstrahl unaufhörlich gen Himmel und die sanfte, beschwichtigende Musik, welche sie machen, ist ganz der Gegend angemessen ; V ögel mit prächtigem Gefieder wandern hier nach Belieben umher, und ihren glänzenden Farben entsprechen die Blumen und Blüthen, unter welchen sie spielen. Nach dem Meere zu wird das Ende dieser anmuthigen Besidenz durch eine Linie von vergoldetem Geländer bezeichnet, und geht man an diesem weg, so führt eine Thür mit Musivischer Arbeit zu der Eintrittshalle. Anfangs wird man nicht glauben, dass das Innere dieses Schlosses etwas Ausgezeichnetes enthalte. Nämlich die doppelte Treppe, welche in Form eines halben Mondes durch die Mitte der Eintrittshalle läuft, verkleinert diese DIE STAATSZIMMER DES SULTANS. 61 dadurch so sehr, dass ihre Dimensionen keinen Effect machen, wozu auch die sonst mit vielem Fleiss bearbeiteten Verzierungen von Schnitzwerk, so wie die vergoldeten Geländer und Pfeiler beitragen. In der That sind aber alle Einrichtungen dieses Palastes sehr grossartig, und von jener Eintrittshalle, welche einen Fussboden von seltenen Holzarten hat, eine Decke mit Arabesken und zahllose Fenstern, gehen nicht weniger als acht grosse Säle der kaiserlichen Hofhaltung aus. Ueber diesen befinden sich die Staatszimmer, welche von Vergoldung schimmern, und reich mit allen Gegenständen des Luxus versehen sind welche der Osten und Westen liefern können. Türkische Polsterbetten oder Diwans, mit Brocat und gesticktem Sammt bedeckt, wechseln mit Europäischen Sophas und Ruhebetten, und man .sehr hier Juweliersachen aus Genua, Porcelain aus Sevres, Marmor aus Italien, Edel- steine aus Pompeji, Persische Teppiche und Englische Tapeten, auch, in den Haupt- sälen, sechs der prächtigsten, ja vielleicht die sechs prächtigsten, überhaupt in der Welt vorhandenen, Pfeilerspiegel, welche der Kaiser Nicolaus von Russland, nach Abschluss des Tractats von Unkiar Skelessi, dem Vater des jetzigen Sultans zum Geschenk machte. Sie sind mit einem starken Rahmen von vergoldetem Silber eingefasst, welcher das vereinigte Türkisch- Russische Wapen trägt, und werfen nach allen Richtungen den Wiederschein der Zimmerverzierung, welches eine bezaubernde Wirkung macht. Dabei verbreiten die mit feinen Blumenkränzen reichverzierte Zimmerdecke und die glänzenden Farben der Teppiche über den Saal ein Ansehn von Helle und Freude, welches noch weiter erhöht wird durch den Blumengarten unter den Fenstern mit seinen strahlenden Fontänen, goldenen Orangerie und langen Linie von schimmerndem Geländer. Das Empfangszimmer ist nicht gross und nur wegen des so sehr bequemen Diwams mit weichen Polstern zu bemerken, auf welchen der Sultan die, welche ihn besuchen, sich zu setzen einladet; man hat hier auch eine herrliche Aussicht auf den Kanal, vom Serail bis nach dem Schloss Mahomed’s. Die Wände des Speisesaals sind mit seltenem, schönem Holz von verschiedener Art belegt, so dass sie eine kunstreiche Musivarbeit darstellen ; die Decke und der Boden sind beide verziert mit dunkeln Kränzen von Trauben und Weinblättern, in welche sich eine Menge sorgfältig bearbeiter Ananas schlingen. Eine lange Gallerie führt von hier nach den Privatzimmern des Sultans, und hat an beiden Seiten schöne Fontänen aus weissem Marmor, deren funkelndes Wasser mit angenehmer musikalischer Eintönigkeit in ihre mit Bildhauerarbeit verzierte Bassins fällt. In einem Zimmer tröpfelt das Wasser aus einem so zart gearbeiteten Federbusch von Alabaster, dass es beinahe scheint er biege sich unter der Last der hellen Tropfen, welche wie Juwelen von ihm fallen : in einem andern dringt das Wasser kräftig kervor, und fleisst über eine Lotusblume weg, bei welcher eine Gruppe von Liebesgöttern spielt. Diese Privatzimmer, welche den Harem von dem Staatsflügel des Palastes trennen, haben alle möglich Bequemlich- keiten. Man kann sich leicht vorstellen, dass die Damen des Sultans sie gern sehen möchten; sie erhalten aber nie Erlaubniss, diese Neugierde zu befriedigen. Es kann VOL. i. r. G2 ANSICHTEN DES BOSPHORCS. daher noch weniger erwartet werden, dass es einem Fremden gestattet seyn sollte, die Zimmer dieser Damen zu besehen, diese sind ihm verschlossen. Von dem Bade dieser kaiserlichen Residenz ist schon oben die Rede gewesen, daher wir nur noch der weitläuftigen, wahrhaft fürstlichen Gärten zu gedenken haben, welche terrassen weise steigen bis an die Spitze des, sich nach dem Schloss zu bückenden, Berges. Eine jede dieser Terrassen hat einen besondern ausländischen Gärtner, welcher ihre Anlagen nach dem Gebrauch seines Landes einrichtet. Den schönsten Theil dieser Anlagen schmückt ein ansehnlicher Teich, welcher der Schwanensee heisst, und dessen ganz Oberfläche oft dicht mit diesen hübschen Vögeln bedeckt ist. Der vorige Sultan Mahmud liebte sie so sehr, dass er oft Stunden lang verweilte, um sie auf dem Wasser fortgleiten zu sehen, und, wie der Dichter Wordsworth sagt, “ Sie schwimmen doppelt — ihr Körper und ihr Schatten.” Unter dem Schatten der duftenden Magnolia , Linn.,* der Weiden und andrer be- laubter Bäume, welche den Rahmen des Sees bilden, liegen Böte theils mit lebhaften Farben angemalt, theils vergoldet, und etwa fünfzig Klafter vom Ufer steht ein hübsches, phantastisches Gebäude, welches das Luftbad heisst, und ein geschmackvoller Schutzort gegen die drückende Hitze des Sommers ist. Sein Dach, sein Boden und seine Wände sind alle aus Marmor, auf welchem der Bildhauer Gegenstände des Seewesens vor- gestellt hat. Seine Fontänen schütten ihr Wasser an den Mauern hinab über eine Reihe auf einander folgender Seemuscheln, Seegottheiten, Seegras und Korallenriffen, halten die Luft immer, kühl, und verbreiten ein süsses Gemurmel, so dass dieser Saal unendlich reizend ist. Zu beiden Seiten hat er andere Zimmer von geringerer Bedeutung. Er ist als ein hübsches Spiel werk zu betrachten, auf welches die Phantasie verfiel, nachdem sie sich in andern Erfindungen dieser Art erschöpft hatte. Ein reich vergoldeter Kiosk glänzt unter einer Gruppe von Cypressen und Platanen, welche die letzte Anhöhe kränzen, und mit vieler Geschicklichkeit hat der bei diesem Werke beschäftigte Künstler die bezaubernde Schönheit der Gegend abgebildet, welche sich seinen Blicken darstellte, als er an der Grenzmauer des Schlossgartens stand. Die wogigen Ufer, mit einem Gürtel von Häusern und geschützt durch belaubte Hügel, die befestigten Felsen, die schimmernden Segel der Schiffe auf dem Kanal und, in weiter Entfernung, das Schwarze Meer, dessen Wogen der tobende Sturm peitscht, als wolle er zeigen, wie sehr er die festen Werke am Ufer verachte — sind einzelne Züge eines Gesammtbildes, welches ganz dazu geeignet ist, das Auge des Malers zu fesseln, und Bewunderung des Reisenden zu erregen. * Es giebt fünfzehn verschiedene Arten dieses prächtigen Baumes, von denen besonders magnolm grandiflora, Linn., (le magnolier grandes fleurs,) Zu bemerken ist. Sein Stamm erreicht oft eine Höhe von achtzig Fuss und hat oben eine Krone: seine sehr grossen Blätter sind immer grün, und jeder Zweig trägt nacheinander eine wohlriechende Blüthe, welche purupurfabrige Frucht entwickelt. — Anm. d. D. //• 63 DIE SOPHIEN MOSCHEE ZU CONSTANTINOPEL. “ Ich sah Sophiens Kuppel in Golde schimmern.” Byron. Reisende in der Türkei, welche alles Merkwürdige zu sehen wünschen, haben nichts Angelegentlicheres, als sich eine Erlaubniss zu verschaffen, uni die Moscheen zu sehen. Diese erhalten aber in der Regel nur hohe Personen, selbst jeder Europäische Gesandte nur einmal so lange er in Constantinopel wohnt, daher denn nothwendig Viele in ihren Hoffnungen getäuscht werden. Kein goldener Schlüssel öffnet die Thiiren, lüftet den Vorhang der Türkischen Tempel, und selbst wenn ein kaiserlicher Firman den Priestern gebietet, ihr Heiligthum Fremden auszuschliessen und zu zeigen, thun sie es ungern, und verhehlen es selbst kaum, dass es ihnen unangenehm ist. Der Hof der Sophien Moschee ist, wie der jeder andern der Hauptstadt, mit Marmor gepflastert und wird von hohen Platanen beschattet, deren sich weit ausbreitende Zweige und üppiges Laub auf dem geräumigen Platz abwechselnd Stellen von Licht und Schatten erscheinen lassen, welches eine treffliche Wirkung hervorbringt. In der Umgebung des heiligen Gebäudes versammeln sich daher Gruppen von Musulmännern, welche der Ruhe pflegend ihre Teppiche hier ausbreiten und ihre Pfeife rauchen, zugleich die Andächtigen betrachten, welche von Anfang bis zum Untergang der Sonne den Tempel besuchen. Eine geschmückte Fontäne mit hervortretendem, achteckigem Dach gewährt den Gläubigen das erforderliche Mittel, sich, ehe sie in die Moschee treten, zu wachsen. Ihr Marmorbassin ist durch einen Deckel aus Eisen gegen Verunreinigung durch Vögel geschützt, welche man in ganzen Schwärmen auf dem Dach und in den Winkeln des Gebäudes antrifft. Gleich neben ihm breiten Trödler, meistens Pilgrimme, in ihren grünen Turbanen und mit langen Bärten, ihre Matten aus und bieten zum Verkauf an Reliquien aus Mecca, Amulete, Wohlgerüche, Pfeifenmundstücke aus Bernstein oder Elfenbein, Schminke und Spielwerk für den Harem u. dgl. m. Diese herumziehenden Handelsleute besitzen meistens einen trocknen Witz, welcher den Türken sehr gefällt, und daher sammeln sich bald ganze Haufen von Zeitvertreib suchenden Leuten, deren pittoreske Tracht und würdevolle Haltung dem Maler einen stets willkommenen Stoff der Betrachtung darbieten. Der ansehnliche Effendi mit 64 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. seinem Turban aus Kaschmir und seinem kostbar gefütterten Pelz steht hier neben dem Soldaten in rother Mütze und blauem Rock; zu ihren Füssen niedergekauert bemerkt man den, auf seine Abstammung von dem Propheten stolzen, Emir in einem grünen langen Kleide, die Pfeife in der Hand haltend, wie er von der Unterhaltung in seiner Umgebung nichts zu verlieren sucht, dabei zugleich ruhig die Knöpfchen seines Rosen- kranzes durch die Finger laufen lässt. Neben ihm sitzt wohl ein Derwisch in seinem kegelförmigen Hut von grauem Filz; ein Santon, oder Heiliger, durch Unreinlichkeit ausgezeichnet, manchmal auch ein dicht verschleiertes Frauenzimmer, deren schwarze Augen zwischen den Falten ihres schneeweissen Schleiers durchblitzen, deren Füsse mit Stiefeln oder Pantoffeln von gelbem Maroccoleder bedeckt sind, und die einen schweren Mantel von dunkeim Tuch übergeworfen hat. Tritt ein Fremder dem Pilgrim näher, run seine Waaren zu besehen, so ist es ein Vergnügen die mancherlei Künste zu bemerken, die angewendet werden, um sie zu verkaufen. Die Freunde des Krämers, welche vielleicht dabei stehen, werden etwa einen Schapel (Rosenkranz) aus Arabischem Holz aufnehmen, ihn rasch in der Hand reiben, und dem Fremden entgegen halten, damit er daran reiche, dabei die Annehm- lichkeit des Dufts rühmen und zusammen ausrufen : “ Guzel, peh guzel- — gut, sehr gut!” Ein anderes Mal werden sie den Bart mit einer verkäuflichen Farbe einreiben, um zu zeigen, wie wirksam sie sey. In Ansehnung der Mittel, eine Sache anzupreisen, nehmen es diese Leute nicht so genau, und sie sehen ruhig zu, helfen auch wohl, wenn der listige Pilgrim einen Ungläubigen anführt. “ Allah buyük der — Gott ist gross!” damit entlassen sie den Betrogenen, welcher eine Sache vielleicht fünf Mal theurer bezahlt hat, als sie werth ist, nehmen dann ruhig ihre Pfeife wieder zur Hand und fahren in der unterbrochenen Erzählung fort. Die östliche Seite dieses Vorhofes bildet zugleich die erste Vorhalle der Kirche, wohin drei eherne Thore führen. Die Vorhalle ist ein bedeckter Säulengang, dem Peristyl der St. Peterskirche zu Rom ähnlich, dessen starke Granitsäulen in die Mauern einfassen. Unmittelbar rechts am Thore des Haupteinganges steht der, durch seine geringe Höhe gegen die an den Ecken der Moschee angebauten vier Minarete sehr abstechende, alte Glockenthurm der Sophienkirche. Aus der äussern Vorhalle führen fünf Thore in die zweite innere und neuen in den Tempel selbst. Ehe der Besucher in diesen tritt, muss er seine Schuhe ablegen und Pantoffeln von gelbem Maroccoleder anziehen, denn nur diese dürfen den geweiheten Boden der Moschee drücken. Ist er damit fertig, so thun sich die grossen Thore, welche auf einem Block von Porphyr standen, auf, und das Auge weiss nicht, worauf es sich in dem grossen Raume, welchen es erblickt, heften soll. Der Reisende braucht etwas Zeit, bis er zu der nähern Unter- suchung der einzelnen Gegenstände, welche er vor sich sieht, kommen kann; der erstaunliche Raum der Sophien Moschee wird ihn anfangs in Verwunderung setzen und allein beschäftigen. Sie ist zweihundert und sechzig Fuss lang, zweihundert und dreissig Fuss breit, und hat 107 Säulen. DIE GALLERTE DER SOPHIEN MOSCHEE. 65 Ihr Boden liegt gegen die Aussenseite des Grundes so tief, dass man von dem Seitenthore der Südseite zwölf Stufen hinabsteigen muss. Er besteht aus schöner Mosaik von Jaspis, Porphyr, Verde antico * und weissem Marmor; über ihm sind Teppiche von lebhaften Farben ausgebreitet. Tausende von gemalten Glaslampen hängen, verschiedene Figuren bildend, von eisernen Reifen, welche allenthalben quer durch das Mittelgebäude gehen. Von den altertümlichen Schätzen, der hier zusammengebracht sind, ist jeder werthvoll, und nur die Art, wie sie hier neben einander gestellt sind, erscheint unpassend. Man sieht nach allen Richtungen Säulen von verschiedenen Dimensionen und von verschiedenem Baustyl, aus Egyptischem Granit, Porphyr, und kostbaren, seltenen Marmorarten ; sie verlieren aber sehr an Effect dadurch, dass sie ohne Plan zusammengestellt sind, denn der Geist wird durch die sonderbare Vereinigung verschiedenartiger Sachen verwirrt. Acht herrliche Porphyrsäulen auf Fussgestellen und mit Gesimsen aus weissem Marmor, welche aus dem Römischen Sonnentempel Aurelian’s herstammen, stehen zwischen Säulen aus Verde antico , welche dem Tempel der Diana zu Ephesus angehörten, und andern aus Egyptischem Granit. Die Mauern sind mit Marmor, Jaspis, Porphyr-, und Verde antico bis in die Mitte hinauf belegt, wo die Gallerie anfängt. Diese Gallerie, welche sich in der ganzen Moschee herumzieht, hat Raum für viele hundert Menschen, ihr Boden ist von Marmor und sie wird von einfachen Säulen getragen. Von ihr überschaut man am besten das ganze Innere des Gebäudes. Inder Mitte des weiten Raumes ruht der grosse Dom auf den Kapitälern eines Kreises von riesenmässigen, aber roh geformten Säulen. Er war vormals mit feinen Mosaikarbeiten verziert, welche Seraphim und Heilige vorstellten, wurde aber, als die Mohammedaner die Christliche St. Sophienkirche in eine Moschee umwandelten, übertüncht. Jetzt lässt sich die ursprünglich schöne Zeichnung der Mosaikbilder nur erkennen, wo die Tünche abgefallen. Das Schlimmste ist, dass die geringem Imams einen Schacherhandel mit Stücken von altem Mosaik treiben ; sie nehmen ihn ab, wo es sich thun lässt, und ver- kaufen ihn an Reisende, welche auf diese Weise, ohne daran zu denken, zur fernem Zerstörung eines bedeutenden Kunstwerks beitragen. An der einen Seite des mittlern Raumes der Moschee steht die gewöhnliche Predigtcanzel ( Kursi ) auf Her Marmor- säulen, und daneben am südöstlichen Pfeiler die Kanzel des Freitagsgebets ( Minber,) bei welcher rechts und links zwei Fahnen aufgestellt sind, um den Sieg des Islams über das Juden- und Christenthum anzeudeuten; an der andern Seite, den Kanzeln gegenüber ist die kaiserliche, von Achmed III. erbaute, Emporkirche mit schönen Schenkelver- zierungen der Fenster und vergoldetem Gitterwerk. Am östlichen Ende der Moschee ist der Mihrab oder Hochaltar, eine gewölbte Nische, in welcher sich der Scheich Islam * Eine schöne Marmorart mit grünen und gelbgrünen Flecken und Adern, welcher in den Bergen von Carrara, auf der Küste von Toscana, auch in Nordamerica gefunden wird. Ygl. die Anm. S. 12 B. II. meiner Deutschen Bearbeitung des Englischen Werkes America in Bildern, welche zu London in der Verlagshandlung der vorliegenden Schrift erschienen ist. — Anm. d. D. H. VOL. I. s fiG ANSICHTEN DES BOSPHORUS. •-. ährend des Gottesdienstes befindet. An der Seite des Mihrdb stehen zwei grosse Wachslichter, welche jeden Abend angezündet werden, und gerade zwölf Monate dauern. Sie haben etwa achtzehn Zoll im Umfang und werfen ihr Licht auf den Koran des Scheich Islam. Sonst ist das Innere durch keine Nebenaltäre, Kirchenstühle und Sperrsitze beengt,* wodurch der Effect der Weite des Gebäudes noch vermehrt wird. Ueberhaupt genommen ist die Sophien Moschee, obgleich die Regeln des Ebenmasses und architectonischer Schicklichkeit oft verletzt sind, ein wahres Meisterstück der Baukunst, und verdient die Bewunderung, welche man ihr so viele Jahrhunderte lang gewidmet hat. Unter den Gengenständen, welche durch moslimische Sagen als Gegenstände andächtiger Verehrung besonders hervorgehoben sind, erwähnen wir die schwitzende Säule, links am Eingänge des nördlichen Thores aus der V orhalle, deren ausgeschwitzte Feuchtigkeit für ein Wunder wirkendes Heilmittel gehalten wird. In manchen Fällen hat sie freilich nicht anschlagen wollen. Die Säule ist zum Theil mit Eisen überzogen und hat unter diesem an einer besondern Stelle eine Vertiefung ; in die lässt man den Fremden, welcher sich durch das Gefühl von der Feuchtigkeit der Säule überzeugen will, die Finger stecken. Der Prophet soll die Säule berührt, und ihr eine wunder- thäthige Kraft verliehen haben. An der nördlichen Seite der Gallerie ist die Bischofs Thüre, welche durch starkes Mauerwerk verwahrt ist. Man sieht deutlich, dass Versuche gemacht wurden, sie zu öffnen; allein der Mörtel war zu fest und widerstand allen Versuchen, ihn abzubrechen. Der Rahmen der Thür ist aus weissem Marmor und unversehrt. N ach der Tradition wird sie von einem Greichischen Bischof bewacht, welcher den Gottesdienst verrichtete, als die Türken Constantinopel einnahmen, und jetzt in seiner vollen Amtstracht hinter der Thür sitzt, in der Bibel lesend. Wenn einst die Sophien Moschee wieder ein Christlicher Tempel wird, ist die Bestimmung des Bischofs, aus dem vermauerten Cabinet hervorzutreten und an dem Hochaltar eine feierliche Messe zu lesen; bis dahin, meinen Türken und Griechen, würden die vereinigten Anstrengungen aller Mauerleute Stambul’s es nicht öffnen können. Zuweilen fliegen Schaaren blauer Tauben mitten durch die Moschee ; sie sind die Nachkommen der Tauben, welche die Türken in der St. Sophienkirche fanden, als sie diese zuerst besetzten. In ihren Augen sind die Tauben heilig und niemand darf sie beunruhigen ; wer nur eine einzige tödtete, würde sein Leben aufs Spiel setzen. Zusatz des Deutschen Herausgebers . — Die Türkischen Moscheen sind von zweierlei Art, nämlich grosse (Dschami d. i. Versammlungsort) und kleine (Medschid d. i. * Man muss doch bemerken, dass Murad III. im untern Theile der Sophien Moschee die sich gegenüber stehenden, von Säulen getragenen Mahfils , oder erhabenen Sitze, erbaute, deren einer für die besoldeten Vorleser des Korans bestimmt ist, der andere für die Ausrufer der Gebets. Er liess hier auch, zur Erfrischung der Gläubigen, zwei mit Wasser gefüllte Krüge aufstellen, deren jeder 1000 Metzen Getreide fassen soll. Die kaiserliche Emporkirche, Makssure, ist ziemlich an der Stelle des Kirchenstuhls ( sedes imperatoria ) der Byzantinischen Kaiser. — Anm. d. D. H. GECHICHTE DER SOPHIEN MOSCHEE. 67 Anbetungsort. In jenen verrichtet ein hiezu besonders verordneter Geistlicher alle Freitage von der neben dem Hochaltar stehenden Kanzel (Minier) das öffentliche Gebet für den Sultan ( Chntbe.) Die Zahl der kaiserlichen, von Sultaninnen gestifteten, Moscheen beträgt überhaupt 36, wovon aber 12 in den Vorstädten und der nächsten Umgebung Constantinopel’s gelegen sind. Die kaiserlichen Moscheen haben das Vorrecht, in den heiligen Nächten von innen und aussen bis an die Spitze der Kuppel hinauf prachtvoll beleuchtet zu werden. Die in obigem Artikel behandelte Grosse Sophien Moschee, Aja Sofia, ist die vornehmste unter den kaiserlichen Moscheen, und nicht zu verwechseln mit der kleinen Sophien Moschee, Kutschuk Aja Sofia, welche südwestlich von ihr liegt, nahe am Meere, am Fleischhauerthor e, auf der Stelle des ehemaligen Palastes des Hormisdas, wo Justinian vor seiner Thornbesteigung wohnte. Die Grosse Sophien Moschee ist aus der alten Griechischen Kathedrale zur Heiligen Weisheit, üy las a-ocplas, erwachsen, welche Constantin d. G. im J. 325 n. Ch. G. gründete. Dieses herrliche Denkmal neugriechischer Baukunst wurde dann im J. 338 n. Chr. G. von dem Kaiser Constantius erweitert, allein 404 und 532 durch Brand, 558 durch ein Erdbeben sehr beschädigt. Der Kaiser Justinian liess die ehrwürdige Kathedrale durch Anthemius aus Tralles und Isidorus von Milet in den Jahren 538 und 568 n. Chr. G. prachtvoller aufbauen, als sie je vorher gewesen. Als im J. 987 ein abermaliges Erdbeben den Dom zertrümmerte, liess ihn Basilius II. wiederherrstellen. Bei der Umwandelung des Christlichen Tempels in eine Moschee wurden freilich grosse Veränderungen mit ihm vorgenommen ; aber Mohammed II., Selim II., und Murad III. schmückten das ansehnliche Gebäude auch weiter aus und bereicherten es mit Mina- reten. Noch jetzt hat es die Gestalt eines Griechischen, in einem Viereck beschrie- benen, Kreuzes, dessen oberes Ende, wo der Altar stand, gegen Osten gerichtet ist, das untere gegen Westen, die beiden Seiten aber gegen Norden und Süden. Vgl. Joseph von Hammer- Purgstall’s Geschichte des Osmanischen Reichs. Zweite Ausgabe. Pesth, 1840. DER OCMEIDAN. « Der Kraft des Armes weicht die straff gespannte Sehne Des Bogens und pfeifend fliegt von ihm, nach seinem Ziel Der Pfeil, wenn er die Luft durchschneidet mit Blitzesschnelle.” Der Ocmeiclan (d. i. Pfeilpatz) ist ein grosses, freies Revier, wo Uebungen mit Pfeil und Bogen statthaben. Er liegt hinter dem Dorfe Tatawla, welches von den darin wohnenden Griechen St. Dimitri genannt wird, und zieht sich längs den Begräbnis- stätten von Pera fort. Wo er sich dem Hafen nähert, hat man einen prachtvollen Prospect auf alle “ Sieben Hügel,” ihre schimmernden Moscheen und Paläste, die alterthümliche Wasserleitung des Kaisers Valens, in der Ferne aber die bewaldeten Gebirge Klcinasiens. Unterwärts des Platzes breitet sich das Goldene Horn aus, gefüllt mit Schiffen, und die leichte, schwimmende Hafenbrücke erscheint dem Auge so schwach und unsicher, wie die von El Sirat, ist aber ein hübscher Zug in dem Land- schaftsbilde. Eine Einfassung von Waldbäumen zieht sich von den nahen Anhöhen bis an den Rand dieser Fläche, welche sich hin und wieder wellenförmig hebt. Was hier besonders auffällt, smd die Helen Säulen oder Pfeiler aus Stein und Marmor, die in unregelmässigen Entfernungen stehen, und deren Inschriften nicht selten goldene Buchstaben haben. Man sollte denken, sie wären dem Andenken V erstorbener gesetzt ; allein sie sind zur Eine ausgezeichneter Bogenschützen errichtet, und mehrere erinnern an die Geschick- lichkeit des letzt verstorbenen Kaisers Mahmud im Bogenschiessen. Dieses ländliche Vergnügen liebte er sehr und er soll sich oft gerühmt haben, dass er in den letzten vierzig Jahren von der Krankheit, welche 1839 mit seinem Tode endigte, keine Woche vorüber- gehen lassen, ohne seinen Bogen zur Hand zu nehmen. Wirklich soll der Kaiser in der Handhabung des Bogens eine solche Geschicklichkeit besessen haben, dass es ihm Niemand in seinem Reiche darin gleich tliun konnte. Einige der Angaben auf den gedachten Säulen über die Entfernung, bis zu welcher er geschossen, sind freilich von der Art, dass nur ein kaiserlicher Arm seinen Pfeil so weit treiben konnte. In einem Falle soll die Weite dreihundert Englische Ellen (von 3 F.) betragen haben ; sic wurde gemessen, man errichtete eine Säule, und der Sultan verliess den Ocmeidan überzeugt, dass keiner seiner Unterthanen es ihm gleich thun könne. Wahrscheinlich hatte auch Niemand Lust, dies zu bestreiten; und der Page, welcher DAS BOGENSCHIESSEN DER TÜRKEN. 69 den Wunderpfeil aufnahm, auch zwei Beutel (£.10) zum Geschenk erhielt, als er hin seinem kaiserlichen Gebieter zurückbrachte, mochte dies wohl wissen. Die Lustpartien im Bogenschiessen, welche Mahmud anstellte, waren durch Hofsitte geregelt. Die Bogenschützen erhielten eine förmliche Einladung und der Anfang des Festes war, dass die Paschas, Beys und sonstigen Gäste eine Linie bildeten. Der Sultan trat dann an die Spitze der rechten Seite und schoss zuerst. Nun setzte sich ein halbes Dutzend Hofpagen in Bewegung, den Pfeil zu suchen, die Stelle zu bezeichnen, wo er niedergefallen war und ihn zurückzubringen. Diese Leute suchten es einander an Schnelligkeit des Laufens zuvorzuthun, und waren gewiss, wenn der Schuss sehr weit gegangen war, eine Belohnung zu erhalten. Um den Pfeil nicht zu verfehlen, liefen sie mit dem Kopf tief auf die Erde gebückt ; nahmen, ohne stehen zu bleiben, den Pfeil gewöhnlich eher auf, als sie es anzeigten, und trugen ihn dann noch eine Strecke weiter. Wenn sie endlich mit gellender Stimme verkündigten, dass der Pfeil gefunden sey und der Schuss von Bedeutung war, schritt man gleich zur Vermessung. Eben jener weite Schuss, dessen vorhin erwähnt ist, da man nach angestellter Messung fand, der Sultan habe 300 Engl. Ellen weit geschossen, soll auf Rechnung eines kurz- weiligen Pagen zu setzen seyn, welcher den in einer mässigen Entfernung gefallenen Pfeil unvermerkt aufnahm, aber so lange damit fortlief bis er fürchtete, man möge ihn zu Rede stellen. Allerdings dachte wohl Mancher, als der Page endlich stehen blieb, es sey nicht richtig, indessen befragte ihn Niemand darüber. So brachte er seinen kaiserlichen Gebieter in den Ruf des ersten Bogenschützen in Europa. Wenn der Sultan Mahmud seinen Schuss gethan hatte und die Weite desselben gemessen war, schossen seine Gäste nach der Reihe. Man kann sich aber leicht denken, dass ihre Pfeile das Ziel nie erreichten. So viel bleibt immer ausgemacht, dass wenige Bogenschützen die Geübtheit und den edlen Anstand des Kaisers Mahmud besassen. VOL. I. T 70 DAS SERAI B0URN0U. “ In reicher Fülle war ein Gegenstand Gereihet an den andern, und nirgends Fand, in dieser schimmernden Verwirrung, Das Auge einen Ruhepunct. Das Gold, Des Silbers Glanz, der Edelsteine Licht, Vereinten sich zu einer Strahlenmasse.” Byron. Das berühmte Serai Bournou, im Scheitel des grossen Dreiecks der Stadt Constantinopel gelegen, kann sich der ehrenvollen Auszeichnung rühmen, einst eine besondere Stadt gebildet zu haben. Auf seiner Stelle stand nämlich das alte Byzanz, welches 660 v. Chr. G. von einer Lacedämonischen Colonie gegründet wurde, und ein Theil der ursprünglichen Stadtmauer steht noch jetzt, die Schlossgärten von der Strasse absondernd. Nur wenige Frauen, Sclaven und Eunuchen erblickt man jetzt in seinen Hainen und Laubgängen, aber vor Alters lebten hier unternehmende, thätige Menschen. Der erste Constantin schmückte es weiter aus, machte es zum Grundstein eines neuen Reiches und zu einem zweiten Rom ; seine Nachfolger schwelgten in ihm Jahrhunderte, endlich verlor es die Christliche Welt und der letzte eines alten Kaiserstammes opferte der Yertheidigung desselben sein Leben und seine Krone. Jetzt ist hier nur ein Türkischei' Palast, und wo die Kriegstrompete ertönte, das Streitross wieherte, vernimmt man jetzt nur den Klingklang der Laute und Frauenstimmen. Wir lesen in der Geschichte, dass die alte Thracische Hauptstadt Byzanz vormals mit vielen Säulen, Statuen und Denkmälern verziert war. Jetzt ist davon freilich nichts mehr vorhanden, und nur die Ruine einer stattlichen Marmorsäule bemerkt man auf einer mit Bäumen bepflanzten Terrasse des äussern Schlosshofes. Sie ist neunzig Fuss hoch, besteht aus grossen, über einander gelegten Blöcken, und wird die Theodosius Säule genannt, wiewohl eine Vergleichung der Beschreibungen in alten Chroniken mit ihr zeigt, dass sie nicht das ursprüngliche Denkmal dieses Namens seyn kann, welches auch nicht an dieser Stelle stand. Eine ehrwürdiger alter Cypressenstamm schützt die Säule gegen Stürme von der Seite des Meeres ; allein die Statue, welche auf dem Kapital stand, ist nicht mehr vorhanden. Ihr hohes Alter bezeugt ein tiefer Riss, welcher fast durch die ganze Breite des Schafts geht, und wohl ohne Zweifel durch den Stoss eines Erdbehens entstand, welchem Constantinopel in frühem Zeiten häufig ERINNERUNG AN DAS ALTE BYZANZ. 71 ausgesetzt war ; ihre Dimensionen sind sehr gefällig, und die Verzierungen vom Laub- werk am Kapital sind mit vieler Kunst bearbeitet, so dass sie eines der interessantesten Denkmäler der Residenz ist. In dem Serai Bournou hat sich der Asiatische Geschmack auf eine sehr auffallende Weise erhalten, da sich doch sonst zahlreiche Spuren Europäischer Sitten und Cultur in Stambul zeigen. Sie erscheinen in der verbesserten Einrichtung der Strassen, Brunnen, Märkte und Paläste ; im Asiatischen Sommerschloss des Kaisers hat man Tapeten und allerlei mit Juwelen besetzte Kleinigkeiten aus Europa ; Blenden von kostbarem Brittischem Zitz werfen die Sonnenstrahlen zurück von den, mit vergoldetem Gitterwerk versehenen Fensterflügeln der Kiosken ; Seidenzeuge aus Genua und Lions bedecken die Polstersitze im Palast zu Beschicktasch — doch in der Wohnung des Kaisers Amurad ist Alles geblieben, wie es war, als hätte der Genius der Reform seinen Zauberstab nie nach den Kindern des Propheten gerichtet. Vom Marmor Meer gesehen macht das Serai Bournou einen schönen Effect eigener Art. Nur ein schmaler Damm scheidet die Mauer desselben vom Wasser und an einigen Stellen, wo er durchbrochen ist, bemerkt man ein dichtes Gitterwerk, durch welches die schönen Bewohnerinnen des Schlosses auf die von der Sonne beleuchteten Wogen und die phantastisch geformten Inseln der Propontis blicken dürfen. Ueppige Wucherpflanzen reichen an manchen Stellen über die Mauer, namentlich das Epheu mit seinen herrlichen, dunkeln Blättern, und die prachtvolle Kaperstaude mit ihrem reichen Grün und vollen Blüthen ; an andern Stellen erhebt sich auf der Mauer ein leicht gebauter, gefälliger Kiosk, welcher indessen durch die Witterung seinen ursprünglichen Glanz verloren hat und verfällt, indem er nicht mehr gebraucht wird. Man muss nämlich bemerken, dass der verstorbene Kaiser Mahmud, seit er das Staatsschwert anlegte, kein so zurückgezogenes Leben führte, wie seine Vorgänger, und das Serai Bournou ist seitdem nicht mehr das Hauptresidenz Schloss des Ottomanischen Hofes. Als Mahomed II., nach errungenem Siege, in die Wohnung seines gefallenen Gegners trat und sie von seinen eigenen Soldaten ausgeplündert fand, drückte er sich mit Rührung über die Entweihung des Palastes des letzten Constantins aus : so kann man jetzt auf das stille Serai Bournou die berühmten Worte eines Persischen Dichters anwenden : — “ Die Spinne hat ihr Netz gervoben in den Sälen der Casaren, die Eule lauert auf den Thürmen von Afrasiab und Niemand scheucht sie weg.” Von der Wasserseite sieht man nichts als eine Linie vergoldeter Kiosken, welche am Rande des Ufers gedrängt stehen ; ferner die Dächer und Dome einiger hohen Gebäude ; hie und da auch einen dünnen Minaret, welcher aus der Mitte eines dichten Waldes stattlicher Bäume, von denen viele über die Scheidungsmauer weghängen, zugleich ihren langen, kühlen Schatten über den Strom der Propontis werfen. Diese ist, selbst dicht beim Damm, so tief, dass Lastschiffe nahe am Goldenen Thore vorbei- fahren, wie man den Eingang des Schlosses von der See her nennt ; es besteht aus einem ANSICHTEN DES BOSPHORDS. ansehnlichen Portal von Marmor, welches so reich mit Arabesken von BrunLrgold ver- ziert ist, dass man es bei hellem Sonnenschein kaum anzusehen wagt. Fährt man um die Ecke in den Hafen, so kommt man zunächst nach einem ver- steckt unter den Mauern des Serai liegenden Kiosk, welcher unter der Benennung des Coursaals der Franken bekannt ist; hier mussten vor Mahmud’s Regierung die Europäischen Gesandten an Audienztagen warten bis es dem Sultan gefiel, ihnen zu erlauben, über die Grenze des Gebietes des Palastes zu gehen. Etwas weiter hin ist eine niedrige Thür, deren eiserner Beschlag jetzt stark mit Rost bedeckt ist und deren Riegel so lange nicht gebraucht sind, dass sie sich nicht mehr zurückschieben lassen. Dies ist das sogenannte Paschas Thor, durch welches, nach der Tradition, der Leichnam untreuer oder verdächtiger Edelleute, welche der Sultan hatte erdrosseln lassen, getragen und in den tiefen Strom des Hafen geworfen wurde. Man will aber auch behaupten, dass manche unglückliche Frau von hier in den Abgrund gestürzt wurde, wenn der zeit- weilige Sardanapal ihrer überdrüssig wurde oder sie ihn zufällig beleidigt hatte. “ In den Abgrund des Todes warf die rollende Fluth Manche Brust, in der ein Herz voll treuer Liebe schlug.” Indessen sind wohl beide Angaben nicht sehr zuverlässig. Die Diener des Todes würden, um erdrosselte Personen wegzuschaffen, nicht das träge Gewässer des Hafens gewählt haben, sondern eher eine Stelle des Marmor Meeres, welche kaum so weit von den Mauern des Serai entfernt ist, wie ein Pfeil, von dort abgeschossen, fliegt, nämlich die Stelle, wo die Strömung reissend nach dem Meerbusen von Nicodemia zu stürzt. Wie es auch damit sey, so endigt sich diese Mauer des Serai bald hinter jenem Thore, und zieht sich dann vom Hafen aufwärts durch die Stadt ; auf dem äussersten Puncte derselben befindet sich ein freundlicher, vergoldeter Kiosk, welcher auf einem der Strebepfeiler, wie durch Zauberei, im Gleichgewicht erhalten wird. Er ist ganz mit Gitterwerk umgeben, so dass man von aussen nicht hinein sehen kann, aber die darin sind, können alle äussern Gegenstände deutlich erkennen und beobachten. Diesem schimmernden Pavillon, welcher der Kiosk der Gerechtigkeit heisst, gerade gegenüber, ist der prächtige Eingang des Palastes des Grossvezirs und der Kanzleien aller Zweige der Staatsministerien, und nach ihm wird die Regierung selbst auch “ die Hohe Pforte” genannt.* Dieses ansehnliche Thor ist vielleicht eines der imposantesten * Bei den Persern und Arabern, nach deren Staatsverwaltung die Osmanische hauptsächlich gebildet wurde, schlichten die Könige unter dem Thore ihres Palastes vorkommende Rechtshändel. Dies thut zwar jetzt der Türkische Sultan nicht mehr, aber in seinem Namen spricht der Grossvezier, als der höchste Gewalträger der ausübenden Macht, in seinem Palast (Vesir Serai) Recht über Leben and Tod, lässt selbst sein Urtheil oft vor seinen Augen vollziehn. Hier ertheilt auch der Grossvesir fremden Gesandten die Ankunft und Abschieds Audienzen, bewirthet in den Nächten des Ramasans die Minister DER SPRINGBRUNNEN DES SERAI BOÜRNOU. I J in der Welt, und hat an den Seiten zwei tiefe Nischen, mit Marmor tafeln, auf welchen die Köpfe von Verbrechern unter dem Hange eines Paschas, von im Kriege gefangenen Feinden, und von Verschwörern, deren man durch List habhaft wurde, öffentlich ausgestellt werden, wenn es dem Sultan so gefällt. Die Benennung des eben gedachten vergoldeten Kiosks kommt daher, dass der Sultan von ihm aus sich überzeugt, dass seine Befehle ausgeführt wurden, und den Eindruck beobachtet, welchen die Ausstellung auf den grossen Haufen macht. Die Haupteinfahrtczum Serai Bournou ist auf der Seite eines Platzes, an welchem auch die Sophienmoschee steht, welcher aber sonst mit Beihen schlechter Wohnungen und mit Kaffeehäusern gefüllt ist. In der Mitte desselben steht ein schöner Spring- brunnen, welcher sein Wasser, hüpfend und schimmernd im Sonnenschein, in grossen Massen auswirft und, obgleich jetzt schon sehr in Verfall, doch eine treffliche Probe der alten Maurischen Architectur darstellt. Fünf Dome erheben sich über ihm, von denen der eine in der Mitte der grösste ist und reich verziert mit Bildhauerbeit, welche durch viele Oeffnungen das Licht durchscheinen lässt; die vier kleinern Kuppeln an den Seiten bilden das Dach, dessen Ende ein weit überhängendes Karniess mit vielen feinen Arabesken hat. Zwei steile, breite Treppen führen zu dem Gebäude hinauf, welches, mit Ausnahme des Ivilidge Ali Pascha Djamini zu Tophanneh, das schönste seiner Art in der Hauptstadt ist. Eine Menge von Schildwachen und Eunuchen, welche unter dem hohen Portal stehen, vollenden seinen Orientalischen Character. Der erste Hof dieses berühmten Palastes wird die gespannten Erwartungen des Beobachters nicht befriedigen. Hat er einmal die Zauberschwelle überschritten, auf welcher jetzt so selten ein Fuss steht, ausgenommen wenn der Sultan und seine nächste Umgebung hinkommt, so erwartet er, dass sich ihm sogleich eine Welt der Wunder und Pracht des Orients aufthun werde : statt dessen steht er auf einem weiten, länglichen Platze, welcher mehr ein Auswuchs, als ein zierender Anhang eines Palastes ist, nur ausgezeichnet durch einen gewaltigen, prächtigen Ahornbaum, welcher in der Mitte steht, und vielleicht nirgends schöner gefunden wird. Es scheint ein ganzer Wald sei aus einem einzigen Stamm aufgeschossen, welcher auf einem weiten Raum bunte Bilder von Licht und Schatten sehen lässt, und einer zahlreichen Colonie schöner blauer Tauben Schutz gewährt. Zur rechten Seite des Hofes liegen das Krankenhaus, Holz- magazin, und die Bäckerei ; auf der linken, die vormals reich verzierte Kirche der h. Irene, die aber jetzt in ein Arsenal verwandelt ist, und in einer Linie mit ihr die Münze, welche eine hübsche Reihe von Gebäuden bildet und an die sich die AVohnungen des Chekir-Encine und Tarafhanneh schliessen, jener der Director, dieser der Inspector der öffentlichen Bauten. der Pforte, hält den ordentlichen Diwan oder Reichsrath u. s. w. Das jetzige Gebäude besteht erst seit dem Jahre 1808, als der damalige Palast durch die Rebellen in die Luft gesprengt wurde. — Amn. d. D. H. VOL. I. U 7 ; ANSICHTEN DES BOSPHORUS. Geht man längs einer hohen Mauer weiter, so kommt man nach dem Mittelthor, Orta Kapousi, wo Hinrichtungen Statt fanden und Ströme von Blut geflossen seyn sollen. Von der Seite wird es durch zwei hervorstehende Thürme geschützt und dicht bei ihm ist das Henkers Zimmer, Djettad Odassi, wo die verdächtig gewordenen oder in Ungnade gefallenen Veziere, wenn sie nach dem Serai kamen, unvermuthet verhaftet und bis auf weitere Verfügung gefangen gehalten wurden. Man sieht hieraus die Bedeutung der Türkischen Redensart: “ er wurde zwischen den zweiThüren verhaftet.” Wurden sie nachmals aus der Residenz verwiesen, so las man ihnen an der bemerkten Stelle das Urtheil vor und Beamte des Serai brachten sie von hier nach dem Orte ihres Exils ; waren sie aber zum Tode verurtheilt, so vollzog der Castellan sofort den Spruch. Ueber dem Thorwege ist eine Reihe eiserner Zacken, auf welchen die Köpfe Ilingerich teter ausgestellt, und im Sonnenschein schwarz wurden, unter ihnen aber war an der Mauer die Bekanntmachung, yafta, der Verbrechen geheftet, wodurch diese Strafe verwirkt worden. Diese Bekanntmachung war in grossen Buchstaben auf einer kegel förmigen Pergamentrolle geschrieben, welche so lange da blieb, bis die Witterung sie zerstörte, es sey denn dass die Vewandten des Geopferten die Wache durch ein Geschenk vermochten, sie wegzu schaffen. Der Mörser der Ulemas, von dem man so viel Schreckliches erzählt hat, soll vormals bei diesem Mittelthor aufbewahrt worden seyn, aber jetzt ist nichts mehr von ihm zu sehen, und man muss hoffen, dass er nie wirklich existirte.* Ueber- haupt verschwinden, wie man die Orta Kapousi vorbei ist, alle Gedanken an Tod und Leiden ; kein Klageton darf nun weiter in die Wohnung “ des Lichtes der "Welt und des Bruders der Sonne” dringen, man erblickt jetzt Schimmer und Vergoldung, wird zur Freude und Heiterkeit gestimmt. Der Besucher gelangt jetzt an den Eingang des dritten Hofes, in dessen breiter Mauer sich ein Wachzimmer befindet; die Eunuchen des Palastes suchen in ihm ihr einförmiges Daseyn durch abgeschmackte Spässe mit den unthätigen Soldaten zu erheitern, an der Wand hängen Waffen zum Zierrath oder Gebrauch, und auf einer Reihe niedriger Kanapees mag sich die Wache ausruhen. Die andere Seite dieses Einganges hat ein weit hervortretendes, reich verziertes Dach, welches gemalt und vergoldet ist, wenigstens fünf Fuss von der Fronte des Gebäudes weg steht, und durch zwei hohe Säulen von weissem Marmor gestützt wird ; den Schäften derselben hat man das Ansehn von Palmbäumen gegeben, und auf ihren Käpitälern, welche mit Bildwerk von roher Arbeit verziert sind, stehen viereckige Pfeiler mit Mosaik geschmückt und vergoldeten Arabesken. Das Dach selbst läuft spitzig zu und besteht aus einem Gitterwerk von vergoldeten Stangen über einem * Noch vor dem Eingang in den zweiten Ilof erblickt man allerdings in der Ecke des ersten Hofes rechts einen grossen Mörser, und Europäische Reisende verbreiteten die Sage, dass die des Todes scnuldigen Muftis und Ulemas ehemals darin zerstampft worden wären. Es ist dies aber nichts als ein Mährehen, indem nach den Reiehsgesetzen Muftis und Ulemas nur mit Landesverweisung und Gefängnis» betraft werden können, auch nie anders bestraft worden sind. — Anm. d. 1). H. DIE BIBLIOTHEKEN IN CONSTANTINOPEL. 75 Grunde von glänzend blauer Farbe, einer Lage von Türkissen gleich, über dem Dach blitzt ein goldener Halbmond. Der kunstreich ausgelegte Fussboden, welcher die Brechung der Lichtstrahlen des Daches scheint vorstellen zu sollen, besteht aus seltenen Steinen, welche durch einen Kitt eigenthümlicher Art verbunden sind ; in seinem jetzigen Zustande sieht er aus, als ob fliessendes Gold gebraucht sei, die verschiedenen Theile aneinanderzufügen. Ueber- haupt macht das Ganze einen so ausserordentlichen Effect, ist so prachtvoll, so verschieden von Allem, was man in Europa sieht, dass gegenwärtige etwas ausführliche Beschreibung des Heiligthums der Türkischen Kaiser, in welches bisher auch nur wenige Franken gedrungen sind, keiner Entschuldigung bedarf. In dem Hofe, zu welchem jener geschmückte Eingang führt, befindet sich der Thronsaal und die Bibliothek ; ersterer ist das Staats Empfangszimmer, in welchem Abdul Hamid Khan, der Vater des vorigen Sultans Mahmud, die Europäischen Gesandten und vornehmsten Türkischen Beamten bei festlichen Gelegenheiten empfing. Es ist ein hübsches Gebäude, oben mit einer Kuppel, und zu ihm führt eine doppelte Treppe, in deren Mittelpunct eine Fontäne ist; sie bildet eine Terrasse, welche durch einen Ueberhang aus rothem Seidenstoff geschützt wird. Das Innere ist einfach in seiner Einrichtung und untadelhalft in seinen Dimen- sionen. Die Decke des Saales ist mit Arabesken überladen, aber reich vergoldet ; seine Schönheit wird noch durch den Schatten gewaltiger Ahornbäume und dicht aneinander stehender Cypressen, welche über ihm weghängen, erhöht. Die kaiserliche Bibliothek befindet sich in einer Reihe Kiosken im Saracenischen Geschmack, welche offene Arcaden haben, deren Säulen Bogenreihen von den gefällig- sten Dimensionen tragen.* Sie soll grosse Schätze in Handschriften besitzen, aber noch ist nicht die Stunde gekommen, dass sie der Altcrthumsforscher, der Gelehrte benutzen könnte. Unterdessen ruht das Auge mit Vergnügen auf ihr, und gewissermassen mit Bedauern begiebt sich der Fremde von hier weg nach dem 4 ten Hofe, welcher ein schönes, zuweilen der Kiosk von Bagdad genanntes, Gebäude enthält. Hier sollen, der Sage nach, die Juwelen der Constantine sich befinden, und die Schätze der frühesten Sultane; man versichert, dass die Thürme gewölbt sind und jeder sehr werthvolle Gegenstände enthält. Man behauptet auch, dass hierhin zuweilen rebellische Favoritinnen verwiesen worden, um in der Einsamkeit zur Besinnung gebracht zu werden, wenn sie stolz auf ihre persönlichen Reize der rohen Willkür ihres Gebieters widerstanden ; dieser wollte * Es giebt in Constantinopel 12 kaiserl. und 8 von Grosswesiren u. A. gestiftete Bibliotheken, von denen doch nur wenige dem Nicht- Muhammedaner gegen besonders dazu ertheilte Fermans zugäng- lich sind ; für den Osmanen aber stehen sie, mit Ausnahme des Freitags, täglich vom Morgen bis zum Nachmittagsgebete offen. In allen bildet der Büchersaal zugleich das Lesezimmer, wo die Bücher, deren Titel auf dem Schnitte der Blätter oder auf der schmalen Seite des Futterals angeschrieben sind, in gemalten Schränken wagerecht aufgeschichtet liegen. Am zugänglichsten für Europäer ist die Bibliothek bei dem Grabmal und Collegium S. Abdulhamid’s am Gartenthor. Von den bei Eroberung der Stadt Vorgefundenen Büchern soll wenig oder gar nichts mehr vorhanden seyn. — Anm. d. D. H. 76 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. seine Hoffnung nicht aufgeben, so lange noch Aussicht war, ihre Abneigung gegen seine ungezügelte Sinnlichkeit zn bezähmen. lieber den vierten Hof hinaus ist der “ Garten der Wonne,” in welchem sich ver- goldete Kiosken für den Harem und die jungen Prinzen des kaiserlichen Hauses befinden. Hier strahlt und schimmert Alles durch einander ! Man sieht vielfarbige Blumenbeete, deren Pracht den stolzen Gebäuden, die sich zwischen ihnen erheben, nichts nachgiebt ; vergoldete, mit lebhaften Farben angemalte Pavillons ; Körbe von vergoldetem Flecht- werk, in denen Rosen blühen ; Fontänen, welche ihr süsses Gemurmel unter dem dichten Schatten überhängender Zweige ertönen lassen ; und nach allen Richtungen die sorg- fältig vergitterten, eifersüchtig bewachten Fensterflügel des Harems, welchen der Fuss keines Ungläubigen ungestraft betreten wird. Von den Damen der Hofhaltung des vorigen Sultans Mahmud befand sich keine im Serai Bournu, ausgenommen wenn er selbst es bewohnte. In dem weitläuftigem Harem war damals blos ein Dutzend achtzigjähriger Frauen des Sultans Selim, deren Alter sie vor dem Schicksal der jüngern, schönem Favoritinnen schützte, welche nach orienta- lischen Grundsätzen von Politik hingeopfert wurden, als der Kaiser Mahmud zur Regierung gelangte, damit sie, wenn sie vielleicht einen Unterthan heiratheten, dem Hofe keine Schande machten und sich selbst herabwürdigten. Gleichwohl ist der Harem ein Heiligthum, und kein neugieriges Auge, kein zudringlicher Fuss durfte die stille Wohnung der würdigen Witwen des unglücklichen, übel berathenen Selim’s stören. DIE VORSTADT TOP-HANNE. “ Zieh die Segel noch nicht auf, Lass nur erst das Schiff fortgleiten ; Auf halbem Wege aber, nach jenem Felsenufer, Da halte an im tiefen, dunkeln Wasser des Kanals.” Byron. Ks ist als hätte der berühmte Dichter, welchem obige Zeilen angehören, diese eigens für Diejenigen geschrieben, welche zuerst die Vorstadt Top-hanne besuchen wollen. Sie liegt zwischen Galata und dem Thal Dolma- Batche ; wenn sich die Gondel in Bewegung setzt, wird sie einen Augenblick nicht von Rudern fortgetrieben, und in der Mitte DIE BERÜHMTE FONTÄNE EINES RENEGATEN. 1 1 zwischen dem Felsenufer von Asien und der Anlände von Top-hanne wird das Auge durch einen Prospect von unvergleichlicher Schönheit überrascht. Hinter dem Arsenal, wo eine lange Linie metallener Kanonen, mit denen man bei Staatsfesten Salute feuert, am Kanal hinauf steht, sieht man die Moschee des Sultans Mahmud mit ihren spillenförmigen Minareten, zu einem Drittel ihrer Länge in Gold getaucht und umgeben von Gallerien, so leicht wie versteinertes Spinnengewebe ; ihre vergoldeten Thore und ihre ansehnliche Treppe mit Marmorstufen. Die Kanonen- giesserei, nach welcher der Ort benannt ist, bildet das eine Ende der Batterie, und über sie hinaus, an der Hafenseite, steht was von dem Galata Serai übrig geblieben ; weil dieser kaiserliche Palast bei dem grossen Brande von Pera sehr gelitten hatte, so wurde er in eine Hofpagen Schule umgewandelt. An der Hafenseite wird die Vorstadt durch eine hübsche Caserne begränzt, und die Anlände von Top- hanne ist der allgemeine Landungsplatz für Gondeln aus Scutari und den Dörfern am Bosphorus. Was aber besonders diesen hübschen Ort schmückt, ist die Fontäne auf dem Obstmarkt, die berühmte Kilidge Ali Pascha Djamini, oder Fontäne der Moschee des Ali Pascha, eines Französischen Renegaten, welcher den nach ihm benannten, auf der Westseite eines freien Platzes stehenden, Tempel bauete. So reich auch ohnstreitig Constantinopel an Fontänen in verschiedenem Baustyl ist, besitzt es doch keine von solcher Schönheit und so kunstreicher Arbeit wie die gedachte: ihre feinen Arabesken sind über alles Lob erhaben und sie sehen fast wie Juwelen aus, wenn die Strahlen der Sonne sie berühren. Ihre Dimensionen sind untadelhaft und sie steht in der Mitte eines freien Platzes, ihre gewaltigen Wassermassen in ein weites Becken von glänzendem Marmor werfend, so dass ein höchst malerischer Effect entsteht. An einer Seite erhebt sich die Moschee, zu welcher sie gehört — ein schwerfälliges Gebäude mit starken, kleinen Minareten, wodurch man an einen Christen erinnert wird, welcher seinen Gott verleugnete, seinen Glauben abschwor, um sich bei den Musulmännern beliebt zu machen und eine Ehrenstelle zu erhalten. Diese Zeit ist nun vorüber, und die Türken selbst wundern sich jetzt, dass so etwas vorfallen konnte ; sie haben sich überzeugt, dass Dienste, die auf Apostasie gegründet worden, Eifer für eine Sache aus Falschheit entsprungen, unzuverlässig sind und ohne Werth. Auf der andern Seite ist der gefällige Kiosk des Halil Pascha mit seinem aristocratischen Portal und Fenster- flügeln, welche vergoldetes Gitterwerk haben — ein wahrer Arabischer Feenpalast; allent halben aber liegen grosse Haufen köstlicher Früchte Europa’s und Asien’s. Nämlich hier ist der grosse Markt für die Obsthändler aus Scutari, den Inseln des Marmor Meeres und allen Asiatischen Dörfern am Kanal, daher man sich leicht vorstellen kann, welche reiche Austeilung hier zu erwarten ist. Haufen duftender Melonen liegen neben Pyramiden von Weintrauben, welche aussehen als wären sie aus Bernstein gearbeitet. Saftige und erfrischende Wassermelonen, grün und glänzend wie Schmaragde, gewännen noch an schönem Ansein durch den Contrast der zunächst auf sie folgenden goldenen Granatäpfel; Pistazien- Nüsse, Limonen, Quitten, Apfelsinen, Aepfel, liegen überall in x VOL. I. ANSICHTEN DES BOSTHORUS. /{$ grosser Menge umher ; und die wollige Pfirsche, clie Pflaume, durch ihr blaues Gewand erröthend, laden den Wanderer bei jedem Schritt ein, sie aufzunehmen. Der Mosli- mische Kaufmann sitzt hier ernsthaft auf seiner Matte niedergekauert, neben ihm liegen seine gelben Pantoffeln, im Munde hat er seine Pfeife, mit starkem Tabak aus Latakia gefüllt — so erwartet er ruhig einen Kunden ; bei ihm steht der rührige und gewandte Grieche, singt bald ein Lied in neugriechischer Sprache, bald flucht er bei seinem Heiligen darüber, dass die Käufer so lange ausbleiben, oder betet auch, wie seine Laune gerade ist; hie und da aber wandert unter den Kaufleuten gebückt ein Jude mit langem Bart, und in abgetragenem Kleide ; sein Gang ist kriechend, und was er zum Verkauf anbietet, ist verfälschtes Opium, abgelegte Putzsachen und altbackenes Confect. Ueberhaupt ist diese Scene sehr reizend, und der Fränkische Reisende muss den Obstmarkt zu Top- hanne und die schöne Kilidge Ali Pascha Djamini schon oft besucht haben, ehe er ein so aufregendes Schauspiel eigener Art überdrüssig wird. DIE MAUERN VON CONSTANTINOPEL. Sie sind in Liedern oft besungen, In ihrem Umkreis kämpften Helden Vergebens für ihr Vaterland ; der stolze Halbmond siegte. Doch glorreich fiel hier fechtend, Der letzte vieler frühem Constantine. Die Verfasserin. Die Mauern von Constantinopel gewähren interessante Erinnerungen. Sie ezählen dem Geschichtschreiber von den Schicksalen eines mächtigen Reiches ; dem Alterthums- freunde von den besten Tagen der Römischen Kunst ; dem Krieger von den Helden- thaten längst verschwundener Geschlechter, deren Andenken in der Tradition fortlebt ; dem gebildeten Reisenden aber bieten sie Scenen von grosser poetischer Schönheit dar, welche eine Reihe verschiedenartiger Landschaftsbilder darstellen, und auf allen Puncten, wohin ihn seine Wanderungen führen, wechseln, so dass weder die Feder des Erzählers, noch der Pinsel des Malers die Wirklichkeit zu erreichen vermögen. Constantinopel liegt auf einer dreieckigen Vorhöhe der Propontis und wurde nach allen Seiten hin stark befestigt, sowohl an Denjenigen, welche die See bespült, als an Der, welche die Basis des Triangels ist und es mit dem festen Lande verbindet. Die ALTE INSCHRIFTEN AN DER MAUER VON CONSTANTINOPEL. 7';) Mauern dieser Stadt erstrecken sich auf zwölf Engl. Meilen von einem Meere zum andern, die ganze Länge des Hafens hin ; sie treten den W ogen des Marmora Meeres entgegen und endigen bei der berühmten Festung der sieben Thürme. Sie sind aber allenthalben schadhaft und an verschiedenen Stellen so verfallen, dass sie zur Verthei - digung der Stadt durchaus nicht dienen können; an ihre Reparatur, welche eine herculische Arbeit seyn würde, hat man bisher nicht gedacht, und wahrscheinlich kommt es nie dazu. An einigen Puncten bilden gewaltige Felsenmassen den Grund der Mauern und diese Art der Architectur kommt auch bei einigen der ältesten Griechischen Bau- werke vor; vormals nannte man sie die Cyclopische, und die ausserordentliche Grösse und Schwere der dabei gebrauchten Steine veranlasste die Fabel, dass Riesen dabei beschäftigt gewesen. An andern Stellen, besonders an der Seite des Marmora Meeres, fängt das Mauerwerk gleich vom Wasserrande an, und wo die Gewalt der Wogen die ersten Steine weggerissen hat, ersetzte man sie, um das Eindringen der Fluthen in diq Gärten und Kiosken, welche das Gestade einfassen, abzuwehren, sehr oft durch Säulen- schafte von schöner Form, welche man in Stücke zerschlagen hatte. Man sagt, dass di. H. DER VERFALLENE PALLAST C0NSTANT1N S. 95 verbundenen, unangenehmen Umstände verliert sich dieser ganz. Wenn ich bemerke, dass das Gebäude den Juden zum Armenhospital abgetreten ist, so werden Touristen darnach gleich vermuthen, dass sie sich den Weg dahin ersparen können; es ist wirklich ein Sammelplatz von Unreinlichkeit, ein Sitz verderblicher Krankheiten, und was man sieht und riecht kann nur Ekel und Verdruss erwecken. Am Fundament desselben bemerkt man ganze Hauten abgefallenen Mauerwerks umher liegen, und in jeder Zelle befindet sich ein widerlicher Gast. Bald hat man ein bleiches, abgemagertes altes Weib vor sich, deren dürre, runzeliche Hände sich nur mit Mühe von den Lumpen befreien können, in welche sie gehüllt ist, um demiithig den Fremden zu bewillkommnen, worauf sie mit kreischender Stimme in kauderwelschem Spanisch zudringlich und ungestüm um Almosen bittet ; bald zeigt sich ein sorgenfreies Kind, die auszeichnenden Züge seiner Herkunft an der Stirn tragend, welches sich nackt im heissen Sonnenschein rollt, und mit den halb verhungerten Hunden der elenden Colonie herumspringt. Aus einer Abtheilung sucht der Besucher nur wegzukommen, um von Krankheiten nicht angesteckt zu werden, in der andern wird er durch Zudringlichkeit belästigt; um die Ruine aber sind nach und nach viele elende Häuser gebaut, deren schad- hafte Dächer, zerbrochenes Gitterwerk und Fenster, zum Schutz gegen üble Witterung mit Lumpen oder Gras ausgestopft, dem traurigen Anselm ihrer Bewohner entsprechen. Unter diesen Umständen wird man leicht glauben, dass ein Besuch nach dem entwei- heten Pallast Constantin’s dem Europäischen Reisenden eine peinliche Ueberwindung kosten muss, da er sich darauf gefasst zu halten hat, die widerlichsten Gegenstände zu erblicken und selbst mit ihnen in Berührung zu kommen; es muss sein Gefühl martern, wenn er so viel Elend findet, dem er doch nicht abhelfen kann. Daran ist gar nicht zu denken, dass ein Alterthumsfreund, gäbe er sich auch noch so viele Mühe, hier antike Ueberreste erhalten könnte, um dadurch für die Unannehmlichkeit eines kurzen Besuchs entschädigt zu werden ; denn die hier hausende Horde dürftiger, aber verschmitzter Hebräer hat schon jeden Winkel, jede Stelle dieses verfallenen Gebäudes untersucht. In weiter Ferne von ihm stellt sich ein ansehnlicher, prächtiger Gegenstand dar, aber näher könnte er ihm auch nicht stehen, sonst würde seine Erscheinung verlieren, wie sonst dem Seltenen durch Verbindung mit dem Alltäglichen sein Interesse geraubt wird. Nahe bei ihm schicken die allgemeinen Abzugscanäle ihren Unrath in den Hafen, Wohl kann man auf dieses Gebäude die Worte Shakspeare’s anwenden : . H. + Dieser Name gehört zunächst einem wirklichen Schloss an, welches iiberhalb der Cisterne liegt, rückwärts der Pforte des Grossvezirs. Es ist die Cisterne Basilica gemeint, unter einer der Hallen des forum Augusteum. — Anm. d. D. H. 108 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. vor wenigen Jahren an diesem merkwürdigen Orte vorfiel. Die tiefe Stille desselben, seine dunkle Pracht, die ungewissen Grenzen und das Geheimnissvolle der wilden Anlage machten bei einem unternehmenden Engländer den Wunsch rege, der erste zu seyn, welcher über den Umfang dieses Wasserbehältnisses genaue Auskunft gebe. Er beschloss demnach, in dem kleinen Boot, welches damals an einer der Saülen befestigt war, allein abzufahren. Umsonst waren alle Gegenvorstellungen des alten Effendi, in dessen Garten beim Hause jene Oeffnung sich gebildet hatte ; vergebens erinnerte ihn sein vorsichtiger Dragoinan (Dolmetscher) an frühere Beispiele unbesonnener Fremden, denen ihre Unter- nehmung nicht gelungen war; vergebens warnten ihn auch alle seine Freunde vor den Gefahren des Einathmens unreiner Luft und bedrohlichen Ereignissen vielerlei Art, die man ohnmöglich alle vorhersehn könne. Wann kümmerte sich wohl ein Engländer um solche Gründe ? Er lachte nur über die Besorgnisse der Anwesenden und erklärte, er sey entschlossen die uninterirdische Halle zu untersuchen ; niemand könne ihm beweisen, dass die Ausführung seines Vorhabensohnmöglich sey, die Halle sey ja eben nur eine Cisterne und das Werk menschlicher Hände. Widerspruch bestärkte ihn nur noch mehr in seinem Vorhaben, und so beredt wusste er seine Ueberzeugung von dem Gelingen des Unternehmens vorzustellen, dass er fast alle Umstehenden für sich gewann. Man brachte ihm also Brennfackeln aus Harz, und fröhlig lachte er über den Kleinmuth derje- nigen, welche ihre Angst über sein Vorhaben noch nicht unterdrücken konnten. Als der Wiederhall seines Jubels durch die düstern Bogen erklang und sich in der Ferne in dumpfen, schwachen Tönen verlor, hofften am Ende alle Anwesenden, sein Unternehmen dürfte ihm wohl gelingen, Hessen sich auf ihre weichen Polster nieder und machten ihre Pfeifen zurecht. Das dreiste Wagestück des Fremden zog bald einen Schwarm Neugieriger hin, welche davon gehört hatten ; sie schlichen sich einer nach dem andern in den Garten des Effendi, und drängten sich um die Cisterne. Zuweilen schien es ihnen, sie hörten befremdende Töne aus der Tiefe, während grosse Tropfen, welche sich an der gewölbten Decke sammelten, allmählig an Umfang und Schwere gewannen, endlich auf die breite Fläche des Wassers plätschernd hinabfielen ; andere Male verkündigte ein Anwesender, getäuscht durch den Schimmer, welcher, von der Sonne durch das Laub der ansehnlichen Bäume des Gartens geworfen, auf dem ruhigen Bassin wiederschien, die Rückkehr des Bootes und das Leuchten der Fackeln. Aber das Boot erschien nicht, und nachdem mehrere Stunden verflossen waren, ermüdeten am Ende die Harrenden, ihre Hoffnung sank allmählig und Manche wollten schon an dem Gelingen der Unternehmung ganz ver- zweifeln. Auf eine kurze Zeit breitete noch die Abenddämmerung ihren milden Schleier über die Natur aus, dann senkte sich nächtliches Dunkel durch das Silbernez der Sterne, welche am dunkelblauen, ruhigen Firmament blinkten. Nun flüsterte man sich zu, der verwegene Ungläubige habe seinen Lohn bekommen, man habe lange genug gewartet, und es sey vergebens, hier zu weilen. Jeder ging nach Hause und erzählte den Vorfall in seinem Harem, so dass in der Hauptstadt der Moslime MISSLUNGENES WAGESTÜCK. 109 diese Nacht manche schöne Wange erblasste und manches blitzende Auge mit Thränen gefüllt wurde. Am folgenden Morgen erhob sich die Sonne in ihrer gewohnten Pracht über diese glückliche Gegend, und verbreitete nach allen Seiten rosigen Glanz, Leben und Freude. Die Wächter stellten sich wieder an den Rand des Grabes, jeder sah bange in die Tiefe hinab — aber vergebens, das Boot und sein Führer zeigten sich nie wieder ! Kaum vermögen wir in Gedanken dem unglücklichen Jüngling auf seiner Reise durch die dunkle Wasserhalle zu folgen! Als das kleine Boot abging, arbeitete er munter mit den Rudern, während seine Fackeln ein breites Licht auf die Säulen des Gewölbes warfen, welches der Marmor weit über die ruhige Wasserfläche zurückwarf. Seine leichtsinnige Heiterkeit brach in Gesang und Lachen aus, welches wie wilde Musik aus der Ferne gehört wurde. Dies dauerte so lange, bis er so weit w'eg war, dass er die auf seine Rückkehr Wartenden nicht mehr erkennen konnte — und dann, ja dann war Alles still, dunkel und einsam um ihn her. Ueber ihm war eine Wölbung nach der andern, um ihn stand Säule an Säule, unter ihm, so weit das Auge durch die Dunkelheit dringen konnte, breitete sich das stille, wellenlose Gewässer aus, rechts und links, vor ihm, über- all herrschte in dieser Unterwelt dieselbe wilde, starre, kalte Einförmigkeit! Er ruderte wohl eine zeitlang in gerader Linie fort, um so leichter seinen Rückweg zu finden, sah aber immer noch nicht das Ende. Nachdem mehrere Stunden verflossen waren, ermüdete sein kräftiger Arm, die Atmosphäre wurde drückend, der feuchte Dunst griff seine Nerven an, er fühlte sich erschlafft, legte die Ruder niede und dachte einen Augenblick nach über die Scene, die ihn umgab. Nach allen Seiten hatte er Neben- gänge, in deren Dunkelheit seine schon schwächer leuchtende Fackel ihn wenig unter- scheiden liess, und umsonst strengte er jetzt seine Augen ungewöhnlich an. Weil ihm das Athmen beschwerlich wurde, nahm er, sich Erleichterung zu verschaffen, das Hals- tuch ab, und nun drehete sich mittlerweile sein kleines Boot, er verlor den Weg, auf welchem er in die unterirdische Halle gefahren war. Er erschrack als ihm dies klar wurde, ergriff' verzweifelt seine Ruder wieder, arbeitete bis dicke Tropfen Sclnveiss* über seine feuchte Stirn rollten und jede Nerve bebte. Aber was half es? Er hatte den Weg verloren und wusste jetzt nicht, ob er zu seinen Freunden zurückkehre und zu der Welt, die er so unbesonnen verlassen hatte, oder ob er noch weiter in die geheimnissvolle Tiefe dringe. Natürlich wirkte dann die unreine, ungesunde Luft weiter, allmählig erlag er den * Im Englischen Text : big drops of vioisture rolled down his clammy brow, nach einem Euphe- mismus. Nämlich sonderbarer Weise halten die Engländer den Gebrauch des Wortes sweat, Sclnveiss, für unanständig, und wählen dafür meistens perspiration, Ausdünstung, oder, wie hier, moisture Nässe. Eben so ist es mit dem Worte breeches. Beinkleider, für welches sie gewöhnlich unmention- ables, die Ungenannten, setzen; nur in Nothfällen und wo jeder Missverstand vermieden werden soll, können jene Wörter gebraucht werden, jedoch nicht in der Unterhaltung 1 oberer Stände und mit Damen. — Anin. d. D. H. 2 F 110 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. Sei) reckbildern der Nacht und des Todes, die ihn umgaben, und verlor allen Muth. Wohl sass er noch einige Zeit ruhig, ohne etwas vorzunehmen, in seiner Barke ,um zu sehen, ob nicht etwa der schwache Strom irgend einer verborgenen Quelle sein Boot forttreiben und eine schwache Hoffnung der Rettung geben werde ; aber sein Schiff lag wie ein Klotz ruhig auf dem Wasser, und nun überzeugte er sich, dass keine Hoffnung sey. Von einem Anfall des Wahnsinns ergriffen, schlug der Unglückliche ein lautes Gelächter auf und das Echo warf seinen unnatürlichen Jubel auf ihn zurück, als wolle es seiner spotten. Dann versank er in Träumereien, und Höllengeister schienen ihm aus der Dunkelheit hervorzutreten, in sein Boot zu dringen, und es umzustürzen ; das kalte Wasser ging ihm bis an den Kinn, er schnaufte nach Luft, und wurde plötzlich, ohne zu wissen wie, gerettet. Er erblickte sich auf den frischen Rasen einer schönen Wiese neben dem Hause seiner Eltern liegend, sein Kopf ruhete im Schoosse seiner Mutter und über ihm bog sich ein reizendes Mädchen, mit einer ihm bekannten Stimme ein einfaches Lied singend, welches er von früher Kindheit geliebt hatte. Lange hörte er ihr zu, bis er endlich in tiefen Schlaf versank. Zwar erwachte er wieder, aber es war nur um in Raserei zu enden, denn sein Geist war zu schwach, eine so schauderhafte Lage zu ertragen. In einem heftigen Anfall von Wuth stürzte er seine noch brennende Fackel in das zischende Wasser, und sank in der schwarzen Dunkelheit zu Boden. Doch wer vermag es zu errathen, wie sich dieses wilde Schauspiel eigentlich endigte ? Seitdem hat man andere Versuche mit mehr Vorsicht gemacht, um den eigentlichen Umfang der Cisterne Jere batan Sera’i zu bestimmen, allein bis jetzt diesen Zweck nicht erreicht. So viel ist indessen durch das Einstürzen ihres Daches in drei entfernten Stadt- theilen ausser Zweifel gesetzt worden, dass sie sich unter einem grossen Theil von Con- stantinopel fortzieht, selbst über seine Mauern hinaus, und dass sich, wie rechts und links, auch unter den volkreichen Strassen der betriebsamen Stadt, endlose Bogengänge befinden in einförmiger, kalter Stille. Wie eine unermessliche Gruft ist sie bereit, die über ihr lebenden Menschen und deren Schätze zu verschlingen, wie denn allerdings die Zeit am Ende Alles zusammenwerfen und in die begehrliche Tiefe stürzen wird. Gewiss ist Jere batan Serai der bedeutendste Ueberrest Römischer Kunst und Arbeit in Constantinopel. m DIE MOSCHEE DES SULTANS BAJAZED. “ O welche Pracht ! Welch’ Auge siehet ganz Die Herrlichkeiten, die DEN umgeben, Der Alles Alles füllt, vor DEM die Himmel beben ! Des Herren Thron verhüllt sein eigener Glanz.” E. von Kleist. Die Moschee des Sultans Bagazed* liegt in dem Winkel einer grossen offenen Fläche, welche der Seraskiersplatz heisst, weil der Palast des Seraskiers, oder eigentlich der Hof des Palastes, eine Seite jener Fläche einnimmt. Ihr grosses, hohes, und hervorstehendes Thor, so kunstreich mit Gold in erhabener Arbeit geschmückt und oben mit einer Kuppel, welche durch einen gewaltigen, vergoldeten Stern bekrönt wird, hat einen ganz besonders Orientalischen Character. Diese Moschee steht gleich bei dem grossen Bazaar, Tscharschu, daher der Platz hier beständig voll ist von Kaufleuten, Krämern und Fremden, welche nach jenem grossen Markt (S. 31 — 38.) hingehen oder von dort zurückkommen ; an den Seiten umher sitzen Gruppen von Lastträgern, Khnmals, welche darauf warten, dass sie von Fremden, welche Einkäufe gemacht haben, gemiethet werden. Die Griechen verkaufen hier ihr mahaiibt, eine Art Blancmanger, welches man in der Türkei sehr liebt ; es ist sehr appetitlich auf feinen, leinenen Tüchern gelegt, und wird durch grosse, weisse, Regenschirme gegen die Sonne geschützt. Die Armenier gehen von einer Seite zur andern mit ihrer dicken, säuern Milch oder yahourt, welche sie in kleinen Schalen von rothem Thon verkaufen; diese sind sehr sauber und reinlich auf hölzerne Untersätze gestellt, welche sie in der Hand tragen. Zuweilen kommen auch die Wasserverkäufer heran mit ihren Krügen von Griechischer* Form auf den Schultern, und ihren weiten Krystall Bechern, welche sie auf einem ziemlich schmalen Untersatzteller mittelst eines ledernen, um den Leib gehenden Gürtels, tragen ; indem sie umhergehen, geben sie das ihr Gewerbe bezeichnende, * Diese Moschee wurde in den Jahren 1497 — 1505 vom Sultan Bajazed II., dem Nachfolger Muhammed’s II., erbaut. In grossem Rufe der Untrüglichkeit stehen die sogenannten Gebetscompasse, Kiblaname, welche von den bei dieser Moschee angestellten Dienern verfertigt werden, und deren die Reisenden vorzüglich bedürfen, um sich unterwegs zu orientiren, d. h. die Himmelsgegend zu finden, nach welcher sie beim Gebet das Gesicht wenden müssen. Das hohe Ansehn der gedachten Gebets- compasse gründet sich auf eine alte Sage, nach welcher der Baumeister dieser Moschee den Sultan um die Bestimmung der Kibla fragte, worauf dieser ihm auf seinen Fuss zu steigen befahl, und er denn sogleich, durch ein Wunder, Mecca vor sich sah. — Anm. d. D. H. 112 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. leise, jammernde, doch nicht übelklingende Geschrei von sich. Sie sind nicht unglück- lich in ihrer Concurrenz mit den Scherbetverkäufern, welche ihre tragbaren Kannen unter den kühlen Schatten einer hohen Mauer stellen, und die Fremden durch die Zaubertöne kleiner metallener Glocken zu sich einladen, welche durch das Ausgiessen des Getränkes in Bewegung gesetzt werden. Man hat hier Gelegenheit, die Wache des Seraskiers zu sehen, denn es trifft sich wohl, dass eine Abtheilung derselben den Weg durch den Platz bei dieser Moschee nimmt. Gravitätisch reitet sie durch das Prachtthor, Kapousi, im Schritt, aber daun setzt sie sich unvermuthet in Trott, das umherstehende Volk rechts und links auseinander treibend. Und wohl mag es der Eile auf ihrem Wege bedürfen, da ihre Geschäfte zuweilen Leben und Tod betreffen; alle Verbrecher, welche im Stadtgebiet auf der That ergriffen wurden, müssen zuerst in die Gefängnisse des Seraskiers gebracht werden, welcher dann dem Grossvezier über die Verhaftung und das begangene Verbrechen berichtet. Das Portal der Moschee ist sehr hübsch und von sorgfältiger Arbeit im Sara- cenischen Geschmack ; seine zurücktretenden, ausgezackten Bogen sehen aus, als ob sie aus Stalactiten beständen, und die Flügelthüren des Thores selbst haben eingelegte Arabesken aus Perlenmutter. Die äussern Gallerien sind gleichfalls von niedlicher Zeichnung und die Form ihrer beiden dünnen Minarete ist besonders gefällig. Kaufleute, welche ihre Waaren in den Tscharschi haben, besuchen fleissio; den Platz bei dieser Moschee, und sie verlassen wohl ihre Buden auf eine kurze Zeit, um neben der Fontäne unter dem Schatten der Ahornbäume eine Pfeife zu rauchen, oder einen Handel abzuschliessen, welchen sie ordnungsmässiger auf dem grossen Markt selbst angefangen hatten. Handlungsgeschäfte von einiger Bedeutung müssen immer bei einer Pfeife angefangen und abgeschlossen werden, und wir dürfen hier auch noch die Bemerkung beifügen, dass ein Türkischer Kaufmann, wenn er sich eine Stunde von seinen Arbeiten erholen will, selbst in diesem sehr besuchten Bazaar seinen Laden nicht verschliesst, sondern, zum Zeichen, dass er abwesend ist, blos einen Tapeten Vorhang vor dem Gerüst, auf welchem er zu sitzen und seine Waaren auszulegen pflegt, herab fallen lässt; wenn er dies gethan, geht er ruhig nach dem Kaffeehause ohne Furcht wegen der Sicherheit seiner Sachen, welche niemand in seiner Abwesenheit anzurühren wagt, und wirklich hat man kein Beispiel, dass dieses Vertrauen auf die Rechtlichkeit des Publicums gemissbraucht wäre. Doch der merkwürdigste Gegenstand der Umgegend ist ohnstreitig der sogenannte Feuerthurm, Yanguen Kiosque, welcher einen Theil des Schlosshofes einnimmt. Er ist rund, von ausserordentlicher Höhe, und hat List ganz oben nichts als Fenster, welche einen Prospect nach jedem Stadttheil gewähren. Sie gehören zu dem Zimmer, in welchem sich eine Abtheilung der Feuerwache befindet. Diese besteht Tag und Nacht aus sechs Mann, welche sich alle zwei Stunden ablösen. Weil sie sich leicht, wenn es dunkel um sie wird, dem Gefühl der Ermüdung hingeben und einschlafen könnten, muss der, welcher auf der Wache ist, ein Paar hölzerne Pantoffeln mit doppelten Absätzen tragen, von DER FEUERTHURM. 113 denen der untere eine Feder hat. Indem er damit auf den Boden tritt, entsteht ein solcher übelklingender Lärm, dass er an Schlafen nicht denken wird, wie wohl er, sobald ein Anderer seinen Posten erhält, sich ruhig auf seine Matte niederwirft und nicht weiter um die Misstöne kümmert. Sobald sich eine Feuersbrunst zeigt, giebt die Schildwache der zweiten Abtheilung der Feuerwache im untern Theil des Thurms davon Nachricht, bemerkt ihr das Stadt- quartier, wo sie ausgebrochen, und kehrt dann auf ihren Posten zurück, erwartend dass sie ihre Schuldigkeit thun werde. Diese besteht zunächst darin, dass sie die Spritzenleute zusammenruft — ein kühner, kräftiger Schlag Menschen, welcher vielleicht nicht so gut zugelernt ist, wie die Spritzenleute in England, diesen aber an Math, und Beharrlichkeit nichts nachgiebt; ferner muss diese Abtheilung dem Director der Polizei und dem Befehlshaber der Stadt das Unglück melden, wie denn selbst jeder Pascha, welcher in der Nähe ist, die Verpflichtung hat, sich nach der Brandstelle zu begeben, durch Rath und That behältlich zu seyn, das Feuer wo möglich noch im Ausbruche zu ersticken oder es zu löschen ; und endlich sind diese Feuerwächter auch schuldig, die Bewohner der Stadt und Vorstadt vor Schaden zu warnen. Das Letztere thun sie, indem sie durch die Strassen gehen, und mit langen Stöcken, welche einen eisernen Beschlag haben, beständig und heftig auf das harte Pflaster schlagen, dann laut ausrufen : Yanguen var, es ist Feuer! und einen Augenblick daraufhinzusetzen: Scutari-a, Galata-a, Stumboul-da ! wie der Fall gerade seyn mag, so dass die aus dem Schlaf Geweckten wissen, wo der Ort der Gefahr sey, und sich dahin begeben können, wenn sie in der Gegend Freunde haben oder Güter. In einer Stadt wie Constantinopel, welche mit Ausnahme der Moscheen, Chane * und Tscharschi, nur wenige Gebäude von Stein hat, die meisten von Holz sind, kommen Feuersbrünste oft, fast beständig vor. Kaum vergeht eine Nacht, dass nicht der Fremde, dem sie in seinem Vaterlande eine seltene Erscheinung waren, durch das unangenehme Geschrei Yanguen var unter seinem Fenster, aus dem Schlafe geweckt wird. Mit bangen Gefühlen eilt er an das Fenster, öffnet es schnell, und sieht truppweise die Leute auf der Strasse rennen aus Angst, dass sie bei dem Brande leiden möchten, Andere aber langsam zurückkehren, um sich wieder zur Ruhe zu begeben und Allah oder der Panagia (All- heilige, heilige Maria,) je nachdem Glauben, zu welchem sie sich bekennen, danken, dass die Reihe noch nicht an sie gekommen ist. * Die Chane, in welchem fremde Kaufleute wohnen, ihre Waaren auslegen und Handelsgeschäfte treiben, sind grosse viereckige, steinerne, von allen Seiten mit Gängen umgebene Gebäude, mit einem Hofe in der Mitte. Von dem Miethzins, welchen sie eintragen, werden oft die Moscheen, Spitäler, u. s. w., mit denen sie in Verbindung stehen, wenigstens zum Theil unterhalten. Der grösste aller Chane ist der zur Osmanije gehörige Jenichan (d. i. neue Chan), welcher so viele Zimmer als Tage im Jahre haben soll. Er wird von reichen Griechischen und Armenischen Kaufleuten bewohnt, so wie der Gebedschi Chan von Bosnischen und Servischen, und der Chodschachan (d. i. Meisterehan) mit 70 Zimmern, von Persischen Kaufleuten. — Anm. d. D. H. 2'g \ f 114 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. Man sieht aus Obigem den Zweck des Feuerthurms, welcher daneben dem Freunde der Natur einen reichen Genuss darbietet, da man von seiner ausserordentlichen Höhe einen Reichthum so mannigfaltiger und prachtvoller Prospecte hat, dass ihnen fast nichts gleich kommt. Unmittelbar unter ihm liegt der Hof des Palastes des Seraskiers, eine lange Reihe von Gefängnissen mit Gittern, und die grünen Zelte der Garde, ein kleines Lager bildend. Jenseits der Mauern erblickt man die Kuppel und die Minarete der Moschee Bajazed’s, neben den, dicht aneinander sich weithin erstreckenden Dächern der Tscharschi, und dies ist wohl der einzige Punct, von dem allein der Tourist sich einen richtigen Begrieff von dem grossen Umfang der Bazaars der Türkischen Hauptstadt machen kann. Aber besonders ist es der weite Raum von Meer und Küsten, die Inseln, Berge, Seen, Wälder, die Mischung von Schatten und Licht, die unendliche Abwechselung der glänzendsten Pracht, die hohe Majestät, in welcher die Natur sich hier zeigt, diese Gesammterscheinung ist es, welche den Beobachter mit Bewunderung erfüllt. Das Herz schlägt ihm, wenn er niederblickt oder um sich sieht ; er verstummt, steht wie festgezau- bert da und schwelgt in ihm vorher unbekannten Genüssen. Auf der einen Seite ist Constantinopel wie eine Landcharte unter ihm ausgebreitet» und mit einem Blick begreift er seine Tausende von Kuppeln und Minareten, seine majestätischen Ahornbäume, die sich in der Ferne wie schwaches Gebüsch zeigen, seine dunkeln Cypressen, welche wie Wegzeiger nach den verschiedenen Ruhestätten der Verstorbenen hinweisen ; ferner seine geschäftigen Chane, das Gedränge in den Tscharschi, die reichen Paläste, und düstern Gefängnisse. Allenthalben zeigt sich der Arm, die Kunst des Menschen und ein edler Stolz erfüllt den Beschauer bei der Betrachtung, dessen, was menschliche Kraft zu leisten vermag. Aber er thue nur einige Schritte, trete nur an das nächste Fenster und er wird die Scene gleich verändert finden. Da breitet sich das Marmora Meer, die schimmernde Propontis, aus mit seinen Felseninseln und leichten Wellen, welche unter dem blauen Himmel hüpfen ; zeigt sich am fernen Horizont der stattliche Olympus in seinem Wolkenmantel und mit seiner Schneekrone ; windet sich der herrliche Bosphorus zwischen fruchtbaren, volkreichen Ufern, den Blick des Wanderers nach der See der Stürme leitend. Aendert er noch einmal seine Stellung, so liegt das Goldene Horn vor ihm, an dessen Landgrenze Tausende von Schiffen sicher liegen, die aus fremden Ländern gebrachten Schätze ausladend, oder die reichen Erzeug- nisse der Heimath einnehmend ; die Flaggen vieler Völker flattern stolz an den Masten, und weithin trägt die Luft den Laut der Sprachen vieler Völker. Ist die Schaulust gesättigt, der Geist durch die aufregenden Scenen befriedigt, so findet der Beobachter einige Fuss weiter eine Stelle, wo sein ermüdetes Auge sich an den dunkeln, dürren Felsen erholen kann, welche das liebliche “ Thal des Süssen Wassers” einschliessen, den herrlichsten Ort, welchen je ein Berggürtel ein fasste, und verliert sich in Phanta- sien über dessen Haine und Gewässer, die Zimmer seines kaiserlichen Sommerpalastes mit Fenstern von vergoldetem Gitterwerk, und die verschleierten Damen, welche sie bewohnen. PRACHT OER AUSSICHT VOM FEUERTHURM. 115 Dies ist nur eine schwache Skizze des prachtvollen, bilderreichen Schauspiels, welches man als Belohnung geniesst für die Mühe, dreihundert und dreissig Stufen nach dem Kiosk Yanguen hinaufgestiegen zu seyn ! Man vergisst diese Anstrengung bei dem ersten Blick von der Schwindel erregenden Höhe auf die feenhaften Wunder der Umgegend, die geschäftige Stadt, das liebliche, stille Thal, den Kanal, welcher zugleich ein Ocean ist und zwei Viertel der Erdkugel mit seinem Silberfaden vereinigt, endlich auf das tiefe, spurlose weite Meer, welches den Gesichtskreis begrenzt, und dessen ferne Wogen sich in dem Purpurglanz des Horizonts verlieren. DER GESPALTENE THURM, BEIM KANONENTHOR. “ Mit starken Bäumen hohen Alters War ringsumher das Feld besetzt, Gebüsch, in reicher Blätterfülle Schwelgend, stand zwischen ihnen. Kein Früher Herbstfrost hatte noch das Laub Getodtet, es nicht in Roth gefärbt, Das leblos dann sich auf ihm lagert, Dem Blute auf dem Kampfplatz gleich.” Byron. Der merkwürdige Ueberrest der Vorzeit, von welchem hier die Rede ist, gehört zu den zweihundert und achtzehn Thürmen auf der Stadtmauer, und bückt sich über den Stadtgraben. Während der letzten Belagerung, an welcher er so sprechend erinnert, wurde er von einer Marmorkugel getroffen, deren sich die Türken bei ihren schweren Kanonen bedienen, und man glaubt, dass sie schon halb matt gewesen seyn muss, ehe sie auf den Thurm fiel, da sie ihn nicht umwarf, obgleich ihre Schwere ihn bis an den Boden spaltete, durch das feste Mauerwerk drang, und es in zwei Theile schied. In dieser Gestalt steht er, obwohl schon Jahrhunderte verflossen, als Ruine noch da, oder hängt vielmehr, wie die drohenden Trümmer einer Ritterburg, über den Stadtgraben, umgeben von wilden Feigenbäumen und üppigem Laube, welches jetzt den Graben bedeckt, und jede Spalte, jede Lücke der zerfallenden Mauern füllt, wetteifernd mit dem dichten Ueberzug von Epheu, verschiedenen Moosarten, und Kriechpflanzen, welche sie bekleiden. Dieses interessante Denkmal des Falls des Griechischen Kaiserthums steht nahe bei dem Top- 116 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. Kapousi, oder Kanonenthor, also nicht weit von der Stelle, wo der letzte und tapferste der Constantine fiel; an seiner Seite erhebt sich ein ansehnlicher Baum, Pistacia Terebinthi- nus, Linn.,* von ungewöhnlichem Umfang, dessen glänzend grüne Blätter und scharlach- rothe Beeren sich im Sommer überaus schön ausnehmen. Geschichte und Natur vereinigen sich also, den gespaltenen Thurm mit einem eigenthümlichen, hohen Reiz zu bekleiden. Wir wundern uns, dass er in einem, dem Ansehen nach, so unsichern, drohenden Zustande fortdauern kann ; es scheint unserm Auge, dass der erste Windstoss, welcher sein Epheugewand aufhebt, ihn unvermeidlich umwerfen müsste, und er wird daher auch nothwendig die Aufmerksamkeit des Naturfor- schers in Anspruch nehmen, diesen veranlassen, zu untersuchen, ob hier eine Ausnahme von den Gesetzen der Schwere vorhanden sey. DAS DORF ISTENIA. “ Oh könnt ich meiner Fesseln Last vernichten’ Mich zu dem Frieden deiner Hütten flüchten ! Beschränktes Loos, mich deines Glücks erfreuen ! In heiterm Frohsinn wüsste dann mein Leben Kein grössres Glück, kein seligres Bestreben, Als unter Menschen Mensch zu seyn ! ” Mahlmann. Das hübsche, kleine Dorf Istenia, von den Griechen, welche den Haupttheil seiner Bewohner ausmachen, Mirgheun genannt, liegt in einer der reizendsten Gegenden des Bosphorus. Das ihm gegenüber liegende Ufer ist allerdings felsig, unfruchtbar, seltsam zusammengewürfelt, doch der Rand des Wassers am Grunde der dunkeln Hügelkette mit einem Saum von Häusern eingefasst und belaubte Bäume geben ihm ein heiteres Ansehn. Am Ende der Hauptstrasse des Dorfes, wo sie an den Kanal stösst, steht die, in beiliegen- * Der Terpenthinbaum, eine Art Pistacie, ist in dem mittägigen Europa, dem nördlichen Africa und Ostindien einheimisch. Er hat eine weisse gelbliche, in das Grüne und Hellblaue spielende Farbe, einen angenehmen balsamischen Geruch, und sharfen, bittern und harzigen Geschmack. Von ihm erhält man, durch Einschnitte in den Baum, den ächten, cyprischen Terpenthin, ein harziges, balsamisches Oel, welches aber selten rein vorkommt, da man es so viel zur Verfälschung anderer Balsame gebraucht. — Anm. d. D. H. DIE MARMORFONTAINE ZU ISTENIA. 117 dem Bilde vorgestellte, Maurische Fontaine, welche einen hübschen Effect macht, und aus Marmor von blendender Weisse gebaut ist. Sie wird ganz von den sich weithin ausbreiten- den Zweigen eines ansehnlichen Masholderbaumes beschattet, welcher ein Gewölbe von lebhaftem Grün über der Kuppel und dem kunstreich gearbeiteten Dach bildet, dann seine Blätterpracht mit der von zwei andern Bäumen seiner Art mischt, und so eine angenehme Kühle über die Terrassen der beiden nahen Kaffeehäuser verbreitet. Keine zwanzig Schritt von der Fontäne hüpfen Gondeln auf den Wogen ; die Netze der Fischer hängen, an beiden Seiten aufgezogen, in Kränzen von den Zweigen der Bäume; verschleierte Frauen kommen und gehen, um reines Quellwasser in ihren irdenen Gef ässen zu holen ; wonnige Melodien ertönen aus den Kaffeehäusern ; ein sanfter Wind, welcher von dem kräuselnden Wasser des Kanals her bläst, erregt die flüsternde Musik des Laubes am Ufer ; die weissen Segel der vorüberfahrenden Schiffe glänzen im Sonnenschein ; Obsthändler bringen in lockendem Ueberfluss ihre übersüssen Früchte zusammen, um sie auf Böten nach den Märkten der Stadt zu fahren, und dazu ist die ganze Gegend so gesund, schattig und ruhig, dass man sich nicht wundern darf, dass der Orientale, bei seiner Liebe der freien Natur, sie wählte, um in ihr ein Dorf, anzulegen, wozu sich sonst in diesem Lande viele andere liebliche Thäler und reizende Landengen darboten. Die breite Strasse, welche vom Ufer ausläuft, geht den hinterwärts gelegenen Hügel hinauf ; ihre Häuser haben unregelmässige Giebeldächer, sind bunt angemalt, und bei ihnen liegen Weinberge und Haine von Oelbäumen ; endlich ein Bergstrom, welcher die Räder einer Mühle treibt, tanzt munter dahin, bald dem Auge ganz sichtbar, bald unter dem dichten Laube des Ufers versteckt, bis er sich in den Bosphorus ergiesst. Einen Theil der Anhöhe hinter dem Dorfe nimmt ein hübscher, wohl gehaltener und ziemlich grosser Garten ein, welcher dem Pascha Achmed gehört; weiterhin aber liegt ein kleines Gehölz, in welchem man während des Sommers immer viele Türkische und Griechische Damen trifft. Diese gemessen hier das dolce far niente, zu welchem das Clima sie einladet, und bilden entweder unter Bäumen gelagert Gruppen, oder ergehen sich unter dem dichten Schatten der Zweige, die hübschen wilden Blumen sammelnd, welche hier so reichlich wachsen. Viele Griechische Kaufleute haben zu Mirgheun ihre Landsitze, und die neu gemalten Häuser derselben geben dem Dorfe ein sehr heiteres Ansehen, welches seine natürliche Anmuth noch erhöht. Nicht weit davon ist das Castell Mahomed, und der stille kleine Leichenhof Isari liegt gleich am Ende des Dorfes. 2 H 118 DAS ARSENAL, VON PERA HER GESEHEN. “ Vom Seyn zum Seyn geht alles Leben über, Gestaltung ruft zur Umgestaltung nur, Und die Erscheinung schwebt vor uns vorüber. Zum Nichtseyn ist kein Schritt in der Natur.” Tiedge. Die Stelle, wo das beiliegende Bild des grossen Türkischen Arsenals, welches zur Vorstadt Kassim Pascha gehört, gezeichnet wurde, erhebt sich über dem Hafen und fast gegen die Mitte desselben, so dass dieser Prospect von ihm von den früher gegebenen verschieden ist. Jenes Gebäude beschliesst eine lange Reihe von Docken, Waarenlfäusern, Seilerbahnen, Werkstätten und andern Anstalten, welche sich von Galata anderthalb Meilen am Rande des Wassers fortziehn : alle zum Arsenal gehörigen Anstalten sind das Eigenthum der Regierung, und man muss gestehen, dass sie ihr sehr zur Ehre gereichen. Die Bassins sind geschickt angelegt, mit hohen steinernen Mauern umgeben, und haben nach dem Hafen hin Flutthüren. Die Schiffs werfte sind auch nach einem grossen Maasstabe gebaut, und eines derselben, welches ein Französischer Baumeister anlegte, ist fast dreihundert und fünfzig Fuss lang. Das Tershana, oder Arsenal, ist an sich seihst, auch abgesehen von seiner reizenden Lage auf einer in den Hafen laufenden Landspitze, ein hübsches Gebäude mit einem prächtigen Eingang, übrigens in Russischem Geschmack mit lebhaften Farben gemalt. Man hat aus verschiedenen Fenstern desselben eine Aussicht über die ganze Ausdehnung des Goldenen Horns, von dem Dorfe Eyoub bis an den Eintritt des Marmora Meeres und des Bosphorus. Eine Reihe von Zimmern ist prachtvoll für den Sultan eingerichtet, welcher zuweilen hieher kommt, um das Vergnügen zu haben, den Fortgang der Arbeiten im Schiffsbau anzusehen. Wirklich wird man die hier gebauten Schiffe der grossen Anstalt, welche sie besorgt, würdig finden, denn es fehlt nichts an ihrer Ausrüstung und sie nehmen sich hübsch aus. Der Intendant der Anstalt, Tershana Emini, ist ein bei dem Sultan in hohem Anselm stehender Americaner, welcher, damit die Brigs und Linienschiffe in gutem Stande erhalten werden möchten, sie nur im Sommer kreuzen lässt; gegen das Ende des Jahres müssen sie im Bosphorus vor Anker liegen, welches, vom UTeraus gesehen, einen schönen Effect hervorbrino t. Ö Der obere Theil des Arsenals, zu welchem auch das Admiralitätsgebäude ( Diwan - chane ) gehört, umfast die Ruinen des vormaligen Palastes des Capudan Pascha, welche ANECDOTE. 119 mehr den Ueberresten einer Wasserleitung gleichen, als denen eines Hauses, und eine lange Reihe von Bogen bilden, welche einen sehr pittoresken Effect machen. Vor ihm breitet sich der Hafen aus, begrenzt von den sieben Hügeln der in Gold schimmernden Stadt und der weiten, geschichtlich merkwürdigen Ebene von Daud Pascha ;* nahe bei ihm stehen die Casernen der Vorstadt Kassim Pascha, wo der Kirchhof von Pera anfangt. In diesen sind Häuser hineingebaut, und er bedeckt alle Anhöhen und Niederungen bis an seine Grenze, welche die Strassen der sogenannten Vorstadt der Ungläubigen bilden. Man erhält eine gute Vorstellung von dieser ausserordentlichen Necropolis durch den kleinen Winkel derselben, welcher zu den Füssen des Künstlers lag, als er auf die von mir beschriebene Scene blickte, um sie zu zeichnen. Die Bewohner der Gebäude, deren obere Stockwerke über Gräber weghängen, sind mit dem Gedanken an Tod so vertraut geworden, dass sie dieser durchaus nicht stört. Leichensteine, dicht an einander gereiht, bilden Gruppen, welche die Begräbnisstätte einer Familie bezeichnen, und sie stehen den Wohnungen der Ueberlebenden so nahe als die örtlichen Verhältnisse es gestatten. Starre Cypressen werfen ihren Schatten auf dies Todtenthal, und an den Mauern winden sich Schmarotzerpflanzen hinauf, ihre leichten Blätter über Rasen bewegend, welche die Verwesung im Schooss der Erde decken. Eine Fränkische, in Pera wohnende Dame erblickte im J. 1836, gerade in dem oben bemerkten Winkel des ausgedehnten Kirchhofs, eine ganze Linie von neuen Gräbern längs einem schmalen Fussweg der Niederung. Augenscheinlich hatte man erst seit Sonnenaufgang Todte hineingelegt, denn die Erde hatte noch das frische, feuchte Ansehn, welches sie verliert, wenn sie vier und zwanzig Stunden der Luft ausgesetzt ist. Als sie näher hinzutrat, fand sie wirklich auch, dass man noch bei der Arbeit war, und ausser den schon vollendeten neunzehn Gräbern noch vier andere bereitete. Eine so ungewöhnliche Sterblichkeit konnte nur durch eine seltene Ursache veranlasst seyn ; in gewöhnlichen Zeiten wurde wöchentlich etwa nur einer auf diesem Theil des Kirchhofes bestattet. Jene Dame hatte diesen entfernten Winkel desselben liebgewonnen, ihn wegen seiner Stille und seines Schattens oft besucht, und die Hoffnung unterhalten, dass sie, obwohl allein, doch von denen gesehen und vernommen werde, welche ihr theuer gewesen waren. Jetzt fühlte sie sich schmerzlich ergriffen, da sie an einem Ort, welcher ihr ein Heiligthum gewesen war, eine nie vorher bemerkte Unruhe und Geschäftigkeit antraf. Natürlich war ihre erste Idee, die Pest möchte so viele Opfer gefordert haben und zitternd erkundigte sie sich darnach. Man beruhigte sie nun zwar in dieser Hinsicht durch die Versicherung, dass sie sich in ihrer Vermuthung geirrt habe ; indesen war * Die weite Ebene Daud Pascha ist der Sammelplatz der Heere in Kriegen mit Europäischen Mächten, während die nach Asien bestimmten Truppen von der Wiese bei Scutari ausziehen. Sie hat ihren Namen von der am Wege nach Kutschuk Tschekmedsclie auf einer Anhöhe sehr malerisch gelegenen, 1484 erbaueten Moschee des Grosswesirs Daud Pascha. — Amn. d. D. H. 120 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. doch, was der Todtengräber weiter erzählte, traurig genug. Die Unglücklichen, welche er zur Erde bestattete, waren von Seeräubern gefangen genommen gewesen, und bestanden aus alten Leuten und Kindern, Jünglingen und erwachsenen Mädchen. Dreist geworden durch das Gelingen ihrer Raubzüge hatten die Unholde dann eine Oesterreichische Brig angegriffen, waren aber genüthigt worden, sich zu ergeben. Doch war es schon zu spät, um die Europäischen Gefangenen zu retten. Diese erkrankten an einem Fieber, welches sie bald nach einander wegraffte, gerade als sich schon am Horizont die Minarete von Constantinopel zeigten und die Nähe der Heimath andeuteten. Das Oesterreichische Schiff’, welches sie befreit hatte, lag jetzt ruhig im Goldenen Horn vor Anker; für die Unglücklichen aber wählte man jenes dunkle, stille Thal zum letzten Ruheplatz und wohl hätte man keinen bessern finden können. DER THURM ZU GALATA. “ Dies stolz umthiirmte Land, gleich Tempe’s Flur, Mit jedem Reiz der Schöpfung übergossen ; Dies Wunderwerk der göttlichen Natur, Von Schönheit, wie von Glanz die Sonn’, umflossen.” Matthisson. Die Vorstadt Galata begreift einen Theil des Grundes des Hügels, auf welchem Pera gebaut ist, und in ihr concentrirt sich der Europäische Handel von Constantinopel. Viele Strassen haben eine beträchtliche Breite und einige Häuser, von Fränkischen Gross- händlern bewohnt, sind wahre Paläste. Unter den kirchlichen Gebäuden zeichnet sich ein prächtiger Armenischer Tempel aus. Der stete Handel mit den Schiffen im Hafen bringt nach den Waarenhäusern Leute aus allen Ländern, so dass man auf den Strassen gar mancherlei Sprachen reden hört. Den Namen Galata will man aus dem Griechischen yü\a, d. i. Milch, herleiten, indem der Ort ursprünglich ein grosser Milchmarkt gewesen sey. In der Zeit der Kreuzzüge iiessen sich liier, zur Betreibung ihrer Handelsgeschäfte, Genueser nieder, und da sich der Ort durch seine günstige Lage zwischen dem Bosphorus und Goldenen Horn zu jeder Art des Seehandels vorzüglich eignete, so blüliete er bald zu einer geschäftigen Stadt auf. Lange unterhielten die Genueser von hier aus einen lebhaften Verkehr mit allen Handel treibenden Nationen, aber am Ende wurden die Venetianer eifersüchtig, fingen Händel DIE FLIEGENDE BRÜCKE BEI GALATA. 121 mit ihnen an, drangen mit grosser Uebermacht gegen sie vor, und zerstörten fast den ganzen Ort. So flüchteten nun die Genueser nach Constantinopel, sich dort ein Unterkommen und Schutz suchend. Der Kaiser Cantakuzenus nahm sie freundlich auf, gewährte ihnen die Mittel zum Wiederbau ihrer zertrümmerten Wohnungen, und erlaubte ihnen auch, zur Vertheidigung der Stadt um diese eine starke Mauer und einen breiten Graben zu ziehen. Auf dieser Mauer, welche jetzt freilich nur eine pittoreske Ruine ist, und immer mehr zerfällt, insbesondere als Vertheidigungsmittel ohne alle Bedeutung ist, steht der Thurm von Galata. Ursprünglich sollte er ein Ehrendenkmal seyn, den im Kampf zur Vertheidigung des Ortes hier gefallenen, bedeutendsten Genuesischen Ansiedlern gewädmet. Als er aber im Lauf der Zeit in Verfall gerieth und einzustiiizen drohete, stellten die Türken ihn dauerhaft wieder her, oder baueten ihn vielmehr ganz um, und machten einen zweiten Feuerthurm daraus, wozu er sehr gut passt, da er über die Schifte im Hafen und alle Europäischen Vorstädte wegragt. Ganz oben ist das Wachzimmer, mit einer hübschen Gallerie umgeben ; wenn man vom Marmora Meer in das Goldene Horn segelt, gewährt er einen überraschenden, angenehmen Anblick. Ohnerachtet des verfallenen Zustandes der Mauern verschliessen doch die Türken jede Nacht die Thore, welche Galata von Pera trennen; aber wenn man der Wache ein gutes Wort und ein kleines Trinkgeld giebt, so wird sie immer aufmaehen, es mag auch noch so spät seyn. Die Kaffee Kiosken sind hier immer voll von Maltesischen, Genuesischen, Griechischen, Ragusanischen und Italiänischen Matrosen, welche Arbeit suchen, und für Kauftärtei- schiffe gemiethet werden, um durch Todesfälle oder sonst entstandene Lücken in der Bemannung zu ergänzen. Abgesehen von den schmutzigen, übel riechenden Bazaars am Ufer, in welchen immer ein grosses Gedränge des gemeinen Pöbels von den Fähren ist, sind jene unbeschäftigten, rohen Leute wohl das Unerträglichste für einen Fremden aut seinen Spatziergängen um die Stadt. Die vor einigen Jahren über den Hafen gebauete fliegende Brücke vermehrt dessen Erscheinung mit einem interessanten Zuge. Sie fängt bei der Fähre von Galata an, und ist ein wichtiger, bequemer Communicationsweg mit dem gegenüberliegenden Ufer. Zwei ziemlich hohe Bogen gestatten kleinern Fahrzeugen die Durchfahrt unter der Brücke, deren Baustyl einen hübschen Effect macht. Jeder, welcher sie passirt, hat für sich, seine Pferde und seinen Wagen einen mässigen Zoll zu entrichten. Doch ziehen Viele noch immer die nicht so sichere und wohlfeile Ueberfahrt in Gondeln vor, welche immer zwischen den beiden Ufern gehen; hauptsächlich gehören zu diesen die Damen, welche hier einen abergläubischen Widerwillen gegen alle Neuerungen dieser Art haben, und an ihren alten Gewohnheiten mit einer Beständigkeit halten, die einer bessern Sache an geh ören sollte. In Galata ist auch das Teskari, oder Zollamt, wohin Reisende und Waaren von den Schiffen gebracht werden, welche ununterbrochen im Hafen ankommen ; die ausserordent- 2 i 122 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. liehe Höflichkeit und Artigkeit, welche die dortigen Officianten gegen Fremde beweisen, wird allgemein anerkannt und gerühmt. Man fragt Angekommene blos, ob sie Waaren mitgebracht, um damit zu handeln, und verneinen sie dies, so mögen sie ruhig nach ihrem Logis gehen. So billig kommt mau freilich nicht ab in einem Londoner Custom-house> und noch weniger auf einer Französischen Douane ! DIE TCHERNBERLE TASCH. “ Sie sprach zu mir von alten Zeiten.” Ossian. Die Tchemberlti Tasch, oder angebrannte Säule, ist ein interessanter Ueberrest aus Römischer Zeit, nicht weit vom Thurm des Seraskiers. Sie gehörte zum Tempel des Apollo in Rom, von wo Constantin sie nach Stambul bringen und auf ein sechseckiges Postament stellen liess. Auf ihr stand die von dem Meissei des berühmten Phidias gearbeitete Statue jenes Gottes, welcher aber der Kaiser, nachdem er sie in seine neue Residenz bringen lassen, eine veränderte Bestimmung gab und sie sich selbst widmete, indem er, mehr ehrsüchtig als bescheiden folgende Inschrift darauf setzen liess: ‘‘Von dem gerechten Sonnengott dem erlauchten Constantin,” wobei man ein Wort wie abge- treten, oder überlassen, ergänzen mag. Wie sie dann zertrümmert worden, erklären die Schriftsteller verschieden. Genaro Esquilichi behauptet, es sei durch einen Wetterstrahl verursacht; allein die urtheilsfähige Anna Comnena führt an, sie sei in der Regierung ihres Verwandten Alexius durch einen starken Südwind hinabgestürzt, und bemerkt dabei zugleich, dass durch ihren Fall mehrere Personen getödtet wären. Noch andere Schrift- steller sagen, ein Windstoss habe die Statue theilweise zerstört, und der Wetterstrahl habe sie dann ganz zertrümmert. Die Säule selbst ist rund, 90 Fuss hoch und in regelmässigen Entfernungen mit Guirlanden von Eichenblättern und Lorbeern umschlungen ; allein ihre Schönheit ist ganz dahin, da sie durch die öftern Feuersbrünste in ihrer Nähe so sehr gelitten hat, dass sie nach allen Richtungen geborsten ist, und nur durch den starken Eisendrath zusammengehalten wird, welchen man mit vieler Kunst um sie gelegt hat. Das Postament, auf welchem sie steht, hat 30 Fuss an seinem Grunde, und ist besonders dadurch interessant, dass manche Theile des heiligen Kreuzes mit eingemauert ÜBERRESTE DES KREUZES CHRISTI. 123 sind. Vor der Einnahme der Stadt durch die Türken pflegte man daher bei dieser Säule zu beten, und wenn man vor ihr vorbeiritt, stieg man ehrerbietig vom Pferde ab. Da die Moslim aber die Heiligkeit jener Reliquien nicht anerkennen, nicht zugeben, dass der Ort durch sie geweihet sey, so stehen nach allen Seiten der Säule geringe Häuser von schlechtem Ansehn um sie herum; und der Freund des Alterthums kann das merkwür- dige Denkmal nur in einer einzigen Richtung hinlänglich beobachten. Am Postament findet sich eine Griechische Inschrift, welche aber jetzt fast ganz ausgelöscht ist. Man hat sie übersetzt, wie folgt : “ O Christus, Herr und Beschützer der Welt, ich weihe Dir diese Stadt und übergebe Dir zugleich den Scepter des Römischen Reichs. Beschütze die Stadt und bewahre sie vor allem Uebel ! ” DIE FÄHRE ZU SCUTARI. “ Auf einem Rosenteppich möcht’ieh sitzen, Beschattet und beschirmt von einem Baume, Sehn unverwandt nach eines Berges Spitzen ! ” Fr. Ruckert. Die auf einer Vörhöhe,' Constantinopel gegenüber, liegende Stadt Scutari, hiess im Alterthum Chrysopolis (Goldstadt), weil die Perser hier ihre Schatzkammer hatten, in welche der von den besiegten Ländern zu entrichtende Tribut geliefert werden musste. Die Türken nennen sie Iskiudar* und bei ihnen steht sie, wegen ihres berühmten Leichenhofes in hohem Ansehn ; aber der Fränkische Reisende bewundert eben so sehr ihre hübsche Kislavs oder Caserne, von welcher man eine schöne Ansicht der Stadt hat. Die Hauptstrasse, welche von der Fähre nach jenem Soldatenquartier geht, ist viel breiter, als irgend eine der Hauptstadt; aber von der Ebene an, auf welcher die Caserne steht, wird sie schmaler, allmählig immer enger und etwas schwer zu passiren, geht aber bis auf den Gipfel des Bulgurlhu Daghi, eines Gliedes der Bithynischen Bergkette, welche das Schwarze Meer beherrscht. An seinem Grunde dehnt, sich jener grosse, düstere Leichenhof aus, dessen wir schon gedacht haben, und in geringer Entfernung von ihm zieht * Iskiudar (nicht Iskuidar, wie im Engl. Text durch einen Druckfehler steht,) Eskiudar, Iskodar und Eskodar sind Corruptionen des Persischen Namens Uskudar (vgl. oben S. 56). — Anm. d. D. H. 124 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. sich eine weite Ebene fort, welche die Wallfahrer Ebene heisst, weil von hier die Karawanen nach Mecca aufbrechen. Bei besondern Veranlassungen versammeln sich hier Tausende frommer Verehrer des Propheten, bedecken die Ebene mit ihren Zelten und lassen ihre Fahnen wehen ; von hier reisen sie nach dem heiligen Grabe ; hier legen sie den Ihräm, oder die heilige Kleidung an, und von diesem Augenblick ist es ihnen nicht mehr erlaubl, etwas zu tüdten — ein Gebrauch, welchen sie so genau beobachten, dass sie selbst das Ungeziefer, welches sie an sich haben mögen, nicht erdrücken. Dies ist eine That.sache und sie erklärt die Unreinlichkeit, den ekelhaften Zustand der Türkischen Santons (Heiligen) und Hadjis, welche sich in der Stadt herumtreiben, und die man nicht ohne Gefahr angesteckt zu werden, berühren kann. Was die Würde eines Hadji betrifft, so gelangen nur Diejenigen dazu, welche persönlich die Wallfahrt nach Mecca gemacht haben ; und bisher standen diese Leute in hohem Ansehn, aber neuere Einrichtungen haben ihren Einfluss sehr vermindert. Sie treiben ein einträgliches Gewerbe damit, dass sie für Reichere Wallfahrten unternehmen, und um sich selbst die Beschwerde einer weiten, gefährlichen Reise zu ersparen, bezahlt man diesen stellvertretenden Frömmlern beträchtliche Summen. Der fügliche Glaube des Koran erlaubt solche Stellvertretung in Ausübung der Religionspflichten, und es sind immer reisende Andächtler genug dazu vorhanden. Kommt ein solcher Ersatzmann dann von seiner Wallfahrt zurück, und hat er seinen Lohn empfangen, so trägt er öffentlich seine Heiligkeit und seine Unreinlichkeit zur Schau, und man wird oft in den Strassen von solchen privilegirten, zügellosen Müssiggängern belästigt. Des Nachts schlafen sie in den schmutzigsten Khanen, oder den Ruinen von Grabmonumenten, und beide entweihen sie oft durch ihre Ausschwei fungen. Doch sind nicht alle Hadjis von dieser Art, vielmehr verlassen viele ihren häuslichen Cirkel aus ächter Begeisterung und in wahrem frommen Eifer; richten ihren Blick auf Mecca, wieder Israelit auf Jerusalem und der Christ auf die Ewigkeit — voll von Hoffnung^ stark im Glauben, sich jedem Ungemach willig unterziehend und stets bereit andern Pilgern auf der Reise Hülfe zu leisten, den Erschöpften zu erfrischen, und ihr Leben zu beschliessen, wenn das Ziel errungen ist. Das Auf brechen einer Karawane ist eine ganz orientalische und höchst pittoreske Erscheinung, und da die Verfasserin dieser Skizzen keine Gelegenheit hatte, diese interessante Ceremonie selbst zu sehen, so wird man folgende Beschreibung derselben von einem wohlunterrichteten Auoenzeug;en hier nicht am Unrechten Platze finden. “ Im Frühling versammeln sich die Wallfahrer aus Constantinopel und der Umgegend auf der grossen Ebene bei Scutari, daher ich mit einigen Freunden Uber den Bosphorus setzte, um diese Scene anzusehen, wie sie dies gewiss verdient. Es schien, als wollten sich alle Einwohner von Scutari auf die Pilgerreise machen, so voll war es auf der weiten Fläche von Leuten. Nach einiger Zeit ordneten sich dann die verworrenen Massen. Zuerst erschien der Emir Hadji, oder Anführer der Wallfahrer, in einer Sänfte oder tartaravan, von stattlichen Mauleseln getragen und von andern Hadjis begleitet. Die EINE TÜRKISCHE KARAWANE VON WALLFAHRERN. 125 übrigen Pilger schieden sich in mehrere Haufen oder Züge, welche durch vorausgetragene Paniere mit Inschriften bezeichnet wurden ; und ihnen folgte eine Reihe Kamele mit Tragebetten für Diejenigen, w'elche sonst vielleicht wegen Erschöpfung Zurückbleiben müssten. Bei diesen befanden sich Priester, um Denjenigen, welche es verlangen würden, den Dienst ihres Amtes zu gewähren. Unter den übrigen Personen des Gefolges waren auch Possenreisser oder Spassmacher, welche zur Belustigung der Anwesenden allerlei lächerliche Sprünge machten, sonderbare Stellungen annahmen u. dgl. m. Zu einer andern Classe von Leuten gehörten die, welche heulten und vor dem Munde schäumten, als wären sie rasend ; man hielt sie für Besessene, die nur durch diese Wallfahrt geheilt werden könnten. Dann folgten bewaffnete Reiter, und den Beschluss machte ein grosser Haufe Kamele, welche mit Nahrungsmitteln und allerlei Geräth beladen waren, auch Fackeln trugen, um damit, wenn man des Nachts reisete, den Weg« zu beleuchten. “ Besonders zog meine Aufmerksamkeit der Kamel auf sich, welcher den Mahme.t trug, oder die Decke des Grabes des Propheten. Auch bei der Bestattung seiner Nachkommen scheint eine Grabdecke ein wesentliches Erforderniss zu seyn, daher sie in Constantinopel in allen Mausoleen der Sultane vorkommt. Die Grabdecke, welche man jetzt nach Mecca mitnahm, bestand aus Ballen Sammet, auf welchem verschiedene Stellen des Korans in Gold gestickt waren, und das weisse Kamel, welches sie trug, wurde für so heilig gehalten, dass man es zu keiner andern Arbeit gebrauchte. Es war mit einem rothen Federbusch geschmückt, trug Glocken, und hatte eine kostbare Schabracke. . Man drängte sich ungestüm herzu, um das heil. Thier zu berühren und Die, welche nicht nahe genug kommen konnten, löseten ihren Turban auf und warfen einen Zipfel desselben nach ihm, damit durch diese Berührung wenigstens ein Theil ihrer Kleidung geweihet werde. Ich fand, dass man allgemein glaubte, dies sei derselbe Kamel, welchen Mahomed auf seiner Hegira oder Flucht ritt, und unter der Voraus- setzung, dass Allah ihm ein so wunderbar langes Leben geschenkt habe, hatte man allerdings Grund bei ihm ausserordentliche Eigenschaften zu erwarten.”* Der kaiserliche Kiosk zu Scutari ist ein nettes, kleines Gebäude am Rande eines über die Propontis weghängenden Felsen, und mit einer herrlichen Aussicht auf Constantinopel, den Hafen, das Europäische Ufer, und das schimmernde Marmora Meer; oft liegen in der Nähe des Kiosk’s viele Schiffe, welche nur auf einen günstigen Wind warten, um in dem Goldenen Horn vor Anker zu gehen. Seine Mauern sind blas grün gemalt, und seine schneeweissen Jalousien geben ihm ein heiteres, festliches Ansehn. Die innere Einrichtung ist einfach, aber hübsch. Er ist ein so artiges Spielwerk, wie die Laune eines Sultans es nur hervorrufen konnte, und behauptet würdig seinen Platz unter den sieben und fünfzig Wohnsitzen seines hohen Eigentlnimers. Die Caserne zu Scutari, in welcher die kaiserliche Garde ihre Quartiere hat, ist selbst * Vgl. Dr. Walsh’s Residence in Constantinople, vol. ii. pp. 461. 46?. 2 K 126 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. in der Türkei ein ausgezeichneter Gegenstand, ohnerachtet dort Gebäude dieser Art, in Hinsicht ihrer Grösse und ihres stattlichen Baustyls, immer fürstlichen Palästen gleichen Sie bildet ein Quadrat, welches auf den Seiten viereckige Thürme von drei Absätzen hat jeder immer kleiner als der andere, und oben ist eine dünne Spitze. Das Eingangsthoi ist hoch und kunstreich aus Eisen gearbeitet ; es führt in einen weiten Hof, in welchem zwölf tausend Mann mit Bequemlichkeit Walfenübungen anstellen können, und hat ar. drei Seiten eine offene Gallene, welche vor einer langen Reihe von Zimmern, über dem Fundament des Gebäudes, weggeht. Im Erdgeschoss sind Werkstätte, denn, mit Ausnahme der Waffen, wird hier, und zwar sehr gut, die ganze Ausrüstung der Garde verfertigt, ihre Uniform, Patrontaschen u. s. w. Die weitläuftigen Küchen sind reinlich, bequem und haben vortreffliche Einrichtungen, um Speisen mit Dampf gar zu machen ; das Kochgeschirr hält man sehr sauber. Erstaunliche Haufen von Kräutern und Wurzeln aller Art werden für die Köche sorgfältig in einem Magazin aufbewahrt, dessen Decke» Wände und Boden von Marmor sind ; die grossen Wasserbecken aus demselben Material erhalten das reinste, kühlste Wasser aus der Fontaine der prächtigen Moschee Selim’s III, welche dem Hauptthor der Caserne gerade gegenüber ist. Das Zeughaus, die Monturkammer und die Militairschulen sind alle sehr vorzüglich, und das Echo, welches in diesem weiten Gebäude so leicht geweckt wird, lässt kein Lärmen vernehmen. Wohl dürfte es schwer seyn, in ganz Europa eine ansehnlichere Caserne zu finden, als die der kaiserl. Türkischen Garde zu Scutari. Von hier geht es ziemlich steil nach der Fähre hinunter, wo es meistens sehr voll ist von Waaren, aufgehäuftem Obst, beladenen Eseln, rnüssig umhergehenden Hadjis, und geschäftigen Bootsleuten, welche die Passagiere einladen, einzusteigen. Was die Pro- specte vonStambul und der Umgegend betrifft, welche man von den Gärten der über das Marmora Meer weghängenden Wohnungen der angesehensten Einwohner hat, so über- treffen sie fast alle Beschreibung. Gleich vor ihnen führt eine reissende Strömung die schimmernden Wogen aus dem Bosphorus in die weite Propontis, mit flüssigem Licht den Felsengrund der Insel des Mädehenthurms umgebend und zuletzt sich in die vor ihm ausgebreitete Wassermenge mischend ; jenseits aber erhebt sich die lange, befestigte Mauer der alten Stadt der Constantine, welche dem Blick entzogen wird auf einem Punct durch eine Menge kaiserlicher Kiosken, auf dem andern aber, am äussersten Winkel der Stadt und unter dem finstern Schatten des Yeaidhe, durch das fabelhafte Gefängniss der Sieben Thürme — eine Scene welche wegen ihres Contrasts mit den Umgebungen hohe malerische Schönheit besitzt. An der Mauer weg sieht man auf manchen Puncten vergitterte Kiosken des kaiserlichen Serais, aus welcher die eingeschlossenen Damen auf die heitere Natur blicken, über ihnen aber und um sie herum erheben sich schattige Platanen, belaubte Buchen, hohe Cypressen, Acacien mit Blumengewinden, und andere prachtvolle Bäume der Palastgärten. Der Berg Olympus, mit seiner Krone von Schnee und in seinem DIE PRINZESSIN-INSELN. 127 Wolkenmantel, blickt am Rande des Horizonts hervor, und so weit das Auge reicht, dehnt sich die Felsenküste von Asien aus, eine der herrlichsten Darstellungen der Erde und des Wassers einschliessend. Nicht weit vom Asiatischen Ufer und etwa neun Meilen von Constantinopel liegt, von den schwellenden Wogen umgeben, eine Gruppe von Inseln, welche vormals Demonisia, oder die Geisterinseln, hiessen, jetzt aber die Prinzessin-Inseln genannt werden. Vier von ihnen sind sehr fruchtbar, auch ziemlich bewohnt. Die der Haupt- stadt am nächsten befindliche heisst, nach dieser Lage und weil sie die erste ist, an die man kommt, wenn man den Bosphorus verlässt, Prote,* hat drei Meilen in Umfang und ist der Lieblingsaufenthalt der Griechen des Fanars. Viele von diesen bringen in dem lieblichen Thal der Insel, welches von zwei steilen Anhöhen eingeschlossen ist, die heissen Sommermonate zu. Auf der östlichen Seite liegt ein kleines Dorf und auf einer der Anhöhen befindet sich ein Kloster, welches in der Ferne seine kahlen, kalten Mauern zeigt, ohne einen einzigen Baum, dem starren Bilde einen mildern Character zu geben, frei da stehend und dem heissen Sonnenschein wie den drohenden Gewitterwolken preisgegeben. f Die zweite Insel jener Gruppe ist eine Fläche und heisst daher Plate, J wiewohl die Franken sie auch oft, ohne Rücksicht auf jene alt Griechische Bezeichnung, die Mewen Insel nennen, weil man diese Vögel hier in grosser Zahl antrifft ; sie nähren sich von den Seepflanzen, welche die Insel bedecken und ziehen hier, ungestört durch das Geräusch der volkreichen Hauptstadt, ruhig ihre Jungen auf. Die folgende Insel, Oxea,§ ist die höchste unter allen und von steilen Felsen einge- schlossen, welche ihr, vom Wasser her, ein pittoreskes Ansehn geben, besonders auf der östlichen Seite, wo das Ufer, in einem Halbcirkel gebogen, eine hübsche Bai bildet mit einer Einfassung von hohen, eingeschnittenen Felsen. Man findet hier noch einige interessante Reste von solchen Cisternen, welche vormals auf allen Inseln dieser Gruppe im Gebrauch waren, um sie mit frischem Wasser zu versehen, da Quellen auf ihnen selten sind. Zwei von diesen Cisternen sind noch fast unversehrt, und ihr Wasser ist rein und hell ; kleinere Wasserbehälter kommen viele vor, so wie man in den abschüssigen Theilen der Insel Reste verschiedener, alter Gebäude findet und Mauern aus Backsteinen, welche man mit einem Mörtel aus Kalk und pulverisirten Ziegeln verbunden, hernach ab- gerieben hat. Von Pflanzen auf dieser Insel ist besonders das Steckenkraut, giant fennel , || zu bemerken, welches hier eine Höhe von zwölf Fuss erreicht und fast * Tvpürri, d. h. die erste. + Während der Expedition des Admirals Duckwortli pflegte die Englische Flotte sich aus diesem Kloster mit Wasser und andern Sachen, deren sie bedurfte, zu versorgen. Dann legten aber die Türken eine Besatzung von sechzig Mann hinein, welche den Engländern viel Schaden that, und als diese das Kloster stürmen wollten, wurden sie mit grossem Verlust zurückgeschlagen. — Anm. d. D. II . X TrXarr;. § oltta. 11 Ferula gigantea Linn., eine in östlichen Gegenden selten vorkommende Pflanze. Macht man Einschnitte in den Stamm, so schwitztein milchiger Saft aus. Wenn dieser allmählig hart wird, bildet er ein Gummi, welches das Ansehn von Asafoetida hat, auch ziemlich wie diese riecht und schmeckt. — Anm. d. D. Herausg. 128 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. auch den Umfang eines Waldbaumes : seine federigen Dolde verbreiten einen dichten Schatten. Dann folgt die Insel Pitya* welche nur klein ist und jetzt blos einen geringen Theil des Fichtengehölzes besitzt, welches sie vormals fast ganz bedeckt haben soll ; sie enthält dabei nichts zur Entschädigung für diesen Verlust. Eine Meile weiter ist Antigone, das alte Panormus, mit Weinbergen, Dörfern und einem Kloster auf einer Anhöhe, welche die ganze Insel beherrscht. Auf sie wurde der gelehrte Constantius, Erzbischof des Berges Sinai und Patriarch von Constantinopel, unter der Regierung des vorigen Kaisers Mahmud verwiesen, weil er zum Nutzen seiner Landsleute eine vergleichende Darstellung des vormaligen und jetzigen Zustandes von Constantinopel in Neugriechischer Sprache geschrieben und 1824 zu Venedig hatte drucken lassen. Um die Einrichtung der Türkischen Klöster genau kennen zu lernen hatte er sich wohl zuweilen als Derwisch verkleidet, und überhaupt keine Mühe gespart, um seinen Mitbürgern ein nützliches, manches bisher Unbekannte enthaltendes Werk zu liefern : aber man liebte nicht seine Erinnerungen an die Vorzeit und seine Vergleichungen der Gegenwart mit ihr. In seinem Exil beschäftigte er sich mit der Durchsicht der Neugriechischen Bibelübersetzung in Auftrag der Londoner Bibelgesellschaft, lehnte aber eine ihm angebotene, ansehnliche Vergütung seiner Arbeit ab, ohnerachtet er sich damals eben nicht in den besten Um- ständen befand. Von Antigone kommt der Reisende nach Chalcitis, oder Neugriechisch Chalki, welches vielleicht die interessanteste von allen Inseln dieser Gruppe ist. Sie hat ihren Namen von den Erzgruben, welche hier vormals bearbeitet wurden.-j- Die Beweise davon finden sich hier noch jetzt in den Haufen von Schlacken aus Schmelzöfen und von Abgang, welcher vor mehreren Jahrhunderten aus den Schäften geworfen wurde. Hier sieht man das Dreieinigkeits Kloster, welchen Namen man auf die Lage des Gebäudes bezieht, da es auf einem der drei bemerkenswerthen Berge dieser Insel steht. Vormals hatte es eine beträchtliche Ausdehnung, aber eine Feuersbrunst zerstörte es fast ganz, verschonte nur die Seite, in welcher sich die Kirche befindet, in deren Vorhalle Reisende einige Augenblicke bei der Betrachtung des grossen Gemäldes des jüngsten Tages verweilen werden, nicht sowohl wegen seines Kunstwerthes, als wegen seiner Seltsamkeit und seiner grotesken Figuren. Auf einem zweiten Berge steht das Kloster der heiligen Jungfrau Maria ; der breite Weg, welcher zu ihm führt, gewährt herrliche Prospecte der Umgegend und ist eingefasst mit Erdbeerbäumen, Myrthenbäumen und Fichten, welche einen Kreis um das Klostergebäude bilden. Nach dieser Insel begab sich der erste residirende Brittische Gesandte,^: am Otto- mannischen Hofe, um seine Gesundheit, welcher das hiesige China nicht zusagte, wieder * TTirvg, Pinus maritimus. t x a ^ K oe, Erz. + Nämlich Sir Edward Barton; sein Grabmal war noch 1797 vorhanden, wurde aber später auf die von dem Deutschen Herausgeber im Text bemerkte Art zerstört. Der Brittische Bothsehafter Lord Strangford hatte den Plan, es wieder herzustellen und mit einem eisernen Gitter umgeben zu lassen; aber er wurde vor der Ausführung des Planes abberufen. — Anvi. d. D. H. DEU PALAST ZU CHALCITIS. 129 herzustellen. Er starb aber hier, und man errichtete ihm dann ein Denkmal, von dem jetzt nur der Stein übrig ist, welcher die Lateinische Inschrift enthalt. Als man nämlich zur Reparatur des hiesigen Klosters Baumaterialien nöthig hatte, nahm man auch diesen Stein und er befindet sich jetzt in der Mauer über dem Eingangsthor eingefügt. Solche Klöster stehen unter dem besondern Schutz des Sultans, und daher kann der gedachte Stein jetzt nicht ohne besondere Erlaubniss desselben herausgenommen werden. Vier ansehnliche Reihen von Cypressen, welche nach dem Wasser hinuntergehen, führen zu einem prächtigen Palaste auf dieser Insel, welcher vormals dem Griechischen Prinzen Mavrogeny gehörte. Dieser hatte in der Türkischen Armee gegen Russland gedient, und der Grosswesier liess ihn hernach wegen eines vorgeblichen Vergehens enthaupten. Darüber gerieth der Sultan so in Zorn, dass er dem Wesier und seinem Sohne auch den Kopf abschlagen liess, worauf er den Palast und die Gärten des erstem der Familie des Affenduli verlieh, welcher zu Anfang der Griechischen Revolution unschuldigerweise hingerichtet war. Was sich im Hause befand, das schöne Geräth und die prächtigen Meublen, wurde von den Türken auf fünf grossen Böten weggebracht. Einige Zeit darauf miethete es dann der Oesterreichische Gesandte, Freiherr von Ottenfels, und nach dessen Abberufung kaufte es die Türkische Regierung. Dem vorigen Sultan Mahmud gefiel es hier sehr, und er liess das Schloss prächtig einrichten. Zuweilen gab er in ihm den Griechischen Einwohnern der Insel und andern Gästen prächtige Bälle. Dann folgt die Insel Prinkipo, wohin der Kaiser Nicephorus die Kaiserin Irene, Witwe des Kaisers Flavius Leo, verwies, mit dem sie zugleich im J. 749 gekrönt war. Nach dem Tode ihres Gemals hatte sie während der Minderjährigkeit ihres Sohnes die Regierung geführt, und als dieser majorenn wurde, ihm die Augen ausstechen lassen, damit er zur Thronfolge unfähig würde. Für diese Grausamkeit wurde sie nach der Insel Prinkipo verwiesen, wo sie zur Sühne für ihr Verbrechen ein Kloster bauete, und in diesem endete sie ihr Leben. Nach ihr nannte man die ganze Gruppe der Inseln, von denen hier die Rede ist, Prinzessin Inseln, und die grösste derselben Prinkipo. Diese hat nämlich ohngefähr acht Meilen in Umfang. Auf dem östlichen Ufer befindet sich eine Stadt, welche etwa dreihundert Einwohner enthält. Von dem alten Nonnen- kloster, in welchem vormals fünfzig Nonnen wohnten, sind noch Ruinen vorhanden. In dem verfallenen Mönchskloster, welches auf einer der Anhöhen steht und der Verklärung Christi gewidmet ist, wohnt jetzt nur ein einziger, grauer Mönch ; aber ein anderes, welches den höchsten Hügel der Insel bekrönt, und dem heiligen Georg gewidmet ist, steht bei den Griechen in grossem Rufe der Heiligkeit, und wird von ihnen häufig besucht. Die beiden übrigen Inseln Neandros und Antirovitlii sind blosse Felsen und ganz unbewohnt ; nur zuweilen jägt man hier, da viele Seevogel und Kaninchen auf ihnen leben. 130 EIN TÜRKISCHES ZIMMER. “ Verschwenderisch kostbar war das Hausgeräth ; Zu sitzen auf den Sophas war fast Sünde, So herrlich waren sie, so zart die Arbeit ; Und jedes Feld der Teppiche so lieblich Anzuschau’n, dass man wohl wünschte, man könne, Wie ein goldner Fisch weggleiten über sie.” Byron. Das erste, was einem Fremden bei dem Blick auf einen Türkischen Harem auffällt, ist seine ausserordentliche Reinlichkeit, über welche nichts geht, ausser etwa die zugleich in ihm herrschende genaue Ordnung. Auf den Indischen Matten der grossen Vorhallen, von denen Zimmer nach allen Richtungen ausgehen, bemerkt man nicht den mindesten Staub, keine Fussspur ; und dabei sind die Meublen im Zimmer stets wie neu, sauber gehalten und mit Sorgfalt geordnet. Die Decken der Zimmer sind kunstreich verziert und in den Häusern der Reichen, wo die Zimmer von grossem Umfang sind, bedient man sich oft eines Tapetenvorhanges, um sie zu theilen. Die Fenster sind immer dicht aneinander und sehr zahlreich, und ein kleines Zimmer eines allein stehenden Hauses ist daher einer Laterne ziemlich ähnlich. Das beiliegende Bild stellt das Zimmer eines Hauses dar, welches ursprünglich ein Griechischer Prinz bewohnte, daher in ihm ein geräumiger Platz für ein Kaminfeuer ist, welcher in Türkischen Zimmern nicht vorkommt ; in jeder andern Hinsicht ist es eben so ein Zimmer, wie es sich in dem Harem der hohem Stände immer findet. Besondere Schlafzimmer giebt es in den Türkischen Häusern nicht, aber am untern Ende eines jeden Zimmers sind grosse Cabinette, um darin das Bettzeug aufzubewahren, und sobald die Sclaven in einer Familie sehen, dass ein Gast derselben aufgestanden ist, kommt ein halbes Dutzend von ihnen, um das Ruhelager wegzuschaffen, von dem bald keine Spur mehr übrig ist. Sie bringen Alles, was zu ihm gehörte, in das Cabinet, nämlich das Unterbett mit dem Ueberzug von gesticktem Atlas, das Bettuch von Gaze und kunstreich gearbeitetem Musselin, ein halbes Dutzend Küssen von Seidenzeug mit eingewebten Blumen, endlich die wattirten Decken, welche in lebhaften Farben bunt ausgenäht sind und volle Silberfransen haben. An den andern drei Seiten des Zimmers zieht sich ein nicht hoher, mit geblümtem Sammt oder gesticktem Atlas bedeckter, Polstersitz oder sogenannter Diwan fort, auf welchem viele weiche Küssen liegen ; der Boden ist immer mit einem weichen, hübschen Teppich bedeckt. BESCHAFFENHEIT EINES HAREMS. 131 Sonderbarerweise denken Europseer, welche nie in östlichen Ländern waren, bei einem Harem an etwas Unschickliches, können aber keinen Grund ihres Vorurtheils gegen diese Abtheilung eines Türkischen Hauses anführen. Die Türken selbst betrachten einen Harem, d. h. die Gemächer der Frauen, vielmehr als einen so heiligen Ort, dass sie ihn selbst bei Volksbewegungen, oder wenn sich ein einzelner vergangen hat, nicht verletzen ; nie lässt sich der Pöbel hinreissen, sich unter die Frauen seiner Opfer einzu- drängen, vielmehr hört das Nachsetzen eines Flüchtigen auf, sobald die Thür des Harems ihn von seinen Verfolgern trennt. Und obgleich jeder Türkische Hausherr ohne Zweifel das Recht hat, zu allen Stunden in die Gemächer seiner Frauen zu treten, macht er doch selten oder nie davon Gebrauch. Vielmehr ist ein Zimmer im Harem für ihn bestimmt, dahin wird durch eine Sclavin die Dame eingeladen, welche er zu sprechen wünscht, in diesem erwartet er sie. Sollte er aber, wenn er sich nach diesem Zimmer begiebt, am Fuss der Treppe Pantoffeln stehen sehen, dadurch erfahren, dass eine fremde Dame im Harem zum Besuch sey, so kann er unter keinem Vorwände in den Harem treten ; alle Damen des ganzen Türkischen Reichs würden dies übel aufnehmen und sich dadurch beleidigt finden. Sind Gäste auf einige Tage zum Besuch im Harem, so sendet er, wenn er hineingehen will, einen Sclaven voraus, um es anzuzeigen, und so den fremden Damen Zeit zu geben, sich, wenn sie wollen, zurückzuziehen und ihm nicht in den Weg zu kommen. Zu jedem guten Harem gehört ein Badezimmer und ein Garten mit einer glänzenden Blumenflur und Fontainen, wo die Frauen nach Gefallen sich unter dem Laube der Bäume und von Vögeln umschwirrt ergehen und die schwülen Stunden in ihren reizenden Kiosken verträumen können. Der Unterhaltungen giebt es im Harem wenige und sie sind sehr einfacher Art. Das Baden ist immer eine Hauptsache, sonst ruhen entweder die Damen auf dem Diwan, oder sie hören eine Musik an, da einer der Sclaven auf der Zebec spielt Und andere dazu singen ; beschäftigen sich mit dem Ordnen ihrer Juwelen auf dem Turban ; spielen mit den Vögeln, deren vergoldete Bauer an der Wand hängen ; verziehen alle Kinder, die Zutritt zu ihnen haben; essen Zuckerwerk und trinken Eiswasser; lauschen in den kühlen Schattengängen des Gartens auf den Fall der Fontainen und das Geflüster der Blätter; oder hören endlich den Wundergeschichten einer Erzählerin* zu, welche aus ihrer Kunst interessante Begebenheiten vorzutragen, ein besonderes Gewerbe macht und im Harem immer ein willkommener Gast ist : die Damen hören sie mit grosser Aufmerk- samkeit an und nehmen selbst das Unglaublichste für baare Wahrheit an. Ueberdiess haben sie auch Tags fünf Mal ein Gebet, namaz, zu sprechen, und Türkische Damen versäumen dies nie ; in Demuth tief verschleiert, sich unwürdig erkennend, vor Allah mit blosser Stirne zu erscheinen, breiten sie ihren Gebets-Teppich aus, wenden ihr Gesicht nach Mecca, und beten mit Inbrunst. * Massaldjhe. 132 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. Dies ist die Art, wie die Damen sich gewöhnlich im Harem beschäftigen. Man würde sich aber sehr irren, wenn man sich die Türkischen Frauen in der Lage von Vögeln im Bauer, oder von Gefangenen in einer Koje, vorstellte. Vielmehr giebt es keine öffentliche Festlichkeit, sei es eine Türkische, Fränkische, Armenische oder Griechische, bei welcher sie nicht in grosser Menge erscheinen, auf ihren Teppichen sitzend, oder in ihren Wagen, umgeben von Sclavinnen und Wärterinnen, aufmerksam Alles beobachtend und das Vergnügen ausdrückend, welches ihnen der Anblick der wogenden, fröhlichen Menschen- masse macht. Dann haben sie auch ihre vergoldeten, schimmernden Gondeln auf dem Bosphorus, in denen sie die kühle Luft einathmen und sich über den pfeilschnellen Lauf der Barken freuen, welche den Kanal hinauf und hinunter fahren. Ja, unter dem Schutz ihrer Schleier, weiten Mäntel und Negerwache, gehen sie von einem Hause zum andern, machen Besuche bei ihren Freundinnen, sammeln Neuigkeiten ein und bringen sie weiter. Vielleicht giebt es in der ganzen Welt keine Frauen, die so wenigem Zwang unterworfen wären. Unter der landesüblichen Begleitung können sie gehen wohin sie wollen, ohne dass Jemand davon Notiz nimmt; und diese Freiheit geniessen sie in aller Unschuld wie frohe Kinder, welche ihr Vergnügen im Sonnenschein suchen, unter Blumen, wie Vögel und Bienen im Glanz des Sommers, umher schwärmen, und den gegenwärtigen Augenblick geniessen, aber wegen der Zukunft unbekümmert sind. DER SCLAVENMARKT. “ Veritatis simplex oratio est.” Man hat über den Yeser Bazar, oder Sclavenmarkt zu Constantinopel, viele Fabeln verbreitet, diesen selbst durch Abbildungen noch mehr Anschaulichkeit gegeben, so dass Mancher erschrickt, wenn er nur von ihm hört. Aber sieht man den Ort selbst, so findet sich Alles ganz anders ! Freilich sind die vorliegenden Skizzen keine Streitschriften, und es soll hier nicht der Sclavenhandel selbst vertheidigt werden, welcher dem Naturrecht und dem Gefühl so sehr entgegen ist ; aber Gerechtigkeit gegen die Türkische Nation erfordert, den abgeschmackten, unzarten Tiraden zu widersprechen, mit welchen manche Schriftsteller, deren immer thätige Phantasie nach Wundermährchen hascht, den Namen Yestir Bazar selbst und die ganze Anstalt überhaupt zu einem Gegenstände des allge- meinen Hasses zu machen gesucht haben. Man kann wohl eine sentimentale Darstellung SCLAVINNEN AUS GEORGIEN UND CIROASSIEN. 133 der Thränen und des Bebens eines schönen Mädchens entwerfen, welche, ihrer Heimath und ihren Verwandten entrissen, hier den Blicken einer rohen Volksmenge blosgestellt ist ; es mag auch ein ganz artiges Gemälde abgeben, wenn ein Künstler das Viereck des Marktes mit Gruppen schöner Georgierinnen oder Circassierinnen* vorstellt, wie sie in fliessenden Gewändern von weissem Musselin gekleidet sind und die rohe Hand des Sclavenhändlers sie entschleiert, um der Laune jedes neugierigen Vorübergehenden zu genügen : wenn aber die Verfasser solcher shönen Sächelchen ( prettinesses ) bedenken wollten, wie wenig sie die Wirklichkeit ausdriicken, dass ihr Mangel an gesundem Urtheil besser Unterrichteten auffallen muss, und dass sie eine ganze Nation verunglimpfen, so dürften sie sich vielleicht überwinden, ihre Tiraden, ihr Haschen nach Effect aufzugeben, wodurch ihre Schilderungen an Gerechtigkeit, Wahrheit und Schicklichkeit gewinnen würden. Nur oberflächliche Beobachter, welche wie im Flug durch Länder eilen und sich nicht die Mühe geben, sie näher kennen zu lernen, werden in Irthümer jener Art verfallen. Was man beschreibt, sollte man auch gesehen haben; aber sicher hat keiner von denen, welche über den Sclavenmarkt zu Constantinopel fabelten, jemals ein solches empörendes Schauspiel gesehen, wie er es beschreibt, vielmehr ist das Gemälde, welches er davon giebt, blos die Ausgeburt seiner eigenen Phantasie. Sehen wir was der Dr. Walsh über den Yeser Basar sagt ! Er lebte mehrere Jahre zu Constantinopel, war Kaplan der Brittischen Gesandschaft daselbst, und untersuchte sorgfältig die dortigen Einrichtungen; aber zugleich zeigt er sich in seinem Werke f nichts weniger als eingenommen für die Türkei, daher sein Urtheil nicht parteiisch scheinen kann. “ Die Schicklichkeit wird auf dem Sclavenmarkt zu Constantinopel nur durch den Act des Verkaufens selbst verletzt. Das Gebäude ist viereckig und hat einen offenen Hof in der Mitte. Um diesen erheben sich Plattformen, auf welchem schwarze Sclaven sitzen, dahinter sind die vergitterten Fenster der Zimmer, in denen weisse und überhaupt theure Frauen so lange eingeschlossen gehalten werden, bis sie verkauft sind ; gewisse Regeln des Anstandes und der Schicklichkeit werden bei dem Handel beobachtet.” Man sieht also, dass Hr. Dr. Walsh den Türken das Lob der Beobachtung des Anstandes und der Schicklichkeit beim Sclavenhandel ertheilt, so dass er kein muth- * Mädchen aus Egypten und Abyssinien werden meistens zum Dienst im Hause gekauft, und Mädchen aus Circassien oder Georgien für den Harem der Reichen ; der Preis, welchen man fordert, ist natürlich verschieden, steigt aber oft auf mehrere tausend Piaster. In der Versammlung des Brittischen Vereins gegen Sclaverei vom 17 Kn Junius 1840 schlug Hr. Doctor Bowring, Mitglied des Parlamentes, vor, da England jetzt einen sogrossen Einüuss auf die Angelegenheiten der Türkei habe, müsse man den Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Lord Palmerston, ersuchen, sich bei dem Türkischen Hofe dahin zu verwenden, dass aller Sclavenhandel in der Türkei abgeschafft werde. Dieser Vorschlag wurde von dem Verein ( General Antislavery Convention,) genehmigt, und es leidet wohl keinen Zweifel, dass der jetzige Sultan, welcher zur Einführung von Verbesserungen so bereit ist, allmählig auch den Sclavenhandel gänzlich aufheben wird. — Anin. d. D. H. + Dr. Walsh’s Residence in Constantinople, vol. ii. p. 2. 2 51 134 ANSICHTEN DES B0SPH0RUS. williges Entblössen derselben bemerkt haben kann, welches manche Reisende als gewöhnlich bei diesem Geschäft vorkommend darstellen. Wir haben uns etwas umständlich über diesen Punct ausgesprochen, weil der verleumdeten Nation eine Genugthuung gebührte, und viele hoch gestellte Glieder derselben sich durch die Unwahrheiten, welche man über den Sclavenmarkt zu Constan- tinopel verbreitet, tief verletzt gefühlt hatten. Allerdings erregt es immer ein schmerz- haftes Gefühl und es empört, wenn man sieht, dass Menschen als eine Waare behandelt, öffentlich für Geld verkauft werden; aber ausser diesem, (und freilich ist es genug!) ist in dem Sclavenmarkt zu Constantinopel nichts, was unangenehme Gefühle oder Missfallen, erwecken könnte. Gegen Grausamkeit aus Muthwillen, gegen leichtfertigen Hohn sind die Sclaven geschützt; diese wählen sich oft einen Herrn unter denen, die auf sie bieten, oder wenden sich an einen der Kauflustigen und ersuchen ihn, er möge sie kaufen; sie wissen wohl, dass, wenn sie einmal in eine Türkische Familie aufgenommen sind, sie in jeder Hinsicht Glieder derselben werden, und fast mit Gewissheit darauf rechnen können, dass sie ihr Glück in der Welt machen werden, wenn sie sich gehörig betragen. Die Mädchen aus Georgien und Circassien werden meistens auf ihren eigenen Wunsch von ihren Aeltern hieher gebracht, weil ein gemächliches Leben in der Jugend nebst der Aussicht auf künftigen Ueberfluss ihnen ein besseres Loos zu seyn scheint, als der schwere Hausdienst und die saure Feldarbeit, wenn sie in ihrer gebirgigen Heimath blieben. Diese Leute, welche freiwillig Sclaven werden wollen, befinden sich in verschlossenen Gemächern, und nur Diejenigen bekommen sie zu sehen, von denen man annehmen kann, dass es ihnen ein Ernst ist, sie zu kaufen ; zugleich sorgt man dafür, dass sie nicht muthwillig belästigt werden und sie sind den neugierigen Blicken müssiger Gaffer im Hofe nicht ausgesetzt. Ueberhaupt herrscht die grösste Ordnung und Stille, alles geht anständig zu, und eine militärische Wache, welche am Eingang des Marktplatzes steht, ist verpflichtet, darauf zu halten, wiewohl ihr Einschreiten selten nöthig ist. Die Neger Sclaven hocken auf ihren Matten auf dem ganzen Markt herum ; einige lachen und scherzen, oder verzehren grosse Stücke Wassermelonen und rothe Weintrauben; andere scheinen angst zu seyn, oder sehen verdriesslich und traurig aus, wie nun eben ihr Temperament ist ; manche aber schlafen ruhig. Um sie her zeigt sich ihnen nichts, was sie mit schmerzlichen Gefühlen über ihre Lage erfüllen könnte, denn ein geringer Stand und Leiden sind bei den Türken kein Gegenstand des Spiels und des Spotts ; Witzeleien dieser Art sind bei ihnen nicht gebräuchlich. So betreiben sie ihren verhassten Handel mit Ernst und Ruhe, und sie führen die gekauften Sclaven weg, ohne leichtfertige Grausamkeit und tyrannische Willkühr zu zeigen. Der Yeser Bazär liegt ganz nahe bei der angebrannten Säule oder Tchernberle Tasch, und hat die Aussicht auf die Osmanieh, d. i. die Moschee Sultan Osman’s III,* welche * Ihren Bau unternahm eigentlich schon Mahmud I, im J. 1748. allein erst unter Osman III wurde er 1755 vollendet. Sie hat 76 Schritt ins Gevierte, welche zugleich der Durchmesser der Kuppel DIE MOSCHEE OSMAN’s. 135 auch Nur Osmani, das Licht Osman’s, heisst. Dies ist ein prächtiger Tempel von reinem, weissem Marmor mit Teppichen von lebhaften, bunten Farben bedeckt. Das Mihrab, oder die Nische des Hochaltars, welche sich hier, wie in allen neuerbaueten Moscheen, dem Haupteingang gegenüber befindet, hat ein vergoldetes Geländer. Hübsche Ahornbäume umgeben das ansehnliche Gebäude, wie die meisten dieser Art in der Hauptstadt; sie erheben sich aus dem mit Marmor theilweise gepflasterten Boden und breiten weithin ihre belaubten Zweige aus — ein angenehmer, erquickender Ruhepunct für das Auge, welches bei dem Anschaun des Innern des Sclavenmarktes mit Schmerz und Trauer erfüllt wurde. DER KLEINE LEICHENHOF ZU PERA. ‘Komm lass uns wandern nach dem Ort der Gräber Durch deren dichte Reih’n der Wind in leisen Tönen seufzet, wo hohe Bäume wehend Uns begriissen, wo Tausende schon ruhen, Doch Keiner träumt, und Keiner noch erwachte.” Nichts macht wohl einen tiefem Eindruck auf den in der Türkei Reisenden, beschäftigt mehr seine Phantasie, als die Lage und das Ansehn der Begräbnissstellen. Die sonnigsten Plätze, wo Alles Lust und Freude athmet, haben doch noch Raum für ein Grab und man findet hier nicht, dass sie dadurch weniger einladend werden. Auch die Vornehmsten nehmen die irdischen Ueberreste Derjenigen, welche ihnen im Leben theuer waren, in ihren Gärten auf, und es wird wohl von dem Grabe einer verstorbenen schönen Freundin einer Familie die reizende Acacia Gul-ibrasim, oder Seidenrose, gebrochen, um damit das Haar einer noch lebenden zu schmücken ; die Musik des Windes, welcher sanft durch die schattigen Zweige der über eine Todtengruft hängenden Weide fährt, klingt dem Osmanen dadurch nicht melancholisch, und der kühle Schatten scheint ihm dadurch nicht an Lieblichkeit zu verlieren, dass er zu einem Begräbniss gehört. In dem Lustgarten des Grossherrlichen Palastes des Süssen Wassers bemerkt man ein Grabmonument aus weissem Marmor. Dies widmete der vorige Sultan Mahmud dem Andenken einer sind, die von keinen Seitenkuppeln umgeben ist. In dem Vorhofe der Moschee, bei welcher eine Gesetzschule, Bibliothek und Armenküche gestiftet sind, liegt ein halbverschütteter Porphyrsarg, aus dem die Sage den Sarg Constantin’s des Grossen macht. — Anm. d. D. Herausg. 136 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. schönen Odalike,* die er geliebt und verloren hatte. Sie starb in der Bliithe der Jugend, er beweinte sie in stiller Einsamkeit, drückte seine Trauer in Elegien aus, und — liess ihr gerade unter den Fenstern der von ihm bewohnten Zimmer jenes Denkmal setzen. Selbst der hochbejahrte Reis Effendi liess den Leichnam eines Verstorbenen, welchen er herzlich liebte, in seinem Garten bestatten und die Gruft mit einem Denkmal schmücken, damit er unter dem langen Schatten der dasselbe überwölbenden Bäume auf den kalten Marmorstufen sitzen und weinen möchte. Man hätte denken sollen, die Last so vieler Jahre, die ihn niederdrückte, würde jenes Gefühl abgestumpft haben, welches uns mit Sehnsucht nach einem im Leben geliebten Todten erfüllt, uns nach seinem Grabe treibt, in dem doch nur ein armseliger Rest von ihm im Todtenkleide liegt, und uns im Traume Denjenigen vorstellt, welcher dieser Erde nicht mehr angehört. Man hätte glauben mögen, dass die Hofintrigen, welche den Greis umgaben, und ihn jeden Augenblick seines Postens, selbst seiner Freiheit berauben konnten, oder dass die vielen wichtigen Amtsgeschäfte, welche er zu besorgen hatte, ihm nicht Müsse lassen würden, oft an ein Ereigniss zu denken, welches ihm im Laufe eines langen, mühevollen Lebens schon oft vorgekommen seyn musste. Und dabei war es nur ein unmündiges Kind welches er, dem Ende seiner eigenen Pilgerbahn zueilend und gewohnt an den Anblick des Todes, oft und bitterlich beweinte — es war der noch nicht sieben Jahre alte Sohn seiner früher gestorbenen Tochter. Aber der geliebte Knabe hatte ihm oft seine herzliche Anhänglichkeit ausgedrückt, hatte auf seiner Knie gesessen und mit seinem grauen Bart gespielt, zu ihm in der Sprache der Unschuld ohne Verstellung geredet, und der ergraute Staatsminister liebte das Kind, welches die hohe Stellung seines Grossvaters noch nicht begriff, sich nicht vor ihm beugte. Als er es verlor fühlte er es schmerzlich, dass es für ihn auf dieser Erde zu spät sey, eine gleich innige Neigung zu einem andern menschlichen Wesen zu gewinnen. So ward denn im Schatten seines Gartens jenes kleine Grabmal mit einem vergoldeten Turban und einer rührenden Inschrift an einer Stelle errichtet, wo er unbemerkt nach ihm hinblicken konnte. Sonst führen aber auch die Türken Grabmäler an den Heerstrassen auf, welche Sitte sie wahrscheinlich von den Römern annahmen, schmücken sie auch wie diese mit Inschriften, welche die schönsten Lehren der Moral und Lebensweisheit enthalten. Und wo sich in den bevölkertsten Theilen der Hauptstadt ein Winkel findet am Ende einer Strasse, da ist auch ein Grab und ein Grabstein. * Odalike heisst bei den Osnmnen eine Concubine oder Kebsfrau und ist zusammengesetzt aus Oda die Kammer, und der SylbeftÄ, welche gewöhnlich Abstracta bezeichnet, aberauchdas Verluiltniss des Angehörens, also : die zur Kammer gehört, Kammerdame. Die Anzahl derselben im Harem des Grosssultans ist bedeutend, und er wählt aus ihnen sieben, welche man die erste, zweite u. s. w. Kadin nennt, und seine rechtmässigen Gemahlinnen sind. Derjenigen, welche ihn zuerst mit einem männlichen Thronerben erfreut, wird insbesondere der Ehrentitel 4.' Lbii — ; cuJiLs- Chasseki Sultana, d. i. innigste, vertrautetste Sultanin verliehen. — Amn. d. D. H. DER LEICHENHOF ZU PERA. 137 Was den sogenannten kleinen Leichenhof zu Pera betrifft, so ist dieser ausschliesslich für Musulmänner bestimmt, welche nicht zugeben, dass sich die Asche ihrer Todten mit der der Ungläubigen vermische. Seine dunkeln Cypressen fassen, wie mit einem Saum, den Kamm und einen Theil des Abhanges der Höhe ein, welcher sich über ihm erhebt. Man blickt auf ihn aus hundert Fenstern der Häuser, welche ihn umgeben, hä.rt Menschen sich auf ihm begrüssen oder mit einander schwatzen, und sieht Vieh auf ihm weiden. Von seinen höher gelegenen Puncten hat man hübsche Prospecte auf den Hafen und das gegenüber liegende Ufer. Sein Boden ist nämlich ungleich gehoben, bildet bald tiefe Gruben, in welche die Sonne nie dringt, und hebt sich dann plötzlich wieder, als wolle er den Hain seiner Gräber mit dem blauen Himmel einigen. Zwischen den Bäumen sind Fusswege, und sonnige Lichtungen blinken mitten in dem Schatten des Laubes; Grabsteine stehen dicht neben einander an den grasigen Abhängen, und die Wachhäuser mit ihren Portalen sind voll von müssigen Soldaten, welche mit dem Gerassel ihrer Waffen das Echo im Walde des Todes wecken. In der Tiefe des Thals, gerade in der Mitte des Kirchhofes steht ein kleines achteckiges Gebäude mit einem einzigen Schornstein, aus dem man gewöhnlich eine dichte, weissliche Rauchwolke aufsteigen sieht, welche sich einen Augenblick um die nächste Cypresse dreht, dann aber in der Luft verliert. Dies ist das Todtenhaus, wohin der Leichnam eines jeden Musulmans, welcher hier bestattet werden soll, gebracht wird, damit man ihm den letzten Dienst erweise: er wird sorgfältig gewaschen, der Bart geschoren, die Nägel abgeschnitten, und die Glieder gehörig gelegt. Diese Ceremonie wird nie versäumt, wenn ein Rechtgläubiger in sein enges Grab gelegt w r erden soll. Am Ende des Kirchhofes, wo er an die Vorstadt Pera stösst, hebt sich der felsige Boden plötzlich, eine natürliche Scheidewand bildend zwischen den Lebenden und Todten, die aber beide keine Handbreit Raum frei gelassen haben. Nur ein schmaler Fahrweg, an der Seite des Abhanges weg, trennt die Häuser der Bewohner Pera’s von den Gräbern der Musulmänner, welche sich an den Grund des Höhenzuges lehnen. Viele von jenen Häusern haben Terrassen, welche den Kirchhof überblicken, mit Bäumen umpflanzt und mit Blumen geschmückt sind, zur Heiterkeit und zum Frohsinn einladen. Aus den Kaffeehäusern, wo junge und alte Leute sich in den Mussestunden der Sommer- abende versammeln, um sich mit Eis zu laben oder Cigarn zu rauchen, erweckt froher Jubel das Echo des Todtenackers ; und manches verliebte Paar wandert unter den Gräbern umher, sitzt Hand in Hand auf einem Stein mit Todesschrift, schwört sich gegenseitig ewige Treue, und entwirft an einem Orte des vollendeten Lebens Pläne für eine künftige Reihe von Jahren. Unter den Türkischen Grabmälern finden sich, besonders auf dem herrlichen Leichenhofe zu Scutari, viele kunstreich gearbeitete und von grosser Schönheit. Freilich findet sich bei ihnen nicht die Art von Verzierung, wie auf dem Kirchhofe Pere-la-Chaise zu Paris : man sieht auf ihnen keine colossale Statuen, Staatsmännern errichtet und aussehend, als wären sie aus einer Rathsstube oder Domkirche genommen; keine 2 N 138 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. schreckhafte Abbildungen grinsender Skelette und von Schädeln ohne Augen ; keine gesuchte Wortspiele auf Rosen und Marienblümchen, welche sich besser zur Einrückung in einen Musenalmanach mit vergoldetem Schnitt schicken, als zu Inschriften auf ernste Grabsteine. Vielmehr erscheint auf den Türkischen Leichenhöfen, ihrem Character gemäss, alles feierlich, erhaben, schweigend, und der Tand des Lebens ist von ihnen ausge- schlossen. Selbst seine Atmosphäre ist derjenigen nicht gleich, die man sonst einathmet, denn die dicht aneinander stehenden Cypressen verbreiten einen starken Harzgeruch, welcher die aus dem Moder der Erde sich entwickelnde, verdorbene Luft reinigt. Der Lichtstrahl, welcher zuweilen auf die vielen, nach allen Richtungen unter dichtem Laube stehenden Grabsteine fällt, ist gleichsam ein Schimmer aus einer unbekannten Welt. Jene stehenden Grabsteine selbst sind sehr malerisch und von verschiedener Zeichnung; sie bilden einen eigenthümlichen Zug in der Erscheinung dieser Gegend, welcher einen tiefen Eindruck macht. Auf Europäischen Kirchhöfen begräbt man gewöhnlich mehrere Verstorbene nach einander auf derselben Stelle; aber die Musul- männer stören nie die Asche der Todten, daher man wohl neben der von der Zeit beschädigten, vom Wetter beschmutzten, sich neigenden Säule, unter welcher der lockere Boden, aus verweseten Theilen menschlicher Körper gebildet, eingesunken ist, vergoldete Pfeiler in ganz gerader Stellung, mit einem Turban und neuen Inschriften, bemerkt, welche von einem erst eben erlittenen Verlust reden. Am Grunde dieser Säulen hat der Stein, welcher die Grösse des Grabes anzeigt, eine kleine Aushöhlung, damit sich das Regenwasser darin sammele, und Vögel oder Hunde, welche der Zufall hieher führt, ihren Durst löschen können. Das Geschlecht des Todten erkennt man gleich an den eingehauenen Sinnbildern des Turbans und des Rosenzweiges, indem jener männ- liche, dieser weibliche Personen andeutet. Die Verschiedenheit der Form des Turbans bezeichnet ausserdem auch den Rang des Verstorbenen und seine bürgerliche Stellung. Auffallend ist der Contrast zwischen den Türkischen und Christlichen Begräbnissen! Auf den Griechischen Kirchhof zu Pera z. B. wird wenig geachtet, und er wird schlecht im Stande erhalten : von den Steinplatten, welche die Leichname bedecken, hat der Muthwille Stücke abgebrochen, und die Inschriften auf ihnen theilweise ausgelöscht; die wenigen Bäume, welche man hier findet, sind sehr beschädigt, und wären nicht auf drei Seiten des Kirchhofes Häuser, so würde er das traurigste Bild der Verwüstung seyn. Wie der Griechische Todtenacker das feinere Gefühl beleidigt, so der Fränkische den guten Geschmack. Bald sind die Grabschriften auf ihm Lateinisch und diese erheben weder den Geist, noch rühren sie das Herz ; bald Französisch, sentimentale Phrasen in Prosa oder Reimen enthaltend ; bald Italiänisch, Verzweifelung athmend über den Verlust eines Verstorbenen, welcher hoch gepriesen wird, und für dessen Seele man den Wanderer zu beten ersucht ; bald endlich Englisch, ganz kurz das Geburtsjahr, Alter und die letzte Krankheit des Hingeschiedenen bemerkend. Ueberhaupt ist dieser ARMENISCHE LEICHENHÖFE. 139 Kirchhof von der gewöhnlichsten Art, es findet sich auf ihm durchaus nichts, was einem frommen Gedanken mehr Eindruck geben könnte. Aber der Armenische ist der Beachtung des Reisenden wohl würdig! Auf ihm erhebt sich eine Menge duftender Acazien, welche ihren Bliithenschmuck auf die gedrängt neben einander befindlichen Gräber werfen, und so ein weites, liebliches Leichentuch über sie ausbreiten. Aufrecht stehende Grabsteine kommen im Orient nur auf den Leichenhöfen der Türken und Juden vor; die übrigen und so auch die Armenischen haben Steinplatten, deren Inschriften dem Wanderer immer eine gute Lehre oder einen Trost auf die Reise geben, sonst auch den Namen des Verstorbenen und das Datum seines Todes anführen, sich aber besonders dadurch auszeichnen, dass sie ein Sinnbild seines Standes oder Gewerbes enthalten. Steht z. B. über dem Namen eine Mitra oder geistliche Amtsmütze, so deutet dies auf einen Armenischen Priester hin ; Schmucksachen auf einen Diamentenhändler ; die Goldwage auf einen Geldwechsler ; ein Blumenstrauss auf einen Blumisten, und von weniger edeln Emblemen bezeichnen das Rasirmesser und die Seifenschale den Barbier, die Scheren den Schneider u. s. w. Betrieb der Verstorbene ein Gewerbe, mit dem beide Geschlechter sich beschäftigen, so wird über dem Sinnbilde auf dem Stein eines Mannes ein Buch eingegraben. Der treffliche Character der Armenier spricht sich deutlich in der ganzen Einrichtung ihrer Leichenhöfe aus. Selbst Diejenigen, welche eines gewaltsamen Todes starben, sind sinnbildlich angezeigt, und auf mehr als einem Grabmal findet man einen Rumpf ohne Kopf eingegraben ; aus dem abgeschnittenen Halse schiesst das Blut hervor und der Kopfliegt auf in einander gefalteten Händen. Von den ältern Monumenten sind manche sehr kunstreich bearbeitet und haben viele Verzierungen, besonders ist die Form ihrer Sarcophage durchaus classisch ; aber die neuern Grabmäler bestehen fast ohne Ausnahme aus länglichen Steinplatten, welche zuweilen auf runden Fussgestellen von drei bis vier Zoll Höhe und ganz einfacher Art ruhen. Die Lage des Gottesackers ist sehr reizend, daher man hier oft Gruppen Armenier trifft, welche auf den Grabsteinen unter dem kühlen Schatten der Acazien sitzen, schwatzen und rauchen, als erinnere sie hier nichts an Vergänglichkeit und Tod - diese scheinen für den besonnenen Orientalen wirklich nichts Trauriges zu haben. 140 DER GUZ-COULI ODER MÄDCHENTHURM. “ Trauernd denk ich, was vor grauen Jahren, Diese morschen Ueberreste waren: Ein bethürmtes Schloss, voll Majestät, Auf des Berges Felsenstirn erhöht! ” Matthisson. Die ausserordentliche Lage dieses vom Meere umgürteten Schlosses hat in diesem Weike mehrere Zeichnungen desselben, von verschiedenen Puncten aufgenommen, veranlasst, und ohnstreitig hat es auch ein mannigfaltiges, eigen thümliches Interesse, welches von den mit ihm verbundenen poetischen Sagen unabhängig ist. Der letztem ist bereits oben S. 56 gedacht : die Massaldjhes, oder Türkischen Erzähler, werden gern angehört, wenn sie von dem schönen Mädchen reden, welches in den Mauern dieser Felsenbur°- wohnte und, wie Cleopatra, von dem Biss einer Natter starb ; Türkischen Dichtern aber ist es ein willkommenes Thema, das kühne Unternehmen des Persischen Prinzen zu besingen, welcher in einer stürmischen Nacht seine gefangene Geliebte befreiete, als kein Mondschein war, um es, wie ein Ohrenbläser, den Wächtern zu entdecken, und als die wilden Wogen der Propontis schäumend das Felsenufer Asiens peitschten und heulende Windstösse aus dem Schwarzen Meere wie rasend die Fluthen des Bosphorus vor sich her trieben, dass ein lautes Toben entstand, welches den Liebenden willkommener war, als die sanften Töne der Nachtigall in Nischapor. Der Sänger wird etwa anfangen: “ Seht ihr die alte Mädchenburg Hoch auf dem Felsen schimmern? Durch Wildniss geht der Weg hindurch Zu ihren wüsten Trümmern” u. s. w. Aber wie hübsch sich auch solche Poesien und Erzählungen anhören oder lesen lassen, müssen wir doch bemerken, dass die Befestigung jener Insel einen vernünftigen Grund hatte, nicht durch einen wilden Traum veranlasst wurde, oder durch den Wunsch eine Prophezeihung zu vereiteln. Nach der Geschichte wurde nämlich der viereckige Thurm, welcher jetzt Guz-Couli heisst, ursprünglich von dem Kaiser Manuel gebaut, um diesen Punct, mittelst einer starken, eisernen Kette, mit dem gegenüber hegenden, auf welchem das Serai Bournou steht, zu verbinden, und dadurch zu verhindern, dass eine feindliche Flotte durch den Bosphorus in das Marmora Meer dringen, zugleich den Hafen von Constantinopel einnehmen könne. Ausser diesem Thurm haben sich freilich keine weitern Reste dieser sinnreichen Erfindung erhalten, und er selbst wird jetzt als ein DER LEANDERTIIÜRM 141 Pesthospital gebraucht. Die neuere Benennung Guz-Couli, Mädchenthurm, veranlasste Europäische Reisende, die Geschichte Hero’s und Leander’s auf ihn zu beziehen und ihn den Leanderthurm zu nennen, welcher unrichtige Namen* auch auf Landcharten vorkommt. Wie man ihn auch nenne, bildet er immer, man mag ihn vom Europäischen oder Asiatischen Ufer ansehen, einen hübschen Prospect, und steht von Wogen umgeben wie ein Wächter der Meeresenge da ! DAS DORF BEBEC, AM BOSPHORUS. “ Gott sprach — da schmückten Höhn und Felder Mit Blumen sich und frischem Grün In Gründen rauschten dunkle Wälder, Der Baum begann zu bliihn.” Krummacher. Dieses reizende Dorf zieht sich, ungefähr gegen die Mitte des Bosphorus, eine beträcht- liche Strecke am Europäischen Ufer desselben fort. Sieht man es vom Kanal her an, so nimmt sich sein schattiger Marktplatz sehr vortheilhaft aus, welchen Waldbäume von * Die Geschichte Leander’s gehört allerdings eigentlich nach den Dardanellen (dem Hellespont). Er hatte bei einem Feste der Venus und des Adonis in der Stadt Setus, an der Europäischen Küste, die reizende Hero gesehen und Gelegenheit gefunden ihr seine Liebe zu entdecken. Beide schworen sich ewige Treue, doch stand einer Verbindung ihre Stellung als Priesterin der Venus entgegen. Gleichwohl setzte er seine Besuche fort und schwam jede Nacht von seinem Wohnort, der Stadt Abydus am Asiatischen Ufer, durch die Meerenge zu seiner Geliebten, welche zu Sestus am Gestade in einem Thurm wohnte ; eine Leuchte an diesem zeigte ihm den Weg. Einst löschte der Sturm das Licht aus, und Leander ertrank in den Fluthen. Als Hero beim Anbruch des Tages seinen Leichnam am Ufer liegen sah, stürzte sie sich vom Thurm und endete neben ihrem Geliebten ihr Leben. Die Meerenge ist hier nur sieben Stadien breit, und an dieser Stelle setzte Xerxes auf einer doppelten Brücke mit seinem Heer von Asien nach Europa über. Im J. 1810 schwam Lord Byron, von dem Lieutenant Ekenhead begleitet, in einer Stunde und fünf Minuten über die Dardanellen. Aber der Strom ist hier so stark, dass kein Boot in gerader Linie hinüber rudern kann, und Lord Byron berechnete, dass der ganze Weg, welchen er vom Europäischen Ufer nach dem Asiatischen zurücklegen musste, über vier Meilen betragen habe, obgleich die Meerenge, wo sie am breitesten ist, nur anderthalb Meilen misst, und eine halbe Meile an der engsten Stelle. Man hört Hähne am andern Ufer krähen. — Anm. d. D. H. 142 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. gigantischer Grösse überwölben und ein kaiserlicher Kiosk, nach welchem vormals der Sultan Europäische Gesandte und andere Personen zu geheimen Berathschlagungen beschied. Er wurde daher besonders von dem diplomatischen Corps mit ängstlicher Neugierde beobachtet, und um die Aufmerksamkeit von ihm abzuziehen, wandte die Regierung wenig an ihn, hielt ihn selbst nicht einmal in gehöriger Reparatur. Die dahin Eingeladenen erschienen ohne Prunk, und selbst ihre Barke hatte ein ganz gewöhnliches Ansehn. Sobald sie ans Land traten, verfügten sie sich ungesäumt nach dem Kiosk und erwarteten in ihm den Grossherrn. Die Jalousien des Zimmers, in welchem sie empfangen wurden, öffnete man nicht, Niemand konnte daher die Berathschlagenden beobachten, welche aber ihrer Seits Alles bemerken konnten, was längs dem Kanal vorging. In dieser Verborgenheit sassen sie, Gegenstände der Politik verhandelnd, bis der Eingeladene entlassen wurde und sich auch jetzt wieder, um nicht bemerkt zu werden, vorsichtig zurückbegab. Aber unter dem vorigen Sultan Mahmud änderte sich dies ganz ; er gab keine solche geheime Audienzen, liess den Kiosk heiter, wirklich geschmackvoll anmalen und ihn zu einem reizenden Lustschloss umgestalten, in welchem er zuweilen seine Mussestunden zubrachte. Sehr oft begab sich, was hier wohl auch bemerkt werden mag, Ali Pascha dahin, als er noch, vor seiner Beförderung, zur Statthalterschaft von Janina, Caimacan des Wesirs* war. Dieser Unhold, dessen Tigerherz und tragisches Ende aus der Geschichte und den Sängen der Dichter bekannt sind, unterhielt sich hier damit, dass er, wie ein Lavater, die Gesichtszüge der Menschen studirte, machte aber von seinen Beobachtungen einen ganz andern Gebrauch als dieser fromme Prediger Zürich’s, und gründete darauf die unerhörtesten Grausamkeiten. Fuhren z. B. Leute in einem Boote vorbei und hatte einer von ihnen das Unglück, dass seine Physiognomie ihm missfiel, so musste das Boot auf einen Wink des Paschas anhalten und der von ihm Bezeichnete wurde vorgeführt. Ohne ihn dann weiter zu befragen, sah er ihn grimmig an und sprach ihm das Urtheil. Er sagte ihm, er müsse ein Schurke und der Sohn eines Schurken seyn, weil sonst Allah, der Allbarmherzige, ihn nicht dazu verdammt haben würde, ein so hässliches Gesicht zur Schau zu tragen, auf dem Schlechtigkeit jeder Art so deutlich gezeichnet sey, wie das was ein Khoja-f mit der Feder auf Pergament schreibe ; wer so übel aussehe, müsse noth wendig der infamste Karadlian\ seyn und dürfe nicht frei unter dem auserwählten Volke Mahomed’s umherwandeln. Damit sandte er den Unglücklichen, welcher zitternd vor ihm stand, nach dem Bagnio, um in diesem schmutzigen Gefängniss für Verge- hungen zu büssen, welche der Pascha sich nur einbildete. Betheuerte jener seine * Caimacan to the Vezir, d. i. Ministergehiilfe. Das Wort Caimacan ist aus den beiden Arabischen Wörtern Cain makum zusammengesetzt, und bedeutet Denjenigen, welcher die Stelle eines Andern vertritt, seine Geschäfte verrichtet. Camaican im Engl. Text ist blos ein Druckfehler. — Anm. d. D. Herausg. t Schreiber, Copist. + Bustäblich “ schwarze Seele,” das stärkste Türkische Schimpfwort. DER KIOSK ZU BEEEC. 143 Unschuld, dass er seine Religionspflichten genau beobachte, mit Andern in Frieden lebe, so freute sich zwar der Pascha über die Angst, in die er ihn versetzt habe, ging übrigens in die Rechtfertigungsgründe nicht ein, sondern beantwortete sie mit Spott, was er noch nicht gethan, sey künftig zu erwarten, weil auf seinem Gesichte viel Schlechtes geschrieben stehe ; die Gelegenheit es auszuführen müsse ihm genommen und das Publicum vor seinen zu befürchtenden Vergehungen geschützt werden, daher die gegen- wärtige Verfügung ihn einzusperren, eine wahre Wohlthat für ihn sey. Zuletzt hörte der Sultan von der Art, wie sich sein Minister in Bebec belustige und machte dann dem Gräuel ein Ende. Aber Laune und ein natürlicher Hang zu Grausamkeiten Hessen den Pascha bald andere Spiele mit dem Glück und dem Leben der Menschen ent- decken. Man wird vielleicht fragen, ob den ein Mann, welcher Hässlichkeit an Andern so schwer heimsuchte, selbst gut ausgesehen habe. Allerdings führen mehrere seiner Zeitgenossen an, dass er sehr liebreiche, freundliche Züge gehabt, und Lord Byron, welcher ihn in einer spätem Periode seines Lebens sah, giebt im Childe-Harold folgende Beschreibung von ihm. “Des Sommerschlosses Boden war mit Marmor Schön belegt, ein Sprudel kühlen Wassers Goss Lebensfrische nach allen Seiten aus, Ein weiches Lager lud an des Saales Seite zur Ruhe ein — da fand ich ALI, Und seine Züge drückten des Alters Würde aus, sie waren milde, sein Ansehn Liebreich, und nichts verrieth die tief verborgenen Tücke, die Scheusslichkeiten, die ihn schänden.” Die Hohe hinter Bebec ist mit einem Eichenholz bekränzt, in welchem sich ein freier Rasenplatz von nur massiger Ausdehnung befindet. Auf diesem hat man ein vielfaches Echo, welches den Wanderer einige Augenblicke angenehm unterhält. Gallopirt man an ihm herum, so bringt dies für das Ohr gerade die Wirkung hervor, welche ein Cavallerie Angriff machen würde. Lautes Lachen wird von dem Echo so sehr lange wiederholt, dass man sich wundert, es aber zuletzt unangenehm findet. Hauptsächlich sind es Griechen, welche in dem Dorfe Bebec wohnen. 144 DIE CHANE. “ Der Kaufmann handelt hier, berechnet, tauscht, Erwirbt oft grosse Summen ; dann wagt er sie An neue Unternehmungen in weiter Ferne, Und sendet reich beladene Schiffe hin.” MS. Mit dem in mehreren Bedeutungen vorkommenden Worte Chan bezeichnen die Türken diejenigen Gebäude, für welche wir gewöhnlich das Persische Wort Karavanserai gebrauchen. Eine Karavane ist eine grosse Gesellschaft von Personen, welche zu ihrer Sicherheit, entweder in Handlungsgeschäften oder als Pilger nach dem heiligen Grabe, gemeinschaftlich reiset. Sie hat oft über tausend Kamele bei sich, welche das Gepäck und die Waaren tragen, und der ganze Zug in einem einzigen Gliede dehnt sich wohl auf eine Stunde Weges aus. Die Karavanseraien dienen nun zur Beherbergung solcher Reisenden und befinden sich meistens bei den grossen Moscheen, der Aja Sophia, Mohammedijeh, Achmedijeh u. s. w. ; aber die grossen Karavanseraien, wo sich die von Constantinopel und der Umgegend abgehenden Karavanen sammeln, sind nicht in der Stadt, sondern auf dem Asiatischen Ufer zu Scutari. Ihre Bauart hat mit der grosser Klöster viel Aehnliches ; in der Mitte ist ein grosser viereckiger Hof und diesen umgeben an allen Seiten grosse steinerne Gebäude mit Gängen. Der Hof ist gepflastert und hat in der Mitte eine hübsche Fontaine. Das Gebäude wird zwei Stunden vor Mitternacht durch zwei starke Thore geschlossen, und neben dem einen ist die kleine Wohnung des Khanjhi, welcher für alle, welche nach jener Zeit ein- und ausgehen, verantwortlich ist. Diese Maassregel der Vorsicht ist wegen der grossen Menge werthvoller Waaren, die hier aufgehäuft sind, sehr nothwendig. Von den Zimmern, deren manche Chane eine grosse Anzahl haben, werden die zu ebener Erde von Kaufleuten als Comtoire gebraucht, und nur eines von ihnen ist ein Kaffee Kiosk. Vor dem obern Stockwerk des ganzen Vierecks läuft eine offene Galerie fort, welche auf Bogen ruht. Zwei steinerne Treppen an zwei Winkeln des Gebäudes führen von aussen auf jene Galerie, an welche die Magazine der Kaufleute stossen, und diese sind gewöhnlich voll von Säcken mit roher Seide, Europäischen Wollenzeugen, Ballen kostbarer Sto$e, von Tabak, Gewürze, Waffen, kurz den kostbarsten Artikeln des Handels östlicher Länder. Doch muss man sich nicht vorstellen, dass alle diese Waaren in jedem Chan Vorkommen; vielmehr haben Tabakshändler, Seidenhändler, und die hochfahrenden Perser für ihre theuern Gold- und Silberstoffe, eigene, besondere EINRICHTUNG EINER KARAVANSERAI. 145 Karavanseraien. Ueberhaupt sind die Chane für Handlung treibende Fremde besser als die blos für Pilger und Reisende bestimmten ; und der Europäern-, welcher sich in einer Stadt, wo er keine Bekannte hat und wo keine Wirthshäuser sind, in eine Karavanserai begeben muss, hat mit vielem Ungemach zu kämpfen, wird von Hitze, Schmutz, selbst Ungeziefer belästigt. So ist zu Broussa in Kleinasien der Chan der Seidenhändler ein sehr schönes Gebäude mit einem ansehnlichen Thorwege, welches nach dem Bazar der Stadt geht und einen Rahmen hat von Porcellan mit der Zeichnung mosaischer Arbeit; dagegen ist die dortige Karavanserai für Pilger sehr schlecht. Eben dieser Unterschied findet sich auch in Ansehung der Karavanseraien von Constantinopel. In den bessern wird ein Einzugsgeld, eine Abgabe von den in ihnen verkauften Waafen, und täglich eine Kleinigkeit von einem halben bis zu einem ganzen Groschen für das Zimmer bezahlt; aber in den geringem Karavanseraien bezahlt man nichts, und hier lassen die Derwische, Santons und andere Reisende eine Unordnung und Schmutz zurück, dass der Khanjhi nach ihrer Abreise seine grosse Mühe hat, alles wieder in gehörigen Stand zu setzen.* Von den geringem Karavanseraien giebt Hr. Dr. Walsh in dem ersten Bande seines Englisch geschriebenen Werkes: “ Mein Aufenthalt in Constantinopel,” eine Beschreibung aus eigener Erfahrung, indem er auf seiner Land reise dahin in einem kleinen Dorfe, welches in einem herrlichen Thale von einem Zweig des Gebirges Rhodope umgeben lag, anhalten musste. Da sie zugleich eine schöne Eigenschaft der Türken erläutert, welche sie gegen Reisende ausüben, so geben wir die Stelle ohne Abkürzung.-}* “ Die Dörfer dieses Gebirges werden theils von Türken, theils von Griechen, theils von Armeniern bewohnt; ist das Erstere der Fall, so wird der Reisende in kein Haus ein- gelassen, sondern er muss mit seinem Pferde nach dem Chan gehen. Dies ist meistens ein Gebäude von bedeutendem Umfang, ziemlich in der Art eines Englischen Kuhstalls auf grossen Gütern, und mit Vieh aller Art angefüllt. An einem Ende ist ein Theil abgesondert durch eine Scheidewand, die aber nicht höher ist, als um das Vieh zu hindern, hinüberzugehen, sonst gehört auch diese Abtheilung zu dem Stall. Mein Quartier darin hatte den Vorzug, dass ein Stück von einer groben Strohmatte darin war, freilich nicht grösser, als um nur eben darauf zu sitzen ; sonst befand ich mich hier in der Gesellschaft von etwa fünfzig Büffelochsen und Kamelen. Zu essen bekommt man hier * Der Jenichan, d. i. neue Chan, welcher zur Osmanijeh gehört und von den reichsten Griechischen und Armenischen Kaufleuten besucht wird, soll so viele Zimmer haben, als Tage im Jahre sind. Der vorzugsweise sogenannte Chodschachan, d. i. Meisterchan mit 70 Zimmern, ist der gewöhnliche Aufenthaltsort Bosnischer und Servischer Kaufleute, und der Essirchan oder Gefangenenchan, mit 200 Zellen, ist zum Sclavenhandel bestimmt. Der Chan der Walide Kössem, Mutter des Sult. Ibrahim, ist aus dem Palast Dscherrapaschas gebaut, und wird für einen der grössten und schönsten gehalten. — Anm. d. D. H. + Vgl. Dr. Walsh’ s Residence at Constantinople, vol. i. p. 223. Nachdem Dr. Walsh die Dardanellen passirt hatte, liess er sich bei dem Vorgebirge Sigseum ans Land setzen, weil das Reisen zur See ihm nicht bekam, und machte den übrigen Weg zu Pferde. — Anm. d. D. H. 2 p 146 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. nicht, wenn man nichts bei sich hat. Glücklicherweise hatte ich in meiner einen Westen- tasche etwas Kaffee, in Papier gewickelt, in der andern ein wenig Kandieszucker, und Hasan holte seinen Beutel mit Tabak hervor. Nachdem ich den ganzen Tag auf der Reise gewesen war und vom frühen Morgen an nichts gegessen hatte, war ich müde und hungrig ; aber da sass ich, ohne einen Bissen zu essen, verlassen, auf meiner kleinen, schmutzigen Strohmatte ; glücklicher war das Vieh, welches in meiner Nähe sein Futter kauete. Zuweilen steckte wohl ein Kamel oder ein Büffelochse seinen Hals über den Verschlag, sah mich neugierig an, und setzte hierauf seine Kinnbacken in Bewegung, als wolle er über meinen lmngerigen Zustand spotten, Hasan sass unterdessen mit unter- geschlagenen Beinen vor nur, rauchte ruhig seine Pfeife, und schien sich nichts daraus zu machen, dass wir die Nacht in einem Stall ohne alle Bequemlichkeit zubringen sollten. Zuweilen sah ich ihn verlangend an, und steckte dabei meinen Finger in den Mund, dass jeder verstehen konnte, was mir fehle. Dann schüttelte er langsam den Kopf und sagte “ Yoke.” Anfangs dachte ich, dies habe etwas mit Eiern zu thun,* allein ich fand, dass ich mich geirrt hatte, denn im Türkischen bedeutet es: “nichts.” So machte ich mir denn eine Tasse Kaffee, wobei ich mich eines blechernen Masses bediente, welches ich in einem irdenen Topf auf einem Haufen heisser Asche in der Ecke fand ; dann legte ich mich auf meine Matte nieder nahm Hasan’s Pfeife, und rauchte, dass ich darüber einschlief. “ Ich weiss nicht, wie lange ich in diesem Zustande blieb, aber als ich meine Augen aufschlug fand ich, bei dem Schein einer in der Mauer befestigten Lampe, dass der Ort voll Türken sei, welche drei bis vier Mann hoch mit untergeschlagenen Beinen um mich herum sassen, sämmtlich rauchten, schweigend mich ansahen und darauf zu warten schienen, dass ich aufwachen möchte. Ich rief Hasan, welchen ich nicht sah, aber einer der Anwesenden, welcher ein ziemlich barbarisches Ansehn hatte, fuhr mit der Hand über den Hals, und bedeutete mich, ich möchte schweigen. Dies machte mich sehr angst ; ich glaubte, mein Reisepass müsse unrichtig seyn, und dass man mich dafür bestrafen werde; ich dachte, mit meinem Janitscharen sey man schon fertig und nun komme die Reihe an mich, der Englische Gesandte zu Constanlinopel könne mich in so grosser Entfernung nicht schützen. Während ich mich solchen Betrachtungen iiberliess, brachte man einen Klappstuhl, stellte ihn vor mir hin, und setzte ein grosses metallenes Becken mit einer Anzahl breiter hürnener Löffel, welche wie Schaufeln aussahen, darauf. Ich dachte jetzt an die Sitte wilder Völkerschaften, welche Gefangenen, ehe sie diese tüdten, zu essen geben, und fürchtete, dies würde mein letztes Mahl seyn. “ Es kam indessen ganz anders ! Zuerst wurde in einer Schüssel, so gross wie ein Kessel, eine Erbsensuppe aufgetragen, mit welcher die Anwesenden bald fertig wurden. Dann folgte ein sehr gewürztes Gericht, welches aus Nudeln zu bestehen schien, und den * Nämlich das Englische yolk, ein Eidotter, klingt in der Aussprache wie yoke ; das l wird in diesem Worte, wie in fallt, nicht ausgesprochen. — A. d. H. BEWIRTHUNG IN EINER K ARA VAN SER AI. 147 Beschluss machte ein grosser Napf mit einem säuerlichen Getränk von sehr angenehmen Geschmack. Gesprochen wurde dabei nicht, auch sagte Niemand ein Wort, um mich zu essen zu nöthigen. Allein einer der Anwesenden, welcher zur Bezeichnung seiner Abstammung von Mahomed einen grünen Turban trug, und der Ordner des Festes zu seyn schien, beobachtete mich. Fand er nun, dass ich mit meinem Löffel nicht fleissig genug war, so sagte er kein Wort, allein stiess seinen Nachbarn mit dem Ellbogen an, welches denn die Uebrigen nach der Reihe auch thaten, bis es an mich kam, und so eine Aufforderung, mehr zu essen, an mich gelangte. Auf dem Boden des letzten Napfes lag eine grosse Traube, diese fischte der Mann mit dem grünen Turban heraus und hielt sie einige Augenblicke vor mir hin, dann wurde sie hprumgereicht bis sie an mich kam, ohne dass Jemand etwas abgebrochen hätte, und vor mir auf einen Teller gelegt. Dies schien ein Theil der Ceremonie des Mahles zu seyn. Nachdem man Alles abgetragen hatte, präsentirte man mir eine Tasse Kaffee und eine Pfeife, welche ich aber nicht annahm. Einer der Anwesenden lehnte darauf die eine Seite seines Kopfes auf die flache Hand, damit andeutend, ich möge mich wieder zu Ruhe legen. Ich folgte diesem Rathe und zog meinen Mantel über mich. Als ich am folgenden Morgen erwachte, fand ich die Gesellschaft noch um mich sitzen und rauchen wie vorher. Als aber darauf unsere Pferde vor die Thür gebracht wurden, entfernte sie sich und zwar so still, wie sie gekommen war; sie verlangte keine Bezahlung, und schien nicht einmal einen Dank zu erwarten. Ich fand nachmals, da^ sie aus dem Schulzen und den angesehensten Einwohnern des Dorfes bestand; als diese hörten, dass ich ein Fremder sey, aber einen Ferman (Pass) habe, so hatten sie mich und meinen Begleiter bewirthen wollen. Der Mann, welcher mit der Hand über den Hals fuhr, hatte die Absicht mir zu verstehen zu geben, dass Hasan ausgegangen sey, um sich vor dem Essen rasiren zu lassen. Diese ganze Bewir- thung, bei welcher es so still zuging, hatte wohl etwas Sonderbares an sich, aber sie war herzlich, und wenn der Türke Jemandem eine Gefälligkeit erzeigt, geschieht es immer ohne Berechnung, obgleich oft auf eine sehr einfache Art.” Als derselbe Reisende nachmals in der Stadt Rodosto* eintraf, fand er dort mehrere grosse Chane mit sehr hohen Dächern, welche blos auf der Mauer ruheten. Er bemerkt, dass einige für zweihundert, selbst für dreihundert Pferde oder Kamele Raum gehabt hätten, und vergleicht sie in Hinsicht ihres Umfangs sowohl als ihres äussern Anselms mit der Westminster Halle zu London, in welcher die Sitzungen der höchsten Gerichte * Vgl. Walsh a. a. 0. B. 1 , S. 226. Rodostoisteine bedeutende Stadt, welche mehr als zehn tausend Häuser enthält und eine Bevölkerung von sechzig tausend Einwohnern. Diese bestehen aus Türken, Griechen, Armeniern und Juden, nebst vielen Franken, welche aus Ungarn und Deutschland stammen. Als die Türken Buda, in L T ngarn, räumen mussten, führten sie viele angesehene Ein- wohner aus dieser und andern Städten mit sich fort, welche sich in Rodosto ansiedelten und diesem Orte ein mehr Europäisches gaben, als andere Städte sonst zeigen. Herr Doctor Walsh hatte nicht nöthig hier im Khan einzukehren, sondern fand eine freundliche Aufnahme bei einem Catholischen Geistlichen, welcher zugleich für das Brittische Consulat arbeitete. — An m. d. D. H. 148 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. Grosbritanniens gehalten werden ; sie ist zweihundert und siebenzig Fuss lang, vier und siebenzig Fuss tief, und neunzig Fuss hoch. Wir fügen noch ein Wort über die Chanjhis, oder Wächter der Chane, bei, welche meistens sehr verschlagene und abgeriebene Leute sind, dabei alle Neuigkeiten der Stadt wissen. An den ihrer Aufsicht anvertrauten Kaufmannsgütern werden sie sich zwar nie vergreifen, und es an Wachsamkeit in der Bewahrung derselben nicht fehlen lassen, verdächtige Menschen stets zurückweisen ; sonst aber erlauben sie sich die unverschäm- testen Spitzbübereien, so dass jeder sich vor ihnen in Acht nimmt. Die Chanjhis in den Karavanseraien erster Classe bilden sich etwas Rechtes ein, brüsten sich gar gewaltig und geben sich ein Ansehn von grosser Wichtigkeit. Ihre Turbane tragen sie mit vieler Affectation, ihre Pfeifen halten sie zwischen dem zweiten und dritten Finger der rechten Hand, und in der linken haben sie ihren Rosenkranz, mit dem sie spielen, als hätten sie sonst nichts zu thun. Aber sieht man auf ihre abgetragenen Pantoffeln und beschmutzten Oberkleider, so überzeugt man sich bald dass sie auch arbeiten und sich nützlich machen müssen. Fast durchgängig sind die Khanjhis von heiterer Laune und geduldig; weil sie stets unter Fremden leben, so haben sie keine so starke Vorurtheile für ihre eigenen Sitten und Gewohnheiten, wie ihre meisten Landsleute. Neugierige Besucher, die weiter keine Geschäfte im Chan haben, sind ihnen nicht willkommen ; sie glauben, dass solche Fremde nur Störung in Geschäften veranlassen, auch den Miethsleuten selbst lästig sind, und sie empfangen daher das Trinkgeld mit einem characteristisehen Lächeln, welches zugleich ihren innern Verdruss ausdruckt. Ueberhaupt sind diese Khanjhis eine so eigne, interessante Art von Menschen, so verschieden von Allem, was einem Europäer sonst vorgekommen, dass es diesem viel Vergnügen machen müsste, recht viele derselben in den Türkischen Städten, durch welche er reiset, kennen zu lernen. DAS FORT BEIL-GOROD, AM BOSPHORUS. “ Lieblich gleiten dahin des Bosphorus Azurgewässer, Paläste reichen hier von einem Meere zum andern.” N. P. Willis. Die Festung Beil-Gorod, welche das anliegende Bild darstellt, liegt dem Jouchi Daghi, oder Riesengrabe, gegenüber und ist eine der stärksten in der doppelten Linie von Forts DIE GONDELN AUF DEM BOSPHORUS. 149 an den Ufern des Bosphorus. Der vorige Sultan Mahmud besuchte sie oft, und brachte hier in den Sommermonaten ganze Tage zu. Wenn er in seiner vergoldeten Barke hinfuhr, war er immer von einem grossen Gefolge von Paschas und Beys begleitet, deren hübsche Gondeln wie eine Flucht Schwäne auf dem Kanal fortgditten. Ein einzig schönes Schauspiel gewähren diese LustschifFe oder Kai'ken mit den in ihnen arbeitenden Ruderern ! Die letztem sind gleich gekleidet, und ihr Anzug besteht aus einem Hemde von weissem Seidenzeuge mit w T eiten, offenen Aermeln, baumwollenen Pluderhosen, und einer kleinen rothen Mütze, welche kaum die Krone des geschornen Kopfes bedeckt. Sie arbeiten mit sechs bis acht Paar Rudern und so regelmässig schlagen sie die langen, sich biegenden Ruder ein, drücken sie, sich vorüberlehnend, das Wasser zurück, als geschähe es durch Maschinen ; sie bringen das Fahrzeug mit einer ausserordentlichen Schnelligkeit fort, besonders wenn zwei einander zuvorzukommen suchen. Trifft es sich dass Mehrere zugleich dieselbe Tour machen, so sucht das Boot, welches bei der Abfahrt vorauf war, diese ehrenvolle Stelle jedenfalls zu behaupten. Dabei kommt oft ein Wettstreit der Stärke und Geschicklichkeit im Rudern vor. Was die Kai'ken selbst betrifft, so nehmen sie sich auch sehr vortheilhaft aus. Sie sind lang und eng, ihr Vordertheil ist hoch und schimmert von Vergoldung, der- Boden aber, aur welchem die Gesellschaft sitzt, ist mit reichen Teppichen belegt und mit weichen Küssen versehen : zu Querbänken schickt sich die Bauart des Fahrzeuges nicht, wenn auch die Türkische Sitte nicht dagegen wäre. Die Dienerschaft sitzt in dem erhöheten Hintertheil des Schiffes, hinter ihrer Herrschaft. So fliegt das Fahrzeug wie ein wilder Vogel auf dem sich kräuselnden Wasser fort, aber bei der Teufelsströmung, Sheitan Akindessi, hört das Rudern auf, und das Schiff wird im Schlepptau genommen. Dieses werfen ihm Leute zu, welche davon leben, dass sie Schiffen an Stellen, wo Wirbel sind, Hülfe leisten. Sie erhalten dafür eine kleine Silbermünze, von Freigebigen vielleicht etwas mehr als gewöhnlich. Ist man über die Teufelsströmung hinweg, so wird das Schlepptau, yelik, weggeworfen, die Ruder wieder zur Hand genommen, und die Kai'ke, befreit von den sie aufhaltenden Hindernissen, schiesst wieder fort wie ein Pfeil. Es giebt wohl in der Welt kein schöneres Fahrzeug ; der Kahn des Indianers, die Gondel der Venetianer, selbst, so schön sie übrigens auch ist, die antik und classisch aussehende Barke der Araber müssen den Zauberböten des Bosphorus nachstehen. Die Lage von Beil-Gorod besitzt grosse Schönheit, denn sie gewährt einen Prospect über die Einfahrt in den Bosphorus vom Schwarzen Meere her ; jedes Schiff, weichesaus dieser See der Sturmfluthen nach der in Vergoldung schimmernden Hauptstadt segelt, muss dieses Fort nothwendig passiren, wodurch ein farbenreiches Panorama voller Leben und Reiz entsteht. An der einen Seite fasst, wie mit einem Rahmen, der Joughi Daghi das Bild ein, sänftigt dessen Farben und erinnert an die oben vorgekommene Sage von seinem unsprünglichen Bewohner, welcher, wenn er auch nicht wirklich auf der Spitze des Felsen gesessen und nach Wallfischen ausgeschlagen haben sollte, es doch, nach der 2 Q 150 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. Tradition gekonnt hätte, wenn er gewollt. In der andern Richtung winden sich die Finthen des Stromes, welcher ein Ocean ist, zwischen romantischen Ufern fort, bald verlieren sie sich hinter einer buschigen Höhe, bald zeigen sie sich wieder weiter hin, bis Erde und Wasser, Buchten und Gebirge sich nur noch in einem Purpurschein vereinigt zeigen, und endlich am fernen Horizont verschwinden. DIE WASSERLEITUNG BAGHTCHE-KEUI. “ Es vergehn des Lebens Herrlichkeiten, Es entflieht das Traumbild eitler Macht, Es versinkt, im schnellen Lauf der Zeiten, Was die Erde trägt, in öde Nacht! Lorbeern, die des Siegers Stirn umkränzen, Thaten, die in Erz und Marmor glänzen, Urnen, der Erinnerung geweiht, Und Gesänge der Unsterblichkeit.” Matthisson. Von der bemerkten alten Wasserleitung ist bereits die Rede gewesen ; ihre hohen Bogen gehen über die schöne Aue oberhalb Buyukdere, und man hat von hier eine einzio- liebliche und ausgedehnte Aussicht. Thäler und Berge, Erde und Wasser, Waldungen und Oeden erscheinen dem Auge zu einer Gruppe verbunden und die tiefe Stille der Ge°-end giebt ihr einen Character von Erhabenheit, welchen man nur begreift, wenn man sie gesehen hat. In derjenigen Herbstzeit, welche die Türken Patlinjam Melktern nennen,* herrscht anhaltend der Nordostwind, treibt die Fluthen des Schwarzen Meeres mit Heftigkeit geo-en das westliche Ufer, und verursacht ein dumpfes, schauerliches Aechzen, dem eines Sterbenden gleich. Bei der Wasserleitung Baghtche-Keui hat dieser Laut etwas sehr ergreifendes, und eine lang gedehnte Wehklage erfüllt die Luft, indem die wilden Wogen, gegen die Felsen an der Mündung des Bosphorus geworfen, sich mit Schaum bedecken, und das kühne Schiff, welches in den Kanal einzulaufen wagen möchte, vor der Gefahr der Vernichtung warnen. Dichte Nebelmassen drängen sich in dieser Zeit gegen die Felsen, und die ganze Küstenlinie ist mit dunkeln Wolken umgeben, so dass Sie ist dem Gedeihen einer besondern Art von Kürbissen sehr zuträglich. DIB S YMPLEG ADEN. 151 d>e Fahrt durch den Kanal, welche immer schwierig ist, fast unmöglich wird ; die Einfahrt in ihn ist durch zwei kühne, steile Vorhöhen geschützt, welche mit Leucht- thiirmen besetzt sind und die Landspitzen Phanaraki* heissen. Bei jedem dieser Wachthürme befindet sich ein kleines Dorf, nicht weit davon aber stehen zwei von den Festungen, welche den Kanal vertheidigen, und deren weisse Brüstungen, auf dunkel grünem Felsengrunde, einen überraschenden, angenehmen Anblick gewähren. Zwischen beiden Vorhöhen, allein näher der Europäischer Seite, befindet sich eine der Symplegaden (S. 22) ; die andere ist ziemlich weit entfernt, liegt ganz im Schwarzen Meere und nahe der Küste. Herr Dr. Walsh, welcher letztere besuchte, giebt folgende interessante Beschreibung von ihr. “ Wir hatten einige Schwierigkeit zu landen, da eben die grosse Fluth eintrat und die Wogen fast bis an die Mitte des Felsen hinaufgingen, unser leichtes, zerbrechliches Boot auf eine Felsenschicht zu werfen drohend. Die Insel liegt etwa eine halbe Meile von dem auf der Europäischen Landspitze befindlichen Leuchtthurm, also völlig im Schwarzen Meere ; sie ist zwanzig bis dreissig Ellen hoch und ihr Umfang beträgt zwei bis dreihundert Ellen. Merkwürdig ist das auf ihrem höchsten Punct befindliche, runde Piedestal von schönem, weissen Marmor und mit trefflicher Bildhauerarbeit ; es ist vier Fuss drei Zoll hoch und hat zwei Fuss sieben Zoll im Durchmesser. Um dasselbe zieht sich eine prächtige Blumenguirlande, welche auf Köpfen von Stieren hegt, und in ihren Biegungen Sterne hat. Die Arbeit an derselben ist von vorzüglicher Art, und scheint aus einer Periode herzurühren, wo die Sculptur schon grosse Fortschritte gemacht hatte : etwas Näheres weiss man aber weder über die Zeit des Ursprungs dieses Denkmals, noch über seinen Namen und Bestimmung. Der Byzantinische Geschichtschreiber Dionysius sagt, die Börner hätten auf dem Felsen einen Tempel gebaut, daher man dieses Monument gewöhnlich den Altar nennt. Aber was auch der ursprüngliche Zweck desselben seyn mochte, später erhielt es eine andere Bestimmung, so meint wenigstens Gillius, wel- cher es 1545 sah. Damals stand eine Corinthische Säule darauf, und man nannte das Monument, wie auchjetzt uweilen, die Pompejus Säule. Eine unsichere Tradition besagte, er habe sie nach seinem Siege über Mithridates errichten lassen, dessen Königreich Pontus ganz in der Nähe an der Asiatischen Küste lag. Man weiss wohl, dass er eine an dieser Küste belegene, von ihm angelegte Stadt Pompejopolis nannte, aber dass er auch eine Denksäule errichten lassen, kommt in der Geschichte nicht vor, und man ist jetzt ziemlich von der Meinung abgekommen, dass das fragliche Monument von ihm herrühre, wie es auch dargethan worden, dass die vormals so genannte Pompejus Säule zu Alexandrien vielmehr zu Ehren Diocletians aufgeführt war. Tournefort, welcher im J. 1700 die Felseninsel besuchte, sah die Säule noch, und er bemerkt, dass sie zwölf Fuss lang sey, aber jetzt ist sie nicht mehr da. Auf dem nur noch übrigen Piedestal sind oben vier viereckige Löcher, welche offenbar dazu gedient zu haben scheinen, etwas in ihnen zu befestigen. Eine Inschrift ist nicht daran, auch keine Spur * Die Namen am Bosphorus sind bald Tiirkish bald Griechisch, aber Phanaraki rit aus beidem zusammengesetzt, und Phanar Kui bedeutet die Stadt, der Ort der Leuchtthiirme. — Anin. d. D. II. 152 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. von einer solchen zu bemerken ; neuere Reisende, welche die Insel besuchten, haben freilich ihre Namen eingegraben und der früheste, welchen ich finden konnte, war von 16 23. Immer ist ein so schönes Werk der Bildhauerkunst auf einem abgelegenen, öden Felsen, eine beachtungs werth e Erscheinung, und seine wilde Umgebung steht zu ihm in einem auffallenden Contrast. Die Formation des Felsen ist von sonderbarer Art, denn er besteht aus Breccia, Lava von verschiedenen Farben, Trapp, Basalt, und Kalkstein, mit beträchtlichen Adern von Agat oder Chalcedonier durchzogen ; ganz heterogene Substanzen scheinen durch starke Hitze mit einander verschmolzen zu seyn. Seine am meisten vorherrschende Farbe ist blau oder dunkel grün, welches von einem metallischen Oxyd herrühren muss. Von diesem Umstande haben die Inseln ihren jetzigen Namen erhalten; nämlich als sie nicht mehr ein Gegenstand des Schreckens waren, und man die Vorstellung aufgab, dass sie sich einander näherten, um Sc'hiffe zwischen sich zu zerdrücken, verloren sie ihre ursprüngliche Benennung und wurden nun nach ihrer Farbe, welche sie behalten haben, die Cyanen, Cyanean, genannt.”* In der Jahreszeit der Stürme, deren ich gedacht, wird mehr das Ohr des Wanderers, welcher zu Baghtche-Keui' verweilt, beschäftigt, als sein Auge, denn nur wenn der Blitz einen Augenblick auf den mit Schaum bedeckten Wogen, welche die Felsen umgürten, leuchtet, zeigt sich in dieser Periode die Pracht der hiesigen Naturscene, während die Symplegaden mit den Wogen kämpfen, von ihnen gefoltert werden, und die düstere Küste den Angriff der Fluthen mit einem gedehnten Aechzen zurückwirft, als traure sie über die Zerstörung, welche durch die wilden, tobenden Sturmwogen veranlasst werden möchte. Will man aber die Wasserleitung selbst beobachten und den ausgedehnten Prospect, welchen sie gewährt, gemessen, so muss man eine günstigere Jahrszeit wählen. Das Thal von Buyukdere ist eines der weitesten am Europäischen Ufer des Kanals, denn es dehnt sich auf fünf bis sechs Meilen aus, und ist dabei sowohl durch malerische Schönheit, als durch geschichtliche Erinnerungen interessant. Hier stand in J. 1097 auf einer blumigen, eine Meile breiten Aue der beherzte Gottfried von Bouillon mit den Kreuzrittern im Lager, als sie Nicaea (jetzt Isnik) belagern wollten, und die Türkischen Zelte, welche man hier oft aufgeschlagen findet, erinnern lebhaft an jenen Besuch. Die Gegend von Buyukdere gefällt dem Sultan ganz vorzüglich, und wenn hier in den Som- mermonaten Wettstreite gehalten werden im Ringen, man sich im Gebrauch der Jerrid, einer Wurfwaffe der Türkischen Reiterei, übt, und andere Kampfspiele anstellt, sieht er gern zu. Fast im Mittelpuncte des Thaies steht eine Platane von gewaltigem Umfang, welche man für die grösste in der Welt hält. Sie hat an der Wurzel ohngefähr hundert und vierzig Fuss in Umfang und man behauptet, dass ihre Zweige rund um sie einen Raum von mehr als vierhundert Fuss beschatten. Der gewaltige Rumpf besteht aus * Vgl. Dr. Walsh in dem Engl, geschriebenen Werke Residence at Constantinople, B. 1. S. -282. 283. DIE ALTE PLATANE BEI BUYUKDERE. 153 vierzehn Stämmen, von denen einige bis an ihre Auszweigung mit Erde, die sich über ihnen angehäuft hat, bedeckt sind, andere aber sieben bis acht Fuss von der Erde abstehen. Eine ist sehr hoch oben abgebrochen, eine andere, wie es scheint vom Brennen, ganz hohl, und bei einem Ungewitter flüchten sich oft Ziegenherden hinein. Von allen Platanen des Alterthums, welche Dichter besangen, Kaiser bewunderten, Weltweise liebten, und Römische Schwelger pflegten, zeigte sich keine der Unsterblich- keit so würdig wie die zu Buyukdere. Ein Französischer Naturforscher glaubt, sie müsse über zweitausend Jahre alt seyn, und doch breiten sich noch ihre gigantischen Aeste, mit frischen Blättern geschmückt, weit umaus, weichen mit der Lebensfrische ewiger Jugend biegsam dem Sturm, welcher über sie fortrauscht : Menschengeschlechter vergehen, das Kind wird ein Jüngling, ein Mann, ein Greis, stirbt und sinkt ins Grab; eine neue Generation folgt und dieser eine dritte, vierte, aber jene Platane lebt fort, gesund, grün und blühend, sie trotzt der Vergänglichkeit und bedeckt sich jeden Frühling mit reichem Laube. Die colossale Wasserleitung von Baghtche-Keui, ein Ehrendenkmal menschlicher Stärke und Geschicklichkeit, hat freilich auch den drückenden Angriff von Jahrhunderten ausgehalten und steht noch, ist aber, wie Alles, was aus der Hand des Menschen hervorgeht, unvollkommen und vergänglich. Das massive Gemäuer löst sich ab und erhält Lücken, der Zahn der Zeit nagt an der äussern Fläche des Steines, die Luftveränderungen greifen sie an, Moose und Kaperpflanzen haben in den Zwischen- räumen Wurzel gefasst; und während die Platane bei der Rückkehr der schönen Jahrszeit in frischer Jugendfülle dasteht, macht jedes abrollende Jahr dieses Werk der Menschen hinfälliger und bezeichnet die gigantischen Bogen mit dem Stempel der Vergänglichkeit. O O DER KAFFEE KIOSK. “ Erlernt von muntern Herzen, Die Kunst, vergnügt zu scherzen, Die Kunst, recht froh zu seyn ! Versucht es ; lasst uns singen, Das Alter zu verjüngen, Die Jugend zu erfreun.” Fr. v. Hagedorn. Gerade wie die Engländer ihre Weinhäuser haben, die Franzosen ihre Restaurants, und die Portugiesen ihr Estralagem, haben auch die Türken ihren Kaffeekiosk, welchen 2 R 154 ANSICHTEN DES 130SPHORUS. sowohl Miissiggänger besuchen als Leute, denen es an Erholung fehlt, Vergnügunssüch- tige, welche zu viel Zeit haben, und ernste Geschäftsmänner, welche ungern und blos um neue Kräfte zu ihren Arbeiten zu sammeln, sich eine Stunde abmiissigen. Was in der Türkei die öffentlichen Bäder für die Frauen sind, das sind die Kaffeehäuser für die Männer — man erzählt sich Stadtneuigkeiten, bespricht alles Wichtige oder Unwich- tige, was sich zugetragen hat, geniesst was sich hier zum Vergnügen darbietet und ist, wenn ein Tag unbenutzt abgelaufen, so gleichgültig dabei, als könne man ihn ersetzen. Solche Versammlungsörter finden sich in allen Dörfern am Bosphorus und gewöhnlich wählt man hiezu einen stillen Platz, wo Ahornbäume ihren reichen Schatten ausbreiten. Sitzend unter ihrem Blätterschirm, durch welchen der blaue Himmel freundlich durch- blickt, als liege ihm besonders daran, den Reiz der Gegend noch zu vermehren, sieht der ernste Moslim, welcher ein so vorzüglicher Freund der Natur ist, zu seinen Füssen den Strom, welcher zugleich ein Meer ist, sich fortwälzen, geniesst den Wohlgeruch, welcher sich aus seiner dampfenden Pfeife verbreitet, und schlürft aus kleinen Schalen seinen duftenden Mocca Kaffee. Aber in der Hauptstadt giebt es wenige Kaffeehäuser, die andern Schatten hätten, als den, welchen das weit hervorragende Dach derselben gewährt. Nämlich dieses steht mehrere Fussvon der Mauer ab und bedeckt die freien Terrassen, welche an allen Seiten des Gebäudes fortlaufen und breite Sitze haben. Auf diesen können Gäste nach Belieben Platz nehmen, aber einen andern Aufenthalt im Freien können die Kaffee Kiosken in der Stadt, nach ihrer Lage, nicht leicht gewähren. Das beiliegende Bild stellt den Kaffeekiosk zu Pieri Pasha beim Arsenal vor. Dieser ist wegen seiner herrlichen Lage, welche den Hafen überblicken lässt, sehr besucht Das bewegliche Panorama, welches sich hier ausbreitet, ist eine unversiegliche Quelle von Unterhaltung, und ein sanfter Wind weht vom Marmora Meer Frische und Wohlgeruch herüber. Der Vergnügungen, welche man an diesen Versammlungsörtern hat, giebt es viele, selten fangen sie aber vor Mittag an, da man den Morgen mit Plaudereien der bemerkten Art zubringt, oder auch blos verdrossen umherschlendert. Sie bestehen hauptsächlich in Musik und meistens sind es junge Juden, welche spielen oder singen ; in Stegreifdichtung, Trictrac, und Vorstellungen, welche mit Chinesischen Schattenspielen Aehnlichkeit haben. Ein Winkel des Zimmers ist durch einen Vorhang von weissem, durchsichtigem Musselin, welcher über einen Rahmen gespannt ist, abgesondert, und hinter diesem bewegen sich, gesticuliren und springen Puppen. Dabei perorirt der Schauspielgeber, welcher hinter dem Vorhang steht, unaufhörlich. Dieser Mann muss, nach der Wirkung zu urtheilen, welche sein Vortrag hervorbringt, ein wahrer Spassvogel seyn, wo nicht ein achter Witzkopf. Die Türken sind freilich zu gesetzt und ernst, um in ein lautes Gelächter auszubrechen, welches solche Gaukeleien gewöhnlich beim Volke in Euro- päischen Städten erregen. Aber ihr ruhiges Lächeln und die Behaglichkeit, mit welcher sie langsam den Bart streichen, zeigen, dass sie das Bemühen, sie zu belustigen, gehörig DIE TÜRKISCHEN IMPROVISATOREN. 155 zu schätzen wissen ; seiner Seits kennt der Possenreisser den Augenblick vollkommen gut, welcher zur Einsammlung der günstigste ist. Denn kaum bemerkt er den Beifall, welchen ein Spass erregte, das Erstaunen über ein Kunststück, so kommt er mit einer kleinen metallenen Schüssel in der Hand aus seinem Versteck, um von jedem eine Gabe zu em- pfangen, und dies wiederholt er mehrere Male an einem Abend. Die Improvisatoren accompagniren sich gewöhnlich auf einer Art von Guitarre, deren Saiten sie unbarmherzig angreifen und tönen lassen, wenn sie in einem so einför- migen, einschläfernden und gedehnten Ton Liebeslieder und Sagen der Vorzeit vortragen, dass man sieht, sie selbst nehmen nicht den mindesten Antheil an ihrem Gegenstand. Was die Zuhörer anbetrifft, so möchte man denken, sie fühlten eben so wenig bei diesem Geleier, aber sie geben ihre innige Theilnahme an den Vorträgen auf mehrfache Weise zu erkennen, indem sie bald nach den Dolchen in ihren Gürteln greifen, bald die Zähne beissen, bald die Faust ballen und tief athmen, als fiele es ihnen schwer Luft zu schöpfen. Zu einer Musik, wie sie die schon gedachten Hebräer aufführen, gehören mehrere Personen, deren Instrumente gewöhnlich aus einer Arabischen Handtrommel bestehen, aus zwei oder drei schlechten Guitarren und einer Tambourine. Abwechselnd singen dazu junge Schreihälse, nämlich Knaben mit einer dünnen, gellenden Stimme, welche ihre Lieder oft mit einer schmachtenden, aber steifen Bewegung begleiten — ein Zerrbild der anmuthigen Tänze des Harems. Dass aber einige dieser Anstalten den ansehnlichsten und vornehmsten Europäischer Hauptstädte nicht nur gleich kommen, sondern sie selbst übertreffen, sieht man aus den Bemerkungen des Herrn St. John, dessen Urtheil über Gegenstände des Orients nicht unwichtig ist. Er besuchte in der Zeit eines grossen Festes ein Türkisches Kaffeehaus und beschreibt es wie folgt. “ Wir gingen nun nach dem Kaffeehause Kodjia Ben Lolo bei den grossen Bädern (Hammams), hatten aber Miilie hinein zu kommen, da die Zugänge von Menschen wimmelten. Diese Anstalt, welche nach einem grossen Maasstabe eingerichtet ist, ent- spricht ganz unsern Vorstellungen von orientalischem Glanz. Das Gebäude ist wie eine Karavanserai, um einen weitläuftigen innern Hof aufgeführt, und enthält eine Menge prächtiger Zimmer, deren Fussboden mit Marmor belegt ist und welche eine grosse Menge prächtiger Divans, von scharlachrothem Sammet und mit goldenen Fransen eingefasst, enthalten. Die grossen Fensterscheiben aus Krystallgyps sind in muntern Farben bunt gemalt, und in der Mitte des Hauptzimmers befindet sich eine Fontaine aus Marmor, welche stets spielt und die Luft angenehm frisch erhält. Nur reiche Türken können es besuchen, da die Preise aller Artikel, die man hier erhält, sehr hoch sind Kleine Kohlpfannen, welche sich oben auf einem pyramidenförmigen Gestell für Blumen befinden und stets brennen, verbreiten im Zimmer den Duft von Sandelholz, Benzoe und Aloe, vermischt mit dem von Myrthen, Indischem Jasmin und andern seltenen, wohl- riechenden Pflanzen.”* * Vgl. Tales of tlie Ramad’han, von J. A. St. John, Esq. 156 ANSICHTEN DES EOSPHORUS. In solchen grossen Anstalten wird nur der feinste Kaffee aufgetragen und der Tabak, welchen der Eingenthiimer des Hauses selbst liefert, ist von der theuersten Art : allein in den gewöhnlichen Kaffeehäusern bringt sich jeder seinen Tabak in einem kleinen Beutel mit, welchen er in den Falten seines um den Leib gewundenen Shawls trägt, oder auch, wie es neuerlich wohl geschieht, vor der Brust. Kaum hat ein Gast sich gesetzt und seine Pfeife gestopft, (welches fast zu gleicher Zeit geschieht,) so nimmt der Aufwärter mit einer eisernen Zange aus der Pfanne voll glühender Kohlen eine heraus und legt sie auf den Tabak in der Pfeife. Hat dann der Fremde einige Züge gethan, so lässt er sich auch Kaffee bringen, welcher übereinem andern grossem Kohlenbecken bereitet und ihm in einer kleinen, auf einem metallenen Untersatz* stehenden Schale gereicht wird. Einige Paras, welche er beim Weggehen für den Kaffee giebt, bezahlen zugleich alles Uebrige, nämlich die Becher mit kühlem, frischem Wasser, welche er vielleicht trank, ferner den Platz, welchen er einnahm, die Kohlen, deren er bedurfte, Aufwartung und sonstige Kleinig- keiten. Die Art, wie die obern C lassen rauchen, ist sehr verschieden von der der geringem Stände. Der reiche, feine Effendi stopft seine Pfeife mit dem milden, theuern Tabak aus Salonichi, und raucht bis sich um den Rand ein Kreis von weisser Asche gebildet hat, welche durch die oben aufliegende glühende Kohle bald verursacht wird : dann räumt er den Kopf-|* gleich aus und wirft den noch darin befindlichen Rest weg, indem dieser für Kenner dann allen Geschmack verloren hat und unbrauchbar geworden ist. Dagegen füllen Bootsleute, und Handwerker ihre Pfeifen mit dem schlechten, starken Tabak aus Latakia und rauchen sie bis auf den Grund aus. Man hat noch andere Arten von präparirtem Tabak aus der Krimm, von der Persischen Insel Ormus, aus Circassien und verschiedenen östlichen Ländern ; allein die beiden vorhin bemerkten sind die belieb- testen und werden am häufigsten gebraucht. Die vormals in Constantinopel vorhandenen Opiumhäuser, Teriarki Tscharschi, sind jetzt eingegangen ; sie waren wie die Caffeekiosken eingerichtet, nur dass man in ihnen mit dem ziemlich unschuldigen Gebrauch des Tabaks auch den Genuss des Opiums verband, welcher in Pillen umhergereicht wurde. Es steht noch ein solches Gebäude nicht weit von der Moschee Solyman’s, aber es wird nicht mehr seiner ursprünglichen Bestimmung gemäss gebraucht und verfällt immer mehr. Von einem gewöhnlichen Kaffeehause ist es nur durch seinen beträchtlichem Umfang unterschieden. Gegenwärtig wird der Genuss des Opiums für eine Schande gehalten und man verachtet einen Opiumesser eben wie bei uns einen Trunkenbold, daher man keine solche traurige Opfer eines Lasters so eigner Art mehr findet, wie sie, vor fast hundert Jahren, * Dieser Untersatz heisst zarf, und hat ziemlich die Form der in England beim Essen von Eiern üblichen Becher, so genannten egg-cups, ist auch nicht viel grösser. + Ein solcher Pfeifenkopf heisst bei den Türken boudaka, und ist immer hübsch geformt, oft ver- goldet, oben breiter als die Europäischen, aber nicht so hoch wie diese, und meistens von rothem Thon. VERBOT DES OPIUMS. 157 der Baron Tott mit schrecklichen Farben schilderte. Ueberdies hat die Regierung den Gebrauch des Opiums in Gasthäusern untersagt. Nur in der Stille und unbemerkt erlaubt man sich noch wohl den von allen rechtlichen Leuten der Türkischen Hauptstadt verworfenen, höchst schädlichen Genuss des Opiums, um, wie man sich ausdrückt, Kef zu veranlassen. Dieses Wort lässt sich nicht gut übersetzen, scheint aber eine Art widernatürlicher, wiewohl angenehmer Erregung zu bedeuten, die ohne physische Anstrengung entsteht, da Kef stattfinden kann, wenn Jemand Opium gegessen hat, ruhig auf seinen Polstern liegt und in eine gewisse Schläfrichkeit verfällt, ohne das andere eine Erregung an ihm bemerken. Manchmal soll doch der Kef Folgen haben, auf welche die Türkische Polizei wohl sehen sollte. In neuern Zeiten hat sich der Gebrauch Opium zu essen immer mehr verloren, dagegen bleiben die ehrbaren, anständigen Kaffeekiosken, nebst den Moscheen, Chanen und Tscharschi, ein charactetischer Zug in dem Bilde des Landes. RÜCKBLICK AUF DEN BOSPHORÜS UND SCHLUSS. Ich webte aus Erinnerungen Ein Werk, das sich nun endet, In dem ich jedes Glied verband Mit innigem Vergnügen. Die Zauberscenen, die ich sah Am Bosphorus, erschienen Noch einmal meiner Phantasie In ihrem reichen Glanze ; Der Minaret stieg vor mir auf Vergoldet, strahlend, prachtvoll, Und die Kalken eilten fort Auf spiegelglatter Fläche. Vermocht’ ich doch die volle Pracht Der Feenstadt zu malen, Der beiden Ufer des Kanals, Mit ihrem Saum von Schlössern ! MS. Ehe ich Abschied von dem Leser nehme, dessen Interesse ich für einen der herrlichsten Theile der Erde zu gewinnen suchte, erlaube ich mir zu bemerken, dass mein Leitfaden, 2 s 158 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. bei vorliegenden nun fast vollendeten Skizzen, die von dem geistreichen Künstler, Hm. Bartlett, gelieferten Bilder waren. Wir besuchten zusammen Moscheen, Serais und Kiosken, oder wanderten auf Begräbnissplätzen, erstiegen Berge und glitten auf dem schimmernden Gewässer des Bosphorus dahin. Gegenstände, welche durch keine bildliche Darstellung bezeichnet waren, blieben natürlich von diesem Werke ausgeschlos- sen, daher von vielen Materien, die ich auch gern behandelt hätte, in diesen blos beschreibenden Ausführungen nicht die Rede seyn konnte. Möchten sie nur den Touristen, welcher in der schönen Jahrszeit eine Excursion nach Palmyra, Balbek und Jerusalem macht, veranlassen, nicht zu eilig zu seyn, und auch das prachtvolle Byzanz zu besuchen ! Vormals würde eine solche Reise für keine Kleinigkeit gehalten seyn, aber die Dampfschiffahrt hat Völker und Länder einander näher gebracht. Von der Zeit, da Lady Maria Wortley Montague schrieb, bis auf die jetzige, hat man versucht, den Bosphorus malerisch zu beschreiben, haben Dichter, welche dahin pilgerten, ihn besungen, und Gelehrte über ihn berichtet ; doch dürfte Der, welcher ihn nur aus Gedichten und Erzählungen kennt, sich keine vollkommene Vorstellung von der ihm eigenthümlichen Schönheit machen können. Mancher Tourist durchläuft im Fluge und wie in einem Luftballon die ganze Region vom Pontus Euxinus bis nach dem Meere von Marmora, und verweilt in seiner allgemein gehaltenen Beschreibung weder bei Bergen, noch bei Wäldern und Baien. Ja, ein berühmter Französischer Reisender, welcher auch als Gelehrter einen ausgezeichneten Rang einnimmt, lässt sich von seiner Phantasie sogar so weit fortreissen, dass er, gegen die Wirklichkeit, einige Schlangenwin- dungen des Kanals versetzt, und mit dichterischer Freiheit den Prospect erweitert, um dadurch mit einem Male ein volleres und belebteres Gemälde hervorzubringen, da er vielmehr der Natur hätte getreu bleiben und die Ansichten, wie sie nacheinander hervor- treten, hätte geben sollen. Eine solche Kühnheit kann, von einem kraftvollen Styl unterstützt, wohl ein hinreissendes Gemälde hervorbringen, doch wird dieses hinter der Wirklichkeit Zurückbleiben, da die grosse Schönheit des Bosphorus hauptsächlich in der Abwechselung und Mannigfaltigkeit seiner einzelnen Partien besteht. Allerdings vereinigen sich bei ihm die wahre Geschichte und die Sage, um ihn auch durch Erinne- rungen aus der Vorzeit interessant zu machen ; aber er kann diese Zugabe entbehren, da die Natur seine Ufer mit so hohem Zauber geschmückt hat, dass die Gegenwart nicht der Hülfe der Vergangenheit bedarf. Hier ist eine Gegend, welche den Erwartungen einer glühenden Phantasie vollkommen Genüge leistet, daher der begeisterte Tourist die Farben seiner Darstellung nicht zu stark auftragen sollte, nicht die einzelnen Partien verrücken, um sie zu groupiren und dadurch ergreifender zu machen. Der Bosphorus gleicht, hinsichtlich der endlosen Abwechselung seiner Prospecte, einem Kranz, von der Hand eines reizenden Mädchens aus Blumen geflochten, von denen jede folgende die vorhergehende an Schönheit übertrifft. In seiner Scenerei konnte kein einzelner Felsen, Thurm oder Baum ohne Nachtheil für das Ganze verrückt werden. Auf der Küste von Europa und Asien stehen, wo diese Welttheile sich am meisten DIE DÖRFER AM BOSPHORUS. 159 nähern, Festungen, auf einander hinblickend und mit einander weteifernd an Stärke und Effect ; sie scheinen selbst in der Ferne die Durchfahrt versperren zu wollen, aber indem die schnelle Kai'ke fortschiesst, treten lachende Haine hervor, Paläste in munterm Farbenschmuck, Dörfer am Rande des Meeres zerstreut und sich in den Wellen spiegelnd. Ist man über eine solche Biegung hinaus, so folgt wieder eine andere, der Prospect ändert sich und neue Combinationen stellen sich dar ; hie und da unterbrechen kleine Inseln und Gründe, deren sanftes frisches Grün hervorblickt, die starre Felsenlinie; Thäler, in denen man sein ganzes Leben zubringen möchte und welche bis an den Rand des Wassers mit Bäumen, über ihn wegragend, besetzt sind, werden beschützt durch die Waldungen am Abhange der nahe liegenden Höhen ; Cypressen und Fichten behalten dort das ganze Jahr hindurch ihr dunkeles Grün und wenn der Wind über ihr glänzendes Laub fährt, scheint dieses seine Form und seine Farbe zu ändern. Eine Reihe volkreicher Dörfer, deren bunte Häuser unter Bäumen und Gärten zerstreut stehen, und hübsche Villas an hohe Hügel gelehnt, ziehen sich auf einer Entfernung von etwa zwölf Meilen an beiden Ufern fort. An den vorzüglich malerischen Stellen stehen kaiserliche Paläste und Kiosken, welche der vorige Sultan Mahmoud entweder neu aufführen oder verschönern liess, mit ihren im Sonnenlicht schimmernden Fassaden und Brustwehren von eigenthiimlicher Form ; aber dazwischen kommen auch viele von Privatpersonen bewohnte Gartenschlösser vor, welche, wenn sie Türken gehören, einen bunten Anstrich von muntern Farben haben, während die Armenischen und Griechischen eine bescheidene graue oder Bleifarbe zeigen, denn eine andere dürfen Christen ihren Häusern nicht geben, und die Häuser der Juden sind immer schwarz. Diese Landsitze haben sehr oft Terrassen mit Blumenbeeten, welche vor einem steilen Felsen liegen. Stufen, welche sich windend hinaufgehen, führen von diesen Terrassen zu dem hübschen Kiosk oder Pavillon, welcher, wie ein Adlernest, auf dem Gipfel der Felsen steht. Andere Sommerhäuser haben Gärten am Ufer des Kanals, deren Rosengewinde, von der Mauer herabhängend, in die Fluthen fallen zu wollen scheinen, und ihre ver- welkten Blätter, auf den Spiegel des Wassers geworfen, bedecken dieses wie mit einer Flottille von Feenbarken. Ein kaiserlicher Kiosk auf der Spitze eines kegelförmigen Felsen, an der Asiatischen Küste und ohngefähr gegen die Mitte des Kanals, zieht vorzüglich die Aufmerksamkeit an sich. Von unten scheint er die ganze obere Höhe einzunehmen und auch nicht ein Baum unterbricht die schöne Linie Griechischer Architectur, welche durch das Blau des Himmels sehr hervorgehoben wird ; ganz passend wird er der “ Kiosk der Sonne” genannt. Man hat gesagt, Reisende sollten nicht ihren Fuss in die Stadt Constantinopel setzen, um nicht, durch den Anblick unansehnlicher Gebäude in schlechten, engen Strassen, das Vergnügen zu stören, welches das vom Wasser aus sich darstellende Schauspiel gewährt. Dies ist aber übertrieben und eine solche Vorstellung kann nur Derjenige unterhalten, welcher nicht im Stande ist, die Schätze zu beurtheilen, zu welchen 160 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. jene Strassen führen. Oder sollte man sich das Vergnügen versagen, den Tchernberle Tasch zu besuchen, weil nur kleine, schmutzige Strassen dahin führen ? Den Palast des Belisarius, weil Juden sich um dessen Ruinen elende Hütten gebaut haben? Die Moscheen, Chane, Tscharschi, Serais, weil den verweichlichten Touristen kein Rosenweg dahin führt? Mit einiger Aufopferung muss man freilich das Vergnügen einer Wanderung um die alten, mit Epheu bekleideten, weltgeschichtlichen Mauern von Byzanz erkaufen ; einiges Ungemach muss man sich gefallen lassen, um eine der vielen, schönen Moscheen besehen zu können, oder, was noch wichtiger ist, den Nationalcharacter der Bewohner, ihre Sitten und Gebräuche kennen zu lernen. Besonders wird von den Prospecten der hiesigen Gegend der vom Burlgurlhu Daghi, hinter Scutari, gerühmt; man übersieht das Marmora Meer, die Stadt, den Hafen und die ganze Küstenlinie in der Richtung von Kleinasien. Aber ersteigt man eine andere Kuppe, einige Meilen vom Ufer, so kann man mit einem Blick die Schlan- genwindungen des Bosphorus bis dahin beobachten, wo er sich dem Auge nur wie ein kleiner Bach darstellt, während an den beiden Enden des Prospects, welche durch jene Silberkette verbunden erscheinen, der Euxinus und die Propontis ihre Wasser- massen ausbreiten. Nichts ist angenehmer, als eine Excursion auf der bergigen Küste von Asien : ein kühler Wind, welcher in dieser Höhe noch rein, durch keine Berührung der Erde verändert ist, fächert hier des Wanderers Wange, und es herrscht eine feierliche Stille, welche nur zuweilen durch das scharfe Pfeifen des Schäfers und das beantwortende Gebell seines treuen Hundes unterbrochen wird ; oder durch die Stimme des Ziegenhirten, welcher seine zerstreute Heerde zusammenruft ; durch den Schlag des scharfen Beiles des Holzhauers, und oft endlich auch durch das Rauschen eines Fasans, welcher mehr erstaunt als erschreckt aus dem nahen Gebüsch hervortritt, dann in seiner ganzen Pracht und mit seiner gewohnten Heftigkeit fortfliegt, gerade wie er sich in seinen heimischen Wäldern am Phasis noch zeigt.* Ein sehr belebtes Ansehn hat der Bosphorus zu Anfang des Junius, wenn die Bäume mit ihrem vollen Laube geschmückt sind, jedes Blatt sich kräftig bewegt, und die Hitze das Gras noch nicht welk gemacht hat. Dann treibt ein leichter Südwind hunderte von Schiffen durch den Kanal nachdem Schwarzen Meere und manche kommen den Häusern, vor welchen sie vorbeisegeln, so nahe, dass sie diese mit ihren Quersparren fast berühren ; Kaiken aber fahren beständig zwischen der Stadt und den Dörfern am Kanal, fröhliches Lachen ertönt in der Luft, Rosengebüsche am Ufer verbreiten einen balsami- schen Duft, und Alles drückt auf dem Wasser und um dasselbe Leben und Bewegung aus, dadurch den Zauber der Scenerei vermehrend. * Die Argonauten fanden die schönste Art der Fasane am Fluss Phasis (Fachs) in Colchis (Mingrelien) und brachten einige derselben mit sich zurück. Sie gediehen vortrefflich in Griechenland und verbreiteten sich von dort nach verschiedenen Theilen der alten Welt. In grosser Menge kommen sie in mehreren Negerreichen Africa’s vor, wie in Congo und Angola. — Anm. d. Deutschen Herausg. ABENDERHOLUNGEN IN DEN SOMMERMONATEN. 161 Um dieses Schauspiel in seiner ganzen Schönheit zu gemessen, sollte man es bei Mondlicht beobachten. Die Bewohner der grossen Häuser, welche in die Fluthen hinaushängen, erblicken dann die sie umgebende Scene in ihrer ganzen Vollendung. Die Mittagssonne lässt die Farben zu stark hervortreten, dahingegen das milde Licht des Mondes am Sternenhimmel, und das erhebende Schweigen des Abends der Scene etwas Geheimnissvolles geben, welches ihren Reiz verdoppelt. Auch wissen dies die Bewohner der Hauptstadt sehr wohl. Wenn sie sich in den Sommermonaten auf ihren Landhäusern am Meere befinden, ist eine ihrer liebsten Erholungen, dass sie sich des Abends auf die Terrassen am Ufer setzen, um die Kai'ken auf dem kräuselnden Wasser fortgleiten zu sehen und die Musik derselben zu gemessen, indem sich auf ihnen Freunde der Ton- kunst und Barden befinden, welche von Haus zu Haus fahren und bei jedem, unter Begleitung der Guitarre, ein kurzes Lied singen, in welchem sie eine gute Nacht wünschen ; oder um die andächtigen Seeleute auf den Griechischen und Italiänischen Schiften, welche im Hafen vor Anker liegen, ihre Abendlieder singen zu hören. Zuweilen haben sie auch das Vergnügen, das Rollen grosser Schaaren von Meerschweinen anzu- sehen, welche, indem sie sich nach dem Hafen begeben, wo sich manchmal eine über- grosse Anzahl von ihnen zusammenfindet, bei Mondschein spielen, springen und in den Wogen um sich schlagen, dass es wie Donner ertönt. In der Ferne zeigen sich die finstern Berge der Asiatischen Küste, ihren langen, fantastischen Schatten über das ' W asser werfend ; näher den Beobachtern aber stehen die bebenden Spitzen der hohen Bäume am Rande des Kanals in Silberglanz und geben einem Bilde, welches vielleicht seines Gleichen nicht hat, den letzten Pinseisinch der Vollendung. Man hat viel gesagt von der bewundrungswürdigen Schönheit der Bai von Neapel, der Auffahrt bei Venedig, mehrerer pittoresker Puncte des Rheins und der Donau, und der Einfahrt in den Tajo. Bald wurde diese, bald jene der bemerkten Partien unüber- trefflich gefunden ; allein wer im Goldenen Horn unter dem Schatten des Guz-Couli landete, die ganze Pracht des Kanals sah, wird dem Bosphorus den Vorrang nicht abstreiten wollen. Zwar hat die Bai von Neapel den Reiz eines nahen feuerspeienden Berges von unvergleichlicher Pracht : allein es fehlt ihr die Lebensfrische, der Bilder- reichthum, die stete Abwechselung des Goldenen Horns; sie hat nicht den Kanal, welcher der Osmanischen Hauptstadt einen Character einziger Art verleiht. Die grossen, Deutschen Ströme haben, so grossartig und majestätisch sie sind, nicht die Schlangen- windungen und Abwechselung der Prospecte, welche den Bosphorus so reizend machen, alle Mattigkeit, alle Einförmigkeit von seinen Darstellungen ausschliessen. Und zwischen seinen Gestaden, an welchen Grossartigkeit und Sanftheit thronen, rollen überdies die Fluthen des Meeres selbst, dahingegen die Uferländer der Donau und des Rheins nur durch Flüsse bespült werden, von welchen jene bescheiden ihren Beitrag dem Schwarzen Meere sendet. Und hiemit habe ich das Ende der angenehmen Aufgabe, die ich mir gesetzt, erreicht, denn ich habe nichts mehr in dem Portefeuille des Künstlers übrig gelassen, C i 162 ANSICHTEN DES BOSPHORUS. nach welchem ich diese Stizzen schrieb. So ist nur übrig, dass ich Abschied von dem Leser nehme, welcher mit mir in der Idee unter dem sonnigen Himmel des schönen Ostens wandelte. Wenig, fast nichts, habe ich von den Einwohnern der Hauptstadt des Sultans gesagt, da ich doch Vieles zu ihrem Vortheil hätte sagen können und mir solche Ausführungen viel Vergnügen gemacht haben würden ; aber die ursprüngliche Anlage des Werkes erlaubte es nicht. Nur diese, freilich etwas verspätete, Bemerkung will ich noch beifügen, dass ich bei den heimischen Bewohnern dieses Landes durchaus viel Wohl- wollen, Biedersinn und Höflichkeit fand, und dass die Verehrung, welche mir ihr Character einflösste, viel dazu beigetragen hat, meinem Herzen noch theurer zu machen die malerischen “ Ansichten des Bosphorus.” ENDE. 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