igsche ^/leubelfäbriÄ v/b A. J- Obo. Hsle-i' Die Förderung der Kunst-Industrie in England und der Stand dieser Erage in DentscMand. ie’s-Gravenbaagsche ^^'^y,betfabriek J. iaa? - - Für Staat und Industrie, Gemeinden, Schul - und Vereinswesen von Dr. jiir. Hermaim Schwabe. Les details et les ressorts de la folitique tombent dans Voubli: les instituts , les monu- ments produits par les Sciences et par les arts, suhsistent ä jamais. Voltaire. BERLIN. Verlag von I. Gnttentag. 1 8 C 6. ' I Ihrer Königlichen Hoheit der Frau Kronprinzessin von Preussen Princess Royal von Grrossbritannien iind Irland ehrfurchtsvoll gewidmet vom Verfasser. OQ ■ ■■ : V' '*'■ Durchlauchtigste Kronprinzessin, Gnädigste Fürstin und Frau! Der dem Verfasser im vorigen Jahre ertheilte ehrenvolle Auftrag, in einer Denkschrift das Bedürfniss einer Kunst- Industrie - Schule für Berlin zu erörtern, wurde die Ver- anlassung zu diesem Buche. Wie dasselbe sonach Ew. Königl. Hoheit seine Entstehung verdankt, so begiebt es sich unter den gnädigen Schutz Ew. Königl. Hoheit, um seine Wanderung anzutreten und seine Aufgabe zu erfüllen. Berlin, im Mai 1866. Digitized by the Internet Archive in 2016 https://archive.org/details/dieforderungderkOOschw Inhalts - üebersicht. Erster Theil. Das englische System der Beihilfe zur Förderung der Kunstindustrie. Seite 1. Abschnitt. Errichtung des Departements für Wissenschaft und Kunst 1 Wesen und Geschäftskreis dieser Behörde 2 a. Auf dem Gebiete der Wissenschaft 5 b. Auf dem Gebiete der Kunst 6 2. Abschnitt. Die dem Gewerbeschul-Amt zur Förderung der Kuiist- industrie zu Gebote stehenden Mittel 12 Cap. 1. Die nationale Kunstschule in Südkensington mit Seminar zur Heranbildung von Lehrern und Lehrerinnen , . . 12 a. Seminar und Kunstschule 12 b. Cursus des Unterrichts 14 c. Prüfung für Lehrer und Lehrerinnen 17 d. Vorlesungen über practische Aesthetik, Kunst und Kunstgeschichte 18 e. Zulassung zu der Kunstschule und dem Seminar zu Kensington 21 a. Allgemeine Bestimmungen 21 ß. Mit Bezug auf Seminaristen 22 y. Mit Bezug auf Lehrer von Provinzialschulen . . 23 Cap. 2. Die Museen und Sammlungen in Kensington .... 24 a. Für das Gebiet der Wissenschaft ...... 27 b. Für das Gebiet der Kunst 28 X Seite Cap. H. Errichtung von Provinzial-Kunstschulen 29 a. Bestimmungen für Errichtung 29 b. Bestimmungen über Lehrart, Schulgeld etc. ... 31 c. Statistik der Kunstschulen 32 Cap. 4. Gewährung vou Hilfe für Bauten zu Kunstschulen . . 33 Cap. 5. Gewährung von Geldmitteln an Vereine zum Unterricht in der Kunst 34 Cap. 6, Gewährung von Stipendien an Seminaristen und Schüler 35 a. Local- Schulstipendien 35 b. National-Stipendlen 36 Cap. 7. Jährliche Localinspectionen und Prüfungen mit Verthei- lung von Preisen an Schüler 37 a. Prüfungen in den Elementen der Zeichenkunst . 38 b. Prüfungen in den Kunstschulen 39 Cap, 8. Nationale Preisbewerbungen 39 Cap. 9. Geschenke von Kunstgegenständen und Büchern an Schulen für Medaillen, die ihren Schülern zuerkannt worden sind 46 Cap. 10. Geldprämien an die Kunstlehrer für die von ihnen er- zielten Resultate 48 Cap. 1 1. Circulation von Kunstgegenständen und Büchern des Centralmuseums und der Bibliothek in den Provinzen . 53 a. Entstehung und Einrichtung des Wandermuseums 53 b. Inhalt des Wandermuseums 58 c. Statistik der Resultate des Wandermuseums . . 74 Cap, 12. Geldbewilligungen zum Ankauf von Modellen, Zeichen- vorlagen, Abgüssen etc 78 Cap. 13. Internationaler Austausch von Copien seltener Kunst- gegenstände 80 Cap. 14. Veranstaltung von Ausstellungen geliehener Kunstgegen- stände für wichtige Zweige der Kunstindustrie ... 82 II. Theil. Das Kensington - Museum als Central -Institut für Wissenschaft und industrielle Kunst. 1. Abschnitt. Geschichte und Statistik des Kensington-Museums . . 89 2. Abschnitt. Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington , 96 XI Seite Cap. 1. Die Sammlungen für das Gebiet der Kunst .... 96 1. Das Museum für ornamentale Kunst 96 2. Die Sculpturen englischer Künstler 115 3. Das Architectur-Museum 116 4. Die Bildergallerien 117 5. Die Bibliothek für die Kunst-Abtheilung . . . 121 Cap. 2. Die Sammlungen für das Gebiet der Wissenschaft . . 126 1. Die Sammlung von Schul- und Unterrichtsgegen- ständen 128 2. Das Museum für Constructions- und Baumaterialien 133 3. Die Sammlung thierischer Rohstoffe und Producte 139 4. Das Museum der Nahrungsmittel 155 5. Die Sammlung von Modellen und Darstellungen patentirter Erfindungen 161 6. Die Sammlung von Schiffsmodellen 163 III. Theil. Rückschau auf England und Umschau in Deutschland. 1. Abschnitt. Der allgemeine Charakter und die leichte Uebertrag- barkeit des englischen Systems und seiner Mittel . . 170 2. Abschnitt. Die Resultate des englischen Systems nach dem Urtheil von Michel Chevalier, Merimee, Tresca u. a. . . . 178 3. Abschnitt. Die deutschen Bestrebungen auf dem Gebiete der Kunstindustrie 181 1. In Süddeutschland: Nürnberg, Stuttgart, Karls- ruhe, Wien 182 2. In Norddeutschland : Hamburg, Hannover, Brieg, Berlin 188 4. Abschnitt. Die Nothwendigkeit der Kunstindustrie - Förderung in Preussen 191 I. Allgemeines 191 II. Die Lage der Dinge in Berlin, als Ausgangspunkt der Lösung 192 1. Welche Institute gewähren in Berlin den Industriellen künstlerische Ausbildung? 192 2. Entsprechen diese Institute den Anfordei’ungen der heutigen Industrie? 194 3. Statistische Grundlagen . 198 4. Das Urtheil der Berliner Industriellen 199 XII Seite III. Die in Preussen vorhandenen Bausteine zu einem Central- institut für die industrielle Kunst 200 1. Die Wagner’sche Bildergallerie, als Grundlage zu einem National-Museum 203 2. Das Minutolische Institut der Vorbilder-Sammlung zur Beförderung der Gewerbe und Künste 204 3. Die reichen Schätze der Königl. Museen für das Ge- biet der Kunstindustrie 210 IV. Die sittliche Seite der Frage ' 211 Berichtigungen. Seite 54 Zeile 4 von oben lies des Museums eine, statt des Museum seine. „ 90 „ 7 ^ ^ von 1851 statt vor 1861. „ 163 „ 14 von unten lies hat diese statt giebt dieser. I. Tlieil. Das englische System der Beihilfe zur Förderung der Kunstindustrie. 4 4 - ^ . , f ^1 '• # f- Erster Abschnitt. Die Erriclituiig des Departements für Wissenschaft und Kunst. Als die Engländer bei Gelegenheit der ersten Londoner Industrie- Ausstellung vom Jahre 1851 sowohl aus eigener Vergleichung des Zustandes ihrer Industrie mit dem der hervorragendsten anderer Län- der, als aus den Berichten der verschiedenen Staaten die Wahrheit er- kannt hatten, dass auf denjenigen Grebieten, die von der Kunst, dem Geschmack und der Phantasie beherrscht werden, ihre eignen Lei- stungen durch die andrer Kationen ganz bedeutend in den Schatten gestellt worden waren, fingen sie an, alle Mittel in Bewegung zu setzen, durch welche sie sich auf diesen Gebieten emporarbeiten konnten. Man gestand, dass die Erwägung der wichtigen Frage: auf welche Weise den gewerblichen Classen ein wissenschaftlicher und künstlerischer Unterricht in mehr umfassender und systematischer Weise als bisher zu geben sei, nothwendig ihre Lösung finden müsse. Der Gegenstand nahm von Tag zu Tag an Tragweite zu, und fand in dem Surplus-Report der Königl. Commissare für die Ausstellung von 1851 einen neuen und zwingenden Ausdruck. Der wichtigste und nächste Schritt in dieser Beziehung war, dass man, anknüpfend an eine sehr dürftige Kunstsammlung für die Zwecke der Musterzeichenschulen, aus den Ueberschüssen der Aus- stellung ein Kunst-Museum gründete, für das man sofort eine Menge guter Muster und Kunstgegenstände durch Ankauf aus der Industrie- Ausstellung erwarb, und damit den Grund für das spätere Kensing- ton-Museum legte. Die Thronrede bei Eröffnung des Parlaments für die Sitzung Scliwabe, Kun.-.t Industrie. 1 2 Erster Th eil. von 1853 kündigte bereits eine Vorlage an, den künstlerischen und wissenschaftlichen Unterricht der industriellen Classen betreffend. Bei Organisation derjenigen Behörde, die mit Hilfe der von dem Parlament bewilligten Gelder das Erforderliche ausführen sollte, knüpfte man an das im Jahre 1852 von dem Board of Trade, der Centralstelle für Handel und Gewerbe, errichtete Departement of prac- tical Art an, welches für Hebung des technischen Unterrichts wirken sollte. Dasselbe wurde nach einem grossen Maassstabe reorganisirt und sollte neben der Hebung und möglichsten Verbreitung eines technisch-künstlerischen, namentlich auch einen technisch-wissen- schaftlichen Unterricht in das Gebiet seines Verwaltungskreises ziehen. Beide Zweige des Unterrichts wurden in einer Behörde vereinigt, Departement of Science and Art, welches in Verbindung mit der Kegierung steht, aber seine Mittel vom Parlament besonders bewilligt erhält und dessen Controle unterliegt. Das Departement of practical Art hatte nun innerhalb seines Gebietes bereits mehrfache Anregung gegeben. Eine Anzahl der wichtigsten Städte des Königreichs war schon mit demselben ver- bunden und der Eifer, der sich durch locale Betheiligung kund ge- than, berechtigte vollständig zu dem Glauben, dass man im Lande den Bestrebungen der Kegierung für die Verbreitung wissenschaft- licher und künstlerischer Bildung unter den industriellen Classen mit der grössten Bereitwilligkeit entgegenkommen würde. Demgemäss sollte auch innerhalb der Aufgabe des vereinigten Departements für Wissenschaft und Kunst die treibende Kraft lo- caler, selbstthätiger und freiwilliger Katur — es sollte das System in der Hauptsache sich selbst unterhaltend sein. Wesen und Gescbäftskreis des Departements. Wie die Intention eines Gesetzes aus den Motiven am Klarsten erkannt wird, so werden sich aus der im März 1853 zwischen den Lords of the Committee of Privy Council for Trade und den Lords Commissioners of Her Majesty's Treasury geführten Correspondenz Über die Errichtung des Departement of Science and Art am reinsten das Wesen und die Zielpunkte dieser Behörde erkennen lassen. Wesen und Geschäftskreis des Departements. 3 Das Departement ist keine leitende Behörde mit einem bestimmt abgegrenzten obligatorischen Tbätigkeitskreis ; seine Thätigkeit ist vielmehr secundärer Katur und sollte hauptsächlich darin bestehen, die Bestrebungen, welche an beliebigen Punkten des Königreichs auf dem Gebiete der Kunst und Wissenschaft hervortreten, zu unter- stützen, anzuregen und einem bestimmten Ziele zuzuführem Es bringt einzelne Theile des Systems seiner Beihilfe nur da in An- wendung, wo das Terrain schon selbstthätig bearbeitet und durch locales Yerständniss und energische Thätigkeit der Bewohner ent- weder die Zielpunkte bereits erkennbar oder die Mittel zur Abhilfe eines drängenden Bedürfnisses auf dem künstlerischen oder wissen- schaftlichen Unterrichts- Gebiete schon klar formulirt sind. Dabei werden die anzuwendenden Mittel so gewählt, dass sie die thätige Local-Cooperation bestehen lassen und für weitere Beihilfe ständig und wachsend voraussetzen und bedingen. Vor Allem erkannte man als Kothwendigkeit an, aus dem schon vorliegenden Material ein hauptstädtisches Institut zu gründen, dessen Hauptzweck darin be- stehen sollte, Muster, Illustrationen, Modelle und sonstige Erschei- nungen auf dem Gebiete der Kunst und der Wissenschaft anzu- schaffen, auszustellen und unter den Provinzial-Instituten und Schulen zu vertheilen. Dasselbe sollte dem Publicum im Allgemeinen zu- gänglich sein, doch sollten in erster Eeihe Personen berücksichtigt werden, die irgendwo im Lande ein Glied in der grossen Kette der Erziehung bilden, so Lehrer, Schüler, Seminaristen u. s. w. Eine Schule, zugleich genügend den Ansprüchen auf dem Gebiete der Kunst wie der Wissenschaft, sollte mit diesem hauptstädtischen In- stitut verbunden werden, und von ihr aus und durch sie das Beste und Neueste der Theorie und Praxis an die Provinzialschulen ge- langen. Man war weit entfernt dieses Instistut als einen Yersuch von Seiten des Staates zu betrachten, seine eigenen Ansichten über Wissenschaft und Kunst zur Geltung zu bringen; es sollte vielmehr eine gesunde, im ständigen Fortschritt begriffene Darstellung vom Zustande des zunehmenden Wissens sein; nicht ein Institut zum Besten der Bewohner der Hauptstadt, sondern ein Centralpunkt, wo der Wissensdrang aus allen Theilen des Yereinigten Königreichs P" 4 Erster Theil. seine Kenntnisse sammeln und heimtragen könne zu den Stätten, von denen re ausging. Dies sind, kurz zusammengefasst, die G-rundsätze, nach denen das Departement of Science and Art ins Lehen gerufen wurde. Es erstattete am 1. Januar 1854 seinen ersten Bericht (First Report of the Departement of Science and Art. Presented to hoth Houses of Par- liament hy Command of Her Majesty). Jedes Jahr erscheint ein solcher Bericht und es liegt augenblicklich der D2. vor. Mittelst Ordre vom 25. Februar 1856 wurde verfügt, das Depar- tement of Science and Art von der Centralstelle für Handel und Cfe- werbe zu trennen ; es sollte nunmehr mit dem Erziehungs-Ausschuss (Committee of Education) verbunden werden, welcher bereits 1839 im „G-eheimen Bath“ {Privy Council) gebildet worden war und ursprüng- lich seine Aufmerksamkeit lediglich auf das niedere Schulwesen zu richten hatte. Dieser Erziehungsausschuss sollte nunmehr in zwei Abtheilungen zerfallen: die eine, welche die Unterstützungsgelder des Staats zu Gunsten des elementaren Unterrichts verwaltet und die andere, welche diese Beihilfe dem industriellen Unterricht zuwendet. Jede Abtheilung sollte ihr eignes Bureau, Secretariat sowie ihre eigne Einrichtung haben, aber beide sollten unter einem Präsidenten ver- einigtwerden. Die Abtheilung fürElementar-Unterricht sollte wie bisher in Whitehall operiren, während die Abtheilung für den industriellen Unterricht ihre Bureaus in Kensington haben sollte, wo das Semi- nar für Kunstlehrer und das Museum mit G-egenständen für Kunst und Wissenschaft ihren Sitz haben und nunmehr unter die unmittel- bare Leitung dieses Departements gestellt werden sollten, welches den Titel: „Science and Art Departement of the Committee of Council on Education'-'' führt. Ich habe dafür die deutsche Benennung „Ge- werbeschul-Amt“ gewählt, wenngleich auf keine der Schulen, die von diesem Departement ressortiren, der Name Gewerbeschule in der Bedeutung passen würde, die man bei uns damit verbindet. Die Operationen des Gewerbeschul-Amtes zur Förderung des Unterrichts unter der gewerblichen Bevölkerung schlagen bei der Verwendung der jährlich vom Parlament zu diesem Zwecke bewil- ligten Gelder zwei verschiedene Eichtungen ein , welche auch in den Wesen und Geschäftskreis des Departements. 5 jährlichen Berichten geschieden werden: sie erstrecken sich einer- seits auf die wissenschaftlichen Lehrfächer, andrerseits auf die eigent- lich künstlerische Aushildung. Wir wollen hier beide Eichtungen und die in jeder derselben angewendeten Mittel und Wege kurz cha- rakterisiren. A. Wissenschaft. Der Kreis der Wissenschaften, in denen durch staatliche Bei- hilfe der Unterricht angeregt und gefördert wird, zerfällt in 8 Gruppen : I. Gruppe. 1. Practische, ebene und descriptive Geometrie. 2. Mechanisches und Maschinenzeichnen. 3. Baukunde und Schiffs-Architectur. II. Gruppe. 1. Theoretische Mechanik. 2. Angewandte Mechanik. III. Gruppe. 1. Schall, Licht und Wärme. 2. Magnetismus und Electricität. IV. Gruppe. 1. Unorganische Chemie. 2. Organische Chemie. V. Gruppe. 1. Geologie. 2. Mineralogie. VI. Gruppe. 1. Physiologie. 2. Zoologie. Vn. Gruppe. 1. Pflanzenphysiologie und Ökonomische Botanik. 2. Systematische Botanik. VIII. Gruppe. 1. Berg- und Hüttenwesen. 2. Metallurgie. Die staatliche Beihilfe auf diesen Gebieten wird in folgender Form gewährt: 1. in Geldprämien für die Eesultate, welche von Lehrern erzielt worden sind, die das Zeugniss der Lehrfähigkeit besitzen. Jeder solcher Lehrer erhält für jeden Schüler der gewerblichen Classen, der von ihm 40 Stunden in einem der obigen Wissens- zweige erhalten hat, und ein Examen darin besteht, 1 £. ; 2 £. für jeden Schüler der eine ehrenvolle Erwähnung erlangt hat; 3, 4 oder 5 £. für jeden, der ein Zeugniss 3., 2. oder 1. Classe erhielt. 6 Erster Theil. Betragen diese Prämiirmigen nach vorstehendem Maassstahe mehr als 60 £., so treten bestimmte Eeductionen ein. 2. In Unterstützungen zum Ankauf von Apparaten, Lehrmitteln etc. 3. In Medaillen, Ehrenzeugnissen und Preisen, welche auf Grund ölfentlicher Prüfungen , die das Gewerbeschul-Amt veranstaltet, vertheilt werden; zugleich wird nach diesen Prüfungen die Prämiirung in Geld bestimmt, welche die Lehrer erhalten. - 4. In Prüfungen, die das Gewerbeschul-Amt für Lehrer veran- staltet. Auf Grund dieser Prüfungen werden den Lehrern Zeugnisse der Lehrfähigkeit in verschiedenen Graden ertheilt und zugleich die befähigten Lehrer bezeichnet und empfohlen. Die Resultate, welche in Betreff der wissenschaftlichen Lehr- fächer durch die bezeichneten Formen der staatlichen Beihilfe er- zielt wurden, sind gering zu nennen im Vergleich zu denen des künstlerischen Unterrichts. Da die detaillirte Darstellung der er- steren Richtung der Intention dieser Schrift fern liegt, so möge das V^enige, hier Mitgetheilte genügen, und wenden wir uns nunmehr zur genauen Betrachtung der staatlichen Beihilfe zu Gunsten der Kunst. B. Kunst. Um in der Masse des Volkes den Unterricht auf dem Gebiete der Kunst, insbesondere der industriellen Kunst möglichst zu fördern, gebraucht das Gewerbeschul-Amt folgende Mittel: 1. Die nationale Kunstschule in Südkensington mit Seminar zur Heranbildung von Lehrern. 2. Die Museen und Sammlungen in Kensington. 3. Errichtung von Local-Kunstschulen. 4. Gewährung von Hilfe zu Bauten für Kunstschulen. 5. Gewährung von Geldmitteln an Vereine zum Unterricht in der Kunst. 6. Gewährung von Stipendien an Seminaristen und Schüler. 7. Jährliche Local-Inspectionen und Prüfungen mit Vertheilung von Preisen an Schüler. 8. Nationale Preisbewerbungen. Wesen und Geschäftskreis des Departements. 7 9. Geschenke von Kunstgegenständen und Büchern an Schulen, für Medaillen, die ihren Schülern zuerkannt sind. 10. Geldprämien an die Kunstlehrer für die von ihnen erzielten Resultate. 1 1 . Circulation von Kunstgegenständen und Büchern des Central- Museums und der Bibliothek in den Provinzen. 12. Geldbewilligungen zum Ankauf von Modellen, Zeichnen- Vorlagen, Abgüssen etc. 1 3. Internationalen Austausch von Copieen seltener Kunstgegen- stände. 14. Veranstaltung von Ausstellungen geliehener Kunstgegen- stände für wichtige Zweige der Kunst-Industrie. Bevor wir diese Mittel im Einzelnen näher betrachten, ist wohl die Präge am Orte: welcher Grundgedanke beherrscht die- ses System staatlicher Beihilfe? Die Beantwortung dieser Frage führt uns mitten hinein in das kräftige englische Kationalleben, zeigt, wie die Engländer einen Weg veiiiessen, der sich als falsch erwiesen hatte, und wie sie mit Energie und klarem Bewusstsein dem richtig erkannten Ziele auf der breiten Basis einer nationalen, alle Schichten des Volkes erwär- menden Agitation zustrebten. ^ Thatsächlich war bis zum Anfang der vierziger Jahre in England die Wichtigkeit des öffentlichen Unterrichts im Zeichnen ohne alle Beachtung geblieben. Endlich trat die Regierung der Frage näher, welche bereits die öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen anfing und errichtete i. J. 1837 eine Central-Schule für Musterzeichner {School of Design). Der ausgesprochene Zweck derselben war, auf dem Gebiete des Bauwesens, der Tischlerei, der Weberei, der Zeug- druckerei, der Irdenwaarenfabrication u. s. w. besser gebildete Fabri- canten zu erziehen, sie einzuweihen in die Symmetrie der Form, die Harmonie der Farben und das Wesen der Decoration. Die im Somerset-House gegründete Schule sollte als ^Muster für ähnliche, in den Manufacturdistricten zu errichtende dienen. Die Anstrengungen, Solche Schulen ins Leben zu rufen, hatten wenig Erfolg und im Jahre 1851 existirten deren im ganzen Königreich nicht mehr als 20. 8 Erster Theil. In sämmtliclien Schulen hatte sich aber innerhalb der 14 Jahre ihres Bestehens ein und dieselbe Erfahrung herausgestellt: den Schülern fehl- ten die nothwendigen Elemente für eine künstlerische Ausbildung, die sie zu lernen keine Gelegenheit hatten; wie sollten sieohnedieEle- mente des Zeichnens die Principien der industriellen Kunst verste- hen und practisch anwenden lernen, wie konnten sie ohne Kunstsinn zu haben, die Kesultate desselben ihrer Industrie aufprägen? Dies ganze Sachverhältniss ist in der That charakteristisch für die Engländer. Man denke sich einen industriellen Musterzeichner, dessen Bildung nach dem heutigen Stand der Dinge derjenigen an- derer Künstler vollständig gleichkommen muss; es gibt beinahe keine Wissenschaft, keinen Zweig menschlichen Wissens und Kön- nens, dem nicht der industrielle Künster Motive entlehnt: der Ge- schichte, der Poesie, der Mythologie, menschlichen, thierischen und landschaftlichen Charakterbildern der verschiedenen Länder und Zonen u. s. w. Man bedenke, wie der Geschmack und die Phantasie eines solchen Mannes unerschöpflich sein muss gegenüber den Ansprüchen der industriellen Kunst, die, ohne Ideal, nur vom Bedürfniss und der Willkür ihre Vorschriften zu empfangen scheint, und dem her- vorhringenden Geschmack zumuthet, den heurtheilenden Geschmack als Gesetzgeber anzuerkennen. Solch ein Mann sollte, ohne gewöhnliche Vorbildung, hei einem handwerksmässigen Unterricht in einer Musterzeichenschule in einigen Jahren Alles das lernen, was man in so reichem Maasse von ihm fordert — und zwar in einem Lande, wo auf dem Gebiete des ge- sammten höheren Unterrichts die allgemeine Vorbildung höher ge- schätzt wird, als bestimmte technische Fachkenntnisse — in einem Lande, wo das düstere Puritanerthum mit seiner engherzigen Sonn- tagsfeier ohnedies wie ein Alb auf jeder freien Entfaltung der Phan- tasie lastet. Wie konnte die Kunst sich da heimisch fühlen, wo sie so geringschätzend behandelt wurde? Dies war der Stand der Dinge in England, als die erste inter- nationale Industrie - Ausstellung i. J. 1851 jene imposante Masse herrlicher Erzeugnisse der menschlichen Arbeit und des menschlichen Geistes aus allen Ländern und Zonen vor dem Auge des staunenden Wesen und Geschäftskreis des Departements. 9 Beschauers entfaltete. Was war die alte Welt mit ihren sieben Wundern gegenüber den unzähligen Wundern der Industrie, der Wissenschaft und der Kunst in dieser Ausstellung. Sie gab den hervorragendsten Geistern Gelegenheit, die Leistungen der bedeutend- sten Künstler und Industriellen der ganzen Welt auf sich wirken zu lassen und sie mit den Erzeugnissen der Heimath zu vergleichen. Dass diese Vergleichung auf dem Gebiete der Kunst und des Geschmacks so sichtbar zum Kachtheil der Engländer ausfiel, wurde die Veranlassung zu jener Agitation, aus welcher das oben erwähnte System der staatlichen Beihilfe erwuchs. Man verliess den einge- schlagenen Weg, der mit dem Ende angefangen hatte, und kam zu der üeberzeugung, die einzig wahre Abhilfe der erkannten Hebel liege in folgenden Punkten: 1. in der Errichtung von Elementarzeichenschulen, durch welche die Elemente der Kunst zu einem Bestandtheil der nationalen Erziehung gemacht werden. 2. in der Ausbildung tüchtiger Lehrer für die Kunst- Industrie und in der Errichtung von Kunstschulen, in' denen dieselben ihre Verwendung finden können. 3. in der Bildung des Schönheitssinnes im grossen Pu- blicum durch öffentliche Museen für die industrielle Kunst, wo Jeder am Tage und am Abend Gelegenheit hat, sein Auge zu erziehen und seinen Geschmack zu bilden. Um dies Alles gleichzeitig zu erreichen, stellte man jene reiche Mannigfaltigkeit von Unterrichts - und Anregungsmitteln in das Be- reich der Erlangung jedes Einzelnen in der grossen Gesammtheit. Dies sind die Zielpunkte des obigen Systems der staatlichen Beihilfe, dies sind die leitenden Gedanken, welche dasselbe durchwehen, und bereits am 2. Juni 1852 konnte man in der Metropole des Vereinigten Königreichs das in der Mitte des 19. Jahrhunderts jedenfalls sehr eigenthümliche Schauspiel erleben, dass in Gegenwart des Präsidenten vom Board of Trade und vieler Grössen aus den höchsten und an- gesehensten Kreisen der Gesellschaft und des Staats die erste Ele- mentarzeichenschule in Westminster mit grosser Feierlichkeit 10 Erster Theil. eröffnet wurde. Man ist vom continentalen Standpunkt aus versucht, an den kreisenden Berg zu denken, der eine Maus gebar. Freilich für die Engländer stellt sich die Sache anders. Man könnte hei der Wichtigkeit der Feier zwischen den Zeilen lesen, dass sie die Bedeutung dieser ihrer ersten Elementarzeichenschule in ihrer ganzen Tragweite erkannt haben, wenn sie es nicht in den hei dieser Gelegenheit gehaltenen Reden mit grosser Offenheit und Klarheit seihst ausgesprochen hätten. Sie waren sich bewusst, dass es hei der Förderung der Kunst-Industrie auf zweierlei ankomme, auf die Erweckung de*« Schönheitssinnes und die Ge- schmackshildung des grossen Puhlicums einerseits, und die Heranbildung tüchtiger industrieller Künstler andrer- seits. Das eine bedinge das andere und deshalb müsse beides Hand in Hand gehen. Der Beweis des einen Redners*) für die Wahrheit dieser Behauptung reicht in seiner Bedeutung weit über Englands Grenzen hinaus und ist für jede Kation geführt, für welche die Hebung und Förderung der Kunst-Industrie eine offene Frage ist. Der Redner ist Henry Cole, damals Oberbeamter im Departement of practical Art, jetzt Vorsteher des Gewerbeschul- Amts. Er sagt, unter anderen, den Hauptgedanken nach: Ist das Publicum unempfänglich für schöne Erzeugnisse der Kunst-Industrie, wozu dann eine Masse industrieller Künstler erziehen, und deren Arbeitskraft in falsche Bahnen leiten. Könnte man in Bezug auf Förderung der Kunst-Industrie nicht zu gleicher Zeit auf die beiden oben genannten Punkte hinarbeiten, sondern wäre man nothwendig darauf angewiesen, blos einen der beiden Wege einzuschlagen, so würde entschieden die Erweckung des Schönheitssinnes in der grossen Masse des Puhlicums sicherer zum Ziele führen, als die Heranbildung industrieller Künstler. Denn wäre das Publicum zu der Höhe geleitet, die Schönheit der Form, die Symmetrie der Verhältnisse, die Harmonie der Farben, die Ein- cf. unter den Publicationen des Science and Art Dep. of the Committe of Council on Education: Addresses. The advantages of teaching elemen- tary drawing as a hranch of National Education, Lond. 1857. Wesen und Geschäftskreis des Departements. 11 facliheit der [N'atnr und deshalb auch der wahren Kunst verstehen und schätzen zu lernen, so würde bald das Interesse die Fahricanten von seihst dahin treiben, dem Geschmack des Publicums entsprechend zu produciren. Ist aber die Entwickelung des Schönheitssinnes in allen Classen der Gesellschaft der wichtigste Factor für die Förderung der Kunst- Industrie, dann ist auch die Eröffnung der ersten Elementar -Zeichen- schule als der erste Schritt innerhalb des Beihilfe - Systems der Kegierung von grosser Bedeutung, und es ist ein Beweis für die Aufrichtigkeit ihrer Bestrebungen, dass die Gesammtheit der staat- lichen Förderungsmittel dahin strebt, allen Classen der grossen Ge- meinsamkeit den Segensquell des Unterrichts in den Künsten zu erschliessen. — Beginnend mit dem eigentlichen Ausgangspunkt der englischen Bestrebungen zur Förderung der Kunst-Industrie, der Errichtung des Departements für Wissenschaft und Kunst (Gewerbeschul- Amt) ver- suchten wir bisher dessen Organisation und die ihm zu Gebote stehenden Mittel kurz zu charakterisiren. Zur bessern Erkenntniss des Grundgedankens, der dies System staatlicher Beihilfe durchzieht, war ein kurzer Rückblick auf den Weg nöthig, den die Regierung früher eingeschlagen , der sich jedoch als völlig verfehlt heraus- gestellt hatte. Wir kommen nunmehr dazu, das oben aufgeführte System im Detail zu betrachten.*) *) Die einzelnen Mittel haben einen sehr biegsamen Charakter und werden häufig in den einzelnen Jahren in modificirter Weise zur Anwendung gebracht. Die nachstehende Characteristik hat das Wesen der Dinge, nicht ihre etwaigen neuesten Veränderungen im Auge gehabt. Zweiter Abschnitt. Die dem Grewertescliul-Amt zur Förderung der Kunst- Industrie zu (retiote stehenden Mittel. Capitel I. Die nationale Kunstschule in Süd-Kensington mit Seminar zur Heranbildung von Lehrern. a) Seminar und Kunstschule. Die Unterrichtscurse im Seminar bezwecken die systematische Heranbildung von Lehrern und Lehrerinnen in den practischen Ge- bieten der Kunst und in der Kenntniss ihrer wissenschaftlichen Principien, und zwar bis zu der Höhe, dass sie fähig sind, Andern eine künstlerische Ausbildung zu gewähren und sie zu lehren, die Kunst in möglichster Ausdehnung sowohl bei den gewöhnlichen Zwecken des Lebens wie gegenüber den Anforderungen der höhern und niedern Industrie zur Anwendung zu bringen. Auch sind spe- cielle Curse eingerichtet, um Lehrern von Elementar- und Mittel- schulen diejenigen Elemente der Zeichenkunst zu lehren, die von ihnen gefordert werden. Der Unterricht umfasst folgende Gegenstände: Ereihand-, Archi- tectur- und mechanisches Zeichnen; practische Geometrie und Per- spective; Malerei in Del, Tempera - Manier und Wasserfarben; Modelliren, Stuckatur- Arbeiten und Formen. Die Classen für Zeichnen, Malen und Modelliren umfassen Bau- und Ornament -Zeichnen, Blumen, Objecte für Stillleben etc., Figurcn-Zeichnen nach Antiken und nach dem Leben und das Studium der Anatomie, soweit es auf die Kunst Anwendung findet. Ausserdem bietet jeder Cursus eine Reihe von Vorlesungen über System der Beihilfe. 13 practische Aestlietik, Kunstgeschichte, Anatomie etc. (cf. sub d.) Die Curse, von denen jeder 5 Monate dauert, beginnen am 1. März und 1. October und enden am letzten Februar bezüglich am letzten Juli. In den Monaten August und September, eine Woche zu Weih- nachten und eine Woche zu Ostern und Pfingsten sind Ferien. In Verbindung mit dem Seminar besteht noch eine Kunstschule für Schüler und Schülerinnen und das Publicum im Allgemeinen; die Lehrgegenstände umfassen Zeichnen, Malen und Modelliren, in Anwendung auf Ornamentik. Man kann entweder den ganzen Cur- sus, oder einzelne Specialfächer besuchen, und zwar findet in Bezug auf die Art, wie das Publicum an den einzelnen Lehrzweigen Theil nehmen will, die grösste Mannigfaltigkeit statt. Es steht Jedem frei seine Studien während eines Cursus von 5 Monaten dort zu treiben: entweder den ganzen Tag, oder des Morgens von 10 — 12, oder des Nachmittags von 1 — 3, oder des Abends, oder 3 ganze Tage per Woche. Jeden Abend von 7 — 9 hat man G-elegenheit nach lebenden Modellen zu zeichnen. Ebenso kann man blos monateweis Theil nehmen und zwar wiederum entweder den ganzen Tag, des Morgens, des Nachmittags oder des Abends. Für Frauen findet Montag, Mittwoch und Freitag Abend von 7 — 9 ein Cursus statt. Ein specieller Cursus für Handwerker im Elementar - Zeichnen, G-eometrie, Perspective, mechanischen und architectonischen Zeichnen findet 3- oder östündig per Woche statt. Auf vielfaches Verlangen ist sogar dafür gesorgt, dass junge Leute aus London, die augenblicklich ausserhalb, während ihrer Weihnachts- oder Sommerferien zu Hause sind, den Cursen im Zeichnen am Kensington-Museum beiwohnen können. Die Schüler haben überall Zutritt zu den Sammlungen des Mu- seums und der Bibliothek, sowie zu den Vorlesungen. Heber den Besuch der Schüler wird ein Register geführt, welches von Eltern und Vormündern eingesehen werden kann. 14 Erster Theil. b) Cursus des Unterrichts. Der Cursus für den Unterricht in der Kunst mit Beziehung auf die Industrie zerfällt in 23 Abtheilungen*) (stages), und wird in dieser Eorm zugleich allen Kunstschulen empfohlen, die mit dem Uewerbe- schul-Amt in Verbindung stehen. Abthlg. Linear-G-eometrie und mechanisches Zeichnen la Architectonische Bauten und Maschinen-Zeichnen nach Yorlege- blättern Ib Linear - Perspective 1 c Freihand-Conturen von Ornamenten nach Vorlegeblättern . . 2 Freihand-Conturen von Ornamenten nach Abgüssen .... 3 Schattirte Ornamente nach flachen Mustern 4 Schattiren nach runden oder körperlichen Formen, Modellen, Oegenständen und Ornamenten ; Zeitskizzen **) und Skizzen nach dem Gedächtniss 5 Zeichnung der menschlichen Figur und thierischer Formen nach Vorlegeblättern 6 Zeichnung von Blumen, Blättern und Gegenständen der Katur- Geschichte nach Vorlegeblättern 7 Zeichnung der menschlichen Figur und thierischer Formen nach Modellen oder der Natur incl. Zeitskizzen etc 8 Anatomische Studien der menschlichen Figur oder thierischer Formen, gezeichnet oder modellirt 9 Zeichnung von Baumschlag, Blumen etc. nach der Natur . . 10 Gemalte Ornamente nach Vorlegeblättern 11 Gemalte Ornamente nach Abgüssen in Belief 12 Malen f) nach Vorlegeblättern, Blumen, Stillleben und Land- schaften mit den Elementar-Principien der Farben ... 13 *) Die Sectionen a, b c, aus denen die einzelnen Abtbeilungen bestehen cf. sub 8. Nationale Preisbewerbung. **) Zeitskizzen sind solche, die innerhalb einer bestimmten Zeit vollendet werden müssen. f) Das Malen kann in Wasserfarben, Oel, Tempera-Manier etc. ausge- führt werden. System der Beihilfe. 15 Abthlg. Malen direct nacli der Natur 14 Gemalte Zeitskizzen von einzelnen Objecten oder Gruppen, als Farbencompositionen 15 Malen von menschlichen Figuren oder Thieren nach Abgüssen in Monochrom-Manier 16 Malen von menschlichen Figuren oder Thieren in Farben . . 17 Section a. nach Vorlegeblättern, „ b. nach der Natur, nackt oder drappirt, „ c. Zeitskizzen und Compositionen. Modelliren von Ornamenten nach Abgüssen, Zeichnungen, Zeit- skizzen und Skizzen aus dem Gedächtniss 18 Modelliren von menschlichen Figuren oder Thieren nach Ab- güssen, Zeichnungen und nach der Natur, nackt oder drappirt 19 Modelliren von Früchten, Blumen, Blättern und Gegenständen der Naturgeschichte nach der Natur 20 Zeitskizzen und Compositionen in Thon, Wachs u. s. w. von menschlichen Figuren und Thieren nach der Natur und dem Gedächtniss 21 Elementare Musterzeichnung, Principien von Form und Farbe 22 Section a. Studien, welche natürliche Gegenstände als Schmuck verwenden; „ b u. c. Ornamentale Arrangements um gegebene Bäume in Farbe auszufüllen; „ d. Studien historischer Style in Bezug auf Or- namentik, gezeichnet, gemalt oder modellirt Technische Studien 23 Diese bestehen in architectonischen Musterzeichnungen, ornamentalen Flächen - Musterzeichnungen , ornamentalen Belief-Musterzeichnungen, Stuckatur-Arbeiten, Giessen und getriebenen Arbeiten; Lithographiren ; Holz- und Metall- schneidereien für ornamentale Zwecke und Porzellan-Malerei. Der technische Unterricht in Abtheilung 23 des Cursus war früher von dem allgemeinen, theoretischen Unterricht getrennt; es 16 Erster Theil. existirteii früher für ersteren specielle Classen, die mit dem letztem nichts zu thun hatten. Diese sog. technischen Classen wurden i. J. 1855 reorganisirt und bilden von da ab einen Theil des allgemeinen Cursus. Die Schüler sowohl wie die Seminaristen werden auf diese Weise in den Stand gesetzt, diejenigen technischen Kenntnisse und Fertigkeiten sich anzueignen , welche ihnen für ihren besondern Beruf wünschenswerth oder nothwendig erscheinen. Im Allgemeinen lässt sich das Wesen dieses technischen Cursus dahin bezeichnen, dass er mit und neben der speciellen Technik lehrt, wie die Grundsätze der Kunst in den einzelnen practischen Arbeiten der verschiedenen Industriezweige zur Anwendung zu bringen sind. Es wird beispielsweise das Wesen der verschiedenen decora- tiven Formen im Gebiete der Architectur in ihrer Anwendung auf die Möbelschnitzerei oder Töpferei behandelt; das Wesen der Flächen- decoration in ihrer Anwendung auf gewebte Stoffe ; der Einfluss des Materials auf die Ornamentik u. s. w. Bei dem technischen Unterricht in der Porzellan-Malerei bestand beinahe immerwährend die Hälfte der Schülerzahl aus Frauen, die darin Vortreffliches geleistet haben. Gegenüber den Bestrebungen zur Förderung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts ist dies Factum von Interesse. Sämmtliche 23 Abtheilungen bilden den gesummten Unterrichts- Cursus für Musterzeichner, Ornamentisten und solche, die industrielle Künstler werden wollen, doch braucht natürlich der Einzelne nicht in allen Fällen oder nothwendig der numerischen Keihenfolge dieser 23 Abtheilungen nachzugehen. Nun soll aber, wie wir sehen, der Unterricht in den Kunst- schulen allen Classen der Gesellschaft offenstehen. Es werden des- halb für die verschiedenartigsten Ansprüche des Publicums Special- curse für alle denkbaren Fächer und Zwecke aus den obigen 23 Ab- theilungen zusammengesetzt. Beispielsweise umfasst derElementar- Cursus die Abtheilungen lau. c, 2, 3, 4, 5, 6, 7 u. 13. Der Cursus für allgemeine Bildung im Zeichnen die Abtheilungen 2, 3, 4, 5, la u. c, 7, 10, 6, 8, 9, 13, 14 u. 17. Der Cursus System der Beihilfe. 17 für Architecten, Maschinisten und Ingenieure die Ahtliei- lungen 2, 3, 4, 5, la, h u. c, 11 u. 23. c) Prüfungen für Lehrer und Lehrerinnen. Zugleich setzt sich aus den genannten 23 Ahtheilungen das System von 6 Gruppen zusammen, welches den Prüfungen der K u n s tl e h r e r u n d L e h r e r i n n e n zu Grunde liegt. Für jede Gruppe wird, wenn die Prüfung innerhalb derselben bestanden ist, ein Diplom {certificate) ausgestellt und die nachstehende Zusammenstellung enthält diejenigen Abtheilungen für jede Gruppe, welche bei der Prüfung verlangt werden. I. Gruppe. Elementarzeichnen und Coloriren: Abtheilung 1, 3, 4, 5, 6, 7, 10 und 13. II. Gruppe. Malen mit Prüfungen über die Stylarten der Kunst und über Elementar-Ornamentik : Abtheilung 11, 12, 14, 15 und 22 a u.c. III. Gruppe. Zeichnen und Malen von Figuren, mit Prüfungen über die geschichtlichen Stylarten der Ornamentik und Anatomie des menschlichen Körpers: Abtheilung 8 b, c, 9, 16 u. 17 a, b, 22 d. IV. Gruppe. Modelliren von Ornamenten mit Prüfungen über Kunst- Styl und Elementar-Ornamentik: Abtheilung 18 a, b, 20 u. 22 u. 22 a. Y. Gruppe. Modelliren von Figuren mit Prüfungen über die histo- rischen Stylarten der Ornamentik: Abtheilung 8, 9, 19, 20, 22 d. VI. Gruppe. Technischer Unterricht. Abtheilung 23. Ein Zeugniss für Gruppe I kann allein gegeben werden, dagegen das Zeugniss für Gruppe II nur nach dem von Ko. I, und das für Gruppe III nach dem von I und II, und das über die Gruppe V für Modelliren nach Gruppe IV. Prüfungen für Kunstlehrer und Lehrerinnen, zur Erlangung von Zeugnissen für eine oder mehre der genannten Prüfungs-Abtheilungen werden jährlich in Kensington von dem Gewerbeschul-Amt im Februar und Juli abgehalten. Sie stehen allen Personen offen, mögen die- Schwabe, Kunst-Industrie. 2 18 Erster Theil. selben im Seminar zu Kensington gebildet sein oder nicht, und sind darüber folgende Bestimmungen festgesetzt: 1) Candidaten, welche geprüft zu werden wünschen, senden die erforderlichen Arbeiten mit ihren Namen an das Secretariat des Gewerbeschul“ Amts. Sie erhalten darauf Nachricht, ob dieselben für genügend erachtet worden sind oder nicht und werden im ersten Fall zugleich vorgeladen. 2) Die Gruppe oder Gruppen, in denen ein Candidat geprüft zu sein wünscht, sind genau zu bezeichnen. 3) Die eingesandten Arbeiten müssen in jeder Beziehung selb- ständige Arbeiten der Candidaten sein und zwar ist aus jeder der oben genannten Abtheilungen derjenigen Gruppe oder Gruppen, für welche die Prüfung nachgesucht wird, eine Arbeit einzuschicken. 4) Jeder Candidat hat in Gegenwart der Examinatoren eine Classe zu unterrichten. 5) Ausser den eingesendeten Arbeiten sub 3 bestehen die Prü- fungen in mündlicher und schriftlicher Fragebeantwortung, sowie in Studien und Zeichnungen, die innerhalb einer gewissen Zeit gefertigt werden müssen. Auf Grund gut bestandener Prüfungen werden Lehrer und Leh- rerinnen von dem Gewerbeschul- Amt sowohl für Provinzial - Kunst- schulen, Privat- und andere Schulen, wie namentlich auch für den Privat-IJnterricht empfohlen. Durch die Empfehlungen in letzterer Beziehung erreicht man einerseits eine grössere Verbreitung des Kunst-Ünterrichts in den höhern Kreisen der Gesellschaft, andrerseits verschafft man tüchtigen Lehrern und Lehrerinnen Subsistenzmittel. Gegenüber der jetzt so lebhaft betriebenen Agitation für die erwei- terte Beschäftigung des weiblichen Geschlechts, bietet dieser Punkt eine nicht zu unterschätzende und sehr geeignete Ergänzung der- jenigen Berufsgebiete, für welche die Frauen mit Erfolg Verwendung finden können. d) Vorlesungen über practische Aesthetik, Kunst und Kunstgeschichte. In jedem Semester finden Vorlesungen statt und zwar regel- mässige und gelegentliche ; die ersteren werden im Prospect bekannt System der Beihilfe. 19 gemacht, die letzteren besonders angezeigt. Zur Charakteristik des G-ehietes, auf welches sich diese Vorlesungen ertrecken, mögen die wichtigsten, welche bisher gehalten worden sind, hier kurz an- geführt werden; 1. Ein Cursus von 12 Vorlesungen über Anatomie in ihrer Anwendung auf die Künste von John Marshall; derselbe findet in jedem Semester statt. Eintrittsgeld für den ganzen Cursus 6 sh., für die einzelne Vorlesung 1 sh. 2. Ein Cursus von Vorlesungen über Botanik, mit besonderer Eücksicht auf die Künste von Dr. Dresser. 3. Ein Cursus von Vorlesungen über antike Kunst von W o rnum. (Die decorative Kunst der alten Egypter, die griechische Kunst, die Entwickelung der griechischen Kunst bei den Körnern.) 4. Vorlesungen über Thierformen von Prof. Forbes. 5. Ueber die Beziehungen der verschiedenen Zweige der in- dustriellen Kunst zu einander und zu der Architectur, von Prof. Semper.*) 6. Ueber die Decoration gewebter Stoffe, von Hudson. 7. Ueber Architectur, practische Constructionslehre und pla- stische Kunst im Allgemeinen (5 Vorlesungen) , von Prof. Semper. 8 .Ueber Flächen-Decoration, von Hudson. (2 Vorlesungen.) 9. Ueber Spitzen, die mit der Hand gearbeitet werden. 10. Drei Vorlesungen über Holzschneidekunst, von Thomson. 11. 6 Vorlesungen von verschiedenen Autoren, über die Fabri- cation der Irdenwaaren. 12. Ueber die Bücher und sonstigen Bildungsmittel des Museums, von Wornum. x 13. Ueber die menschliche Form, von Marshall. 1 4. Ueber die verschiedenen Gattungen von Spitzen, von Hudson. 15. Ueber Formen und Farben des Pflanzenreichs von Dr. L in s e y. (5 Vorlesungen.) *) Jetzt in Zürich. 20 Erster Theil. 16. Heber die Ornamentik der Eenaissance-Periode, vonW ornu m. (4 Vorlesungen.) 17. Heber den Beruf des Departements für Kunst und Wissen- schaft, von H. Cole. 18. Heber die Sheepshank’sche Schenkung als Anfang einer National- G-allerie, von Eed grave. 19. Heber die Central-Schule für Kunst und Wissenschaft, von Eich. Burchett. 20. Heber das Museum für ornamentale Kunst, von Eobinson. 21. Heber das Thierreich und seine wirthschaftlichen Verwen- dungen, von Eich. Owen, Vorsteher der Abtheilung für Naturgeschichte im brit. Museum. 22. Heber den Gebrauch thierischer Abfälle, von Dr. Lyon Playfair. 23. Heber Muscheln und ihre Anwendung, von Simmonds. 24. Heber Horn, Haar und Borsten, von F. Buckland, Chirurg bei der Garde. 25. Heber Fische und ihre Verwendung auf dem Gebiete der Industrie, von Th. Huxley, Professor der Naturgeschichte am Museum für practische Geologie. 26. Heber den Gebrauch der Kunstbibliothek von Beith. 27. Heber Kupfer- und Stahlstecherei, von G. Doo. 28. Heber britische Sculptur, von J. Bell, Bildhauer. 29. Heber die Kunst der Hindus, von Dr. G. Kinkel. 30. Heber die Kunst der Mohamedaner, von Dr. G. Kinkel. 31. Heber Belief - Sculptur , ihren Charakter und ihre Anwen- dung auf Architectur-Decoration, von E. Westmacott. 32. Heber die gemalten Töpferwaaren der alten Griechen, von Eobinson. 33. Heber die italienischen Majolica-Waaren, von Eobinson. 34. Heber Porzellan- Waaren im Allgemeinen, von Eobinson. 35. 6 Vorlesungen über Nahrungsmittel, von Dr. Lankester. 36. Wie und über was sollten Handwerker unterrichtet werden, von I. S. Bussel. System der Beihilfe. 21 37. 20 Vorlesungen über Greschiclite der mittelalterlichen und modernen Kunst, von G. Kinkel. 38. lieber Terracotta- und Luca della i?öö^m-Gregenstände, von Dr. Kock. 39. lieber die Gegenstände der antiken, mittelalterlichen und modernen decorativen Sculptur im Kensington-Museum, von Westm acott. 40. lieber Gegenstände der orientalischen Decoration und ihre Verwendung für moderne Zwecke, von Wild. 41. lieber alte und neuere Muster der Buchbinderei, von J. Beck. 42. Heber Architectur-Gegenstände von farbiger und sonstiger äusserer Decoration, von Burg es. 43. lieber moderne Glasmalerei, von Gambier Barry. 44. Heber die Decoration von Kaphaels Logen im Vatican, von Pollen. Heberblickt man die Gegenstände der Vorlesungen, so erkennt man sofort, dass dieselben im Wesentlichen eine zweifache Tendenz haben: eines Theils betreffen sie Gegenstände der Kunst und Kunst- geschichte mit besonderer Kücksicht auf die Industrie, anderen Theils knüpfen sie an einzelne Zweige der Museen an, suchen auf die Be- deutung derselben noch besonders hinzuweisen und so die Anschauung derselben verständlicher und anregender zu machen. Die verschiedensten Lehrkräfte wirken bei den Vorlesungen mit; dieselben werden Morgens und Abends gehalten, zusammen etwa 80—100 im Jahre, und sind Theils frei, Theils werden sie bezahlt. Auf Verlangen können bestimmte Vorlesungen wiederholt werden. e) Zulassung zu der Kunstschule und dem Seminar in Kensington. a) Allgemeine Bestimmungen. 1) Schüler im Allgemeinen sind zugelassen so lange Raum da ist, gegen Zahlung von 4 £. Schulgeld bei einem Cursus von 5 Monaten, für einen Tag und Abend; von 2 £. für Tag; oder von 2 £. für einen Abend. Die Curse beginnen den 1. März und 1. October und enden den 31. Juli und letzten Februar. 22 Erster Theil. 2) Scliüler im Allgemeinen die ihr Schulgeld für zwei Curse bezahlt haben, sind, wenn sie die gesammten Prüfungen 2, Grades bestehen, berechtigt, in ihrer Classe für ein Jahr zugelassen zu wer- den gegen die Hälfte des sonst üblichen Schulgeldes. Sie sind be- rechtigt, dieses Vorrecht für ein zweites Jahr zu beanspruchen, wenn sie eine Medaille erlangt oder während des ersten Jahres irgend zwei von denjenigen Leistungen im Zeichnen und Malen prästirt haben, die zur Erlangung eines Zeugnisses 1. Grades für Lehrer gefordert werden. Liefern sie im 2. Jahr auch die übrigen Werke (für Zeichnen und Malen), so bekommen sie ein Anrecht auf diejenigen Vorrechte, welche sub 3 erwähnt sind. 3) Andere allgemeine Schüler, die ihr Schulgeld bezahlt haben, können verlangen, dann frei zugelassen zu werden, wenn sie in genügender Weise die Prüfungen in 3 beliebigen Objecten be- stehen, die zum ersten Zeugniss gehören; für Schülerinnen genügen 2 Objecte. Dies Vorrecht dauert ein Jahr und kann erneuert wer- den, wenn innerhalb dieser Zeit sämmtliche Objecte des ersten Zeug- nisses prästirt werden. ß~) mit Bezug auf Seminaristen. 4) Schüler, die den Antrag stellen, sich als Lehrer für Kunst- schulen anszubilden, persönlich geeignet sind, und genügend bewie- sen haben, dass sie im Besitz der erforderlichen allgemeinen Bildung sind, werden frei zugelassen, wenn im Seminar Stellen frei werden, vorausgesetzt, dass sie Leistungen einschicken in Geometrie, Per- spective, Freihandzeichnen, Zeichnungen nach der Natur von Pflanzen und Blättern und Zeichnungen nach Modellen, die von dem Director für gut befunden worden sind; statt dieser Gegenstände 'sind auch mehr vorgerückte Studien nach Antiken oder in der Malerei zulässig. Wenn solche Schüler das erste Zeugniss erhalten haben, sind sie wählbar zur Concurrenz für wöchentliche Stipendien, welche je nach den Fortschritten und den erlangten Zeugnissen 5 sh., 10 sh., 15 sh., 20 sh. oder 25 sh. per Woche betragen. Als Gegenleistung haben sie bestimmte Pflichten als Lehrer zu übernehmen und sind ver- bunden, in die Stellungen einzutreten, für welche sie von dem Ge- werbeschul-Amt empfohlen werden. System der Beihilfe. 23 Um Schülerinnen in der Erlangung der nötliigen Eigenschaften von Lehrerinnen auf dem G-ehiete der Kunst zu unterstützen, unterliegt auch die Zulassung von Erauen zum Seminar den obigen Bestim- mungen; sie können nach der Zulassung eine Geldbewilligung (Sti- pendium) erhalten in Höhe von 5 — 15 sh. wöchentlich (je nach dem Freiwerden von Stellen) auf die Dauer von höchstens 2 Jahren, um sie in den Stand zu setzen das Zeugniss 2. Grades zu erlangen. Berechtigen ihre Fortschritte zu Erwartungen, so können sie (nach Erlangung des Zeugnisses 2. Grades innerhalb der 2 Jahre) auf ein weiteres Jahr ein Stipendium erhalten, um auf das Zeugniss des 3. Grades hinzuarbeiten. Alle persönlichen Gesuche um Zulassung (auf Grund von Zahlung oder anderweit) werden bei dem Director eingereicht. Um einerseits talentvolle Schüler von Provinzial - Kunstschulen anzuregen, indem man ihnen Gelegenheit bietet, ihre Studien unter den günstigsten Verhältnissen zu beenden, und um andrerseits sich ein möglichst grosses Gebiet der Auswahl zu sichern, dem man die bestqualificirten Schüler zur Heranbildung zu künftigen Lehrern ent- nehmen kann, wird eine Concurrenz für freie Zulassung zu dem Semi- nar für alle Schüler von Provinzial- und andern Kunstschulen vor dem Anfang der Curse und auf Grund bestimmter Bedingungen eröffnet. Man erkennt sofort aus diesen Bestimmungen die Tendenz einer- seits Schüler überhaupt heranzuziehen, andrerseits sie anzusporiien, ihre Studien soweit als möglich fortzusetzen. y) mit Bezug auf Lehrer von Provinzial-Kunstscinilen. Es kam und kommt factisch vielfach vor, dass Lehrer in den Pro.vinzial-Kunstschulen angestellt sind, die blos ein Lehrdiplom 1. oder 2. Classe erlangt haben. Es erschien wünschenswerth, solchen Lehrern Gelegenheit zu geben, auch die Lehrdiplome höherer Classeii zu erlangen und sie so in den Stand zu setzen, auch auf den höhern Gebieten der Kunst an den Provinzialschulen Unterricht ertheilen zu können. Man gestattet deshalb einer bestimmten Anzahl solcher Lehrer jedes Jahr 4 Wochen lang ihre Studien in Kensingtoii zu 24 Erster Theil. genanntem Zwecke zu machen. Das Gewerheschul-Amt sorgt während dieser Zeit für Vertretung des Lehrers durch einen tüchtigen Semina- risten, den das Local-Comite zu honoriren hat, zahlt dem Lehrer die Kosten der Keise nach London und wenn er sehr fleissig gewesen ist, auch die der Eückreise. Wo es geeignet erscheint, kann der Lehrer auch von seinem Hilfslehrer während seiner Abwesenheit vertreten werden. Gedenkt ein Lehrer der oben bezeichneten Art von diesem Eecht Gebrauch zu machen, so macht er eine Eingabe an das Secretariat in Kensington und fügt eine schriftliche Erklärung seines Local-Comites bei, dass diesem Vorhaben Seitens der Kunstschule nichts entgegensteht. Capitel 2. Die Museen und Sammlungen in Kensington. Eine der ersten Eigenthümlichkeiten Englands, die dem Eeisenden vom Continent aufzufallen pflegen, ist der Eeichthum an Museen und Sammlungen d. h. allgemein ausgedrückt der Zug der Engländer, alle wichtigen Kreise des menschlichen Wissens und Könnens in leicht übersehbarer Weise gleichsam realistisch zur Anschauung zu bringen. Dieser Zug hat seinen tieferen Grund im englischen Wesen und Geiste und zeigt sich namentlich in den wenigen Philosophen. Zuerst in Paco, dem ersten Philosophen, der die Scholastik aus der Philosophie verdrängte und auf Grund erfahrungsmässiger Katur- forschung und der Anwendung empirischer Induction sein System der Eealphilosophie aufbaute, in dem sich gewissermassen die Quint- essenz des englischen Geistes erkennen lässt. Sodann in Locke. Er wies in seinem Essay über das menschliche Erkenntnissvermögen nach, dass die Begriffe stufenweise in den Verstand kommen und keine anderen sich finden, als diejenigen, die ihm durch Wahr- nehmung der in seinen Gesichtskreis fallenden Dinge verschafft werden. Die Materialien unseres Denkens und Er- kennens stammen aus der Erfahrung, aus der Wahrnehmung, und geben Grundlage und Stoff zu der unendlichen mannigfaltigen Bil- dung neuer Vorstellungen. Die erste Art der Erkenntniss ist ihm System der Beihilfe. 25 die anschauliche, die zweite erst die durch den Schluss vermit- telte, die demonstrative. Man erkennt hierin deutlich das Bestreben, an die Stelle gemachter und transcendenter Categorien die reale Darstellung zu setzen, ein Bestreben, das durch Hu me endlich zu einem strengen Empirismus ausgehildet wurde. Charakteristisch ferner für diese englische Auffassungs- und Darstellungsweise, die, aller Speculation fern, sich an das Glegehene hält, ist der Umstand, dass wiederum hei den Engländern jene eigen- thümliche Kunstform des „Essay” sich ausgehildet hat, der nament- lich unter Macaulay’s formgewandter Hand zu einem vollendeten Kunst- werk geworden ist. Im Essay handelt es sich um kein Princip, er kennt keinen speculativen oder philosophischen Ausgangspunkt, sondern geht realistisch lediglich von dem in der Wirklichkeit Gege- benen aus und haut aus ihm jene malerische, plastische, durchsichtige Darstellung von Objecten und Personen auf, in ihren Zusammen- hängen mit dem Organismus und der Zeit, denen sie entwuchsen. In der That, jedes der englischen Museen ist für sein Gebiet eine Art Essay; es kommt in der Darstellung eines bestimmten Zweiges der Kunst und Wissenschaft nicht nur sein eigenes Wesen zur Erscheinung, sondern es spiegelt sich darin die ganze Zeit ab, in der er blühte. Die einzelnen Gegenstände beseelen sich unter dem mächtigen Eindruck der Gesammtheit zu lebendigen Formen, zu sprechenden Zeichen ihrer Zeit, und der Blick, mit dem wir in einer kurzen Spanne Zeit die Arbeit von Jahrhunderten zu überschauen vermögen, macht uns wie ein Essay von Macaulay das Lernen zum Genuss, wenn er uns auch nicht die Mühe des Lernens zu ersparen vermag. — ^ Man kann nicht umhin, bei der Besprechung der Sammlungen des Kensington- Museums einen Blick auf den Crystall- Palast in Sydenham zu werfen, der recht eigentlich als ein Vorläufer des ersteren aufzufassen ist und als charakteristisches Beispiel, ja als Extrem für die Art und Weise der Engländer gelten kann, durch Anschauung zu lehren und zu lernen. Ich erwähne diesen „Palace of Art and EducatiorP blos insoweit er die Kunstgeschichte zur Dar- stellung zu bringen sucht. Er ist in dieser Eichtung von hohem 26 Erster Theil. Interesse, weil er zuerst den Yersuch gemacht hat, aus den verschie- denen Kunst-Epochen nicht Kunstgegenstände zu sammeln, sondern die wichtigsten und charakteristischen Denkmäler der verschiedenen Zeiten zu reconstruiren und dem Auge vorzuführen. Man kann hier, wie nirgends anders, schrittweise die Entwickelung der mensch- lichen Ideen in der Kunst, wie sie in den verschiedenen Stylarten zur Erscheinung kommen, an sich vorühergehen lassen. Man kann in der egyptischen Ahtheilung gleichsam das gi- gantische, colossale Wesen der egyptischen Kunst, entstanden unter dem Druck einer streng hierarchischen Keligion erkennen. An die Stelle jener überwältigenden Grösse, jener strengen Förmlichkeit der Egypter tritt in der griechischen Abtheilung jene wahre Einfachheit, Schönheit und Idealität. Die älteste egyptische Säule, wie man sie im Grabmal des Be ni Hassan sieht, ist roh, der Katur abgerungen; der Stoff hat noch sein felsenartiges, hartes, eckiges Wesen. In der griechischen Säule ist der rohe Stoff von der Schönheit der Form beherrscht; sie steigt graciös und elegant zum Licht empor, im vollen Bewusstsein der Bürde, die sie zu tragen hat. Und welcher Unter- schied ist zwischen den steifen, passiven, vierschrötigen egyptischen Königsgestalten und ihren Frauen und Töchtern; den assyrischen geflügelten Stieren , denen man aus ästhetischer Rücksicht in schreck- licher Verirrung 5 Beine gegeben hat — und zwischen der vergött- lichten Menschlichkeit eines Apollo von Belvedere und der weiblichen Schönheit einer Venus von Milo. Im Alhambra Court kann man die überreichen Arabesken und farbigen Stuckatur - Arbeiten und Mosaikfussböden der maurischen Architectur überschauen und so weiter bis zum byzantinischen Styl Vordringen, dem Beginn der christlichen Architectur und seinen Modificationen in der mittelalterlichen Baukunst Deutschlands, Eng- lands, Frankreichs und Italiens, bis zur Renaissance-Periode. Alle andern Darstellungen des Crystall-Palastes, auf den die Engländer so stolz sind, übergehe ich. Es ist an sich ganz schön zu sehen, wie dort Typen der verschiedenen Menschenracen zur Anschauung gebracht werden, auf einem charakteristischen Stück ihres Landes und umgeben von den Thieren und Pflanzen, die System der Beihilfe. 27 letzteres erzeugt; es ist dankenswerth alle berühmten Statuen der antiken und modernen Welt in Abgüssen hier zusammen überschauen zu können; Copien von jenen indischen Fresken zu finden, welche Scenen aus dem Leben Buddha’s und Buddhistischer Heiligen darstellen u. s. w. Aber der ganze Crystall-Palast krankt an einem grossen Fehler: er gibt zu viel. Non multum sed multa ist sein Wahlspruch. Dazu kommt, dass die Engländer in der Systemati- sirung, weil sie eine Art Abstraction ist, nie viel geleistet haben, und dass deshalb das Viele sehr schlecht geordnet ist. So sieht man denn z. B. zur Linken eine Gruppe Lappländer auf einer Schnee- fläche, im Hintergrund künstliche Eisberge mit Bären; vor sich eine Zusammenstellung von Sonneberger Spielsachen; zur Eechten die Statue Friedrich II. von Rauch u. s. w. — kurz ein Zusammen- würfeln aller möglichen Dinge, wie es nur in England verkommen kann. Und wenn die Engländer auf ein derartiges Institut stolz sind, weil es viel kostet, und von riesiger Ausdehnung ist, und Alles enthält was seit Erschaffung der Welt von Wichtigkeit war, von den plumpen Sauriern der Juraformation bis zu den Dampf- pflügen neuster Construction — so lasse man ihnen dies unschuldige Vergnügen. — Ungleich mehr wird Jeder durch die Sammlungen im Kensington- Museum angezogen werden, welche nach der zweifachen Aufgabe des Gewerbeschul- Amtes in zwei Abtheilungen zerfallen: in die für die wissenschaftliche, und die für die eigentlich künstlerische Aus- bildung. Die Abtheilung für Wissenschaft umfasst: 1. Die Sammlung von Schul- und Unterrichts-Gegenständen. Dieselbe soll alle neuen Erscheinungen des In- und Auslandes auf dem Gebiete des gesummten Schul- und Unterrichts wesens, namentlich Unterrichtsmittel, Apparate, Werke und bewährte Me- thoden eines anschaulichen Unterrichts, auf einem Punkte vereinigt, zur Anschauung bringen. 2. Das Museum der Constructions- und Baumaterialien. Dasselbe enthält zuerst die wichtigsten Materialien, als Steine, 28 Erster Theil. Gemente, Eisen, Glas, Holz etc., welche heim Bau und zwar sowohl heim Eohhau, wie hei der Decoration zur Verwendung kommen, sodann eine Sammlung von Modellen, Stichen und Photographien der berühmtesten architectonischen Denkmäler alter und neuer Zeit, und eine Darstellung aller neuen wichtigen Erfindungen und Ver- besserungen auf dem Gebiete des Bauwesens. 3. Die Sammlung thierischer Eohstoffe und Producte. Dieselbe bringt in sehr ! übersichtlicher Weise die wirthschaft- lichen Verwendungen sämmtlicher Substanzen aus dem grossen Ge- biete des Thierreichs zur Anschauung und lässt auf einen Blick die unzähligen Fäden erkennen, mit denen die menschliche Existenz auf dem Gebiete der Industrie, der Kunst, des Handels u. s. w. mit dem Thierreich verknüpft ist. 4. Das Museum der Nahrungsmittel. Dieses lehrt die Natur, Zusammensetzung und Quellen der Nahrungsmittel kennen, welche die Menschen zum Lebens-Unterhalt nöthig haben, und stellt zugleich säinmtliche Stoffe zusammen, welche zur Fälschung der Nahrungsmittel verwendet werden. 5. Die Sammlung von Modellen und Darstellungen patentirter Erfindungen enthält eine Eeihe sorgfältig gearbeiteter, vorzugsweise das Maschinen- wesen betreffender Modelle, zur Veranschaulichung der wichtigsten Erfindungen, welche auf diesem Gebiete in England patentirt wor- den sind. 6. Die Sammlung von Schiffsmodellen. Dieselbe veranschaulicht durch Modelle ganzer Schiffe und ein- zelner Schiffstheile die geschichtliche Entwickelung der Schiffsbau- kunst von den Zeiten Heinrich VII. (1512) bis auf die Gegenwart. Die Abtheilung für Kunst umfasst: 1. Das Museum für ornamentale Kunst. Dasselbe sucht die Geschichte, Theorie und practische Anwen- dung der decorativen Künste auf dem Gebiete der Nützlichkeit und des practischen Lebens durch reiche Sammlungen von Kunstgegen- ständen aus den genannten Gebieten zur Anschauung zu bringen. 29 System der Beihilfe. 2. Die Sculpturen britischer Künstler. Diese Abtheilung ist gegenwärtig blos eine Ausstellung von Werken lebender Künstler, und soll mit der Zeit dahin erweitert werden, dass sie die Geschichte der britischen Bildhauerkunst illustrirt. 3. Das Architectur-Museum. Dieses soll durch Modelle und Photographien von mustergiltigen Baudenkmälern und Architectur- Details die Möglichkeit gewähren, die Baustyle der verschiedenen Zeiten und Länder studiren zu können. 4. Die Bildergallerien britischer Künstler. Diese bestehen gegenwärtig aus 483 Oelbildern und 500 Aquarellen, sollen die britische Malerei möglichst vollständig repräsentiren und so den industriellen Künstlern Gelegenheit geben, sich an grossen nationalen Kunstschöpfungen zu begeistern. 5. Die Bibliothek der Kunst-Abtheilung. Diese umfasst gegenwärtig etwa 15,000 Bände und eine reiche Sammlung von Stichen, Zeichnungen und Photographien aus dem Gebiete der Architectur, der Ornamentik etc. Sie hat den Zweck, in jeder Dichtung den Geschmack in seiner Anwendung auf die industrielle Kunst zu entwickeln und zu bilden und sucht deshalb alle Werke des In- und Auslandes anzuschaffen, welche die Ent- wickelung der nützlichen Künste und Gewerbe in ihren Beziehungen zu den häuslichen und persönlichen Verfeinerungen fördern. — Es mögen diese wenigen Kotizen zur vorläufigen Orientirung über die Bestandtheile des Kensington- Museums hier genügen. Im zweiten Theil dieses Werkchens findet man jede einzelne Sammlung im Detail beschrieben. Capitel 3. Errichtung von Local-Kunstschnlen. a) Bestimmungen für die Errichtung. Kunstschulen können überall eingerichtet werden, wo sich geeignete 30 Erster Theil. Räumlichkeiten finden; existiren solche noch nicht, so finden die Bestimmungen in Cap. 4 Anwendung. Sobald an einem Orte das Bedürfniss entsteht, eine Kunstschule zu errichten, oder mehre Orte zu diesem Zwecke sich vereinigt haben,*) bildet man ein Comite. Dies macht nach einem vorge- schriebenen Formular eine Eingabe an das Secretariat in Kensington, bezeichnet einen Lehrer, bittet um Ablassung von Abgüssen, Yor- legeblättern etc. zu den üblichen ermässigten Preisen (cf. sub 12.), erklärt sich bereit, für reinliche, warme und helle Räumlichkeiten auf seine Kosten zu sorgen, die Schulgelder einzutreiben, dem Lehrer das entsprechende Honorar zu zahlen, die Schule zu überwachen, den Antheil der Kosten einer jährlichen Inspection und Prüfung von Seiten des Oewerbeschul-Amts zu tragen etc. und fügt die Zahl der Schulen und Schüler an, die mit der zu errichtenden Kunstschule behufs Unterricht im Elementarzeichnen in Beziehung gesetzt werden sollen. Das Comite kann entweder für die genannten Zwecke neu ge- bildet werden oder man wählt dazu eine bereits bestehende Corpo- ration z. B. eine Schul-Deputatioii. Ersteres hat sein Augenmerk besonders auf zwei Dinge zu richten: 1. Auf Gründung einer Kunstschule für Industrielle mit Unter- richt in den Abendstunden für Handwerker und solche, welche die Absicht haben, ihre Kenntnisse auf dem Gebiete der Kunst möglichst zu erweitern. 2. Muss es dahin streben, die Elemente der Kunst in allen existirenden Unterrichts- Anstalten der Umgebung, seien sie privater oder öfientlicher Natur, als Unterrichtsgegenstand einzuführen. In dieser Beziehung bildet die Kunstschule den Mittelpunkt und das Organ für das Gewerbeschul-Amt und heisst deshalb oft Districts- oder Centralschule ; gegenüber der Centralschule in Kensington heisst sie Local-Kunstschule. Dies findet nur statt, wenn in einer einzelnen Stadt genügende Be- schäftigung für einen Kunstlehrer nicht existirt; dann kann derselbe Lehrer von mehreren Orten benutzt werden. System der Beihilfe. 31 Das Gewerbescliiil-Amt prüft die Yerhältnisse, und wendet ans dem Bereich der ihm zur Disposition stehenden Mittel diejenigen dem Comite zn, welche es in diesem Falle für geeignet hält. Obgleich die vom Parlament bewilligten nnd von dem Gewerbe- schnl-Amt verwalteten Gelder zur Beförderung der Knust - Industrie die ansdrückliche Bestimmung haben, zur Heranbildnng indnstrieller Künstler nnd znr Einführnng des Zeichnens in die Schulen für die arbeitenden Classen verwendet zn werden, so hat man doch auch den mittleren nnd höheren gesellschaftlichen Ständen gegen Zahlnng höhern Schulgeldes gestattet, den Unterricht in den Knnstschnlen zn benutzen nnd Preise nnd Medaillen zn erwerben. Es wird nuten snb c speciell nachgewiesen werden, wie sehr diese Massregel dazn diente, die Einnahmen ans den Schnlgeldern zn steigern nnd so die Knnstschnlen immer mehr dem Ziele zn nähern, nnabhängig zn werden. b) Bestimmnngen über die Lehrart, das Schulgeld etc. in den Knnstschnlen. Der Unterricht in den Knnstschnlen findet so viel als möglich in Classen statt. Die Lehrer erhalten im Kensington-Seminar speciellen Unterricht in der Lehrart mittelst Tafel nnd mündlichen Vortrag, als die geeignetste für geometrisches, perspectivisches nnd Freihandzeichnen. In jeder Schnle sollen mindestens 3 Classen existiren, eine für elementaren Unterricht, eine für höhern Unterricht nnd eine für technische Studien. Der Unterricht ist vom Lehrer in Cnrsen zn ertheilen, von denen jeder mindestens 3, am besten 5 Monate umfassen mnss. Den Lehrern ist besonders empfohlen auf die Industrie der Um- gebung beim Unterricht specielle nnd eingehende Kücksicht zn neh- men nnd Gegenstände in den allgemeinen Cnrsns mit anfznnehmen, welche dazn angethan sind, nach der Kichtnng dieser Industrie hin nützlich zn wirken. Znr Information des Pnblicnms nnd der Schüler ist es für sehr wünschenswerth erachtet nnd dringend empfohlen worden, dass immer- ährend eine Anzahl von Zeichnnngen etc. öffentlich in den Knnst- schnlen anshängen, welche vollständig die 23 verschiedenen Ab- 82 Erster Theil. tlieilungen des gesammten Unterrichts und seiner speciellen Curse illustriren, auch die Arbeiten speciell erkennen lassen, für welche National- und andere Medaillen und Preise ertheilt werden. Bei neu eingerichteten Schulen werden zum Ankauf der erforderlichen Zeichnungen vom Grewerbeschul - Amt entweder bestimmte Unter- stützungen gewährt, oder vollständige Illustrationen des gesammten Cursus so lange geliehen, bis sie durch die Zeichnungen der Schüler hergestellt werden können. c) Statistik der Kunstschulen. Die Resultate über die mit staatlicher Beihilfe errichteten Kunst- schulen ersieht man aus der nachstehenden Tabelle. Die in Col. 2 bis zum Jahre 1851 in den einzelnen Städten begründeten Schulen waren Musterzeichenschulen nach dem alten System (cf. S. 7), die jedoch später nach den neuen Principien des Gewerbeschul - Amts umgemodelt wurden. Vom Jahre 1852 ab ersieht man sofort die intensive Zunahme von Kunstschulen. London ist in den betreffenden Jahren *so viel Mal als Stadt mit der auf jede Schule fallenden Ein- wohnerzahl aufgeführt worden, als in einzelnen Stadttheilen Kunst- schulen errichtet worden sind. Nimmt man die städtische Bevölkerung des Vereinigten König- reichs auf 14,500,000 Menschen an, so sind nach Col. 3 der Tabelle 7,747,000, also über die Hälfte der gesammten städtischen Bevölke- rung mit Kunstschulen versorgt. Einen interessanten Einblick in die Vortheile des neuen, auf Selbstthätigkeit der Bevölkerung beruhenden Systems der staatlichen Beihilfe gegenüber dem alten System der Musterzeichenschulen, die beinahe ausschliesslich vom Staate unterhalten wurden, gewähren folgende statistische Daten: In den Muster- In den Kunstschulen. zeichenschulen. ^ 1851. 1859. 1863. Zahl der Schüler .... 3,296 67,282 87,389 Ein Schüler kostete dem Staat im Durchschnitt . . . 20 20 3.^10J^s^. 2 .% 20 System der Beihilfe. 33 Es vermehrten sich also die Schüler um das 29 fache, während die Kosten pro Schüler um das 10 fache ahnahmen. Jahr der Errich- tung der Kunst- schulen. 1. Zahl der Städte, in denen solche erricht, wurden. 2. Bevölkerung der Städte nach der Zählung von 1861. 8 . Zahl der in öfifntl. und and. Schulen Unterr. (1862.) 4. Zahl der in Cen- tralschl. Unter- richtetn. (1862.) 5. Gesamml- zahl der Unter- richte- ten. 1 (1862.) , 6. ! Es wu zuerks Local- Medaiilen 1861/62. 7. rden innt National- Meilaillen 1862 8. Bemer- kungen, 1842 4 908264 4601 1587 6188 101 12 Die Angaben 1843 2 259688 2465 584 3049 47 3 für die Jahre 1863 u. 64 in 1844 2 150938 1274 516 1790 44 7 den Col. 4, 5 1845 1 395503 2071 994 3065 23 2 u. 6 sind aus 1846 3 281567 3461 401 3862 47 2 den Report pro 1864. 1847 2 114602 997 230 1227 41 25 1848 1 47419 840 157 997 50 7 1849 1 249733 640 330 970 17 2 1850 1 101434 276 259 535 20 1 1851 2 67218 1496 427 1923 30 5 1852 3 92498 1148 345 1493 30 2 1853 25 2547363 19328 3053 22381 251 29 1854 12 745352 7373 1508 8881 138 5 1855 5 506991 3827 1113 4940 36 2 1856 6 135225 4673 930 5603 57 3 1857 5 187251 3073 555 3628 59 . 2 1858 6 284964 4666 1017 5683 60 12 1859 5 181532 2932 640 3572 50 — 1860 6 162029 2939 819 3758 57 1 1861 4 210103 2343 482 2825 18 ' — 1862 2 15398 410 110 520 — — 1863 3 68408 2074 381 2455 35 2 1864 3 22552 301 129 430 7 — 101 7746737 I 73208 16567 89775 1179 1 92 I ' Capitel 4. Gewährung von Hilfe zu Bauten für Kunstschulen. Existiren an einem Orte keine geeigneten Clehäude zu einer Kunstschule, so ist das Gi-ewerheschul-Amt autorisirt, zur Herstellung derselben Bewilligungen zu machen, die jedoch 2 sh. 6 d. per □ Fuss Fläche oder ein Maximum von 500 in keinem Falle überschreiten dürfen. Die Höhe der Zuschüsse richtet sich nach dem Werth und der Nützliclikeit des einzelnen Falles. Man fordert in solchen Fällen Pläne nach einem vorgeschriebenen Massstabe, mit speciellen Daten Schwabe, Kunst-Industrie. 3 34 Erster Theil. und Kosten- Anschlägen ein, die wenn sie geprüft und für gut befunden worden sind, untersiegelt und zum Gebrauch zurückgeschickt werden. Die Bedingungen, unter welchen Bewilligungen zu Schulbauten gemacht werden, sind genau vorgeschrieben. Die Schulen müssen auf mindestens 50 Schüler berechnet sein, und für diese Grösse ist die Anzahl der Zimmer, deren Art, die Beleuchtung und die Ein- richtung speciell angegeben. Auch finden sich genaue Beschreibun- gen und Abbildungen über Neigung und Höhe der Zeichenpulte, der Ständer und sonstiger Schulmaterialien. Ausser den von dem Gewerbeschul- Amt gewährten Yortheilen gemessen die Bauten zu Kunstschulen noch die Yortheile, welche durch die ,yPuhlic Libraries Act v. 30. July 1855“ und die ,^Literary and Scientific Institutions Act v. 11. Aug. 1854 gewährt werden. Die erstere hat den Zweck, die Errichtung von freien, öffentlichen Biblio- theken und Museen möglichst zu befördern, die zweite gewährt für Errichtung von Instituten zur Förderung der Literatur, der Wissen- schaften und schönen Künste grosse Yortheile und freien Spielraum und sorgt für eine bessere Handhabung derselben zu Gunsten des Publicums. Capitel 5. Gewährung von Geldmitteln an Vereine zum Unterricht in der Kunst. An Orten, wo die Errichtung von Kunstschulen den Yerhält- nissen nach nicht möglich ist, musste das Gewerbeschul- Amt darauf bedacht sein, anderweite Organe zu schaffen, durch welche es auf die Geschmacksbildung der gewerblichen Classen und des Publicums im Allgemeinen hinwirken konnte. Es erklärte sich daher bereit Hilfe und Unterstützung zu gewähren: a) AnYereine, welche sich um die industrielle Kunst und die Geschmacksbildung verdient machen. Geben solche Yereine einen Centralpunkt an, wo mindestens 5 Armenschulen der Umgegend vereinigt worden sind, die zusammen wenigstens 150 Schüler zur Prüfung stellen, so findet sich das Ge- werbeschul- Amt bereit, jährlich eine Prüfung abhalten zu lassen, Preise zu vertheilen und Zahlungen an den Yerein und die von ihm System der Beihilfe. 35 engagirten Lehrer zu leisten. Doch wird vorausgesetzt, dass die Lehrer ein Lehrdiplom 1. oder 2. Classe erworben und mindestens 107o der Geprüften die Censur „bestanden“ bekommen haben. h) An Local-Comites, welche in geeigneten Eäumlichkeiten Classen eingerichtet haben, zur Ertheilung von Unterricht in den Künsten. Man hat hierbei namentlich die Einrichtung von Ahendcursen für Handwerker im Auge. Treten die Lehrer solcher Curse mit den Armenschulen der Stadt oder des Districts in Beziehung, um da- selbst Unterricht zu ertheilen oder denselben zu überwachen, so werden vom Gewerbeschul-Amt dieselben Unterstützungen gewährt, wie oben bei den Vereinen. Auch können für solche Curse Bücher, Vorlegeblätter etc. von der Centralbibliothek leihweise gefordert werden. Capitel 6. Gewänrung von Stipendien an Seminaristen und Schüler. Man unterscheidet zweierlei Arten von Stipendien: Local-Schul- Stipendien {Local- Scholar sMps) und Kational-Stipendien {Natio- nal- Scholar ships). a. Die L ocal- Schul- S tipen dien. Bei dem Bestreben der Engländer, das Zeichnen zu einem Be- standtheil der nationalen Erziehung zu machen, knüpften sie an alle existirenden Unterrichts-Anstalten privater und staatlicher Natur, namentlich auch an die öffentlichen Armenschulen an, und suchten in denselben das Zeichnen als Unterrichts-Gegenstand durch die dem Gewerbeschul-Amt zur Disposition stehenden Mittel einzuführen. Die Beziehungen des Letztem zu den verschiedenen Unterrichts- Anstalten wurden theils durch Local - Kunstschulen , theils durch Zeichen- Vereine vermittelt. NatüiTicli musste bei dieser ungemein gesteigerten Nachfrage nach Zeichen- Unterricht der Fall eintreten, dass es an Lehrkräften mangelte. Man nahm deshalb seine Zuflucht zu Lehr - Schülern. *) *) Lehi’-Schüler (pupü-teachers) heissen diejenigen talentvollen Schüler höherer Classen, welche zum Ertheilen von Unterricht in den niedern Classen verwendet werden. 3 36 Erster Theil. Um solche zum Lehren herangezogene Schüler zu veranlassen, sich ein positives Mass von Lehrfähigkeit anzueignen, stellte man ihnen hei den Local-Kunstschulen Stipendien in Aussicht. Man erhöhte also damit das Mass des Unterrichts hei den verschiedenen Schulen und gewährte dem Kunstlehrer hei der Leitung und Ertheilung des- selben Beihilfe. Das Gewerheschul-Amt unterstützt die Bildung solcher Schul- stipendien, indem es zu den Schulfonds jeder Kunstschule 6 d. pro Jahr für jedes Kind einer Armenschule zahlt, dem Zeichen - Unterricht ertheilt worden ist. Nach einigen Jahren werden die Local-Comites angehalten, bestimmte Theile der Ausgaben für Schulstipendien aus den Schulgeldern der Kunstschulen zu decken. Local-Schulstipendien werden für ein Jahr ertheilt und können unter bestimmten Bedingungen erneuert werden. Der Bewerber muss bestimmten Anforderungen in Bezug auf seine Leistungen ge- nügen, namentlich die 4 Blätter Zeichnungen, welche für das Lehr- diplom 2. Grades vorgeschrieben sind, fertigen, und hat, wenn er das Stipendium erhält, den Lehrer beim Zeichen -Unterricht in den Armenschulen und in der Central - Kunstschule des Districts zu unterstützen. Die Zahl solcher Local -Stipendien richtet sich nach der Zahl der Kinder, denen in den Armenschulen, in Verbindung mit der Local-Kunstschule Zeichen -Unterricht ertheilt wird, und zwar wird für jede Anzahl von Kindern unter 1000, denen nach dem Zeugniss des Inspectors des Gewerbeschul- Amts Zeichen -Unterricht ertheilt worden ist, ein Stipendium gewährt; für 1000 — 2000 Kinder 2, und so für jedes zukommende 1000 weiter 1 Stipendium. b. National-Stipendien. Dieselben haben den Zweck, Schülern von Kunstschulen, welche bereits etwas vorgeschritten sind, specielle Befähigung beweisen und Kunst-Industrielle entweder sind oder werden wollen, die Möglichkeit zu geben, ihre Studien im Kensington - Seminar zu vollenden. Es werden zu diesem Zweck eine Anzahl solcher Stipendien, nicht System der Beihilfe. 37 mehr als 15 jährlich, ausgesetzt, um welche sich geeignete Schüler aus sämmtlichen Local - Kunstschulen bewerben können. Diese Stipendien werden blos auf ein Jahr ertheilt und können nicht erneuert werden. Die Bewerber müssen bestimmten Anforde- rungen entsprechen, auch ein Muster einreichen, welches von ihnen für irgend einen Industriezweig entworfen worden ist. Jeder Schüler, der ein Stipendium erhalten hat, steht unter dem Director des Se- minars, und hat täglich von 10 — 4 in der Abtheilung für ornamentale Kunst seine Studien zu machen. Die Frequenzlisten und Studien jedes Stipendiaten werden in der Mitte und am Ende jedes Semesters dem General-Inspector vorgelegt, und wenn dieselben nicht günstig sind, wird das Stipendium nicht weiter gewährt. Das Gewerbeschul - Amt gewährt jedem solchen Schüler zum Lebens-Unterhalt während der 10 Arbeitsmonate des Jahres 1 per Woche, vorausgesetzt, dass sein Besuch ein regelmässiger ist und seine Studien einen befriedigenden Verlauf nehmen. Uebrigens hat das Gewerbeschul- Amt die Hoftnung ausgesprochen, dass der Werth dieser Stipendien für die verschiedenen Orte mit der Zeit so in die Augen springen werde, dass die Local -Comite’s sich bereit finden werden, die Kosten derselben entweder theilweis oder ganz zu übernehmen. Capitel 7. Jährliche Local-Inspectiouen imd Prüfungen mit Vertheilung von Preisen an Schüler. ln jeder Kunstschule oder Kunstclasse für den Unterricht im Zeichnen werden durch das Gewerbeschul-Amt jährliche Inspectionen und Prüfungen abgehalten. Bei Gelegenheit derselben werden Me- daillen und Preise an die Schüler vertheilt und Geschenke von Mustern, Büchern etc. an die Kunstschule gemacht (cf. Cap. 9). In den öffentlichen Schulen für die Armen werden ebenfalls Prü- fungen veranstaltet, entweder in Verbindung mit der Kunstschule oder einem andern Mittelpunct, wo eine genügende Anzahl von Kindern behufs der Prüfung zusammengebracht werden kann. Diese Prüfungen sowohl, als andere, welche von dem Gewerbe- 38 Erster Theil. schul- Amt abgehalteii werden, stehen allen Personen offen, mögen dieselben ihre Bildung durch Kunstlehrer oder auf sonst einem Wege erlangt haben. a. Prüfungen in den Elementen der Zeichenkunst. Jede Schule, welche die Absicht hat, ihre Kinder prüfen zu lassen, giebt dem Secretariat des Gewerbeschul -Amts Nachricht; ebenso jeder andere Schüler, der sich dei dieser Gelegenheit einer Prüfung mit unterwerfen will, seine Bildung aber anderswo als in der Schule erlangt hat. Die Prüfungen finden für 2 Stufen der Ausbildung im Elementar -Z eichnen statt. Die erste fordert eine leichte Bleistiftzeichnung nach einem Yorlegeblatt, blos in Conturen, eine Conturzeichnung nach einem Körper, z. B. einem Würfel, und einige leichte Aufgaben der practischen Geometrie. Die Preise für diese Stufe bestehen in Büchern, Zirkeln und Zeichen-Materialien, und haben den Zweck das Interesse für die Zeichenkunst in den Armenschulen anzuregen ; deshalb werden sie an Schüler von Privat- schulen nicht vertheilt, die übrigens ein Zeugniss über ihre Fähig- keit durch das Local-Comite ausgestellt erhalten können. Die zweite Stufe fordert eine Freihandzeichnung nach einem Yorlegeblatt und nach körperlichen Gegenständen; ein Exercitium in der practischen Geometrie, der Perspective oder in dem mecha- nischen Zeichnen. Jeder, der in zufriedenstellender Weise allen Anforderungen der zweiten Stufe genügt hat, erhält ein Zeugniss ausgestellt. Die Preise für die zweite Stufe bestehen in Werken über Geo- metrie und Perspective, in Zeichen-Materialien und Geräthschaften, Eeisszeugen, Farbenkästen u. s. w. und kommen an Schüler aus allen Schichten der Gesellschaft zur Yertheilung. b. Prüfungen in den Kunstschulen. Ebenso finden in sämmtlichen Kunstschulen jedes Jahr Prüfungen für zwei Stufen der Ausbildung mit Preis vertheilungen statt. Die zuerkannten Preise bestehen theils in Zeichen-Materialien, Reiss- zeugen etc., theils in Medaillen. Die mit einer Schul-MedaiUe (Local System der Beihilfe. 39 Medal) gekrönten Arbeiten aus sämmtlichen inspicirten Schulen des Landes gehen nach London, bleiben dort im Kensington - Museum einige Zeit ausgestellt und concurriren um National - Medaillen (National Medaillons). Im 'Betreff der Vertheilung von Schul-Medaillen existiren folgende Bestimmungen : 1) Da es Sitte ist, die Arbeiten, welche um Schul-Medaillen concurriren, in Eahmen auszustellen, so sind für die Zeichnungen und Gemälde bestimmte Grössenverhältnisse vorgeschrieben. 2) Jede Arbeit hat eine gedruckte Etikette (die Eormulare werden von dem Gewerbeschul- Amt geliefert) , ausgefüllt und unter- zeichnet von dem Lehrer, zur Garantie, dass dieselbe von demjenigen Schüler selbstständig gemacht worden ist, dessen Namen sie 'trägt. 3) Die Gesammtzahl der Local -Medaillen, die in einer Schule zuerkannt werden kann, darf die Zahl 30 und in einer bestimmten Abtheilung die Zahl 3 nicht überschreiten. 4) Die beste Arbeit in irgend einer Abtheilung oder Section, welche eine Local -Medaille erhält, wird betrachtet, als hätte sie eine erste Medaille erhalten und nur diese Arbeit kann zur nationalen Preisbewerbung eingeschickt werden. Ausnahmsweise und bei be- sonderer Auszeichnung können zwei Arbeiten zur Bewerbung zuge- lassen werden. 5) Wer im Genuss eines localen Stipendiums ist, kann um Local-Medaillen nicht mit concurriren. Doch können die Werke von Stipendiaten zur National -Bewerbung bestimmt werden, wenn sie dessen würdig sind. Capitel 8. Nationale Preisbewerbungen. Die Zeichnungen und sonstigen Arbeiten, welche in Localschulen gefertigt und mit Medaillen gekrönt worden sind, werden einmal im Jahre zu einer Prüfung und Yergleichung unter einander zusammen- gebracht, die in Kensington stattfindet. An diejenigen Schüler, die das Beste geliefert, werden dabei National-Medaillen und Königs- preise vertheilt, und diejenigen Kunstschulen, wo sie unterrichtet 40 Erster, Theil. worden sind, erhalten Kunstwerke und Bücher im Werth von 10 — 30 £‘. zum Geschenk. Die Bedingungen für diese Preishe Werbung sind folgende: 1) Die Arbeiten, welche für die nationale Preisbewerbung aus- gewählt worden sind, werden von dem Ober-Inspector in Gemeinschaft mit den anderen Examinatoren geprüft und den Ausgezeichnetsten in dieser zweiten Concurrenz werden National -Medaillen zuerkannt. 2) Diese Medaillen können in keinem Fall die Zahl 100 über- schreiten für alle Kunstschulen des Yereinigten Königreichs. Die Höhe der Zahl bis zu diesem Maximum richtet sich nach der Vor- trefflichkeit der zusammengebrachten Werke. 3) Eine Medaille kann nicht zweimal an dieselbe Person in derselben Abtheilung oder Section zuerkannt werden, ausgenommen in Abtheilung 23. 4) Geldpreise können auf Empfehlung der Examinatoren für verdienstliche Werke in der Classe der angewandten Musterzeichnung zuerkannt werden. 5) Werke, denen National - Medaillen zuerkannt worden sind, werden für einige Zeit von dem Gewerbeschul-Amt zurückbehalten, damit sie in Provinzial -Kunstschulen ausgestellt werden können. Sie werden denjenigen Kunstschulen zugeschickt, die darauf antragen und zugleich dafür sorgen, dass sie auch dem Publicum zugänglich gemacht werden. — Um diejenigen Arbeiten und Leistungen, welche bei Bewerbung um Preise und Medaillen zulässig sind, sowie die Modelle und Stu- dienblätter, welche dabei benutzt werden dürfen, genau erkennen zu lassen, sind die 23 Abtheilungen des Unterrichtscursus speciell ana- lysirt worden. Die tabellarische üebersicht der Themata einerseits und der Hilfsmittel andrerseits gewährt einen sehr klaren Einblick in das Wesen und Getriebe des Unterrichts. Wir fügen dieselbe nachstehend mit folgenden Bemerkungen bei: 1) In den Abtheilimgen und Sectionen, die so f bezeichnet sind, finden Prüfungen um Preise statt, doch können diese Werke nicht um Medaillen concurriren. 2) Arbeiten in den Abtheilungen oder Sectionen, die so * be- System der Beihilfe. 41 zeiclmet sind, können um Scliul-Medaillen concurriren, aber nur die mit (N) bezeichneten sind für National -Medaillen zulässig. 3) In denjenigen Abtheilungen, die mit (N2) bezeichnet sind, können Schüler, die in einem frühem Jahre eine Schul-Medaille er- halten haben, ihre Werke zur National-Preisbewerbung einsenden. - 4) In denjenigen Sectionen der Abtheilung 23, die mit (A^3) bezeichnet sind, können Schüler Schul-Medaillen erhalten und die Werke zur National -Bewerbung in drei verschiedenen Jahren einsenden. A b t h e i 1 u n g e n. Muster, Studienblätter, Modelle etc., welche von den Schülern benutzt wer- den können, wenn sie Werke für Preis- bewerbung bearbeiten. 1. Linearzeichnen mit Hilfe -von Instrumenten: a. Linear-Geometrie f . b. Mechanisches und Maschi- nenzeichnen und Details der Architectur nach Vor- legeblättern f . c. Linear-Perspective f. 2. Preihand-Conturzeichnen nach Abtheilung 2. geradlinigenPormen, nach Mo- b. Trajan- Pries von Albertolli, dellen und y orlegeblättern : vergrössert. Tarsia, vergrössert. a. Gegenstände. b. Ornamente *. Abtheilung 3. 3. Preihand-Conturzeichnen nach b. Untere Partie des Pilaster der runden Objecten: Madeleine -Thür, oder Theile a. Modelle u. Gegenstände f. des Pfeilers von dem Grabe b. Ornamente *(N). Ludwig XII. 4. Schattiren von Plächen: Abtheilung 4. a. Modelle und Objecte. b. Antiker TriumpfwagenvomYa- b. Ornamente * (N). tican (Grüner S. 14) oder antike Säule vom Vatican. 42 Erster Theil. A "b t h e i 1 u n g e n. Muster, Studienblätter, Modelle etc., welche von den Schülern benutzt wer- den können, wenn sie Werke für Preis- bewerbung bearbeiten. 5. Scliattiren von runden Objec- ten oder körperlichen Gegen- ständen : a. Modelle und Objecte. b. Ornamente *{N). c. Zeit- lind Gedäclitniss- skizzen. 6. Zeiclmnng der menschlichen Figur und thierischer Formen nach Yorlegeblättern: a. in Conturen *. b. schattirt *{N). Abtheilung 5. b. Ornament vom Querbalken der Ghiberti-Thüren; oder Motive nach einem Abguss der Distel- pflanze. Abtheilung 6. a. Contur des Laokoon oder des farnesischen Hercules, Front- Ansicht, um 1 Zoll vergrössert. 7. Zeichnung von Blumen, Blät- tern und Gegenständen der i^a- turgeschichte nach flachen Mu- stern oder Yorlegeblättern: a. in Conturen. b. schattirt. 8. Zeichnung von menschlichen Figuren oder Thierformen nach Modellen oder nach der Hatur: a. Contur n. Abgüssen *(Y). b 1 . leicht schattirt. * b2. schattirt *(W2). c. Studien der menschlichen Figur nach nackten Mo- dellen *(iV2). d. Studien der menschlichen Figur drapirt * (N). Abtheilung 8. a. Contur eines Theiles eines Frie- ses vom Parthenon, bl. Hände, Füsse; Abgüsse von Masken etc. b2. Der Discuswerfer, oder Ger- manicus, oder Diana, jagend, e. Yor einem Inspector zu fer- tigen. System der Beihilfe. 43 A b t h e i 1 u n g e n. e. Zeitskizzeii und Skizzen nach dem Gedächtniss. * 9. Anatomische Studien : a. der menschl. Figur * (iY2). b. thierischer Formen *(A). c. von beiden, modellirt*(AT). 10. Zeichnung von Blumen, Blät- tern, Landschafts-Details und Gegenständen der Naturge- schichte : a. in Conturen * (N). b. schattirt *{N). 1 1 Malerei von Ornamenten nach Flächen oder Vorlegeblättern: 1 1 entweder in a„ monochrome Oel, Tempera b. in Farben (oderWasser- ' färben. * 12. Gemalte Ornamente nach Stichen etc.: a. in Monochrom, Wasser- farben oder Oel*(A^). 13. Malen nach Vorlegeblättern, Blumen, Stillleben etc.: a. Blumen oder Naturgegen- stände in Wasserfarben, Oel oder Tempera. * b. Landschaften. Muster, Studienblätter, Modelle etc., welche von den Schülern benutzt wer- den können, wenn sie Werke für Preis- bewerbung bearbeiten. Abtheilung 9. a. Die Knochen und Muskeln ein- gezeichnet in die Conturen des Discuswerfers oder in die des Germanicus. b. Einen von obigen modellirt in Halbrelief. Abtheilung 11. Schulen können sich mit hübschen Vorlegeblättern und Mustern für diese Abth. und Abth. 13 durch das Departement versorgen mit Hilfe der Schenkungen in Folge von National-Medaillen. Abtheilung 12. a. Granatäpfel von dem Ghiberti- Thor, oder Distelblätter nach Stichen. S. Abtheilung 11. 44 Er Ster Theil. A b t h e i 1 11 11 g e n. Muster, Studienblätter, Modelle etc, welche von den Schülern benutzt wer- den können, wenn sie Werke für Preis- bewerbung bearbeiten. 14. Malerei direct nach der Natur: a. Blumen, Stillleben in Was- serfarben, Oelod. Tempera ohne Hintergrund b. Landschaften. * 15. Malen von Gruppen als Far- ben-Compositionen : a. in Wasserfarben, Oel oder Tempera *{N2). 16. Malen der menschlichen Figur oder von Thieren in Mono- chrome nach Stichen: a. in Oel, Wasserfarben oder Tempera *{N). 17. Malen von menschl. Figuren oder Thieren in Farben: a. nach Yorlegeblättern. * b. nach der Natur, nackt oder drapirt * (iV^2). c. Zeitskizzen und Compo- sitionen. Abtheilung 16. a. Tanzendes Mädchen mit dem Kranz; Hochrelief für Panele, oder Germanicus oder Ajax ohne Helm. 18. Modelliren von Ornamenten: a. einfache nach Abgüssen. b. schwerere nach Abgüssen *(N). c. nach Zeichnungen. * d. Zeitskizzen nach Vorlege- blättern und aus dem Ge- dächtniss. Abtheilung 18. b. Theile des Halbrelief -Panels vom Grabmal Ludwig XII. u. s. w. System der Beihilfe. 45 A b t li e i 1 u n g e n. Muster, Studienhlätter, Modelle etc., welche von den Schülern benutzt wer- den können, wenn sie Werke fürPreis- bewerhung bearbeiten. 19. Modellireii von menschliclien Figuren oder Thieren: a. Elementar, nach Abgüssen von Händen, Füssen, Mas- ken etc. * b. schwerere Sachen , nach Abgüssen od. körperlichen Gegenständen *(N). c. nach Zeichnungen. * d. nach der Natur, nackt oder drapirt *(N2). 20. Modelliren von Früchten, Blu- men, Blattwerk und Gegen- ständen der Naturgeschichte nach der Natur *(A). 21. Zeitskizzen in Thon von menschlichen Figuren oder Thieren nach der Natur. 22. Elementares Musterzeichnen: a. Studien in der Behandlung natürlicher Gegenstände zu ornamentalen Zwecken *(A). b. Ornamentale Entwürfe zum Ausfüllen gegebener Flä- chen in Monochrome *(N). c. Dasselbe in Farben * (N). d. Studien geschichtlicher Style in Bezug auf Orna- Abtheilung 19. b. Bronce- Hercules; Discuswer- fer etc. Abtheilung 22. a. Ornamentale Analysis der Natur nach 2 Eichtungen: natürliche Grösse resp. Wachsthum und ornamentale Details, z. B. Wie- senklee (Lathyru& pratensis) ar- rangirt, um ein regelmässiges Sechseck auszufüllen ; oder die Stachelbeerpflanze zum Aus- füllen eines Kreis-Ausschnitts ; oder die Wald -Anemone (Ne- morosa) etc. 46 Erster Theü. A b t li e i 1 u n g e n. Muster, Stuclienblätter , Modelle etc., welche von den Schülern benutzt wer- den können, wenn sie Werke für Preis- bewerbung bearbeiten. mentik , gezeichnet oder modellirt *(A^). 23. Angewandte Musterzeiclinung, technische u. sonstige Studien : a. Maschinen- , Plan-, Kar- tenzeichnen nach wirk- licher Yermessung * (Y). b. Architecturzeichnen*(^^6). c. Flächen - Musterzeichnung =^=(Y3). d. Plastische Musterzeich- nung *(Y3). e. Modelliren, Stuckatur- Ar- beiten und Giessen. f. Lithographie. * g. Holzschneidekunst. * h. Porzellan - Malerei *(Y3). d. Ein Bogen mit Studien der egyptischen, griechischen und römischen Ornamentik; oder Studien der gothischen Orna- mentik in ihrem verschiedenen, reinen oder gemischten Auf- treten. Capitol 9. Geschenke von Kimstgegenständen und Büchern an Schulen, für Medaillen die ihren Schülern zuerkannt worden sind. Bei der anerkannt grossen Bedeutung, welche Museen und Bibliotheken für Kunstschulen haben, suchte das Grewerbeschul-Amt darauf hinzu wirken, durch Geschenke von Kunstgegenständen und System der Beihilfe. 47 Werken mit Kupfern etc. den Grund zn Local-Museen und Biblio- theken zu legen. Um auch in diesem Falle die Zuwendung nach dem Verdienste der einzelnen Schulen zu bemessen, wählte man als Motiv für dieselben die den Schüler jeder Schule zuerkannten Medaillen. In der That steht hierbei der Vortheil, welcher jeder Schule zufliesst, genau im Verhältniss zu der Stufe der Ausbildung ihrer Schüler. Für jede National - Medaille , doch nur für ein Maximum von 3 Medaillen, werden Kunstgegenstände bis zum Werth von 10 £., für jede Schul-Medaille werden Muster und Bücher im Werth von 10 sh. an diejenige Schule geschenkt, wo der prämiirte Schüler unterrichtet worden ist. Die Publicationen , welche die Medaillen begleiten, und die ßeihenfolge, in der sie den Kunstschulen zugetheilt werden, sind: Owen Jones'' Grammar of Ornament: Warnings Examples of Italian art; Gruner's sperimens of ornamental art, endlich Photographien und Electrotypen, wie sie durch das Kensington-Museum über die bedeu- tendsten Kunstwerke käuflich zu beziehen sind, üeber sämmtliche Eeproductionen und Copien von Kunstwerken durch Electrotypie, in Elfenbein-Masse und Gyps, durch Photographie u. s. w. existiren gedruckte Verzeichnisse mit Angaben der Preise, die sich verschie- den stellen, je nachdem die Copien vergoldet, plattirt, versilbert oder auf electrischem Wege in Kupfer, oder in Bronce herge- stellt sind. Die Liste von El kington*) enthält etwa 50 der schönsten Gegenstände z. B. den Schild von Cellini , Original im Windsor- Schloss, viele Gegenstände aus dem Louvre etc,; die Liste von Franchi*) enthält etwa 90 Gegenstände, die auf dem Wege der Electrotypie reproducirt sind. Photographien, schwarz und colorirt, existiren über die Krystall- und Emaille-Sachen im Louvre, über geschnitzte Möbel, über die Kafael-Cartons und Zeichnungen von Kafael, über italienische Sculp- Fabricanten, die mit der Anfertigung von Copien betraut sind. 48 Erster Theil. tiiren, über 50 Zeicbmingen von Holbein, die sich im Windsor-Schloss befinden u. s. w. Die Sammlung aller bis jetzt vorhandenen derartigen Copien von Kunstwerken ist übrigens stets im Kensington-Museum ausge- stellt und befindet sich an jedem Gegenstand eine Etikette mit der Preis-Angabe. Die bisher durch das Gewerbeschul-Amt veranlasste Herstellung solcher Copien ist nur als der erste Anfang auf diesem Gebiete zu betrachten. Wir werden später (Cap. 13.) sehen, wie man bestrebt ist, wegen des grossen Nutzens derartiger Copien für den Unterricht und die Geschmacksbildung dieselben im ausgedehn- testen Umfang für das Kensington-Museum zu gewinnen. Capitel 10. Geldprämien an die Kunstlelirer und Schul Vorsteher für die in den Schulen erzielten Resultate. Als man i. J. 1852 die Musterzeichenschulen reorganisirte und ein Departement für practische Kunst ins Leben rief, ging man gleich Anfangs von dem Grundsatz aus, dass die von dieser Behörde ge- gründeten Institute so weit als thunlich sich selbst unterhalten soll- ten. Man verliess daher das System, nach welchem die Lehrer mit festem Gehalt angestellt wurden. Die Zahlungen an dieselben sollten sich im Betreff ihrer Höhe nach den Kesultaten richten, die sie erreicht. Obgleich die von dem Parlament bewilligten Gelder die ausdrückliche Bestimmung hatten, zur Ausbildung der arbeitenden Classen verwendet zu werden, liess man doch auch Kinder der mitt- leren und höheren Classen in den damit gegründeten Schulen gegen Zahlung höheren Schulgeldes, in einzelnen Fällen bis zu 8 £• jährlich, zu. Auf diese Weise wuchsen die Schulgeldbeiträge von 3447 £. in 1852 auf 18,083 £. in 1862. Die Schulen geriethen dadurch in die Lage sich zum grossen Theil selbst zu unterhalten. In Uebereinstimmung mit diesen Tliatsachen wurden die Be- willigungen an die Kunstschulen immer mehr nach den Kesultaten bemessen, welche dieselben erzielt hatten, und namentlich auch die Zahlungen an die Lehrer nach diesem Princip regulirt. Je nach System der Beihilfe. 49 den verschiedenen Schulen, an denen die Lehrer gewirkt, wurden über die an dieselben zu leistenden Zahlungen folgende Bestim- mungen getroffen: A. Für Unterricht in den Armenschulen nach den Verord- nungen vom 24. Oct. 1862. I. Für jedes Kind, dem in solch einer Schule Zeichnen gelehrt worden ist, und das in einem oder mehreren Exercitien des 1. Grades „besteht,“ welche in Gegenwart eines Inspectors des Gewerbeschul- Amts gemacht worden sind, wird eine Zahlung von 3 sk geleistet. a. Wenn der Lehrer einer Armenschule, in der solch ein Kind Zeichnen gelernt hat, ein Lehr - Zeugniss besitzt, und allen Kindern Zeichnen lehrt, erhalten die Vorsteher der Schule (managers) 2 sh. für solch ein Kind und der Lehrer der Kunstschule, in der das Kind geprüft wurde, 1 sh., vorausge- gesetzt dass er den Unterricht überwacht hat. b. Wenn der Lehrer einer Armenschule kein Lehr-Zeugniss be- sitzt, aber beim Unterricht im Zeichnen Hilfe leistet, so er- halten die Vorsteher der Schule 1 sh. für solch ein Kind, und ein Lehrer der Kunstschule, der Unterricht ertheilt oder denselben überwacht hat, 2 sh. c. Jedes Kind, das geprüft ist und die Censur „ausgezeichnet“ erhält, bekommt einen Preis oder eine Prämie bestehend in Zeichen-Materialien. d. In jedem Jahre werden eine Anzahl von Bronce- Medaillen unter die Lehrer der Armenschulen vertheilt, deren Schüler in den jährlichen Prüfungen am Besten bestanden haben. II. Für jeden Lehrschüler, der in irgend einer der Aufgaben des 2. Grades besteht, wird eine Zahlung von 20 sh. geleistet. a. Diese Zahlung wird an die Vorsteher der Schule, in welcher der Lehrschüler engagirt ist, geleistet, vorausgesetzt dass der Lehrer derselben ein Lehr-Zeugniss besitzt, und dass der Lehrschüler während des vorausgegangenen Jahres von ihm unterrichtet worden ist, b. oder die Zahlung wird an den Lehrer der Kunstschule ge- leistet, vorausgesetzt dass der Lehrschüler während 4 Monaten Schwabe; Kunst-Iudiistrie. I 50 Erster Theil. des voraiisgegangenen Jahres in einer Kunstschule oder anders- wo zu ermässigtem Preise in seinem Unterricht gestanden hat. III. Die oben erwähnten Zahlungen werden hlos mit Bezug auf Kinder von Armenschulen durch die Kunstschule geleistet, mit der solche Schulen örtlich in Verbindung stehen. Pur die Anträge auf Zahlungen für den Unterricht suh A ist nachstehendes Formular üblich: Anspruch auf Zahlung auf Grund der Prüfung von Kindern und Lehrern in Armenschulen. Prüfung zu Datum Name der Armen- schiile. Name der Lehrer der Armen- scliulen. Anzahl der Lehrer mit Zeug- nissen der Lehr- fähigkeit. Zahl der Exami- nirten. Zahl der Lehrschü- ler,welche bestanden haben. Zahl der Kinder, die be- standen haben. Betrag der Forderung des Kunst- Lehrers. Betrag der Forderung der Vor- steher der Schule. ! i ! Summa Wir bescheinigen hiermit, dass obige Forderung in Ueberein- stimmung mit den Vorstehern der betreffenden Armenschule gemacht worden ist und dass die Bedingungen der Verordnung von 24. Oct. 1862 strict erfüllt worden sind. Lehrer Local-Secretär der Kunstschule zu Hierunter steht dann ein Prüflings - Attest des Gewerbeschul- Amts, auf Grund dessen die Zahlungs-Anweisung ausgestellt wird. B. Für den Unterricht in den Kunstschulen im Zeichnen, Malen, Modelliren etc. nach der Verordnung vom 17. März 1863 (No. 430). System der Beihilfe. 51 1. In jeder Kunstschule wird ein Fonds für Lehrer gebildet, an welchen alle Zahlungen einmal im Jahre durch das Gewerbe - schul-Amt geleistet werden. Dieselben werden vertheilt unter die mit Fähigkeitszeugnissen versehenen Lehrer und Lehre- rinnen in dem Verhältniss, wie das Local -Comite beschliesst. 2. Zahlungen werden geleistet lediglich für Schüler, welche Hand- werker sind, oder irgend einem Zweige der Industrie ange- hören, oder Lehrer resp. Lehrerinnen sind oder werden wollen. 3. Schüler, auf deren Leistungen der Lehrer Zahlungen bean- sprucht, müssen in den Schullisten eingetragen sein und min- destens 5 Monate innerhalb des der Prüfung vorausgehenden Jahres Schulgeld bezahlt haben. 4 . Das Comite der Verwaltung und der Schulvorsteher müssen bescheinigen, dass die Bedingungen, unter denen der Zuschuss bewilligt wird, genau erfüllt worden sind. 5. Nachstehende Zahlungen können gefordert werden: a. eine Summe von 10 sh. für jedes Exercitium 2. Grades in Freihandzeichnen, Modellzeichnen, Geometrie und Perspec- tive, welches in befriedigender Weise bei den jährlichen Prüfungen ausgeführt worden ist; b. eine Summe von 10 sh. für jede Leistung, die mit einer Local - Schul - Medaille gekrönt worden ist. Eine weitere Summe von 20 sh. für jede Arbeit in Abtheilung 8, section b2 u. c; 9, sec. a, b, c; 14a; 15; 17b; 19b, d, oder in irgend einer der Sectionen der Abtheilnng 22 u. 23, für die eine Schnl-Medaille zuerkannt worden ist. Weiter eine Summe von 10 sh. für jede Arbeit, wofür eine Medaille zuerkannt worden ist in den Abtheilnngen der Gruppen 2, 3, 4, 5 oder 6, vorausgesetzt ein Lehrer hat in diesen Gruppen Lehrfähigkeit erlangt; c. eine Summe von 50 sh. für jede Arbeit, der eine National- Medaille zuerkannt worden ist. Eine weitere Summe von 30 sh. für jede Arbeit in den Abtheilungen 8, sec. b2 u. c; 9, sec. a, b u. c; 14a; 15; 17b; 19b u. d; oder in irgend einer Section der Abtheilungen 22 u. 23, für die eine Na- 4 * 52 Erster Theil. tional-Medaille zuerkannt worden ist. Eine weitere Summe von 20 sh. für jede Arbeit, der eine National -Medaille zuerkannt ist in den Abtheilungen der Gruppen 2, 3, 4, 5 oder 6, vorausgesetzt ein Lehrer hat für diese Gruppen die Lehrfähigkeit; d. eine weitere Zahlung von 10 £. wird geleistet, wenn der Vorsteher einer- Kunstschule zur rechten Zeit den jährlichen Bericht vollständig einschickt, vorausgesetzt dass der In- spector bezeugt, dass die Eegister und statistischen Listen gehörig geführt und dass die Schul-Utensilien und Vorlege- blätter etc. in guter Ordnung sind. Der Schulvorsteher ist dafür verantwortlich, dass die Muster etc., die von Be- willigungen des Gewerbeschul- Amts angeschafft worden sind, sorgfältig behandelt werden; e. eine Summe von 15 £. für jeden Schüler, der in den vor- geschriebenen Leistungen und Prüfungen für ein Lehrer- Zeugniss 3. Grades besteht. Schüler werden zu keiner Prüfung für Erlangung der Lehrfähigkeit zugelassen, wenn sie nicht die beglaubigten Arbeiten aller Abtheilungen für den betreffenden Grad, den sie zu erlangen wünschen, eingeschickt haben. 6. Eine Summe von 5 £. wird jährlich an jede Schule gezahlt für die besten Entwürfe von Objecten der Manufactur-Industrie ; davon kommen Vs an den Lehrer, Vs an den Schüler, der den Sieg davon getragen hat. 7. Die Zahlungen werden sobald als möglich nach der jährlichen Inspection geleistet. 8. Sämmtliche hier erwähnte Zahlungen zu Gunsten von Kunst- schulen, werden nothwendiger Weise von Zeit zu Zeit modifi- cirt durch den Betrag, welchen das Parlament für diese Zwecke zu bewilligen beliebt. Pür die Anträge auf Zahlungen der vorgenannten Art ist nach- stehendes Formular üblich: Antrag des Lehrer der Kunstschule zu auf Zahlung für Handwerker etc. nach der Verordnung v. 17. März 1863. System der Beihilfe. 53 Name des Schü- lers. Beruf dessel- ben ev. des Vaters. 10 sh. fürjedes Exer- citium des 2. Grades. 20 sh. für jede zuer- kannte Schul- Medaille 20 sh. für jede Schul- Medaille in den Abthlgn 8b2,8 c, 9a, 9b,c, 14 a, 15, 17 etc., wie oben 10 sh. f. Lehr- fähig- keits- Atteste in den Gruppen 2, 3, 4, 5 u. 6. 15 £. für Werke des Zeugnis- ses 3. Grades. 5 £• für die besten Muster- Ent- würfe, wovon Va dem Schüler. 10 lür den jähr- lichen Bericht. Ge- sammt- summe. Folgen die nothwendigen Bescheinigungen des Local-Comite’s etc. Capitel 10. Circulation von Kiinstgegenständen und Büchern des Central- Museums nnd der Bibliothek in den Provinzen. a. Entstehung und Einrichtung des Wander-Museums. Jede locale Kunstschule ist berechtigt, Gregenstände der Kunst von dem Museum, und werthvolle Yorlegeblätter, Bücher etc. von der Bibliothek zu Süd-Kensington zu leihen; beide genannten Institute sind, so weit als thunlich, Leih - Institute für das ganze Königreich. __ Von diesem Gesichtspunkt gleich Anfangs ausgehend, kam man bereits i. J. 1854, namentlich in Folge der Ausdehnung, die das Museum nach allen Eichtungen gewonnen hatte, auf den Gedanken, eine Auswahl von Kunstgegenständen des letzteren unter den Kunst- schulen circuliren zu lassen. Man meinte, es würde der Unterricht dadurch wesentlich gefördert, die Bildung von Local -Museen ange- regt, der Geschmack des Publicums sehr gebildet werden, und machte deshalb die gewonnenen Schätze beweglich; man gab Millionen in 54 Erster Theil. der Provinz Gelegenheit, practische Studien auf dem Gebiete der industriellen Künste zu machen, die bisher hlos ein Privilegium derer gewesen war, welche in der Hauptstadt wohnen. Man traf aus jeder Ahtheilung des Museum seine Auswahl von Gegenständen, als : Glas, Spitzen, Metall-Arbeiten, Elfenbeinschnitzereien, Porzellangefässe, Webereien u. s. w., und sandte sie in einem gewissen Turnus nach denjenigen Localschulen, die darum baten und versprachen, den ihnen gestellten Bedingungen nachzukommen. So wurde denn nach und nach ein Wander-Museum (travelling Museum) organisirt, welches grossentheils aus Douhletten besteht und dem die Königin in huld- reicher Weise werthvolle Gegenstände heigegehen hat. Es ergab sich aus den betreffenden Berichten i. J. 1860, dass das Wander-Museum nach 26 Orten des Vereinigten Königreichs geschickt worden war, dass 306,987 Personen (meist Schüler von Kunstschulen) dasselbe besucht hatten und dass aus den Eintritts- geldern, welche die Local-Behörden erhoben hatten, 601 1 £• 7 10 d. gelöst w^orden waren. Obgleich die allerzerhrechlichsten Gegenstände, z. B. Porzellan und Glas wenigstens 360 Meilen per Bahn etc. ver- schickt und 56 mal ein- und ausgepackt worden waren, war doch kein Gegenstand zerbrochen oder beschädigt worden. Man zog daraus den Schluss, dass der Nutzen des nationalen Eigenthums an Kunstwerken jedem Theile des Königreichs zu- fliessen könne , und da die National - Kunstsammlungen des Ge- werheschul - Amts durch die Liberalität des Parlaments sehr ver- grössert worden waren, so beschloss man am 29. März 1860, das System des Wander-Museums zu revidiren, möglichst auszudehnen und soweit als möglich seine Kosten selbst aufbringen zu lassen. Für die Zukunft wurde durch die She epshank’sche Schenkung die Möglichkeit geboten auch Bilder und Stiche den circulirenden Objecten heizufügen, die man überhaupt wesentlich vermehrte und erweiterte. Ausser dem organisirten Wander-Museum, von dessen Inhalt eine detailirte Beschreibung folgt, können folgende specielle Gruppen von Gegenständen verschickt werden: 1. Stiche von Bildern der englischen Schule. 2. Holzschnitte, alte und moderne. System der Beihilfe. 55 3. Zeichnungen und Stiche für Wand-Decorationen. 4. Illustrationen zur Gleschichte der Gllasmalerei. 5. Gewehte Stoffe aus dem Mittelalter, dem Orient etc. 6. Antike und moderne G-efässe, 7. Aeltere und neuere Glaswaaren. 8. Arbeiten in Metall. 9. Möbel und Holzschnitzereien, illustrirt durch heigefügte Photographien und Zeichnungen. 10. Skizzen und Zeichnungen in Wasserfarben. 11. Oelgemälde älterer Meister. 12. Oelgemälde neuerer Meister. 13. Stiche und Kadirungen aus alter und neuster Zeit. 14. Moderne Gegenstände der Kunst-Industrie, namentlich auch vom Continent, — Broncen, Oefässe, Arbeiten in edeln Metallen etc. 15. Eine Auswahl dor Puhlicationen der Arundel- Society. 16. Photographien des Britischen Museums. 17. Photographien der Cartons von Rafael. 18. Photographien von Zeichnungen alter Meister. 19. Photographien von Gegenständen der decorativen Kunst, hauptsächlich von ausländischen Museen und Privatsamni- lungen (verschiedene Serien). 20. Photographien von Gemälden, Wand-Decorationen etc. und Zeichnungen derselben. 21. Photographien und Zeichnungen von Gegenständen der Architectur. ^ Die Bedingungen, unter denen das Wander- Museum hei den einzelnen Kunstschulen circuliren kann, sind folgende: 1 . Von dem Comite der Local-Schule müssen entsprechende Ein- richtungen getroffen werden, die von dem Gewerheschul-Arnt vorher gebilligt werden müssen, behufs der gehörigen Aus- stellung der Sammlung während einer bestimmten Zeit, für die Schüler und das Publicum, sowohl am Tage, wie Abends. 2. Das Comite muss versuchen zur Ergänzung der Ausstellung 56 Erster Theil. entsprechende Gegenstände aus Sammlungen von Privaten aus der Umgegend geliehen zu erhalten. 3. Schüler und Handwerker, welche Mitglieder der Kunstschule sind, haben freien Zutritt; alle übrigen Personen zahlen ein massiges Eintrittsgeld, welches am Tage höher sein soll, als Abends. Um Handwerkern, die nicht zur Kunstschule gehören, und Andern, die während des Tages beschäftigt sind, die Möglich- keit zu geben, die durch die Sammlung gebotenen Vortheile zu gemessen, darf das Eintrittsgeld an zwei Abenden der Woche nicht mehr als 1 Penny pro Person betragen. 4. Von den Einnahmen der Ausstellung werden folgende Verläge des Gewerbeschul- Amts bestritten: a. Alle Ausgaben für den Transport der Ausstellungsgegen- stände von dem letzten Ort der Ausstellung. b. 1 £. täglich für jeden Ausstellungstag an den Beamten, der im Local die Aufsicht führt. c. Von dem Ueberschuss kommen 10 ”/o Tantieme an den Beamten, der die Aufsicht führt. d. Bevor die definitiven Entscheidungen getroffen werden, das Wander-Museum einer Kunstschule zugehen zu lassen, bereist der Aufsichtsbeamte den Ort und berathet mit dem Comite über die Localitäten, die Aussichten, geeignete Kunst- gegenstände von Privaten geliehen zu erhalten, und steht überhaupt dem Comite mit seinen Erfahrungen bei, um soweit als möglich ein erfolgreiches Kesultat herbeizuführen. e. Der Best der Einnahmen steht zur Disposition des Local- Comite’s. 5. Die oben sub 1 — 21 genannten speciellen Gruppen von Kunst- gegenständen werden, unter denselben eben auseinanderge- setzten Bedingungen, nur dann vom Museum in Circulation gesetzt, wenn es in bestimmten Fällen geboten erscheint, und von bestimmten Districten, denen solche Special-Studien von Nutzen sind, verlangt wird. 6. Ausnahmsweise Anträge auf Ausstellung von Orten, wo keine Kunstschule existirt, können blos bis zu einer bestimmten System der Beihilfe. 57 Grenze Berücksichtigung finden und werden je nach dem Nutzen, der dadurch gestiftet wird, erledigt. Die allgemeine Einrichtung und Aufstellung des Waiider-Museums betreffend, so vertheilt sich dieselbe in folgender Weise: 1. Zehn Glaskästen, welche die grössere Anzahl der Gegenstände enthalten, sind so constriiirt, dass sie zusammenpassen und 2 Eegale bilden, welche darauf berechnet sind, das Centriun des Zimmers einzunehmen. Diese Kästen stehen auf Unterlagen, die aus vier- eckigen Kästen gebildet werden, in welche solche Theile der Samm- lung gepackt werden können, die nicht unmittelbar in Gebrauch sind. Jedes dieser Kegale ist 12 Fuss lang, 6 Fuss breit und 7 Fuss hoch. 2. Ein drittes Eegal dient dazu, den localen BeiUägeii von Privaten etc. die nöthige Sicherheit zu gewähren. Es ist genau so construirt, wie die obigen, jedoch 12 Fuss 6 Zoll lang, 6 Fuss tief und 7 Fuss 6 Zoll hoch. 3. Hierzu kommen noch Glasrahmen, welche Muster von ge- webten Stoffen, Spitzen, Photographien, Zeichnungen etc. enthalten. Diese werden an 1 2 Ständern von beweglichem Gestellwerk aus Holz aufgehängt, die mit der Sammlung verschickt werden; diese Gestelle können in wenigen Minuten aufgestellt und wieder auseinander ge- nommen werden. Jeder Ständer bietet 9' mal 7' Fläche, und der gesammte Eaum, der von den Glasrahmen etc. eingenommen wird, beträgt gegen 1200 dFuss. 4. Die einzelnen Gegenstände in den Glaskästen sind in den meisten Fällen sicher befestigt, mit Draht etc., so dass sie beim Transport weder zerbrechen noch sich verschieben können; andere sehr werthvolle oder zerbrechliche Gegenstände werden in Kästen gepackt, die so eingerichtet sind, dass sie für jeden Gegenstand ein separates Fach haben; diese Kästen bilden dann die Unterlagen, auf denen die Glaskästen ausgestellt werden. 5. Jeder Gegenstand enthält ausser der Catalogsnummer eine Eti- kette mit den nöthigsten denselben betreffenden Notizen. 6. Zwei Eisenbahnwagen, speciell für diese Zwecke gebaut, enthalten die ganze Sammlung und Zubehör. 7. Ein Beamter des Departements begleitet das Wander-Museum 58 Erster Theil. und liat während der ganzen Ausstellungszeit an jedem Orte die Aufsicht. Da die Circulation von Gegenständen des Museums sich sehr practisch und nützlich erwiesen hatte, so dehnte man dieselbe auch auf die Central - Bibliothek aus. Die Gesichtspunkte dabei sind: Bücher, die leicht zu beschaffen sind und wenig kosten (weniger als 1 £.), sind von der Circulation ausgeschlossen; die Kückgahe muss innerhalb einer bestimmten Zeit (4 Wochen) erfolgen. Die Local- Comite’s tragen die Transportkosten für die Sendung, das Gewerbe- schul-Amt die für die Eücksendung. b. Der Inhalt des Wander-Museums. Wenn man den Inhalt industrieller und sonstiger Kunst-Museen und Sammlungen überschaut, so drängt sich die Frage auf, wie sind dieselben für die arbeitenden Classen und das grosse Publicum mög- lichst fruchtbringend zu machen. Die Antwort auf diese Frage, wenn man von der Ausstellungszeit absieht, ist: einzig und allein durch einen practischen Katalog. Da die Schwierigkeit einen solchen Ca- talog zu schreiben ebenso gross ist, als seine Bedeutung, so wollen wir hier die Eigenschaften kurz anführen, die er in sich ver- einigen muss: 1. Er hat die Gegenstände nicht blos anzuführen, sondern kurz zu beschreiben. 2. Er muss auf die wichtigsten und schönsten Stücke der Samm- lung besonders aufmerksam machen, deren hervorstechende Eigen- schaften in Bezug auf Form, Ornamentik, Farbenharmonie u. s. w. hervorheben und deren Werth resp. Preis angeben. 3. Er muss für jeden wichtigen Zweig der industriellen Kunst eine kurze populäre Geschichte geben, und zwar nicht abgesondert für sich, sondern in der Art, dass jede wichtigere Classe des Ca- talogs mit der Geschichte derselben beginnt, und die Gegenstände dieser Classe möglichst da in die Geschichtserzählung eingefügt werden, wo sie hingehören. Geschichte und Beschreibung müssen durch den Druck in sofort erkennbarer Art geschieden werden. Auf diese Weise steht gleichsam jeder Gegenstand auf seinem System der Beihilfe. 59 geschichtlichen Hintergrund, er wird zur lebendigen Illustration der Geschichte und dient dazu, für diese das Interesse zu erregen, wie andrerseits die Geschichte dazu dient, den Gegenstand seiner ganzen Bedeutung nach zu verstehen und zu würdigen. 4. Bei der Geschichte der einzelnen Kunstzweige sind kurze biographische Notizen über diejenigen Persönlichkeiten heizufügen, deren Pahricate wirklich epochemachend gewesen sind, so Yittore Pisanello für Portrait-Medaillons , Palis sy, die Gebrüder Elers* aus Nürnberg und Wedgwood für Irdenwaaren, Böttcher für Porzellan, Giorgio für Majolica u. s. w. Bei einzelnen solchen Per- sönlichkeiten ist darauf hinzuweisen, wie immer und überall ernstes Streben zum Ziel geführt und sich belohnt hat, um die beschauende Jugend zur Nacheiferung anzuspornen. 5. Da wo verschiedene Länder und Völker durch geeignete Ke- präsentanten ihrer Arbeiten aus derselben Zeit-Epoche vertreten sind, ist auf die Unterschiede der Fabricate in der Auffassung, der Form, der Decoration u. s. w. kurz hinzuweisen. 6. Der Preis des Cataloges muss so billig sein, dass dessen Anschaffung denjenigen Classen der Gesellschaft, auf die er berechnet ist, keine Schwierigkeiten macht. — Prüft man den Catalog über das Wander-Museum von J.C.Ko- binson mit Bezug auf die obigen Anforderungen, so erweist sich derselbe in jeder Beziehung als ausgezeichnet. Wir haben unter Benutzung des in demselben mitgetheilten kunstgeschichtlichen Ma- terials und mit Beifügung der nöthig scheinenden Ergänzungen in der nachstehenden Beschreibung des Wander-Museums den Versuch gemacht, den oben aufgestellten Punkten, insoweit es die engen Grenzen dieses Buches gestatteten, gerecht zu werden. Man wird daraus am besten ersehen, wie die obigen Gesichtspunkte in der, wenn auch nur sehr kurzen und mangelhaften Ausführung, sich ge- stalten und wie wenig zugleich die bisherigen Cataloge über Museen und Kunstschätze diesen Anforderungen entsprechen. 60 Erster Theil. Metall -Arbeiten. Gefässe und Fragmente antiker Vasen. Man findet hier Henkel , Griffe und andere Fragmente von antiken Vasen etc. in Bronce, hroncene Gefässe zum Wasser- Ausgiessen grie- chischen und römischen Ursprungs etc. Das Alter dieser Gegenstände lässt sich nicht genau be- stimmen, wahrscheinlich stammen sie aus der Zeit von 300 bis 400 vor Chr. Geb. Vasen und Gefässe dieser Art in Bronce, zuweilen vollständig, meist in Fragmenten, finden sich in Gräbern, namentlich in Central-Italien, dem alten Etrurien, in Neapel und Sicilien; sie zeigen eine ungemein grosse Ver- schiedenheit der Zeichnung und eine wunderbare Schönheit der Form. Utensilien und Schmuchgegenstände in Bronce aus der Renaissance- ^ Periode., Kleine Büsten, kupferne Eckbeschläge von Choralbüchern, aus dem 15. Jahrhundert. Fuss einer Lampe; venetianisch, aus dem Ende des 16. Jahrhunderts. Die Ciselir- Arbeit ist höchst geistvoll, die Formen sehr frisch und ansprechend. Florentinische Bronce - Statuetten. Desgl. Gefässe. Beim Wieder- Aufwachen der Künste waren Copien antiker Sculpturen sehr gesucht, namentlich in kleiner Form und in Bronce. Die bedeutendsten Bildhauer producirten antike Sachen und ihre eigenen Werke, und namentlich wurde Florenz der Hauptsitz der Fertigung dieser feinen Kunstsachen in Bronce. Es erhielt seinen Euf in dieser Beziehung bis zum Anfang dieses Jahrhunderts aufrecht. Gegenstände getriebener Arbeit in Zinn und Compositionsmasse. Tafelbretter, Teller und Trinkgefässe mit Deckeln in getriebener Arbeit, in der Manier von Fraii 9 ois Briot, einem französischen Künstler des 16. Jahrhunderts, der in dieser Art von Arbeiten sehr berühmt ist. System der Beihilfe. 61 Utensilien und Schmuck gegenstände in Eisen und Stahl: Geldkasetten in feiner Eisen- Arbeit, mit reichem gothischen Zier- rath, aus dem 15. Jahrhundert; Helme; Dosen; Nussknacker in ci- selirter Eisen-Arbeit, italienisch, etwa aus dem Jahr 1620, wahrschein- lich aus Mailand oder Brescia. Die Arbeit ist in der Art der feinen Beschläge von Eeuerwaffen, in der im 16. und 17. Jahrhundert diese Städte berühmt waren. Schlüssel, Schlösser, Thürangeln und Beschläge, Messer, Gabeln, Scheeren etc. aus dem 14. — 16. Jahrhundert, deutschen, französischen und italienischen Ursprungs. Damascirte und sog, Niello - xirbeiten. Das Einlegen des einen Metalles in ein anderes und das Ueberziehen der Oberfläche eines Metalles mit der dünnen Schicht eines andern Metalles wurde schon von den Alten an- gewendet, wie viele Gegenstände erkennen lassen. Im Mittel- alter haben die Araber von Syrien und Egypten diese Kunst mit grossem Erfolg ausgebildet. Von diesen scheinen sie die italieni- schen Künstler des 15. Jahrhunderts adoptirt zu haben. Die Anwendung derselben zur Verzierung von Waffen, Rüstungen und anderen Utensilien wurde sehr beliebt. Die Niello - Arbeiten bestehen in Eingrabung von Linien und Schrafflrungen auf Silber, die dann mit einer Composition von Silber, Kupfer, Blei und Schwefel, welche eine intensiv schwarze Farbe hat, ausgefüllt werden. In diesen Arbeiten ausgeführt Anden sich verschiedene Gegen- stände, namentlich Schilde, Vasen, Becher etc. Feine Waffen und Jagd -Utensilien. Gezogene Pistolen, mit feiner ausgelegter Arbeit, aus Brescia oder Mailand; 17. Jahrhundert. Ein Jagdmesser, modern französischer Arbeit aus Paris, Dolche und Schwerter mit Gold - Emaille , Flintenschlösser in kunstvoller Arbeit aus dem 17. Jahrhundert. 62 Erster Theil. Uhren, Juwelen und Gegenstände in edeln Metallen. Eine Sammlung antiker (römischer) Schmuckgegenstände, Ohr- gehänge, Broschen, Nadeln etc. Die Brosche mit einem Kreuz ge- schmückt gehört wahrscheinlich der ältesten christlichen Zeit an. Eine alte irische Schnalle aus dem 12. Jahrhundert von wun- derbar künstlicher und feiner Ausführung. Eine Brosche in Gold - Emaille , im Style Ludwig XIII. Arm- und Halsbänder in moderner Hindu- Arbeit u. s. w. Münzen und Medaillen» Abgesehen von der Numismatik haben Münzen und Medaillen einen besonderen Nutzen für Studirende, vom Gesichtspunkt der geschichtlichen Entwickelung der Kunst, die vielleicht durch nichts anderes in so ausgedehnter Weise illustrirt wird. Unter der Sammlung befinden sich Münzen aus griechischen Städten, von griechischen Königen, von römischen Familien und Consuln, aus der römischen Kaiserzeit, alte britische, parthische u. a. Münzen, moderne etc. Dieselbe zeigt manche interessante Züge der Kunstgeschichte. Man erkennt auf den griechischen Münzen die grosse Mannigfaltigkeit der Zeichnung und die ideale ernste Kich- tung der Kunst; auf den römischen die characteristischen Eigen- thümlichkeiten der römischen Kunst im Allgemeinen, sowie ihren Verfall in der Kaiserzeit; auf den mittelalterlichen Münzen vermisst man jede Spur schöner und origineller Motive ; auch fehlt die scharfe schöne Prägung. Portrait - Medaillons. Es gibt wenig Werke mittelalterlicher Kunst, die werth- voller wären als die italienischen Portrait -Medaillons des 15. und 16. Jahrhunderts; zum grössten Theil stammen sie von höchst talentvollen Künstlern — Malern, Bildhauern und Goldschmieden. Im Mittelalter verstand man die Kunst des Prägens nicht so vollkommen, als im Alterthum und beschränkte sie blos auf kleine Münzen. Zur Herstellung von grossen Medaillen wandte man einen andern Process an, der jedoch System der Beihilfe. 63 erforderte, dass die erlangten Bronce-Abdrücke retouchirt und von den Künstlern selbst oft sorgfältig nacbgebessert werden mussten. Der Zeitpunkt dieser Kunst, die namentlich in den nörd- lichen Städten Italiens sehr entwickelt wurde, fiel in die Jahre 1440 bis zum Ende des Jahrhunderts. Unter den Künstlern, die sich diesem Zweige widmeten, nimmt Yittore Pisanello, ein berühmter Maler in Yerona, die erste Stelle ein. Nach ihm verdienen Sperandio von Mantua, Pomedello von Yerona und GriovanniBoldu von Yenedig genannt zu werden. Originale dieser kostbaren Medaillons sind jetzt sehr selten, doch existiren viele Nachahmungen und Abgüsse. Die Sammlung enthält einige sehr schöne Exemplare in Ori- ginal und in Electrotypen, die den Originalen sehr nahe kommen, namentlich eines Schildes, dessen Original sich in Windsor befindet und von Benvenuto Celli ni herrühren soll; sodann viele Copien der berühmten Augsburger Gold- Arbeiten und Elfenbein - Schnitze- reien aus dem Mittelalter. Irdenwaaren. Unter allen Kunstzweigen besitzen wir für die Geschichte der Irdenwaaren das vollständigste Quellenmaterial, das von der Gegenwart bis in die Gräber des grausten Alterthums reicht, denn das Material ist unvergänglich und die Fabrication ist überall und zu allen Zeiten betrieben worden. In der Sammlung finden sich zunächst einige Gegenstände aus der alten egyptischen Töpferei, aus einer Zeit stammend, die wahrscheinlich mehrere Jahrhunderte über die christliche Aera hinausliegt. Sodann antike griechische gemalte Irdenwaaren, na- mentlich Amphoren, Yasen, YvAssergefässe etc. Im alten Griechenland und unter den Etruskern scheint vom 7. bis herab zum 2. Jahrhundert vor Christus die bekannte schwarz und roth bemalte Waare ausschliesslich in Gebrauch gewesen zu sein. Unzählige Proben finden sicii jetzt noch 64 Erster Theil. in alten Grrabmälern von Süd- und Mittel-Italien und Griechen- land. Vollkommene Schönheit der Form und der Malerei sowie der Ornamente kennzeichnet diese berühmten Töpferwerke. Man findet in den Formen eine ungeheure Mannigfaltigkeit und jedes Stück ist schön, sei sein Gebrauch noch so gewöhn- lich, seine Fabrication noch so billig und rasch. Antike römische Irdenwaaren, namentlich Urnen, Trink- gefässe, Teller und ähnliche Gegenstände des Hausraths (Samische Waare). Die römische Töpferei steht der griechischen weit nach; es fehlt ihr die Schönheit und Reichhaltigkeit der Form. Die von den alten Schriftstellern sogenannte Samische Waare war die werthvollste des römischen Töpferguts; dies geht daraus hervor, dass die Römer sich nur mit ihr die Mühe genommen haben, zerbrochene Stücke mit Bleidraht wieder zusammen- zufügen. Ob sie von der Insel Samos eingeführt wurde, oder eine Hachahnung des ächten samischen Geschirrs war, lässt sich nicht ermitteln. Italienische glasirte Irdenwaaren, Majolica, Die Kunst des farbigen Glasirens war schon den alten Egyptern bekannt, doch war sie mit der Völkerwanderung verschwunden. Bei den Mauren tauchte sie zuerst wieder auf, die sehr schöne glasirte Ziegeln zum Innern Schmuck ihrer Paläste fertigten. Als die Pisaner i. J. 1115 den Mauren die Insel Majorca abnahmen, lernten sie die Bereitung der Ziegeln kennen und machten Geschirre in dieser Art, die man Majolica, verderbt aus Majorca, oder auch Rafael -Waare nannte, weil Rafael für die Herzogin von Urbino ein solches Servis gezeichnet hatte. Die Majolica-Töpferei erreichte ihre Blüthe in der Mitte des 16. Jahrhunderts. Von Majolica-Gescliirr finden sich im Museum 20 Proben, Teller, Vasen, Geschirre etc., ausserdem eine Sammlung von 33 gemalten Backsteinen, die als Fussboden dienten, aus dem Palazzo Petrucd in Siena, aus dem Jahre 1513. System der Beihilfe. 65 Unter den sonstigen Irden- und Steinwaaren des Museums sind vor Allem einige Arbeiten von Bernard Palissy aus den Jahren 1570 bis 80 zu nennen. Palissy war Glasmaler, und hatte sich jahrelang mit der Auffindung einer Glasur beschäftigt, wie sie in Italien längst bekannt war. Schon war er durch seine nutzlosen Bemühungen in die grösste Armuth gerathen, da erreichte er endlich seinen Zweck und brachte eine wunderschöne, glänzende Emaille zu Stande, die seinen Geschirren ein sofort erkennbares Ge- präge gibt. Einige der besten Arbeiten der Gebrüder Elers aus Nürnberg. Diese kamen 1690 nach StaffordsUre und etablirten bei Stoke - upon - Trent eine Töpferei. Auf Grund ihrer Erfolge wurden sie bald durch ihre englischen Concurrenten jeder Art von Verfolgung ausgesetzt und durch Einschüchterung ihrer Arbeiter und andere Intriguen endlich aus Staffordshire ver- trieben, jedoch nicht eher, als bis man ihnen die bessere Behandlung des Materials sowie den künstlerischen Styl ihrer Formen abgesehen hatte, w^elche die Staffordshirepotters bis zu der Epoche, die mit Wedgwood beginnt, in Anwendung brachten. Endlich sind noch hervorzuheben: einige Stücke aus Delft, in Holland, ein Ort, der durch das 17. und die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts der Hauptsitz der Irdenwaaren-Manufactur war und seine Producte nach allen Ländern Europa’s versandte ; sodann einige rothe Steinwaaren von Böttcher, der 1709 das Porzellan den Chinesen nacherfand. Wedgwood -Arbeiten. Josiah Wedgwood (geh. 1730, gest. 1795) erfand eine eigenthümliche, steingutartige Masse, die er zuerst zu Messer- griffen verwandte und endlich mit Hilfe des grossen Malers Flax mann, zu wunderbar schönen Kunstwerken, namentlich zu Vasen, Kameen, Medaillons in Blau und Weiss zu verar- beiten lernte. Seine feineren Arbeiten sind jetzt sehr werth- Schwabe, Knnst-Induslrie. i> 6ß Erster Theil, voll und werden mit gleich hohen Preisen bezahlt wie das Porzellan von Sevres oder Chelsea] es finden sich 14 Stück im Museum. Porzellan. Chinesisches und Japanesisches, Es ist schwierig zu entscheiden, welchem dieser beiden Länder bestimmte Exemplare angehören. Das japanesische Porzellan ist in der Form einfacher und eleganter, der Geschmack in der Zeichnung ist reiner, die Decoration ist weniger phan- tastisch als beim chinesischen Porzellan, und besteht in ein- facher Darstellung von Blumen und Blättern. Die Farben sind voll und reich. Beim chinesischen Porzellan ist die Decoration mehr grotesk und fantastisch, die Farben sind wo sie auftreten brillanter, obgleich die stumpfen Farben vorherrschen; das Weiss des Porzellans kommt mehr zur Geltung. Gegenüber dem europäischen Porzellan ist das orientalische von grösserer Einfachheit und Dauer, doch herrschen groteske oder fan- tastische Formen vor, die meist kein anderes Verdienst haben, als dass sie eine seltsame Originalität an sich tragen. Es finden sich im Museum 5 japanesische und 8 chinesische Stücke. Deutsches Porzellan. In Folge der Erfindung des Porzellans durch Böttcher i. J. 1709, der auf der Albrechtsburg unter August II., Kur- fürst von Sachsen, arbeitete, wurde die königl. Porzellan- Manufactur zu Meissen bei Dresden gegründet, die jetzt noch existirt; sie ist die älteste Europas. Ihre Marke sind gewöhn- lich 2 gekreuzte Schwerter in Blau. Unter der Direction von Marcolini wurde noch ein Stern hinzugefügt. Das Meissner Porzellan heisst im Auslande, namentlich in England immer Dresdener Porzellan und es finden sich in der Sammlung 8 Stücke unter diesem Kamen. Da sich jedoch trotz aller Yorsichtsmassregeln der sächsischen Kegierung das Verfahren im Laufe des 18. Jahr- hunderts nach Berlin, München und Wien verbreitete, so findet sich System der Beihilfe. 67 auch aus den Jahren 1758 bis 1790 in der Sammlung Porzellan aus Wien, Berlin und anderen deutschen Städten. Altes ßevres-Porzellan, Das alte Porzellan von Shvres wird ungemein geschätzt, ist sehr gesucht und wird mit Preisen bezahlt, die in der That extravagant scheinen. Die meisten Stücke, die sich in der Sammlung finden, 9 von 16, sind von der Königin geliehen und standen früher im Buckingham-Palast. Die schönsten Stücke sind 2 Vasen, mit blauem Grund, reicher Vergoldung und Schäferscenen als Gemälden, von denen jede auf 7000 Thlr. geschätzt wird. Altes Porzellan von Sevres ist meist mit einem Namenszug versehen, aus 2 verschlungenen L. bestehend; dabei befinden sich 1 oder 2 Buchstaben des Alphabets, aus denen sich das Jahr bestimmen lässt, in dem das betreffende Stück fabricirt wurde. Der Buchstabe A bedeutet das Jahr 1753, B 1754 etc.; als das Alphabet mit dem Jahre 1777 erschöpft war, fing man mit 2 Buchstaben an und diese Art wurde bis zum Jahr 1793 fortgesetzt, so dass also QQ die letzte vorkommende Bezeich- nung ist. Englisches Porzellan. Das erste englische Porzellan wurde im Dorfe Chelsea, jetzt Vorstadt von London, gefertigt; Georg II. hatte Arbeiter, Modelle und Material aus Sachsen beschafft, und Chelsea ist so factisch der Ausgangspunkt der englischen Porzellan -In- dustrie geworden. Das alte Chelsea - Porzellan ist äusserst selten und steht im Preise dem alten Porzellan von Sevres gleich. Im Museum befinden sich 5 Stücke Chelsea-Porzellan ; eine alte Vase etwa aus dem Jahre 1760 zeigt die ersten Schritte der Ueber- tragung von Druck auf Porzellan. Unter dem neuern englischen Porzellan zeichnen sich nament- lich die Stücke von Min ton und Copeland in Staffordshire aus. Grlaswaaren. Die Alten waren in der Glas-Manufactur selir weit vorge- 5 * 68 Erster Theil. schritten. Obgleich man in Bezug auf das Material grosse Fortschritte gemacht und jetzt Olas von einem Glanz und einer Schönheit erzeugt, die früher nie erreicht worden sind, so behaupten doch in Bezug auf die Reichhaltigkeit der Me- thoden, in der Manipulation und der Geschicklichkeit der Ver- arbeitung die alten griechischen und römischen 'Künstler noch immer die erste Stufe. Die gebräuchlichen Prozesse und die Verschiedenartigkeit der Producte des alten venetianischen Glases scheinen beinahe alle den Alten bekannt gewesen zu sein, von denen, durch die Byzantinischen Griechen, die Vene- tianer ihre Kunst wahrscheinlich geerbt haben. Im Mittelalter und herab bis zu dem 17. und sogar 18. Jahr- hundert war Venedig der grosse Stapelplatz für Glas-Manu- factur; die Werkstätten von Murano versorgten ganz Europa. Venetianisches Glas ist meist sehr dünn, da es beinahe durch- weg geblasen wurde. Sowohl in der Form wie in der An- wendung der Farben zeigt es eine beinahe endlose Ver- schiedenheit. In Deutschland war im 16. und 17. Jahrhundert eine Emaille-Malerei auf Glaswaaren sehr gebräuchlich. Auch das Schneiden, Schleifen und Graviren wurde in Deutschland im 71. Jahrhundert sehr ausgebildet. Dies hing mit der Ver- besserung des Materials zusammen, welches nach und nach der Durchsichtigkeit des Krystalles immer näher kam und natürlich in Flächen mit scharfen Kanten am Meisten elfect- voll zur Geltung kam. Gefässe von Rubin-Glas wurden zweifel- los schon von den Venetianern gefertigt; sie wurden gewöhnlich geblasen und waren durch die Zartheit des Materials leichter und klarer in Farbe als das mehr bekannte und reichlicher vorhandene alte Rubin-Glas Deutschlands, das meist geschliffen, polirt und von beträchtlicher Stärke ist. Die Sammlung von Glaswaaren illustrirt alle wichtigen Mo- mente in der Geschichte der Glas-Fabrication. Sie enthält 60 Frag- mente alten römischen Glases von Ausgrabungen in Rom und Um- gebung; altes griechisches, theilweis bemaltes Glas ; 16 verschiedene System der Beihilfe. 69 ‘ Objecte venetianischeii Glases aus den Zeiten von 1500 bis Anfang des 18. Jahrhunderts, namentlich Yasen, Gläser etc. Deutsches Glas, namentlich ein altes cylindrisches deutsches Trinkglas mit Emaille- Verzierungen, böhmisches Glas, chinesisches Glas etc. Emaille-Arbeiten. Das Verfahren der Emaillirung auf Metalle war zwar den Alten bekannt, scheint jedoch im Alterthum eine hohe Stufe der Entwickelung nicht erreicht zu haben. Dagegen gehörte die Emaillirung im Mittelalter zu den populärsten und allge- mein angewandten decorativen Künsten und erreichte nament- lich in Frankreich ihre höchste Vollendung, besonders war Limoges, im Departement der obern Vienne, der Hauptort der Fabrication, der für ganz Europa arbeitete. In der neuern ' Zeit kömmt diese Kunst verhältnissmässig wenig zur An- wendung. Die Sarnmlung enthält etwa 20 Emaille-Gegenstände, als Platten, Teller, Gefässe, Dosen mit emaillirter Miniatur - Malerei , Vasen u. s. w. Davon sind 11 Objecte Limoges - Fabricate , 4 chinesische Emaille auf Kupfer, die übrigen moderne Hindu-Emaille, Dresdner u. s. w. Schnitzerei in Elfenbein, Holz etc. Hier finden sich aus den Zeiten von 1 320 ab aus verschiedenen Ländern, als: Frankreich, Deutschland, Italien, China, Indien, Kuss- land etc. verschiedene feine Schnitzereien, als Schmuckkästchen, Geldkassetten, Becher, Dosen, Bilderrahmen, Leuchter, Panele etc. Mosaik- und eingelegte Arbeiten. ^ Beide bestehen darin, durch Verbindung und Nebeneinander- legung von harten Körpern mit glatter Oberfläche und ver- schiedener Farbe ein Muster oder ein Gemälde zu erzeugen. Die Mosaik-Arbeit thut dies vorherrschend mit natürlichen oder künstlichen Steinen und Glaspasten und construirt mit ihnen eine zum Schmuck dienende Oberfläche; die eingelegte 70 Erster Theil. Arbeit benutzt vorherrschend Holz, aus dem sie* bestimmte Flächen ausschneidet und mit andern Stoffen oder Farben des- selben Materials auslegt. Beide Arten von Arbeit kommen nun in den verschiedensten Modificationen vor. Bei den Römern und Griechen war Mosaikarbeit sehr Mode, namentlich für den Fussboden ; er bestand aus kleinen Quadraten farbiger Kalksteine und Marmor-Arten, die in einen harten Gement gelegt wurden; man erzeugte damit alle Arten von Mustern und Bildern, als Landschaften, Thiere etc. Die italienische Mosaik der spätem Zeit bestand vorherrschend aus Composition von Glaspasten. Unter den verschiedenen Arten von eingelegter Arbeit ist hauptsächlich zu nennen : Boule, d. h. eine nach dem Erfinder benannte Art der Auslegung aus Schildkrötenschale und Mes- sing, die unter Ludwig XIY. aufkam ; sodann Pique - Arbeit, die in kleinerem Massstabe und mit feineren Stoffen, namentlich Gold und Silber etc. arbeitet. Unter den Arbeiten, die in dieser Richtung die Sammlung ent- hält, befindet sich ein Fragment alten römischen Mosaikfussbodens; Dosen, Kästchen japanesischer, indischer, italienischer, deutscher und französischer Arbeit u. s. w. Leder- und feine BncliMnder- Arbeiten namentlich aus dem 14. und 16. Jahrhundert, sowie einige neuere Arbeiten, die auf den internationalen Ausstellungen gekauft worden sind. Japanesische und andere Lack-Arbeiten. Die orientalischen Länder, welche an harzreichen Bäumen Ueberfiuss haben, zeichneten sich von jeher in allen Arten feiner Lackmalerei aus; namentlich hat Japan darin eine sehr hohe Stufe der Ausbildung erreicht. Die anerkannte Vortreff- lichkeit der japanesischen Lacke und Firnisse beruht auf der Güte der Harze, die man dazu verwendet und aus einem Baume {Rhus vernix) gewinnt. Wird die Rinde dieses Baumes angestochen, so läuft aus derselben ein helles, an der Luft System der Beihilfe. 71 dunkler und coiisistent werdendes Hai’z heraus, aus dem der Lack gemacht wird. Derselbe wird selbst durch die heisseste Flüssigkeit nicht angegriffen. Die Sammlung enthält einige Lack-Arbeiten aus Indien, China und Japan. Ebenso entliält sie aus diesen Ländern einige jener feinen Arbeiten aus dem Gebiete der Korhfledderei, die zwar wahrscheinlich zu den ältesten Künsten gehört, die von den Menschen geübt worden sind, jedoch wegen des grossen Reich- thums der tropischen Vegetation an geeignetem Material als Kunst- Industrie meistens auf einige orientalische Länder beschränkt ge- blieben ist. Gewebe. Die drei internationalen Ausstellungen haben zur Genüge bewiesen, dass verschiedene orientalische Völker, namentlich die Indier, Perser und Türken, den Schönheitssinn durch ihre gewebten Stoffe in hohem Grade mehr befriedigen als die europäischen Fabricanten. Ihre üeberlegenheit zeigte sich nach jeder Richtung hin: in dem Glanz und der Harmonie der Farben und dem allgemeinen künstlerischen Eindruck, wie in der höhern Schönheit und Genialität der Formen und Muster, Die im Wander-Museum unter diesen Titel befindlichen Gegen- stände werden den sorgfältigsten Studien reichen Lohn gewähren: in ihnen offenbart sich die Existenz unveränderlicher Gesetze der Kunst, welche die orientalischen Fabricanten intuitiv oder mit Ver- ständniss beherrscht haben. ' Die geringe Anzahl alter europäischer Stoffe, die hiermit ausge- legt sind, verdienen gegenüber den orientalischen kaum eine ein- gehende Betrachtung. Die Muster bestehen meist aus schweren Seiden- und Atlasstofteii mit Gold- und Silberstickerei aus Indien und der Türkei, schweren Schärpen, ausgewählten Mustern von Cashmir-Shawls, 21 Mustern feiner Seidenspitzen mit Gold- und Silberfäden durchzogen, feiner 72 Erster Theil. Leinenweberei u. s. w. Einzelne derselben sind wahre Muster für schöne Farbenzusammenstellung; die einzelnen reichen und contra- stirenden Farben sind so gegen einander abgestimmt, dass durch keine einzelne Farbe die schöne Harmonie gestört wird. Spitzen. Die Unterscheidungen der einzelnen Spitzenarten sind so fein, dass selbst sachverständige Damen in ihrem Urtheil öfters schwanken. Die Jury auf der letzten Londoner Aus- stellung hatte folgende Classen aufgestellt. 1. Spitzen ganz mit der Hand gearbeitet; a) Valenciennes, Mecheln, Honiton, Buckingham; b) Spitzen mit der krummen Nadel gearbeitet ; c) Seidenspitzen, die Blonden heissen, wenn sie weiss, und Chantilly etc., wenn sie schwarz sind. 2. Spitzen, zu denen der Grund mit der Maschine gemacht, die Verzierung mit der Hand gearbeitet und aufgelegt wird; Brüssel, Honiton etc. 3. Spitzengrund mit der Maschine gemacht, eben, als Bob- bin-nets, Tüll, Blonden, Cambray, Aleii 9 on etc. 4. Spitzen, deren Grund mit der Maschine gemacht ist, dagegen die Verzierungen entweder ganz mit der Maschine oder theilweis mit der Maschine und theilweis mit der Hand. 5. Spitzen, ganz mit der Maschine gearbeitet, Besätze, Schleier, Schärpen, Gardinen etc. Die Sammlung enthält von allen Arten reiche und schöne Re- präsentanten; alte Spitzen von Alen^on, deren Verfertigung in Frank- reich unter Ludwig XIV. durch Colbert etwa 1660 eingeführt und sehr unterstützt wurde, alte Brüsseler Spitzen, alte spanische und venetianische Spitzen, sowie moderne irische u. s. w. Abgüsse von Elfenbeinschnitzerei. Seit den ältesten Zeiten war Elfenbein ein beliebtes Mate- rial für Sculptur- Arbeiten, und es ergibt sich ein sein- vollständiger und zusammenhängender Ueb erblick der Kunst- geschichte aus den verschiedenen Denkwürdigkeiten und Gegen- System der Beihilfe. 73 ständen, die in diesem Material erhalten sind. Die alten Egypter, die Assyrer, die Griechen schätzten das Elfenbein auf dem Gebiete der Plastik sehr hoch. Die Alten sollen verstanden haben, das Elfenbein weich zu machen und zu walzen. In der Eömerzeit war es ganz allgemein in Gebrauch ; es existiren aus der classischen Zeit noch viele Fragmente von Schmuckkästchen, Statuetten, Griffen von Waffen und nament- lich Platten, die so verbunden waren, dass man sie wie ein Buch zusammenklappen und aufschlagen konnte. Ursprünglich waren sie Schreibtafeln und deshalb auf der Innern Fläche mit Wachs überzogen; sie wurden auch als Briefe versandt, indem man einen Faden darumschlug und diesen ansiegelte. Später benutzte man diese Tafeln zu einem Zweck, der mit der Kunst in sehr enger Beziehung steht. In der Kaiserzeit sandten Consuln und andere Beamte bei ihrem Dienstantritt solche Tafeln an die öffentlichen Corporationen oder an ihre Freunde; sie waren meist fein gearbeitet, enthielten das Portrait des Consuls in seiner Amtstracht und viele alle- gorische Darstellungen, Inscriptionen etc. Kach Einführung des Christenthums wurden solche Tafeln vielfach an Kirchen geschenkt und von diesen verschenkt. Die griechischen Künstler der byzantinischen Periode machten einen noch ausgedehntem Gebrauch von dem Elfenbein. Vom 9. Jahrhundert ab ver- wandte man es zu kirchlichen Utensilien, zu Buchdeckeln, zu Hirtenstäben, zu Keliquienkästchen etc. Auch in Frankreich und Deutschland war das Elfenbein vielfach in Gebrauch; namentlich existiren aus dem Mittelalter unzählige Gegenstände kirchlichen und weltlichen Characters, so Statuetten von Heiligen, Deckplatten von Taschenspiegeln, meist mit Motiven aus Komanzen und Kittergedichten (nament- lich aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts), Dolch- scheiden, Spiegelrahmen etc. Auch die orientalischen Völker sind berühmt in der Elfen- bein-Schneidekunst, namentlich haben es bekanntlich die 74 Erster Theil. Chinesen zu einer oft unbegreiflichen technischen Fertigkeit gebracht. Die Abgüsse der Elfenbein-Schnitzereien sind in Gypsmasse mit Stearin präparirt, und zeigen römische und andere Elfenbeinplatten mit Bildern u. s. w. aus dem 2., 3., 4., 8., 9. und 10., 11 und 14. Jahrhundert, 7 Deckelplatten zu Taschenspiegeln u. s. w. Zur Ergänzung des hier nur kurz characterisirten Inhalts des Wander-Museums finden sich in demselben noch über 300 einge- rahmte Gegenstände, z. B. Original -Zeichnungen, Stiche und Photo- graphien von verschiedenen Kunstwerken, namentlich eine Eeihe alter Bilder auf Pergament, Zeichnungen von Fresco-Gemälden und ornamentalen Wandverzierungen, Glasmalereien, Webestoffen u. s. w., alte Holzschnitte, Photographien der Eafael-Cartons und verschiedener Kunstwerke aus dem Louvre und andern Kunst -Museen, sowie aus Privatsamrnlungen, endlich Photographien der wichtigsten Werke de- korativer Kunst aus allen hier beschriebenen Abschnitten, die sich in öffentlichen und privaten Sammlungen des Yereinigten Königreichs befinden. An jedem Glasrahmen befindet sich eine Etikette mit der nöthigen Beschreibung und Erklärung. Diese ganze Sammlung von Bildern nimmt etwa 1200 DFuss Wandfläche ein. c. Statistik der Eesultate des Wander-Museums. In der nachstehenden Tabelle sind die Eesultate des Wander- Museums von seiner Einrichtung im Februar 1855 bis zum Juni des Jahres 1864 zusammengestellt. Aus diesen Eesultaten heben wir folgende hervor: 1. Nach den Bestimmungen über die Circulation des Wander- museums bei den einzelnen Schulen (cf. S. 56) haben die Studirenden und Schüler der Kunstschulen freien Zutritt; alle anderen Besucher bezahlen Eintritt. Die letzteren geben sonach ein deutliches 'Bild von der Betheiligung des Publicums, welche innerhalb der sämmt- System der Beihilfe. 75 liehen Besucher eine sehr starke ist. 30 Vo der Besucher waren Schüler, 70 °/o Publicum. 2. In Bezug auf den Tag- und Abendbesuch ergibt sich, dass 358,082 Personen am Tage und 306,724 am Abend das Museum be- suchten. Allerdings wird ein grosser Theil der Besucher dadurch zum Abendbesuch bestimmt, dass an 2 Abenden der Woche besonders billige Eintrittsgelder gezahlt werden. Bedenkt man aber, dass der Besuch am Tage im Wesentlichen doch soviel Yortheile bietet, dass, wer irgend kann, den Tag vorziehen wird, so erhält damit der Tages- besuch ein Gegengewicht, welches die theil weise Billigkeit des Abendbesuchs gewiss paralysirt. Unter dieser Yoraussetzung beweisen diese Zahlen sehr schlagend , dass die segensreiche Wirkung der- artiger Museen erst dann recht eigentlich beginnt, wenn sie des Abends zugänglich sind. Kechnet man, dass im Jahresdurchschnitt das Museum am Tage 6 Stunden, des Abends 3 Stunden geöffnet gewesen ist, so kommen .auf die 1435 Ausstellungstage der Col. 2: 8610 Tagesstunden und 4305 Abendstunden. Bringt man diese Zahlen mit der obigen Zahl der Tages- und Abendbesucher in Kelation, so kommen auf eine Tagesstunde 41 Besucher, auf eine Abendstunde 71 Besucher. 3. Col. 8 enthält die Zahl der verkauften Cataloge: 35,000 in 10 Jahren. Um den bedeutungsvollen Inhalt dieser Zahl ganz wür- digen zu können, muss man den vorti’eff liehen Catalog über das Wander-Museum von Kobin son kennen, dessen Yerdienste wir oben sub a besprochen. Die Resultate des Wander-Museums 76 Erster Theil. tH rO S -S CO GO r- CM Ol CD OO lO CO CO <05 O 1,' Ol OO CO 1-0 1 •rJH 1 CD rH tH r- Ol c3 N ^ & o ü bß ,9 ■ ä t« ^ CT) o 1-H Ol !>- t- o 'dH CD »o CO o rH CM o c3 OÜ CO Ol CD Ol Ol CO CD -d rH 00 Ol rH IS] S f« o Ä rH rÖ d rj 1 Ol r^ CO 1(0 'dH O CM Id <05 iC5 o o CO i fl 1 y-H lO o CO (05 ■dH rH r- CD CD CD CO ■dH dH d t— 1-0 05 CD lO (05 o 05 CO lO CD CO GT5 OO CO CO fl rM lO Ol Ol 1— I "dH 'cr rH rH o CM CD »O CO CD ö rH 1— 1 o* CM tH GQ j a c 8 CO CO CO iO CD o OO CD Ol o CO (35 O 1-0 ® ® rH OO e- GO o -dH lO o Id Ol lO GO rH <35 'H m hc t: o CO c- Ol Ol CD (05 CO CO CO O rH CD 05 00 OO rH ? «3 rH 1— 1 rH -o 60 ttj Ph 03 05 CO vo <35 CD CD 'dH WO ! 60 .2 u5 o iO o rH (05 l>- 05 CO CD CO lO O 1(0 05 1 ? 'S GO CO CO rH 05 Ol t-H CD CO Ol rH CO O 6c o3 N rH rH CO fl fl’ IC GO CO 'dH o •05 CD (M rH CO CO o rH rH OO 0) W O <1> <35 OO CD lO HjH CO o ■dH O rH Id 00 rH O Oljl 6ID ctf ^ ti

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Capitel. 12 ^ Geldbewilligungen zum Ankauf von Modellen, Zeichen- Vorlagen, Abgüssen etc. Kunstschulen, öffentliche Schulen für Arme, Gewerbe - Institute (Mechanics' Institutions) und sonstige Anstalten für Handwerker können von dem Gewerheschul-Amt Geldbewilligungen erhalten zur Anschaffung von Modellen, Mustern, Abgüssen und andern Apparaten für den Unterricht. Aus dem Bestreben, das Zeichnen zu einem Bestandtheil der nationalen Erziehung zu machen, erwuchs natürlich die Aufgabe, für Vertheilung von Modellen und Vorlegeblättern zu sorgen. Da jedoch die Gewährung solcher an alle Bewerber ohne Unterschied nothwendig zu Missbrauch führen würde, so musste man gewisse Garantien fordern, dass von den Modellen der bestmögliche Gebrauch gemacht werde. Das Princip, auf dem die gesammten Massregeln des Gewerbe- schul -Amts in den’ verschiedenen Zweigen beruhen, ist, theilweise Hilfe zu gewähren; die Bestrebungen des Publicums, eine künst- lerische Ausbildung möglichst zu fördern, sollen angefeuert, nicht überflüssig gemacht werden. Dieselben Grundsätze glaubte man auch bei der Vertheilung von Modellen zur Anwendung bringen zu müssen, und beschloss daher, die Schulen beim Ankauf von Yor- legeblättern, Modellen und Copien zum Zeichen-Unterricht dadurch zu unterstützen, dass man ihnen dieselben zu ermässigten Preisen lieferte. Beim Secretariat des Kensington-Museums ist daher eine Liste von Vorlegeblättern, Modellen, Abgüssen etc. zu haben, deren Gegen- stände vom Gewerbeschul-Amt für empfehlenswerth gehalten werden. Die Vortheile des billigen Einkaufs sind zunächst blos auf öffentliche Schulen berechnet, doch erhalten auch Privatschulen gewisse Ver- günstigungen, wenn sie von dem Departement dessen würdig erachtet werden. Keiner Schule können die Vortheile des billigen Ankaufs von Modellen und Apparaten zugebilligt werden, die nicht den Nachweis System der Beihilfe. 79 liefert, dass locale Beiträge bis zu einem erheblichen Betrage zu diesem Zwecke bereits gesammelt sind und ein wirklich nothwen- diges Bedürfniss vorliegt. Die einzelnen Gegenstände, welche die Liste enthält, sind zwar einer Prüfung des Departements unterworfen worden, doch befinden sich Gegenstände darunter, die lediglich empfohlen worden sind, weil augenblicklich bessere auf dem Markte nicht zu haben waren. Es muss deshalb immer noch von der betr. Schule die Auswahl der Gegenstände in sachverständiger Weise bewirkt werden. Die Liste selbst enthält zunächst die oben entwickelten Gesichts- punkte und Bedingungen, unter denen die Yortheile des billigen Ankaufs gewährt werden. Dann die dabei erforderlichen Formulare, nämlich : 1. Ein Formular für die Eingabe mit Flamen der Schule oder des Instituts, für welche die Modelle verwendet werden sollen, Angabe der Anzahl von Schülern und Schülerinnen, mit Unterscheidung, ob und wie viel sie Schulgeld zahlen, oder Freischüler sind; Angabe der Adresse und Beförderungsart, und namentliche Aufführung der Gegen- stände oder Markiren derselben in einer beigefügten Liste. 2. Ein Formular, welches das Gewerbeschul- Amt an den betr. Agenten schickt, nachdem es die Eingabe in der erforderlichen Weise geprüft hat. Es enthält eine Anweisung, der betr. Schule die betr. Gegenstände und Betrag von . . . £. zu schicken, von welcher Summe das Gewerbeschul- Amt £., die betr. Schule £., nebst den Kosten der Verpackung übernehmen werde. 3. Die Formulare für Bescheinigung der Absendung, des Em- pfangs u. s. w. Diesen Formularen folgt nun die namentliche Anführung der Abgüsse etc. für Ornamentik und von Figuren, Stichen etc., und zwar gesondert für Districts- Elementar -Schulen und für Central- Kunstschulen. Die Gegenstände selbst sind unter sich wieder ge- ordnet nach den Schulen und Stylarten, z. B. Antiken, griechischen und römischen Ursprungs; Eenaissance-Periode ; gothischer, byzan- tinischer Styl etc. Den für die einzelnen Arten von Schulen besonders empfolilenen 80 Erster Theil. Gegenständen folgen noch Nachträge mit Modellen, die für den Unter- richt von Wichtigkeit sind, Thierstücke, Fruchtstücke, Abgüsse von anatomisch präparirten Gliedern, Abgüsse von Armen, Händen, Beinen, Rücken etc. Capitel 13. Internationaler Austausch von Copien seltener Kunst- Gegenstände. Durch Vermittelung des verewigten Prinz -Gemahls hatte das Kensington-Museum Copien einer grossen Anzahl von seltenen Kunst- gegenständen erhalten, die sich im Besitz Ihrer Majestät der Königin befinden. Ebenso war dem Departement für Kunst und Wissenschaft vom Kaiser der Franzosen während der Ausstellung von 1855 die Erlaubniss gegeben worden, Photographien und Electrotypen ver- schiedener Kunstgegenstände dem Louvre und dem Musee d' Artillerie zu Paris zu entnehmen. Auch Corporationen und Privatbesitzer werthvoller Kunstgegenstände , die für den öffentlichen Unterricht von Bedeutung sind, hatten gestattet, Photographien derselben an- fertigen zu lassen, namentlich die Universität von Oxford, welche bekanntlich viele Originalzeichnungen von Michel Angelo und Rafael besitzt. Der unverkennbare Nutzen, den derartige Copien für den Kunst- unterricht und die Geschmacksbildung haben, erzeugte den Wunsch, möglichst viele derselben zu besitzen, und bei der grossen Vervoll- kommnung der Mittel, durch die man neuerdings Kunstwerke zu reproduciren vermag, lag es nahe, diesen Wunsch zu realisiren. Henry Cole, erster Secretair und Vorstand des Gewerbeschul- Amts, arbeitete demgemäss ein Memorandum aus, in dem die Art und Weise angegeben wurde, wie zwischen dem Kensington-Museum einerseits und den Museen der wichtigsten Hauptstädte — Paris, Berlin, Dresden, München, Turin, Rom u. s. w. andrerseits ein Aus- tausch von Copien werthvoller und seltener Kunstgegenstände zu ermöglichen sei. Er markirte zunächst in dem Katalog der Kunst- gegenstände des Kensington - Museums diejenigen, welche durch Schönheit oder Seltenheit besonders ausgezeichnet sind und bemerkte System der Beihilfe. 81 dabei die Art, in welcher Copien davon zu machen seien. Er schlug vor, ein Exemplar des so vorbereiteten Catalogs durch die Gesandt- schaften an die Verwaltungen der Museen in den verschiedenen Hauptstädten gelangen zu lassen und diese andrerseits zu veranlassen, Cataloge ihrer Museen, mit ähnlichen Bemerkungen versehen, an das Kensington- Museum abzugeben. Zugleich wurde für die Ge- sandten in den betr. Hauptstädten eine Instruction entworfen und an das Secretariat des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten geschickt, mit dem Gesuch, die Gesandten anzuweisen, auf Grund derselben Cataloge von allen grossen Gallerten, Kunst -Museen und Sammlungen für ornamentale Kunst in den Hauptstädten des con- tinentalen Europa’s zu sammeln und dem Gewerbeschul - Amt einzu- schicken. Die wesentlichsten Punkte dieser Jnstruction sind: I. Die Aufmerksamkeit ist nicht etwa auf naturwissenschaftliche Sammlungen oder Gegenstände grossen Alters nnd anerkannter Sel- tenheit, die in das Gebiet der Curiositäten gehören, zu richten, sondern ausschliesslich auf Kunstwerke aus dem Gebiete der schönen Künste und der Kunst -Industrie, die sich in folgende Classen ein- reihen lassen; 1. Sculptur- Arbeiten. 2. Medaillen und Gemmen. 3. Mosaik- Arbeiten. 4. Gemälde. 5. Japanesische und andere Lack - Arbeiten. 6. Glas - Malerei. 7. Emaille - Arbeiten. 8. Töpferwaaren. / \ 9. Glas-Eabrication. 10. Metall -Arbeiten. II. Uhren. 12. Juwelen und Schmuck -Gegenstände in edeln Metallen. 13. Waffen, Rüstungen und Jagd - Geräthschaften. 14. Möbel und Hausrath etc. 15. Leder -Arbeiten. 16. Korb -Flechterei. S chwabe, Kunst-Industrie. 6 82 Erster Theil. 17. Gewebte Stoffe. 18. Buchbinderei und Buchverzierungen ini Allgemeinen. II. Kunst-Gallerien und Museen aller Art finden in ganz Europa eine rasche Entwickelung, und man wendet den Gegenständen, welche sie enthalten, eine steigende Aufmerksamkeit zu. Sie sind nicht etwa auf die Hauptstädte beschränkt und empfehlen sich der Auf- merksamkeit in folgender Ausdehnung: A. Privat - Sammlungen der regierenden Familien in den Pa- lästen, die zeitweilig dem Publicum geöffnet sind. B. Staats- und öffentliche Sammlungen. C. Sammlungen kirchlicher Behörden in den Cathedralen, Kirchen, Klöstern etc. D. Sammlungen der Städte, Gilden, Municipalitäten. E. Bekannte Sammlungen von Privaten. III. Wenn sich geeignete Gegenstände in bestimmten Samm- lungen finden, ohne dass von denselben Cataloge existiren, so sind auf Kosten des Gewerbeschul -Amts geschriebene Verzeichnisse der ausgesuchtesten Gegenstände fertigen zu lassen. Von den meisten Städten sind Cataloge ihrer Kunstwerke ein- gegangen und es werden die weitern Vorarbeiten über den zu be- wirkenden Austausch veranlasst. Capitel 14. Veranstaltung von Ausstellungen geliehener Kuustgegen- stände für wichtige Zweige der Kunst-Industrie. Gleich in den ersten Jahren der Errichtung ihrer Kunstschule im Maiiborough-House und in Kensington haben die Engländer Gegenstände der Kunst - Industrie ausgestellt , welche zu diesem Zweck von Mitgliedern der königl. Familie, von Kirchen, Corpo- rationen und Zünften , von Privaten , von Kunstliebhabern und sonstigen Eigenthümern geliehen worden sind. Abgesehen davon, dass sich zu jeder Zeit eine nicht unbedeutende Anzahl derartiger Gegenstände im Museum ausgestellt finden, welche von Eigenthümern oft jahrelang demselben anvertraut werden , beruht das Haupt- gewicht dieser Einrichtung darin, dass in einzelnen Jahren entweder für bestimmte wichtige Zweige der Kunst - Industrie oder für das System der Beihilfe, 83 gresammte Gebiet derselben Ausstellungen geliehener Gegenstände auf eine bestimmte Zeit veranstaltet werden. Nach jeder Kichtung hin hat sich unter den verschiedenen Mitteln und Wegen zur Förderung der Kunst-Industrie gerade dieser in hohem Grade fruchtbar bewährt. Zu jeder Zeit sind dem Curator des Museums für ornamentale Kunst, bei Veranstaltung derartiger Ausstellungen die Besitzer interessanter Gegenstände mit der grössten Bereitwilligkeit entgegengekommen. Wer könnte sich auch einem Unternehmen engherzig verschliessen, welches die Absicht hat, den Genuss eines Kunstwerkes allen, die dafür Interesse haben, eine Zeit lang zu gönnen, dessen der Besitzer sich ständig erfreuen kann. In sehr vielen Fällen wurden bestimmte werthvolle Objecte schliesslich in Folge derartiger Ausstellungen dem Museum entweder geschenkt oder vermacht, wie denn dieselben überhaupt dazu dienten, manchen im Verborgenen liegenden Schatz der Kunst-Industrie dem Lichte zuzuführen. Sobald das Gewerbeschul-Amt eine „Spedal-Exhibition of Worhs of Art on Locm^^ zu veranstalten beabsichtigt, wird zunächst ein Comite gebildet, der Charakter der auszustellenden Gegenstände, die Zeit der sie angehören sollen u. s. w. detailirt und genau bekannt gemacht, und die Besitzer von Kunstgegenständen der bezeichneten Art aufgefordert, ihre Absicht, dieselben der Ausstellung anzuver- trauen, dem Secretariat des Gewerbeschul - Amts mitzutheilen. Die Gegenstände werden darauf geordnet, in beschreibender Weise cata- logisirt und ein Catalog herausgegeben. Derselbe enthält einige kunstgeschichtliche Notizen über den Zweig, den die Ausstellung darstellt, ein Verzeichniss der Comite-Mitglieder und derjenigen Per- sonen, welche der Ausstellung Gegenstände anvertraut haben, sowie sonstige Notizen, welche zur Sache gehören, namentlich die Ein- trittspreise. *) *) Diese sind meist sehr verschieden. Ein Tag in der Woche kostet hlos 2 V 2 Sgr. Eintrittsgeld; er ist auf den Besuch der Arbeiter berechnet; 4 Tage kosten 5 Sgr. und ein Tag 10 oder 15 Sgr. Schüler haben freien Zutritt. Die finanziellen Ergebnisse der Ausstellungen waren stets sein- günstig. 6 84 Erster Theil. Zur Charakteristik der Resultate, welche mit derartigen Aus- stellungen erreicht worden sind, wollen wir hier nachstehende Notizen anführen : 1. Eine Ausstellung von geschnitzten Möbels umfasste über 200 zum grossen Theil sehr werthvolle Gegenstände. Mit Ueber- gehung der kleineren, unbedeutenden Gegenstände gab der Catalog über jeden Gegenstand folgende Notizen: Styl, Datum, Besitzer, Bemerkungen und Beschreibung. Ausserdem enthielt er eine kurze Abhandlung über die verschiedenen Stylarten der einzelnen Länder in der Kunst-Tischlerei. 2. Eine der bedeutendsten Ausstellungen der genannten Art wurde i. J. 1862, während der internationalen Industrie-Ausstellung arrangirt. Sie umfasste alle Gebiete der Kunst-Industrie, in Categorien, die denen des Museums für ornamentale Kunst ganz analog waren. Der Andrang der Besitzer von Kunstobjecten, welche auszu- stellen wünschten, war ungeheuer gross, und es erwuchs eine nicht geringe Schwierigkeit aus der Nothwendigkeit, die von allen Seiten olferirten Gegenstände nach Raum und Zweck der Ausstellung zu beschränken. Der Catalog ist 766 Seiten stark und gibt von jedem Gegen- stand eine kurze Beschreibung, den Besitzer und etwaige interessante kunstgeschichtliche Notizen, namentlich über das Alter der Gegen- stände. Etwa 500 Besitzer hatten über 9000 Kunstgegenstände ausge- stellt und die Zahl der Besucher dieser Ausstellung während der 6 Monate ihrer Dauer (vom Juni bis November 1862) betrug nahezu 900,000, also im Durchschnitt täglich 5700. Als leitende Grundsätze für diese Ausstellung waren folgende aufgestellt : a. Die Absicht ist weniger die Erzielung einer sehr ausgedehnten, sondern vielmehr einer äusserst gewählten und systemati- schen Ausstellung. Unbedeutende Gegenstände, oder Duplicate sind demnach ausgeschlossen. b. Alle Ausgaben für Herbeischaffung und Rücksendung der Gegenstände trägt das Gewerbeschul-Amt. System der Beihilfe 85 c. In jedem Falle, wo es nothwendig oder möglich ist, wird die Verpackung und Eücksendung der G-egenstände von den verantwort- lichen Beamten des Gewerheschul-Amts besorgt. d. Die Ausstellung währt 6 Monate, und es ist wünscheiiswerth, dass die Besitzer die geliehenen Objecte auf diese Zeit derselben anvertrauen. Doch können letztere zu jeder Zeit zurückgefordert werden. — Der Eindruck dieser grossartigen Ausstellung war in der That imposant und es ist unmöglich, den Eeichthum derselben auch nur annähernd zu charakterisiren. Man sah Gegenstände vom höchsten kunstgeschichtlichen Interesse. Beispielsweise waren die überhaupt noch existir enden 54 Gegenstände jenes unbekannten , genialen französischen Künstlers sämmtlich ausgestellt, die dem Kenner unter dem Kamen Fmence de Diana de Poitiers bekannt sind. Sie waren das erste und wahrscheinlich das letzte Mal auf einem Punkte ver- einigt. Sodann gegen 70 prachtvolle kirchliche Gewänder und Altartücher, Silbergefässe der Universitäten zu Oxford und Cambridge, sowie der verschiedenen Gilden, Corporationen, Zünfte und sonstigen Vereinigungen der City of London, Waffen und decorative Schilde, sowie andere werthvolle und seltene Gegenstände aus den verschiede- nen Schlössern der Königin; Uhren aller Art, von der sogenannten Nürnberger Kartoffel bis zu der feinen Uhr, welche Königin Elisabeth in ihrem Siegelring trug etc. 3. Im Juni 1865 wurde eine Ausstellung der Miniatur-Portrait- Malerei Englands veranstaltet, welche Portraits aus dem 16., 17., 18. und 19. Jahrhundert enthielt. Es waren im Ganzen 3081 Portraits auf Holz, Elfenbein, Pergament, in Emaille, Kreide und Blei, auf Kupfer u. s. w. ausgestellt. Der Catalog in gross 8o enthält 340 Seiten. -f- _ _ ^7 '- ' '^ ;■■ ■ ' , K ,'. . . . ■ : )V m'i) Ä7 wpl^7 ’' .^; .-/'b fl J ..■■■ '■ ':7-:«>;|V;' 7-t :0^7^ ■ ^fk\r ■/- . :J . ■ .i .■■^' '■ ■ ■ -..:• - i7'7i^.i?o i7/'>' ' -:^ik(M:''ßU) ', , '1 ^■Jy}ri>jvX;j^::.:[: J :b 'ii::-K ^0]/; /i7^^ ^^0^777 ■■ii.>v'J7,' ■ '"" • / : , ■ , - . ■ 7 '- ' ’"' ■. "i-o" iU •■'.^■T ■^:^fy7'i7-?«:i;A. u--i;^-^'%'\. ;;j 'Ivy-'ilHTtT! r:^ 7 ,.7.::K|777iC: .-y) hvj , '7 7. :7',;T i^bar^ ^ ü'--^ hh 77 JC0Hi7'f m , ■7;_^7 ..'' . 7v :777i.':;':.!^^= v’ i r;77:i7, 7 7' /v >-;v7(ri . ^h-min ' ■ :--;77..:..,^ , .-v7.ü.-7 ■:::; . , 7^ ; ; V ' - j , |, ;j " , -■7:77j :i;-.,: ..Ä,. / i j .Z; .; , -^ '' ■• 7 77 . i T - :i ■ü7X^;?/ o7i '7,^7: .k^;.;7s-!' r-.7,v 7 - 77 X,- .'o 7-^k7i.m77i '#^j> ■-X:// ai}iftX'i77r'ifmi''), 'l■: ■77iv, ' .' '■ 77.7\;..7x>; . X 7?5£‘ i ■ 7oj/ 7'i9^l^^7^:7)■■ a7x7r7.-'77 ■'77:;.i7'..y> r k<7'7 x 1. J-%Mt ■ 77-' 7 :777- ;x7:77vj7Y7rxk;v7 ■.:>.77}7jö7MB7^^^^^ '. ' ; '.■■.y;_,.' 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AVem der grosse Genuss zu Theil wurde, das gesammte Ken- sington-Museum in beschaulicher Euhe auf sich wirken zu lassen, den haben gewiss die reichen und tiefen Eindrücke, die er dort empfangen, zu der Frage geleitet, wie ist dieses grossartige Institut tenstanden. Wenn auch der Gedanke, ein hauptstädtisches Institut für Kunst und Wissenschaft zu gründen, in der oben S. 3 citirten Correspondenz vom März 1853 angedeutet war, so lässt sich doch nicht behaupten, es habe eine leitende Hand die verschiedenen Sammlungen und Museen in Süd-Kensington gerade so und nicht anders zusammen- gebracht. Es war vielmehr die Macht des Gedankens selbst, welche, überall zündend und alle Einzel -Bestrebungen für sich gewinnend, bald mit der Kothwendigkeit eines Naturgesetzes Alles an sich zog, was durch Wahlverwandtschaft in sein Bereich gehörte. Wie jeder zeit- gemässe Gedanke, der auf der Basis nationalen Interesses erwachsen ist, so erwärmte auch dieser mächtig und gleichmässig Staatsbehörden, Corporationen, Vereine und Privat-Personen für sein Ziel; er hat alle jene Männer von Gemeinsinn dazu getrieben, ganze unschätzbare Sammlungen, wie einzelne Kunstgegenstände dem nationalen Institute zu weihen, und dem mächtigen vereinten Drange der Geister gelang es, in kurzer Zeit das grossartige Museum in’s Leben zu rufen, dessen Entstehungs-Geschichte wir hier kurz andeuten wollen. Den Anfang bildete das Museum für ornamentale Kunst. Zu diesem war streng genommen bereits i. J. 1846 der Grund gelegt 90 Zweiter Theil. worden; ein Comite empfahl damals, in Verbindung mit der Central- Musterzeichen - Schule im Somerset- House ein Museum zu bilden, welches die Schüler über die Principien der Form, Ornamentik und der Farbenharmonie durch gutgewählte Muster unterrichten sollte. An die wenigen, zu diesem Zweck gesammelten Gegenstände knüpfte man i. J. 1851 an, und vermehrte sie durch Ankäufe aus der Aus- stellung vor 1861, wozu dem Board of Trade eine Summe von 5000 £. angewiesen war. Aus den existirenden und angekauften Gegen- ständen bildete man ein „Museum für ornamentale Kunst“, welches bereits i. J. 1852 im Marlborough- House dem Publicum geöffnet wurde. Im Jahre 1853 wurde dasselbe durch Ankauf der Bandinel-Summlung von Irdenwaaren, welche namentlich altes werth- volles Porzellan und Glas aus den verschiedensten Ländern enthielt, vermehrt. Wie Titel und Ursprung sagen, war der Hauptzweck dieses Museums eine in wirklichen Gegenständen gebotene Darstellung der ornamentalen Kunst, und zwar namentlich derjenigen, die ihren Ausdruck in Gegenständen der Nützlichkeit findet. Man hatte im Anfang als Princip aufgestellt, nur solche Gegenstände zu sammeln, die in den bestehenden Museen der Hauptstadt noch nicht vertreten, und ebensowohl dem Publicum neu und anziehend, wie den Studirenden nützlich wären. Mr. J. C. ßobinson, der verdienstvolle Curator des Museums vom August 1853 ab, verwarf jedoch diesen engherzigen Gesichtspunkt und hatte bei dem von ihm geleiteten Ausbau das Anstreben einer vollständigen und methodischen Sammlung vor Augen. Er war der Meinung, vor Allem sollte vertreten sein, was England von natio- nalem und speciellem Interesse auf dem Gebiete der decorativen Kunst erzeugt hat. Es sei vernunftgemäss , dass die Entwickelung irgend eines charakteristischen Kunstzweiges in dem Lande am vollkommensten vertreten sei, wo sie sich vollzogen habe, zumal bei der Vollkommenheit der Verkehrsmittel die einzelnen Museen Europa’s leicht zu erreichen seien. Da durch die ersten grösseren Ankäufe von Gegenständen der Ausstellung von 1851 die Werke der neuern Kunst sehr vollständig vertreten waren, wandte Eobinson sehr bald auch dem Mittelalter, Geschichte und Statistik des Kensington-Museums. 91 namentlich der italienischen Renaissance-Periode, sowie den classi- schen Producten die erforderliche Aufmerksamkeit zu. Dabei war er bemüht, die Ankäufe neuerer Kunstgegenstände nicht zu be- schränken, denn vor Allem sollte das Museum ein treues Spiegelbild der gegenwärtigen industriellen Kunst sein. Besonders zahlreich waren die Erwerbungen für das Museum i. J. 1855; sie bestanden in dem Ankauf von Artikeln der modernen Kunst - Industrie auf der Ausstellung in Paris, wofür die Regierung 3500 £. bewilligt hatte; sodann in dem theilweisen Erwerb der grossen Sammlung von R. B erndal. Von derselben wurden 730 Stück für 3658 £. gekauft, namentlich werth volles Porzellan aus den ver- schiedenen Stadien der Porzellan - Manufactur aller Cultur - Länder, mittelalterliche Metall - Arbeiten , Schmucksachen , Emaille - Arbeiten, Elfenbein- und Holzschnitzereien, Waffen und Grlassachen. Im J. 1Ö56 war die Sammlung, namentlich reich an Majolica’s und italienischen Möbeln, nach England gebracht und im Museum aufgestellt worden. Es war, um dies zu erreichen, ein Grarantie-Fonds gebildet worden, an dem sich namentlich der Prinz- Gemahl betheiligte. Das Interesse für diese Sammlung war sehr gross, und es wurden aus derselben für mehr als 8000 £. Gegen- stände erworben. Im Jahre 1857 erfolgte die Verlegung des Museums für orna- mentale Kunst von dem Marlborough - House nach Süd-Kensington. Bereits i. J. 1851 hatte nämlich die Ausstellungs - Commission be- schlossen, aus den Ueberschüssen der Ausstellung einen Complex von Grundstücken in Süd-Kensington anzukaufen, und dort die er- forderlichen Gebäude zu errichten, in denen die, vorläufig im Marl- borough-House untergebrachte Kunstschule sowie das Museum Platz finden sollten. Dieses ursprüngliche Gebäude ist aus Eisen mit Glasdachung, äusserlich sehr unschön, im Innern höchst zweckmässig eingerichtet; der Volkswitz taufte es die Brompton boilers (das Grund- stück grenzt südwestlich an Brompton), eine Bezeichnung, welche die unschöne Gestalt der runden, mit Steinpappe gedeckten Dächer sehr treffend charakterisirt. Mit dieser Verlegung trat nun zugleich eine grosse Erweiterung 92 Zweiter Theil. des Museums nach Zweck und Inhalt ein; es wurden verschiedene andere Sammlungen mit demselben verbunden. Zunächst war bereits i. J. 1856 von Mr. Sheepshanks eine werthvolle Bilder- G-allerie britischer Künstler dem Museum vermacht worden, unter der Be- dingung, dass innerhalb 12 Monaten, vom Datum der Schenkung ab gerechnet, ein geeignetes Gebäude zur Aufnahme der Gemälde er- richtet würde. Im Kovember 1856 war deshalb sofort das GaUerie- Gebäude in Kensington in Angriff genommen worden und den 22. Juni 1857 wurde es bereits, vollständig ausgerüstet und mit den Bildern geschmückt, für das Publicum eröffnet. Nach der Intention des grossherzigen Schenkers sollte seine Sammlung den Anfangspunkt einer National - Gallerie bilden, da eine solche mit einer Central- Kunstschule nothwendig in Verbindung stehen müsse. Der Sheep- shanks - Schenkung folgte bald die der Aquarellen - Sammlung von Ellison. Die in Folge dieses Baues vergrösserten Eäumlichkeiten wurden die Veranlassung, dass ein Verein von Architecten, welcher jährliche Preisbewerbungen für allerhand Bau-Arbeiten eröffnet und durch Erwerbung vieler Modelle, Gypsabgüsse und Zeichnungen ein „Ar- chitectur-Museum‘^ angelegt hatte, seine Sammlung dem Ge- werbeschul- Amt zur Verfügung stellte. Diesem Beispiele folgte eine Gesellschaft von Bildhauern, ,ythe Scul]}tor's Institute^'’ mit einer Ausstellung resp. Sammlung von Sculp- turen britischer lebender Künstler. Man dehnte dann die Bestimmung dieser Sammlung aus und Hess auch ältere Künstler zu, in der Erwartung, dass auf diese Weise in Kensington mit der Zeit die historische Entwickelung der englischen Sculptur zur Anschauung gebracht werde. Sodann kam die Sammlung von Schul- und Unterrichts- gegenständen hinzu, welche die Sodety of Arts vom Jahr 1854 ab veranlasst hatte und nunmehr dem Gewerbeschul- Amt zum Ge- schenk machte; weiter der Anfang der Sammlung von Con- structions- und Baumaterialien, welche theils aus Geschenken von der Industrie - Ausstellung , theils durch Ankauf entsprechender- Gegenstände gebildet worden war; endlich stellten auch die Com- Geschichte und Statistik des Kensington-Museums. 93 missioners of Patents eine Sammlung von Modellen zur Veranschau- lichung der wichtigsten Erfindungen auf dem Gebiete des Maschinen- wesens dort aus. Auf Veranlassung der Königl. Commission für die Ausstellung von 1851 war mit Hilfe der Society of Arts eine Sammlung thie- rischer Kohstoffe und Producte arrangirt worden, welche ebenfalls i. J. 1857 dem Kensington-Museum einverleibt wurde. Das Museum für ornamentale Kunst gewann bei der Aufstellung in Kensington viel Kaum, namentlich durch die verschiedenen An- bauten; es konnnte daher jetzt daran gehen, auch solche Objecte, die viel Platz beanspruchen, namentlich Möbel zu acquiriren, deren Ankauf wegen der Eaumbeschränkung im Marlborough-House unter- bleiben musste. Nicht minder konnte von jetzt ab die Kunst-Biblio- thek sowie die zu ihr gehörigen Stiche, Zeichnungen und Photogra- phien besser benutzt und für erstere ein Lesezimmer eingerichtet werden. Ein bedeutungsvoller Schritt in der Geschichte der Kensington- Museen wurde i. J. 1857 dadurch gemacht, dass man zum ersten Mal den Versuch machte, zu einem öftentlichen Museum den Abend Zutritt zu gewähren, um dadurch practisch festzustellen, welche Zeit, ob der Tag oder der Abend, den arbeitenden Classen am meisten convenirt. Das Museum war mit freiem Eintritt durchschnittlich 21 Stunden wöchentlich zur Tageszeit und blos 6 Stunden am Abend geöffnet. Stunde für Stunde ergab sich, dass die Zahl der Besucher am Abend 5 Mal grösser war als am Tage; bis zum 12. Mai ergab die Tageszeit 212,623 Besucher, die Abendzeit 227,374 Besucher, d. h. 5 Mal soviel als im Verhältniss der Stundenzahl zu erwarten war. Eine genauere Beobachtung der Abend- Besucher bewies zur Evidenz, dass die grösste Masse nicht zu denjenigen Classen gehörte, die öffentliche Museen auch am Tage besuchen können ; es erschienen am Abend Arbeiter in Begleitung von Frauen und Kindern, und die erstaunten und freudigen Gesichter, die stets beim Eintritt in die brillant erleuchteten innern Eäume des Museums zu sehen waren, legten sprechendes Zeugniss ab von dem wohlthuenden und anre- genden Einfluss, den diese Art von Abend-Unterhaltung Allen gewährte. 94 Zweiter Theil. Uebrigens sei noch hinzugefügt, dass bei den 227,374 Abendbesuchen nicht ein einziger Fall von tadelnswerthem Benehmen vorgekommen ist. • In den Jahren 1859—1860 befand sich Henry Cole in Italien, und bezeichnete eine Anzahl Giegenstände , deren Ankauf ihm sehr wünschenswerth erschien ; dieselben wurden dann von M. Eobins on gekauft, zugleich mit einem Theil der Sammlung des Marquis Camp an a, für deren Ankauf 6000 £. ausgegeben wurden. Im Jahre 1861 erwarb man die Sammlung von Soltikoff in Paris für 5982 £., und viele einzelne Gegenstände aus der italieni- schen Eenaissance-Periode. Im Jahre 1862 gab wieder die internationale Ausstellung in London Gelegenheit zu werthvollen Acquisitionen der modernen Kunst-Industrie Englands und anderer Länder; man erwarb im Ganzen für 3947 £. einzelne Gegenstände. Im Jahre 1864 wurde die Sammlung von Schiffs-Modellen nach Kensington gebracht und daselbst dem Publicum zugänglich ge- macht, welche bis dahin unbeachtet im Somerset-House gestanden hatte. Die Frequenz des Kensington -Museums ergibt sich aus nach- stehenden Zahlen : *) Einwirkung des Krimkrieges auf den Besuch. 2) Die Zahlen für die Jahre 1854, 55 u. 56 beziehen sich blos auf das Museum für ornamentale Kunst in Marlborough-House. 3) In diesem Jahre wurden die Sammlungen nach Südkensington ge- bracht und dort sehr vermehrt. '*) Erstes Kalenderjahr der Ausstellung in Südkensington. Jahre : 1854 1855 1856 1857 1858 1859 1860 1861 Zahl der Besucher: 104,823 78,427 9 111,7689 268,2919 456,2889 475,365 610,696 604,550 Geschichte und Statistik des Kensington-Museums. 95 Jahre : Zahl der Besucher 1862 1,241,369 1863 726,915 1864 653,069. Dieselben beziehen sich anf die Gesammtheit der Museen und Sammlungen, welche in Kensington vereinigt sind und nunmehr einer detailirten Betrachtung zu unterwerfen sind. ) Einwirkung der internationalen Ausstellung. II. Abschnitt. BesclireiMng und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. Capitel 1. Die Sammlungen für das Gebiet der Kunst. 1. Das Museum für ornamentale Kunst. Der Zweck des Museums für ornamentale Kunst ist, die G-e- scMclite, Theorie und practische Anwendung der decorativen Künste zu illustriren. Es umfasst Kunstwerke aller Jahrhunderte und aller Industriezweige, in denen sich die Kunst hethätigen kann : vom Beginn der christlichen Aera bis auf die gegenwärtige Zeit. Die- selben sind in 18 Classen eingetheilt. Classe: Classe : Xn. Juwelen und Schmuck- sachen. XIII, Schilde , Waffen und Rüstungen, XIY. Möbel, XV, Leder-Arbeiten. XVI. Korbflechterei, XVII. Fabrication gewebter Stoffe. XVIII. Buchbinderei und Ver- zierung von Büchern im Allg’emeinen. Das leitende Princip für die Einreihung einzelner Gegenstände in diese Classen war das der Zweckmässigkeit für Künstler, Fabri- canten und Arbeiter. Bei einzelnen Classen war das Material ent- I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X. XI. Sculpturen. Medaillons und Gemmen. Mosaik-Arbeiten. Decorative Wandmalerei. Lack-Arbeiten. Glasmalerei. Emaillesachen. Irdenwaaren. Glaswaaren. Metall-Arbeiten. Uhren. Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. 97 scheidend, so hei G-las, Eisen etc., hei andern der Gebrauch, z. B. hei den Möheln, wieder hei andern die Art der Ausführung, z. B. die Sculptur, oder der Handelszweig, so hei den Goldschiniede- Arheiten. Yon der Classification nach Chronologie oder Ursprung hat man principiell abgesehen. Wir gehen nunmehr daran, den Inhalt der einzelnen Classen kurz zu charakterisiren. Classe I. Soulpturen. a. in Marmor, Alabaster, Stein, Terracotta, Wachs, Gyps. Der Inhalt dieser Ahtheilung ist , vom kunstgeschichtlichen Gesichtspunkt betrachtet, deshalb von höchstem Interesse, weil sie ungemein reich ist an italienischer Sculptur aus dem Mittelalter und der Periode des Wiederauflebens der Kunst. Haben auch in jener Zeit die westlichen Länder Europa’s bemerkenswerthe Werke der Sculptur hervorgebracht, so hat diese Kunst doch blos in Italien jene Yollkommenheit erreicht, die sie würdig macht, den antiken Leistungen zur Seite gestellt zu werden. Leider hat die souveräne Herrschaft der classischen Sculptur viel dazu beigetragen, dass man der mittelalterlichen italienischen bildenden Kunst nicht diejenige Aufmerksamkeit zu wendete, die sie ihrem innern Werthe nach ver- diente. Beinahe alle Museen und Gallerien beweisen, dass man eifrig bemüht war, die Producte der italienischen Malerei jener Epoche zu sammeln und als kostbare Schätze zu betrachten, während den gleichzeitigen und gleichgrossen Erzeugnissen der Sculptur nur wenig Beachtung zugewendet wurde. Hiermit hängt die Thatsache zusammen, dass man, abgesehen von Italien, in den grossen Museen der europäischen Hauptstädte keine einzige, nur annähernd systematische Sammlung der Eenaissance- Sculptur findet. Es ist deshalb ein grosses Yerdienst, unberechenbar in seinen Wirkungen, dass J. C. Eobinson, der verdienstvolle Curator des Museums, seit August 1853, beim Ausbau desselben von dem richtigen Gesichtspunkt ausgegangen ist, keine Mühe und kein Opfer zu scheuen, dem Museum so viel als möglich würdige Yer- treter jener mittelalterlichen italienischen Sculptur einzuverleiben. Sclnrabe, Kun.st-Induslrie. i 98 Zweiter Theil Man behauptet nicht zu viel, wenn man sagt, dass ein sehr beträcht- licher Theil derjenigen Kunstwerke jener Epoche, die sich in den Händen von Händlern und Privat - Eigenthümern befunden haben, jetzt in den Besitz des Kensington-Museums übergegangen sind. Die im Jahre 1854 erfolgte Erwerbung der Gherardini - Samm- lung von Original-Modellen grosser italienischer Künstler ist als die Grundlage der spätem Erwerbungen namentlich der Gigli-Campana- Sammlung anzusehen. Aus dem 13. und 14. Jahrhundert findet man 8 mehr oder minder bedeutende Werke von den Pisanis und ihrer Schule, 2 Statuen von Erzengeln von Nicola Pisano, der zuerst die Sculptur von den Fesseln der mittelalterlichen griechischen Auf- fassung befreite, und zwar unter den directen Einflüssen antiker griechischer Kunstwerke, die im Kopf und Faltenwurf des einen Erzengel unverkennbar zu sehen sind; 2 Hochrelief - Arbeiten in Marmor, die Begrüssung der Jungfrau; die heilige Barbara, Hoch- relief von Nino Pisano und mehre andere. Aus dem 15. Jahrhundert sind anzuführen: 1. Vier Werke, Statuen, Beliefs und Schnitzereien von Jacopo de 11a Quere ia , namentlich eine Jungfrau mit dem Kind, das eben ent- schlafen. Das ruhige Herabneigen der Mutter über das schlafende Kind, dessen Gesicht noch nach ihr gerichtet ist, der zarte Ausdruck und die grosse Einfachheit geben dieser Gruppe eine eigenthümliche Wirkung. 2. Sehr schöne Relief-Terracotten und andere Kunstwerke von Ghiberti, der noch mehr als Quere ia den entschiedenen Ueber- gang aus der älteren Eichtung in die moderne Kunst bezeichnet, und von dessen berühmten Kirchenthüren bekanntlich Michel Angelo sagte, sie seien würdig, die Pforte des Paradieses zu bilden. Sein Styl im Eelief ist sehr malerisch, einzelne Figuren der Gruppen scheinen ganz losgelöst von dem Hintergrund, während andere wie auf demselben gehaucht erscheinen. 3. Etwa 11 bedeutende Werke von Donatello resp. einige davon aus seiner Schule. Er führt die Grundsätze der modernen Kunst mit voller Energie ins Leben ein, hat in der vollen kräftigen Körperlichkeit seiner Figuren das sichere Geni]]l der irdischen Exi- ' Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen ln Kensington. 99 stenz und ist der erste, der rückhaltlos der Antike anhängt. Auf einem Halhrelief, die Kreuzesabnahine durch Engel, erinnert der Torso von Christus in der That lebhaft an den Styl Michel Angelo’s, der bekanntlich Donatello’s Werke sehr hochachtete und sorgfältig studirte. Nächstdem ist ein Eries, in Flach -Belief hervorzuheben: „Christus, die Schlüssel an Petrus gebend,“ der sofort als bedeu- tendes Werk sich kennzeichnet. Die von ihm erfundene eigenthüm- liehe und sehr schöne Methode Donatello’s, in Flach -Belief zu arbeiten, hat Bobinson sehr gut mit den Worten: „Malerei in Marmor“ bezeichnet und es finden sich drei Objecte im Museum, welche diese Methode ausgezeichnet repräsentiren. 4. Die bedeutendsten Schüler Donatello’s waren Desiderio da Settignano und Antonio Gramberelli, genannt Bosellino, die beide in seinem Geiste arbeiteten und in mancher Beziehung ihren Meister übertrafen. Von ihnen befinden sich etwa 10 Werke in der Sammlung. Als Schüler Donatello’s gilt auch der Florentiner Andrea Verocchio, der das durch ersteren eingeleitete Natur- studium mit grosser Gründlichkeit und Tiefe auffasste, jedoch meist die Poesie in der Auffassung vermissen lässt. Von ihm besitzt die Sammlung etwa 8 Werke. 5. Luca della Bobbia und seine Schule. Bobbia war ein Künstler von vielseitiger Thätigkeit, der, wie die meisten der damaligen Künstler, ursprünglich Goldschmied war, und nach und nach zu dem grossem Gebiet der Sculptur in Marmor überging. Er ist der Erfinder jener Technik in gebranntem Thon mit glasirtem Ueberzug, welche die Terracotten für die Verwendung im Freien sehr geeignet machte. Diese glasirten Arbeiten wurden bald ein sehr gesuchter Handels - Artikel und gingen aus seiner Werkstatt in die ganze Welt. Um in dieser Beziehung den vielen Ansprüchen genügen zu können, hatte er eine zahlreiche Schule in dieser Technik herangebildet, in der seine eigenthüinliche Weise der Darstellung bis in den Anfang des 16. Jahrhunderts so lebendig fortwirkte, dass es oft schwierig ist, seine Werke von denen der Nachfolger zu unterscheiden. Die bedeutendsten unter den Letztem sind Andrea della Bobbia, sein Neffe, und Giorgio Andreol i. 100 Zweiter Theil. Yon Eobbia und seiner Schule enthält das Museum etwa 60 Keprä- sentanten, darunter namentlich 12 Medaillons mit Figuren, welche die landwirthschaftlichen Arbeiten der 12 Monate darstellen, an Ori- ginalität und Lebendigkeit gleich ausgezeichnet ; sodann eine Ma- donna mit dem Kind, unter einem Bogen von Früchten und Blumen sitzend, die jedenfalls zu den ausgezeichnetsten Werken gehört, welche überhaupt aus dieser Periode existiren. 6. Besondere Beachtung verdient die im North Court aufge- stellte Kapelle der Klosterkirche Santa Chiara aus Florenz, die i. J. 1493 erbaut wurde. Diese Kirche ging ein, wie viele andere, und es ist den Bestrebungen Kobinsons gelungen, diesen Theil der- selben für das Museum zu erwerben, der als ein vollständiges Werk Florentiner Architectur eines sehr characteristischen Styls in seiner Bedeutung für eine Kunstsammlung schwerlich überschätzt werden kann. 7. Beachtenswerth ist eine Cantoria (Sänger - Gallerie) aus der Klosterkirche Santa Maria Novella in Florenz, die ebenfalls von Eobinson i. J. 1859 gekauft worden ist. Sie ist ein Werk von Baccio d’Agnolo, etwa aus der Zeit von 1490 — 1500, in weissem Marmor. Aus dem 16. Jahrhundert sind hervorzuheben: 1. Etwa 16 Werke von Michel Angelo, dem grossartigsten Bildner jener Zeit. Seine Gestalten tragen, wie Kugler sehr schön sagt, ein eigenthümliches , hochgewaltiges Gepräge, das sie zum Ausdruck , zur unmittelbaren Personification der elementarischen Kräfte, welche die Welt halten und bewegen, zu machen scheint. Hervorzuheben sind unter den Werken der Sammlung eine pracht- volle Marmor -Statue des Amor, Original - Modelle in Wachs seiner Statuen von David, Hercules, Apollo und Studien zu Gliedern und Torsen. 2. Verschiedene Statuen in Marmor aus der Schule von Michel Angelo und ein Eelief von Pierino da Vinci. 3. Original -Modell der Kreuzes - Abnahme von Jacopo San- savino. 4. Etwa 5 Werke, namentlich ein Eelief, den „Eaub der Sabi- Beßchreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. ] Ql nerinnen“ darstellend, von Giovanni di Bologna, dem bedeu- tendsten Bildhauer in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. So- dann einige Werke seiner Schüler, namentlich des Pietro Fran- cavilla. . 5. Zwei Statuetten und drei Reliefs von dem durch die feinste, zierlich phantastische Ornamentik ausgezeichneten Grab - Monument des Gaston von Foix in Mailand, bekanntlich das Hauptwerk von Agostino Busti, genannt Bambaja. Diese Werke sind in ganz verschiedenen Zeiten und Orten durch die eifrigen Bemühungen von Robinson für das Museum erworben. Von der italienischen Sculptur aus dem 17. Jahr- hundert finden sich gegen 20 Gegenstände, namentlich aus der Schule des grossen Meisters Bernini. Ich habe hier blos die hervorragendsten Werke aus jener glän- zenden Epoche der italienischen Sculptur, nach Jahrhunderten ge- ordnet, hervorgehoben. Es finden sich unter diesen noch sehr viele Werke, namentlich Balcons, Kamine, Yasen, Büsten, Brunnen u. s. w. aus jener Zeit. In kunstgeschichtlichem Interesse bemerke ich noch, dass die wichtigsten Schulen in folgender Weise im Museum ver- treten sind: die Florentiner Schule des 15. und 16. Jahrh. durch 30 Werke, „ Neapolitanische „ „ „ „ „ „ „ 6 „ Norditalienische „ (Venedig und Mailand) . „ 36 „ „ Genuesische Sculptur „ 7 „ „ Schule der Maiani (A. Ferrucci und Mino da Fiesoie) „ 10 „ Im Ganzen befinden sich in der ersten Classe etwa 300 Werke der italienischen Sculptur aus jener Zeit. — Weiter enthält diese Abtheilung: 1 . Etwa 1 2 deutsche Arbeiten, namentlich 2 Statuetten in Ala- baster von Peter Vischer; einige Sachen aus der Nürnberger Schule, moderne Terracotten, Reliefs, Medaillons u. s. w. 2. Etwa 6 französische Sachen aus der Renaissance -Periode, der Zeit Ludwigs XIY. etc. 102 Zweiter Theil, 3. Ebenso einige Vertreter ans andern Ländern, namentlicli den Niederiandeu. b. Geschnitzte Spiegel- und Bilder rahmen, Schnitzereien in Elfenbein, Horn etc. Aus dem Bereich dieser Gegenstände enthält das Museum etwa 120 Artikel aus den verschiedensten Ländern und Zeitaltern. c. Bronce- Statuetten, Büsten und Kelief- Platten. Als beim Wiederaufwachen der Künste die Broncen in Auf- nahme kamen, war bekanntlich Florenz der Hauptsitz dieser Arbeiten. Es finden sich eine grosse Anzahl Broncesachen aus der florentiner Schule, und sonstige italienische Werke aus jener Zeit, im Ganzen 1 20 verschiedene Gegenstände. Deutschland ist mit etwa 6 Arbeiten und Frankreich mit etwa 10 sehr schönen modernen Bronce-Arbeiten von Barbedienne in Paris vertreten. Classe II. Medaillen und Gemmen. Oben bei der Beschreibung des Wander- Museums haben wir bereits darauf aufmerksam gemacht, in welcher Weise Münzen und Medaillen, die oft reichlich aus jeder Periode existiren, die geschicht- liche Entwickelung der Kunst illustriren. Man ist bei dieser Zu- sammenstellung bemüht gewesen, von den klassischen römischen und griechischen Zeiten an, durch das Mittelalter, bis auf die neue Zeit durch etwa 400 Münzen die Entwfickelung der Kunst zu illustriren deren gute und böse Zeiten in den Münzen und Medaillen wie in einem Spiegelbilde zu erkennen sind. Classe III. Mosaik- und eingelegte Arbeit. Mosaik im weitesten Sinne des Worts nennt man jede Arbeit, welche ein Muster oder ein Gemälde auf der Oberfläche eines Gegen- standes hervorbringt durch Aneinanderfügen von harten Körpern. Jenachdem die decorative Oberfläche wirklich und zwar namentlich aus Steinchen oder Glaspasteii construirt wird, oder bei einem|:ge- gebenen Stott' z. B. Holz blos durch Einlegen anderer feinerer Mate- Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. 103 rialien von verschiedenen Farben verschönert wird, unterscheidet man Mosaik im engeren Sinn und eingelegte Arbeit. In der Geschichte der Fabrication und Anwendung dieser Kunst lassen sich folgende Haupt -Arten hervorheben: 1. Eingelegte Holz- und Elfenbein - Arbeiten bei den alten Egyptern. 2. Verwendung der Mosaik, namentlich zu Fussböden in der classischen römischen und griechischen Zeit. 3. Verwendung der Mosaik zur Wanddecoration, namentlich in Kirchen in der byzantinischen Zeit. 4. Herstellung von Mosaiken mittelst Glaspasten auf Goldgrund im 10. bis 12. Jahrhundert in Italien. 5. Eine eigenthümliche Art eingelegter Arbeit in Holz und Marmor (namentlich verschiedener Farbe z. B. Porphyr, Serpentin etc.) in Italien im 14. Jahrhundert. 6. Die bekannte florentiner Mosaik aus Kiesel- und kostbaren Steinen, namentlich Achat, Jaspis, Amethyst etc., zuerst auftretend gegen Ende des 16. Jahrhundert, und noch jetzt im Flor. Die florentiner Technik wurde im 17. Jahrhundert durch florentiner Künstler in Indien eingeführt, wo sie namentlich in Delhi und Agra sehr vollendet ausgeübt wird. 7. Die moderne römische Mosaik, welche viel feiner und künst- licher ist und in dem Aneinanderfügen regelmässiger kleiner Glas- pasten besteht. 8. Die namentlich in Frankreich unter Ludwig XIV. und später ausgebildeten Gattungen der eingelegten Arbeit (Boule- und Pique- Arbeit). Betrachtet man vom Gesichtspunkt dieser geschichtlichen Cha- racteristik die Mosaik- und eingelegten Arbeiten, welche in etwa 90 Objecten zur Anschauung kommen, so findet man, dass mit Aus- nahme der alten Egyptischen Arbeiten jede dieser Hauptarten in sehr vollkommener Weise vertreten ist. Classe IV. Decorative Wandmalerei. In dieser Classe findet man zunächst 6 Originale von Wand- 104 Zweiter Theil. und Säulen-Decoration aus Pompeji; sodann zwei Original - Cartons für Wand-Decoration von Giovani da Udine, der bekanntlich mit der Ausführung der decorativen Arbeiten in den Logen des Vatican betraut war. Alle übrigen Gegenstände dieser Abtheilung sind Copien, welche die schönsten Wand-Decorationen zur Anschauung bringen, die über- haupt zu finden sind. Beispielsweise mögen genannt werden: a) 21 Pilaster - Decorationeii und 16 Limetten aus den Logen des Vatican nach Kafael. b) Verschiedene Panele, Kanten, Friese und Decken-Decorationen aus den Logen und andern Gemächern des Vatican. c) Copien von Fresken aus dem Palast La Farnesina in Rom. d) 6 Copien der Fresken von Correggio und Andern im Dom von Parma. e) 1 1 Copien in Oel von der Wand-Decoration der Apollo-Gallerie im Louvre. f) Pilastre-Copien aus dem Palazzo Ducale in Mantua. Ausser- dem befinden sich in dieser Classe noch einige sehr werth- volle Originalgemälde von Perugio, A. Carracci, Snyders, Cornelius de Heem u. s. w., welche theils Costüme illustri- ren, theils als Stillleben und Blumen zu Mustern für Decorations- Malerei dienen sollen. Classe V. Lack-Arbeiten. enthält etwa 60 sehr schöner lackirter Arbeiten, namentlich aus Indien, China, Japan, Persien und andern orientalischen Ländern, die durch ihre vegetabilischen Harze in den Stand gesetzt werden, so vollkommenen und dauerhaften Lack herzustellen. Classe VI. Glasmalerei. Hier findet man etwa 120 Glasmalereien der verschiedenen Art und Zeit, vorzüglich mittelalterliche deutsche und niederländische Arbeiten. Die meisten modernen Sachen sind deutschen Ursprungs. Classe VII. Emaillen auf Metall. Da die Emaillirung im Mittelalter, namentlich in Frankreich Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. XQ5 (Limoges) ihre höchste Vollendung erreichte, so gehören die meisten Gegenstände dieser Classe dem Mittelalter und der französischen Fahri- cation an. Nächstdem ist der Orient, namentlich Indien, China und Persien vertreten, wo die Emaille-Arbeiten eine gesonderte und sehr bedeutende Entwickelung erlangt haben, ohne dass sich annehmen Hesse, dass diese Fabrication dort früher bekannt gewesen sei, als in Europa. Es sind namentlich ausgestellt: Platten, Schnallen, Kästchen, Emaillenialerei auf Gold, Dosen, Criicifixe etc. An modernen Emaillesachen sind namentlich französische aus Limoges und der Nationalfabrik in Sevres ausgestellt. Classe VIII. Irdenwaaren. Um beurtheilen zu können, welcher Werth dem Museum für das grosse Gebiet der Irdenwaarenfabrication, vom einfachen Töpfer- geschirr bis zum feinsten Porzellan, beizumessen ist, muss man dieses Gebiet sowohl, wie die Hauptmomente seiner Geschichte mit einem Blick überschauen. Das gesammte Gebiet der Irdenwaaren lässt sich in 3 Classen theilen: Thonwaaren, Fayence oder Steingut und Porzellan. Das gemeine Töpfergeschirr und die Fayence sowie die vielen, verschiedenen Modificationen von Geschirren, welche zwischen diesen liegen, sind von einander durch die Eeinheit des Thones und die Zusammensetzung der Glasur verschieden. Die innere Masse dieser Geschirre zeigt stets einen erdigen Bruch, klebt an der Zunge und ist mit der Glasur nicht verschmolzen, welche vielmehr wie ein Plättchen darauf liegt. Wird reiner Thon mit einer schmelzbaren Substanz gemischt, z. B. mit pulverisirtem Feldspath, und wird das daraus gebildete Geschirr noch mit einer Glasur (die eine Glasmasse ist) überzogen, so bildet sich bei der Glühhitze eine halb durchsichtige Masse, welche einen glasigen Bruch hat; der Thon und die Glasmasse bilden ein zusammengeschmolzenes Ganze, das Porzellan. Wie von der schlechtesten Sorte Porzellan, die man auch Steingut nennt, bis zu der feinsten viele Uebergänge stattfinden, ebenso ist dies von den schlechtesten Sorten von Irdenwaaren bis zur Fayence der Fall. 106 Zweiter Theil. Ich werde mm mit Hinweis auf die hei der Besprechung des Wander- Museums mitgetheilten Daten über die wichtigsten Punkte in der Geschichte der Irdenwaaren-Fabrication kurz angeben, wie das Museum dieselben repräsentirt. Es bildet diese Art der Be- trachtung den strengsten Massstab, den man an eine Sammlung anlegen kann, und es wird sich ergeben, dass diese Classe des Museums demselben in sehr vollkommener Weise genügt. 1. Die Sammlung enthält 22 Objecte, antike egyptische, grie- chische, römische und samische Waare, endlich 24 Stück alte bemalte persische Irdenwaaren (cf. S. 63 ff.). 2. Für die Majolica ist die Sammlung sehr vollständig. Sie ent- hält etwa 19 Stücke spanisch -maurischer Töpferei, 208 Majolica- Stücke ältern Datums, 150 Majolica-Fabricate aus den Hauptorten der Fabrication, 50 verschiedene andere Majolica -Waaren aus Padua, Venedig, Neapel etc. 3. Henry-Deux’ Waare (1540 — 1550), (cf. S. 85) 1 Exemplar. 4. Palissy’s feine Emaille -Waaren (1570 — 1580), (cf. S. 65). Hiervon enthält die Sammlung eine reiche Auswahl von 22 Stück, ausserdem 29 Stück moderne Nachbildung von Palissy- Waare. 5. Etvfa 70 Stück alte deutsche, holländische und flämische Stein waaren aus dem 16. und 17. Jahrhundert, namentlich 24 Stück Waaren von Delft (cf. S. 65) und alte sächsische rothe glasirte Stein waaren aus der Manufactur von Böttcher (14 Stück). 6. Diverse Kepräsentanten der alten englischen Irden- und Steingutwaaren, nämlich 31 Stück mit Bleiglasur aus dem 17. Jahr- hundert; 54 Stück glasirte Waaren aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, namentlich aus Staffordshire und aus der Fabrik der Gebrüder Ehlers (1690) (cf. S. 65). Mit den sub 1—6 aufgeführten Gegenständen wäre die Keprä- sentation der Irdenwaaren-Fabrication bis zur Erflndung des Porzellans durch Böttcher i. J. 1709 erschöpft. Die Geschichte der Porzellan- Fabrication muss in jedem der wichtigsten Länder Europa’s geson- dert kurz betrachtet werden. a. Deutschland (cf. S. 66). 82 Stücke Meissener Porzellan und 43 Stücke aus verschiedenen Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. |07 andern deutschen Fabriken repräsentiren die Fabrication von Deutsch- land im 18. und 19. Jahrhundert. b. England. , Zu derselben Zeit, als die Porzellan-Manufactur anfing, sich zu verbreiten, erfand in England Wedgwood (1730 — 1795) eine eigen- thümliche steingutartige Masse, bestehend aus einem Gemenge von Thon mit verschiedenen Substanzen, insbesondere mit Schwerspath und Gyps, welche beim Schmelzen weich werden und die Stelle des Feldspaths beim Porzellan vertreten. Mit Hilfe des Malers Flax- mann wurde diese Masse zu sehr schönen Kunstwerken verarbeitet, die jetzt sehr werthvoll sind und mit gleich hohen Preisen bezahlt werden, wie das Porzellan von Sevres. Es finden sich in der Samm- lung 220 Stück dieser Waare. Das erste englische Porzellan wurde in Chelsea verfertigt, da- mals einem Dorfe, jetzt einer Vorstadt Londons. Schon i. J. 1750 ging die Fabrik in Chelsea ein und Modelle und ein Theil der Arbeiter kamen nach Derby, wo 1751 eine neue Fabrik eröffnet wurde. Bald er- richtete man Fabriken in Leeds, Bristol und Worcester (1772). Die englische Porzellan-Manufactur ist vertreten durch 22 Stück altes Chelsea -Porzellan, 11 Stück Derby -Porzellan, 63 Stück altes Worcester-Porzellan, 115 Stück altes Porzellan verschiedener Manu- facturen, 73 Stück modernes englisches Porzellan, namentlich von Min ton und Copeland in Staffordshire , endlich 36 moderne sog. Biscuit -Waaren. c. Frankreich, In Frankreich bildete Sevres den Mittelpunkt der Porzellan- Fabrication, wie oben S. 67 detailirt angegeben worden ist. Die Sammlung enthält 68 Stück altes Sevres-Porzellan, 1 5 Stück modernes Sevres -Porzellan und 34 Stück französ. Porzellan verschiedener Fabriken. Ausser den genannten Ländern sind noch Italien, Holland, Spanien und Portugal, die Schweiz, Dänemark und Kussland mehr oder weniger in Betreff ihrer Porzellan-Manufactur vertreten. — Die bisherigen Bemerkungen sowohl über die Eintheilung der 108 Zweiter Theil. Irdenwaareii wie über das Porzellan bezogen sich lediglich auf Europa. Einen vollständig andern Verlauf hatte die Manufactur im Orient, namentlich in Japan und China, wo das Porzellan sehr früh bekannt war, während es in Europa zu den modernen Erfindungen zählt. Die Manufactur des Orients ist vertreten durch 16 Stück Hindu- u. a. orientalische Irdenwaaren, und durch 229 Stück orien- talisches Porzellan und glasirte Irdenwaaren, namentlich aus China und Japan. lieber den Unterschied beider cf. S. 66. Classe IX. Qlas-Fabrication. Mit Bezugnahme auf die wichtigsten Punkte der Glas-Eabri- cation, welche oben S. 67 angedeutet worden sind, sei hier blos bemerkt, dass diese Classe durch etwa 600 Gegenstände die wich- tigsten Stadien der Glas - Fabrication zur Anschauung bringt. Sehr reich und in prachtvollen Exemplaren ist namentlich altes venetia- nisches, deutsches Emaille-Glas, böhmisches und 'französisches Glas vertreten. Eine sehr schöne Auswahl moderner Glas -Artikel ist auf den Ausstellungen von London und Paris erworben worden. Classe X. Metall- Arbeiten. Diese Classe umfasst etwa 1400 Gegenstände, die nach fol- genden Unterabtheilungen geordnet sind: 1. Kleine Koffer und Cassetten mit feinen Schmiedeeisen- und Stahl-Arbeiten. 2. Schlosser- Arbeiten, Schlösser, Schlüssel, Thür -Angeln 'etc., namentlich aus dem Mittelalter, meist italienische, französische und deutsche Arbeiten, mit feinen Verzierungen in gothischem und Ee- naissance-Styl. 3. Verschiedene Instrumente und Geräthschaften, Messer, Schee- ren, Nussknacker in ciselirter Stahl- Arbeit, mit Auslegungen in Gold und Silber. 4. Hand - Leuchter, Arm- und Altar -Leuchter, Hänge -Lampen, Candelaber mit feiner Ornamentik, namentlich viele geschmackvolle Gegenstände aus der Eenaissance- Periode, Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington, 109 5. Antike griechische und römische Broncen, welche zugleich in den Provinzial -Kunst -Schulen circuliren und oben S. 60 be- schrieben sind. 6. Orientalische Broncen, vorherrschend chinesische und japanesische. Bekanntlich stehen namentlich die Japanesen in der Metall -Verarbeitung unübertroffen da, auf welche sie durch den Reichthum an Metallen, den das Land gewährt, frühzeitig hingelenkt worden sind; sie liefern Relief-Piguren auf Bronce aus Gold, Silber, Platin und Composition, die höchst geschmackvoll gezeichnet sind. Das Geheimniss, das Platin zu schmelzen, welches die Chemie bei uns vor noch gar nicht langer Zeit gelöst hat, ist den Japanesen längst bekannt gewesen. 7. Verschiedene Utensilien aus Bronce, Glocken-Metall, Kupfer, Composition etc., unter denen sich namentlich viele Gegenstände aus der italienischen Renaissance -Periode befinden, die durch ihre ge- schmackvollen Pormen sehr fesseln. 8. Alte kirchliche Geräthschaften , Reliquien -Kästchen, Mon- stranzen, Cruzifixe, Statuetten von Heiligen etc. in Silber, Gold- Bronce u. s. w., darunter viele Plorentiner Arbeit, schöne Pormen in gothischem Styl und reiche, schöne Verwendung von Niello und Emaille. 9. Verschiedene Gegenstände in Metall, Pragmente von orna- mentalen Theilen grösserer Werke, Kapitäle von Säulen in Gold-Bronce, Bronce -Ecken von Buch -Beschlägen, vier Eck -Säulen einer Augs- burger Uhr, in Ormolu- Arbeit, Helm-Theile, Delphine von Bronce, wahrscheinlich Theile einer Bronce -Pontaine u. s. w. 10. Moderne Broncen und andere Metall -Arbeiten, theils Ori- ginale, theils Fachbildungen antiker Gegenstände. 11. Mittelalterliche Goldschmiede-Arbeiten, Becher, Salz-Gefässe, Tafel- Aufsätze, Placons, Statuetten des Heilands und der 1 2 Apostel, Etuis u. s. w., im Ganzen etwa 90 Gegenstände, von denen über 30 deutschen Pabricats, namentlich Augsburger Goldschmiede -Arbeit. 12. Moderne Goldschmiede -Arbeiten, meist aus London, Paris, Wien, Berlin, auf den Ausstellungen von London und Paris angekauft. 13. Orientalische Goldschmiede- Arbeiten, indische, chinesische. 110 Zweiter Theil. 14. Damascirte und eingelegte Arbeiten in Metall, namentlich schöne mittelalterliche Arbeiten ans Arabien, Syrien und Egypten, im Ganzen über 70 Stück. 15. Etwa 12 Niello-Arbeiten, cf. oben S. 61. Classe XI. Uhren. Diese Classe enthält etwa 60 verschiedene Wand- und Taschen- uhren, alte Eepetir-Uhren , Augsburger Uhren aus dem Mittel- Alter mit sehr schöner Ornamentik, Emaille -Arb eit, Ormolu etc. Classe XII. Juwelen und dergleichen Schmuck - Sachen. Antike Schmuck - Sachen. Verschiedene römische Juwelen, bestehend aus Ohr -Gehängen, Broschen, Nadeln und Kingen; griechische Schmuck-Sachen derselben Art, endlich eine Sammlung von 145 Schmuck -Gegenständen der alten Egypter, Griechen, Etrusker und Eömer. Mittelalterliche europäische Schmuck -Sachen. Diese bestehen in Medaillons, emaillirten Kreuzen, Parfümerie- Kästchen in emaillirtem Gold mit Perlen besetzt, Armbändern, Eingen, Siegeln, Perlocks, Dosen in italienischer, deutscher, fran- zösischer u. a. Arbeit. Orientalische Schmuck- Gegenstände, unter denen sich namentlich die indischen auszeichnen. Moderne Schmuck-Sachen. Diese bestehen theils in Original- Arb eiten aus den verschiedenen Hauptstädten, theils in Nachbildungen berühmter Schmuck -Sachen des Mittel - Alters, deren Originale sich in andern Museen befinden. Gegenstände aus kostbaren Materialien, als Dosen, Schalen, Vasen, Tassen etc. aus Onyx, Achat, Schildpatt, Malachit, Korallen etc. Classe XIII. Schilde, Waifen und Rüstungen. In diese Classe sind blos solche Gegenstände aus dem in der Ueberschrift angedeuteten Bereiche aufgenommen, welche durch ihre ornamentale Verzierung für die industrielle Kunst von Interesse sind. Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. ] j ] SO Schwerter und Dolche mit geschnitzten Griffen und fein geätzten und gravirten Klingen, Jagdhörner, Hellebarden mit durchbrochener Stahl- Arbeit und Schnitzerei, Schilde mit Kelief - Darstellungen, Brust-Harnische mit reichen Arabesken -Yerzierungen, Pistolen mit jener ciselirten Arbeit, durch welche die italienischen Städte Mailand und Brescia im Mittel -Alter sehr berühmt waren, Pulver -Hörner mit Schnitzerei und eingelegter Arbeit. Diese Classe zerfällt in 3 Abtheilungen. Die erste umfasst etwa 100 derartiger Gegenstände ältern Datums aus dem Bereiche der europäischen Länder; die zweite enthält moderne Gegenstände dieser Art; die dritte endlich orientalische. Classe XIV. Möbel und musikalische Instrumente. Die Sammlung von etwa 200 Möbeln und sonstigen Gegen- ständen des Hausraths repräsentirt vorherrschend die Styl - Arten der italienischen, deutschen, französischen und englischen Renaissance- Periode des 16. und 17. Jahrhunderts. Man kann nicht sagen, dass die einzelnen Gegenstände geeignet wären zum Copiren — ihr Hauptwerth besteht darin, dass sie vielfach Motive gewähren, dass sie redende Zeugen sind von grosser, künstlerischer Erfindung und sehr geschickter, solider Ausführung decorativer Kunstwerke, die des sorgfältigsten Studiums würdig sind, weil den Repräsentanten der einzelnen Perioden, z. B. der italienischen Renaissance-Periode, der Zeit Ludwigs XIV. etc. ein bestimmter Charakter erkennbar aufgeprägt ist, eine Eigenschaft, die leider den Erzeugnissen der heutigen Zeit gänzlich zu fehlen scheint. Man findet prachtvolle Schränke und Buffets in Hussbaum- und Ebenholz mit Relief- Schnitzereien von Arabesken und Figuren, die in Zeichnung und Ausführung gleich schön sind, sodann sehr schöne Objecte ausge- legter Arbeit, Armstühle, welche alle wichtigen und wünschens- werthen Ruhepunkte des Körpers beim Sitzen abgelauscht zu haben scheinen u. s. w. Unter den musikalischen Instrumenten befinden sich namentlich Guitarren mit Schildpatt und Elfenbein-Auslegung, Harfen mit reichen 112 Zweiter Theil. Sculptur- Arbeiten, Mandolinen, mit Perlmutter und Elfenbein ans- gelegt, Flöten, Lauten u. s. w. Classe XV. Leder- Arbeiten. Diese Classe enthält Helme von Leder mit eisernen Beschlägen, Koffer von gepresstem Leder, Narren -Kappen mit allerhand Zier- rath, wie sie von den Hof-Narren getragen wurden, gepresste Leder- Tapeten in lichtblauem Grund, mit Blumen -Mustern in Gold- und andern Farben etc. Classe XVI Korbwaaren und andere Arbeiten in Pflanzen-Fasern. Diese Classe enthält etwa 20 Gegenstände : Körbchen von Bam- busrohr aus Japan, Hüte aus liohr, von Malayen gefertigt, Kohr- Kissen u. s. w. Classe XVII. Gewebte Stoffe. Die etwa 700 Gegenstände dieser Classe sind in folgende Unter- Abtheilungen zusammengefasst : 1. Alte Stoffe, Costüm-Gegenstände, Tapeten etc. aus dem 10., II., 13., 16., 17. und 18. Jahrhundert, bestehend namentlich aus schweren Seiden -Stoffen, Gold -Geweben, Brocat, Seiden -Tapeten, Leinen, Damast, Sammet, Stickereien in farbiger Seide , Altar-Decken mit Stickerei in Gold und Seide, Gewändern geistlicher Würdenträger in Scharlach -Sammet, mit Gold -Stickerei, gewebten Tapeten mit Gegenständen aus Legenden (Arras)^ Sammet- Tapeten, Tisch-Decken alter venetianischer Arbeit, gestickten Kücken -Lehnen zu Stühlen, Vorhängen, Leinen -Taschentüchern mit feiner Stickerei, Costüm- Gegenständen aus dem Orient, Fahnen und Banner. 2. Orientalische Stoffe, namentlich Kaschmir -Shawls, Purpur- und Gold-Gewebe, Schärpen, chinesische gewebte Tapeten, Baum- wollen -Gewebe aus Indien, wegen ihrer Feinheit „gewebte Luft“ genannt, Seiden-Teppiche, indische Treppen -Teppiche, Sattel-Decken von Tunis u. s. w. Als Merkwürdigkeit ist noch ein orientalisches Manuscript zu erwähnen, welches die Details der Muster eines Kaschmir- Shawls Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. ] 13 enthält und bei der Arbeit laut vorgelesen wird, um die Arbeiter in richtiger Weise anzuleiten. 3. Eine Sammlung gewebter Stoffe, etwa 135 Gegenstände enthaltend, welche für 500 £. von einem Geistlichen, Dr. Bock, in Aachen gekauft worden ist. Dieselbe enthält Stoffe aller Art aus den verschiedeüsten Zeiten und Ländern, vom 11. Jahrhundert bis auf die neuere Zeit. 4. Moderne Stoffe, namentlich imitirte Kaschmir - Shawls , auf den verschiedenen Ausstellungen angekauft. 5. Italienische Spitzen (cf. oben S. 72), etwa 60 verschiedene Arten. Dabei befinden sich 34 Seiten eines italienischen Werkes über Spitzen- Muster, das etwa in den Jahren 1530 — 1540 gedruckt sein mag. 6. Französische oder italienische Guipure - Spitzen aus dem 16. Jahrhundert. 7. Spanische und portugiesische Spitzen aus dem 16. und 17. Jahrhundert. 8. Niederländische und französische Spitzen (point d'Älengon). 9. Brüsseler, Valencienner und sonstige Spitzen und Blonden, etwa 25 verschiedene Sorten. 10. Englische und irische Spitzen. Classe XVIII. Buchbinderei und Verzierung von Büchern im Allgemeinen. Diese Classe enthält in der ersten Abtheilung Kunst -Producte der Buchbinderei aus verschiedenen Zeiten und Ländern, namentlich Bibeln und Andachts - Bücher in Leder, Sammet, Pergament mit reichen Verzierungen und Erzbeschlägen. Die zweite Abtheilung enthält einige Muster der bekannten Miniatur - Malerei der Anfangs - Buchstaben aus dem 13., 14. und 16. Jahrhundert. — Zur leichtern Uebersicht, wie stark einerseits die einzelnen Classen, andrerseits innerhalb derselben die einzelnen Länder ver- treten sind, dient die nachstehende Tabelle: 8 Schwabe, Kunst-Industrie. Synoptische Tabelle derjenigen Kunst-Gegenstände nach Classe und Ursprung, bei denen letzterer nachweisbar war. 114 Zweiter Theil. Zusammen. cOTOco-^coot^ (TO C7i O r-l O c- C- .-I ^ O ^ rH 00 CT) 1-H ‘O 1-I CO CM OOCOG005 1— 1 \0 (M CO lO -rjt uo 1— 1 Tfi GO 05 1—1 CD CM CO xT5 1— ( CO 1— ( (M •jepe'] M ‘^ ! 1 ! 1! - 1 1 1 1 II I I 1 I 1 •laqoH ^05CDC0 [ 2 1 M I I I I I 1 I 1 1 I 1 1 , j 1 •leieqaAl i ^ 1 1 M 1 1 1 "" 1 1 •leiopuiqqong vnococo 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 •U9iaAk.njj CDjHrHC0|O5I^|r-([t-C0r-(>^'M! j j j j j jCM •uai'B'BMqiox 11 I I I I I I I I II 1 I II I ! 1 •uajqn 1 1 1 ^ 1 II M 1 1 1 1 1 I! 1 II 1 •laiei'Bjtt CO O. 1 CM I O , 2 I ^ I , I 1 1 II 1 1 I I , 1 1 piei^uisBTO ^^^^co^ I ^ I ! I 11 1 ! 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Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. 115 Da jedoch in diese Tabelle blos diejenigen Gegenstände auf- genommen werden konnten, bei denen der Ursprung nachweisbar war, so umfasst sie nicht das ganze Museum in seinem gegenwär- tigen Bestände. Dies thut nachstehende Machweisung, welche zugleich die Kosten der einzelnen Classen und somit des ganzen Museums annähernd angibt. Objecte : Preis derselben ; CI. 1. Sculpturen und Medaillen 993 16,869 £. 18 sk. 5 d. 2. Mosaik -Arbeiten . . . . 94 1,127 ff 11 „ 6 ff 3. Malerei 174 1,365 ff 14 „ 8 ff ff 4 . Lackwaaren 68 115 ff 5 „ 2 ff ff 5. Glas -Malerei 133 916 ff 6 0 ff ff 6. Emaille - Sachen 219 4,163 ff 10 „ 0 ff ff 7. Irdenwaaren 2,319 9,660 ff 9 „ 3 ff ff 8. Glas 552 1,846 ff 12 „ 9 ff ff 9. Metall - Arbeiten 1,229 11,750 ff 7 „ 10 ff ff 10. Uhren 65 888 ff 10 „ 0 ff ff 11. Juwelen 184 2,137 ff 4 „ 6 ff ff 12. Schilde, Waffen 140 1,789 ff 18 » 2 ff ff 13. Möbel 230 7,145 ff 13 „ 6 ff ff 14. Leder- Arbeiten 47 211 ff 14 „ 0 ff ff 15. Korb -Flechterei . . . . 13 2 ff 13 » 6 ff ff 16. Gewebte Stoffe 669 1,641 ff 9 „ 2 ff ff 17. Buchbinderei 80 245 ff 6 „ 8 ff Summa : 7,209 61,878 £. 5 7 d. Es stellen sich also die Kosten des gesammten Museums für ornamentale Kunst auf 412,520 Thlr. 2. Die Sculpturen englischer Künstler. Die Ausstellung von Sculpturwerken lebender britischer Künstler ist dem Comite des sogenannten Sculptors’ Institute übertragen, auf dessen Veranlassung man einen Raum für diesen Zweck angewiesen hat. Man gedenkt die Ausstellung nicht auf Werke resp. Abgüsse von Werken lebender Künstler zu beschränken, sondern beabsichtigt durch Erwerbung von Werken älterer Meister die Geschichte der britischen Bildhauerkunst zur Anschauung zu bringen. 9 116 Zweiter Theil. Ob dies ein glücklicher Oedanke ist, lassen wir dahingestellt; höchstens würde die gegenwärtige Generation der jungen Künstler aus einer derartigen Geschichte der britischen Bildhauerkunst lernen können, wie sie in Zukunft nicht schaffen soll. Die Engländer pffegen selbst nicht zu leugnen, dass es um ihre höhere Plastik sehr schlecht bestellt ist, wenigstens hat es die Times bei Gelegen- heit der Einweihung der Boulevards in Paris in anerkennenswerther Offenheit ausgesprochen. „Wenn wir, sagte sie, in grossen Lettern auf jedes Machwerk, welches ein Kunstwerk zu sein beansprucht, den Namen des Ministers schreiben wollten, unter dessen Anspielen es errichtet worden ist, wir würden die Namen unserer Aedilen dem Gespötte der kommenden Geschlechter überliefern.“ 3. Das Architectur-Museum. Diese Sam.mlung ist gegenwärtig sehr unvollkommen arrangirt, da man für dieselbe den erforderlichen Kaum nicht hat gewinnen können. Das sog. „Architectural-Museum“ wurde i. J. 1851 von einem Architecten-Verein gegründet und sollte die Basis eines nationalen Museums für die Baukunst bilden; es besteht etwa aus 7000 Gegen- ständen, welche hauptsächlich die verschiedenen Phasen des gothi- schen Styles illnstriren, und zwar aus Modellen resp. Photographien von ganzen Gebäuden aller Art und Abgüssen, Photographien etc., von Architectur-Details, als Figuren, Stuckatur-Arbeiten, Wand- und Deckenmalereien, Dachverzierungen , Glasmalereien u. s. w. aus den verschiedensten Zeitaltern, namentlich den classischen Zeiten und der Kenaissance-Periode. Das Gewerbeschul- Amt beabsichtigt, sobald der erforderliche Raum gewonnen wird, diese Sammlung vollständig nach Ländern und Zeiten zu ordnen, zu catalogisiren und sie mit der Zeit dahin zu ergänzen, dass sie die Baukunst aller Perioden so vollkommen als möglich darstellt, und so die Möglichkeit gewährt, die verschiedenen Baustyle an mustergiltigen Repräsentanten aus den entsprechenden Zeiten und Ländern zu studiren. Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. 4. Die Bildergallerien. Es war ein sehr gesunder und richtiger Gedanke von John Sheepshanks, mit dem Institut für industrielle Kunst eine Kational- gallerie britischer Künstler zu verbinden. Die Menschheit, in ihrem Lehen und Streben, in ihren idealen und realen Schöpfungen und Gestaltungen, tritt nirgends rein als solche auf, sondern immer nur in der Form eines bestimmten Volksthums. Durchdrungen von dem Selbstgefühl dieses Volksthums, mit Lust und Liebe erfassend dessen Ursprünglichkeit und Ewigkeit, äussert erst das Volk die rechte Schöpfungskraft und drückt allen seinen Schöpfungen das Gepräge des Geistes auf, der es durchweht. So spiegelt sich in seiner Sprache seine Bildungsgeschichte, in ihr waltet das Sinnige, Geistige, Sittliche, wie das Sinnliche, Materielle und ßohe, was im Volke lebt. So erkennt man in seiner Kunst die Ideen, die Lieblingsbestrebungen, welche seine hervorragendsten Geister bewegen. Wo deshalb für die Jugend eine Bildungsstätte für industrielle Kunst errichtet werden soll, da muss ihr vor Allem Gelegenheit gegeben werden, sich an den grossen nationalen Kunstschöpfungen zu begeistern ; nach ihnen müssen Aller Augen sich richten können. Dann wird — wie das Blut nicht blos zum Herzen, sondern von ihm auch wieder ausströmt — der Jugend Schöpfungskraft sich äussern und im ewigen Kreislauf das Schaffende und Erschaffene sich einigen. — Die Bildergallerien des Südkensington - Museums bestehen aus folgenden Abtheilungen: 1 . Die Nationalgallerie britischer Gemälde. 2. Die Sammlung von Vernon. 3. Die Sammlung von Jacob Bell. 4. Die Sammlung von Sheepshanks. 5. Die Aquarellen- Sammlung von Ellison. 6. Die Rafael-Cartons. Zu allen existiren Cataloge, die neben den Bildern selbst, die nothwendigsten Kotizem über die Maler und die englische Malerei im Allgemeinen geben. 118 Zweiter Theii. I. Die Oelmalerei: Die sub 1—4 genannten Sammlungen enthalten zusammen 483 Oelbilder, vorherrschend von neueren englischen Künstlern. Man bekommt ein ziemlich deutliches Bild von dem Wesen der englischen Kunst, „wenn man diese Sammlung etwas genauer analysirt; in der nachstehenden Tabelle ist der Versuch gemacht worden, sie nach den wichtigsten Gegenständen der Darstellungen zu ordnen: die Sammlung enthält Genrebilder 183*) oder 38% der Gesammtzahl Landschaften 92 5> 19% Portraits 60 12% ff Thierstücke 41 8% ff Seestücke 29 6Vo ff Historische Bilder . . . 27 6% ff Kirchliche und religiöse Gegenstände .... 15 4% ff Sittenbilder (Hogarth) . . 11 2% ff Mythologische Gegenstände 9 2V(* ff Stillleben 7 1% ff Schlachtenbilder .... 5 1% ff Architecturbilder .... 4 IVo ff in Summa: 483 100%. Bei genauerer Betrachtung lassen sich aus diesen Zahlen fol- gende Schlüsse ziehen: 1. Die vorherrschende Masse der Genrebilder, denen sich der Reihe nach Landschaften, Portraits, Jagd- und Thierstücke, sowie Seestücke anschliessen , charakterisirt die Hauptrichtung der engli- schen Malerei. Bringt man hiermit den Umstand in Relation, dass sämmtliche Bilder von mittlerer Grösse sind, so kann man sagen, die Malerei wählt in erster Reihe trauliche, anheimelnde Stoffe, für den Schmuck jener behaglichen Privatwohnungen, in denen das Wort *) Darunter über 50 Darstellungen von Scenen aus den Werken belieb- ter Dichter. Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. J 19 Comfort entstanden sein mag; sie illiistrirt das tägliche Lehen, die lieblichen englischen Landschaften, die Thiere, denen die nationalen Anschauungen eine Art von Weihe geben, sowie das Meer, jenen Haupthebel englischer Macht, dem ja auch die Dichter, namentlich Byron in Childe Harolds Pilgrimage in seinem Roll ouy thou deep and darh blue Ocean-roll! etc. in erhabener Poesie und angeborener Liebe ihre Huldigung dar- bringen. 2. Bedenkt man, dass unter den 183 Genrebildern über 50 Lieb- lingsscenen aus populären Schau- und Lustspielen, Komanen und Dichtungen von Shakespeare, Burns, Goldsmith, Sterne, Cervantes etc. mit den beliebten Figuren des Fallstaff, Don Quichote, Sancho Pansa, Onkel Tobby, Ophelia etc. dar- stellen, also eigentlich blosse Illustrationen in Oel sind, so ergibt sich daraus, dass die englischen Maler ihrer Phantasie nicht eben viel zumuthen. An Phantasie-Erzeugnissen ist die Sammlung ent- schieden arm, weil die Nation überhaupt Phantasie-arm ist. Das zeigte sich ja auch auf dem Felde der Industrie und ebendeshalb gmndete man das Kensington-Museum ; man wollte nicht wieder auf den Gebieten, die von der Kunst, dem Geschmack und der Phan- tasie beherrscht werden, so bedeutend von andern Nationen in den Schatten; gestellt werden. 3. Die verhältnissmässig grosse Anzahl von Portraits mag wohl traditionell mit dem Umstand Zusammenhängen, dass die Mi- niatur-Portraitmalerei in England im 16. und 17. Jahrhundert eine sehr hohe Stufe einnahm und sich ein ungemein grosses Gebiet erobert hatte. 4. Der sog. protestantische, dem Wesen nach aber mehr katho- lische und streng puritanische Geist der englischen Landeskirche, mit seiner engherzigen Sonntagsfeier, hat die Bilder aus den Kirchen verbannt; daher wohljdiejgeringe Anzahl kirchlicher Stoffe.| 5. Die verhältnissmässig geringe Zahl von Schlachtenbildern beweist, dass England bei seiner insularen Lage in nationale Kriege wenig verwickelt worden ist, und dass Schlachtenbilder der oben 120 Zweiter Theil. bezeichneten, im Ganzen etwas niedern Kichtnng der englischen Knnst überhaupt wenig entsprechen mögen. 6. Diese niedere Eichtling der englischen Kunst zeigt sich auch in den oben sub 2 erwähnten Illustrationen zu populären Werken beliebter Schriftsteller. Die Darstellungen wählen nicht etwa jene erhabenen, grossartigen Scenen z. B. aus Shakespeare, sondern bewegen sich mehr auf dem Gebiete des Humors ä la Fallstaff und Onkel Tobby, ja sie verirren sich sogar bis zur Verherrlichung der schweif beraubten Mähre Maggie und des betrunkenen Fuhr- mann Tarn O’Shanter, dessen Abenteuer doch wahrlich schon von Bur ns selbst drastisch genug dargestellt worden sind. II. Die Aquarellen-Sammlung von Ellison. Kann man die Leistungen der Engländer auf dem Gebiete der Oelmalerei nicht sehr hoch stellen, so muss doch unbedingt aner- kannt werden, dass sie auf dem Gebiete der Aquarellen und Tem- pera-Bilder Vorzügliches geleistet haben. Die Sammlung von Ellison illustrirt die ganze Geschichte der englischen Aquarell-Malerei, von ihrem Entstehen aus der Miniatur - Malerei im 16. Jahrhundert bis auf die ^,New Society of Painters in Water Colours,^^ die seit 1863 Ausstellungen von Aquarellen veranstaltet. Jede Aquarelle trägt ein Schildchen mit der Angabe des Gegenstandes und dem Kamen des Malers. Die Sammlung enthält 50 Bilder und wurde für die Zwecke des öffentlichen Unterrichts und zur Begründung einer National- Sammlung von Aquarellen von Frau Ellison, auf Wunsch ihres Gemals E. Ellison vermacht. Die Sammlung wurde vermehrt durch die Zeichnungen und Aquarellen aus der Sammlung von Sheep- shanks, sowie durch viele neuhinzugekaufte Sachen, so dass sie wohl im Ganzen über 500 Bilder umfassen mag. HI. Die Eafael-Cartons. Diese berühmten Cartons sind Originalzeichnungen von E a f a e 1 und seinen Schülern für Papst Leo X., die im Jahr 1513 als Muster für Tapetenwerke gefertigt wurden. Jeder Carton ist etwa 12 Fuss hoch. Ursprünglich waren es 10, docli sind 3 davon verloren ge- Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. J21 gangen, nämlich die Steinigung des heiligen Stephan, die Be- kehrung des Paulus und Paulus im Gefängniss zu Philippi. Die Tapeten waren in Wolle, Seide und Gold ausgeführt, wur- den in Eom i. J. 1519, das Jahr vor Rafael’s Tod, aufgehangen und erregten die grösste Bewunderung. Sie befinden sich jetzt im Vatican. Die Cartons hliehen unbeachtet hei dem Teppichfahrikanten in Arras liegen und wurden dort von Rubens entdeckt, welcher Karl I. den Rath gab, sie für die Zwecke einer Tapetenmanufactur, die damals in Mortlake errichtet wurde, zu kaufen. Beim Tode Karl I. kaufte sie Crom well für 300 £• für die Nation; sie befanden sich früher in Hampton Court, bis die Königin die Erlauhniss gab, sie nach dem Kensington-Museum zu bringen. Die Cartons stellen dar: Christi Auftrag an Petrus. Den Tod des Ananias.' Petrus und Johannes, den Lahmen heilend. Paulus und Barnabas zu Lysti'a. Elymas, der Zauberer, und der Blinde. Paulus, in Athen predigend. Den wunderbaren Fischzug. In denselben Räumen (der Nordgallerie) hängt noch eine Copie in schwarzer Kreide von der ,,Verklärung,‘’ ein Gemälde von Rafael, das sich im Vatican befindet. Bekanntlich war dies sein letztes Werk, und wurde hei seiner Leichen-Procession vorangetragen ; so- dann eine Reihe von Zeichnungen, Copien von Rafael’s Fresken im Vatican, endlich Gohhelin-Tapeten aus der Kaiserlichen Fabrik in Paris, eine Copie der heiligen Familie von Rafael, deren Original sich im Louvre befindet. Dies Werk ist von Napoleon III. an das Kensington-Museum geschenkt worden. 5. Die Bibliothek für die Kuustahtheilung. Kunst-Museen zur Heranbildung industrieller Künstler müssen durch Kunsthihliotheken ergänzt werden. Während ein Museum nothwendig in vieler Beziehung sehr beschränkt ist, hat eine Biblio- thek einen universalen Character und kann in einem Bande Be- 122 Zweiter Theil. Schreibung und Illustrirung eines Kunstgebietes durch alle Jahrhunderte hindurch enthalten, dessen Gegenstände nimmer in einem Museum vereinigt gedacht werden können. Beispielsweise erinnere ich hier an jenes berühmte französische Fayence, in Frankreich gewöhnlich Faience de Diane de Poitiers, in England Henri deux wäre genannt. Es stammt aus der Zeit Franz I. und Heinrich II. Von den gesammten Ar- beiten des berühmten, leider unbekannten Künstlers haben sich 54 erhalten; einzelne Stücke davon werden auf 14,000 Thlr. geschätzt. Diese Stücke sind in England und Frankreich zerstreut. In dem Werk von H. u. C. Delange, Recueil de toutes les pieces connues jusquä ce Jour de la Fanence frangaise dite de Henri - Deux. Paris 1861, kann der Beschauer ihre zweckmässigen und dabei anmuthigen und edeln Formen vereint bewundern. Welche Schätze von Geist und Genialität finden sich in solchen Büchern, mit denen diejenigen verhältnissmässig wenig bekannt sind, zu deren Nutzen sie eigent- lich geschrieben wurden! Zweck der Bibliothek. Sie ist eine Specialbibliothek: ihr Zweck ist in jeder Richtung die Entwickelung des Geschmacks in seiner Anwendung auf die industrielle Kunst. Indem die Bibliothek aber zunächst den Ge- schmack der Fabrikanten und Handwerker zu bilden sucht, bildet sie indirect auch den Geschmack des Publicums, denn jene sind durch ihre Fabrikate " unmittelbare Agenten für die Entwickelung eines correcten Geschmacks im Allgemeinen. Man darf weder ausser Betracht lassen, noch zu gering^anschlagen , dass der industrielle Künstler bei Weitem unmittelbarer auf die Geschmacksbildung der grossen Masse wirkt, als irgend ein anderer Künstler. Wer das grosse Interesse zugibt, mit dem täglich und überall geschmackvolle Toiletten, schöne Möbels, Vasen von classischer Schönheit, Gebäude mit künstlerischen Architecturformen, in sinniger Weise geschmückte Artikel des Hausrathes u. s. w._ betrachtet werden, der muss auch die Wirkungen aller dieser verschiedenen schönen Formen auf den Beschauer zugeben. Entsprechend jhrem Zweck sucht die Bibliothek^beijhrem fort- gesetzten Ausbau nach und nach alle Werke, ^wo sie auch erschienen Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. 123 sein mögen, welche die Entwickelung der nützlichen Künste und Gewerbe darlegen und fördern, und zwar in ihren Beziehungen zu dem Geschmack und der Verfeinerung, die von künstlerischer Ge- schicklichkeit ahhängt, auf einem Punkte zu vereinigen. Grundsätze der Verwaltung. Wie die Bibliothek einen speciellen Zweck hat, so hat sie auch eine eigenthümliche Verwaltung, darin bestehend, dass den bei- den Extremen der sie Benutzenden, demjenigen der in dem betr. Literaturfache vollständig unbekannt ist, und demjenigen der darin genau orientirt ist, zur möglichst nutzbringenden Ausbeu- tung der Bibliothek in gleicher Weise, so die Gelegenheit wie die Möglichkeit, geboten ist. Die Bibliothek will auf dem Ge- biete der Kunst -Industrie in möglichst umfassender Weise hand- lich und practicabel sein, mit andern Worten, bei der Benutzung derselben wird keine Literatur - Kenntniss vorausgesetzt. Man ver- langt nicht, wie bei den meisten Bibliotheken, dass der Besuchende einen speciellen Buchtitel angibt, weil es gegen die Vernunft ist, eine bestimmte Kenntniss von Büchern bei Leuten vorauszusetzen, die mit solchen meist keinen vertrauten Umgang pflegen. Kennt ein Handwerker einerseits die Werke nicht, die auf einem bestimmten Gebiete existiren, oder besitzt er andrerseits die Gewandtheit nicht, aus den blossen Titeln des Katalogs die richtige Wahl zu treffen, so sind die Beamten ex officio angewiesen, die, seinem allgemeinen oder speciellen Zweck entsprechenden Bücher ihm vorzulegen. Bedingungen der Benutzung. Gegenüber dieser Verpflichtung des Beamten ist es aber noth- wendig, eine gewisse Garantie für die ernsten Absichten desjenigen, der die Bibliothek benutzt, zu haben. Diese findet man in der Be- zahlung. Für jede Benutzung der Bibliothek sind bestimmte Ge- bühren zu entrichten, entweder bei jeder einzelnen Benutzung 6 d, welche übrigens freien Eintritt auf eine Woche gewähren, oder 1 sh. 6 d. für den Monat, 3 sh. vierteljährlich, 6 sh. halbjährlich, 10 sh. jährlich. Darin ist zugleich Zutritt zu dem Lesezimmer der Ab- theilung für Schul- und Unterrichtsgegenstände mit inbegriffen. Nur die registrirten Studenten der Centralschule für Kunst und 124 Zweiter Theil. Wissenschaft haben freien Eintritt, sowie diejenigen, welche gegen Zahlung von 1 Guinea pro Jahr auf die Benutzung des Museums ahonnirt haben. Die Benutzung der Bibliothek. Dieselbe ergibt sich aus nachstehender Tabelle: Jahr. Zahl der Tage, an denen die Bibliothek geöffnet ist. Oesammtzahl der 1 Besucher. Durchschnittl. Besuch pro Tag. 1 Ausgegebene 1 Abonnements' 1 Billets. 1853 292 4425 15 170 54 248 7942 32 235 55 245 7242 30 284 56 168 5346 32 207 57 113 3455 31 121 58 289 7178 28 420 59 225 6364 28 374 60 306 7981 26 618 61 301 7143 24 443 62 311 7592 24 638 63 311 8240 26 544 64 313 10635 34 661 Umfang und Eintheilung der Bibliothek. Die Bibliothek der Kunstabtheilung besteht gegenwärtig (1866) aus ca. 16,000 Bänden und aus einer reichen Sammlung von Stichen, Zeichnungen und Photographien aus dem Gebiete der Architectur, der Ornamentik etc.; ein Theil dieser letzteren ist eingerahmt und im Kunstmuseum aufgehängt, um die verschiedenen Abtheilungen zu ergänzen. Die Bibliothek ist in 25 Abtheilungen geordnet, und zwar in alphabetischer Reihenfolge, die jedoch in der Uebersetzung nicht immer gewahrt werden kann: 1. Alphabete und Schreibvorlagen etc. für Schriftstecher und Setzer. 2. Anatomie. 3. Alterthümer, classische und mittelalterliche. 4. Architectur. 5. Kunst, Praxis, Theorie und Geschichte. 6. Biographien von Künstlern. Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. 125 7. Bau-, Ingenieur- und Vermessungswesen. 8. Costüme, Sitten und Gebräuche. 9. Decoration und Ornamentik. 10. Dictionäre, Glossarien etc. auf dem Gebiete der Kunst 11. Zeichenkunst. 12. Holzschneidekunst, Kupfer- und Steindruck etc. 13. Gallerien, Museen, Academien. 14. Geometrie und Perspective. 15. Glasmalerei. 16. Heraldik, Wappen- und Siegelkunde. 17. Industrie, im Allgemeinen. Maschinen und Geräthe. ! in Baumwolle, in Wolle. Seide und Sammt. Flachs und Hanf. Mischung. Leder, Sattlerei und Tapezieren. Druckerei und Buchbinderei. Färberei und Stoffdruckerei. Teppichweberei, Stickerei, Spitzenfabrication. Bronce-, Eisen- und Metallwaaren im Allgemeinen. Goldschmiedekunst. Glasfabrication. Töpferei und Porzellan-Manufactur. Möbel und Zimmerschmuck. Emaille- und Mosaik-Arheiten. 18. Verschiedenes. 19. Monumente. 20. Katurgeschichte und ihre Anwendung auf die Kunst und zwar als Botanik, Conchilienlehre , Entomologie, Mineralogie, Zoologie. 21. Malerei. 22. Periodische Schriften und Zeitschriften. 23. Sculpturen, Modelle, Gemmen, Medaillen, Münzen etc. 126 Zweiter Theil. 24. Topographie, Führer und Eeisebücher für das Gebiet der Kunst. 25. Handel und Gewerbe. Capitel 2. Die Sammlungen für das Gebiet der Wissenschaft. Gehören die Sammlungen für das Gebiet der Wissenschaft streng genommen nicht in das Bereich dieses Werkchens, so konnte doch der zweite Theil desselben, indem er sich die Aufgabe stellte, das Kensington-Museum als Central-Institut für Wissenschaft und Kunst zu beschreiben, dieselben nicht unerwähnt lassen. Mehrfache Gründe haben mich bestimmt, diese Sammlungen in demselben Maasse wie die für die Kunst, einer genaueren Beschrei- bung und Charakteristik zu unterwerfen. Abgesehen davon, dass sie bei ihrem unverkennbar grossen Nutzen bei uns leider noch sehr wenig verbreitet sind, stehen sie mit der Bildung tüchtiger indu- strieller Künstler in engerer Beziehung, als man im ersten Momente meint. Ich habe oben (S. 8) hervorgehoben, dass diese Bildung nach dem heutigen Stand der Dinge derjenigen anderer Künstler voll- ständig gleich kommen muss, habe darauf aufmerksam gemacht, wie gegenüber den Ansprüchen des Publicums und der Producenten, der Geschmack und die Phantasie eines industriellen Muster-Zeichners unerschöpflich sein muss. Dies Alles sind Eigenschaften, die sich nur auf Grund einer allgemeinen, sachgemässen Bildung erreichen und dauernd erhalten lassen, und gerade diese nothwendigen Grund- lagen bieten solche wissenschaftliche Sammlungen. Wenn ein Muster -Zeichner in der Sammlung für Schul- und Unterrichts-Gegenstände unter Zoologie resp. bei den Producten der Seethiere eine Sammlung sämmtlicher Süss- und Salzwasser-Muscheln, Korallen etc. findet, so wird er unter denselben manche Form ent- decken, die er sehr schön verwerthen kann. Die Modell - Sammlung der berühmtesten architectonischen Denkmäler alter und neuer Zeit in der Sammlung von Constructions- und Bau-Materialien gibt jedem Beschauer viel Material über Formen-Schönheit. In der Sammlung Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. 127 thierischer Producte erinnere ich an die ansgestellten Hörner und Geweihe. Hie mächtigen Hörner der Büffel vom Cap, aus Indien und Amerika, die schön gebogenen Stier -Hörner aus Spanien und Madagascar, die stolzen Geweihe von prächtigem Edelwild aller Zonen, die keck gebogenen Gems- Hörner, die schlanken Antilopen- Hörner, die schwerfälligen Eennthier- Geweihe aus Norwegen und Lappland — sie sind in dieser reichen decorativen Zusammenstellung wohl geeignet, manchen Beschauer für die schönen einfachen Formen der Natur zu begeistern und manchen Gedanken durch ihre eigen- thümliche Symbolik der Kraft und der Grazie hervorzulocken. Wenn ein Kunst -Tischler in dem Museum der Nahrungsmittel auf einen Blick übersieht, in welcher Weise die 3 Gebiete des Thierreichs, Pflanzen- und Mineralreichs als Quellen für die mensch- lichen Nahrungsmittel dienen, so wird ihm gewiss der sehr sach- gemässe Gedanke nahegelegt, diese 3 Keiche, beispielsweise auf einem geschnitzten Buffet, symbolisch darzustellen. Ist schon mit diesen wenigen Andeutungen die detailirte Be- schreibung gerechtfertigt , so kommt daneben noch ein anderer Gesichtspunkt zur Geltung. Es wurde oben S. 24 als eine nationale Eigenthümlichkeit der Engländer das Bestreben hervorgehoben, alle wichtigen Kreise des menschlichen Wissens und Könnens in leicht übersehbarer W eise, gleichsam realistisch zur Anschauung zu bringen^ In der That muss man zugeben, dass sie darin Vortreffliches geleistet, und dass ihre Sammlungen in dieser Eichtung als Muster gelten können. Sodann wird bei den einzelnen Sammlungen für das Gebiet der Wissenschaft darauf hingewiesen, auch in der Beschreibung selbst eine Idee davon zu geben versucht werden, was in Catalogen zu solchen Sammlungen durch eingestreute Notizen geschichtlichen, statistischen, national -öconomischen und sonstigen Inhalts auf dem Gebiete der Verbreitung nothwendiger Berufs- und Fachkenntnisse für die arbeitenden Classen geleistet werden kann. Wenn man dabei bedenkt, dass alle solche Sammlungen leicht und ohne grosse Kosten herzustellen sind, dass die einzelnen Mate- rialien meist von den Industriellen selbst" geliefert werden, die es als eine Ehre^resp. eine Art Eeclame betrachten, wenn Dinge von I 128 Zweiter Theil. ihnen in einem derartigen Central-Institut ausgestellt werden — so dürfte vielleicht die Schilderung dieser ebenso musterhaften als nützlichen Sammlungen da und dort anregend wirken. Damit allein wäre ja die Beschreibung derselben so reich belohnt, dass selbst der strenge Systematiker gegenüber dieser Nützlichkeit ein Auge zudrücken wird. Sicher sollte man bei Errichtung von Central -Kunst -Instituten und Industrie -Kunst -Schulen überall dahin streben (und man hat es auch, wie wir später sehen werden, in Süd-Deutschland vielfach ausgeführt), zwischen Kunst und Industrie eine innige Verbindung herzustellen. Diese wird durch derartige technisch-wissenschaftliche Sammlungen für die arbeitenden Classen und die Industriellen über- haupt, unverkennbar hergestellt. Es mag hiermit die Beschreibung der Sammlungen für das Gebiet der Wissenschaft ihre Eechtfertigung finden, die ja leicht von Denjenigen überschlagen werden kann, bei welchen ein näheres Interesse nicht vorliegt. 1. Die Sammlung von Schul- und Unterrichts-Gegen- ständen. Im Jahre 1854 hatte die Society of Arts eine Ausstellung von Schul -Büchern, Zeichnungen, Modellen und Apparaten für Unter- richts-Zwecke in London veranstaltet, die auch vom Ausland reichlich beschickt wurde. Ein grosser Theil dieser Gegenstände, namentlich die vom Ausland eingesandten, wurden der Society zum Geschenk gemacht, und später von ihr an das Art Department abgegeben. Diese Geschenke bildeten den Anfang der Educational collections, die später sehr wesentlich vermehrt wurden, namentlich auch durch die internationale Ausstellung von 1862, welche in der 29. Classe Unterrichts - Mittel (Educational WorTcs and Appliances) ausstellte. Gegenwärtig enthält die Sammlung über 15,000 Bücher und sonstige Unterrichts-Mittel; davon sind drei Viertel Geschenke. Der Zweck der Schul- und Unterrichts-Abtheilung des Museums ist, allen Classen des Publicums, sowie namentlich denen, welche in irgend einem Eache als Lehrer thätig sind, Alles dasjenige, was auf Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kenslngton, 129 dem Gebiete des gesammten Unterrichts -Wesens an Unterrichts- Mitteln und Apparaten neu und beachtens würdig ist, auf einem Punkte vereinigt, zur Anschauung zu bringen. Die Erzeugnisse des In- und Auslandes finden in gleicher Weise Berücksichtigung. Um denen, welche sich nach irgend einer Kichtung informiren wollen, soviel als möglich Zeit zu sparen und ihnen die Erlangung der Auskunft möglichst zu erleichtern, ist man bei dem Eintheilungs- System und der Aufstellung der gesammten Gegenstände von dem Gesichtspunkt ausgegangen, soviel als thunlich die Objecte ver- wandter Natur zusammenzustellen , damit diejenigen, welche irgend einen Gegenstand studiren wollen, ihn mit andern und ähnlichen vergleichen können. Da die Unterrichts-Abtheilung des Museums zu allen Zeiten den jeweiligen Stand der Unterrichts - Mittel repräsentiren soll, so be- günstigt man in jeder Weise die Ausstellung von neuen Erfindungen, Werken, graphischen Darstellungen, Wandtafeln etc., soweit sie das Gebiet des Unterrichts betreffen, von Seiten der Verleger, Pro- ducenten u. s. w. Personen, die irgend etwas auszustellen gedenken, müssen eine Beschreibung des betreffenden Gegenstandes, nebst Namen, Gebrauchs-Anweisung etc. beifügen. Davon wird das Wissens- würdigste auf eine Etikette geschrieben und dem Gegenstand ange- heftet. Auch der übliche Verkaufs -Preis muss den ausgestellten Gegenständen deutlich beigefügt werden. Von Zeit zu Zeit wird ein Catalog publicirt, um soviel als möglich gegenüber den neuen Acquisitionen des Museums und den- jenigen Dingen, die aus demselben entfernt werden, den status quo darzustellen. Aussteller, w^elche den Catalog zu Ankündigungen zu benutzen wümschen, können ein Verzeichniss ihrer Werke, Apparate, Unterrichts-Mittel etc. jeder neuen Ausgabe des Catalogs beifügen. Doch darf kein Verzeichniss mehr als 8 Seiten in 8*^ enthalten. Um die ungemein reiche Sammlung nach den Hauptrichtungen annähernd zur Anschauung zu bringen, führen wir nachstehend die Classen an, in die sie nach der 8. Ausgabe des Catalogs, welcher 1865 erschienen ist, eingetheilt ist, und fügen bei einigen Classen die wichtigsten Gegenstände an. Schwabe, Knust - Industrie. 9 130 Zweiter Theil. Classe I. Schulbauten und deren innere Einrichtung. Werke über die Principien der Architectiir für Schulbauten; Pläne und Modelle von Schulen aller Art und aller Länder; Werke über Ventilation der Schulen; Modelle und Werke über Schreib- und Zeichen-Pulte, Schul-Bänke und Stühle, Ständer etc. Classe II. Unterricht im Allgemeinen. Fibeln, A-B-C - Bücher , Lese -Kästen mit beweglichen Lettern, Spiele, Buchstabier-Bücher. Grammatiken und Exercitien-Bücher in etwa 20 Sprachen. Etymologische Werke, Bücher für Composition; Werke über Briefstyl; Beredtsamkeit; Logik; Ehetorik. Werke über englische Sprache und Literatur; Philologie; eng- lische Lexica’s; Cataloge; Publicatioiien des britischen Museums, des Smith onianischen Instituts etc. Werke über Unterricht und Unterrichts-Methoden. Berichte und Parlaments-Papiere über Unterrichtswesen in ver- schiedenen Staaten; Kindergarten -Literatur. Classe III. Zeichnen, Malen etc. Eine Sammlung von Zeichen - Materialien für den ersten Unter- richt in Elementar - Schulen. Vorlegeblätter, Werke und Modelle, zusammengestellt vom öe- werbeschul-Amt, für ausgedehntem Unterricht geeignet. Classe IV. Musik. Classe V. Hauswirthschaft ; sociale und politische Oeconomie. Classe YI, Geographie und Astronomie. Classe VII. ISTaturgesohichte. In der Abtheilung für Geologie und Mineralogie sind ausser den Büchern besonders sehr werthvolle Sammlungen zu nennen; eine Sammlung von Mineralien für Löthrohr- Analysen (300 Arten); eine Sammlung der britischen Fels -Arten, der fossilen Brenn -Stoffe und Mineralien; eine Sammlung edeler Steine; eine Sammlung von Mi- neralien, die zur Farbe -Fabrication gebraucht werden; eine Sammlung Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. J31 der Mineralien, die zur Glas - Fabrication , Porzellan- und Irden- waaren - Fabrication verwendet werden. Eine Sammlung von Erzen und der daraus gewonnenen Metalle ; Modelle der englischen Kohlen- Districte; eine von Professor Tennant zusammengestellte Sammlung der Mineralien, Fels -Arten, Fossilen etc., jedes Exemplar etikettirt mit E'amen, chemischer Composition, crystallinischem System, Härte und specifischem Gewicht, Bruchfähigkeit, Durchsichtigkeit oder Un- durchsichtigkeit; Zerbrechlichkeit, Schmelzbarkeit oder Beständigkeit vor dem Löthrohr; die Art, in der es durch Säuren angegriffen wird; der Fundort; die nothwendigsten Angaben und Beobachtungen über den Gebrauch u. s. w. Illustrationen der Crystallisations - Formen nebst Modellen in Glas, Draht und Holz. In der Abtheilung Botanik finden sich unter den Werken und Illustrationen namentlich solche über die geographische Yerbreitung der Pflanzen, die Anwendung von Pflanzen -Formen auf Kunst und Industrie; eine Sammlung sämmtlicher Species der Baumwolle zur Illustration der geographischen Yerbreitung der Baumwollen-Staude über die Erde; die Baumwollen -Pflanze nebst Frucht -Kapseln etc. in Wachs; eine Sammlung der zur Yerarbeitung der Baumwolle ge- bräuchlichen Instrumente; der Flachs in seinen verschiedenen Stadien der Yerarbeitung ; Sammlungen zur Erläuterung des Baues der Früchte und Saamenkörner, zum Gebrauch für Studirende der Pflanzen-Phy- siologie; eine Sammlung sämmtlicher Gift -Pflanzen; eine Sammlung sämmtlicher Gewürze in 50 Glasflaschen; Karten über die geogra- phische Yerbreitung der Eübenzucker-Industrie. In der Zoologie finden sich namentlich reiche Sammlungen sämmtlicher Süsswasser- und Salzwasser-Muscheln, wobei diejenigen, welche sich für die Zwecke der Kunst und Industrie verwenden lassen, besonders bezeichnet sind. Hervorzuheben sind noch die Wand-Tafeln von Darton, welche die wichtigsten thierischen und pflanzlichen Substanzen und ihren Gebrauch für menschliche Zwecke darstellen, z. B. die Seide und ihre Anwendung, die wichtigsten Palmen- Arten, die Pflanzen, welche zu Klei- dungsstoffen verwendet werden, als Flachs, Baumwolle, Jute, Hanf etc. 9 ^ 132 Zweiter Theil. Classc VIII. Chemie. Hierunter finden sich ausser den Büchern namentlich eine grosse Auswahl chemischer Apparate. Classe IX. Physik. Hier sind zunächst eine Reihe von Apparaten aus dem Gebiete der Akustik, des Lichts, der Wärme, des Magnetismus und der Electricität zu nennen, welche von dem Gewerbeschul-Amt für den wissenschaftlichen Unterricht für empfehlenswerth erachtet worden sind. Classe X. Mechanik. Eine Sammlung von Apparaten zur Erläuterung der mechani- schen Kräfte, vornehmlich eingerichtet für den Classenvortrag in Handwerker- und Gewerbeschulen; einige bezwecken die Darlegung der practischen Anwendung der mechanischen Principien auf das Maschinenwesen der Gegenwart; andere erläutern die Resultate der Theorie für Schüler der Mechanik oder Mathematik. Hervorzuheben sind ferner eine Reihe mechanischer Modelle etc. von dem verstor- benen Professor Cowper construirt, welche auseinandergenommen und in Betrieb gesetzt werden können, namentlich Modelle von Dampfmaschinen, Telegraphen, Webstühlen für alle Arten von Ge- webe, Maschinen für Ziegelfabrication , Modelle der Cowper’schen u. a. Druckmaschinen und Pressen. Auch finden sich Sammlungen von Gegenständen welche den Process der Pabrication der wich- tigsten und nützlichsten Gegenstände des Lebens darlegen, so nament- lich den der Nähnadel- und Stecknadelfabrication, der Papierfabri- cation, Zuckerfabrication, der Glasfabrication u. s. w. Ebenso finden sich Apparate zur Veranschaulichung der hydrostatischen, hydrauli- schen und pneumatischen Gesetze, so Pumpen, Heber, Spritzen, hydrau- lische Pressen, Luftpumpen u. s. w. Classe XI. Apparate zum Unterriclit von Personen, denen bestimmte Sinne fehlen. (Blinde, Taubstumme etc.) Classe XII. Gesundheitspflege und Mittel zur physischen Erziehung. Hier finden sich Werke über Gesundheitspflege, Turnapparate, gymnastische Spiele u. s. w. Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. 133 2. Das Museum für Cons tructions- und Bau-Materialien. Ein beträchtlicher Theil dieser Sammlung wurde theils durch Geschenke theils durch Ankäufe bei Gelegenheit der Pariser Aus- stellung erworben. Von da ab wuchs dieselbe nach und nach bis zu ihrem jetzigen Umfang durch Anschaffung neuer Erfindungen auf dem Gebiete des Bauwesens, vorherrschend aber durch das dem Publicum gestattete Recht, dahin gehörige Objecte und Neuigkeiten ausstellen zu dürfen, wenn die betr. Beamten des Museums dieselben für würdig befunden haben. Die Sammiung ist ausserdem sehr reich an allen Arten von Bauholz, namentlich aus England und seinen Colonien; eine grosse Zahl dieser Hölzer ist auf die Tragkraft und das Gewicht etc. ge- prüft und finden sich die Resultate dieser Prüfungen bei jedem ein- zelnen Stück auf einer Etikette angegeben. Natürlich muss eine solche Ausstellung aller Neuerungen und wichtigsten Erfindungen auf dem Gebiete des Bauwesens auf die Industrie selbst lebhaft zurückwirken, der ja getattet ist, an diesem Centralpunkte des Vereinigten Königreichs und der übrigen Welt ihre Fortschritte auszustellen. Gerade auf dieser Gegenseitigkeit beruht ein Haupttheil des Segens solcher Ausstellungen. Es ist be- kannt, durch Berichte des Gouverneurs von Jamaica, dass durch Ausstellung der in Jamaica bekannten Holzarten sich der Export von Holz von dort verzehnfacht hat. Ausstellungsobjecte von Seiten der Industrie müssen mit Namen, Beschreibung, Zweck, Verkaufspreis etc. versehen sein. Wer etwas auszustellen beabsichtigt, erhält ein Formular, was er ausgefüllt an die Direction des Museums gelangen lässt. Dasselbe fordert den Namen des Ausstellers und event. seine Firma, die Angabe seiner Geschäftsbräuche , seine Adresse , die Natur des auszustellenden Gegenstandes, den Raum (ob Flächen- resp. Wand- oder cubischen Raum), den der Gegenstand einnimmt in Fussen und Zollen nach Länge, Breite und' Höhe. Die gesammten, in der Sammlung von Baumaterialien ausge- stellten Gegenstände sind in 24 Classen eingetheilt : 134 Zweiter Theil. Classe I. Bau-, Pflaster-, Mühlsteine, Granit- und künstliche Steine. Classe II. Marmor und seine Imitationen. Classe III. Schiefer. Classe IV. Gemente, Gyps und deren Anwendung. Classe V. Backsteine. Ausser den verschiedenen Arten von Ziegeln und Backsteinen, namentlich sehr schönen glasirten Exemplaren, finden sich hier auch verschiedene andere aus gebranntem Thon gefertigte Gegenstände, namentlich Drainröhren, reizende Figuren zur Einfassung von Garten- beeten, Gartenbänke in Form von Baumstumpfen etc. ( Classe VI. Ziegelsteine zur Pflasterung, Dachung und Wand- Decoration. Bei den Ziegeln zur Dachung sei hier blos auf practische Ventilationsziegöln, sowie auf die sehr geschmackvollen Dachfirst- verzierungen für Gebäude der verschiedenen Stylarten aufmerksam gemacht, Classe \TI. Terra Cotta. Es bedarf keines besondern Hinweises darauf, dass diese Masse neuerdings, namentlich in Frankreich und Deutschland, zur äussem Decoration, zu Figuren und Statuen, Stuckatur - Arbeiten, Panelen, Vasen etc. in sehr ausgedehntem Maasse verwendet wird. Die Samm- lung illustrirt diese reiche Verwendung in sehr übersichtlicher Weise. Classe VIII. Irdenwaaren und ihre Verwendung zu Sanitäts- Zwecken. Ziegeln für Cloaken mit Gitterwerk, welche die Verstopfung sowie das Aufsteigen schädlicher Gase verhindern; emaillirte Stein- gut-Closets, Drainröhren und Canalröhren für Wasserleitung u. s. w. Classe IX. Asphalt, Erdpech etc. und ihre Verwendung. Classe X. Guss- und Schmiede - Eisen. Der Styl d. h. das chaTakteristische Gepräge eines Bauwerks Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. 135 ist ein Erzeugniss verschiedener Factoren : der jeweilig herrschenden Gesetze, der Eeligion, der klimatischen Einflüsse, der Sitten, des herrschenden Luxus etc. und in nicht geringem Grade des Bau- materials. Es würde von Interesse sein nachzuweisen, wie die Ein- führung des Eisens unter die Bau- und Constructions - Materialien modificirend auf den Baustyl der neuern Zeit gewirkt hat. Der ledig- lich aus Eisen und Glas bestehende Crystall - Palast in Sydenham sowie die Dome des Ausstellungsgehäudes in London v. J. 1862 waren nach dieser Richtung charakteristische Beispiele. Der Durchmesser der letztem betrug 160 Fuss, übertraf also die Dome des Pantheon, der Bäder des Caracalla und der Cathedrale St. Paul in London und vor Allem St. Peter in Rom, deren Dom bisher der grösste der Welt war. Welche Rolle das Eisen beim Bau des letzten Aus- stellungsgebäudes gespielt, lässt sich daraus ersehen, dass im Ganzen 5200 Tonnen Guss- und Schmiedeeisen beim Bau verwendet wurden. Da Schmiedeeisen eine bei Weitem grössere Spannkraft besitzt als Gusseisen, so wurden zu Quer- und Bindebalken 1200 Tonnen Schmiedeeisen verwendet, und da andrerseits das Gusseisen eine grössere Tragkraft hat als Schmiedeeisen, so wurden die Pfeiler und Säulen aus Gusseisen gemacht und dazu 4000 Tonnen Eisen verwendet. Die in dieser 10. Classe aufgestellten Gegenstände zeigen auf einen Blick, in welcher Ausdehnung das Eisen als Material bei bürgerlichen Bauten verwendet wird. Man findet da eiserne Dach- fenster und Luken, gusseiserne Ventilationsfenster, patentirte Water- closets mit Ventilationsklappen, Küchenabflussröhren (geruchlos), Oefen mit Apparaten zur Wasserverdampfung, um zu verhindern dass die Luft zu trocken wird, Illustrationen und Modelle von der Construction eiserner Häuser, sowohl solcher, die ganz aus Eisen, als solcher, die aus Eisen und Holz bestehen, gusseiserne Fussböden und Unterlagen zu Holzfussböden, 6 Modelle zur Erläuterung von Creuzot’s Methoden die Binde- und Querbalken bei Eisenbauten zu verbinden, ornamentale Eisengusswerke für Balcons , Panele, Umfriedigungen u. s. w. Auch die Anwendung anderer Metalle im Baufach, namentlich 136 Zweiter Theil. Zink zur Dachung und Ornamentik, Draht zu Seilen u. s. w. ist durch viele Gegenstände zur Anschauung gebracht. Classe XI. Bauholz. Handelt es sich darum, den Werth einer Holzart zu bestimmen, so muss man vor Allem die Natur der Masse genau untersuchen, die sich in den Zellen und Poren des Holzes findet. Für alle prac- tischen Zwecke sind diejenigen Hölzer die besten, deren Zellen mit harziger Masse angeftillt sind; diejenigen, in denen sich eine wäss- rige Gummimasse findet, sind meist von geringerem Werthe, trockenen schwer und faulen früher. Die besten Hölzer sind diejenigen, welche eine starke Faser haben, und gegen alle äussere Einflüsse durch eine harzreiche Kinde geschützt sind , die keine atmosphärische Feuchtigheit anzieht. Viel kömmt darauf an, das Holz gut zu trockenen und vor Fäulniss, Insecten, Würmern etc. zu bewahren. Es sind deshalb verschiedene Erfindungen patentirt worden, welche durch flüssige Substanzen, chemische Processe und mechanische Einwirkungen der Verderbniss des Holzes vorzubeugen suchen. An verschiedenen Holz- arten der Ausstellung sind diese Erfindungen zu Anwendung ge- bracht worden. Man findet zunächst die englischen, irischen und schottischen Holzarten zusammengestellt und die Art ihrer Verwendung zur Ornamentik, zur Bautischlerei, zur Holzschnitzerei, zu Parket- und Flur-Fussboden. Sodann die colonialen Holzarten, namentlich die von Indien, der Insel Ceylon, mit kurzer Angabe ihrer wichtigsten Eigenschaften; die an der Goldküste von Afrika zu Bauten verwendeten Hölzer, die von Neu-Süd-Wales, Britisch-Guiana und Jamaica, von West- Austra- lien, Neu -Seeland, Tasmania und Neu -Braunschweig, endlich die Holzarten von St. Domingo und Dominica. Hieran reihen sich die Holzarten von Portugal, Spanien, Russ- land, Belgien, Egypten, Algier, China, bei den meisten Ländem zugleich mit Angabe der wichtigsten Verwendungsarten, z. B. zu Möbeln, zur Feuerung, zu musikalischen Instrumenten u. s. w., end- lich Sammlungen der existirenden Holzarten in Mexico und Siam. Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. 137 Hier ist noch eines IJmstandes zu gedenken, der für die Industrie von der grössten Bedeutung ist. Auf der Pariser Ausstellung fanden sich die Holzarten der wichtigsten Länder der Erde, namentlich auch die der englischen Colonien ausgestellt. Ein grosser Theil dieser Hölzer war nun zwar in England längst bekannt und benutzt, doch führten die Cataloge noch sehr viele Holzarten auf, die in den meisten Fällen in England gänzlich unbekannt waren und über deren nähere Eigenschaften sogar den Colonisten seihst etwas Genaueres nicht bekannt war. Captain Francis Fowke, Ingenieur und Architect, der Erbauer des Industrie-Palastes von 1862, unterzog sich deshalb der Aufgabe, diese noch nicht bekannten Holzarten genau zu prüfen und nach ihren wichtigsten Eigenschaften zu beschreiben. Zur Prüfung der Tragfähigkeit, Festigkeit etc. der Holzarten bediente er sich einer hydraulischen Presse und es ist in den Berichten über die Pariser Ausstellung (Part I.) die Art und Weise seines Verfahrens genau beschrieben. Natürlich konnte er hlos diejenigen Holzarten seinen Experi- menten unterwerfen, von denen genügend grosse Stücke eingeschickt waren. Er hat im Ganzen gegen 80 Holzarten untersucht und von jeder genau ermittelt und angegeben: 1. den botanischen Namen, die Classe nach dem natürlichen System, den localen Namen. 2. die Beschreibung des Baumes, seinen Stand- und^Fundort, seine Rinde, seine Blattformation, seine hauptsächlichste Ver- wendung und seine Eigenschaften. 3. den durchschnittlichen Durchmesser sowie die durchschnittliche Höhe des Baumstammes. 4. das specifische Gewicht seines Holzes. 5. die Tragfähigkeit des Holzes in der Richtung der Faser. 6. die Tragfähigkeit in entgegengesetzter Richtung. 7. seine Elasticität. 8. seine Zähigkeit. Dem Verzeichniss, in dem sämmtliche Resultate der Reihe nach hei jeder Holz -Art eingetragen sind, folgen noch 5 Tabellen, in 138 Zweiter Th eil. denen die untersuchten Holz-Arten nach ihrem specifischen Gewicht, nach ihrer Tragfähigkeit in der Eichtung der Faser ii. s. w. ge- ordnet sind. Dem Catalog über die Sammlung der Bau- und Constructions- Materialien ist ein Auszug dieses Theiles der Berichte über die Pariser Ausstellung beigefügt, so dass Jeder in den Stand gesetzt ist, die detailirte Beschreibung des Holzes sowie das Holz selbst in Augenschein zu nehmen. Classe XII. Glas und seine Anwendung. Classe XIII. Modelle und Erfindungen auf dem Gebiete des Bau -Wesens. Hier finden sich zunächst: 1. Modelle von Dachungen der verschiedensten Art, z. B. der Great -Horthern- Eisenbahn -Station bei Kings’ Cross, verschiedener Kirchen und Kapellen, des Theaters in München, der Gemüse- und Fruchthallen in Mainz, eines der berühmtesten Tempel in Canton etc. 2. Modelle von Kirchen und Kapellen sowie Kirchthtirmen be- rühmter Cathedralen und Dome, so des Strassburger Münsters etc. 3. Modelle (in Gyps) der berühmtesten architectonischen Denk- mäler alter und neuer Zeit, so des Tempels der Vesta in Tivoli, der Propyläen in Athen, des Tempels von Ilissus in Athen, des Tempels der Fortuna in Korn, des Porticus des Septimius Severus in Eom, der verschiedenen Tempel des Augustus in Eom, des Theseus-Tempels in Athen, des Triumph-Bogens von Constantin in Eom, verschiedener Grab- und Bau -Denkmäler von Palmyra, Illustrationen einiger Ee- staurationen der Alhambra in Granada etc. 4. Modelle verschiedener Brücken, so der über den Serpentin im Hyde-Park, einer Holzbrücke in Ceylon, gebaut vom General Fraser etc. 5. Modelle von landwirthschaftlichen Gebäuden, von Leucht- Tliürmen, von Gewächs-Häusern in Glas und Eisen und von andern Gebäuden. 6. Modelle von Verbesserungen bei der Pflasterung in grossen Sbidten. Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. 139 Unter den neuesten Erfindungen und Verbesserungen auf dem Gebiete des Bau -Wesens finden sich: 1. Alle Arten Fenster - Eahmen mit den neuesten Ventilations- Vorrichtungen, separate Ventilations- Apparate, Jalousieen, Holz- und Eisen -Eouleaux. 2. Thore und Thüren mit den neuesten Verbesserungen auf diesem Gebiete. ^ 3. Treppen -Modelle. 4. Dielen, Fussböden-Bekleidung sowie Holz - Decorationen zur Bekleidung von Wandfiächen, Täfelwerk, Panele etc. 5. Einrichtung von Herden und Koch-Apparaten etc. 6. Bau - Maschinen , wie sie zum Emporwinden von Bau -Mate- rialien gebraucht werden, verbesserte Gerüste, die den Verkehr nicht absperren etc. Classe XIV, Tapeten. Papier -Mache und Stein -Pappe. Von den vielen Decorations- Artikeln, die neuerdings aus Stein- Pappe gemacht werden, namentlich Thierköpfe, Hirsch- und Eeh- Geweihe, Panele, Medaillons, den Imitationen von Holz- und Marmor- Panelen findet man hier eine reiche Auswahl. Classe XV. Stiche, Photographien und Zeichnungen architecto- nischer Gegenstände. Die wichtigsten derselben sind Entwürfe zu Täfelwerk und Ein- fassungen von Wyatt, Ansichten von Landhäusern, Villen, Kirchen und Kapellen, Musikhallen, Abbildungen hervorragender Bauten im Ganzen und in einzelnen Theilen, so der Parlaments-Gebäude, Ent- würfe zu Arbeiter -Wohnungen, Photographien berühmter Brücken- und Wasser-Bauten nach Original-Zeichnungen etc. 3. Die Sammlungen thierischer Eohstoffe und Producte. In den Kew- Gärten befindet sich eine Sammlung, welche in sehr übersichtlicher Weise die wirthschaftlichen Verwendungen der Substanzen aus dem Pflanzenreich zur Anschauung bringt. Ich greife z. B. den Mahagoni -Baum heraus. Man findet in Bezug auf ihn 140 Zweiter Theil. in der genannten Sammlung zuerst Abbildungen der Mahagoni- Bäume, mit Angaben über ihr Vaterland, den durchschnittlichen Durchmesser, die Höhe, das specifische Gewicht des Holzes u. s. w. ; sodann verschiedene Blöcke Mahagoni - Holz , wie sie roh in den Handel kommen; weiter eine Partie Fournire, roh und polirt; endlich verschiedene Möbel oder Geräthschaften , die vorherrschend aus Ma- hagoni gemacht werden, und zwar Fabricate der verschiedenen Völker, die dies Holz verarbeiten. In ähnlicher Weise sind sämmt- liche Gegenstände des Pflanzenreichs repräsentirt , von dem Eoh- zustande ab bis zur complicirtesten Verarbeitung bei den hervor- ragendsten Völkern sowohl als bei den Wilden. Im Museum für practische Geologie in London (Jermyn- Street) flndet sich eine ganz analoge Darstellung mit Bezug auf die mine- ralischen Substanzen. Die königlichen Commissare für die Ausstellung von 1851 machten die Bemerkung, dass es in Betracht des grossen Nutzens dieser Sammlungen sehr wünschenswerth sei, auch für das Thierreich eine solche zu arrangiren. Dies geschah denn auch mit Hilfe der Society of Art, und bereits im Jahre 1857 konnte sie dem Kensington- Museum einverleibt werden. Der Zweck der Sammlung ist, die verschiedenen Verwendungen thierischer Substanzen zu Zwecken der Industrie und zum Nutzen der Menschheit überhaupt zur Anschauung zu bringen. Man hat zu diesem Behuf sämmtliche thierische Stoffe in folgende 5 Classen gebracht: Classe I. Thierische Substanzen, welche zur Weberei und Klei- dung verwendet werden. Abth. 1. Wolle, Alpaca und Angora. „ 2. Haare, Borsten und Fischbein. „ 3. Seide. „ 4. Pelze. „ 5. Federn als Kiele und Flaumfedern. „ 6. Gallerte, Häute und Leder. Classe II. Thierische Substanzen zum häuslichen Gebrauch und zu Schmuck - Gegenständen. Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. 141 Abth. 1. Knochen und Elfenbein, - ^ „ 2. Horn und Hufe. „ 3. Schildpatt. „ 4. Muscheln und Producte von Seethieren. „ 5. Thierische Oele und Fette. Classe HI. Pigmente, Farben und Farbstoffe von Thieren, Abth. 1. Cochenille und Scharlach. „ 2. Thierische Lacke. „ 3. Galle, Gallfarben, Blut etc. Classe IV. Thierische Substanzen, welche zur Pharmacie und Parfümerie gebraucht werden. Abth. 1. Biberöl, Zibeth, Hyraceum, Bisam, Moschus. „ 2. Canthariden, Blutegel etc. Classe V. Verwendung thierischer Abfälle. Abth. 1. Därme und Blasen. „ 2. Eiweis, Casein etc. „ 3. Cyankalium und chemische Producte von Knochen etc. „ 4. Thierischer Dünger, Guano, Knochen, Fisch- dünger etc. Bei dieser Eintheilung ist man weniger von wissenschaftlichem, sondern vorherrschend von dem Gesichtspunkt der Verständlichkeit für die Industriellen ausgegangen; und um die Wichtigkeit des Thier- reichs in dieser Beziehung zu charakterisiren , ist auf einer im Museum befindlichen Wandtafel nachgewiesen, dass im Vereinigten Königreich 1,038,000 Menschen mit der Production und dem Verkauf thierischer Producte beschäftigt sind. Dem „Guide to the Collection of animal products, South Kensington- Museum. Edited hy Edw. Lan- kester, Dr. med., 3. edit, London 1863“ ist eine Zusammenstellung über den gesammten Handel des Vereinigten Königreichs mit thie- rischen Producten nach Quantität und Werth beigefügt, welche jedoch die zur Nahrung verwendeten Thierstoffe ausser Betracht lässt. Als Eesultat ergibt sich, dass an Kohstoffen und Producten aus dem Thierreich jährlich im Durchschnitt 90,821,902 Tonnen im Gesammt- werth von 135,843,460 £. Sterling oder 905,622,400 Thlr. in den Handel gekommen sind. Die Hauptrolle spielen: 142 Zweiter Theil. Schuh und Stiefeln 26,200 Ton. im Werth von 12,590,000 £. Bürsten 18,700 „ „ „ „ 1,750,000,, Lichter 58,000 „ „ „ „ 3,080,000,, Wollen - Teppiche. .. . 8,000 „ „ ., „ 1,280,000,, Handschuhe 280 „„ „ „ 1,500,000 „ Guano 215,000 „ „ „ „ 2,580,000 „ Hüte 3,500 „ „ „ „ 4,000,000,, Häute 46,000 „ „ „ „ 2,620,000 „ Strumpf -Waaren .... 7,500 „ „ „ „ 4,000,000 „ Leder 36,000 „ „ „ „ 18,000,000,, Thierischer Dünger . . 90,000,000 „ „ „ „ 20,000,000 „ Seide, roh und verarh. 6,400 „ „ „ „ 15,500,000 „ Seife 100,000 „ „ „ „ 4,000,000 „ , Talg 64,000 „ ,, „ „ 2,500,000 „ Regen- u. Sonnenschirme 6,000 „ „ „ „ 1,800,000,,' Fischthran 25,000 „ „ „ „ 1,250,000 „ Wolle, hrit. und fremde 94,500 „ „ „ „ 11,000,000 „ Wollentuch 36,800 „ „ „ „ 20,000,000,, Es bedarf bei der beredten Sprache dieser Zahlen keines Wortes mehr, um die Bedeutung der Sammlung hervorzuheben, und wir wollen nunmehr den nicht leichten Versuch machen, den reichen Inhalt derselben durch Betrachtung der einzelnen Classen näher zu charakterisiren. Dabei kommen zwei an sich verschiedene Gesichts- punkte zur Geltung: 1. kommt es darauf an, ein möglichst anschauliches Bild von der Sammlung und deren reichen Inhalt zu geben; 2. zu zeigen, was entweder mittelst gedruckter Wandtafeln oder eines gedruckten „Führers“, oder beschreibenden Catalogs durch ein- gestreute Notizen geschichtlichen, statistischen, national-öconomischen und sonstigen Inhalts auf Grund der Sammlung und zur Ergänzung derselben auf dem Gebiete der Verbreitung populärer, nothwendiger Fach- und Berufs -Kenntnisse für die arbeitenden Classen geleistet werden kann. Der bereits erwähnte Führer zu der Sammlung von Dr. Laii- kester ist iu der genannten Beziehung mit grossem Geschick ge- Beschreibung’ und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. 143 schrieben und mit wenigen Ausnahmen sind die in nachstehender Beschreibung eingestreuten Notizen diesem Werkchen entnommen. Natürlich musste ich mich auf das Nothwendigste beschränken, und man darf daher die Eeichhaltigkeit jenes Führers nicht nach der Sparsamkeit und Kürze des hier Mitgetheilten bemessen wollen. Classe I. Verwendung thierischer Producte zur Weberei und Kleidung. Abtheilung I. Wolle, Alpaca und Mohair. Cap. 1. Wolle, und zwar als Rohstoff. Die kosmopolitische Bedeutung der Wolle tritt auf einen Blick scharf aus nachstehenden Angaben hervor (cf. Elsner v. Gronow, die Woll-Production der Erde). Die Production der Wolle, welche in der alten Welt nur der nördlichen,, in der neuen Welt nur der südlichen Hemisphäre eigen- thümlich war, hat sich mit der fortschreitenden Civilisation in zwei grossen Gürteln um die ganze Erde gezogen; sie hat sich aller klimatisch geeigneten Localitäten bemächtigt. Wolle producirende Länder sind: I. Auf der nördlichen Erdhälfte. A. Ganz Europa, mit Ausnahme des nördlichen Theils von Nor- wegen, Schweden und Russland, also etwa 136,000 geogr. dM. B. In Asien: Süd-Sibirien, die mittelasiatische Hochebene, China und Japan, das indische Alpenland, Persien, der Kaukasus, die asiatischen Besitzungen der Türkei mit Ausnahme Süd- Arabiens, zusammen ca. 234,000 dM. C. In Afrika: Nord -Egypten, Tripolis, Tunis, Algier und der grösste Theil von Marokko, zusammen 30,000 dM. D. In Amerika: der südliche Theil von Canada, der grösste Theil der Vereinigten Staaten, Nord -Mexico, zusammen etwa 150,000 gM. II. Auf der südlichen Erdhälfte. A. In Afrika: Die Südspitze bis nahe an den Ngami-See, der hochgelegene Theil von Natal, zusammen etwa 6000 gM. 144 Zweiter Theil. B. In Polynesien: Fast ganz Neuholland, Vandiemensland (Tasmanien) und Neu-Seeland, etwa 76,000 dM. C. In Süd-Amerika: Die La Plata - Staaten , Chili, Theile von Peru, Bolivia und Brasilien, Patagonien und die Falklands- Inseln, 50,000 DM. Dies gibt also 550,000 geogr. □ M. auf der nördlichen Halbkugel und 132,000 geogr. gM. auf der südlichen Halbkugel, oder etwa ein Drittel des Festlandes der Erde. An Wolle wird producirt: I. Auf der südlichen Hemisphäre: 157,000,000 Pfund, II, Auf der nördlichen Hemisphäre. a. Europa . 893,270,000 Pfund, b. Nord- Amerika 107,200,000 „ c. Nord -Afrika 49,300,000 „ d. Asien 470,000,000 „ Zusammen 1,676,770,000 Pfund. Diese jährliche Production repräsentirt, das Pfund Wolle nur zu 10 Sgr. gerechnet, einen Werth von 558,923,000 Thalern, oder die Zinsen zu 5% gerechnet, ein Capital von 11,178,460,000 Thalern. Die daraus gewonnenen Wollenwaaren haben aber, da der Werth durch die Verarbeitung sich ungefähr um das 3 — 5fache steigert, einen Werth von 1,676,769,000 bis 2,794,615,000 Thalern. Der Werth der Wolle als Roh -Material für so viele Industrie- zweige hängt von der Structur ihrer Fasern ab. Bringt man eine Woll- Faser unter das Mikroskop, so entdeckt man, dass sie aus einer Zahl von Querlinien besteht, von denen 2--4000 auf den Zoll kommen. Untersucht man diese Linien genauer, so ergibt sich, dass sie aus kleinen Schuppen und Härchen bestehen, welche dazu bei- tragen, die einzelnen Fasern der Wolle unter sich zu verwirren und den Prozess des Filzens somit wesentlich zu unterstützen. Auf der Zahl dieser kleinen Schuppen und Härchen, die eine Woll -Faser etwa wie ein Sägeblatt erscheinen lassen, beruht die Güte der Wolle zum Filzen. So hat z. B. feine sächsische Wolle 2720 Fäserchen auf den Zoll; Merino -Wolle 2400 etc. Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. 145 In der ersten Abtheilung findet sich eine Sammlung, welche die verschiedenen Eigenthümlichkeiten der Wolle der hauptsächlichsten fremden und einheimischen Schäfereien erkennen lässt. In grossen Glaskästen findet man die Wolle von 123 verschiedenen Züchtungen. Beim XJebergang zu der verarbeiteten Wolle werden zuerst die erforderlichen Processe des Woll-Sortirens beschrieben. Bei den dazu verwendeten Arbeitern entwickelt sich ein so feines Gefühl, dass sie die verschiedenen feinem und grobem Sorten desselben Fliesses mit erstaunlicher Schnelligkeit in Bauchwolle, Bückenwolle etc. sortiren. Sodann die Processe des Krempelns und Kämmens, wobei die Wolle fortwährend mit Oel besprengt wird; dann der Process des Spinnens, womit man beim Wollengarn angelangt ist. Yon da gelangt man zu den schmalen und breiten Tuchen, sodann zu den Teppichen. Verschiedene !&ästen zeigen die Ma- terialien und den Process der Teppich -Manufactur. Den Teppichen folgt die Filz - Fabrication. Shoddy und Mungo werden fabricirt, indem man Wollen- Lumpen auf den ursprünglichen Zustand der Faser reducirt. Die verwendeten Lumpen einerseits und die auf die Faser reducirten Stoffe andrerseits sind in Flaschen ausgestellt, und auf beigefügten Tafeln sind die Hauptsitze dieser Fabrication sowie die Zahl der dabei beschäftigten Arbeiter (2500) angegeben: im Handel mit diesen Stoffen werden jährlich 6 Mül. £. umgesetzt. Die Wollen- Abgänge von dieser und anderer Fabrication werden sehr klar verarbeitet und zu Sammt-Tapeten verwendet. In Cap. 2 kommen die gesponnenen Wollen -Waaren, und zwar die Garne, die reinen Wollen- Stoffe und die gemischten in etwa 70 Artikeln zur Darstellung; die erstem Stoffe bilden für England einen wichtigen Export- Artikel in einem jährlichen Werth von etwa 15 Mül. £. Cap. 3. Alpaca. Die Alpaca’s sind eine Lama- Art, die in Süd-Amerika, nament- lich in den Cordilleren und den bergigen Districten von Peru und Schwabe, Kuust-Industrie. 10 146 Zweiter Theil. Bolivia heimisch sind. Die Wolle dieser Thiere, welche sehr lang und seidenartig weich ist, wird in England in grossartigem Mass- stahe verarbeitet. Von sämmtlicher Wolle, die in Peru eingeschifft wird, gehen nach England, der Best nach Hamburg und den Vereinigten Staaten. Die Ausstellung von Garnen und Stoffen sowie Alpaca-Fliessen ist daher eine sehr reichhaltige. Cap. 4. Angora- und Kaschmir -Waaren. Die Angora -Ziege ist in einem kleinen District Klein -Asiens heimisch; ihr weisses seidenes Haar, welches in langen Locken herabhängt, wird durchschnittlich 5 — 6 Zoll lang. Früher importirte man die Wolle als Hand-Gespinnst verarbeitet, doch war sie in diesem Zustande wegen der Unregelmässigkeiten für die Maschinen nicht zu gebrauchen. Seit 1840 führt man die Wolle roh ein, spinnt sie in England und es hat sich in Folge dessen der Verbrauch innerhalb 10 Jahren sechsfach vermehrt. Man importirt aus Euss- land, der Türkei, Ostindien und Amerika. In verschiedenen Kästen findet sich die Wolle roh, in Fliessen und verarbeitet ausgestellt und zwar in Fabricaten der verschiedensten Länder und Völker: der Kosaken-Frauen, der Franzosen, Italiener, Chinesen etc. Die Tibet- oder Kaschmir-Ziege zeichnet sich durch einen Eeich- thum in langen, schlichten, bis zu den Knieen herabhängenden Haaren aus; sie weidet in den Himalaja -Bergen. Nicht mehr als 30 Unzen ihrer Wolle, etwa 3 Thlr. werth, gehören zur Fabrication eines Shawls, IV 2 yard ins Geviert. Die immensen Kosten dieser Shawls auf den europäischen Märkten muss daher für diejenigen ein Gegenstand der Verwunderung sein, die mit der Geschichte ihrer Fabrication und ihres Transportes unbekannt sind. Ein hoher Zoll ist zuerst auf die Wolle zu zahlen, dann eine weitere Steuer auf das Garn, und der fertige Shawl wird noch ausserdem ganz nach der Willkür der Behörde besteuert. Ist der Shawl für Europa bestimmt, so hat er noch schwerere Proben zu bestehen. Er muss von Kasch- mir über den Indus bis zur Grenze von Afghanistan (eine Keise von 20 Tagen) auf dem Kücken eines Mannes getragen werden, da die Strasse für Kameele oder Maulesel oft nicht passirbar ist: tiefe Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. 147 Abgründe müssen mittelst Hängebrücken von Seilen überschritten und steile Felsen mittelst hölzerner Leitern erstiegen werden. An verschiedenen Stellen dieser Keise sind Steuern bis zum Betrag von 12 — 14 Thlrn. zu bezahlen, und muss die Enthaltsamkeit räuberischer Horden in Afghanistan und Persien noch ausserdem theuer erkauft werden. So geht denn die kostbare Bürde über den Kaukasus nach Europa, oder wie jetzt oft, durch die türkischen Provinzen nach Constantinopel. Ist das Tuch zu einem Shawl von Wolle mit seidenem Einschlag fertig gewebt, so beginnt erst die wichtigste Arbeit, die Stickerei. Damit haben bei einem Shawl drei Männer drei Monate lang, bei besonders reichen Shawls, die paarweise gemacht werden, 18 Monate lang zu thun. So ist in der That die Arbeit zur Erzeugung eines Kaschmir-Shawls erster Classe unermesslich, und es wird begreiflich, dass er oft Tausende kostet, ehe er die Felsenthore des Thaies von Kaschmir passirt. Kaschmir -Wolle, roh und in verschiedenen Stadien der Ver- arbeitung, ist in Kästen und Gläsern in reicher Auswahl ausgestellt. Abtheilung II. Haare, Borsten und Fischbein. In Bezug auf die beiden ersten Artikel findet man Kosshaare, Kameelhaare, Kuh- und Kalbshaare, Borsten aller Art etc. in rohem Zustand und sämmtliche daraus gefertigte Artikel ausgestellt. Unter den Arbeiten findet man Teppiche aus Kuhhaaren, die in Preussen gefertigt werden, Schmuck -Sachen, Broschen, Armbänder, Ketten aus Kosshaar, dessen Verwendung in der Weberei zu Tuch und Möbel -Bezügen, Crinolinen, Sieb-Waaren; ein Kasten enthält Sub- stitute für menschliches Haar für die Zwecke der Bühne. An der Wand hängen Tafeln mit Abbildungen milcroskopischer Untersuchungen über das Haar des Menschen und verschiedener Thiere und Erklärungen über die wichtigsten Eigenschaften des Haares. Ebenso zeigen in Bezug auf das Fischbein Abbildungen zunächst die verschiedenen Wallfische; den arctischen, den Südsee -Wallfisch 10 ^ 148 Zweiter Theil. etc., die Harpunen und sonstigen Instrumente, Schiffe etc., seiner Jagd und die Präparirung des Fischheins. In Kästen sieht man rohes Fischhein, wie es aus dem Wallfisch entnommen ist, und sämmtliche daraus gefertigte Artikel, endlich auch das künstliche Fischhein (Wallosin). Kurz man kann hier das Fischhein verfolgen, von der Davis - Strasse an Grönlands Küste bis in die Hand des Stutzers, wo es als feines Stöckchen ungeahnte Proben seiner Biegsamkeit ablegen muss. Abtheilung III. Seide. Was die Sammlung in Bezug auf Seide leistet, lässt sich in 3 Gruppen zusammenfassen. 1. gibt sie einen üeberblick über sämmtliche Schmetterlinge der verschiedenen Länder und der durch die Raupen erzeugten Cocons, mit Angabe der Verschiedenheit derselben und der aus ihnen ge- wonnenen Seide. Auf einer Tafel finden sich die wissenswerthesten Mittheilungen über die Krankheiten der Seiden-Raupen; 2. stellt sie Rohseide aller wichtigsten Länder der Welt aus, welche Seidenzucht treiben, gibt auch auf Tafeln statistische Kotizen über Export resp. Import von Seide. Es findet sich Seide aus der Türkei, aus Italien, aus Frankreich, aus China, Indien, Amerika, Tasmanien, aus Schweden, aus Deutschland u. s. w; 3. bietet sie Seiden -Fabricate aus sämmtlichen Ländern, wo solche fabricirt werden, und zwar Seiden - Garne , Seiden -Bänder, Seiden -Sammt, Seiden -Spitzen und gemischte Seiden -Stoffe. Abtheilung IV. Pelze. Die Verwendung des Pelzes zu Kleidung und Schmuck ist schon sehr alt; in den ältesten Luxus-Gesetzen spielt er gewöhnlich eine Hauptrolle. Die wegen ihrer Schönheit und Feinheit geschätztesten Pelze kommen aus den nördlichen Regionen. Der Pelz erreicht seine grösste Vollkommenheit beim Anfang des Winters. Die Ver- nichtung der pelztragenden Thiere durch die Jäger, namentlich in in den Prärien von Nord- und Süd -Amerika, in den Steppen von Russland und Sibirien, in den Wäldern Indiens und den Wüsten Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. 149 Afrika’s ist ausserordentlich. Verschiedene Schiffe, lediglich be- frachtet mit Pelzen aus den unermesslichen Jagd -Gebieten der Hudsons -Bay- Companie in dem arctischen Amerika kommen jedes Jahr in London an, und es wurden beispielsweise im Januar 1862 im Ganzen 1,069,970 Felle verkauft, welche aus Amerika, Canada und den Falklands-Inseln importirt waren. Die Hudsons-Bay-Companie behauptet ihre commerzielle Stellung beinahe ausschliesslich durch den Pelz-Handel ; sie gebietet über ein Stück der Welt, welches mehr als halb so gross ist als ganz Europa. Es ist von Interesse zu erfahren, wie dies Gebiet regiert wird: es hat einen Ober-Gouverneur, unter dem 60 Geschäfts-Führer stehen; jeder steht einem der 60 Districte vor, in die das ganze Territorium eingetheilt ist. Jeder Geschäfts - Führer disponirt über 25 Händler. Ausser diesem Personal gibt es 5 Chirurgen, 40 Caplane und Mis- sionäre, 150 Bureau-Beamte und gegen 1200 Personen Dienst-Per- sonal. Der Gouverneur und die Geschäfts-Führer bilden ein Kaths- CoUegium , welches die Geschäfte der Compagnie besorgt. Ein Central - Bureau in London ertheilt die allgemeinen Instructionen. Ausser den bisher genannten Personen gibt es nun 500 Eeisende und eine grosse Anzahl Arbeiter, Fischer und Jäger. Diese sind meist Canadier, Europäer oder Mischlinge. Die gesuchtesten Jäger sind die eingeborenen Indianer. Diese ziehen im Winter wohlver- proviantirt aus und bringen im Frühjahr ihre Beute den Händlern. Meist treibt man Tausch - Handel und oft wird für ein Jagdmesser ein Bärenfell eingetauscht, was 12 Thlr. Werth hat. — Die verschiedenen Sorten von Pelz und die mannigfachen, aus demselben gefertigten Gegenstände sind in grossen Wand-Schränken ausgestellt und nach naturgeschichtlicher Eintheilung geordnet, je nachdem sie von Insecten- Fressern, Nagethieren, Fleisch - Fressern etc. herstammen. Abtheilung V. Federn. Abgesehen von der Nahrung machen wir von den Artikeln aus dem Bereich der Vögel nur eine beschränkte Anwendung. Zwei der wichtigsten Artikel, die Bettfedern und Schreibfedern sind durch Matrazen und Stahlfedern nahezu verdrängt. 150 Zweiter Theil. An den Wänden sieht man zunächst diejenigen Vögel ausge- stopft, deren Federn practisch verwendet werden: den Gold- und Silherfasan, den Pfau, den Ibis, den Keiher, den Goldadler, den Strauss, den Paradiesvogel, die Gans, die Ente aus Grönland und andern Orten ihrer Heimath, welche sich die Eiderdaunen von der Brust ahzupft und ihr Nest damit auslegt etc. Weiter sind in Kästen die Federn, verarbeitet, ausgestellt, welche zum Stopfen von Betten, Kissen etc. gebraucht werden, sodann Mäntel, Muffen, Mützen etc. von Schwanenpelz, endlich die Verwen- dung der Federn zum Schmuck, und zwar beim Militär, bei den Zulukaffern von Natal und andern Theilen des südöstlichen Afrika’s u. s. w., endlich die Verwendung derselben zu künstlichen Blumen. Abtheilung VI. Gallerte, Häute und Leder. A. Gallerte, Leim, und Hausenblase, ausgestellt in Gläsern und Tafeln mit den verschiedenen Zwecken der Verwendung zur Verpackung, zu durchscheinendem Papier (papier glase), zur Fabrication künstlicher Blumen u. s. w. B. Pergament und Schweinsleder. Hier sind Häute in Glycerinbädern ausgestellt als erster Pro- cess bei der Pergamentfabrication resp. der Verarbeitung solcher Häute zu Trommelfellen und zur Buchbinderei, sodann Fabricate von" Maschinen-Pergament aus deutschen Fabriken, namentlich aus Erfurt. Um die Dauer dieses Materials zu beweisen, sind in einem Kasten Pergamente aus den Jahren 1277, 1325, 1428 etc. ausgestellt. C. Häute und Leder- Artikel. Als Einleitung in die Objecte dieser Classe sind zunächst sämmt- liche Gerbmaterialien ausgestellt: Terra japonica aus Singapore, Sumach aus Palermo, Saamenkapseln und Binde der prosopis pallida aus Chili, getrocknete Fruchtschalen verschiedener Species von Ter- minalia aus Indien, Binden und Galläpfel sämmtlicher Eichenarten der alten und neuen Welt, Mimosa-Binde von Australien u. s. w. Sodann die beim Präpariren des Leders gebrauchten Instrumente und Flaschen mit verschiedenen Säuren und Salzen etc. Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. J51 Endlich die verschiedenen Arten Leder mit den daraus gefer- tigten Fahricaten. Classe II, Thierische Substanzen zu häuslichen Zwecken und Schmuck - Gegenständen. Ahtheilung I. Knochen und Elfenbein. Knochen bilden einen sehr bedeutenden Handelsartikel, nament- lich als Arheitsmaterial, als chemisches Product und als Düngung. In Sheffield allein werden jährlich 2,000,000 Schenkelknochen von Kindvieh zu Messerwaaren verarbeitet; aus den abfallenden kleinen Stücken werden Knöpfe gemacht. Auf verschiedenen Tafeln gehen zunächst Zeichnungen von mikroskopischen Untersuchungen Aufschluss über die Structur der Knochen im Längen- und Querschnitt; sodann ersieht man ihre verschiedenen Verwendungen und endlich die daraus gefertigten Producte, als Messerwaaren, Zahnbürsten, Kunstgegenstände, Waffen aus Knochen, von den Südsee-Inseln etc. In Betreff des Elfenbeins würde es keine leichte Aufgabe sein, die Dinge nur anzuführen, zu denen es verwendet wird. Zunächst ist der Rohstoff ausgestellt: I Elephantenkopf von Afrika, verschiedene Wallross-Zähne, die namentlich zu künstlichen Zähnen verarbeitet werden, Hippopotamus-, Einhorn-Zähne und 5 prachtvolle Exemplare von Elephanten-Hauern, welche die Königin Victoria von dem König von Shoa (Abyssinien) erhalten hat. Die Händler classificiren die Hauer nach dem Gewicht in 6 Classen: die erste Classe umfasst diejenigen von 70 — 90 Pfd. Ge- wicht, die letzte die von 20 Pfd. Die ausgestellten Elfenbein -Artikel zerfallen in 2 Classen, in die Verwendung zu practischen Zwecken als Messergriffe, Bürsten, Billard- bälle, Armbänder, Pianofortetasten, Stethoskopen etc. und in die Elfenbeinschnitzereien, in Bezug auf welche noch besonders auf das Museum für ornamentale Kunst zu verweisen ist, wenngleich auch hier eine ansehnliche Sammlung existirt. Abtheilung II. Horn und Hufe. Wie die Hörner und Geweihe ein Schmuck der Thiere sind, so 152 Zweiter Theil. sind dieselben in ihrer decorativen Anordnung auch ein Schmuck der Ausstellung. Man findet die Hörner und Geweihe sämmtlicher Thiere aller Zonen ausgestellt, und die reiche Auswahl von Horn- fabricaten andrerseits zeigt, wie der Mensch in allen Ländern und auf allen Gebieten bemüht gewesen ist, die Gaben der Natur für seine Zwecke zu benutzen. Abtheilung III. Schildpatt. Abtheilung IV. Muscheln und Producte von Seethieren. Muscheln bestehen vorherrschend aus Kalk (aus 75 Vo kohlen- sauern Kalk, 37o phosphorsauern Kalk, 3«/o Salzen, 27o thierischen Substanzen und 17®/o Wasser). Jede Muschel besteht aus 2 Schichten, einer glatten und einer rauhen, welche in einander laufen. Man glaubte früher, die Muschel werde durch Ausscheidung aus dem Körper des Thieres gebildet. Das Mikroskop zeigt jedoch eine sehr complicirte und eigens organisirte Entstehung der Muschel. Die rauhe Schicht besteht nämlich aus lauter 6 seitigen Prismen, die aneinander- gefügt, ein sehr compactes und feines Kunstwerk bilden; der glatte Theil, die Emaille, besteht aus einer Eeihe höchst feiner Schichten, welche durch den sog. Mantel oder die Eranzen des Thieres gefer- tigt werden. Diese Schichten sind nicht von gleicher Grösse, und ihre Grenzpunkte bilden eine Eeihe von Linien mit wellenförmigen Kanten. Diese Construction gibt der Substanz jene Eigenschaft, das Licht in so prachtvollen Farben zu reflectiren, welche es zum Schmuck so geeignet macht. Die Farbenpracht der Perlmutter beruht auf der grossen Feinheit der einzelnen Plättchen, welche die Lichtstrahlen zerlegen, ähnlich wie bei den Flügeldecken vieler Käfer, oder der Federn des Colibri, wie denn häufig die Farbenpracht in der Natur auf ähnliche Weise erzeugt ist. Man kann diese Farben- resp. Lichtreflexe künstlich erzeugen, wenn man dünne Schichten von durchsichtigem Lack auf Papier streicht, auch hat man dieselben prismatischen Farben auf Stahlknöpfen erzeugt, durch concentrische Einge, die man mit einem Diamanten zog. Die Perlen werden auf dieselbe Weise, wie oben die Emaille, Besschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. 153 von verschiedenen Schalthieren erzeugt; sie sind Niederschlag jenes Emaille -Materials um einen kleinen Kern, z. B. ein Sandkorn, welches in die Muschel hineingerathen ist. Die werthvollsten Perlen kommen von der Insel Ceylon, dem Cap Comorin und dem persischen Golf von der sog. Perlauster (Avicula margaritifera). Den Umstand, dass die Perle durch einen Gegenstand entsteht, der in die Muschel hineingerathen ist, benutzten die Chinesen schon sehr zeitig, um künstlich die Bildung von Perlen zu veranlassen. Sie bringen ein Stückchen gebrannte Erde in die Muschel mit leben- dem Thier und warten bis dieses mit der Emaille überzogen ist. Oft führen sie kleine Figuren von Metall ein, welche den Buddha sitzend darstellen, und diese, mit Perlenmasse überzogen, sind als kostbarer Schmuck sehr geschätzt. In dem Kasten No. 828 sind zwei Muscheln ausgestellt, welche die künstliche Bildung von Perlen durch eingelegte Gegenstände erkennen lassen. Dieselben sind von Sir A. Bo wring mit aus China gebracht worden. Bekanntlich werden die ächten Perlen jetzt in sehr vollkomme- ner Weise nachgeahmt. Man verwendet dazu die Schuppen des Weissfisches. Zu einem Pfund Schuppen gehören etwa 4000 Fische. Man bläst feine Glaskugeln, belegt sie inwendig mit der Perlen- Essenz, die mit Hausenblase gemischt ist, und füllt dann die Perlen mit Wachs aus, um sie weniger zerbrechlich zu machen. Wie die Perlen, so ist auch die Perlmuttermasse sehr geschätzt, deren es bekanntlich zwei Arten gibt, schwarze und weisse. Die schwarze war früher selbst zur Knopffabrication zu gering geschätzt, und man schüttete sie deshalb in Birmingham auf die Abgangsplätze vor der Stadt; jetzt, wo sie sehr gesucht ist, werden diese Plätze stückweise sehr theuer verkauft und man gräbt mit grosser Mühe die schwarze Perlmutter wieder heraus. Die Ausstellung ist ungemein reich an Muscheln und Fabricaten, namentlich aus Perlmutter, und zeigt die Verwendung der ersten bei den verschiedensten Völkern. Man sieht]^die Cypraea moneta, die bei verschiedenen Stämmen West - Afrika’s als Geld benutzt wird, die Purpurea Lapillus, die Purpurschnecke, die kleine venetianische 154 Zweiter Theil. Muschel, die zu Armbändern, Kragen etc. verarbeitet wird, die ver- steinerten Muscheln (Ammoniten), welche polirt ein so prachtvolles, marmorartiges Aussehen bekommen u. s. w. Schwämme finden sich in den verschiedenen Stadien ihrer Ent- wickelung aus allen Punkten des Meeres, wo sie wachsen: aus der Türkei, dem mittelländischen Meere, den Kanal-Inseln, der Nordsee etc. Korallen bilden bekanntlich den festen, vorherrschend aus kohlensauern Kalk bestehenden Kern der, aus gallertartigen Schleim bestehenden Strauchpolypen. Die rothe Koralle (Isis nobilis) findet sich namentlich im mittelländischen Meer, im persischen Golf, im rothen Meer und auf der Insel Ceylon. Die gesammte Verwendung der Korallen ist im Museum vollständig zu ersehen, ebenso die 5 Classen in welche dieselben nach der Schönheit ihrer Farben, von Tiefroth zu Blassroth, eingetheilt werden. In Folge der Verbreitung welche die Aquarien überall ge- niessen, ist ein solches dem Museum einverleibt. Abtheilung V. Thierische Oele und Fette. Classe III. Pigmente und Farbstoffe von Thieren. 1. Cochenille und Scharlach. Cochenille ist der Hauptbestantheil eines weiblichen Insects {coccus cacti) welches auf einer Species Cactus \opuntia cochinelifera) lebt und hauptsächlich von Mexico und Central- Amerika, in zweiter Linie auch von Spanien, Algier, Indien und Syrien exportirt wird. Man versendet die getrockneten Eückenschilde dieses Insects, von denen man in England etwa 14,000 Tonnen zum Werth von ca. 5,000,000 Thlr. jährlich einführt. Da jedes Pfund Cochenille etwa aus 70,000 Insecten gewonnen wird, so importirt man allein in England 220,000,000,000 Insecten. Die Insecten werden dreimal im Jahre von den Cactusblättern ge- sammelt; man tödtet sie entweder durch siedendes Wasser, oder auf heissen Platten oder in Oefen. Im letzteren Fall bekommen sie eine aschgraue Farbe und bilden die Silbercochenille, im zweiten FaU bekommen sie eine schwarze Farbe, im ersten eine rothbraune. Alle 3 Arten sieht man in Gläsern ausgestellt. Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. 155 In einem Glaskasten sieht man verschiedene Tuche und Seiden- stoffe, die mit Cochenille gefärbt sind. Ebenso sind die verschiedenen Lackfarben von Cochenille ausgestellt, welche unter dem Namen Car- min, florentiner Lack etc. in den Handel gebracht werden. Nächst- dem sind die andern Farben ausgestellt, die aus thierischen Sub- stanzen gewonnen werden, namentlich gebranntes Elfenbein. Scharlach wird von einem Insect gewonnen (Coccus ilicis)^ welches auf den verschiedenen Species der Quercus coccifera lebt, die in Spanien, in der Türkei, in Griechenland und andern Theilen des südlichen Europa’s vorkommt; man sieht auch diese Farbe aus- gestellt sowie einige damit gefärbte Gegenstände. 2. Thierische Lacke. Hier finden sich die, namentlich von Insecten gewonnenen Lacke, Schellack u. s. w. 3. Galle, Gallfarben, Blut. Classe IV. Thierische Stoffe, welche zur Pharmacie und Parfü- merie gebraucht werden. Classe V. Verwendung von thierischen Abfallen. Einen sehr grossen Nutzen gewährt die Wissenschaft dadurch, dass sie nach weist, wie bestimmte Nebenproducte und an sich werth- lose Abfälle wieder nutzbar gemacht werden können. Obgleich sehr viele solcher Abgänge zu verschiedenen Zwecken nützliche Verwen- dung finden, so ladet doch noch eine bei Weitem grössere Masse den menschlichen Geist ein, auf dem grossen Gebiete der Nutzbar- machung von Naturproducten für menschliche Zwecke ihr eine geeignete Stelle anzuweisen. 4. Das Museum der Nahrungsmittel. Die Originalidee zu dem Nahrungsmittel -Museum stammt von Mr. Twining, das Arrangement von Dr. Lyon Play fair und Dr. E. Lankester. Es soll die Natur und Quellen der Nahrungs- mittel kennen lehren, welche Eeiche und Arme in gleicher Weise zum Lebensunterhalt nöthig haben. Zweierlei hat man bei dieser Sammlung im Auge gehabt: 156 Zweiter Theil. J. man will die chemischen Bestandtheile der verschiedenen Substanzen, die als Nahrung verwendet werden, angehen, 2. man will die natürlichen Quellen, denen die verschiedenen Arten von Nahrung entnommen werden, zur Anschauung bringen. Da wo die Bereitungsprocesse der Nahrung eine Illustration zulassen, sind auch diese dargestellt. Eine derartige Sammlung lässt sich natürlich von verschiedenen Gesichtspunkten ordnen. Da bis zu einem bestimmten Punkte die physiologische Wirkung der Nahrung von der chemischen Zusam- mensetzung derselben abhängt , so hat man den chemischen Gesichtspunkt gewählt. Die verschiedene menschliche Nahrung besteht aus denselben Elementen wie der menschliche Körper. Die Nothwendigkeit der täglichen Zufuhr von Nahrung beruht, ab- gesehen von dem Wachsthum, auf der Thatsache, dass gewisse Be- standtheile des menschlichen Körpers täglich durch den Lebens- prozess consumirt werden. Um daher den Werth der Nahrung in Bezug auf ihre Bestandtheile zu verstehen, ist es nothwendig die Zusammensetzung des menschlichen Körpers zu kennen. Als Basis für den ganzen Aufbau der Sammlung ist daher in Abth. A. No. 1 . eine Analyse der verschiedenen Bestandtheile des menschlichen Körpers zur Anschauung gebracht worden, dessen Gewicht man auf 154 Pfd. angenommen hat. Dieselben ersieht man aus nachstehen- der Zusammenstellung: 1. Sauerstoff 111 Pfd. 0 Unzen. 0 Gran. 2. Wasserstoff . . . . 14 0 ff 0 ff 3. Kohlenstoff .... 21 » 0 ff 0 ff 4. Stickstoff 3 8 ff 0 ff 5. Phosphor 1 M 12 ff 190 ff 6. Calcium 2 )f 0 ff 0 ff 7. Schwefel 0 » 2 ff 219 ff 8. Fluor 0 2 ft 0 ff 9. Chlor 0 >> 2 ff 47 ff 10. Natrium 0 )) 2 ff 116 ff 11. Eisen 0 0 ff 100 ff Latus 152 Pfd. 28 Unz. 672 Gran. Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. 157 Transport 152 Pfd. 28 Unz. 672 Gran. 12. Kalium 0 „ 0 „ 290 „ 13. Magnesium .... 0 „ 0 „ 12 „ 14. Silicium 0 „ 0 „ 2 „ Summa 154 Pfd. 0 IJnz. 0 Gran. Diese Elemente bilden nun verschiedene Verbindungen, aus denen sich die festen und flüssigen Bestandtheile des Körpers zusammensetzen. Die wichtigsten dieser Verbindungen sind: Pfd. Unz. Gr. 1. Wasser -. . . 111 0 0 2. Gallerte und Leim, woraus die Zellenwände, Gewebe u. s. w. bestehen 15 0 0 3. Fett . 12 0 0 4. Phosphorsaurer Kalk, Bestandtheil der Knochen 5 13 0 5. Kohlensaurer Kalk, desgl. 10 0 * 6. Eiweis, Bestandtheil des Bluts und der Kerven 4 3 0 7. Faserstoff, Bestandtheil der Muskeln und Blut- körper 4 4 0 8. Salz 0 3 376 9. Kohlensaures Natron 0 1 72 u. s. w. Mittelst des Stoffwechsels werden nun diese verschiedenen Be- standtheile ausgeschieden und durch die Nahrung wieder ersetzt. Die menschlichen Nahrungsmittel entstammen dem Mineral-, Pflanzen- und Thierreich. Das Mineral- und Pflanzenreich bilden jedo'ch in sofern die grosse Urquelle der Nahrung für Menschen und Thiere, als in den Pflanzen- zellen diejenigen chemischen Wandlungen mit den Elementen vor sich gehen, welche dieselben erst zur Nahrung geeignet machen. Die Thiere können nur, wenn auch modificirt, das geben, was sie von den Pflanzen erhalten. Nach diesem Gesichtspunkt sind zuerst die Nahrungsmittel des Mineral- und Pflanzenreichs in nachstehender Eintheilung behandelt: 158 Zweiter Theil. Classe I. Nahrungsstoffe : * Gruppe 1. Mineralische: Wasser, Salze, Thier- und Pflanzenasche. Gruppe 2. Kespirationsmittel, Heilmittel: Stärke, Zucker, Fett, Säuren. Gruppe 3. Stickstoffhaltige, Nährende, Fleischhildner: Eiweis, Faserstoff, thierischer Käsestoff. Classe II. Ergänzende Nahrung (stickstofffreie Materien, die weder fleischhildend noch erwärmend zu wirken scheinen). Cellulose, Gummi, Gallerte. Classe III. Medicinische und Hilfs- Nahrung (an- und erregend wirkende). Gruppe 1. Erregend wirkende: Alcohol, flüchtige Oele, Gewürze. Gruppe 2. Narcotische: Thee und Kaffee, Tabak, Opium etc. Innerhalb dieser Classen werden sämmtliche dem genannten Terrain entspringenden Nahrungsmittel zur Anschauung gebracht. Die thierischen Nahrungsmittel sind vom naturgeschichtlichen Gesichtspunkt aus eingetheilt, jenachdem sie von Wirbelthieren kommen (Säugethiere, Vögel, Eeptilien, Fische) oder von wirbellosen Thieren (Insecten, Hummer, Krebse, Crabben etc.). Um nun einem gewissen Maasse von wichtigen Kenntnissen über die einzelnen Nahrungsmittel die grösstmöglichste Verbreitung unter den Beschauern des Museums zu geben, bedient man sich zweierlei Mittel : 1. eines Führers zu der Nahrungsmittel-Sammlung (a guide to thee Food Collection in ihe South Kensington - Museum hy Edw. Lan- hestevy Dr. med. London Preis 5 Sgr.), der in vortrefflicher Weise die allgemeinen Principien, den Plan und das Detail dieser Sammlung darlegt, bei jedem Gegenstand auf die allgemeine und specielle Wichtigkeit desselben hinweist, die Folgen andeutet, die aus schlechter Beschaffenheit desselben entstehen (z. B. die Cholera durch unreines Wasser) und endlich die chemischen Bestandtheile der einzelnen Nahrungsmittel angibt. Bei den wichtigsten Gegen- Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. 159 ständen, z. B. dem Wasser, ist die Eolle möglichst klar zum Yer- ständniss gebracht, welche dasselbe für den Aufbau und die Ernährung des Körpers sowie für die Ausscheidung verbrauchter Stoffe aus demselben bildet. Auch ist ein Wasser-Eilter für Arme {a Poor Man's Filter) ausgestellt, bestehend aus einem Blumentopf; man verstopft das Wasserloch desselben mit einem Schwamm und füllt ihn mit einer handhohen Schicht von klarer Holzkohle, Sand und Kies aus. 2. verschiedener Etiketten und Wandtafeln, auf denen bei jedem Gegenstand das Wesentlichste und Wissenswürdigste in derselben Weise wie oben sub 1 mitgetheilt ist. Man kann aus der Sammlung am Besten erfahren, wie sehr ein Land in Bezug auf seine Nahrung von andern Ländern und Zonen abhängig ist. Daraus geht wohl die Wichtigkeit des Um- standes hervor, dass man auch die bei andern Völkern als Nahrung verwendeten Gegenstände kennt. Deshalb sind vielfach derartige Stoffe ausgestellt; am vollkommensten werden jedoch in den Abthei- lungen No. 90, 91, 92, 131, 132, 133 die nationalen Eigenthümlich- keiten der chinesischen Nahrungsmittel zur Anschauung gebracht. Einen sehr wichtigen Dienst erweist das Nahrungsmittel-Museum dadurch dem öffentlichen Wohle, dass es die Fälschung der Nahrungs- mittel in einer besondern Abtheilung sehr übersichtlich veranschau- licht. Man hat dieselbe im Wesentlichen nach dem bekannten Werke von Dr. Hassal: „On the adulteration of food'' arrangirt, und erreicht damit zweierlei: 1. Man macht auf die Fälschungen aufmerksam und weist sie nach. 2. Indem man sie in einem öffentlichen Museum ausstellt, warnt man davor und arbeitet durch diesen Weg der Veröffentlichung am Besten der Fälschung entgegen. Um die Bedeutung der Ausstellung nach diesen beiden Dich- tungen zu bemessen, muss man wissen, dass es sich in dieser Industrie darum handelt, jedem Menschen, dem Armen wie dem Eeichen, die Grundlagen seiner Nahrung und damit seiner Existenz nicht blos zu verfälschen — nein, oft zu vergiften — und zwar ruhig und geheimnissvoll , ohne Eeclame, wie es das Wesen dieser 160 Zweiter Theil. Industrie mit sich bringt. Hassal und nach ihm Chevalier und Hure au haben nachgewiesen, dass fast alle Artikel, die als Speise, Trank oder Medicin benutzt werden, verfälscht sind. Milch, Mehl, Thee, Kaffee, Zucker, Mostrich, Wein etc. stellt man auf künstlichem Wege her und zwar aus Stoffen, bei deren Nennung sich Jedem die Haare sträuben. Mostrich z. B. wird fabricirt aus Essig, Schüttgelb und Cayennepfeffer, d. h. aus Gegenständen, die wiederum gefälscht sind, denn Essig besteht aus Wasser und Schwefelsäure, der Cayenne- Pfeffer aus rothem Bleioxyd, das Schüttgelb aus Lehmpulver. Das Non plus ultra dieser Industrie ist jedoch eine Art Londoner Chocolade, welche nach Hassal nach folgendem Eecept gemacht wird : 10 Proc. Ziegelmehl, 12 Proc. Ocker, 22 Proc. Eisen -Oxyd und 56 Proc. Mischung aus ranzigem Talg, Cacao und einem gewissen braunen, menschlichen Stoff horresco referens. Die Abtheilung betr. die Fälschung der Nahrungsmittel, stellt sämmtliche in dieser Dichtung verwendeten Stoffe aus und zwar nach den Quellen geordnet, denen sie entstammen: thierische, vege- tabilische und mineralische Substanzen. Es verlohnte sich der Mühe, in jeder grossen Stadt eine der- artige Sammlung aufzustellen. Mag diese Industrie bei uns noch nicht die Höhe erreicht haben, wie in London, mögen auch bei uns die Industriellen dieser Richtung noch von sich sagen können some certain dregs of conscience are yet within wir haben noch etwas Bodensatz von Gewissen in uns — es würde sich doch auch bei uns eine bedenkliche Masse von Gegenständen zusammenstellen lassen, die zur Verfälschung verwendet werden, so gemahlene Cigarren- kisten zu klarem Zimmt, Rappskuchen zu Mostrich etc. So lange die Strafgesetze noch nicht wirksam eingreifen, muss jeder in den Stand gesetzt werden, sein eigener Sicherheitsbeamter zu sein. Er wird es, wenn man die Fälschungsartikel Öffentlich ausstellt, ähnlich wie man die falschen Münzen öffentlich annagelt. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen! Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. Iß 1 5. Die Sammlungen von Modellen und Darstellungen patentirter Erfindungen. Buckle sagt in seiner Geschichte der Civilisation, der Cultur- zustand hänge von der Summe der anerkannten naturwissenschaft- lichen Wahrheiten ah, und Entdecker und Erfinder seien daher die grössten Wohlthäter der Menschheit. Arago hat durch seine Bio- graphien einen Cultus der grossen Erfinder und Entdecker geschaffen, der zur Nacheiferung anspornt. Fragt man, wer in der Hauptsache den philosophirenden Geist von den, so viele Jahrhunderte hindurch ihn beengenden Fesseln des Glaubens an die Unfehlbarkeit der Kirche und des Aristoteles befreit hat — es waren Kopernikus, Galilei und Keppler, die grossen Führer auf der Bahn der Naturforschung der neuen Zeit. Sie haben den wissenschaftlichen Geist aus dem Dunkel verjährter Irrthümer und Yorurtheile ans Licht geführt und zum Selbstvertrauen und Selbstdenken geleitet. Auf ihre Schultern stellte sich Baco mit seinem philosophischen System; er ver- warf die bisherigen Anschauungen über das Finis sdentiarum; er be- kämpfte die souveräne Verachtung, welche die classische Philosophie gegen diejenigen hegte, welche die Wissenschaft der Praxis wegen trieben, während sie blos dazu da sei, den Geist des Denkers zu abstracten ewigen Wahrheiten zu leiten, ihn unabhängig von aller Materie zu machen. Seneca hat in den Episteln von der Philosophie sehr schön gesagt: Non est instrumentorum ad usus necessarios ojpifex. Baco strich das Non in diesem Satze. Nach seiner Auffassung war der Zweck der Philosophie „commodis humanis inservird^ — oder wie er im Novum organon sagt: „dotare vitam humanam, novis inventis et copiisJ‘'‘ — Nach diesen Andeutungen ist es gewiss ein anerkennungswerthes Unternehmen der Engländer, durch Ausstellung von Modellen gleich- sam die Geschichte der englischen Erfindungen zur Anschauung bringen zu wollen. Nur ist dabei ihre Auffassung zu einseitig und ihr Gesichtskreis zu eng. Denn Erfindungen sind cosmopolitischer Natur, sie kennen keine Landesgrenzen, von denen man also bei solch einer Sammlung absehen musste. Andrerseits schliesst die Ausstellung •Schwabe, KuntJt-ludustrie. H 162 Zweiter Theil. eine grosse Anzahl wichtiger Erfindungen aus, indem sie sich vorhen*- schend auf solche beschränkt, die mit dem Maschinenwesen Zusammen- hängen. Sie enthält etwa 30 Modelle von Maschinen und Maschinen- Theilen für Locomotiven und Dampfer, gegen 12 Modelle von Spinn- und Web -Maschinen, verbesserte Dampfhämmer und Maschinen zur Bearbeitung der verschiedenen Metalle, Säge- und Stahlschneide- Maschinen, Cylinder-Druckmaschinen, Ventilations- und Telegraphen- Apparate u. s. w. Den etwa 100 Modellen schliessen sich noch eine Sammlung von Portraits berühmter Erfinder an. Erfindungen vollziehen sich im Ganzen nach Gesetzen, und ebendeshalb lässt sich oft Voraussagen, dass eine bestimmte Erfindung innerhalb einer gewissen Zeit gemacht werden wird oder muss. Als beispielsweise die Verbreitung der Baumwollen - Fabricate immer grössere Dimensionen annahm, hatte man factisch nicht genug Wie- senland zur Bleiche, und es erwuchs aus dieser Thatsache für alle denkenden und dabei interessirten Köpfe der kategorische Imperativ: erfindet oder entdeckt ein Mittel zur künstlichen Bleiche — welches denn auch der französische Chemiker Bertholet in dem Chlor her- gestellt hat. Engel hat in der Zeitschrift des königl. statistischen Bureau’s darauf hingewiesen, dass in jedem Haupt-Productions- und Consumtions- Zweige gebieterisch eine solche Erfindung gefordert worden ist, die gegenüber einer Massen - Consumtion eine Massen- Production repräsentirt. Was das Chlor in Betreff der Bleiche leistet, das leistet die Kartoffel in Bezug auf Ernährung, die Baumwolle in Betreff der Bekleidung, die Steinkohle in Betreff der Heizung und Beleuchtung, das Cokseisen in Betreff der Geräthe und Werk- zeuge, der Dampf in Betreff fehlender Arbeitskräfte für den Trans- port und alle möglichen Zweige der Arbeit, die Electricität in Betreff des räumlichen Verkehrs, der Typendruck in Betreff des geistigenVer- kehrs, die Banken in Betreff des Credits, das Versicherungs- Wesen in Betreff von Schutz des Eigenthums gegen alle mögliche Gefahr etc. Es Hesse sich nun eine synoptische Tabelle construiren, die in ihren secundären Colonnen als üeberschrift die verschiedenen mensch- lichen Bedürfnisse in materieller und geistiger Beziehung enthalten müsste und zwar für jedes Bedürfniss eine Colonne. Die erste, die Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. X63 primäre Spalte, dagegen müsste eine wissenschaftliche Classification der verschiedenen Erfindungen enthalten. Würde man diese Tabelle auf Grund einer Sammlung, welche im grossen Massstabe alle Er- findungen repräsentirt, oder einer Geschichte der Erfindungen aus- füllen, so würden dadurch auf einen Blick nicht nur alle Erfindungen sich ersehen lassen, die wirklich gemacht wurden, sondern zugleich auch diejenigen, welche noch zu machen sind, und man würde somit den Geist der Beschauer in sehr anregender Weise auf Gebiete lenken, über denen geschrieben steht: Noch viel Verdienst ist übrig! 6. Die Sammlung von Schiffs-Modellen. Die grosse Masse der zu dieser Sammlung gehörigen Modelle ist mit wenigen Ausnahmen Eigenthum der Admiralität und wurde im Sommer 1864 von dem Sommerset -House nach Süd - Kensington gebracht. Von Panzerschiffen finden sich nur wenige Modelle, da diese meist in dem Bureau des Controler of the Navy gebraucht werden und deren Ausstellung aus naheliegenden Gründen unzweck- mässig sein würde. Die Sammlung von Schiffs-Modellen der Admi- ralität besteht daher vorherrschend aus Schiffen, die mehr ein historisches als ein unmittelbares Interesse haben. Gerade als inter- essanter, greifbarer Bericht, wie sich die Wissenschaft der englischen Schiffsbaukunst geschichtlich von den Zeiten Heinrichs VII. (1512) bis auf die Gegenwart entwickelt hat, gibt dieser Sammlung ihren unschätzbaren Werth. Die gesammten Gegenstände zerfallen in 2 Theile, in die der Admiralität gehörigen und die von Privaten eingeschickten. Der erste Theil umfasst über 2000 Gegenstände und ist in 17 Classen getheilt. Ciasse 1. Abth. A. Ganze Modelle, welche die Schifte der königl. Flotte, vom Anfang derselben bis auf die heutige Zeit darstellen. Dieselben sind nach dem Datum ihrer Erbauung und nach Classen geordnet. 1 . Linienschiffe mit 3 Decks. Unter diesen befindet sich die bekannte „Victoria“, 100 Kanonen, 1765 vom Stapel gelassen, ir 164 Zweiter Theii. welche im Gefecht von Trafalgar Nelson’s Flaggenschiff war; am Bord derselben erliess er das bekannte Wort: „England erwartet, dass jeder Mann seine Pflicht thut.“ Das Original - Schiff liegt noch im Hafen von Portsmouth und dient als Flaggenschiff des Commander- in- Chief, zur Erinnerung an jenen denkwürdigen Tag. 2. Linienschiffe mit 2 Decks. 3. Fregatten, Jachts, schussfeste Schiffe. Unter den erstem beflndet sich der „Terror“, der 1845 mit der Expedition Franklin’s absegelte und bisher spurlos verschwunden ist. 4. Verschiedenes. Entwürfe zu verschiedenen Schiffs -Ver- besserungen, Eisenbooten etc. Abth. B. Halbe Modelle von Schiffen in derselben Ordnung wie in Abtheilung A. Abth. C. Schiffsbuge, arrangirt nach der Ordnung in Abth. A. Die andern Abtheilungen enthalten Modelle von Mittelstücken, Hintertheilen von Schiffen etc. Classe II. Modelle verschiedener Boote, wie sie in Grossbri- tannien für Kriegsschiffe gebraucht werden, zur Lebensrettung und anderen Zwecken, ebenso anderweite Rettungs-Materialien. Boote für Kriegs-Fahrzeuge. Kanonenboote mit Anker -Vorrich- tung. Boote und Flosse zum Landen und zur Ausschiffung von Truppen. Lebensretter, Bojen, Baken etc. Methoden der Herunter- lassung von Booten und der Befestigung derselben am Bord; ver- schiedene Boot-Utensilien. Classe III. Modelle von Fahrzeugen und Booten, die im Gefecht und zu andern Zwecken zu verschiedenen Zeiten in andern Ländern gebraucht worden sind. Classe IV. Modelle für Details der Bauart verschiedener Schiflfs- theile und die Haupt -Veränderungen, die zu verschiedenen Zeiten damit vorgenommen worden sind. Classe V. Modelle über die Art der Ausrüstung verschiedener Schiffstheile. Classe VI. Modelle verschiedener Geräthschaften , die am Bord gebraucht werden. Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. 165 Classe VII. Modelle verschiedener Gegenstände, die zur Aus- rüstung der Schiffe gehören. Classe VIII. Modelle von Steuer- Apparaten, ständigen und zeit- weiligen, mit Hintersteven, Ruderhaken etc. Classe IX. Modelle für die verschiedenen Arten der Fortbewe- gung von Schiffen. Diese Classe zeigt die verschiedenen Einrichtungen und Stellungen der Schaufelräder hei Rad - Dampfern , sowie der Schrauben bei Schrauben - Dampfern , endlich Modelle der sonstigen Vorschläge für die Bewegung der Schiffe, z. B. Räder, die vom Wind getrieben werden etc. Classe X. Maste und Takelwerk. Diese Classe zerfällt in 16 Unter -Ahtheilungen. Ahth. A zeigt Modelle des Mast- und Takelwerks von Schiffen aus den verschiedensten Perioden und zwar von 1514 — 1865. Ahth. B zeigt die Masten, Raaen, Topmasten, Querstangen, Bugsprite etc. nach der Eintheilung Symonds, und zwar hei Ein- und Zweideckern, hei Fregatten, Corvetten, Briggen, Packethooten etc. Ahth. C enthält Modelle von Masthlocken für die verschiedenen Arten von Schiffen. Ahth. D — K gibt für die einzelnen ’Arten von Masten die Art und Weise der Niederlassung, Aufrichtung, Haltbarmachung und Ausrüstung und zwar für die _niedern Masten, die Topmasten, Bugsprite, Spieren, Segelhäume etc. Ahth. L — 0 enthält Taue nebst Rollen, Ringen, Flaschenzügen etc., Taue aus Draht, Cacaonuss-Bast, aus chinesischem Bambus, Yucca (chines. Flachs). In Ahth. P finden sich Modelle Von Masten, welche in sehr sprechender Weise illustriren, welchen Grad von Beschädigung und Zersplitterung die Masten hei| Seegefechten zu ertragen vermögen. Namentlich sieht man den|Vormast der „Victoria “ (Nelson’s Flaggen- schiff), wie er nach der Schlacht von Trafalgar aussah, sodann die 166 Zweiter Theil. drei untern Maste der „Asia^‘ in ihrem Zustande nach der Schlacht von Ifavarin. Classe XI. Einrichtungen für das vom Stapellassen der Schiffe, das Aufwinden und Senken derselben, das Heben derselben bei fliegenden Docks etc. Classe XII. Modelle von Gebäuden, Seo- Magazinen etc. Classe XIII. Methoden und Compositionen zum Schutz der Schififs- Gefässe gegen die Wirkungen zerstörender Kräfte, namentlich des Seewassers nebst Proben von Zerstörungen und Schäden. Diese Classe enthält in 6 Ahtheilungen Proben von Firniss, Lack, Theer etc. zum Conserviren des Holzes, sie zeigt die Methoden der Kupferung und Galvanisirung etc., und ist namentlich interessant durch die Sammlung der verschiedenen Species von Seeschwamm, der Muschelthiere und Würmer, Korallen, Pflanzen etc., die durch Ansetzen an den Schiffsboden gefährlich werden und vielen Schaden thun. Eine Abtheilung dieser Classe enthält eine Eeihe von Kupfer- und Eisentheilen und Platten, an denen man die Abnutzung sehen kann; bei einzelnen Stücken ist das Gewicht zur Zeit des Anfangs und nach der Abnutzung angegeben, deren Differenz die Abnutzung selbst darstellt. Die 5. Abtheilung zeigt an etwa 20 Beispielen die zerstörende Wirkung des Salzwasser -Wurms (Teredo navalis) auf die verschiedenen Holzarten, die zum Schiffbau verwendet werden. Die 6. Abtheilung dieser Classe enthält eine Sammlung von 30 verschiedenen Schiffstheilen und Gegenständen vom „Royal George“, der im Jahre 1782 bei Spithead unterging und 1839 von Colonel Pasley gehoben wurde. Classe XIV. Maschinen und Geräthschaffcen. Classe XV, Schiffs-Figuren, Büsten, Schnitzereien etc. Classe XVI. Zeichnungen und Oelbilder, und zwar sowohl Bilder berühmter Schiffe als Portraits bekannter Persönlichkeiten auf dem Gebiete des Seewesens. Beschreibung und Charakteristik der Sammlungen in Kensington. Iß7 Der zweite Theil der Sammlung, welcher aus Privat -Quellen stammt, theilweis auch von der Königin ergänzt worden ist, enthält etwa 100 Gegenstände, namentlich Oelgemälde der berühmtesten englischen Dockyards zu Woolwich, Sheerness, Portsmouth, Blackwall ,etc., der schönsten englischen Schiffe, sowie einiger See - Gefechte, sodann Modelle von Schiffen der verschiedensten Art, z. B. eines Eishootes, wie sie im Golf von Finnland, den Canadischen Seen etc. gebraucht werden, eines Panzerschiffes etc. ' naifea-temg: sigr ^iorf} 'i-^t ' ,1« iwtew 21« ' «oJasimrffhod wf> üfciÄ^i.r-: ,, .O' Oft! w4o ,#0OSE*on,;.%OK ,)f:.iwiot)W HX ' '^o« ,^^1(f0S,:ti)P-.«58 •(r^j.ima ai.v;0^-.;^'0;W8 ;•■.■■..( ,)a',; ^,^ ',W, , ■' ''A'' ' ^ ,A' ' /rC^vi^r r- ;: ' ' • •'•' i :i u'M # f‘ m. Theil. Rückschau auf England und Umschau in Deutschland. .6 ' JU -- 0 ' - - ^ ;‘»f!T in W.fi{.:;f(#l iM - * H- -yrp-i' ftfifi'Pfli'ifiS i ■„ ■:;- ' ' '■ i I. Abschnitt. Der allgemeine Charakter und die leichte IJebertrag- harkeit des englischen Systems und seiner Mittel, Es ist oben nachgewiesen worden, wie die Engländer nach 14jährigen Erfahrungen zu der Ueberzeugung kamen, dass es bei Förderung der Kunstindustrie auf dreierlei ankomme: die Elemente der Zeichenkunst zu einem Bestandtheile der nationalen Erziehung zu machen; tüchtige Lehrer für die Kunstindustrie auszubilden und Kunstschulen zu errichten, wo dieselben wirken können; endlich den Schönheitssinn im grossen Publicum durch öffentliche Museen für die industrielle Kunst zu bilden. Es lässt sich ausser den genannten kein Punkt denken, auf den bei der Förderung der Kunstindustrie noch hinzuarbeiten wäre. Das englische System bietet Alles, deshalb für Jeden Etwas, und in diesem allgemeinen Charakter be- ruht seine Bedeutung. Ist es auch für uns von geringerem Werth in Betreff der Auf- gabe, die Elemente der Zeichen-Kunst zu einem Bestandtheile der nationalen Erziehung zu machen, so gewinnt es auf der andern Seite um so mehr an Bedeutung für die Frage der Greschmacks- bildung durch ein Centralinstitut für die industrielle Kunst. Beinahe jeder, selbst der kleinste deutsche Staat besitzt Museen und Grallerien, Academien und Schulen für bildende Kunst und Ma- lerei. Für die Bildung industrieller Künstler dagegen ist beinahe gar nicht oder nur in sehr geringem Maasse gesorgt. Die industrielle Kunst bedarf aber ungleich mehr der Leitung und Unterstützung, als die höhere Kunst, weil ihr die Verhältnisse nicht jene ruhige Entwickelung gestatten, welche andere Künste genommen haben. 172 Dritter Theil. Man werfe einen Blick auf die Malerei. Man vergegenwärtige sich jene Würde, jene steife Feierlichkeit in Stellungen und Geherden, jene übertrieben langen Verhältnisse der Figuren auf byzantinischem Goldgrund, durch welche die Denkmale aus den ältesten Zeiten der Ausübung christlicher Malerei sich charakterisiren. Wie lange dau- erte es, ehe der Florentiner Giotto di Bondone durch glückliche Beobachtung der Geberden als Ausdruck geistiger Eegungen, seinen Bildern eine bisher nicht gekannte Lebendigkeit aufprägte; bis van Eyck die Luft- und Linienperspective zur Geltung brachte; ehe den kirchlichen Gegenständen weltliche, namentlich aus dem Kreise der Allegorie, der Mythologie und der Geschichte zur Seite traten; ehe Eafael Sanzio das Vorwalten der alten steifen sym- metrischen Anordnung durch eine freie geistreiche Composition über- wand; ehe die Landschafts- und Genre-Malerei ausgebildet wurde u. s. w. Man vergleiche mit der Stetigkeit dieser Entwickelung das Ge- baren der industriellen Kunst. Die Triebfedern des Gewinns stehen immer hinter ihr und treiben sie in Sprüngen vorwärts. Die Masse der neuen Erfindungen drängt sie von einem Extrem in das andere. Heute macht die Photographie einen Fortschritt, welcher eine bil- lige XJebertragung von Bildern ermöglicht, so wird Alles mit Photo- graphien übersäet, sogar die Oblaten; morgen wird eine neue Ma- schine erfunden, welche billige Stahlknöpfe liefert, so werden überall Stahlknöpfe angebracht: an den Bilderrahmen, an dem Tafelwerk der Zimmer, an den Damengürteln und Taschen u. s. w. Weiter wird an einer Maschine zur Kunststepperei eine wesentliche Verbesserung ge- macht, so wird Alles mit Kunststeppereien, nicht versehen, nein überladen, von dem feinen Battisthemd bis herab zu den Lack- stiefeln. Man erschrickt^ förmlich, wenn man das^Wesen der industriellen Kunst^genauer betrachtet. Wo findet man bei ihr 'ein Ideal? Nur vom Bedürfniss und der Willkür scheint sie ihre Vorschriften zu empfangen; der beurtheilende^ Geschmack ist beilihr der Gesetzgeber des hervorbringenden Geschmacks. Alle diese Dinge, die in der Natur der Verhältnisse liegen, Charakter und Uebertragbarkeit des englischen Systems. 173 welche eben die industrielle Kunst mit der Realität des Lebens und ihren unlautern Triebfedern in enge Beziehung bringen, drängen ernstlich darauf hin, ihr gleichsam einen Tempel zu errichten, dessen Vorhof mit den Grundsätzen der Aesthetik getäfelt ist. Ein solcher würde läuternd wirken und die industrielle Kunst von vielen Schlacken reinigen, die ihr jetzt noch in so hohem Maasse anhängen. Es ist bekannt, dass in jedem Staate die Beschaffenheit des Geschmacks in der Industrie wesentlich von einem an die Spitze gestellten In- stitute abhängt, welches demselben immer eine gewisse Richtung geben, ihn bilden und veredeln wird. Dass dieses in hohem Grade nöthig ist, beweist die Thatsache, dass gerade augenblicklich der Geschmack auf sehr schlechtem Wege ist. Beinahe in allen Rich- tungen, in denen er auf dem Gebiete der Industrie zur Erscheinung kommt, charakterisirt er sich durch ein Vorherrschen greller Farben, das von einer Geschmacksbarbarei Zeugniss ablegt, wie man sie kaum einem wilden Indianerstamme verzeihen würde. Auch haben die Weltausstellungen bewiesen, dass gewisse orientalische Völker, namentlich die Inder, Perser und Türken, durch ihre gewebten Stoffe den Schönheitssinn mehr befriedigen, als die europäischen Fabrikan- ten — und es treten dem aufmerksamen Beschauer auf dem grossen Gebiete der Industrie tagtäglich Geschmacksverirrungen entgegen, auf die wir noch zurückkommen werden. Eine Autorität, welche gewiss überall als solche anerkannt wird, W. Lübke, sagt darüber: „Es ist nachgerade zur stehenden Redensart geworden, die grossartige Industriethätigkeit unserer Zeit hervorzuheben. In der That ist diese Seite des menschlichen Schaffens eben diejenige, in welcher die Gegenwart am ersten den Vergleich mit vergangenen Epochen aushalten kann. Mit der rapiden Entwickelung der Natur- wissenschaften , mit der täglich wachsenden Erkenntniss der Stoff- welt und der Mittel zu ihrer Bewältigung, hat die industrielle Pro- duction ihre Basis in’s Unglaubliche erweitert, und Hilfsmittel ge- wonnen, die den frühem Zeiten verschlossen waren. Während jedoch die heutige Industrie durch ihre Verschwiste- rung mit der Wissenschaft sich nach einer Seite hin zu einem 174 Dritter Theil. seltenen Höhepunkte heraufgearheitet hat, ist sie in anderer Hin- sicht durch Vernachlässigung der Kunst, weit hinter den Leistungen früherer classischer Epochen zurückgehliehen. Man hat nicht erst nöthig, diese Thatsache zu beweisen, sie liegt klar vor Aller Augen da. Jede Industrie- Ausstellung hat überreichliche Belege dazu ge- boten. Jeder Gang durch die Strassen zu den Schaufenstern der Industrie wiederholt im Kleinen und Einzelnen, was die Ausstellungen im Grossen und Gesammten zeigen: eine Zerfahrenheit des Kunst- sinnes, ein Fehlgreifen in Formen, Details nnd Ornamenten, ein Ungeschick in der Combination, eine Mischung widerstrebender Styl- gattungen, mit einem Worte, ein Gesammtgepräge, das man nur als barbarisch bezeichnen kann. Wo dagegen dennoch Gutes und Schönes erzeugt worden ist, da wird man finden, dass dies auf Grundlage tüchtiger Vorbilder vergangener classischer Epochen er- reicht wurde. Ein Fingerzeig, der auf den einzig richtigen Weg hinweist, auf das Aufstellen guter Vorbilder aus den schönsten Erzeugnissen früherer Epochen, auf Errichtung von Kunstinstituten, die den geistigen Forderungen von heute ent- sprechen.” Das Kensington - Museum ist in jeder Beziehung das Muster eines solchen Centralbildungsinstituts für die Kunstindustrie, würdig, dass man ihm nachstrebe in jeder Eichtung: von der Organisation der Kunstsammlungen bis zur Einrichtung practischer Cataloge. Unter der reichen Auswahl von Mitteln, welche die Engländer zur Förderung der Kunstindustrie in Anwendung gebracht haben, sind sehr viele, ganz unabhängig von einer bestimmten Behörde, überall in’s Werk zu setzen. Namentlich verdienen folgende einer besondern Beachtung: 1. die Vorlesungen über practische Aesthetik und Kunstgeschichte. Es ist unbedingt nothwendig, dass die In- dustriellen in Vorträgen, mit Zugrundelegung von Musterwerken der Kunstindustrie, die Grundsätze der practischen Aesthetik und die wichtigsten Eesultate der Kunstgeschichte lernen. Zwar existiren darüber vortreffliche Werke, aber den Industriellen, namentlich den Arbeitern gestatten meist die Verhältnisse nicht, sich auf dem Wege Charakter und Uebertragbarkeit des englischen Systems. 175 des Selbststudiums auszubilden. Gerade die Grundsätze der Aes- thetik sind es, die der Industrie fehlen; eben ein Zeichen von Ge- schmacklosigkeit ist es, zu wähnen, dass nur bei den sogenannten schönen Künsten Geschmack und ästhetische Bildung nothwendig sei. Portici und Pompeji beweisen, dass die Alten Geschmack in Allem übten; im kleinsten Hausgeräth ist er sichtbar. Staunen wir nicht noch heute an, was die gewöhnlichen pompejanischen Stubenmaler geleistet? Jemehr aber gerade den Deutschen nationale Anlagen auf dem Gebiete des Geschmacks fehlen, jemehr uns jenes Feuer gebricht, welches die Strahlen der südlichen Sonne der Phantasie einzu- hauchen pflegen: desto mehr muss man durch Kunst und Aesthetik das Fehlende ersetzen. Leider sind aber die einfachsten und wich- tigsten Lehren der practischen Aesthetik der Industrie noch fremd; so die über das Verhältniss von Stoff und Form, von Stoff und Farbe, von Zweck und Verzierung, von Grundform und Ornament u. s. w. Man nehme, um für das Verhältniss von Stoff und Form ein Beispiel anzuführen, das Glas. Der Jurybericht über Glaswaaren auf der 1. Londoner Ausstellung (irre ich nicht, erstattet von Lord de Mauley) stellte den Grundsatz an die Spitze: die beiden hervor- stechendsten Eigenschaften des Glases sind Durchsichtigkeit und Zer- brechlichkeit. Es werden demnach alle diejenigen Glaswaaren gegen die Gesetze der Aesthetik verstossen, welche diesen beiden Eigen- schaften des Stoffes keine Eechnung tragen. Der Satz ist richtig. Aber man überzeuge sich einmal durch einen Blick auf ein Glas- waarenlager, wie sehr die Industrie gegen dieses Gesetz verstösst. Sehr modern sind jetzt Weingläser, bei denen der Stiel nicht stärker ist, als die Quecksilbersäule in einem Barometer; sehr ver- breitet sind mattgeschliffene Gefässe aller Art, in denen goldiger Rheinwein und Mandelmilch ganz dieselbe Farbe haben. Bei dem Verhältniss von Zweck und Verzierung denke man an die Luxusarbeiten für das Bodenbildende, also ParketfussbÖden, Teppiche, Wachstuche etc. All’ diese Dinge sind im Grunde nichts Anderes, als mehr oder weniger luxuriöser Fussboden. Dieser muss 176 Dritter Theil. aber vor Allem eben sein. Daraus folgt, dass alle Ornamente des- selben flach gehalten, Eeliefdarstellungen ganz ausgeschlossen wer- den müssen. Nun betrachte man, gegenüber diesem Grundsatz, die Familien von Hunden und Katzen, von Löwen und Tigern, von Rehen und Hirschen etc., die unsere Teppiche bevölkern, man betrachte die stereometrischen Figuren auf den Wachstuchen und sehe zu, ob nicht 75 Procent dieser Arbeiten, so vortrefflich sie an sich sein mögen, als unästhetisch zu verwerfen sind. Ich will hier abbrechen, um nicht ins Unendliche zu gerathen, denn hier heisst es in derThat: Difficile est satyram non scribere. 2. Yeranstaltung von Ausstellungen geliehener Kunst- gegenstände. Ich habe oben S. 82 ff. nachgewiesen, welche Re- sultate in England durch derartige Ausstellungen erzielt worden sind. Ueberall, namentlich in jeder grösseren Stadt ist dafür reiches Material vorhanden, es kömmt nur darauf an, dasselbe zusammen zu bringen, und in einem geeigneten Locale auszustellen. Nament- lich sollte man da mit Veranstaltung solcher Ausstellungen ver- gehen, wo Museen für industrielle Kunst entweder gar nicht existiren oder erst gebildet werden. Sie erregen die Aufmerksamkeit und das Interesse für ältere Werke der Kunstindustrie und bringen Dinge zu Tage, die bisher, oft unbeachtet, im Verborgenen lagen. 3. Bereits oben bei der Geschichte des Kensington- Museums (S. 93) ist auf die Wichtigkeit des Umstandes aufmerksam gemacht worden, dass industrielle Museen auch den Abend geöffnet werden. Ebenso stellte sich bei der Statistik der Resultate des Wander- museums heraus, wie ungleich stärker dasselbe überall des Abends im -Vergleich zu der längern Ausstellungszeit am Tage besucht wurde (cf. S. 75). Die durch so lange Erfahrungen in England bewährte Massregel sollte mehr Verbreitung finden, weil sie erst die ausgedehnteste Benutzung industrieller Museen von Seiten der Arbeiter ermöglicht. 4. Sehr fruchtbringend endlich kann das von den Engländern eingeleitete Verfahren des internationalen Austausches von Copien seltener Kunstwerke wirken. Wenn man bedenkt, welche Kunst- schätze in den einzelnen deutschen Städten, namentlich Berlin, Charakter und Uebertragbarkelt des englischen Systems. 177 Köln, Dresden, Münclien, Nürnberg, Wien, Prag, Weimar etc. vor- handen sind, so würde diese Maassregel in ungemein weitgreifender Bedeutung nutzbar gemacht werden, wenn innerhalb der wichtigsten Städte ein solches Anstauschverfahren organisirt würde. 5. Inwieweit die wissenschaftlichen Sammlungen, welche die Engländer in ihr Centralinstitut mit aufgenommen haben, auch der Kunst dienen und an sich von grossem Nutzen sind, ist oben S. 126 angedeutet worden, und so bedarf es denn, glaube ich, keiner Worte mehr, um einzelne Bausteine des englischen Systems, mit ihrem gleichsam kosmopolitischen Charakter, als vortrefflich und wirksam hervorzuheben. Der aufmerksame Leser wird bald die bedeutenden Eigenschaften herausfinden, welche dem System eigen- thümlich sind: jene ursprüngliche nationale Kraft und Nachhaltig- keit, ein bedeutendes Organisationstalent, jene kurze und bündige Art der Engländer, mit der sie auf den Kern der Sache ohne Um- schweife losgehen, ein Formuliren des Zieles mit solcher Klarheit, dass es dem Verständniss aller Schichten des Volks zugänglich ist, jene originelle Art, alle Betheiligten, indem man sie an dem Sti- mulus der Interessen fasst, dem Ziele zuzutreiben, endlich das Stre- ben, die Sache zu einer nationalen zu machen, mittelst jener mäch- tigen, Alles erwärmenden Agitation, mit der die Engländer Alles erreichen, was auf dem Gebiete des politischen, socialen oder in- dustriellen Lebens ihnen bedeutsam erscheint. Schrrabo, Kuast- Induatrio, 12 II. Abschnitt. Die Eesultate des englischen Systems nach demDitheil von Michel CheTalier, Mörimöe, Tresca, de Beaumont und Andern. Ausnahmslos ist von allen Autoritäten anerkannt worden, dass die Engländer auf der Ausstellung von 1862 gegenüber der von 1851 sehr bedeutsame Fortschritte gemacht hatten, die nur ihrer Förderung der Kunst - Industrie zuzuschreiben sind. Michel Chevalier sagt in seiner Einleitung zu den amtlichen Berichten über die letzte Londoner Ausstellung : „Der Fortschritt ist vor Allem bei den Engländern bemerldich. Alle Welt erstaunt über die von den Letzteren seit 1851 gemachten Fortschritte in der Zeichnung und in der Farben -Yertheilung bei den Stoffen, wie in der getriebenen Arbeit und Schnitzerei bei den Möbeln. Bisher v/aren sie, ehrlich gesagt, mehr wegen ihres schlechten Geschmacks berühmt, sie haben aber begriffen, dass es sich um eine Sache der Erziehung handelt. Sie haben deshalb mit grosser Ein- sicht und mit der ihnen eigenen Ausdauer den Unterricht in den schönen Künsten, behufs Förderung ihrer Industrie, eingeführt. Von allen Seiten ist man dabei thätig gewesen: der Staat durch die Behörde, welche den Namen Departmeyit of Science and Art führt, die unmittelbar betheiligten Oertlichkeiten durch jährliche Bewilligung von Geldmitteln, Vereine und Privat - Personen durch Unterzeich- nungen. Das Flaupt-Kesultat dieser vereinten Anstrengungen ist das Süd-Kensington-Museum, eine Anstalt, wo eine grosse Anzahl junger Leute beiderlei Geschlechts mittels guter Modelle in der Kunst der Die Resultate des englischen Systems. 179 Zeichnung ansgehildet werden, gleichzeitig gute Lehrvorträge und in glücklicher Auswahl vorhandene Sammlungen sie, falls sie es wollen, mit den angewandten Wissenschaften vertraut machen. Dies Institut zählt zahlreiche Zweig - Anstalten in den Provinzen. Ohne auf das Detail dieser Organisation einzugehen, beschränke ich mich auf die Bemerkung, dass sie trefflich entworfen ist, und unter der einsichtsvollen Leitung Henry Cole’s in bewunderungswürdiger Weise wirkt.“ Das nämliche Ilrtheil*) wird wiederholt ausgesprochen und mit nähern Ausführungen belegt in den Special-Berichten über die ein- zelnen Classen der Ausstellung, von CharlesEobert und Tresca bei zwei Sectionen der das Schulwesen betreffenden Classe, von Merimee und du Somerard bei den Möbeln und Decorations- Gegenständen , von Badin bei den Teppichen, von Lan bei den Metallwaaren. Sehr scharf sind die Gebrechen der Ecole des heaux- arts in Paris von Merimee im Vergleich zu der Kensington - Schule beleuchtet. Namentlich hat auch de Beaumont**) bei Gelegenlieit der französischen Kunst- und Kunst-Gewerbe- Ausstellung vom Jahr 1863 diese Verhältnisse in folgender Weise besprochen: „Bis vor wenigen Jahren zweifelte Niemand an Frankreichs Superiorität in der indu- striellen Kunst. Das vergangene Jahr aber enthüllte eine merk- würdige Thatsache: das französische Kunst-Gewerbe hat auf der Londoner Ausstellung einen Rivalen, einen unerwarteten Wettkämpfer, beinahe seinen Meister gefunden, und zwar im Kunstgewerbe Eng- lands. Wie erklärt sich dieser plötzliche Triumph unserer Nachbarn? Wer die enge Verbindung der Kunst mit der französischen Industrie zu beurtheilen weiss , stellt sich solche Fragen nicht ohne gegrün- dete Beunruhigung. Wir leben in einer Zeit, wo die Rangstufen leicht wechseln, wo nicht nur der Einzelne, sondern auch ein Volk doppelten Kraftaufwand nöthig hat, um eine errungene Stellung zu *) Cf, eine Zusammenstellung der verschiedenen Urtheile in „Tndustiüe und Schule. Mittheilungen aus England von A. Tylor. Deutsch von Dr. B. V. Gugler.'^ ) Cltirt l)ei (lUgler. 12 180 Dritter Theil. beliaupten. England, naclidem ihm die Ausstellung von 1851 seine Schwäche auf dem Gebiete der Kunst - Industrie zum Bewusstsein gebracht hatte, ist mit wenig Ostentation, aber mit um so mehr Logik vorgegangen; es hat den Unterricht in der Kunst und ihrer Anwen- dung auf die Industrie in breitester Ausdehnung entwickelt. Ein edler Geist, Prinz Albert, gab den Anstoss und nach 10 Jahren war die Lage der Dinge fast durchaus verändert.“ Nach solchen ürtheilen, nach so laut redenden Thatsachen bedarf das englische System keiner besondern Empfehlung mehr, und es rechtfertigt sich damit von selbst der Versuch, dasselbe behufs Unter- stützung der deutschen Bestrebungen zur Förderung der Kunst- Industrie in seinen Hauptzügen zu charakterisiren. III. Abschnitt. Die deutschen Bestrebungen auf dem Gebiete der Kunst -Industrie, Wenn man von dem Gesichtspunkt ausgelit, hier hlos derjenigen . deutschen Bestrebungen zu gedenken, welche einen, das gewöhnliche Maass üherschreiteiiden künstlerischen Unterricht auf Grund von Museen und Muster-Sammlungen im Auge haben, so kann man cille jene Schulen und Unterrichts- Anstalten ausser Betracht lassen, welche im Wesentlichen, hier mehr, dort weniger, den Zweck haben, die in der Volksschule gewonnenen Kenntnisse zu ergänzen und etwas fort- zubilden. Ich meine hier namentlich die Handwerker-Fortbildungs- Schulen in Preussen, die Fortbildungs - Schulen in Sachsen, die Sonntags-Schulen der verschiedenen Staaten und Städte u. s. w. Im Allgemeinen kranken diese Anstalten gegenüber den Anforderungen der heutigen Industrie alle an denselben Missständen: beschränkter Umfang und dabei leider noch Unregelmässigkeit des Besuchs, Mangel an geeigneten Lehrkräften, an aufsteigenden Classen und gewöhnlich an Fonds. „Die sogen. Fortbildungs - Schulen“, sagt Fröhlich in seiner „Volksschule der Zukunft“, „erfüllen meist ihren Zweck nicht, sie schleppen sich hin wie die Wochenkirchen, können weder leben noch sterben.“ Es kann keine Kede davon sein, dass bei uns die Pflege der Kunst -Industrie irgendwo so vollständig organisirt sei, wie in England. Doch ist man beinahe überall, besonders in neuester Zeit, in dieser Kichtung sehr thätig gewesen. An erster Stelle ist Süd- Deutschland zu nennen, namentlich Bayern, Würtemberg und Baden, 182 Dritter Theil. WO man theils schon früher, theils gleichzeitig mit England auf eine möglichste Verbreitung des artistischen Unterrichts hinwirkte, auch einzelne Theile des englischen Systems mit grossem Erfolg ange- wandt hat. In Nürnberg hat man: 1. die jährlichen Prüf un ge n mit Ertheilung von Zeugnissen und Prämien eingeführt, welche namentlich nach Wegfall der zünf- tigen Lehrlings-, Gesellen- und Meister-Prüfungen regsamen Gewerbe- treibenden Gelegenheit geben, Beweise ihres Strebens zu erbringen, die ihnen dann zur Empfehlung dienen. 2. Man hat öffentliche Vorträge für das Publicum*), im Winter-Halbjahr wöchentlich, im Sommer - Halbjahr monatlich, ein- geführt. 3. Man hat ein Kunst- und Gewerbe - Museum errichtet, bestehend aus einer Abtheilung für Kunst und einer Abtheilung für Gewerbe. In letzterer befindet sich unter Andern auch eine Samm- lung von Nahrungsmitteln. Mit diesem Museum steht erstlich eine temporäre Ausstellung besonders gelungener Kunst- und Ge- werbs-Erzeugnisse in Verbindung, sodann die Kunst-Gewerbeschule**), seit 1853 unter der trefflichen Leitung Krelings. Hie neueren Leistungen derselben haben auf den Ausstellungen in München, sowie überhaupt, bereits weit über Bayerns Grenzen hinaus allge- meines Aufsehen erregt. Die Kunst -Gewerbeschule hat den Zweck, eine Verbindung zwischen Kunst und Gewerbe zu vermitteln, wie sie im Mittelalter und in der Eenaissance-Periode bestand. Sie zerfällt in 2 Abthei- lungen; in der untern wird das Zeichnen und Modelliren nach der *) cf. „Die Anstalten zur Förderung der Gewerbetreibenden und des Gewerbe- Betriebes in Deutschland von E. J. Noeggerath. Leipzig 1865.^^ Sodann Jahrgang 1865 und 1866 „der deutschen Gemeinde - Zeitung"' welche dieser Frage vielfach sehr eingehende Artikel gewidmet und alle .wichtigen Vorgänge auf diesem Gebiete mitgetheilt hat. cf. Die Kunstgewerbe- Schule in Nürnberg. Eine Säcularschrift von Dr. J, Ph. Göschel, Lehrer der Anatomie an der Nürnberger Kunstgewerbe- Schule. Nürnberg 1862. 4”. Die deutschen Bestrebungen auf dem Gebiete d. Kunst-Industrie. |33 Antike und nach mittelalterlichen Modellen bis zur gründlichsten Durchführung geübt; in der ohern ist das Zeichnen, Modelliren und Malen nach lebenden Modellen der Hauptgegenstand des Unterrichts. Das Princip der Lehr-Methode besteht darin, „nach Modellen zu zeichnen und nach Zeichnungen zu modelliren.“ Copiren findet demnach gar nicht statt. Dies Princip hat sich in einer so auffallenden und allgemein anerkannten Weise bewährt, dass es seine Durchführung selbst in den Elementar-Classen gefunden hat. Die Lehr-Gegenstände zerfallen in 2 Gruppen: A. Haupt-Lehrgegenstände, Abtheilung 1. 1. Zeichnen nach Modellen. Für das Elementar -Zeichnen und solche Zöglinge, die keine Fähigkeiten zu einer künstlerischen Aus- bildung zeigen und sich den technischen oder gewerblichen Fächern widmen, besteht eine förmlich organisirte Schule für ornamentales Zeichnen und Modelliren nach Werk -Zeichnungen. Das eigentlich künstlerische Studium beginnt mit dem Zeichnen nach der Antike. Die Schule besitzt zu diesem Zwecke eine reiche Sammlung von figürlichen Gyps- Abgüssen, Statuen, Büsten, Eeliefs u. s. w. Das Zeichnen nach der Antike ist neuerdings seit der Eröffnung des Antikensaals und dreier kleineren Hebeiisäle bedeutend nach der künstlerischen Eichtung hin erweitert, und für die gewerbliche Eichtung ist sowohl in der Ornamentik als in der Architectur ein Cursus für ornamentale und architectonische Werk-Zeichnungen ein- geführt worden. 2. Modelliren nach Zeichnungen. Abtheilung 2. 1. Unterricht im Malen, Zeichnen und Modelliren nach dem Leben, für Künstler. 2. Uebungen im Componiren, Erfinden und in der Ausführung figürlicher wie ornamentaler Gegenstände; Unterricht im Bossiren und in der Bildhauerkunst, sowie in der Holzschnitzerei. In der Bildhauerei ist in der künstlerischen Eichtung das figürliche 184 Dritter Theil. Fach ebenfalls durch Austeilung eines eigenen Lehrers erweitert worden. 3. Verfertigung wirklicher Kunst- und Gewerbe- Gegenstände. Derselben geht ein Cursus für Werk-Zeichnungen voraus, der, eben- falls mit einem besondern Lehrer, neuerdings erweitert worden ist. Bei diesem Unterricht wird besonders alle Aufmerksamkeit auf die Bestimmung des Materials eines auszuführenden Gegenstandes, ob dieser in tlolz, Eisen oder Guss projectirt ist, gerichtet, und muss sich dies im Modelle charakterisiren. Zur vollständigen Herstellung dieser Gegenstände für gewerb- liche Zv/ecke ist eine eigne Modell-Schreinerei mit einem angestellten Vorarbeiter eingerichtet. Sodann erhielt die Schule mit der Anstellung eines Lehrers eine vollständige Erz-Giesserei mit Flammen-Ofen und den nöthigen Vorrichtungen zum Tiegel guss, in der zugleich Unter- richt im Formen für Bronceguss und Ciselirer ertheilt wird. Schliesslich ist zur Herstellung und Vervielfältigung der in der Schule angefertigten Modelle eine Gyps - Giesserei eingerichtet und mit amtlicher Anstellung eines Gypsgiessers die Erweiterung der Modell-Sammlung durch gute, aus der Schule hervorgegangene Ar- beiten in ausgedehntester Weise angebahnt worden. Die errichteten Werkstätten für künstlerische sowohl wie für gewerbliche Zweclve geben den in ihrer Ausbildung vorgeschrittenen Zöglingen Gelegenheit, sich an der Ausführung von Gegenständen, womit die Anstalt beauftragt wurde, zu betheiligen oder nach eigenen Entwürfen künstlerische Werke auszuführen. So ist fortwährend eine Anzahl Scliüler in der Malclasse und im Zeichensaal beschäftigt, um z. B. Cartons zu Glas-Malereien, Altar-Gemälden etc. auszuführen, während in der gewerblichen Abtheilung Viele mit Herstellung der Holzschnitz-Arbeiten für Altäre, Kanzeln, Möbels u. s. w. beschäf- tigt sind. In der Erzgiesserei werden alle in der Schule gefertigten Mo- delle, die für Bronceguss berechnet sind, wie Brunnen, Statuetten, Büsten etc. gegossen und ciselirt. Der dazu erbaute Flammen-Ofen macht einen Guss von 12 — 14 Ctr. möglich. Die deutschen Bestrebungen auf dem Gebiete d Kunst-Industrie, J35 B. Hilfs-Lehrfächer. 1. Perspective mit Schatten-Construction, wöchentlich 2 Stunden. 2. Anatomie, wöchentlich 2 Stunden. Daneben ist die Anstellung eines Professors zur Haltung von Vorträgen über Kunst-Geschichte und gewerbliche Gegenstände, und endlich die Errichtung künstlerischer Meisterschulen in Aussicht genommen. Bei allen Lehr-Gegenständen werden die königliche Sammlung, die städtischen Sammlungen und die für die Schule besonders an- geschalften Gegenstände je nach den individuellen Bedürfnissen benutzt. — In Karlsruhe hat man die sogen. Landes-Gewerhehalle seit Mai 1865 eröifnet, mit Bibliothek, Museum und Ausstellung gewerblicher Erzeugnisse inländischer Industrie. Auf Verlangen und unter bestimmten Bedingungen bringt dieselbe ihre Sammlungen auch an andern Orten zur Ausstellung. In Würtemberg hat die Centralstelle für Gewerbe und Handel unter der anerkannt tüchtigen Leitung des Directors v. Steinbeis die gewerbliche Thätigkeit des Landes nach allen Richtungen und in jeder Beziehung zu fördern; für die Zwecke der Kunst -Industrie finden sich im Gebäude der Ceiitralstelle 1. eine Zeichen- und Modellir - Schule mit Central -Depot von Zeichnungs- Werken und Gyps-Modellen; aus ersteren ist eine Wan- der-Bibliothek gebildet worden, die in allen Schulen des Landes circulirt. 2. eine Web er- Lehrerschule, welche den Zweck hat, Lehrer ür die zahlreichen Webeschulen des Landes heranzubilden; besonders Befähigte erhalten Unterricht im Englischen und Französischen und später Reise -Stipendien, um die Methoden des Auslandes kennen zu lernen. 3. eine Bibliothek mit Lesezimmer. 4. ein Saal zu öffentlichen Vorlesungen. 5. ein technisches Musterlager für alle wichtigen Zweige der Industrie, namentlich auch der Kunst - Industrie. Damit ist die 186 Dritter Theil. Einrichtung verbunden, geeignete Gegenstände des Musterlagers nach den entferntesten Theilen des Landes an die Gewerbe -Vereine zu versenden, um dort in den Vereins -Sitzungen ausgestellt und be- sprochen zu werden. 6. Um von Zeit zu Zeit einen Ueberblick über die gewerblichen Fortschritte des Landes zu erhalten und zu gewähren, hat die Central- stelle periodisch sich wiederholende Fortschritts- Ausstellungen ins Leben gerufen. Die genannten 3 Anstalten : das Gewerbe-Museum in Nürnberg, die Landes - Gewerbehalle in Karlsruhe und das Musterlager in Stuttgart haben, um dem Bekanntwerden der industriellen Fort- schritte des In- und Auslandes Vorschub zu leisten und die Vortheile industrieller Museen und Muster-Sammlungen durch Vereinigung der Kräfte zu steigern, ein Uebereinkommen nach folgenden Kichtungen abgeschlossen : a. Ausstellung der Museen und Sammlungen der 3 Anstalten zusammen, in jeder einzelnen Anstalt nach einem vorgeschriebenen Turnus. b. Wechselseitige Benutzung und Ausstellung der Muster-Samm- lungen unbeschadet der heimischen Verpflichtungen. c. Gegenseitige Unterstützung und Förderung der Anstalten unter einander durch Mittheilung guter Bezugsquellen, Austausch von Doubletten und Copien u. s. w. Nächstdem sind die Bestrebungen in Oesterreich zu erwähnen. Daselbst ist am 21. Mai 1864 das „k. k. österreichische Museum für Kunst und Industrie“ in Wien eröffnet worden. Nach Inhalt des Kundschreibens der Handels- und Gewerbekammer besteht der Zweck dieser Anstalt darin, den vaterländischen Indu- striellen die Benutzung jener Hilfsmittel zu erleichtern, welche Kunst und Wissenschaft für Förderung der gewerblichen Thätigkeit in so reichem Maasse bieten, und viele Fabricanten und Arbeiter dadurch auch bezüglich der Formgebung zur Concurrenz mit Frankreich und England zu befähigen. Für den Industriellen liegt der Werth des Museums in dem Reichthume geschmackvoll gearbeiteter Erzeugnisse der Kunst und der Kunst-Industrie, an welchen sich sein Schönheits- Die deutschen Bestrebungen auf dem Gebiete d, Kunst-Industrie. 187 gefühl stärken und kräftigen und von denen er Motive und Anre- gungen für seine eigne schöpferische Kraft gewinnen kann. Fast alle Zweige der Kunst-Industrie sind in dem Museum (mehr oder minder zahlreich) vertreten: das Geflecht, die Gewebe aus Wolle, Seide und Leinen, Stickereien, Spitzen, Tapisserien (Gobelins), Lackirarbeiten ; mittelalterliches, orientalisches und neueres Email; die Malerei (insbesondere durch meisterhafte Miniaturen), Schrift-, Druck- und graphische Kunst (Handzeichnungen), äussere Bücher- Ausstattung; Lederarbeit. Durch glänzende Exemplare ist nament- lich die Abtheilung der Glasgefässe und Geräthe hervortretend. Der Zahl nach am stärksten und ebenfalls durch ausgezeichnete Arbeiten hervorragend ist die Abtheilung für Thongefässe; daran reihen sich Arbeiten aus Holz, Horn, Bein, Elfenbein, Marmor, Ala- baster etc., aus Kupfer, Messing, Eisenarbeiten, Glocken und Uhren, Broncearb eiten. Auch die Goldschmiedekunst ist besonders reichlich und durch glänzende Arbeiten vertreten; dasselbe gilt von den Bi- jouterien, welche im Museum ausgestellt sind. Die Sculptur im Grossen ist durch Gypsabgüsse berühmter Meisterwerke repräsentirt. Die Bedürfnisse der Zeichner und Ar- beiter sind namentlich auch in der Eichtung besonders berück- sichtigt worden, dass für dieselben — um ihnen das ungestörte Studium zu erleichtern — ausser den Besuchsstunden besondere Arbeitsstunden (und zwar für den Sommer die Morgenstunden von 7 — 1 1 Uhr täglich) festgesetzt wurden, in welchen der Eintritt stets frei ist. Auch für die Besuchsstunden (11 — 2 Uhr an Wochentagen und 10 — 2 Uhr an Sonntagen) ist der Eintritt mit blosser Aus- nahme von zweien Tagen in der Woche unentgeltlich. Zur Bequemlichkeit der Zeichner und Arbeiter ist bei jedem Schaukasten ein Zeichenbrett angebracht, welches nur herausge- zogen zu werden braucht, um sofort jeden Gegenstand abzeichnen zu können. Ausserdem besteht ein eigner Zeichensaal mit Tischen, wo unter besonderer Aufsicht das Copiren nach den Originalien stattfinden kann. Um einen Gegenstand in diesem Eaume aus freier Hand abzeiclmen zu dürfen, ist die Bewilligung eines Beam- ten der Anstalt einzuholen. Nebst den im Museum befindlichen 188 Dritter Theil. Originalen besitzt die Anstalt auch illustrirte Werke in ihrer Fachbibliothek, namentlich eine Ornamentensammlung von 5000 Blättern Kupferstich. I)ie Kunstgegenstände des Museums werden in dem photograpliischen Atelier der Anstalt nachgebildet, und diese Photographien an Schulen, Fabriken etc. zu sehr niedrigen Preisen verkauft. In dieser Weise können von einzelnen Genossen- schaften oder industriellen Etablissements allmählig mit geringen Kosten sehr reichhaltige Sammlungen von Vorlege-Blättern für ver- schiedene Zweige der Kunstindustrie, z. B. für Thongefässe und Eisenarbeiten angelegt werden, wie dies in England, Frankreich, Belgien etc. zum grössten Nutzen der Industrie - Bevölkerung seit einem Jahrzehnt bereits der Fall ist. Jeder östreichische Industrielle ist auch berechtigt, seine eignen Erzeugnisse, welche durch Schönheit der Form und der Verzierung, sowie durch vollendete Ausführung hervorragen, im Museum öffent- lich auszustellen. — Wenden wir gegenüber diesen intensiven Bestrebungen in Südde uschland den Blick auf Norddeutschland, so ist hier unverliältnissmässig wenig zu berichten. Was zur Förderung de'r Kunstindustrie in dem gedachten Sinne geschehen ist, kömmt auf das Conto von Vereinen. Die Regierungen haben dieser wichtigen Frage, die mit dem Wohl und Weh, weil mit der Concurrenzfähig- keit, der Industrie so eng zusammenhängt, kaum ihre Aufmerksam- keit, geschweige denn irgend welche Mittel zugewendet. In Hannover ist von einem Gewerbeverein eine umfangreiche Mustersammlung in’s Loben gerufen worden, welche in 8 Ab- theil iingon die wichtigsten Zweige der Kunstiiidustrie repräsentirt. In Hamburg hat „die Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe” es sich neuerdings angelegen sein lassen,, durch Einrichtung zweckmässiger Unterrichtsanstalten die Gewerbe- treibenden und die Industrie zu fördern. Eine Commission dieser Gesellschaft hat im Sommer 18G3 Deutschland bereist, um die betr. Anstalten kennen zu lernen. Dieselbe hat einen Plan zu einer Schule vorgelegt, in deren Organisation man noch begriffen ist. An letzter Stelle ist Preussen zu nennen, von dem man frei- Die deutschen Bestrebungen auf dem Gebiete d. Kunst-Industrie. J 89 lieh gerade umgekehrt erwarten sollte; dass es seiner ganzen Stel- lung nach, mit seiner Metropole der Intelligenz, für Norddeiitschland in der fraglichen Eichtnng tonangebend sein müsse. Man kann, gemäss des an die Spitze dieses Abschnitts gestell- ten Gesichtspunktes, die Handwerkers chulen in Preiissen um- somehr übergehen, als bereits anerkannt worden ist, dass dieselben gegenüber den Ansprüchen der Gegenwart unzureichend sind. In Preussen ist mit jeder Provinzial-Gewerbeschule eine Handwerker- schule verbunden (cf. Noeggerath, 1. c. S. 23), in welcher Lehrlinge im Zeichnen, in den Lbaturwissenschaften, der Geometrie, dem Pech- nen und im Deutschen während einiger Tagesstunden des Sonntags und an einigen Abendstunden in der Woche unterrichtet werden. Ausserdem haben fast alle grossem Städte Fortbildungsschulen, von denen nur einige bessere Resultate erzielt haben, als die mit den Gewerbeschulen verbundenen Handwerkerschulen. Die Mehr- zahl ist im Erfolge noch hinter jenen zurückgeblieben. Man ist überzeugt, von der Unzulänglichkeit, im Begriff, in Bezug auf die Handwerkerschulen in Preussen eine durchgreifende Aenderung anzubahnen, und es würde in der That sich ohne grosse Schwierigkeiten ermöglichen lassen, diese Handwerkerschulen, in Verbindung mit einem Central-Kunstinstitut, in Kunstschulen umzu- wandeln, welche der Industrie das bieten würden, was die englischen Kunstschulen bieten. Jemehr in Preussen die Volks-, Mittel- und Realschulen schon längst die Elemente des Zeichnens zu einem Bestandtheil der natio- nalen Erziehung gemacht haben, desto mehr ist zu bedauern, dass im Anschluss an diese Grundlagen für die Kunstindustrie bisher soviel wie gar nichts geschehen ist. Die wichtigste und älteste Leistung localer Natur in dieser Richtung, die M inu toi i sehe Vorbildersammlung zur Beförderung der Gewerbe und Künste zu Liegnitz, sowie dasjenige, was in Berlin durch die verschiedenen Unterriclitsanstalten prästirt wird, bespreclien wir im nächsten Abschnitt. Es lässt sich deshalb hier nur anfübren, dass die Stadt Brieg auf Veranlassung eines Fabrikanten R. Schaerf damit umgeht, ein „Gewerbehaus” zu errichten, welches Hebung 190 Dritter Theil. der Gewerbetreibenden mittelst Unterricht und Musterlager bezweckt. Endlich hat man in Cöln und Görlitz permanente Industrie-Aus- stellungen eingerichtet, die aber mehr dem Handel als der Kunst- industrie dienen. Wenn hiernach in Preussen durch Privatthätigkeit und Yereins- wesen sehr wenig und vom Staate auffallender Weise noch gar nichts für die Förderung der Kunstgewerbe geschehen ist, so lässt sich andrerseits nicht in Abrede stellen, dass die Verhältnisse einem Vorgehen in dieser Richtung verhältnissmässig sehr geringe Schwie- rigkeiten in. den Weg stellen würden. Die Nachweise für diese Behauptung sollen in dem nächsten Capitel erbracht werden. IV. Abschnitt. Die lothwendigkeit der Kiinstindustrie- Förderung in Preussen. I. Allgemeines. Wenn die Umschau in Deuschland das Resultat ergab, dass Preussen unter allen deutschen Staaten in Bezug auf die Bestre- bungen für die Förderung der Kunst-Industrie an letzter Stelle zu nennen war, so wird man sich ohne Gefahr der Aufgabe nicht län- ger entziehen können, wie alle andern Staaten Hand ans Werk zu legen. Denn Preussen vermehrt in dem Maasse sein Proletariat, als es durch die erforderlichen Maassregeln und Einrichtungen seine Industrie resp. seinen Arheiterstand nicht befähigt, mit andern Län- dern, namentlich mit England und Frankreich concurriren zu können — mit Ländern, von denen das erstere bemüht ist, sein System der staatlichen Beihilfe mit jedem Jahre mehr auszubauen, das andere bei seiner Ueberlegenheit durch angebornen Geschmackssinn, be- kanntlich seit Jahren sehr emsig England in der Förderung der Kunst-Industrie nachzueifern sucht. Es ist nicht die Absicht dieser Schrift, die Mittel und Wege anzugeben, wie diese Frage in Preussen zu lösen ist; sie will nichts Anderes, als vorläufig die Aufmerksamkeit aller Betheiligten und Interessirten der Frage zuwenden, und in der Darlegung des eng- lischen Beihilfe-Systems zur Förderung der Kunst-Industrie Beiträge zur Lösung derselben liefern. Da aber unzweifelhaft in einem grossen Staate der Unterricht und die Ausbildung für die Kunst -Industrie nur von einem an die 192 Dritter Theil. Spitze gestellten, d. li. in der Hauptstadt errichteten Centralinstitute geleitet werden kann, welches organisch mit der nöthigen Anzahl von Local-Instituten in Verbindung stehen muss; da ferner erfahrungs- mässig in allen Staaten, welche die Förderung der Kunst-Industrie sich angelegen sein liessen, nach diesem Grundsatz verfahren wor- den ist: so würde für jedes Vorgehen nach dieser Richtung in Preussen, Berlin den Ausgangspunkt für die Lösung der Frage bilden müssen. Es liegt deshalb nahe, bei der Umschau in Deutschland in Berlin länger zu verweilen und die Verhältnisse daselbst einer ge- nauem Betrachtung zu unterwerfen. II. Die Lage der Dinge in Berlin, als Ausgangspunkt der Lösung. 1. Welche Institute gewähren in Berlin den Industriellen künstlerische Ausbildung? a. Die Sonntagsfreischulen*) für Handwerkerlehrlinge. Sie gewähren eine über die noth wendigen elementaren Kenntnisse hinausgehende, nur insofern künstlerische Bildung, als sie in be- schränkter Ausdehnung Zeichnen lehren. Es existiren im Ganzen 5 solcher Schulen mit zusammen 20 Classen und durchschnittlich IG— 1700 Schülern. b. Die speciell von der Tischler- uno Weber-Innung für ihre Mitglieder seit 1862 errichteten Schulen sind im Wesentlichen Sonntagsfreischulen, nur dass sie die ünterrichtsgegenstände durch Zeichnen, wie es speciell für die betr. Innung gebraucht wird, erweitert haben und durch die Innungsvorstände den Schulbesuch schärfer controliren. Beide Schulen haben zusammen 500 Schüler. c. Die städtischen Fortbildungsanstalten. Ihr Zweck ist, den bereits in das Gewerks- und Geschäftsleben eingetretenen jungen Leuten Gelegenheit zu geben, theils die Lücken auszufüllen, '") Nicht zii verwechseln mit den Sonntags- und Fahrlkschulen. Diese sind blose Aushilfsschulen der gewöhnlichen Volksschule und gehören des- halb nicht hierher. Die Nothwendigkeit der Kunstindustrie-Förderung in Preussen. 103 welche der Schul -Unterricht gelassen hat, theils die gewonnenen Kenntnisse zu erweitern und einen hohem Grad wissenschaftlicher Bildung zu erwerben. Die Gegenstände des Unterrichts sind die der Elementarschule, aber auch in dem Maasse als sich ein Yerlangen darnach zu erkennen gibt, höhere und Fachwissenschaften, als Buchführung, Mechanik, Technologie, Maschinen-, Situations- und architectonisches Zeichnen etc. d. Der grosse Berliner Handwerker-Verein. Die Haupt- aufgabe des Vereins auf dem Gebiete des Unterrichts ist, die allge- meine Bildung zu heben und zu befördern. Fassen wir blos die künstlerische Ausbildung ins Auge, welche der Verein gewährt, so ist zu erwähnen, dass unter den 27.9 Vorträgen, welche in den beiden letzten Eechnungs- Jahren des Vereins gehalten worden sind, 60 Lite- ratur und Kunst und 9 das Baufach betrafen. Für den Zeichen- Unterricht ist durch Vermehrung der Voiiegeblätter, Beschaffung von Gypssachen und Haltung geeigneter Zeitschriften soviel geschehen, als den Vereinskräften möglich war. Der Unterricht erstreckt sich auf das geometrische Projections-Zeichnen, auf architectonische und freie Handzeichnungen, namentlich von Ornamenten, und auf das Entwerfen baulicher Gegenstände, besonders bürgerlicher Wohnungen. Von specieller Bedeutung ist die seit 1864 existirende Bau- gewerken-Schule des Handwerker-Vereins, welche in der Bau-Constructionslehre, im Projections-Zeichnen, im Freihand-Zeich- nen, im Ornament- und Bau -Zeichnen, sowie im Modelliren Unter- richt ertheilt und bisher sehr erfreuliche Kesultate erzielt hat. e. Die städtischen Gewerbeschulen haben die Bestimmung, denjenigen jungen Leuten, die sich dem Gewerbewesen, sei es zum eigenen ausgedehnteren Betriebe oder zur höhern Leitung desselben, widmen wollen, die dazu erforderliche wissenschaftliche Vorbildung zu gewähren. Ausser den Gegenständen der Volksschule, die hier vollkommen abgehandelt werden, wird noch gelehrt: Physik, Chemie, Technologie, neue Sprachen, Mathematik und Zeichnen. f. Das Königl. Gewerbe-Institut zerfällt in eine allge- meine technische Abtheilung und eine Abtheilung für die einzelnen technischen Fächer. Der Lehrgang in der allgemeinen technischen Sclnviibc, Kuiist-Iiidiistrie. td 194 Dritter Theil. Abtheilimg umfasst Freihand-Zeichnen und Modelliren ; der für Schiff- bauer umfasst Zeichnen von Schiffen und Schiffstheilen. g. Die Königl. Academie der Künste. Sie gewährt eine eigentliche künstlerische Ausbildung für Handwerker aller Gattungen : a. in einer allgemeinen Zeichenschule für Freihand-Zeichnen; b. in einer Kunst- und Gewerbeschule, welche in wöchentlich 22 Stunden folgende Gegenstände lehrt: Freihand-Zeichnen, Modelliren, Maschinen - Zeichnen und architecto- nisches Zeichnen, Das Schulgeld beträgt 1 Thlr. pro Semester und die Frequenz im Durchschnitt 4 — 500 Personen. 2. Entsprechen diese Institute den Anforderungen, welche die Industrie gegenwärtig stellt? Bei Beantwortung dieser Frage müssen wir aus der Zahl der genannten Institute zunächst die städtischen Gewerbeschulen und das Königl. Gewerbe-Institut ausscheiden. Sie mussten mit aufgeführt werden, weil sie darauf berechnet sind, denjenigen, welche sich der Industrie widmen, nach jeder, also auch der künst- lerischen Eichtung hin, die nöthige allgemeine und fachwissenschaft- liche Bildung zu geben. Da sie jedoch blos denen nützen, die sie als Bildungsstätte benutzen, nicht der vorherrschenden, grossen Masse derjenigen, welche aus der Volksschule hervorgegangen sind und aus ihr direct zur Industrie übergehen, so schliessen sie selbst- verständlich Kunst" Industrieschulen nicht aus. Dazu sieht ja das Kgl. Gewerbe-Institut von den Handwerkern geradezu ab, indem es als Aufnahme -Bedingung das Maturitäts - Zeugniss einer zu Ent- lassungs-Prüfungen berechtigten Schule resp. eines Gymnasiums fordert. Von den Sonntags-Freischulen wird Niemand behaupten wollen, dass sie den Ansprüchen der Industrie in künstlerischer Ausbildung genügen. Diebeiden Innungs- Schulen können des- halb nicht recht gedeihen, weil sie keine Mittel haben. Die Innungen geben bereits entsprechende Summen an den Magistrat für die städtischen Fortbildungs -S chulen , es fällt den beiden genannten deshalb schwer, noch ausserdem den erforderlichen Apparat zu einer Zeichenschule auf ihre Kosten herbeizuschaffen. Die Noth Wendigkeit der Kunstindustrie-Förderung in Preussen. I95 lieber die Verhältnisse der städtischen Fortbildungs- Anstalten mag die Statistik aburtheilen: Jahre. Zahl der Schüler. Gesammtkosten. Einnahme. Zuschuss. 1860 1280 4300 Thlr. 1015 Thlr. 3988 Thlr. 1861 1234 3900 814 >> 3086 11 1862 1190 3651 548 V 3103 1863 1223 3803 )> 735 ?> 3068 1864 1160 3920 846 3074 1865 1254 3684 659 }) 3025 t) Man sieht, die Schülerzahl hat beinahe ständig abgenommen. Die Colonne „Einnahme“ enthält ausser den Schulgelder -Beiträgen auch anderweite erhebliche Zuwendungen von Stiftungen, Innungen etc. Ihre bedeutende Abnahme ist eine sehr schlechte Censur für die Lebensfähigkeit der Anstalten; die Kaufmannschaft hat 100 Thlr. Beiträge seit 1864 in Wegfall kommen lassen, wahrscheinlich, weil nach ihrer Meinung die Anstalten nicht das leisten, was sie sollen. Der Magistrat selbst scheint mit dem Stand der Dinge nicht zu- frieden und beabsichtigt eine Umgestaltung. Der grosse Berliner Handwerker-Verein zählte in den letzten PA Jahren nach seiner Bericht - Erstattung über 14,000 Mitglieder, darunter 2105 Tischler, 1446 Weber, 680 Schlosser, 764 Maler und Decorateure u. s. w. Die Liste der Zeichner ergab 91 Schüler, darunter 49 Tischler. Wirkt auch der Handwerker- Verein vortrefflich in weitgreifender Verbreitung allgemeiner Fach- bildung, so wird doch Niemand behaupten wollen, er sei eine Industrie-Academie etwa im Sinne des Kensington-Museums. Er hat auf dieses Ziel losgesteuert und hätte es vielleicht erreicht, wenn die Eegierung ihn unterstützt hätte, statt ihn mit schelen Augen anzusehen und seine Entwickelung zu hemmen. Die von dem Handwerker -Verein errichtete Baugewerk en- Schule mit ihrem raschen Aufschwung beweist, dass die Errichtung einer Kunstindustrie-Schule einem tiefgefühlten Bedürfniss abhelfen würde. Denn jene Schule ist ja für die Baugewerken Das, was letztere für die gesammte Industrie sein will. Nun sollte man denken, dass die Königl. Academie der 13 ^ 196 Dritter Theil. Künste, indem sie bei grosser Billigkeit des Honorars für Hand- werker aller Gattungen eine eigentlich künstlerische Ausbildung gewährt, den Anforderungen der Industrie vollkommen entspräche. Dem ist aber factisch nicht so: die Academie ist zu ideal, sie denkt gar nicht daran, dass sie es mit Lehrlingen, und zwar mit Berliner Lehrlingen zu thun hat; sie controllirt den Schulbesuch nicht genug, überlässt Jedem den Weg seiner Ausbildung und auf diese Weise wird verhältnissmässig wenig erreicht. Ein Kunst-Tischler drückte das, was die meisten Industriellen an der Academie vermissen, kurz mit den Worten aus, sie sei blos für Genies. Und das trifft zu. Ein Lehrling in einer Gypsfiguren - Fabrik , der die Academie ein Jahr besucht hatte, erzählte mir, er habe nichts dort gelernt. Wer hineinkomme , könne sich von der Wand nehmen, was er mo- delliren wolle. Der Professor bekümmere sich darum nicht. Er — der Lehrling — habe sich eine schöne Rosette ausgesucht. Nach- dem er mehrere Stunden mit der Anlegung hingebracht und an die Ausführung gehen wollte, habe der Professor ihm, weil zu viele Fehler darin gewesen, die Anlage zerstört und ihm gesagt, er müsse noch einmal anfangen. Er habe das gethan, aber nach mehreren Stunden habe er — nicht der Professor — endlich eingesehen, dass die Rosette viel zu schwer für ihn war. Er habe deshalb sein Wachs selbst wieder zusammengeknetet, und sich nächste Stunde etwas Leichteres ausgesucht. Freilich habe er Angst gehabt, als der Professor gekommen sei — aber derselbe habe gar nicht bemerkt, dass er etwas Neues angefangen, ohne das Alte fertig gemacht zu haben! — Sapienti sat, Uebrigens ganz abgesehen von diesen Einwürfen und bei aller Vollkommenheit der Academie, leistet sie jedenfalls nicht das, was den Industriellen am meisten Noth thut. Es genügt nicht, dass man ihnen Zeichnen und Modelliren lehrt, sie wollen das selbstschaffende, schöpferische Zeichnen und Modelliren lernen. Bei den sämmtlichen hier bestehenden Anstalten, mit Ausnahme der Baugewerken-Schule des Handwerker -Vereins, überwiegt die Theorie. Diese mag aus- reichen, wo es sich um Heranbildung von besonders Begabten handelt, aber nicht für die Menge; sie muss durch eigne Compositionen und Die Notliwendigkeit der Kunstindustrie-Förderung in Preussen. I97 Entwürfe lernen, wie die Gesetze der Kunst auf den speciellen Fall übertragen werden. Die Kensington-Schule lehrt das in sehr voll- kommener Weise, wie wir bei der Darstellung des Cursus derselben (S. 16) nachgewiesen haben. Ebenso die Nürnberger Kunstgewerbe- schule. Die grosse Masse unserer Fabricanten ist nicht im Stande, Mo- delle zu feinem Arbeiten selbst zu entwerfen. Dies geht einfach aus folgender Thatsache hervor: Unsere Gesetzgebung bietet noch keinen Musterschutz, d. h. es kann jedes, von dem Einen theuer bezahlte oder gefertigte Modell , von dem Andern nachgemacht wer- den. Nun können sich factisch nur ganz grosse Fabriken Künstler halten zum Entwerfen von Mustern. Diese verlangen denn nach- drücklich Musterschutz. Warum aber hört man nie die kleinen Fa- bricanten nach Musterschutz rufen? Weil sie vom Eaube leben. Warum leben sie vom Eaube? Weil sie auf Grund ihrer Ausbil- dung nicht selbst im Stande sind, geschmackvolle Muster zu ent- werfen. Sie werden in dem Maasse anfangen, Musterschutz zu for- dern, als sie anfangen, selbstständig Modelle zu entwerfen. Endlich spricht der ausgedehnte Privatunterricht in beredter Weise dafür, dass die hier bestehenden Anstalten den Anforderungen der Industriellen nicht genügen. Der Umstand, dass die Privatlehrer grosse Eäume brauchen, um die Schüler zu setzen, die Modelle zu stellen etc., zwingt sie bei der Höhe der Miethen zu hohen Honorar- forderungen, welche den Armen vom Privat-Untcrricht ausschliessen. Ein Kunsttischler z. B. gibt Unterricht im Zeichnen, namentlich im selbstständigen Entwerfen von Mustern aller Art. Er lässt sich die Stunde mit 2 Thlr. bezahlen und gestattet nicht mehr als zwei Schüler für eine Stunde, so dass im günstigsten Falle jedem Schüler die Stunde 1 Thlr. kostet, also gerade soviel, wie man in der Aca- demie für das ganze Semester zahlt. Trotzdem hat der Mann immer- während gegen 15 Schüler. Würde wohl Jemand die Stunde solchen Unterrichts im Fachzeichnen und Entwerfen mit 1 — 2 Thlr. bezahlen, wenn er so anderswo zu haben wäre? So wären denn alle Berliner Institute der fraglichen Eichtung geprüft und zu leicht befunden worden. 198 Dritter Theil. 3. Statistische Grundlagen. In der Tabelle A. (cf. Anhang) ist der Versuch gemacht wor- den, für Berlin die Zahl derjenigen Handwerker mit ihren Gesellen, Gehilfen und Lehrlingen zu ermitteln, deren Gewerbebetrieb eine künstlerische Ausbildung voraussetzt. Ebenso ist in Tabelle B. das DirectionS“ und Arbeitspersonal in Fabriken und vorherrschend für den Grosshandel beschäftigten Anstalten, deren Arbeit eine künst- lerische Ausbildung voraussetzt, zusammengestellt worden. Lässt man die Zahl der Meister sowie der Unternehmer ausser Betracht, so ergeben sich für Berlin 17,659 Gesellen, Gehilfen und Lehrlinge aus dem Handwerker- stande , 13,245 Arbeiter in Fabriken und 682 Directionspersonal in Fabriken, also 31,586 Personen in Summa, von denen man annehmen kann, dass sie eine künstlerische Ausbildung für ihren Beruf nöthig haben. Natürlich wird davon ein grosser Theil auszuscheiden sein, nämlich die rein mechanischen Arbeiter, welche hier mitgezählt sind, ohne dass sie Contingent für eine Industrie-Kunstschule stellen würden. Dennoch erhellt aus den Zahlen zur Genüge, welche grosse Masse von Industriellen in Berlin allein hierbei betheiligt ist. Uebrigens sind diese Zahlen eher zu niedrig als zu hoch. In Tabelle C. sind aus dem neusten Wohnungsanzeiger von Berlin pro 1 866 (also 4 Jahre später als die andern Tabellen) die Berufszweige der Industrie und des Handwerks zusammengestellt, welche einer künstlerischen Vorbildung bedürfen. Darnach stellt sich die Anzahl der Meister und Unternehmer auf 9500; berechnet man nach Ana- logie der Zahlen pro 1861 die Anzahl der Gesellen, Lehrlinge und Arbeiter, so kommen 36,000, also noch 4500 mehr heraus als oben. Es unterliegt keinem Zweifel, dass bei den Arbeitern und In- dustriellen, namentlich in Berlin, ein anerkennenswerther Drang und ein lebhaftes Jnteresse im Betreff der Künste und Grundlehren der Aesthetik vorhanden sind. Dies beweist die starke Frequenz, die überall da vorhanden ist, wo Vorträge über derartige Gegenstände in den betr. Kreisen gehalten werden. Im grossen Handwerker- Die Nothwendigkeit der Kunst-Industrie-Förderung iii Preussen. verein sind bei derartigen Gelegenheiten regelmässig 900 — 1000 Hand- werker zugegen. Die gespannte Aufmerksamkeit und die Masse der Fragen, mit denen der Fragekasten gefüllt ist, beweisen das Yer- ständniss und die Theilnahme. Auch in andern grossen Städten hat man das grosse Literesse des Arbeiterstandes für die genannten Ge- biete beobachtet, und gewiss wird es ewig ein schönes Zeugniss bleiben, dass inmitten der Eevolutionstage von 1848 in Paris, als die entfesselten Leidenschaften des Pöbels in den Gemächern des Palais royal zerstörend und vernichtend wütheten, ein Arbeiter an die Wand mit Kohle die mahnenden Worte geschrieben hatte: Re- spectez les tableaux! 4. Das Urtheil der Berliner Industriellen. Die Erfahrung hat vielfach gelehrt, dass man bei Bedürfniss- fragen wohlthut, die Meinung des Common sense, namentlich der dabei Betheiligten, mit in Rechnung zu ziehen. Das Urtheil des gewöhnlichen Menschenverstandes ist nicht durch einen Denkprocess gewonnen, es ist, unabhängig von dem Willen, durch zahlreiche Er- fahrungen, Beobachtungen, Kenntnisse und Einflüsse entstanden, es ist ein instinctives. Der Common sense empflndet das Richtige oder Unrichtige früher, als er im Stande ist, sich der Ursachen oder Gründe dafür oder dagegen bewusst zu werden, weil die Empfln- dung, das Gefühl, überhaupt keine Gründe kennt. „Le sentiment seul est en etat de juger le sentiment” sagt Helvetius. Aber wie Teil den Apfel traf, ohne die Gesetze der Anziehungs- kraft der Erde, den Lauf der Parabel u. s. w. zu kennen; wie die Divination der Frau oft die schwerfällige Logik des Mannes weit überholt, und wie der gesammte Eindruck der Schöpfung den ein- fachen Naturmenschen immer zur Anerkennung der Gottheit fülirt, die der gelehrte Metaphysiker in dem Maasse verliert, als er an- fängt zu trennen, zu analysiren und ins Unendliche zu gehen — so pflegt sehr oft der gewöhnliche Menschenverstand in schwierigen Fragen das Richtige zu treffen und es ist deshalb die Appellation an das Urtheil einzelner richtig ausgewählter Individuen nicht zu verwerfen. 200 Dritter Th eil. Ich habe ans der grossen Masse der industriellen Künstler und Arbeiter, namentlich in meinem Verkehr mit denselben als Mitglied der Lehrerschaft des Handwerkervereins, die wichtigsten Vertreter ausgewählt: Kunsttischler, Kunstdrechsler, Goldschmiede, Uhrmacher, Decorateure, Gypsfigurenverfertiger, Bildhauer, Lampenfabrikanten, Verfertiger von feinen Holz-, Elfenbein- und Meerschaumschneide- reien, Instrumentenmacher etc., und habe sowohl mit den Meistern und Unternehmern, wie mit Gesellen, Gehilfen und Lehrlingen die Frage durchgesprochen, ob eine Kunst -Industrieschule für Berlin nothwendig sei. Und wahrlich, wohl mag -selten eine Frage von so heterogenen Elementen so ausnahmslos mit demselben überzeugenden „Ja” beant^vortet worden sein, wie diese. in. Die in Preussen vorhandenen Bausteine zu einem Central-Institut für die industrielle Kunst. Wie in London so würde auch in Berlin der wichtigste und nächste Schritt zur Förderung einer künstlerischen Bildung der ge- werblichen Classen die Errichtung eines Museums für die industrielle Kunst sein. Ich habe oben (S. 89) kurz zu schildern versucht, wie die reichen Sammlungen des Kensington - Museums entstanden sind. Eine dürftige Zusammenstellung einzelner Kunstgegenstände für die Zwecke der alten englischen Musterzeichenschulen war Alles, was man i. J. 1852 vorfand. Wir haben gesehen, wie der zeitgemässe, auf der Basis nationalen Interesses erwachsene Gedanke, eine Bil- dungsstätte für die Kunst-Industrie zu gründen, in ganz England zündend einschlug; wie Staatsbehörden, Gemeinden, Corporationen, Vereine und Privatpersonen sich die Hand reichten und wie es dem mächtigen, vereinten Drange der Geister gelang, aus dem unbedeu- tenden Keime jenes grossartige, nationale Institut in der Hauptstadt erstehen zu lassen, welches bald seine Macht weit über London aus- dehnte, bereits nach 3 Jahren mittelst des Wandermuseums seine reichen Schätze beweglich machte, und so Millionen den Segensquell der Kunst erschloss. Nicht länger war die Freude an der Kunst in England auf bestimmte, auserwählte Classen der menschlichen Ge- sellschaft beschränkt. Sie fing an, ungleich mehr als früher, Gemein- Die Notliwendigkeit der Kunstindustrie-Förderung in Preussen. 201 gut ZU werden. Sie sandte ihre erwärmenden und veredelnden Strahlen hinab in diejenigen Classen der G-esellscbaft, in denen häufig jene Engherzigkeit, jene geistige Stumpfheit und Theilnahmlosigkeit Zeug- niss ablegen, dass die Menschen, ausschliesslich auf des Lebens Nothdurft gestellt, im harten Kampfe mit dem Leben, leider sich selbst zu sehr vernachlässigten. Von dem unbedeutenden Ausgangspunkt bis zu dem grossen Kesultat kamen die Engländer nur mit den grössten Schwierigkeiten und unter bedeutenden Ansti’engungen, namentlich in Bezug auf das Museum für ornamentale Kunst, was wir hier vorherrschend im Auge haben. Mit Eifer war man bemmht, die immer seltener werdenden Kunstschätze classischer Industrie aus allen Ländern der Welt an sich zu ziehen. In Frankreich wurden verschiedene Sammlungen wie einzelne Gegenstände gekauft. Die ehedem an Werken der besten Kunstepochen des Mittelalters und der Eenaissance reichen Gegenden Deutschlands und namentlich Frankens wurden durch Schaaren jüdischer Händler rasch und auffallend ausgebeutet; in Aachen wurde eine aus 135 Gegenständen der Textil-Industrie be- stehende Sammlung eines Geistlichen Dr. Bock für 3000 Thlr. gekauft. In verschiedenen Jahren befanden sich Beamte des Museums in Italien und suchten überall nach Gegenständen der Eenaissance- Periode. In der Einleitung zu dem Museum für ornamentale Kunst (S. 97 f.) haben wir darauf hingewiesen, wie der Curator des Museums Mr. Eobinson namentlich den Erzeugnissen dieser glänzenden Epoche seine ganze Aufmerksamkeit zuwendete, in der die neuen weltbewegenden Ideen einen erhöhten Pulsschlag in dem geistigen Leben hervorbrachten und aus dem mit Begeisterung und Jugend- frische aufgenommenen Studium der antiken Kunst jene unerschöpf- liche Fülle reicher und anmuthiger Werke hervorzauberten. Seine eiMgen Bestrebungen fanden nicht eher einen Euhepunkt, bis ein sehr beträchtlicher Theil der Kunstwerke jener Epoche aus den Händen von Privat- Eigenthümern, Sammlern und Händlern in den Besitz des Kensington-Museums gekommen war. Jeder Mann wird diese eifrigen Bestrebungen der Engländer, diesen Aufwand von Zeit, Kraft und enormen Geldsummen bewundern, 202 Dritter Theil. mit dem sie im Verlauf von etwa 10 Jahren ihrer Industrie einen weiten Kreis von classischen Yorhildern schufen, ein Museum, dem Jeder eine grosse Mannigfaltigkeit von Formgedanken, Symmetrie- Studien und Farben -Harmonien entnehmen konnte — jeder Mann wird anerkennen müssen, in welch’ ehrenwerther Weise Mr. Sheep- shanks diesen nationalen Bestrebungen sich anschloss durch die Schenkung seiner Gallerie von 233 Bildern englischer Maler, welche die Grundlage zu einer Kational-Gallerie bilden sollten. Je grossartiger aber diese Leistungen der Engländer sich dar- stellen, desto mehr muss es dem preussischen Volke zur Ehre ge- reichen, dass es Institute aufweisen kann, die bereits Alles das in reichem Maasse enthalten, was die Engländer mit grosser Mühe jahrelang in aller Herren Länder sammeln mussten, Institute, die den eben erwähnten englischen ebenbürtig an die Seite gestellt werden können: die Minutolische Sammlung, die Schätze der königl. Museen für das Gebiet der Kunst - Industrie und die Wag- ner ’sche Bildergallerie. Die letztere, 262 werthvolle Oelgemälde enthaltend, wurde ebenfalls als Grundlage zu einem Kational-Museum von dem Consul Wagner dem König von Preussen vermacht; die erstere wurde von einem Privatmann in einem Zeitraum von 27 Jahren mit unermüdlicher Thätigkeit und seltener Opferwilligkeit für die Interessen der Kunst zusammengebracht, um den Geschmack der Industriellen der Provinz Schlesien zu veredeln und durch Hebung des Kunstfleisses ihren Wohlstand zu verbessern. Die genannten Institute stehen mit jedem Schritt, der in Preussen für die Förderung der Kunst-Industrie gethan werden wird, in s o enger Beziehung, dass ich nicht unterlassen kann, dieselben hier speciell zu erwähnen und ihrem Inhalt nach kurz zu charakterisiren. Die Kothwendigkeit, eine Na- tional-Gallerie mit einem Institut für industrielle Kunst zu verbinden, habe ich oben S. 117 nachgewiesen, und will nur hier bemerken, dass der verewigte Prinz-Gemahl in England längst dahin gestrebt hat, die englische Kational-Gallerie (Trafalgar-Square) mit dem Ken- sington-Museum zu verbinden. Dieselbe besteht aus 2 Abtheilungen: die fremden Schulen (niederländische, italienische, deutsche, Die Nothwendigkeit der KuKstindustrie-Förderung in Preussen. 203 holländische, französische, spanische etc.) umfassen etwa 300 Bilder, die englische Schule etwa 400. Letztere war schon länger in Kensington ausgestellt, mit Ausnahme der Bilder von Turner. Neuerdings haben sich die unverkennbaren Einflüsse guter Bilder auf die Kunstschule insoweit geltend gemacht, dass man be- schlossen hat, die gesammte National-Gallerie in Kensington aufzu- stellen, und es hat so die Erfahrung mit Nothwendigkeit gefordert, was der Prinz -Gemahl in klarem Vorausschauen gleich Anfangs als das richtige Ziel hingestellt hatte. 1. Die Wagnerische Bil dergallerie. *) Das Vermächtniss des verstorbenen Consuls Wagner, sagt Waagen, ist in verschiedenen Beziehungen für Berlin, ja für ganz Preussen, ein Ereigniss von hoher Bedeutung. Einmal als Bethäti- gung einer patriotischen Gesinnung, wie, auf dem Gebiete der Kunst, Berlin noch kein Beispiel aufzuweisen hat, sodann als eine höchst stattliche Grundlage zu einem National -Museum, worin von dem Besten, was die Kunst unserer Zeit geleistet hat, ein bleibendes Zeugniss enthalten sein soll. Die Art und Weise, wie Wagner sammelte, zeugt von ebenso unermüdlichem Eifer, als richtigem und vielseitigem Geschmack, und es ist ihm gelungen, eine Sammlung zu vereinigen, worin die ver- schiedenen Schulen, und viele einzelnstehende Maler der neudeutschen Malerei, in allen Fächern, in alleiniger Ausnahme der monumentalen, nur für grosse Wandflächen geeigneten Malerei, in einer Vollständig- keit besetzt sind, wie dieses von keiner andern Sammlung zu rühmen ist. Durch die grosse Liberalität, womit der Besitzer den Genuss seiner Sammlung allen Kunstfreunden angedeihen Hess, hat er endlich in seltener Weise bethätigt, dass er die Wahrheit des Ausspruchs, wie ächte Kunstwerke allen gehören, welche nach ihnen ein Bedürfniss empflnden, vollständig anerkannte. *) Yerzeichniss der Gemälde - Sammlung des Königl. Consuls H. W. Wagner von Dr. G. F. Waagen, Prof, und Director der Gemäldegallerie des Königl. Museums Berlin 1861. 204 Dritter Theil. Um wenigstens annähernd ein Bild von dem zu gehen, was die Sammlung enthält, sind in der nachstehenden Tabelle die Künstler nach Schulen und Ländern geordnet, denen sie vorzugsweise an- gehören: Schulen und Länder, denen die Zahl der Künstler, Künstler vorzugsweise angehören. die vertreten sind. K-^Deutschland: . . , . . 118 A. Preussen ..... 76 1. Berlin . 42 2. Düsseldorf .... . 34 B. Ober-Sachsen .... 7 C. Nieder-Sachsen . . . 4 D. Bayern 26 E. Oesterreich ..... 5 11. Belgien 12 III. Holland 4 IV. Frankreich 6 V. Italien 5 VI. Schweiz 1 VIL England. ...... 1 147 Von diesen 147 Künstlern sind zusammen 262 Bilder da. 2. Das Minutolische Institut der Vo rb il der - Sammlung zur Beförderung der Gewerbe und Künste.*) Von dem Gedanken ausgehend, durch eine Zusammenstellung der edelsten Erzeugnisse des Gewerbe- und Kunstfleisses der gebil- detsten Völker die Ge werbtreibenden von dem Werthe einer hohem *) cf. Das Minutolische Institut der Vorbilder-Sammlung zur Beförderung der Gewerbe und Kunst. Von Dr. Samt er. Liegnitz 1851. II. Theil , enthaltend Geschichtliches über dieses Institut seit dem Jahr 1851 — 1866 und die verwandten Bestrebungen in andern Ländern. Liegn. 1866. Beide Werkchen, denen ich meine Notizen entnommen, stellen mit warmem Interesse und grosser Uebersichtlichkeit das gesammte Material über die Mi- nutolischen Sammlungen und ihre interessante Geschichte zusammen. Die Nothwendigkeit der Kunstindustrle-Förderung in Preussen. 205 Vollendung der Form der Waaren zu überzeugen, war der Eegierungs- Eath V. Minutoli bereits i, J. 1839 daran gegangen, eine solche Vorbilder “Sammlung anzulegen, welche in einer kurzen Eeihe von Jahren zu einem Museum, wohl einzig in seiner Art, erwuchs. Im Jahre 1851 erhielt die Sammlung durch die Welt- Ausstellung in London einen neuen Anstoss und wurde immer mehr vervollständigt. Dabei suchte der Besitzer schon seit dem Jahre 1842 durch Versendung treuer Abbildungen daguerrotypischer Aufnahmen der Vorbilder an technische Lehr- Anstalten, Gewerbe -Vereine etc. den Nutzen der Sammlung zu vermehren. Später bediente er sich des geeigneteren Mittels der Photographie. Auf diese Weise entstand i. J. 1854 das grosse photographische Prachtwerk mit Abbildungen von gegen 1000 Gegenständen aus allen Zweigen der Industrie auf 150 Tafeln in Folio, welches nach mehreren Jahren zum Abschluss gelangte und alle gehegten Erwar- tungen rechtfertigte. Zur Zeit der grossen schlesischen Ausstellung in Breslau (1857) wurde die Sammlung in ihrem ganzen Umfange ausgestellt. Damit wurde sie im In- und Auslande mehr bekannt. Alle Vertreter fremder Eegierungen berichteten über die Bedeutung und den Eeichthum derselben, und bei dem Eufe der Sammlung konnte es nicht fehlen, dass dieselbe mehrfach Gegenstand des Begehrs wurde. Während das Institut in seiner Wirkung und Vergrösserung fortschritt, wurde seine Existenz i. J. 1859 plötzlich hart bedroht. In Folge des italienischen Krieges nämlich und dessen Eventua- litäten sollten die Locale der Sammlung, im Königl. Schloss zu Liegnitz, zu Lazarethzwecken eingerichtet werden. Der Besitzer sah sich in Folge dessen zu dem Entschlüsse der Auflösung der Samm- lung genöthigt. Ein grosser Theil derselben wurde von der Königl. Kunstverwaltung erworben, so dass die ausgeschiedenen Theile wenigstens dem Vaterlande erhalten blieben. Der inzwischen geschlossene Friede von Villafranca verhinderte glücklicherweise eine weitere Zersplitterung. Mit grösster Energie wurde nun an der Ausfüllung der Lücken gearbeitet und i. J. 1860 näherte sich die Sammlung ihrer alten Bedeutung, wieder. Nach 206 Dritter Theil. Ablauf von 5 Jahren stand sie sogar umfassender und werth voller da, als vor dem Ausbruch des italienischen Krieges, und füllt jetzt 19 Käume. Gleichen Schritt nahm die Fortführung des photographischen Werkes. Im Jahre 1862 konnte bereits ein Probeexemplar der zweiten Auflage auf der Londoner Ausstellung ausgelegt werden. Dieses umfassende Vorbilderwerk wurde von dem Commissar der Hannoverschen Regierung Dr. Heeren als ein „Riesenwerk, welches ein recht anschauliches Bild von des Verfassers Rührigkeit und Opferfreudigkeit, wo es sich um Beförderung der Gewerbethätigkeit im edleren Sinne des Wortes handelt,“ bezeichnet und umfasst in 7 Foliobänden Abbildungen von 4000 älteren Industriewerken. Die Sammlung ist von Autoritäten wie W. Lübke, Professor Loh de etc. als höchst vollendet und einzig in ihrer Art bezeichnet worden; Redgrave, Inspector general for Art im Kensington-Museum nennt sie im Journal of the society of Arts: „a memorable instance of the devotion of private energy and of private generosity in the discharge of the public duties of his (Minutolis) office.” Ein Artikel im Stuttgarter Kunstblatt, Juli 1858*) sagt sehr richtig: „Die Geschichte der Minutolischen Vorbildersammlung ist eine überaus deutsche Geschichte.” Unscheinbare Anfänge, unverdrossenes Aufbauen, einsame Thätigkeit, beschränkte und be- schränkende Umgebung, Zähigkeit bis zur Vollendung — und ein freundlicher, anerkennender Händedruck der Lohn: das sind in der That die Elemente, aus denen sich bei uns neue Entwickelungen und Fortschritte zu gestalten pflegen. Und wollen wir uns auch aller einseitigen Ungerechtigkeit enthalten, so erwehren wir uns doch eines seltsamen Gefühls nicht, das uns bei der Betrachtung von Minutolis Lebensarbeit überkommt. Nirgends anders hin führt ihn sein gebotener Beruf, als in die kunstloseste preussische Pro- vinz, nach Schlesien. In grossen, stattlichen Räumen als wohlgegliedertes Gesammt- bild ausgebreitet, jeglichem Verständniss durch lebendig versinn- *) cit. bei Sammter. Die Nothwendigkeit der Kunst-Industrie-Förderung in Preussen. 207 lichende Decoration eröffnet, lockt es immer zahlreichere, immer empfänglichere Beschauer an, und erweitert nach allen Seiten die Grenzen seiner Wirksamkeit. Aber immer noch hleiht es ein pro- vinzielles Institut. Was es als solches bisher geleistet hat, ver- kennen wir nicht; noch weniger, wie viel fruchtbringender es sich auf diesem Wege noch zeigen könnte. Aber ein so grosses Unternehmen verdient eine grössere Wirksamkeit. Sollte man nicht Mittel und Wege finden, es für die preussische Haupt- stadt unmittelbar zu erwerben, sollte es nicht zum Eigenthum des Staats gemacht werden und so die aufopfernde Thätigkeit des Privat- mannes diese letzte und würdigste Anerkennung finden?” Ich will hier nicht wiederholen, was noch Alles in dieser Eich- tung gesagt worden ist; aber das Eine sei noch hinzugefügt: Wenn bei dem jetzigen Stand der Dinge, bei der nothwendig herantretenden Frage der Förderung der Kunst-Industrie, der preus- sische Staat diese Sammlung nicht erwirbt und etwa zulässt, dass sie zersplittert werde oder gar ins Ausland wandere - so schlage man in Zukunft jeden preussischen Mann als einen Schwärmer ans Kreuz, oder stecke ihn in eine Strafcompagnie, der je wieder auf den Gedanken kommen sollte, wie Minutoli, sein Lehen, seine Kraft und seine Mittel einem vaterländischen Zwecke zu widmen! — Alle bisherigen Ankaufsverhandlungen von Seiten des Staats haben sich zerschlagen. Ich will nicht fragen, warum — üheraeugt, dass hier das Wort der G. Sand nicht gilt: Alles verstehen, heisst Alles ver- zeihen ! Um die umfassende Bedeutung und Eeichhaltigkeit der Samm- lung hier kurz zu charakterisiren, theile ich folgendes mit: Kach dem Urtheil Lühke’s ist die Sammlung mit feinem Geiste und sicherm Kennerblick zusammengehracht, sehr reich an Vorbil- dern aus der Eenaissance - Periode , mit ebenso grosser Einsicht und Sachkenntniss geordnet und dem Studium angepasst, ist einzig in ihrer Art und ein Muster für die Einrichtung ähnlicher Institute, deren Yortheile für die künstlerische Hebung des Geschmacks man nicht hoch genug anschlagen kann. Da die ernstem Bestrebungen in Kunst und Gewerbe sich he- 208 Dritter Theil. rühren, so konnte es nicht fehlen, dass auch Gegenstände Aufnahme fanden, welche fast ausschliesslich dem Kunstgehiete angehören. Dies war nicht hlos mit Werken solcher Meister der Fall, die gleichzeitig als Gewerh treibende und Künstler gross waren, wie Benvenuto Cellini, Luca della Kohhia und seine Söhne, Johann von Bologna, Fischer, Laudin, Oudry etc., sondern auch hei den Arbeiten anderer noch grösserer Meister, die durch ihr Streben auf die Kichtung des Geschmacks von weit entschiednerem Einflüsse waren, wie Raphael, Giulio Romano, Michael Angelo, Ber- nin i, Luca Giordano, und im Korden die Kunstgenossen in Kürnberg, am Rhein und in den Niederlanden, Männer, die es nicht verschmähten, wenngleich Künstler ersten Ranges, der Veredelung der Technik das lebhafteste Interesse und ebenso lebendige Thätig- keit zuzuwenden, (cf. d. skizzirten Catalog für die Besucher.) Die sämmtlichen Gegenstände, etwa 19,000 an Zahl, sind in 19 Zimmern aufgestellt und zerfallen in folgende Classen: I. Abth.: Sammlung von Erzeugnissen der Töpferei und Thonbild- nerei bei den alten Völkern, im Mittelalter und in der neuern Zeit bis zum Ende des vor. Jahrhunderts. Antike Werke in gebranntem Thon und Terracotten; mittelalter- liche und moderne Terracotten; deutsche Ofenindustrie; Gefässe- Töpferei des classischen Alterthums, vorchristliche Gefässe des Nordens; Gefässe - Töpferei des christlichen Mittelalters und der Renaissance, Majoliken, Fayencen; die Porzellan - Industrie ; orienta- lisches Porzellan, europäische Porzellan -Industrie (Böttcher Por- zellan, Meissner Porzellan, Figuren und Prachtgefässe , Biskuite, Berliner Porzellan etc.); Arbeiten von Wedgwood & Turner. II. Abth.: Sammlung von Erzeugnissen der Industrie in Stein, Stuck etc. Antike Werke der Skulptur und Architectur, sowie Mosaik- Arbeiten in Stein (Gemmen, Cameen, Muschelschnitt etc.); mittel- alterliche und moderne Arbeiten in Stein; die Bearbeitung der Steine durch den Meisel, durch Schleifen, Schneiden, Bohren und auf der Drehbank. III. Abth.: Sammlung von Erzeugnissen der Metall - Industrie bei Die Notwendigkeit der Kunst-Industrie-Förderung in Preussen. 209 den alten Völkern, im Mittelalter und der Renaissance kis zum 18. Jahrhundert. Arbeiten in Eisen; Arbeiten in Kupfer, und dessen Legirungeii und zwar: der Giesser, Ciseleure, Graveure, Stecher, Vergolder, in Bronce, Glockengut, Messing und andern Legirungen. (Werke des classischen Alterthums in Bronce, mittelalterliche und moderne Bronce-Sculptur; florentiner Bronce, arabische, orientalische und Renaissance-Arbeiten); Arbeiten in Zinn, Blei und Legirungen; Ar- beiten in Gold; Arbeiten in Silber; Arbeiten von Metall mit Emailli- rung und Malerei (byzantinische Emaillen auf Kupfer, Limousinen etc.) IV. Abth. : Sammlung von Erzeugnissen der Glas-Industrie der alten Völker von der Erfindung des Glases her, aus dem Mittel- alter bis in die neueste Zeit. Aelteste Arbeiten der asiatischen Völker, der Egypter, der Griechen und der Römer; bearbeitete Gläser, Tafeln, Bekleidungen von Kunst- und Arcbitectur- Werken; Purpurin und Hämatinon, Millefior-Schmucksteine; Glasmosaiken; künstliche Glasarbeiten (Ko- rallen, Gemmen, Cameen etc.); Kunstwerke in Glas; Glasarbeiten aus dem Mittelalter und der Renaissance-Periode bis in die neuere Zeit; die Kunstglasscbneiderei auf ihrem Höhepunkt: Augsburger, Nürnberger u. a. Kunstgläser, Venetianen etc., Glasblumen. V. Abtheil..: Die Erzeugnisse aus vegetabilischen und animalischen Stoffen. Die Arbeiten der Weber, Kunstwirker etc. von den frühesten Zeiten bis zum 19. Jahrhundert; antike Weberei (Byssus); Tapisserie- Stickerei, W^appen-Stickerei des 16. Jahrhunderts in Seide, Gold- und Silbermalerei; Weberei in Leinen, Seide; Stoffe aus Wolle und Ar- beiten mit Gold- und Silberdraht; orientalische Seidenweberei; die Arbeiten der Illuministen und Miniatur-Maler auf Pergament, Papier und Elfenbein; Sculpturen in Elfenbein, Knochen, Perlmutter, Bern- stein etc.; Lack- und Lederarbeiten u. s. w. VI. Abth.: Die Erzeugnisse der Kunsttischlerei, Marquetterie und Ebenisterei, der Holzornamentik und Bildnerei, des Stempelschnitts etc. VII. Abth.: V7erke der Kunst. Schwabe, Kunst-Industrie. 14 210 Dritter Theil. Werke der Oelmalerei; Originalgemälde ans allen Schulen; Werke der Miniatur -Malerei ; Werke der Sculptur in Stein, Metall, Holz, Elfenbein, Wachs u. s. w. — Was andere Staaten mit den grössten Opfern und nach jahre- langer Arbeit erstrebt, das wird in dieser Sammlung dem preussi- schen Staate fertig und in vollendeter Form geboten. Dazu kommen noch 3. Die reichen Schätze der Königl. Museen und der Bibliothek für das Gebiet der Kunstindustrie. Zu nennen sind hier namentlich: a. Die reichhaltige Vasensammlung, bestehend aus etwa 2000 Stück antiker Thongefässe, als korinthische, etruskische, archä- ische, campanische, grossgriechische , etrurische u. s. w. Man hat aus der ganzen Vasensammlung die Musterformen ausgewählt und in einem Zimmer zusammengestellt, welches in der That die Augen jedes Beschauers gefangen nimmt. b. Die Gemmensammlung, eine der reichsten und vorzüg- lichsten, etwa 5000 Gegenstände enthaltend. c. Die Münzsammlung (90,000 Stück in Gold, Silber und Erz und 20,000 Münzpasten). Von den 40,000 Stück antiken Münzen sind etwa 1100 Musterstücke in Schautischen aufgestellt, welche eine sehr vollkommene Illustration zur Geschichte der Münz- und Prägekunst und der Kunst im Allgemeinen geben. Fast sämmtliche Münzländer sind repräsentirt. d. Die Sammlung antiker und mittelalterlicher Metall- Arbeiten in Gold, Silber, Bronce, Blei und Eisen. Die Sammlung enthält 300 Gegenstände in Gold und Silber und 3000 in Bronce und geringeren Metallen, beinahe ausschliesslich von den classischen Völkern des Alterthums herstammend. e. Die architectonischen Modelle. f. Die Möbel und geschnitzten Kunstsachen. g. Die antiken u'xid mittelalterlichen Terracotten und sonstigen plastischen Gegenstände, welche namentlich viele italienische Arbeiten aus dem 15. und 17. Jahrhundert von della Eobbia, Michel Angelo, Benvenuto Cellini u. s, w. enthalten. Die Nothwendigkeit der Kunst-Iiidustrie-Förderung in Preussen 211 h. Die Majoiica-Sachen, etwa 600 Gegenstände, darunter die vorzüglichsten, die üheraupt auf diesem Gebiete erzeugt wor- den sind. i. Die Gläser (etwa 300 Stück) enthaltend Geräthe und Ge- fässe von buntem Glas (Rubingläser, Yenetianische Milchgläser und Millefiori) und weissem Glas, mit Repräsentanten aller wichtigen Momente der Glasfabrication. k. Die Emaillen namentlich aus Limoges. l. Die reichen und kunstvollen Elfenbeinschnitzereien. — Die bisherige kurze Charakteristik der in Preussen bereits vor- handenen Bausteine zu einem Centralinstitut für die industrielle Kunst möge genügen. Wenn wir im II. Theil dieser Schrift das Kensington - Museum schilderten, anerkannt bis jetzt das vollendetste und bewährteste Institut für das Gebiet der Kunstindustrie ; wenn wir die grossartigen und energischen Anstrengungen der Engländer zu charakterisiren ver- suchten, durch welche sie dieses Institut innerhalb eines Decenni- ums erstehen Hessen — so wird man nicht ohne nationales Selbst- gefühl aus den vorhergehenden Notizen die Thatsache ersehen, dass in Preussen der Kunstsinn Könige und Bürger schon längst dazu getrieben hat, für die Nation Institute zu schaffen, welche nur der ordnenden und organisirenden Hand eines Mannes bedürfen, der mit den Bestrebungen der Industrie hinlänglich vertraut und von dem Ideal der Kunst genugsam durchwärmt ist, um für die drängenden Forderungen der neuern Zeit eine Anstalt aufzubauen, welche die Industrie mit der Kunst vermählen soll. lY. Die sittliche Seite der Frage. Zum Schluss sei noch eine segensreiche Wirkung von Industrie- Kunstschulen und Museen erwähnt, welche in socialer Beziehung von Wichtigkeit ist, darin bestehend, dass sie die schädlichen Wir- kungen der Arbeitstheilung auf dem Gebiete der Industrie vielfach paralysiren. Schiller berührt diesen Punkt in seinen Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen. Er sagt dort, dass der Con- 14 "^ 212 Dritter Theil. trast uns in Verwunderung setzen müsse, der zwischen der heutigen Form der Menschheit und zwischen der ehemaligen, besonders der griechischen angetroffen werde. Dem Griechen habe die Alles ver- einende Natur seine Formen ertheilt; hei uns präge der Alles tren- nende Verstand dem Individuum seinen Typus auf. Unsere gesell- schaftlichen Zustände verlangen, dass jedes Individuum eine Seite aushilde, sich auf einen Punkt concentrire, wenn auch dabei viele andere Anlagen verkümmern. Daher kommt unsere Einseitigkeit im Empfinden, Denken, Handeln. Keiner ist mehr ein ganzer Mensch, wie der alte Grieche, jeder ist nur der Ansatz zu einem Menschen. Dies hängt mit der Arbeitstheilung zusammen, weiche verhin- dert, dass der Einzelne etwas Ganzes fertige; sie zerlegt das Ganze in lauter einzelne Theile, weist Jedem solch’ einen Theil zu, ihn verurtheilend, immer nur dies Einzelne zu fertigen. Ewig nur an ein kleines Bruchstück des Ganzen gefesselt, wird der Mensch selbst eine Art Bruchstück ; ewig nur das Geräusch des Bades, das er um- treibt, im Ohr, entwickelt er nie die Harmonie seines Wesens, und anstatt die verschiedenen Anlagen und Seiten seiner Natur auszu- prägen, wird er blos zu einem Abdruck seines Geschäfts. Daher spricht man von Aktenmenschen, von Haudegen, von Maschinen, von Zahlenmenschen u. s. w. Es ist zweifellos, dass die Theilung der Arbeit, so nachtheilig sie auf den Einzelnen wirkt, doch die Menschheit im Ganzen mäch- tig vorwärts bringt. Da aber kein Mensch bestimmt sein kann, über irgend einen Zweck sich selbst zu versäumen, so muss es bei uns stehen, die Harmonie in unserem Wesen wiederherzustellen. Als Mittel zu diesem Zweck empfiehlt Schiller die Kunst. An ihren unsterblichen Mustern, an ihren Wirkungen, an ihren Lehren könne sich der Mensch wieder erheben. Und in der That, wie die Schönheit der Natur und ihre Grösse sich vor des Menschen erquickten Sinnen nicht entfalten kann, ohne seinen Geist zu erwei- tern und zu erhöhen, so scheint auch den Wirkungen der Kunst etwas Göttliches beigemischt zu sein, das für den menschlichen Geist gleichsam zum geweihten Amulet wird und ihn vor allen schädlichen Wirkungen der körperlichen Welt beschützt. Es ist Die Nothwendigkeit der Kunst-Industrie-Förderung in Preussen. 213 von tiefer Bedeutung, dass die griechische Sprache „schön und gut”, wie zusammengehörige Zwillingsgeschwister, immer verhunden anführt. Seit Plato über das xaXov x^aya^ov philosophirte, haben sich beide Begriffe immer fester verbunden, und immer noch könnte Sokrates Gebet, am Ende des Phädrus, auch unser Gebet sein: „Guter Pan! und ihr andern Götter dieses heiligen Ortes! Gewährt mir, dass mein Inneres schön, und mein Aeusseres dem Innern har- monisch sei. Reich ist nur der Weise. Geldes sei mir nur soviel beschert, als dem Massigen genügt. Sollen wir noch um etwas An- deres bitten, ihr Freunde? Mir ist dieses Gebet hinreichend.” Schiller hat diese Wirkung der Kunst in seiner Abhandlung „über den moralischen Mutzen ästhetischer Sitten” zur Genüge nach- gewiesen. Er schreibt der Kunst das Verdienst zu, zur Beförderung der Sittlichkeit beizutragen; sie fördert Mässigung und Anstand, sie verabscheut Alles, was eckig, was hart, was gewaltsam ist und neigt sich zu Allem, was sich leicht und harmonisch zusammenfügt. Er meint, die Kunst sei ein ähnlicher Anker für das Schiff des Lebens, wie die Religion; man unterlasse daher nicht, das Wohl des Menschengeschlechts zur grössern Sicherheit an diesen starken Anker zu befestigen. 214 A. Handwerker, deren Gewerbebetrieb- eine künstlerische Ausbildung Berufsarten. Meister Ge- sellen Ge- hilfen und Lehr- linge Gesel- len, Ge- hilfen u. Lehr- linge zu- sammen Töpfer, Ofenmacher, Verfertiger von irdenen Waaren 125 397 84 481 Glaser, Glasschleifer etc 277 210 69 279 Zimmer-, Schilder-, Rouleaux-Maler, Vergolder, Staffirer, Stuckateure, Goldrahmen- und Goldleistenmacher 706 956 210 1166 Wagenbauer 13 ■— — 65 Schiffbauer und Schififszimmerleute . . 9 — — 64 Schlosser, worunter auch Zirkel-, Zeug-, Messer- und Büchsenschmiede, Spo- rer etc 771 2910 583 3493 Waffenschmiede- und Schwertfeger . 11 21 4 25 Gürtler, Bronzeure, Neugold- und Neusilberarbeiter etc 244 434 160 594 Klempner in Blech und Zink .... 438 686 274 960 Zinn- und Bleigiesser 31 44 14 58 Gold- u. Silberarbeiter u. Bijoutiere 292 378 96 474 Steinschneider , Petschaftsstecher , Graveure 127 141 Mechaniker für mathemat., optische, physikalische u. a. Gegenstände . 147 372 Chirurgische Instrumentenmacher und Bandagisten 42 62 Verfertiger musikalischer Instrumente aller Art 163 _ _ 474 Latus 3396 6036 1494 8708 *) Nach den Resultaten der „Handwerkertabelle’’ für Berlin, Auf- nahme V. 1861, da 1864 eine Aufnahme der Handwerkertabelle nicht statt- gefunden hat. 215 Berufs arten. Meister Ge- sellen Ge- hilfen und Lehr- linge Gesel- len, Ge- hilfen u. Lehr- linge zu- sammen Transp. 339G 6036 1494 8708 Klein- und Grossuhrmacher, Uhrge- häuse- und Zifferhlattmacher . . . Gold-, Silber- u. Seidensticker, Blumen- 217 187 90 277 und Paramentenmacher etc 153 — — 676 Tischler, Stuhlmacher, Möbelmacher Verfertiger grober Holzwaaren, Leis- 1948 4507 1219 5726 ten, Mulden etc 27 — — 14 Korbwaarenmacher Tapeziere^ Decorateure und Polster- 179 235 102 337 waaren-Arbeiter 301 334 126 — Drechsler aller Art Verfertiger von Spiel- und feinen 388 641 225 866 Holzwaaren 4 — — 6 Maler aller Art, Photographen etc. . 382 — — 353 Kupferstecher, Hornstecher, Horn- - schneider 50 — — 58 Verfertiger von Steinpapp-, Papp- waaren und Gypsfiguren u. dgl. . Architecten, Bildhauer, Erzgiesser, 48 — — 124 Ciseleure, Galvanoplastiker und an- dere der bildenden Kunst Angehörige 717 _ 514 Summa 7870 11940 3250 17059 216 B. Arbeitspersonal in Fabriken und vorherrschend für den Grosshandel beschäftigten Gewerbsanstalten , deren Arbeit eine künstlerische Ausbildung voraus setzt.*) Zahl der Direc- tions- Arl beiter Fabriken. Anstal- perso- männ- weib- ten nal liche liche Fabriken für Seidenwaaren, Sammt- und Seidenband 25 40 808 305 Fabriken für Sliawls 50 103 1892 774 „ ,, Teppiche 3 6 158 52 „ „ Wachstuch n.Wachstaffet 9 15 122 18 „ ,, Maschinen 67 180 5132 1 „ „ Eisenbahn- n. a. Wagen 21 42 1377 — „ „ Stahl- u.Schneidewaaren 7 8 51 — Eisengiessereien und Fabriken für Heiz- apparate 9 14 133 — Gold- und Silberwaaren-Manufacturen, desgl. imitirte Gold- n. Silberwaaren 23 43 515 196 Fabriken von Heugold und Heusilber, desgl. von plattirten Waaren . . . 4 18 310 39 Glasschleifereien und Polirv/erke . . 5 8 27 4 Porzellan-Fabriken 4 8 703 64 Steingut-Fabriken etc 9 14 499 — Fabriken für Möbel, Holzleisten und Holzschnitzarbeiten 16 28 305 75 Fabriken für Waaren aus Bein, Elfen- bein, Horn, Schildpatt etc 7 21 HO 18 Gummi- u. Guttaperchawaarenfabriken, Fabrik f. Lederwaaren, Portefeuilles, Albums etc 56 67 485 177 Steinpapp- n. Papiermache-Fabriken 13 14 89 13 Fabriken für lackirte Waaren von Me- fall, Holz u. Holzmasse, sowie f. Lampen 22 49 471 22 Fabriken für Steinwaaren (Marmor etc.) 2 4 58 — Summa 352 682 13245 1758 Nach den Ergebnissen der „Fabrikentabelle” für Berlin, Aufnahme V. 18 Gi, da dieselbe 1864 nicht aufgenommen ist. 217 C. Zahl derjenigen Meister und Fabrikanten, deren Gewerbsbetrieb eine künstlerische Ausbildung’ voraussetzt.* *) Alabasterwaarenfabrikanten 2 Atrappenfabrikanten 2 Baumeister , . 100 Bernsteinwaarenfabrikanten 3 Bildhauer 250 Blumen- und Putzfedernfabrikanten 130 Broncefabrikanten . . 40 Buchbinder, Galanterie- und Lederwaarenfabrikanten . . . 700 Scbablonenfabrikanten 20 Ciseleure 60 Drechsler in Holz und Horn 350, Kunstdrechsler . . 35, Metalldrechsler . 55 440 Eisengiessereien 25 Feine Eisengusswaarenfabriken 10 Eisenwaarenfabriken 1 Emailleurs 20 Former in Gyps 30 Teppichfabrikanten 30 Formenstecher 25 Fabriken galvanoplastischer Waaren 25 Fabriken für Gasbeleuchtungsobjecte 80 Gelb- und Eothgiesser 60 Glas- und Steinschneider 40 Glockengiesser 10 Goldleisten und Bilderrahmenfabrikanten 90 Goldschmiede, Juweliere etc 550 Gold- und Silberwaarenfabriken 10 Gold- und Silbersticker 30 Grabdenkmalfabrikanten 25 Graveure, Wappenstecher, Steinschneider 250 Gürtler und Bronceure . • 300 Gummi- und Gutta-Percha-Waaren-Fabrikanten 60 Latus 3418 *) Xach dem Wohnungsanzeiger von Berlin pro 186G zusammengestellt. 218 Transp. 3418 Holzschneidekünstler Klempner nnd Blecliwaarenfabrikanten 600 Knopffahrikanten 140 Fabrik für plastische Kohle 1 Korbwaarenfabrikanten 20 Korkschneidekünstler 5 Kunstgiesser 30 Kupferwaarenfabrikanten 80 Kupfer- und Schriftstecher 80 Lampenfabriken 100 Lithographische Anstalten 200 Maler Rouleaux-Maler .... 40 Schilder- u. Blech-Maler 260 Stubenmaler 500 .... 800 Maschinenbauer 150 Mechaniker und Optiker 300 Metallwaarenfabrikanten 40 Modelleurs 60 Möbelfabriken 250 Neusilberfabriken 30 Orgelbauer 20 Pappwaarenfabrikanten 30 Perlmutter- und Elfenbeinwaarenfabrikanten 10 Photographen 225 Porzellanmanufacturen 5 Kouleaux-Fabriken 30 Spiegel-Fabriken 60 Stahlwaarenfabriken 40 Stuccatur- Arbeiter . 68 Tapetenfabriken 50 Thonwaarenfabriken 3 Tischler 2500 Ofenfabrikanten 160 Uhrgehäusemacher 12 Wachstuchfabriken . 20 Summa 9537 Verlag von I. Guttentag in Berlin. Guttentag & Vahlen. Druck von J Drteger’s Buchdruckerei (C. Feicht) in Berlin. m:;,: :'