A°+ . u •*' ,v 4°* .»• s ++ 69* lV W ;* . •« ^.dttfc.%* ^»'A*i:./^ **oHte.V ^ 1 ^ ^ (V £% %^ ^* J? % -.-«-■»• 4 4o*. *°*K V^NR*' ^°' V3*V • ** .'ttta %.c/ .•&££. ^^ Linguistische I1ITIISDGHDHGKI Von »r. A. Schleicher , Privatdocenten an der rheinischeo Friedrich-Wilhelms Universitat in Bona. If. £^« Bonn, H. B. Koni g. 18 5 0. Die HtlCHi EUROPAS in sjstematischer Uebersicht Vou -/ A. Scltleiclier. ^<^ den sogenannten Ras- sen zusammenfallen. So umschliesst z. B. die lurkische Sprachfamilie zwei Rassen, die kaukasische (europaische) und mongolische; der mit dem Magyaren spracblich nah verwandte Lappe zeigt einen wesentlich von diesem ver- schiedenen korperlicben Typus u. s, w. Diese Erscheinung findet ihre firkiaruug nur in dem Einflusse klimatischer Verhaltnisse uud der verschiedenen Nahrung und Lebens- weise iiberhaupt, die auf die Korperbeschaffenheit starker einwirkeu als auf die Sprache, nicht aber in einer voraus- zusetzenden Mischuug mit andern Racen und einem Aus- grammatische System io umfassender analysirender Darstellung uod ist daher fiir den Linguisten vom grossten Xnteresse. *) Friiher betrachtete man noch mehrere Sprachen — Celtisch, Albane- sisch, Finnisch — als Aboriginersprachen, die sich jetzt nach genau- erer Untersuchung den grossen Sprachstammen angereiht haben. 37 tausche der Sprachen*). Abtheilungen z. B. der turkischen Sprachfamilie, welche dem nomadischen Leben treu blieben (Kirgisen) bewahrten auch den sog en a lint en mongolischen Typus, wahrend jene Tiirken, die unter einem mildereu Kliina eiiio veranderte Lebensweise einschlugen (Osman- ]\s, Kasanische Tataren) jenen Typus fast ganz mit dem curopaischen vertauschten* Was den geschichtlichen Verlauf der Sprachen Eu- ropas betrifft, so ist derselbe im Allgemeineu nur bei den indogermanischen Sprachen zu verfolgen, wiewohl auch hier sich Sprachen finden, deren friihere Gestaltung uns unbekaunt ist; bei den nicht indogermanischen Sprachen Europas fehlen die Documente aus aiterer Zeit> Nur die fleet irenden Sprachen, Indogermanisch und Semitisch waren bisher die Trager der Weltgeschichte; wie diese Sprachen im Gebiete der Sprachen, so stehen die sie redenden Na- tionen im Vergleich mit dem Reste der Menschheit eiit- schieden auf der hochsten Stufe; daher hier das Vorhau- densein einer Litteratur aus aiterer Zeit, die den nichtflec- tirenden Sprachen Europas abgeht. Die fblgende Beschreibung der Sprachen selbst bildet zugleich einen Kommentar, giebt Belege und Beispiele zu dem, was in der Einleitung iiber das Wesen der Sprachen im Allgemeineu gesagt wurde. Es liegt nun aber im Begriff einer systematischen Uebersicht, dass sie nurCoordi- nirtes euthalte, das Nebeneinander nicht aber das Nachein- ander darstelle; denn diess ist ja eben der Unterschied des Systems von der Geschichte, dass Letztere das Nacheiu- ander zum Objecte hat, gleichsam den Gegenstand im Lan- gendurchschnitte zeigt, wahrend das System nur das ne- beneinander Liegende zu ordnen hat ; gleichsam den Quer- durchschnitt ausTuhrt, Geben wir also ein System der *) Prichard, Naturgesch. d. Menschengeschl. II. Bd. 3te Abthl. p. 433 ff. 38 Sprachen Europas wie sie jetzt vorliegen (man konnte ebenso eine andere Zeitepoche ziim Gegenstande einer systematischen Darstellung machen), so ist streng genom- men das Ges-chichtlichtydie friiheren sprachlichen Entwicke- lungen, ausgeschlossen. Die sogenannten todten Sprachen gehoren nicht in eine systematische Darstellung der jetzi- gen Sprachen welt. Indessen ist unter den Sprachen , die friiher waren und nicht mehr sind, sogleich ein bedeutender Unter- schied bemerkbar, den man gewohnlich zu ubersehen scheint. Entweder namlich haben sich jene Sprachen der Vorzeit nur verandert, und leben in dieser vcranderten Gestalt noch fort — so ist z» B. das Latein, das Griechi- sche keineswegs ausgestorben , erloschcn, beide Sprachen leben noch in den romanischen Sprachen und dem Neu- griechischen fort; oder sie sind, wie z. B. das preussische Letlisch, das polabische Slawisch, das Celtisch von Corn- wales wirklich durch von ihnen verschiedene Sprachen (deutsch und englisch) verdrangt und so wahrhaft ausge- storben. Diese letzten Sprachen konnten ebensogut noch jetzt leben, nicht organisches Werden hat sie veriindert, sondern sie sind geradezu ohne iunere Nothwendigkeit durch aussere Gewalt getodtete Sprachindividuen. Das Er- loschen dieser Sprachen fallt iiberdiess in die neuere Zeit, ihnen gebiihrt daher ein Platz im Systeme, denu sie sind ihren noch Iebenden Schwestersprachen durchaus coordiiiirt; dass sie nicht mehr neben ihnen leben, ist zufallig. Ganz auders jene Sprachen, die nur in andere Entwickelungs- phasen iibergetreten sind (Grieckisch, Latein u. a.). Ihnen ist ihre jiingere Descendenz subordinirt und sie gehoren nicht in die systematische Darstellung des jetzigen Sprach- bestandes. Soweit diese Sprachen Stammmutter der Fa- milien sind, (wie z. B. das Latein die der romanischen Sprachen) sind sie da zu behandeln, wo von der be- treffcnden Familie im Allgemeinen die Piede ist, sind sie 39 nur altere Phasen einzelner Sprachformen (z. B. althoch- deutsch und mittelhochdeutsch), so mogen sie mit ihrer jetzigen Form zuglcich Erwahnung finden. Die Eintheilung, nach wclcher die Sprachen hier be- handelf werden, ist bereits wenigstens in [ihren Umrissen erortert worden. Da nun innerhalb der Granzen unseres Wcltthcils kein Bcispiel einer einsylbigen Sprache vor- kommt, zu einer irgcnd deutlichen Vorstellung vom Wesen der Sprache aber ohne Kenntnissnahme dieser Sprachforni nicht gelangt werden kann, so sehe ich mich genothigt, in diescrn cinzigen Falle die Granzen Europas zu iiberschrei- ten und die ch.inesische Sprache in den Kreis dieser Dar- stellung hereinzuziehen. Meine Absicht^ durch eine ge- drangte Analyse einzelner Sprachen das in der Einleitung irn Allgerneinen Gesagte zu erlautern und mit Beispielen zu versehen, wiirde bci einer Beschrankung auf die euro- paischen Sprachen ganzlich verfehlt werden, da eben Eu- ropa nicht Reprasentanten aller drei Sprachklassen aufzu- weisen hat, in welchen dreien zusammen nur das Wesen der Sprache zur Erscheinung ko mmt. Europa und Asien dagegen bilden zusammen ein Ganzes, das von jeder Ilaupt- abtheilung im Systeme der Sprachen Proben aufzuvveisen hat. Beide ; Welttheile stehen einander, wie schon erwahnt, sprachlich so nahe , dass bei den europaischen Sprachen auf ihre asiatischen Verwandten immer einige Riicksicht zu nehmen sein vvird. Von diesen hoheren Sprachformen Europas kann man aber, wie gesagt, nur ein Urtheil durch Vergleichung mit den auf der Scala sprachlicher Entwicke* lung tiefer stehenden Sprachen sich bilden, wir lassen da- her als letztes Kapitel der Einleitung eine kurze Beschrei- bung des Baues der chinesischen Sprache folgen. 40 A. Einsyibige Sprachklasse. VI. Cliinesisehe Spa*ac9ie. *') Dera Europaer, wie jedenr, dessen Muttersprache eine holier organisirte ist, wird es schwcr, sich in das Wesen der chinesischen Sprache hineinzudenken, so gross ist der Abstand zwischen dieser Sprache und den Flexions- sprachen; wir werden daher das Chinesische ^besonders ausfiihrlich behandeln und den Bau desselben durch Sprach- proben anschaulich zu machen suchen. Die allgemeinsten Umrisse dieser Sprache sind bereits da gegeben, wo von der einsylbigen Sprachklasse die Rede war, hier haben wir nur das dort im Allgemeinen Gesagte an einer ge- gebenen Sprache nachzuvveisen und an einem concreten Sprachbilde deutlich vor Augen zu fuhren. Die chinesische Sprache, als eine Sprache, welche nur die Bedeutung lautlich ausdriickt, ist vor Allem demnach eine einsyibige Sprache. Ihre Worte sind ungegliederte Einheiten und diess Prinzip der strengen Einheit des Wor- tes ist in so consequenter Weise durchgefuhrt, dass nur die einfachste Gestaltung, die eine Sylbe iiberhaupt haben kann, in der Sprache zugelassen wird, namlich die Ver- bindung eines anlautenden Consonanten mit einem voca- lischen Auslaute**). Der anlautenden Consonanten zahlt *) Anfangsgriinde der chinesischen Grammatik von Stephan E n d- 1 i cher. Wien 1845. Dieses Werk ist besonders bei der folgenden Darstellung benutzt worden. De Guignes, dictionoaire chinois francais et latin (compose par B. de Glemona) Par. 1813. fol. (enth. 13,316 Schriftzeichen) mit einem uneotbehrlichen Supplement par J. de Klaproth. Paris 1819. Folio. Morrison, a dictionary of the Chinese language in three parts 4°. Macao 1815 — 23. **) Nur das besonders in der Bedeutung «und» haufige Wort eul (nach franzosiscber Orthographie) von anderen (Morrison) auch 41 die einheimische Grammatik 36, die sich abeiy da manche Laute dem indischeii Systeme zu Liebe doppelt gerechnet zu sein scheinen, auf eine bedeutend geringere Zahl wirk- lich verschiedeuer Laute reduciren lassen. Nur ein Con- sonant kann das Wort beginnen,Consonantengruppen kennt die Sprache nicht (tsch u. andere Assibilatcn gelten, so wie die Aspiraten, als einfache Consonanzen). Manche mis sehr gelaufige Consonanten fehlen im Chinesischen, so r, d. b u. a. Mannigfaltiger sind die Auslaute, da neb en einfachem Vocale auch Diphthonge vorkommen und diesen noch ein i oder u oder beides zugleich vorgeschlagen, iiber- diess der . auslautende Vocal auf zweifache Art nasalirt werden kann* So entstchen Auslaute wie — in an, — iang, — iao u. s. f. Bei weitem nicht alle Combinatiouen der Anlaute und Auslaute kommen iudess in der Sprache wirk- lich vor, so dass diese selbst, rein phonetisch aufgefasst, nur aus vierhundert und fiinfzig Lautverbindungen besteht, Durch den gesangahnlichen Accent (man unterscheidet fiinf Arten der Betonung), der im Chinesischen eine mehrfache Aussprache jeder Sylbe moglich macht, vvird allerdings die Zahl der Worte bedeutend erweitert, allein nicht jedeLaut- verbindung ist aller dieser Bctonungen fahig, so dass auch so der Wortvorrath der chinesischen Sprache, so weit er pho- netisch vernehmlich ist, ein sehr geringer geiiannt werden muss. Dass auf diese Weise eine einzige Sylbe oft sehr viele Bedeutungen in sich vereinigen muss, leuchtet ein; der Zusammenhang muss im Chinesischen nicht nur immer die Beziehung, sondern auch oft die Bedeutung an die Hand geben. Wie die gesprochene Sprache, die Umgangssprache, die durch die grosseArmuth des Sylben- (Wort-) vorrathes urh geschrieben , macht eioe Ausnalune vod diesem Gesetze; es scheint dieses Wort nach den Beschreibungen efcvva wie ein gut- turales 1 (4- der Polen) mit einem dunkeleo Vokalvorschlage aus- gesprochen zu werden. 42 bedingte Undeutlichkeit zu heben sucht^ werdeu wir spater zu besprechen haben; in der geschriebenen Sprache musste , falls die Schrift eine rein phonetische ware, die Vieldeutigkeit der Worte dera Verstandnisse ein in vielen Fallen unubersteigliches Hinderniss in den Weg legen. Nur Sprachen, bei denen das Princip herrscht, dass die Verschiedenheit der Bedeutung einer Verschiedenheit im Laute entspreche, Sprachen, die keine, oder doch nur aus- nahmsweise Homophonieen haben, konnen eine phonetische Schrift besitzen uud bediirfen einer solchen ; Sprachen da- gegen, wie die chinesische, bei denen eine einzige Sylbe sehr vieldeutig ist, wiirden, phonetisch geschricben, in vielen Fallen rein unverstandlich sein. Die Sylbe tscheu z. B. bedeutet u* a. SchifF, Wasserbecken, Deichsel, Flaum, Pfeil, Seidendecke, eine Pflanzenart u. s. w. u. s. w. Selbst der Zusammenhang wiirde hier sehr haufig nicht ausreichen, um zu entscheideu, in welcher Bedeutung jenes Wort zu neh- men sei. Die chinesische Sprache kann also gar keine Buchstabenschrift , keine rein phonetische Schrift haben ; ihre Schrift muss eine solche sein, welche vor Allem den BegrifF, die Bedeutung an die Hand giebt. Ursprunglich war denn audi die chinesische Schrift eine reine Bildei schrift, die erst spater auch den Laut neben der Bedeutung wenigstens einigermassen zu beriicksichtigen anting. Fur jede Bedeutung besitzt sie ein besonderes Zeichen, die Schrift ist also durchaus verstandlich und be- stimrat; derselbe Satz, der gesprochen vielleicht eine Menge von Deutungen zulasst , wird geschrieben nur einer eiuzi- gen fithig sein, weil fur jede der vielen Bedeutungen, die eine Sylbe haben kann , die Schrift ein von den anderen uuterschiedenes, ein eigenes Zeicheu besitzt. Die chinesische Schrift besitzt an 50,000 Schriftzeichen, die aber bei Weitem nicht alle in gewohnlichem Gebrauche sind. Beim Schreiben setzt man sie perpendikular unter einander, diese Reihen folgen sich von der Rechten zur 43 Linken. Die Schriftzeichen sind \, reine Bilder, also Be- griffs- und Laulzeichtn zuglcich, wie z. B. w Sonne; W Mond; ®j!) (Sonne und Mond combinirt) Glanz; Ivl (Thiire und Ohr) lauschen; — oben; * unten, Y Mitte; — Eins; — Zwei; i links; J rechts; vS (ein sehr schielendes Auge, in dem man fast "nur das Weisse sieht), weiss ; ^^ (die zwei Klappen einer Muschel), Freunde u. s. w. Diese, in der altesten Gestalt noch wohl erkennbaren Figuren haben sich jedoch im Laufe der Zeit sehr verandert, so dass sie in der heutigen Schrift meist nicht raehr zu erkennen sind; den mitgetheilten Bil- dern z. B. entsprechen die heutigen Schriftzeichen: O ji (nach franz. Aussprache) Sonne; s\ iue Mond; H ming Glanz; I^J we'tthoren; -C seining oben, |* hia unten, T cung Mitte; — t Eins; eul Zwei; / -^~ tso links; 'P y'eu rechts; W pe weiss ]PR p^eng Ge- sellen ; 2, besteht die. chinesischc Schrift, und zwar gross- tentheils , da die reinen Bilder ungefahr nur ein Dreissig- stel der Schriftzeichen ausmachen, aus sogenannten Schrift- characteren, d. h. Zeichen, welche zusamraengesetzt sind aus einem Lautzeichen (phonetisches Element) und aus einem Begriffszeichen (ideographisches Element), durch w T elches letztere der dem Laute zukommende Begriff be- stimmt wird* Auch zu Begriffszeichen vverden Bilder ver- wendet, so dass also die Schriftcharactere aus zwei Bildern bestehen, von denen jedesfur sich genommen eineh bestimmten Gegenstand darstellt und eiuen bestimmten Laut bezeichnet, 44 also sowohl Begriffszeichen als Lautzeichen ist. In der Zusammensetzung aber verliert jedes dieser Bilder einen dieser beiden Werthe, das eine giebt den Werth als Be- griffszeichen auf und dient nur als Lautzeichen (phoneti- sches Element) wahrend das andere aufhort ein Lautzeichen zu sein, und allein seinen Werth als Begriffszeichen (ideo- graphischcs Element) beibehalt. Das oben erwahnte vieldeutige Wort tscheu z. B. wird nur in der Bedeutung Schiff mit cinem Bilde geschrieben: ft welches also zugleich Laut- und Begriffszeichen ist. In anderen Bedeutungen dient es bloss als phonetisches Ele- ment, giebt dem Zeiehen, mit vvelchem es zusammenge- setzt wird, den Laut tscheu, aber verliert die Bedeutung Schiff; wahrend die anderen antretenden Bilder ihre phone- tische Geltung aufgeben, dem Schriftcharacter aber die be- stimmte Bedeutung geben, z. B. das eben angefuhrte Bild, tscheu, Schiff, mit dem Bilde * shiii Wasser = 77\Tlaulet tscheu u. bedeutet Wasser- E&EI becken. kiu Wagen = Tytf » tscheu » » Deichsel. 'A^ y it, Federn = / 'J 4 J ?> tscheu » » Flaum. ~7\ shi Pfeil =/tT » tscheu » » Jagdpfcil u.s. w Die Vieldeutigkeit jenes Wortes ist also in der Schrift vermieden und fiir jede Bedeutung ein ganz bestimmtes Zeichen vorhanden. Fiir jede Syibe sind iibrigens mehrere, fiir manche viele Lautzeichen in Anwendung, theils wcgen der ausserordentlichen Menge von Bedeutungen, die manche Sylbe in sich vereinigt, theils aus graphischen Riicksichten. Bei der verhaltnissmassig geringen Anzahl von Bildern werden nun audi Schriftcharaktere selbst wieder als pho- netische Charactere gebraucht und abgesehen von ihrer Bedeutung als Lautzeichen mit einem Begriffszeichen ver- bunden. Blanche Lautzeichen andern auch ihren ursprung- 45 lichen Laut mehr oder minder, selten jedoch ganz und gar in Verbindung mit gewissen Begriffszeichen, so dass ein Laut- zeichen mehr als einen phonetischen Werlh besitzen kann. In vielen Fallen sind die Lautzeichen aus der Menge der gleichlautenden Zeiclien mit Riicksicht auf die ihnen ur- spriinglich inwohnende Bcdeutung gewahlt. Alle Schrift- zeichen konnen fiir sich genommen, abgesehen von ihrer Bedeutung, als Lautzeichen angewendet werden, nur so vermag der Chinese fremde Worter in seiner Sprache aus- zudriicken, Hng-ki-li Englisch, ya- su-hoei-sse Jesuite, ki - li - sse - tang Christianus, Christ u. a. sind aus lauter chinesischen Wortern zusammengesetzt, die in dieser Ver- bindung ihre Bedeutung verlieren 5 auf ahnliche Art be- nutzen andere Volker (Annamiten, Japaner) die chinesischen Schriftzeichen zur graphischen Darstellung ihrer Sprachen. Die Zahl der grosstentheils einfachen Bilder, welche als ideographische Elemente gebraucht werden, um auf die Klasse vonBegriffen hinzuweisen, auf welche der durch das Lautzeichen ausgedriickte, meist vieldeutige Laut bezogen werden soil, ist eine verhaltnissmassig geringe. Nach ihnen, da dasselbe ideographische Element in mehreren oft sehr vie- len Schriftzeichen wiederkehrt, lassen sich diese in Klassen eintheilen, die ideographischen Elemente sind so die Klas- senzeichen der Schriftcharactere. Auf diese Weise ist die Moglichkeit gegeben die Masse der chinesischen Schrift- zeichen lexikalisch anzuordnen. Die Abtheilungen des Wor- terbuchs werden eben durch jene Bilder, die als ideogra- phische Elemente den Lautzeichen beigesetzt sind, gebildet, denen man noch einige alsKIassenzeichen nicht gebrauch- liche Bilder und graphische Elemente beigesellt hat. Diese Klasseuhaupter, in lexikalischer Beziehung auch Schliissel genannt , 214 an der Zahl, werden angeordnet nach der Zahl von Strichen, in welche sie sich zerlegen lassen, und nach demselben Principe auch die ihnen untergeordneten Zeichen. Freilich ist es bei den einzelnen Characteren 46 haufig mehr oder minder schwer zu entscheiden , welcher Theil von ihnen der Schliissel ist; iiberhaupt isl der Ge- brauch des chincsischen Worterbuchs beim Beginne des Studiums eirie viele Geduld und noch mehr Zeit in An- spruch nehmende Sache ; iiidessen kann man doch den Scharfsinn der Chinesen , der sich wie in der Art ihrer Schrift iiberhaupt so besonders in der Auffindung ciner lexikalischen Anordnungsweise derselben kundgiebt, gewiss nicht gering anschlagen. Wollte man z. B. den oben Seite 44 Zeile 14 v. u. an- gefuhrten zusammengesetzten Schriftcharacter,dessen Klas- senhaupt links stent, im Worterbuche aufsuchen, so besteht die Schwierigkeit eben darin zu erforschen, welches von beiden Zeichen das ideographische Element ist. Die Gramma- tikenund Lexika geben zwar bei der Aufzahlung der Schliissel hierzu eine fur die meisten Falle ausreichende Anleitung, doch liegt gerade in der mangelnden Vertrautheit mit den Schliisseln die Hauptschwierigkeit fiir den Anfanger. Man wird den Schliissel sodann in der Tabelle der Klassenhaupter aufsuchen; da er in unserem Beispieie aus sieben Strichen besteht^ einem senkrechteiij der den eigentfichen Stamm des Schriftzeichens bildet, einem kleineren senkrechten links vora grosseren, einem hakenfdrmigen, mit dem kleineren senkrechten drei Seiten des Vierecks in der Mitte der Figur bildend und vier wagrechten^ so darf man nur die nicht grosse Zahl der aus sieben Strichen zusammenge- setzten Schliissel durchlaufen urn das gegebene Zeichen zu linden. Hat man den Schliissel gefunden (uach der all— gemein eingefiihrten Ordnung ist z. B. das in Rede ste- hende Zeichen der 159te) so schliigt man diesen selbst im Worterbuche auf und zerlegt nun das ihm untergeordnete Zeichen ebenfalls in seine einzelnen Striche - y deren nach chincsischen Regeln das hier rechts vom Schliissel stehende Zeichen (vgl. Seite 44 Zeile 10 von ob.) sechs haU Un- ter dem Schliissel findet man nun sammtliche ihm unter- 47 geordnete Zeichen nach der Zahl ihrer Striche 'geordnet, man durchlauft in diesem speciellen Falle also die Abthei- lung der aus sechs Strichen bestehenden' 1 Zeichen, wo man denn den gesuchten Schriftcharacter mit beigefiigter Aus- sprache und Bedeutung findcn vvird. Die Beziehung der chinesischen Schrift zum Laute ist also nacb dem oben Gesagten ausserst gering, bei alien Bildern gleich Null und bei den Schriftcharacteren eine so unsichere (da auch, wenn die einzelnen Bestandtheile der- selben bekannt sind, daraus doch noch keine bestimmte Aus- sprache des Characters mit Nothwendigkeit folgt, denn die phonetischen Eienieute wechseln in der Zusammensetzung sehr oft ihre Geltung), dass an ein Lesenlernen im Sinne andercr Sprachen nicht im Entferntesten gedacht werden kanm Die Aussprache stent zur Gestalt der Charactere in so gut als gar keinem Verhaltnisse, sie lauft unabhangig von derselben neben den Schriftzeichen her. Auch Jahrtausende alte Schriftdenkmaler vermogen uns also iiber die Laut- veranderungen, welche die Sprache seitdem erfahren hat nicht die geringste Auskunft zu geben. Wahrend man in den Sprachen, die sich eiiier alphabetischen Schrift bedienen, Jeichter lesen als das Gelesene verstehen lernt, so ist es im Chinesischen gagegen eine sehr gewohnliche Erfahrung, dass man einen Satz vollkommen richtig zu verstehen im Stande ist, die phonetische Geltung einzelner Charactere, von welchen uns die Umschreibung in abendlandischer Schrift ein uberdiess nur sehr unvollkommenes Bild giebt, aber nicht gegenwartig hat. Ja man kaun es dahin bringen fliessend zu iibersetzen, ohne auch nur ein Wort ausspre- chen zu konnen. Waren die alteren, leichter erkennbaren Bildcr, von denen oben die Rede war, noch im Gebrauche, so wiirde es dem Anfanger noch viel haufiger widerfahren, dass die Bedeutung der Bilder in seinem Gedachtnisse fester haftet als die Aussprache derselben. Die wenigen Worter CSylben) der chinesischen Sprache 48 sind nun keinerlei Abanderung in Laut oder Schrift fahig, die Redetheile sind nicht gesondert ; von einer Formenlehre kann also keine Rede sein, die Beziehung vvird dera Prin- cipe nach nur durck dieStellung derWorte ausgedruckt, die chinesischeGrammatik ist nur Syntax. s\ (ein aus dreiStri- chen bestehendes Bild, als Klassenhaupt oder Schlussel von fiber hundert Charakteren im Gebrauch) la, z. B. ist je nach der Stellung im Satze bald Adjectiv in der Bedeutung gross, bald auch das Substantiv Grosse oder ein Zeitwort vergrossern und gross sein, oder das Adverbium sehr. Dem Principe nach kdnnte jedes Wort in jeder Beziehung, als jeder beliebige Redetheil, Nomen, Verbum u. s. w. auf- treten. Einzelne Worter sind jedoch schon zu einer all— gemeinen Bedeutung herabgesunken und werden nament- lich in der jetzigen Umgangs- und Biicherprache CKuati- hoa, neben wclcher raan noch den Dialect von Kuang-tung (Canton) und den der Kfislenprovinz Fu-kian unterschei- det) als Partikeln zur Bezeichnung der Beziehung in eiui- gen Fallen gebraucht; nothig sind sie nicht, in der alteren Schriftsprache (Ku-wen) ist die Anwendung derselben eine viel sparsamere , auch sind sie gegen das Priucip der Sprache und deuten schon entfernt auf dienachsthohere Stufe der sprachlichen Entwickelung bin. Bei der ausserordentlichen Armuth der gesprochenen Sprache konnen nun Undeuilichkeiten im Ausdrucke so wenig ausbleiben , als in der geschriebenen Sprache jede Zweideutigkeit ausgeschlosssen ist. Es wird uns berichtet,*) dass es in solchem Falle von Unverstandlichkeit durchaus nicht gegen den guten Ton chinesischer Etiquette verstosse, sich eine genauere Bestimmung des vieldeutigen Wortes zu erbitten, die dann in der Weise erfolgt, dass an der ) Abel - Remusat, essai sur la langue et la litterature chinoises. Paris. 1811. p. 56 f. 49 Stelle des einfachen Wortes zwei zusarumengcsetzt werden, deren eines auf irgend eine Weise die Bedeutung des an- dern nahcr zu bestimmcn geeignet ist*). Von solchcn Zu- sammensetzungen macht die Umgangssprache haufigen Ge- brauch und namentlich die synonymen Composita sind so characteristisch fur den Genius der chinesischen Sprache, dass hier ein Beispiel dieser Art von Zusammensetzung Platz finden moge. Die Wortcr tad und lu bedeuten z. B. in glcichem Ac- cente tad rauben, erreichen, umstiirzen, bedecken, Fahne, mit Fiissen treten, Getreide, fiihreu, Weg; lu dagegen ab- wendig machen, Wagen, Edelstein, Thau, Seerabe, Name eines Flusses, Schmieden, Art Bambus, Weg*). Das zu- sammengesetzte tad - hi kann aber nur Weg bedeuten. da die Sylben tad und lu nur in der Bedeutung Weg zusam- menstimmen. Dass Genus und Numerus, Casus u. s. w. nicht an den Worten selbst bezeichnet werden, ergiebt sich aus dem Obigen, man kann sie jedoch durch Worte, welche Mann, Frau, Menge u. dergl. bedeuten, umschreiben z. B. tschung jin Masse-Menschen d. i. Leute ; nan tse Mann-Kind d. i. Sohn, \iiu tse Weib-Kind, Tochter u. s. f. Der Genitiv kann durch eine Partikel tse hi oder ti bezeichnet werden, welche zugleich Pronomen relativum ist, also min (Volk) li (Kraft] oder min tschi It (Ku-wen) min ti U (Kuan-hoa) populi vis, audi zur naheren Bezeichnung des Accusative Locativs, Dativs, Ablativs und Instrumentalis werden be- sondere Worter im Sinne von Prapositionen verwendet ; den Instrumentalis bezeichnet z. B. das Wort v welches gebrauchen , sich bedienen bedeutet ; y min li mit des Vol- kes Kraft, wortlich: gebrauchen Volkes Kraft**). Aehn- *) Es versteht sich, dass jeder Bedeutung ein besonderes Schriftzeichen zur Seite steht. **) Diese Worte muss man sich als reine Wurzeln denken um eine 4 50 lich werden andere Beziehungen ausgedruckt oder viel- mehr umschrieben z. B. der Superlativ, pe fu tschi fe hun- dert Mann (Genitivpartikel) gut, d. h. der beste unter alien Mannern u. s. f. Auch das Zeitwort wird nur durch seine Stellung ira Satze als solches erkannt und unterscheidet sich in Nichts von den iibrigen Wortern ; Passiv und Activ unterscheiden sich durch die Stellung oder ersteres wird um- schrieben, z. B. kian pad, sehen Schutz, d. i. beschiitzt werden, ahnlich verhalt es sich mit Modus und Tempus ? die meist aus dem Zusammenhange erkannt werden, oder denen andere Worter, Hiilfszeitworter oder Adverbien, bei- gegeben werden. Person und Zahl werden am Verbum nicht bezeichnet. Eine Sprachprobe vermag das Wesen dieser Sprache am besten anschaulich zn machen; ich theile demnach den Anfang uud einige gewahlte Stellen aus dem Meng Tse*) (gegen Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr.) in derUmschrei- bung ; **) und mit wortlicher Uebertragung der einzelnen Worter und Uebersetzung hier mit. Meng tseu ed. Julien p. 1, lin. 5. Meng Tse sehen Liang Hoei Wang(Wohlthat-Kdnig). Meng Tse kien Leung Ho eg Ouung Meng Tse besuchte des Reichesf) Liang Fiirsten Hoei Wang. richtige Vorstellung voin Chinesischen zu erhalten, nicht aber als Iufiuitiv, Nominativ oder sonst in einer bestimmten Beziehung, in welcher wir sie wiederzugeben genothigt sind. Alle diese Be- ziehungen schlummern gleichsam in jedem chinesischen Worte. *) Meng Tseu vel Mencium edd. latina interpretatione instruxit etc. St. Julien. Paris 1824. **) Die hier gegebene Umschreibung in abendlandische Character* ist die des oben geuanuten Worterbuchs des Basilius von Glemona, muss also nach dem franzosischen Umschreibungssysteme gelesen werden, ou also wie u u. s. w. ng jedoch wie im Deutschen. Die iiberstehenden Accente bedeuten die Betonnngsweise der Chinesen uud siod daher nicht iui Sinue un^erer Tonzeichen zu fassen. ■J-) Das cursiv Gedruckte ist erklarender Zusatz, fern*) 1000 Meile youen chy ly haben zu Vortheil yebu y**) ly 51 Konig sprechen, Greis, nicht Ouang youe se °u o P°* und kommen , auch wollen eul lay y Isiang (ich) mein Reich ? (Fragepartikel). ou koue hou o Der Konig sprach: geehrter Greis (sebu Ehrentitel der Greise) da du nicht fur fern erachtend 1000 Meilcn gekommen bist, hattest du auch wohl (tsiang bestimmt als Hiilfszeitwort den Modus des folgenden yebii) El was zum Vortheile (Ge- winne) meines Reichs? Meng Tse antvvorten sprechen. Meng tse toiiy youe Meng Tse antwortete und sprach. Konig , was nothwendig sprechen Ouang o ho py youe haben Humanitat Gerechtigkeit yebu chy y (Schlusspartikel). V o Konig, was ist es nothwendig, uber V r ortheil zu sprechen ; auch habe ich Humanitat und Gerechtigkeit, nichts weiter {eul y). Konig sprechen, wie zu Vortheil ich(mein) Reich, Ouang youe o ho y ly' ou koue Vortheil, auch ly o und if endigen eul y *) Adjectivum, Adverbium und Substantivum (Feme). Sehr viele Worte konnen je nach ihrer Stellung im Satze als verschiedene Redetheile fuogiren. Wo es anging habe ich dann das Wort als Zeitwort angegeben^ da der Infinitiv doch wohl noch am ersteu den Eindruck, den die reine Wurzel macht, wiederzugeben geeignet ist. **) y bedeutet «gebrauchen» dient aber vielfach als Proposition s. o. Die innere Vervvandtschaft der Bedeutung ist im vorliegenden Falle klar. 52 gross Mann sprechen, wie zu Vortheil ich (rnein) ta fbu youe ho y ly ou Familie, Gelehrle Menge Mensch sprechen, wie zu kia sse chu jin youe ho y Vortheil ich (meiiQ Leib j oben unten vereinigeu ly ou chin o chang hid kiao entreissen Vortheil,, und Reich in Gefahr sein tch'nig ly eul koue oey *J (Schlusspartikel). y o Wenn der Konig sprache :.. wie soil ich handeln um zu niitzen meinem Reiche, dann wiirden die Grosseu sagen: wie sollen wir handeln um zu niitzen unserer Familie; Gelehrte und Pobel wiirden sagen: wie sollen wir handeln um uns selbst zu niitzen. Wenn Hoch und Niedrig einander den Vortheil entreissen, dann ist das Reich in Gefahr. Meng Tseu p. 32 lin. 6. Links rechts allzusammen sagen weise (sapiens, superare), tsb yeou kiay youe hien noch-nicht gestatten (Schlusspartikel). Alle gross ouey ko ye o tchu ta Mann allzusammen sagen weise, noch-nicht gestatten fou kiay youe hien ouey ko (Schlussp.) ; Reich Mensch allzusammen sagen weise, ye o koue jin kiay youe hien \ so (sicut, driickt die Folge aus) nachher priifen ihn Cor, pron. Jen heou tsa tchy III pers.), sehen weise wie (sapientis instar, yen bildet o kien hien yen Adverbieu) nachher gebrauchen ihn . jen heou yong chy o Links rechts allzusammen sagen nicht gestatten, tsb yeou kiay youe pa kb o *) periculum, periclitari, ruere, cadere. 53 nicht hdren. Alle gross Mann zusammen sagen voe ting tchu td fou kiay youe nicht gestatten, nicht horen, Reich Mensch allzusammen pb kb voe ting koue fin kiay sagen nicht gestatten, nachher priifen ihn , sehen yoite po kb o jen heou tsd tchy o kien nicht gestatten vvie (s. o.) > nachher aufgeben (entlassen po kb yen o jen heou kuu verwerfen) ihn . thy Wenn deine Minister links und rechts sitzend allzusamnien sagen: der Mensch ist weise, so ist es noch nicht erlauht ihnen Glauben beizumessen. Wenn alle Grossen allzu- samnien sagen: er ist weise, so ist es noch nicht gestattet ; wenn aber des Reiches Leute allzusammen sagen: er ist weise und dann , wenn er gepriift, du siehst, dass er vveise ist, dann gebrauche ihn. Wenn deine Minister links und rechts sitzend allzu- sammen sagen : jener Mann kann nicht niiml. %u Wurden be f order t werden, so hore sie nicht. Wenn alle Grossen allzusammen sagen : er kann nicht, so hore sie nicht. Wenn aber des Reiches Leute allzusammen sagen : er kann nicht, und dann, wenn er gepriift, du siehst, dass er nicht kann befordert werden^ dann gieb ihn auf. Ibid. pg. 56 lin. 2. Meng Tse sagen, human so Ehre , nicht Meng Tse youe chy tse*J yong po menschlich so Schande, jetzt hasseo Schande und ver- chy tse jo km 6u jo eul ku weilen nicht menschlich , diess wie hassen Nasse und po chy chy' yeou oil td **j eul vervveilen unten (Schlusspart.). ku hid ye *) Mensura quaelibet, leges, mos, statiin, postea, ergo. Lexic. Glemonae. **) Quidam fluvius, humectare; Lexic. Glemonae; Julien: humiditas. 54 Meng Tse sagt : Ist ein Fiirst human , so bereitet er sich Ehre, ist er inhuman, Schande. Nun hassen die Fiir- sten die Schande und verharren dennoch in Inhumanitat, diess ist ebenso, als wenn einer die Feuchtigkeit hasst und dennoch in einer Niederung verweilt. Diese von einer ungeheuren und seit Jahrtausenden schon gebildeten Bevolkerung gesprochene Sprache, die eine reiche und in ein hohes Alterthum hinaufreichende Litteratur aufzuweisen hat, mochte man geneigt sein auf den ersten Blick fur die unvollkommenste aller Sprachen zu halten. Dieser Ansicht ware a priori entgegen zu hal- ten, dass, wenn die Einsylbigkeit wirklich, wie oben ent- wickelt, eine der in Wesen und BegrifF der Sprache ge- setzten Formen ist, in welchen die Sprache zur Erschei- nung kommt, audi in dieser Form das Wesen der Sprache, die lautliche Verkorperung des Geistes , enthalten sein, auch diese Sprache also in ihrer Weise die Aufgabe der Sprache im Allgemeinen zu losen im Stande sein musse* Eine genauere Betrachtung des chinesischen Sprachbaues liefert den Nachweis von der Richtigkeit dieses Schlusses. Ich kann mir nicht versagen v. Humboldts tief aus dem Wesen der Sache geschopfte Beurtheilung der chiuesischen Sprache hier mitzutheilen. Der auf den ersten Anblick etwa gefassten Ansicht, als ob die chinesische Sprache die von der naturgemassen Forderung der Sprache am meisten abweichende, die unvollkommenste unter alien sei, entgeg^ net der genannte grosse Sprachforscher Folgendes *) : 5>Diese Ansicht verschwindet vor der genaueren Betrachtung. Sie [die chinesische Sprache] besitzt im Gegentheile einen hohen Grad der Trefflichkeit , und ubt eine, weiin gleich einseitige, doch machtige Einwirkung auf das geistige Ver- mogen aus. Man konnte zwar den Grund hiervon in ihrer fruhen wissenschaftlichen Bearbeitung und reichen Littera- *) Kawisprache CCCXXXIX f. 55 tur suchen. Offenbar hat aber vielmehr die Sprache selbsl, als AufForderung und Hiilfsmittel , zu diesen Fortscliritteti der Bildung wesentiich milgcwirkt. Zuerst kanu ihr die grosse Consequenz ihres Baues nicht bestritten werderi. Alle audren flexionslosen Sprachcir, wenu sie auch noch so grosses Streben nach Flexion verralheu, bleiben, ohne ihr Ziel zu erreichen, auf dem Wege dahin stchen. Die Chi- nesische fiihrt , indem sie ganzlich diesen Weg verlasst, ihreo Grundsatz bis zura Ende durch. Dann trieb gerade die Natur der in ihr zum Verstandniss alles Formalen an- gewandten Mittel, ohne Unterstutzung bedeutsamer Laute, darauf hin, die verschiedenen formalen Verhaltnisse slren- ger zu beachtcn, und systematisch zu ordnen. Endlich wird der Unterschied zwischen materieller Bedeutung und formeller Beziehung dem Geiste dadurch von selbst uni so mehr klar, als die Sprache^ wie sie das Ohr vernimmt, bloss die materiell bedeutsamen Laute enthalt, der Ausdruck der formellen Beziehungen aber an den Lauten nur wieder als Verhallniss, inStellung und Unterordnung, hangt. Durch diese fast durchgangige lautlose Bezeichnung der formellen Beziehungen unterscheidet sich die chinesische Sprache, soweit die allgemeine Uebereinkunft aller Sprachen inEiner inneren Form Verschiedenheit zulasst, von alien andren be- kanntcn. Man erkennt dies am deutlichsten, wenn man irgend einen ihre'r Theile in die Form der letzteren zu zwangen versucht — — Ihr charakteristischer Vorzug liegt — — in ihrem , von den andren Sprachen abweichenden, Systeme^ wenn sie gleich eben durch dasselbe auch man- nigfaltiger Vorziige entbehrt, und allerdings als Sprache und Werkzeug desGeistes den Sanskritischen und Sernitischen Sprachen nachsteht. Der Mangel eiuer Lautbezeichnung der formalen Beziehungen darf aber nicht in ihr allein genommen werden. Man muss zugleich, und sogar hauptsachlich, die Riickwirkung ins Auge fassen^ welche dieser Mangel noth- wendig auf den Geist ausiibt, indem er ihn zwingt, diese 56 Beziehungen auf feiuere Weise mit den Worten zu ver- bindeu, und doch nicht eigentlich in sie zu legen, sondern wahrhaft in ihnen zu eutdecken. Wie paradox es daher klingt, so halte ich dennoch fiir ausgemacht, dass im Chi- nesischen gerade die scheinbare Abwesenheit aller Gram- matik die Scharfe des Siunes, den formalen Zusammenhang der Rede zu erkennen, im Geiste der Nation erhoht, da im Gegentheil die Sprachen mit versuchter, aber nicht gelin- gender Bezeichnung der grammatischen Verhaltnisse den Geist vielmehr einschlafern, und den grammatischen Sinn durch Vermischung des materiell und formal Bedeutsamen eher verdunkeln". DiesemhartenUrtheile iiberdie zahlreichen Sprachen, die zwischen der einsylbigen und der flectirendcn Sprachklasse in der Mitte stehen, mochten wir zwar nicht ganz beitreten, indess ist es gewiss richtig, dass in der Rlasse von Sprachen, zu dcren Betrachtung wir uns nun- luehr wen den, die Beziehung eine sehr derbe sinnfallige Be- zeichnung erhalt^ die allerdings bisweilen den Bedeutungs- laut einigermassen in den Hintergrund draugt. Die Sprachen Europas in systematischer Uebersicht. B. Agglutinirende Sprachklasse. Die Masse von Sprachen, welche die grosse Kluft zwischen der volligen Nichtbezeichnung der Beziehungund der Flexion ausfiillt, liesse sich in zahlreiche Unterabthei- lung zerkliiftei), es geniige indess hier uur auf jcne eigen- thumliche Art von Agglutination hinzuweisen, die Humboldt Einverleibung uennt. Unter Agglutination iiberhaupt ver- stehen wir das lose Anfiigen der Beziehungslaute an den Bedeutungslaut. Nun giebt es aber Sprachen, die in diesera Anfiigen an den Bedeutungslaut mehr oder minder die Greuzen der blossen Beziehung iiberschreiten. ja sogar selbst- standigfc Bedeutuno-slaute der Verbahvurzel zusetzeu uud so einen ganzenSatz in eiu Wort zusammenzufassen im Stande sind. Man kaun die Sache besser wohl so fassen, dass in diesen Sprachen mehr zur Beziehung gerechnet ist, der Begriff der Beziehung weiter gefasst wird, als in den iibri- gen agglutinirenden uud in den flectirenden Sprachen. In diesen einverleibeuden Sprachen tritt die Bedeutung des Nomens gegen die des Verbums zuriick, das Nomen wird bloss »als erklarender Begriff" des Verbums gefasst. Daher stehen die Beugungen, deren das JVonien fahig ist ui.d die wir bei agglutinirenden Sprachen (z. B. in der finnischen) oft sehr ausgebildet h'nden, in den einverleibenden Sprachen zuriick gegen die Ausbildung der Verbalformeu; 58 da an den Zeitwortern ausser den uns gelaufigen noch eine Menge anderer Beziehungen lautlich bezeichnet werden, so entsteht natiirlich eine oft ins Maasslose wuchernde Menge von Formen. In den einverleibenden Spraehen, deren Cha- racter eben darin besteht, dass »das, was einen eigenen Satz bilden kdnnte, in eine Wortform zusammengezogen wirdu stellt sich uuu sogleich wieder einUuterschied heraus, der das Gebiet dieser Spraehen abermals theilt, Entweder ist namlich das Streben nach Worleinheit, das Prinzip der Einverleibung so machlig, dass es Bedeulungslaute jeder Art dem Zeitworte unterordnet, wie diess in Aboriginerspra- chen Amerikas der Fall ist (so wird z*B. mexikanisch der Satz 13 2 12 3 ich esse Fleisch mit einem Worte ni-naca-qua ausgedriickt u. s. w.) oder es zeigt sich nur 5>ein gleichsam geringe- rer Grad des Einverleibungsverfahrens^ wenn Spraehen zwar dem Verbum nicht zumuthen, ganze Nomina in den Schooss seiner Beugungen aufzunehmen, allein doch an ihm nicht bloss das regierende Pronomen, sondern auch das regierte ausdrucken. — — Wo diese Bengungsart des Verbums mit dem in dasselbe verwebten, nach verschiedenen Richtungen hin bedeutsamen Pronomen seine voile Ausbildung erreicht bat; wie in einigen nordamerikanischen Spraehen und in der Vaskischen , da wuchert eine schwer zu ubersehende Anzahl von verbalen Beugungsformen auf« *}. Eben weil diese Sprachform in Europa der baskischen Sprache eigen- thumlich ist , mussten wir auf diese besondere Art der Agglutination naher eingeheu. Vorlaufig mogen einige dem Gebiete amerikanischer Spraehen entnommene Beispiele des beschriebenen Sprachverfahrens hier Platz finden. Urn von der uberwaltigenden Falle der bei den einverleibenden Spra- ehen^ selbst wenn sie sich auf die Einverleibung der Pro- nomina beschranken, moglichen Konjugationsformen einen BegrifF zu geben ; wahle ich einen Theil der Prasensformen eines Thiroki Verbums. Man bedenke, dass es von jedem *) Humboldt, Kawispr. 59 Verbum Genera und von jedem derselben zablrciche Modi und Tempora giebt. Praesens I n d i c a t *). DerGegenstand desZeitwortes irnNeutrum und Singular* Singular. Personen. 1. galiiiha ##) ich binde es 2. haluiha, du bindest es 3. gegenwart. f ) kuliiiha, er bindet es 3. abwesend gahluiha, er bindet es. Dual, inaltiiha, du und ich binden es awstaluiha ft), er und ich binden es istaliiiha, ihr zwei bindet es. Plural. italuiha, ihr und ich binden es. awtsaliiiha, sie und ich binden es istaluiha, ihr bindet es tanaluiha, sie binden es analuiha, sie binden es. Der Gegenstand der Haudlung ein Xeutrum und Plural: Singular. 1. tegaluika] ich binde sie \ 2. tehaluiha, du bindest sie Vdiese Sachen 3. tekahluiha, er bindet sie ' Dual. 1 u. 2. tenaluiha du und ich binden sie u. s, w. 1 u.2. 1 u.3. l.u.2, l.u.3. 2. 3. 3. gegenwartig abwesend #) Aus Pickering iiber die indianischen Sprachen Amerikas, iibersetzt von Talvj. Leipz. 1834. ##) it bezeichnet den franzosischen Nasenlaut -un* •f) «gegenwartig» bezeichnet die Formen, welclie gebraucht werden, vvenn der Sprechende die Erwartung oder Ansicht hegt, dass die erwahnte Person das Gesagte hore , die mit «abwesend» bezeicli- neten Formen werden gebraucht, wean der Redeude eine solche Erwartung oder Absicht nicht hat. -^•f) aw auf englische Art als ein Laut zu sprechen (dunkles a uach o hin). 60 Nach derselben Analogiejgiebt es verschicdene For- men fur: du bindest mich, er bindet mich u. s. w. cr bin- det dich und mich, und diese Formen wieder doppelt je nachdera beide zusammengebunden werden (collectiv) oder jeder einzelu; du bindest ihn und mich u. s. w. ; er bindet euch und mich, sie binden euch und mich, du bindest sie und mich , ihr bindet sie und mich , sie binden etc. ) ich binde dich, er bindet etc.; er und ich, sie und ich, sie bin- den etc.; ich binde euch beide, er bindet euch beide, sie binden euch beide etc., ich binde euch (euchalle), er, wir, sie binden euch alle etc. etc. In andereu Sprachen werden diese complicirten Formen dagegen hinter die Wurzel gefugt, so z. B, in der Cree- Sprache *): ne sake - h **3 - ow ich liebe ihn ke sake - h - ow du liebst ihn sake - h - ayoo er liebt ihn ne sake-h-a-w«rc wir (1. u. 3) lieben ihn ke sake-h- know wir (I u. 2) lieben ihn ke sake - h - ow ow ihr liebt ihn sake - h - kywuk sie lieben ihn. Plural. Ne sake-h-6w-uk ich liebe sie u. s. w. Vereinzelt findeu sich dergleichen Bildungen in verschie- denen Sprachen, so in den kaukasischen Sprachen, im Ma- gyarischen und 31ordwiiiischen, ferner, irre ich nicht, be- souders in Sprachen des sudlichen Afrikas u. s. w. In der neuen Welt scheiut diess System jedoch seine eigentliche Heimat zu haben. *) Howse, a grammar of the Cree language with an analysis of the Chippeway dialect. London 1844. **) h Zeichen der transitiven Beziehung; das cursiv Gedruckte bezeich- net die im Nominativ stehenden Pronomina. 61 a. Agglutiiilreiide Sprachen im eiageren Sinne. Innerhalb des Bereiches unseres Welttheils zeigen die zum tatarischen Sp rach st amine gehorigen Sprachen das Prinzip der Agglutination im engeren Sinne, auch die kaukasischen Sprachen finden wohl in dieser Abthei- lung sprachlicher Organismen am passendsten ihre Stelle, da ihr Bau ein zu mechanischer ist, um auf einen Platz in der hochsten Sprachklasse , der flectirenden, Anspruch machen zu kdnnen. I. Tatarischer Sprachstamm*). Tungusen, Mongolen , Turken und die zahlreichen zur finnischen oder tschudischen Familie gehorigen Sprachen bilden den tatarischen Sprachstamm, dessen raumliche Aus- dehnung wir oben in fliichtigeu Umrissen gezeichnet haben. Die Zusammengehorigkeit der diesen Sprachstamm bildenden Sprachen ist zuerst von Schott nachgewiesen worden ; auch der Name tatarisch ist zuerst von demselben Forscher auf diese sprachverwandten Volker angewandt worden. Diese Benennung erscheint um so passender, da sie kein einzel- nes Volk bezeichnet, und doch zugleich auf die Ursitze dieses machtigen Sprachstamms ? die asiatische Hochebene, hinweist. Die Heimat dieses machtigen Sprachstamms ist uamlich nach den Ueberlieferungen der Tiirken, Mongolen und Finneii auf und um die Altaikette zu vevsetzen. In seiuem neuesten Werke uennt Schott die betreffenden Sprachen al- taische oder finnisch-tatarische Sprachen, Andere gebrauchen fur dieselbeu die Benennung ural-altaisch u. s. vv. *) Schott, Versuch iiber die tatarischen Sprachen, Berlin 1 836. S c h o 1 1 fiber das Altaische oder Finnisch-Tatarische Sprachengeschlecht. 1849. Gyarmathi, aflfinitas linguae hungaricae cum Unguis fennicae originis grammatice deraonstrata. 1799., ein fiir seine Zeifc ganz vortre/Fliches und noch jetzfc brauchbares Buch. 62 Im Allgemeinen lasst sich im Gebiete dieses weite Landerstrecken umfassenden Sprachengeschlechtes eine stu- fenweise Ausbildung erkennen, deren hochsle Slufe in der finnischen Sprache im engeren Sinne, der Suomisprache sich zeigt ; wahrend das Mandschu (ein tungusischer Dia- lect) unter den bis jetzt bekannten Sprachen dieses Stam- mes am tiefsten steht ; die Erhebung zu hoheren Sprach- formen fhidet also in einer Abstufung von Osten uacb Westen statt, so dass der Osten den unteren^ der Westen den oberen Endpunkt der Scala bildet. Unter den Haupleigeuthumlich- keiten, die alle oder doch die meisten Sprachen dieses Stammes theilen, sind ausser denen, die ihnen als agglu- tinirenden Sprachen iiberhaupt zukomraen, die folgenden wohl vorziiglich hervorzuheben. Die Wurzel duldet von vorne nie Zusatze, wahrend das Prinzip der Agglutination den Ausdruck der Beziehung keinesweges auf dasEnde der Wurzel beschrankt. Die asia- tischen Sprachen dieses Stammes, namentlich das Mandschu und das Mongolische trennen sogarnoch dieBeziehungsIaute im Schreiben, seltener ist diess jedoch im Turkischen der Fall, wahrend im Finnischen und Magyarischen das Wort mehr ein untrennbares Gauzes bildet. Namentlich steht das Finnische dem Wesen der Flexion nahe. Hierin zeigt sich besonders jene Stufenfolge sprachlicher Entwickelung von Osten nach Westen, wie sie diesem Sprachstamme eigen ist, wahrend der indogermanischeSprachstamm gerade die umgekehrte Erscheinung einer an Formenreichthum und Klarheit des grammatischen Baues von Westen nach Osten zunehmendefa Scala darbietet. Im ganzen Sprachstamme geht das Regierte dem Re- gierenden voraus ; der Genitiv z. B. dem Regens, das Object dem Verbum u. s. w. Aus dieserEigenthumlichkeit folgt, dass diese Sprachen keine Prapositionen, sondern nur Postposi- tionen haben kounen. Schou dieser Umstand, um von allem Anderen abzusehen, lasst die Vermuthung 5 als ob 63 diese Sprachen etwa zuriickgekommene Flexionssprachen waren, ihr agglutiuirender Bau nur ein Rest friiherer Flexion sei, sogleich als unbegriindet erscheinen. Denn der Gang der Sprachentwickelung ist der, dass das Abschleifen der Casusendungen durch Prapositionen (und Artikel) ersetzt wird (z. B. of the son: goth suwans-, du {de le) fils, del ide il) figlio; lat. filb' etc.) nicht durch Postposilionen ,* im Gegentheile setzen die Casus der flectirenden Sprachen aber die Postpositionen voraus (z. B. Locativ littau. pone aus pona mit i } letzteres entweder selbst einst Postposition oder Rest einer solchen), die dann zu Casusformeu mit dem Nomen verschmolzen, so dass der sprachgeschichtliche Gang der Declination folgender ist: Wurzel Ceiusylbig)} Wurzel und Postposition (agglutinirend); flectirte Wurzel; Prapo- sition und Wurzel. Zu einem schou verbrauchten Mittel (Postposition) greift aber die Sprache spater nicht wieder, Auch die ganze ubrige Reschaffenheit dieser tatarischen Sprachen fiihrt zu dem Resultate, dass diese Sprachen von Haus aus nach dem agglutinirendeu Prinzip gebaut sind. Fast durchgangig zeigt sich in diesen Sprachen ein Gesetz, welches, so weit bekannt, nur diesen Sprachen zukommt, namlich das Gesetz der Vocalharmonie: die Vo- cale der Beziehungssylben miissen mit denen der Bedeu- tungslaute harmoniren. Die Einheit des Wortes, ferner die Unterordnung der oft durch eine lauge Reihe von Sylben (z. B. in der turkischen Conjugation) ausgedruckten Be- ziehung unter die Bedeutung, zwei im Wesen der Sprache liegende Forderungen^ die beide bei dem Prinzip der Ag- glutination leicht unerfullt bleiben, werden beide auf diese eigenthumliche Weise gewissermassen diesen Sprachen ge- sichert. Die Vocale der Wurzeln sind namlich eutvveder harte : a, o, u\ mittlere i (e) oder weiche a, (e~) , oV, u\ hiernach gestaltet sich das Gesetz der Vocalharmonie in seinen wesentlichen Grundzugcn folgendermassen: 1, sind die Wurzelvocale hart, so sind die Vocale der Endungen auch hart ; 2 , sind die Wurzelvocale weich ? so sind 64 die Vocale dcr Endungen auch weich; 3^ mitllere Vocale haben bisweilen auch harte, doch vorherrschend weiche Vocale in den Endungen zur Folge; 4, harte und miltlere Vocale in deni Stammworte erfordern in den Endungen harte Vo- cale; o, weiche und miltlere Vocale des Stammwortes da- gegen weiche Endungen. Einige Beispiele aus verschiedenen hierher gehorigen Sprachen werderi diese Gesetze leicht veranschaulichen. 1, tiirk. aghii, Herr, Plur. aghti-far\ magy. juh y Schaaf; jnh - slsz - n&k dem Schafer. magy. hdz, Haus; hdz-bol aus dem Hause. 2, tiirkisch er, Mann 5 Plur. er-ler. magy. kert Garten; kert -esz- nek dem Gartner, magy. kert\ kert-bbl aus dem Garten. 3, magy. sir, Grab; Dat. slr~nak. tiirk. qiz, Tochter; qiz-ler Tochter. magy. indlt-ok ich setze in Bewegung. magy. szepit-ok ich verschonere. 4, finn. papi Priester; pupi-lla, von dem Priester. magy. mozdit-ok ich bewege. 5, finn. teras Stahl (Grundform: terakse)\ terdkse-ltk von dem Stahle. magy. tejerit-ek ich mache w r eiss. Ausser diesen formellen Uebereinstimmungen findet sich malerieil gemeinsames Gut sowohl in den Bedeutungslau- ten als in den zur Bezeichnung der Beziehung gebrauehten Sylben in einer hinreichenden Fiille,, um vereint mit der durchgreifenden formellen Uebereinstimmung den tatarischen Sprachsiamm eben so als ein zusammengehoriges Ganzes erscheinen zu lassen, wie die anderen grossen Sprach- stamme und um zu einer vergleichenden grammatischen Darstellung der diesen Stamm bildenden Sprachen zu be- rechtigen. Eiue solche hat der grosse Kenner dieser Spra- chen Schott in Aussicht gestellt und bereits durch Erfor- schung der Lautgesetze einen Anfang gemacht, welcher 65 die Zusammengehorigkeit der in Rede stehenden Sprachen in ein klares Licht gesetzt hat. Denn Lautgesetze son- dern oft scheinbar das wirklich Jdentische; ich erinnere an das, was oben iiber diesen Punkt gesagt wurde. Der ganze tatarische*) Sprachstamm nun zerfallt in zwei wesentlich gesonderte Massen; die eine, die man die tata- rische Abtheilung im engeren Sinne, die altaischc, ostliche oder asiatische nennen kann , umfasst das Tungusische, (von welcliem das Mandschu ein Dialect ist), das Mongoli- sche und das Tiirkische; die westliche Masse, die urali- sche oder europaische Abtheilung wird durch die Sprachen gebildet, die finnisch im weiteren Sinne (von den Slavven tschudisch) genaunt werden. Nur das Tungusische ist inner- halb der Granzen unseres Welttheils nicht vertreten. Das Wesen dieser Sprachen, so wie der Agglutination uber- haupt, werden wir durch eine Beschreibung besonders her- vorragender Erscheinungen aus dem Gebiete der hoher entvvickelten Sprachen dieses Stammes zu skizzircn ver- s uchen. Tatarische Sprachen im engeren Sinne. Moafigoliseh •*). Das Mongolische und zwar der westmongolische, kal- mukische oder Olot Dialect lebt in Europa bei den zahl- reichen mongolischen Horden, welche die Ebenen siidlich #) Tatar, nicht Tartar, Letzteres eine von unkundigenGelehrten, denen die Klangahnlichkeit mit Tartarus ins Ohr fiel, eingefiihrte Entstel- lung. Jene Horden, von vvelchen der ganze Sprachstamm den Namen erhielt, nannten sich Tatar, eine Form, die unser Volk in seinen traditionellen Erinnerungen an die Tatern richtig bewahrt hat. **) Schmidt, Grammatik der mongolischen Sprache, Petersburg 1831. Kovalevsky grammaire abregee de la langue savante des Mongholes. Kasan 1835. Schmidt, mongolisch- deutsch- russisches Worterbuch. Peters- burg 1835. Ko valevsky, dictionnaire Mongol- Russe- Francais. Kasan 1844. 5 66 und nordlich von den Wolgamiindungen inne habeu; eine viel kleinere mongolische Sprachinsel findet sich noch wei- ter nordlich an der Wolga beira Einflusse der Samara in dieselbe, siidostlich von Simbirsk. Sie stammen von den gleichnamigen Olots am Kokonor und Altai ab und sollen erst im 17ten Jahrhundert eingewandert sein *). Die mongolische Sprache stcht an grammatischer Aus- bildun«: der Einfachheit des Mandschu noch naher als der schon hoheren Entwickelung des Tiirkischen. Die Conju- gation z. B. bezeichnet weder Person noch Numerus, auch sind der abgeleiteten Verba wenigcr als im Tiirkischen. Die einzelnen Theile der Grammatik der tatarischen Spra- chen werden an besonders bemerkeuswerthen Erscheinun- gen spater zur Anschauung gebracht werden. Die mongolische Schrift, weiche in etwas veranderter Gestalt auch bei den Mandschus in Gebrauch ist, wird in senkrechten Linieu von oben nach unten geschrieben, wei- che sich von Links nach Rechts folgen. Sie enthalt sieben Vocale nebst den daraus abgeleiteten Diphthongen und 17 Consonanten. Mongolen und Mandschus zerlegen jedoch ihre Schrift nicht in einzelne Lautzeichen, sondern fassen immer den Consonanten mit dem Vocale zusammen, habeu also anstatt des Alphabets ein Syllabar. Die Schrift scheint hauptsachlich aus semitischen Elementen zu besteheu, in- dischen Einfluss verrath sie jedoch ebenfalls deutlich, wah- rend sie die Anordnung der Zeichen in perpendicularer Richtung mit dem Chinesischen theilt. Die Schrift leidet an manchen Unvollkommenheiten, besonders sind die Vo- cale o, u, o, u nicht gehorig gesondert, das Alphabet der Kalmiiken beseitigt diese Uebelstaude und ist iiberhaupt genauer und vollstandiger als das eigentlich mongolische. *) Abel Remusat, recherches sur les JaDgues tartares pg. 23G. 67 Tiirklsclte Famille*). In zahlreiche Stamme gespalten, deren sprachliche Un- terschiede jedoch als gering bezeichnet werden, nehmen die Tiirken den Ostrand unseres Welttheils ein im Zusam- menhange und als wcstlichster Theil der grossen compacten Masse tiirkischer Volker, deren Hauptsitz Asien ist und deren geographische Verbreitung wir oben im Allgemeinen angcdeutet habeii. Als herrschendes Volk leben TQrken in verhaltnissmassig sehr geringer Anzahl (nach Schafarik 700,000 Tiirken unter 15 Millionen stammfremder Bevol- kerung) in der europaischen Tiirkei, tiber das ganze Reich in kleinen Kolonieen verstreut ; diese, bekannt unter dem Namen der Osmanlis haben ihre Schriftsprache so^wie die Sprache des feinen Umgaugs mit arabischen und persischen Elementen ausserordentlich angefullt. Rei- ner ist indess noch selbst hier das vom Volke gesprochene Idiom. »Der Bauer« sagt ein Kenner der Tiirkei **Jj wversteht dieses so stark mit fremden Elementen ge- mischte Tiirkisch so wenig als Chinesisch \ Tiirk (wSj.j) ist ein Bauer, Osmanli ( ^JliUic) ein Bewohner von Constantinopel«. Je feiner die Sprache, desto mehr mit fremden Elementen versetzt. Reiner sind die Dialecte der tiirkischen !Stamme, welche unter dem Namen Tatar en zusammengefasst werden und dem russischen Scepter un- *) Red house, grammaire raisonnee de la langue ottomane. Paris 1846. Mirza A. Kasem-beg, Allgenieine Grammatik der tiirkisch tatarischen Sprache, aus d. Russischen von Zenker. Leipzig 1848. Me nin ski Thesaurus liuguarum orientt. Turcicae, Arabicae, Persicae, secundis curis auctum. Viennae 1780 — 1802. IV torn. u. zahlreiche neuere z. B. Kieffer efc Bianchi dictionnaire turc fraricais 3 Bde. Paris 1835.— 37. **) Mordtmann iiber das Studium des Tiirkischen in der Zeitschrift der deutschen morgenlandischen Gesellschaft III. Bd. 2 u. 3 Heft. pg. 351 f, 1849. 68 terworfen sind. Hier finden wir, urn im Siiden anzufangen, zunachst die in und urn den Kaukasus wohnenden tatarischen Volkerschaften ; den kleinen Stamm der Karatschai^ die westlichen Nachbarn der Osseten zu beiden Seiten des Elbrus; die Nogai, zahlreich in einzelnen Abtheilungen in Bessarabien an den Mundungen der Donau bis zu der des Dnjester,in derKrimm undan der Westkuste des Asowschen Meeresin schmalera Streifen bis Taganrog hinauf, ingrosserer Ausdehnung nordlich vom Kaukasus und ins Gebirge selbst sich herein erstrej;kend, endlich westlich von den Oldt nord- lich von der Wolga ; ihncn nah verwandt sind die K u m u k e n siidlich vom Eiuflusse des Terek in den kaspischen See der Kiiste entlang wohnend. Nordlich von der Wolga be- ginnt nun die zusammenhangende Masse turkischer Be- volkerung, zunachst die Kir gi sen, in den Gcgenden nord- lich und westlich vom kaspischen See und entlang dem Uralflusse; ferner urn den Zusammenfluss von Kama und Wolga herum die Kasanschen Tatar en in zahl - reichen Insein siidlich und westlich von der Wolga sich tiefer hinein in die russische Bevolkerung erstreckend, von welcher sie stets mehr verdraugt und zerkliiftet werden; weiter nordlich Baschkiren in den Thalern des Urals, in den Gouvernements Orenburg und Perm zum Theil zu- sammen wohnend mit Meschtsch erjaken in den Gou- vernements Orenburg und Saratow und endlich Tschu- waschen in ziemlich grosser Anzahl und \ r erbreitung in den Gouvernements Wjatka, Kasan, Orenburg, Simbirsk und Saratow. Von den letzteren drei Stammen wird behauptet, dass sie urspriinglich zu den Finnen gehort und erst spater die tiirkische (tatarische) Sprache angenommen haben. Die Tschuwaschische Sprache *) ist merkwurdig durch ihre zahlreichen Abweichungen von dem Idiom der iibrigen Tiir- ken, dennoch erweist sie sich ganz klar als eiu turkischer *) Schott, de lingua Tscbuwaschorum Berol. (1841). 69 Dialect, der eben durch Zusammenziehuugen, Apharesen und anderweitige Lautwechsel so entstellt ist, dass er nur selten die wahre Form der Worte unverselirt erhalten hat. Es fur eine Mischsprache von Finnisch und Tatarisch zu halten ist somit unrichtig — vvenn auch der Begriff Misch- sprache iiberhaupt zulassig ware (s. o.). Dieser geographischen Aufzahlung der furkisch - tata- rischen Starame moge die nach der Sprache geordnete Uebersicht sammtlicher Dialecte dieser Sprachfamilie nach Beresin (im Journal des Ministeriums fur Volksaufkliirung Nro. 7, 1847; mitgetheilt in der Vorrede zur Kasem-Begs Gramm. von Zenker) folgen; die europaischen fdiome sind durch den Druck bezeichnet; das Tschuwaschische geht dieser Uebersicht ab } es wiirde wohl neben dem Mesch- tscherjakischen seine Stelle find en, Nach Beresin spaltet sich die tiirkische Familie in drei Hauptlinieh, I. die tscha- gataische II„ die tatarische III. die tiirkische. Die Dialecte der ersten ostlicheren Linie sind 1, uigurisch, 2, komanisch, 3, tschagataisch, 4, usbekisch, 5, turkomanisch y im Tur- kestan und 6, kasanisch (Schriftsprache). Die Dialecte der zweiten, nordlichcren Liuie sind 1 } kirgisisch 2, baschkirisch 3, nogaisch 4, kumisch 5, karatschaisch 6, karakalpakisch 7, meschtscherjakisch 8, sibirisch. Die Dialecte der dritten, westlicheren Linie sind, 1, derbendisch, 2, aderbidschanisch 3, krimmisch 4, anatolisch, in Kleinasien 5, rumelisch, der Dialect von Constantinopel. Die tiirkische Sprache gehdrt, wie oben angefiihrt zu den ausgebildeteren des Sprachstammes und nimmt unter den tatarischen Sprachen im engeren Sinne ohne Zweifel die erste Stelle ein. Die Tiirkenstamme, welche ihre Spra- che zu einer Schriftsprache erhoben haben , bedienen sich nicht, wie Mandschus und Mongolen eines eigenthumlichen Alphabetes, sondern des arabischen, welches fiir ihre Sprache schlecht genug passt und narnentlich dem Fremden die *) Schott, de lingua Tschuwaschorum Berol. (1841). 70 Aussprache sehr erschwert. Wir sahen oben, welch wieh- tige Rolle in den tatarischen Sprachen den Vokalen zuge- wiesen ist und dennoch vcrmag die arabische Schrift a und e*) o, w, 6 und il nicht zu unterscheiden. Die Grammatik der tiirkischen Sprache bietet haupt- sachlich im Zeitworte interessante und reiche Formatiooen dar. Obschon wir an einer kurzen Beschreibung der ma- gyarischen Sprache die Art dieses Sprachstamms klar zn machen beabsichtigen, so moge doch eine Darstellung der tiirkischen Conjugation hier Platz linden, da gerade die Conjugation im Tiirkischen sehr geeignet ist darzuthun, wie aus dem Princip der Agglutination, der minder stren- gen Worteinheit moglicherweise eine grosse Formenmenge entspringen kaiin, welche die der flectirenden Sprachen weit iiberirifft, bei denen das hohere Streben nach Wort- einheit aller ins Maasslose gehenden Wucherung hemmend entgegentritt. Die Abwandlung der Zeitworter nach Per- sonen sowohl im Tiirkischen als in irgend einer anderen tatarischen Sprache, selbst die edleSuomisprache nicht aus- genommen, zeigt deutlich, wie wenig es in diesem Sprach- stamme noch zu einer strengen Scheidung von V 7 erbum und Nomen gekommen ist. Wir werden bei den einzelnen Spracherscheinungen diese Beobachtung zu machen Gele- genheit finden*). Das tiirkische Zeitwort ist vor Allem vieler Bildungen fahig, durch welche der Bedeutung transitive, passive u. s. w. Beziehung ertheiit wird. Diese Beziehungen wer- den durch gewisse zwischen Tempus- und Personalendung und Stamm eingefiigte Laute ausgedriickt, von denen meh- rere auf einmal in Anwendung gebracht werden konnen, wodurch zahlreiche Combinationen entstehen. Als Beispiel diene uns hier die Wurzel y» sev lieben^ sie hat einen *) Alles hier uber das tatarische Verbum Gesagte gilt in noch hohe- rem Grade von dem Verbum des ebenfalls agglutinirenden ma- layischen Sprachstamms (v. Humboldt). 71 weichen Vocal, verlangt also auch in den Beziehungslau- ten entsprechcnde weiche Laute, fur welche man bei einem harten Verbum die enlsprechenden harten zu substituiren hat. An die Stelle, an welehe die Tempus-, Modus- und Personalendungen treten, setzeu wir hier iiberall die Infini- tivendung ^5^ mek, bei harten Verbis OU maq. Die Laule, welche einzeln oder combinirt die zahl- reichen Arten des turkischen Zeitwortes bilden sind 1, * me, ma, welches das negative Verbum bildet, 2, \ a, e, vor diesem negativen * bildet die Impossibilia; 3, .J> dir, dyr oder djur Qa*ui'% dur bildet Transitiva ; 4, j ^ Passiva 5 ; ^ in, en Rettexiva; 6, \J« isch, usch Reciproca. Folgcnde Uebersicht mag von diesem ccht agglutini- reuden Mechanismus des turkischen Zeitworts eine An- schauung geben **)> sev - mek lieben. a. Negativ. sev -me -mek nicht lieben (baq-ma- maq"). imposs. sev -e -me -mek nicht im Stande sein zu lieben, b. Transitiv. sev-dir-mek zum Lieben nothigen. transit, negat. sev -dir -me - mek nicht zum Lieben no- thigen. transit, imposs. sev -dir -e- me- mek nicht im Stande sein zum Lieben zu nothigen. transit, reciproc. sev - dir -isch -mek einer den andern sich gegenseitig zu lieben nothigen. transit, reciproc. negat. sev-dir-isch-me-mek einer den andern sich gegenseitig zu lieben nicht nothigen Coder nicht zu lieben). transit, recipr. imposs. sev- dir -isch- e -me -mek einer den andern sich gegenseitig zu lieben nicht nothigen konnen. trans, reflex, sev- dr- in -mek sich zu freuen nothigen. *) Das Folgende ist nach Kasem-Begs mehrerwahnter Grammatik. 72 transit, reflex, neg. sev -dr - in - me - mek sich zu freuen nicht nothigen. transit, reflex, imposs. sev - dr-in -e-me -mek nicht ini Stande sein sich zu freuen zu nothigen. transit, reflex, recipr. sev -dr-in- isch- mek sich wech- selseitig zu freuen nothigen mit seinera Ne- gativ und Imposs. ist nicht gebrauchlich. trans, pass, sev - dr - il - mek geliebt zu werden nothigen. trans, pass, negat. sev-dr il-me-mek nicht geliebt zu werden nothigen. trans, pass, imposs. sev - dr - il - e - me - mek nicht im Stande sein nicht geliebt zu werden zu nothigen. trans, pass, recipr. sev -dr-il- isch- mek mit Negativ und Imposs. ist ungebrauchlich. Passiv. sev - il - mek geliebt werden. pass. neg. sev -il- me -mek nicht geliebt werden. pass, imposs. sev ~il- e-me -mek nicht geliebt werden konnen. pass, trans, sev-il-dir-mek genothigt sein geliebt zu werden (wenig gebrauchlich). pass, trans, neg. sev - il - dir - me - mek nicht genothigt sein geliebt zu werden. pass, trans, imposs. sev -il-dir- e-me -mek nicht ge- zwungen werden konnen geliebt zu werden. pass, recipr. sev -il- isch- mek gegenseitig geliebt wer- den (nebst den folgenden beiden selten ge- brauchQ. pass, recipr. imposs. sev - il- isch- me -mek gegenseitig nicht geliebt werden. pass, recipr. imposs. sev -il- isch- e-me -mek gegen- seitig nicht geliebt werden konnen. pass, reflex, sev -il- in -mek erfreut werden (nebst den beiden folgenden Formen selten und nur in den tatarischen Dialecten gebrauchlich). 73 pass, reflex, neg. sev - il - in -me -mek nicht erfreut werden. pass, refl. iraposs. sev -il-in- e -me -mek nicht erfreut werden konnen. pass, reflex, recipr. sev -il-in- isch -mek mit seinem Negat und Impossib. ist nicht gebrauch- lich. d. Reflex, sev -in -mek sich freueti. reflex, neg. sev -in -me -mek sich nicht freuen. reflex, imposs. sev -in- e- me- mek sich nicht freuen konnen. reflex, trans, sev - in - dir - mek sich zu freuen nothigen. reflex, trans, neg. sev - in - dir - me - mek sich zu freuen nicht nothigen. reflex, trans, iraposs. sev - in - dir -e- me - mek sich zu freuen nicht nothigen konnen. reflex, pass, sev-in-il- mek erfreut werden. reflex, pass. neg. sev-in-il -me- mek nicht erfreut werden. reflex, pass, imposs. sev -in - il-e-me -mek nicht er- freut werden konnen. reflex pass, trans, sev -in- il ~ dir -mek (ist nicht ge- brauchlichj. reflex, recipr. sev - in -isch- mek sich gegenseitig einer liber den andern freuen. reflex, recipr. neg. sev - in - isch -me- mek sich nicht ge- genseitig einer iiber den andern freuen. reflex, recipr. imposs. sev - in - isch -e- me - mek nicht im Staude sein sich gegenseitig einer iiber den andern zu freuen. e. Reciproca sev-isch-mek sich gegenseitig lieben. recipr. neg. sev - isch -me- mek sich gegenseitig nicht lieben. recipr. imposs. sev - isch - e - me - mek sich gegenseitig nicht lieben konnen. 74 recipr. trans, sev -isch- dir -mek sich gegenseitig zu lieben nothigen. recipr. trans. neg + sev - isch - dir -me -mek sich gegen- seitig zu lieben nicht nothigen. recipr. trans, imposs. sev - isch- dir -e- me- mek sich gegenseitig zu lieben nicht nothigen konnen. recipr. pass, sev - isch -il- mek und recipr. reflex, sev -isch -in- mek mit ihren neg. und imposs. sind ungebrauchlich. Aus jeder dieser Formeii entspringt eine reiche Fiille von Tempus- und Modusformen, deren jede ihre charak- teristische Bezeichnung hat, an welche die Personalendun- gen (die Pronom. suffixa oder selbst absoluta) antrcten. In vielen Formen wird auch das Hiilfszeitwort angewandt, das sich jedoch selbst wieder jener Endungen bedient. Dass auf diese Weise das ganze hochst zusammengesetzte System der tiirkischen Conjugation fiir alle Verba dasselbe ist, ergiebt sich demnach. Das Praes. wird z. B. auf fol- gende Art gebildet : sev - er - i - m ich liebe, pflege zu lieben {er bildet d. part, praes. liebend, -im ist d. erste Person sing, des Hiilfszeitwortes i-mek namlich -i- mit -m, dem Suf- fixum der ersten Person sing.). sev ~er- sen du liebst. {sen ist das Pronomen der 2 Pers. „du' r es gilt zugleich als zweite Pers. sing, des Hiilfszeitworts, „du bist", eine Funktion, die die Pro- nomina mancher Sprachen iibernehmen^ ich erinnere z. B. an die semilischen). sev-er er liebt (ohne Personalbezeichnung ,,liebend ; '). sev-er-i-z wir lieben (wie die 1. Pers. Sing., -z suff. d. 1. Pers* Plur.) sev -er- siz ihr liebt (wie d. 2. Pers. sing. ; siz oder siz-ler heisst >,ihr"> sev-er -ler sie lieben (j-ler ist die gewohuliche Pluralbe- bezeichnung der Nomina, also „liebende")« 75 Man findet in diesen Formen, denen die ubrigen Ver- balformen analog sind, keinen organischen Unterschied des Verbums vom Nomen; ein soldier ist den rein agglutini- renden Sprachen iiberhaupt noch nicht eigen, vergl. weiter unten das magyarische Verbum. Fiimiselie Spraehen. Die Sprachen, die vvir unter dem Namen der finnischen zusammenfassen und die, soweit sie hinreichend bekannt sind, eine Familie bilden, als deren Haupt das edle finnische Idiom betrachlet werden kann , werden sonst auch wohl tschudische, ugrische, uralische Sprachen genannt: Tschu- den werden von den Slawen (Russen) die in Russland wohnenden Volker dieser Familie insgesammt genannt, die beiden letzteren Namen sind von den am Ural wohnenden Gliedern dieser Sprachkette entnommen und auf das Ganze iibertragen. Ausser dem S amojedisc h en, von welcher Sprache uns bisher nur durftige Fragmente bekannt sind*), das je- doch von Schott (das altaische oder finnisch tatarische Sprachengeschlecht, Berlin 1849, pag. 2. Anm.) als ein Zweig der finnischen Familie angefiihrt wird, deren raum- liche Verbreitung wir oben kurz angaben, gehoren in diese Familie die Idiome der mehr jenseits des Ural wohnenden Ostjaken die zunachst mit den Wogulen oder U g- ren**) sprachverwandt sein sollen (Pallas, Erman u. a.) welche das Uralgebirge und dessen Umgebungen westlich von der unteren Kama inne haben. Schott (a. a. O. p. 23.) *) Worterverzeichnisse finden sich in verschiedenen Werken ; Vater hat im Konigsberger Archiv 1812 p. 208—212 eine zusammen- hangende Sprachprobe mit grammatischen Bemerkungen mitgetheilt. **) Auch von diesen beiden Sprachen, die man unter dem Namen des ugrischen Zweiges der finnischen Familie zusammeuzufassen pflegt, ist ausser Worterverzeichnissen noch nicht viel bekannt gevvorden. 76 erkennt mit friiheren Forschern in ihuen die im alten Hei- matlande zuriickgebliebeneu Stammverwandten der Ma- gyaren. Ihre westlichen und siidwestlichen Nachbarn sind die Syrjanen*) Permier und Wofjaken**), deren (nach Wiedemann u. a.) nur dialectisch verschiedenc Spra- chen ein Ganzes bilden. Das bekannteste dieser Idiome ist das Syrjanische. Die Syrjanen haben zwischen Dwina und Mezen um die Wytschegda und im Osten derselben be- deutende Landerstriche iime, die Permier, hauptsachlich im Gouvernement gleiches Namens um die Kama, nordlich von Syrjanen , ostlich von Baschkiren und anderen Tiirken begrenzt, sind wie ihre siidwestlichen Nachbarn, die Wot- jaken, besonders im Gouvernement Wjatka um die Fliisse Wjatka und Kama zu Hause und schon mehr von russi- scher undwohl auch von tatarischer Bevolkerung durchsetzt. Das Syrjanische zeigt die Vocalharmonie, weun auch nicht in der Ausdehnung, wie die Suomisprache. Es Itat nicht selten, wie auch andere ostliche Sprachen der finui- schen Familie, Formen, die sich als alterthiimlicher erweisen als die des eigentlichen Finnischen. so z. B. / wo dieses in der westlichen Sprache zu s erweicht ist und Anderes. Der Wortvorrath hat eine bedeutende russische Beimischung. In dieser, so wie in den demnachst zu erwahnenden Spra- chen, besteht die ganze Litteratur nur aus Uebersetzungen von Theilen der Bibel u. dergl., fur welche noch dazu das zur Umschreibung fremder Laute wegen seines eigenthiim- lichen Vocalsystems nicht wohl passende russische Alphabet *) Von der Gabelentz, Grundziige der syrjanischen Grammatik. Altenburg 1841. Cast re n, elemeuta grammatices syrjaenae und de nominum decliuatione iu lingua Syrjaena; beide Helsingfors 1844. Wiedemann, Versuch eioer Grammatik der syrjaaischen Sprache. Reval 1847. **) V. d. Gabelentz, die worjakiscbe Declination in Hofers Zeit- scbriftfiir die Wissenschaft der Sprache. Berl. 1846 1, 1 pg. 1 12. ff. 77 angewandt wurde. Die grammatischen Bearbeitungen er- setzen das russische durch das lateinische Alphabet. Vom Ganzen des ostfinnisehen Sprachgebiets fast los- gerissen sind die Tscheremi ssen*) und noch weiter im Siiden die M ord wiiie'n**) auf einzelnen Sprachinseln unter Russen und Tataren vertheilt und mit diesen versctzt. Na- menllich urn die Wolga herum (welche das tscheremissische Sprachgebiet in zwei Dialecte sondern soil) ehe diese nach dem Einttusse der Kama ihren ostwarts gerichteten Lauf nach Siiden wendet , und ini Siiden der Kama (Tschere- missen) sind die Wohnsitze der genannten Stamme; Mor- dwinen finden sich ausserdem noch weiter siidlich in den Geuvernements Saratow und Pensa. Mordwinen und Tsche- remissen fasst man als bulgarischen Zweig der finnischeii Familie zusammen. Das Tscheremissische ist ebenfalls nicht frei von russischen und tatarischen Wortern , die Vocal- harmonie entbehrt ein Dialect desselben, (wie das Estnische). Im Mordwinischen (nur bekannt aus einer mit russischen Characleren gedruckten Uebersetzung der vier Evangelien) dagegen scheint das Gesetz der Vocalharmonie zwar vor- handen zu sein , doch zeigt es sich in der genannten Ue- bersetzung nicht in der gewohnlichen Regelmassigkeit, was nach v, d. Gabelentz am wahrscheinlichsten nur auf Rech- nung des Uebersetzers kommt^ der jenes Gesetz nicht er- kannt hat. In Bezug auf den grammatischen Bau ist das Mordwinische von besonderem Interessej in der Bildung der Verba zeigen sich starke Anklange an den (einverlei- benden) polysynthetischen Sprachbau, deneu wir ubrigens, *) V. der Gabelentz Verglelchuug der beiden tscheremissischen Dia- lecte, Zeitschrift fur d. K. d. Morgeol. IV, 122 — 139. Castren, elenieiita grammatices tscheremissae 1845. Wiedemann, Versucli einer Grammatik der tscheremissischen Sprache. Reval 1847. **) V. d. Gabelentz Versuch einer Grammatik der Mordwinischen Sprache in Zeitschr. fur die Kunde des Morgenl. II, 235 flf. u. 383 ff. 78 wenn auch in geringerem Grade auch im Magyarischen be- gegnen werden. Eine zweite zusammenhangende Masse finnischer Spra- chen, von den Samojeden nur durch das weisse Meer ge- trennt besteht aus folgenden Sprachen. Lappisch*) von den Gestaden des weissen Meeres und der Nordkuste Scan- dinaviens (Finumarken) anhebend beherrschtden nordlichsten Theil der scaudinavischeu Halbinsel ganz und zieht sich sodann in abnehmender Breite , von beiden Ufern immer raehr zuriickgcdrangt, in der Mitte der Halbinsel ungefahr bis zum 60ten Grad nordl. Br. herunter; Finnisch **) im engeren Sinne, oder nach finnischer Benennung Suomisch in der gleichnamigen Proviuz des russischen Keiches (un- ter den finnischen Dialecteu wird besonders Tawastisch als der des siidlichen, Karelisch als der des ostlichen Finnlands angefuhrt u. s. w.) und Estnisch f ) in Estland und dem nordlicheu Theile von Livland so wie auf den Iuseln, von deneu Oesel und Dago die grossten sind. Man unterschei- det zwei Hauptdialecte der estnischen Sprache, den reval- schen und den dorptschen ; ersterer urnfasst das nordliche und westliche Sprachgebiet Cdas Fiirsteuthum Estland, die Provinz Oesel, den pernauischen Kreis und den anstossenden *) Rask, rsesonneret lappisk sproglsere, Kopenhagen 1832. Possarj kleine lappl. Grammatifc mit Vergleicbuug der finnischen Mund- arten. stuttg. Iw40. Lindahl et Oerling Lexicon lapponicum cum interpr. sueco-Lat. et ind. Sueco-Lapp. nee non auctum gram- matica lapp. Holm. 1780. **) S trail 1 man n, finuische Sprachlehre. Petersb. 1816. Ke II g r en, die Grundzuge der finnischen Spraclie mit Riicksicht auf den ural- altaischen Sprachstamm. Berlin 1847. Ren vail Lexicon linguae finnicae cum interpret, lat. et germ. 2 Tom. Aboae 1826. f) Estland (eesti ma ) oder auch Ehstland, aber nicht Esthland; th ist keiu einheimischer Laut. — Hupel ehstnische Sprachlehre fur die beiden Hauptdialecte, nebst eineni vollstandigen Worter- buche, 2te Aufl. Mitau 1818. Faeh lmann, Versuch die est- nischen Verba in Conjugationen zu ordnen. Dorpat 1843. 79 Theil des dorptschen Kreises, der dorptsche dagegen den siidostlichen Theil desselben. Ausserdem werden noch als Dialecte genannt das fast crloschene Liwische im Siid- westen ufld das Krewingische in einer mitten unter Letten (siidostlich von Riga) belegenen kleinen Sprachinsel und fast vom Letlischen verdrangt Diese drei Sprachen sind ortlich, wie ihrer Beschaffenheit nach, enge mit einander verbunden. Sie werden mit lateinischen oder deutschen Buchstaben geschrieben, letztere in estnischen Druckschrif- ten allein gebrauchlich. Das gleich zu erwahnende Madya- rische bedieut sich nur der lateinischen Schrift. Ganz getrennt von den grosseren Massen des Sprach- stammes eingekeilt in slawische und walachische Bevolkerung, iiberdiess von Deutschen, in geringerem Grade auch von Zi- geunern, Armeniern, Juden durchsetzt, reden die Magya- r e n*) ein der finnischcn Familie des tatarischen Sprachstammes angehorendes Idiom, daszvvar seinen Wortvorrath nichtganz frei von fremden Eiuflussen (slawischen, deutschen, romani- schen) erhaltcn konnte, wiewohl man diese fremden Beimi- schungen,ich weiss nicht warum , sehr zu iibertreiben von jeherbeliebt hat **) ingrammatischer Beziehung aber als eine der hochstentwickelten tatarischen Sprachen dasteht. Wir werden auf die Sprache der Magyaren spater zuriickkom- men. Von der iiber die Abkunft dieser Nation gelteuden ♦) Grammatiken giebt es von dieser leicht fasslichea Sprache viele; ich nenoe nur Farkas, ungarlsche Gramm. fiir Deutsche 9. Aufl. Wien 1816. T o e p 1 e r, theoret. pract. Gramm. d. magy. Spr. S. Ausg. Pesth 1842. Remel e Lehrbuch der uugar. Spr. Wien 1841. Bloch ausfu'»rl. theor. pract. Gramm. d. magy. Spr. Pesth 1842. Dankovszky, Magyaricae linguae lexicon critico - etymologi- cum. Pressbg. 1833 — 36. Taschenwdrterbucher der ungarischen und deutschen Sprache von Richter, Wien 1836; Fogarasi ebend. 1836 und Bloch. Pesth 1844. **) Das Magyarische ist nicht etwa in dieser Beziehung mit dem Eug- lischen, Osmanli u. s. w, auf eine Stufe zu stellen , es hat viel weniger Fremdes in sich aufgenommen als diese Sprachen. 80 Ansicht war oben die Rede. Eingeborne Magyaren ver- sicherteu mir, dass in ihrem Volke das Bewusslsein der Einwanderung von Osten her noch fortlebe *). In viel- fache Sprachinseln ist das Magyarische zerkluftet, die grosste Abtheilung ist die westliche in Ungarn, die Be- wohner der ostlichen Abtheilung in Siebenbiirgen fiihren den Stammnamen der Szekler. Rein magyarische Bevol- kerung findet sich nur in den Gebieten der Starame der Kumanen, Jazygen und Haiduken in der westiichen Ab- theilung. Sammtliche Magyaren sprechen wesentlich nur einen Dialect. Somit hatteti wir das ganze Gebiet nicht nur der fin- nischen Familie, sondern des tatarischen Sprachstammes iiberhaupt, so weit er nach Europa hereinragt, durchlaufen. Unter den nordwestlichen Sprachen, (Lappisch, Finnisch Estnisch) steht nun das Finnische, die Suomisprache, nicht nur als Litteratursprache, sondern auch, was den Reich- thum grammatischer Formen betrifft , am hochsten. Auch hat sie allein in consequenter Durchfiihrung die den tata- rischen Sprachen eigenthiimliche Vocalharmonie, obwohl ausserdem Estnisch und Lappisch mit dem Finnischen in sehr naher Verwandtschaft stehen 7 wie ein Blick in die Gram- matik dieser drei Sprachen zeigt. Finnisch und Magya- risch bilden iiberhaupt die Hohenpunkte der finnischen Fa- milie, es wird daher ein genaueres Eingehen auf diese bei- deu Sprachen am geeignetsteu sein, um eine Characteristik der ganzeu Familie zu geben t Zugleich werden diese Bei- spiele zusammen mit dem oben aus der turkischen Sprache angefuhrten das Bild des agglutinirenden Sprachbaues und zwar der Agglutination auf einer hohen, die Flexion an- strebenden Entwicklungsstufe in seiuen wesentlichen Zii- gen vor Augen stellen. *) wahrend dagegen der magyarische Nationalstolz sich gegeu die Anmuthung selbst auch nur einer Sprachverwandtschaft mit Wo- gulen, Ostjaken u. dergl. lebhaft straubt. 81 Auch das Finnische hat in ahnlicher Weise wie das Turki- sche eine grosse Menge von Arten des Zeitwortes. Das aber, was ihm eigenthumlich ist, und wodurch es sich vor vervvandten Sprachen auszeichnet, ist sein complicates De- clinationssystem ; auf dieses werden wir vorzuglich hier ein- gehen um in den vielfachen Nominalbeugungen der finni- schen Sprache ein Gegenstiick zu den oben angefuhrten zahlreichen Verbalformen einer verwandten tatarischen auf- zustellen. Ausser diesen Bruchstiicken mag eine Skizze des Baues der magyarischen Sprache hier Platz fmden, um eine Totalanschauung einer agglutinirenden Sprache zu geben. Fur das Finnische kommt uns die lichtvolle Dar- stellung der Grundzuge der finnischen Sprache von Kell- gren zu Statten und ihr ist das Folgende grosstentheils entnommen. Die nach Weichheit und Wohlklang strebende finni- sche Sprache liebt nackte, einsylbige Wurzeln nicht, sie setzt der Wurzel fast stets einen unbetonten auslautenden Vocal zu , wodurch das Wort den trochaischen Tonfall erhalt , der die ganze Sprache beherrscht Unwandelbar wie in alien agglutinirenden *J Sprachen ist die Wurzel *) Wenn Kellgren gegen Schott die finnische Sprache, ja sogar audi das Magyarische, Osmanli-Turkische und selbst zutii Theil das Mongolische als Flexionssprachen hinstellt und das Wesen der Flexion fiir den ganzen Sprachstamm in Anspruch nimmt, so gehfc er von der nicht richtigen Vorstellung aus, als bestande das Wesen der Flexion nur in der Verschmelzung des Stammes mit den angehangten Suffixen. Eine Anuaherung an die Flexion wird Niemaud in einer solchen Verschmelzung verkennen, solangeaber die Wurzel innerlich uuveranderlich ist, kann von keiner wahren Flexion die Rede seiu. Jeue Verschmelzung ist nur eine Folge der Lautgesetze, Assimilation u. s. \v , nicht aber eine Wirkung des iuneren flexivischeu Triebes, der es dadurch, dass er die Wur- zel selbst von innen heraus verandert, zur vvahrhaften Einheit von Bedeutung und Beziehung bringt. Es ist aber auch kein Vorwurf daria enthalten wenn man diese Sprachen agglutinirend nennt; 6 82 selbst, doch kann der auslautcnde Consonant verandert werden (Annaherung an flexivische Formen) so vvie der nicht zur Wurzel gehorige rhythmische Zusatz. Nicht nur einhei- niische Wurzeln (finnisch kala magy. hal, Fisch, [magya- risches k entspricht oft eineru finnischen ti\\ kdsi, magy. kez Hand; eld, magy. el leben u. a.) sondern auch fremde einsylbige Worte nchmen diesen fliichtigen Vocal an (z. B. deutsch rath, hat, finnisch raatij hattu). Kellgren nimmt die finnischen Formen als die ursprunglichen, und fasst die magyarischen als aus diesen zusammengezogen, wozu in- dess keine Nothwendigkeit vorliegt; jede Sprache verar- beitet das dem ganzen Stamrne geineinsame Gut nach ihren speciellen Lautgesetzen »die ungarische Sprache zcigt im Vergleich mit dem Finnischen einen consonaulischen Cha- racters , es ist daher wohl erklarJich wie das Finnische cine Wurzel z. B. zu nuoli (Pfeil) enveitert, wahrend das Magyarische sie in nyil zusanimenzieht*); dass durch den eine so hoch entwickelte, lebeosfrische agglutinirende Sprache steht sprachlich gewiss holier als unsere verschlisseneu Fle- xionssprachen. Uebrigens setzt gerade das Gesetz der Vocalhar- monie einen nicht flectirenden Sprachorganisuius voraus: es basirt auf der Unveranderlichkeit des Wurzel vocals und soil die Wurzel vor dem Verdunkeln durch zahlreiche und schwere Suffixa be- wahren. Hier wirkt die Wurzel auf die Vocale der Suffixa ein, in den flectirenden Sprachen dagegen die Suffixa, freilich in anderer Weise, auf die Vocale der Wurzel. *} Die von Kellgren (pag. 9 fin.) als allein moglich hingestellte Er- klarung der Entstehung weicher und inittlerer Wurzelvocale in Magyarischen finnischen Stammen mit hartem Wurzelvocale ge- geniiber, namlich aus zweisylbigen finnischen Stammen mit hartem Wurzelvocale aber weichem Endvocale fallt zusammen, da nicht selten ein weicher madyar. Wurzelvocal auch da einem harten fin- nischen gegenuberstehtj wo dieses keinen weichen, sondern einen harten auslautenden Vocal folgen lasst. So z, B. kuwa, magy. kep Bild; sauwu, magy. siist Rauch; und die auf derselben Seite von Kellgren selbst angefiihrten: harva, magy. gyer diinn ; vanha magy. ven altj karva magy. sz'or Haar. 83 rhythmiscben Vocal consonantische Entfaltung des Wur- zelauslauts befordert wird (pelke fiirchten, magy. fel\ oksa Zweig, magy. ag\ kylmli kalt, magy. hu\ hul u. s. w.J ist klar ; dass solche consonantische Erweiterungen der Wurzeln aber oft gerade nicht ursprunglich sind , vielmehr in den indogermanischen und noch mchr in den semitischen Spra- chen ein Kennzeichen sogen. secundarer Wurzeln sind, ist eine anerkannte Thatsache. Schwer ist es in den tatarischen Sprachen die Post- positionen von den Casusformen zu trennen. Beide sind dem Wesen nach ein und dasselbe , wie aus dem Prinzipe der Agglutination folgt: entvvedersind alle solche Suffixa Casus oder alle Casusendungen Postpositionen. Rein willkuhrlich ist es, went) wir die derberen magyarischen Suffixa als Postpositionen,, die feiner abgeschlifFenen , unsereu Vor- stellungen von Casusformen mehr eutsprechenden (innischen dagegen als Casus auffassen. Manche Postpositionen tre- ten an andere an, regieren, wie man zu sagen pflegt, einen Casus und unterscheiden sich auch meist von den iibrigen durch ihre Form. Solcher Casus zahlt man nun am finnischen Nomen fiinfzehn. Der Nominativ hat kein Casussuffix, ist aber an den Veranderungen kenntlich , welche nach den Lautge- setzen der finnischen Sprache der Auslaut des reinen Stammes als Auslaut des Wortes erleiden muss. Von den iibrigen Casus sind sieben einfach und sieben aus diesen einfachen zusammengesetzt. Die Suffixe fur die einfachen Casus sind : Genitiv - n; fndefinitivus oder Partitivus - ta oder - «; Caritivus- tta oder-/-a' {t-ah, t-ak dialectisch); Essi- vus-wa; lllativus -h-n Q-s-nl; Comitativus - ne ; In- strumentalis oder Adverbialis - n. Die Bedeutung dieser Ca- sus so wie der folgenden wird aus dem Paradigma erhelien. Zusammengesetzte Casusendungen sind folgende. Die Suffixe der Bewegung und der Nichtbewegung (Partitiv, Illativ, Essiv) bildcn mit den vorangesetzten Lauten * und / 84 funf neue Casus, die zwei iibrigen entstehen durch ver- schiedenartige Verschmelzung des Partitiv- und Ulativ- suffixes. Der Laut s, hier vvahrscheinlich mit dem Starame sisd, das Innere, verwaiidt, bezeichuet die Bewegung und das Sein aus und in dem Iniiern ; / wicderum das Nam- liche, von und an dem Aeussern ; vvie s aus sisd , so ist wohl / eine Verstiimmelung aus linki oder luo die Nahe, das nahe an Etwas Liegende. Die zusammengesetzteu Casus bekommen demiiach und zufolge der fiunischen Assimilationsgesetze und Laulgesetze iiberhaupt folgende Suffixa. Inessivus - ssa (aus s mit dem -na des Essivus); Elativus -sta (s mil Partitivzeichen -ta~)\ Adessivus -//«(aus / mit d. Essivz, -na)\ Ablativ -Ita (/mit d. Partitivz, -/a); Allativ -lie oder -Hen (aus/ mit dem Illativz. -he, -heri)\ Proseculiv -tse (a. d. Partitivz. -ta und lllat. -he-se)\, aftutativ :- Usi (aus Partit. ta mit lllat. -se, -he), Zur Uebersicht dienedie Declination des Stammes karhu, Bar. I. Nomin. karhu) 2. Genit. karhu -n, des Baren; 3. Essiv, karhu-na als Bar, vvie ein Bar; 4. Partitiv, karhu- a wird als Subject und Object gebraucht, als Object z. B. in : sydn leipd-d, je mange du pain] mina lyon karhu- a ich schlage den Bdren d. h. einen Theil desselben; 5. Caritiv, karhut-ta, -a, ohue Bar; 6. Ulativ, karhu- un in den Bar; 7. Comitat. (gewohnlich mit dem suffigirten Pronomen) karhu-ne-nsa, mit (seinem) Bar, in Gefolge; 8. Adverbial, (im Plural) karhu-i-n Q-i- ist Pluralzeichen) auf Barenweise; 9. Inessiv, karhu-ssa, im Baren; 10. Elativ, karhu-sta, aus dem Baren; II, Adessiv, (vertritt den Dativ und hauQg audi den Instru- mental anderer Sprachen) karhu-lla, bei dem Baren , mit dem Baren; 12. Ablativ, karhu-lta, von dem Baren; 13. Allativ, karhu-llen, zu dem Bar; 14. Prosecutiv, karhu-tse , an dem Baren voruber (an ihm entlaug); 15. Mutativ, karhu-ksi, in einen Baren z. B. verwandeit. Es giebt auch hier wie im ganzen Sprachstamme nur eine Declination, die im Finnischen nur durch die Lautgesetze 85 bestimmte Modificationen erfahrt. Einen Accusativ im ge- wdhnlicheii Sinne, einen Objeclscasus schlechthin, hat das Finnische nicht. Den Partitiv erwahnten wir schon als Objectscasus , wird aber das ganze Object vom Verbum abhangig gedachf, so sleht der Genitiv, wie z. B. ich schlage den Hund todt, firm, mina lyon koira-n (Genitiv) mit dem bestimmenden Zusatze: kuolche-ksi (Mutativ) zu einem todten. Nach einem Imperativ steht das Object im No- minativ. Der Mangel des Accusativs in unserem Sinne wird so durch die Feinheit der Begriifsspaltung ersetzt. Im Plural wird auffallenderweise nie der Genitiv als Objectcasus ge- braucht, sondern derNominativ vertritt seine Stelle. Der Parti- tiv Plur. wird dem Partitiv Sing, entsprechend gebraucht, z. B. naki talo-j-a, er sah Hauser (mehrere). Der Partitiv steht audi als Subject, z. B. vel-tti juoksee, Wasser fliesst. Die Casusendungen in den tatarischen Sprachen iiberhaupt und also auch imFinnischen sind, dem Principe der Aggluti- nation gemass, im Plural dieselben wie im Singular, vor dieselben tritt nur dasZeichen, welches den Plural andeutet. Das Pluralsuffix ist im Finnischen -*-, nur der Nominativ nimmt -/ au den reinen Stamm ; also Nom. karhu-t die Baren; Genit. hat eine doppelte Bildung, einmal der Kegel gemass mit dem Pluralzeichen -*- und dem Genitivsuffixe -n, also karhu-i-n, lapse-i-n (von lapse, Kind), zweiteos durch dasselbe Suffix -n aus dem Partitiv Pluralis, z. B, laps-i-en, vom Partitiv plur. laps-i-a mit -n (-0 gcht vor -n in e iiber). Vi Die erstere Form hat eine collective, die zweite eine partitive Bedeutung, z. B. das Weinen ist die Gewohnheit der Kinder (d. h. aller Kinder iiberhaupt) itku (Weinen) on (ist) lapse-i-n tapa (Gewohnheit), aber das Weinen ist die Gewohnheit dieser Kinder : itku on noi~ den (dieser) laps-i-en tapa. Essiv. karhu-i-na als Baren; Part, karhu-j-a des ours; Carit. karhu-i- ta ohne Baren ^ Illat. karhu-i-n in die Baren ; Elat. karhu-i-sta aus den Baren; Allat. karhu-i-len zu den Baren u. s. w. Nachdem wir so die Haupttheile der Grammatik in zvvei verschiedenen tatarischen Sprachen, in welchen sie vorziiglich entwickelt erschienen, belrachtet haben, wollen wir suchen uns die gesammte Grammatik einer dritten in fliich- tigen Umrissen zu entwerfen. Es moge uns hierzu die magyarische Sprache dienen. Wir werdeii auch in ihr alle die Erscheinungen wiederfinden, welche durch das Wesen der Agglutination und den speciellen Character des tatari- schen Sprachstamms bedingt sind , in welchem auch das Magyarische eine hervorragende Stelle einnimmt. Das ma- gyarische Lautsystem besteht aus folgenden Elementen. Voeale; 1. kurze, a (zwischen a und 0, vvie das oster- reichische a) o, u, i, e Cmeist dem a verwandter Sprachen auch in der Aussprache entsprechend) o, u. 2. gedehnte (sammtlich rait eiuem Accente versehen), a, 6) u\ e (weich, nach i hin) L\"6 } u oder o, u. Consonanten. K 9> h. ty; 9V C w ie fa dj; russ. mb db~), j, ny (wie franz. gn in cicognej. cs oder ts (wie tsch), ds oder dzs oder d*s (wiefran- zosisch dj ital. gi). s (wie sell), zs (wie franz. j in jour.). cz (7s zu sprechen), dz {d und mediales * wie dz ira Slawischeu. t, d, sz (scharfes s), z (mediales s, z der Franzo- sen und Slawen), n. Pj b, f, v (wie deutsches w) 3 m. I, ly (wie franz. // in famille), r. Der Hauptaccent ruht wie im Finuischen auf der ersten Sylbe des Wortes, welche , bis auf wenige unorganische Fiille, in denen das Magy. fremdem Einflusse folgend dem Verbum Prapositionen vorne anfiigt, dem Principe des tatarischen Sprachstammes gemass stets die Wurzelsylbe des Wortes ist; diesem Accente nehmen jedoch folgende 87 lange Sylben, die von den kurzen scharf gesondert werden, viel von seinem Nachdrucke*). Die Gesetze der Vocalharmonie sind die oben ange- gebenen. Harte Vocale sind a, o, u kurz und lang ; mitt- lere e 9 i, i\ weiche e 9 o, o. u, u. Eine Sylbe darf nicht mit zwei Consonanten anlauten (ebenso im Finnischen, Mongolischen , Tiirkischen u. a,); fremde Worte werden daher durch Einschicben oder Vor- schieben eines Vocals mundrecht gcmacht ; Ferencz 9 sinor, istdllo, kiraly z. B. aus Franz, Schntir, Stall, kral (bdh- misch, Konig). Doch grof, Spanyol, Svekus (Schwede) u. a. In Bezug auf Auslaute ist die Sprache im Vergleich z. B. zur fiimischeii Schwestersprache sehr frei; Conso- nanten aller Art lauten aus 5 auch die mit dem palatalen Spirantcn zusammengesetzten, z. B. nagy gross ; hely Ort, ledny Madchen u. a. nur in einsylbigen Wortern fallt nach e 9 a, o, 6, u, '6j u ein auslautendes wurzelhaftes v (sonst ein haufiger Auslaut z. B. nyelv Zunge) ab , das vor Suf- fixen wieder hervortritt; so le neben lev Saft; bo neben bov reich; ein kurzer Vocal wird in diescm Falle verlan- gert, a aber in 6 verwandelt z. B. to Pferd fur lov\ to truncus (finn. tyvi) aus t'ov {t'dvet etc.); fu Gras fur fuv\ ho Schnee fur hav ; to Teich fur tav etc. etc. Der Wortstamm wird nte verandert. Assimilationen bei Anfiigung von Suf- fixen sind selten ; wir werden sie bei Gelegenheit (Conju- gation) ervvahnen. Das Magyarische braucht das in seiner Bedeutung ab- geschwachle Demonstrativ az (vor Cons on. a ) als be- stimmten und ebenso 9 doch nicht so haufig, meist nur in Erzahlungen das Zahlwort egy als unbestimmten Artikel. Beide dienen fur alle Genera, die iiberhaupt im Magy. vvie *) Das Magj r arische hat somit eine vom Accente ganz unabhaogige Prosodie und ist unter den lebenden Kultursprachen fiir antik*, iiberhaupt fiir quantitirende Melra die geschickteste. 88 in den verwandten Sprachen lautlich nicht getrennt sind und nehmen iiberhaupt keiuerlei SufFixa an. Die Declination geschieht durch Postpositionen , deren es eine Mcnge giebt. Wie in alien tatarischen Sprachen, so ist sie auch hier fiir alle Nomina dieselbe. In den Gram- matiken zieht man von dieseu Nachsetzsylben gewohnlich nur zwei in das Schema der Declination, weil sie den gang- baren Casus Dativ und Accusativ enlsprechen, diese sind -naky -nek und -/ mit oder ohne Bindevocal. A hal der Fisch; a hal-nak dem Fische; a hal -at den Fisch; a hal- ban in dem Fische; «' hal - da in den Fisch (hinein) # a* hal - bol aus dem Fische, a hal-on auf> an dem Fische. a hal-ra auf den Fisch ; a hal-rol von dem Fische weg J a hal-hoz zu dem Fische; Pest-ig bisPesth; a hal-ert fiir den Fisch (z. B. bezahlen), wegen des Fisches ; a hal-val mit dem Fische ; a* hal-kep wie ein Fisch u. s. w. Zwan- zig diescr Casusendungen werden mit dem Worte zusam- meugeschrieben, noch zahlreichere von ihm getrennt, von letzteren sind die meisten zusammengesetzt. IVIan kann also im Magyarischen noch eine weit grossere Anzahl von Casus aun< hmeu als im Finnischeu; doch sind die magya- rischen Suffixa fast alle der her und da her den uns gelau- figen Casusendungen minder ahnlich als die tinnischen. Pluralzeichen der Nomina ist -k mit oder ohne Bindevocal aus ki, welcher, wer , dem gleichbedeutenden finnischeu ~t entsprechend. Dem finnischeu i werden wir bci den Pronomina begegnen. Also hulak Fische; an diese Plural- form hangen sich nun wieder alle jene Casusbezeichnungen z. B. Ace. halakatj Dat. halaknak, halakbol u. s. w. Dass alle diese Bezeichnungen, so wie der Bindevocal unter dem Einflusse der Vocalharmonie stehen, versteht sich^ also z. B. von den Wiesen weg (ret Wiese) #' relekrbl\ von den Fischen weg dagegen a halakrol u. s. f. Das vor seinem Substantiv stehende Adjectiv erhalt, wie im Tiirk. Mong. und Mandsch., keine Casuspartikeln 5 a nagy vdros-ok-nak 89 den grossen Stadten. In anderen Fallen erhalt es diesel- ben. Die Sleigerung der Adjectiva geschieht durch die Eudung -bb , -abb, -ebb, (tinnisch -mbi). Dern Superlativ wird leg vorgesetzt; jo gut, jo-bb, leg -jo-bb. Die Pronomina bieten schon complicirtere Formationen. Die Wurzeln fast aller Pronomina, beilauiig gesagt, stim- men nicht nur in alien tatarischen Sprachen zusammen, sondcrn klingen auch stark ans Indogermanische an. Grund- formen der Pronomina personalia und Nominative sind l.Pers. en ich, als suffigirtes Pronomen -m (mem) niit oder ohne Bindevocal Q-m ist nicht nur im Indogermanischen sondern auch im Tatarischen Stammconsonant des Pron. der crsten Person, vgl. tinn. mi-na etc.) Plural mi d. i. eben die- ses m mit der alteren Pluralbezeichnung i, die wir vom Fin- uischen her kennen und die sich , wie oft altere Formen, am Pronomen erhalten hat; die suffigirte Form ist ebenfalls m mit dem Pluralzeichen ~k und einem Stiitzvocale u oder ii, also -*nk (fur -mk) -unk 9 -link (unser). 2. Person le du 5 Plural //; von diesen Formen gilt ganz das von den entsprechenden der ersten Person Gesagte. Suf- figirte Form - d mit oder ohne Bindevocal (eben jenes / der selbststandigen Form, nur erweicht); Plural dasselbe / mit dem Pluralzeichen k durch einen Bindevocal verkniipft, -(ok, -tek, -tok mit oder ohne Bindevocal anzuhaugen, -atok u. s. w. (euer). 3. Pers. 6 er ; Plural 0- k nach der Art des Plurals der Nomina $ suffigirt a, e £e) und mit einem (ziemlich dun- kelen) j vor diesem Vocale -ja l, -je, das bisvveilen allein iibrig bleibt als i (sein); Plur. mit dem bekannten -k also -o-k , -jo-ky -e-k , -je-k) ~6-k, ~jo-k. Diese suffigirten Pronomina haben nun nicht nur possessive Bedeutung, wie in anderen Sprachen, (halam, halad u. s. w. meiii Fisch, dein Fisch) , sondern sie werden auch den Casusendungen an- hangt, z. B. nicht etwa enrol von mir, wie hulrol von dem Fische, sondern rolam von mir ; rolad von dir u. s. w. 90 Will man mit Nachdruck sprechen, so wird dem suffigirtea Worte noch das entsprcchende selbststandige Pronomcu vorausgeschickt , % a% en hdzam (das ich Haus - mein d. i.) mein Haus. Statt ok wird in diesem Falle o gebraucht. Nun erst sind vvir in den Stand gesetzt die in den Grammatiken gegebene Declination der persoulichen Pro- nomina d. h. ihre Verbindung mit den Casuszeicheu -nak- -nek -t und einigen audereu Postpositionen verwandter Be- deutuna: zu verstehen. I. Person. N. en ich, Dat. nek -em (zu mir; nek mit d. Suffix d. lsten Person) oder mit wiederholt ausgedriicktem Prono- men, en -nek -em. Ace, en-g-em-et, oder ohne Accusativzeichen en-g-em'y en ist, wie die Vergleichung mit tegedet zeigt, wie- der das selbstaudige Pronom d. 1. Person; g ist wohl die abgekiirzte Postposition ig zu , bis; -em Suffix 3 -et Zeichen des Accusativs. Der Accusativ ist also zweimal ausgedriickt, durch -g- (ig) und -et] desswegen kann das letztere weggelassen und en-g-em gesagt vverden, wie oft geschieht. Plur. N. mi wir, ist oben erklart; mi-k mit doppeltem Plu- ralzeichen, die Bedeutung des i wurde nicht mehr gefuhlt, mi-nk eine unorganische Nebeuform mit dem Suffix. D. nek-iink oder mi-nek -iink, ist klar. A. mi-nk-et, der Nominativ mi- nk mit dem Accusativ- zeichen; oder benn- unk-et\ ban, ben, Casuszeichen, Postposition »ia« bedeutend, hier zur Verstarkung des Accusativzeichens -/, wie im Singular das -ig, verwendet. II. Person. N. te du. Dat. nek- ed oder te-nek-ed. Ace. le-g-ed oder te-g-ed-et, wie oben bei der ersten Person, nur mit Verauderung der Pronominaltheile. 91 Plur. N. t-i s. o. ti-k doppelte Pluralbezeichnung nach falscher Analogie mit anderen Nominalformen, ganz wie mi-k. D. nek-tek Q-tek Suffix der 2. Person Plur.) oder // - nek - tek. A. ti-tek-et ganz nach Analogie von mi-nk-et, nam- lich d. Pron. tf mit dem unorganischen Suffix - tek und d. Accusativzeichen -et\ benn-etek- et (- etek Suffix mit Bindev.) wie benn-ilnk-et. III. Person. Nj oj Dat. nek-i, nek mit dem Suffix der 3ten Person -i (wie ne - Ar^m, nek - eel) ; o - nek - t. Ace. o-/; mit wiederholtem Accusativzeichen o-t-et. Plur. N. o-£. D. nek-i-k, der Dativ Sing, mit dem Plural -/»; o- nek-i-k dasselbe mit Wiederholung des Pronom. Ace. ti-k-et, regelmassig. Die ubrigen Pronomina ki , melly welcher, a% jener, e% dieser, werden wie Nomina declinirt. An die Possessivsuffixa tretcn nun wieder die Casus - endungen an, z. B. mag (Saft, Kern, Samen) N. magam mein Weseu d. h. ich selbst; Dat. mag-am-nah meinem 12 3 3 2 1 Wesen d. h. mir selbst; a haz-ad-bol aus deinem Hause u. s. w. Wird das Besessene in der Mehrzahl gedacht , so wird zwischen das Nomen und das Suffix das mehrfach erwahnte Pluralzeichen -i- eingesetzt. Nach vocalischen Stammen wird, wie vor alien Suffixen, bloss der vorher- gehende Vocal verlangert; nach consonantischen wird statt -«-, -at- resp. -el- gesetzt, d. h. i mit einem Bindevokal ver- sehen. Sammtliche Suffixformen nehmen sich also in fol- gender Weise aus : 92 Sing. Plur. kep*}-em mein J kep-ei-m meine -ed dein / -ei-d deine -e sein \ R;| , -ei seine / ana . . > Bilder. -iink unser/ -^-w&unserei -eteA; euer\ -ei-tek euere' -e& ihr / -«'-& ihre In kepei seine Bilder, wofiir man etvva kepeje erwartet hatte, ist anzunehmen dass der Vocal, der das Suffixum d. 3ten Person bildet, und der auch i sein kaun } mit dem Plural i verschmolzen ist**). Alle diese Formen konuen wieder durch die bekannten Postpositionen declinirt werden ; z. B. a kepeinknek un- seren Bilderu u. s. w. Eine^eigenthumliche Rolle spielt im Magyarischen das Pronomeu saffixum der 3len Person, bei welchem wir da- her noch besonders verweilen miissen. Das in Rede stehende Suffix wird namlich gebraucht urn den Genitiv zu umschreiben, doch nur dann, wenn die- ser ein Besitzverhaltniss anzeigt, z. B. des \achbars Haus, a szomszednak a haza oder a szomszed? a haza wortlich: dem Nachbar sein Hans; die Stadt Pesth , Pest vdrosax Pest, seine Stadt u. s. f. Der Besitzende wird hier zwei- mal ausgedrucktj einmal ist er im Pronomen angedeutet und dann wird er, gleichsam als Apposition zu diesem im Besitzpronomen enthaltenen Geuitiv und zu dessen naherer Bestimmung noch einmal ausdriicklich genannt. Dasselbe findet, wie wir oben saheii, auch bei den Suffixformen anderer Personen des Pronomens statt, z. B. en-nek-em. In der Form -e wird dieses Pronomen suffixum an das den *) kep ist weich, daher auch die Suffixa mit weichen Vocalen ; da- gegen hal - a sein Fisch, halai seiue Fische etc. **) Kellgreos kunstlichere Erklarungsweise a. a. 0. p. 60 wird auf diese Weise erspart. 93 Besitzer bezeichnende Wort gehangt und es driickt ein so suffiffh'tes Wort noch deu Nominativ der besessenen Sache aus z. B. a Janos-e^ dem Johann sein Etwas, (was ge- meint sei , ergiebt sich aus dem Zusammenhange) z. B. auf die Frage: Wessen Buch ist diess? kann die Ant- wort tauten: a Janose , d. h. dem Johann seins, so- viel als : a Janosnak a gyermeke , dem Johann sein Buch. Diese Formen mit -e werden wie andere Wor- ter declinirt, z. B. du kaufst die Bucher des Peter, ich die des Johann, en a Janos-e-i-t (nach den obigen Kegel n). Dem in dem -e liegcnden Pronomen demonstrativum kann wieder -eangehangt werden, z. B. dieses Haus gehort mei- nem Sohne jenes dem des Nachbars , amaz a szomszedee wortlich: ist dem Nachbar seiuem seines. Auch diese For- men konnen wieder declinirt werden u. s. f. Dieses -e hangt sich nun sogar an die Pronomina personalia, die eben wie Nomina uberhaupt behandelt werden; die Pronomina der ersten und zweiten Person erhalten zugleich ihre entspre- chenden Suffixa: ov-e des Er sein d. i. seinige; ti-e-d wortlich des Du sein (dein) d. i; Deinige eny-e-m {eny fur in) des leh sein (mem) d j. Meinige; Plural ebenso 1. mi-e-nk unsrige; ti-e-lek eurige; ov-e-k ihrige. Diese Formen ha- ben regelmassigen Plural und Declination, z. B. den unsri- gen (z. B. Verwandten) a mi-e-i-nk-nek. An solchen For- men zeigt sich das Wesen der Agglutination in seiner ganzen Entfaltung. Doch wir sind noch nicht zu Ende mit den Formen , welche durch das Pronomen affixum der 3. Person entstehen. Im Magyarischeu giebt es namlich zwei Reihen von Personalendungen fur die transitiven Verba; die eiue wird gebraucht wenn das Object der Handlung mit dem be- stimmten Artikel versehen oder durch Suffixa u. s. w. naher bestimmt*) dem Verbum beigesetzt wird, oder wenn *) Ein abhaogiger Satz wird als bestimmtes Object empfuodeo, z. 94 das Zeitwort sich auf ein schon bekanntes Object bezieht, in welchem Falle wir im Deutschen das Pronomen „es" anvvenden. Diess ist die beslimmte Form; die andere, un- bestimmte Form, findet Anwendung, wenn an das Object der Handlung zunachst nicht gedacht wird, oder dasselbe den bestimmten Artikel nicht hat, z. B. ir er schreibt, schlechthin, ir-ja dagegen er schreibt es (z. B. das Schrei- ben, von dem die Rede war); Idiom az erdot , ich sehe den Wald Cden bestimmten), aber latok erdot ich sehe einea Wald. Diese doppelte Form hat bisher, so viel ich weiss, keine genugende Erklarung gefunden (vgl. Kellgren, Grundziige der finuischen Sprache u. s. w. Berlin 1847, pag. 79. Schott, Versuch iiber die tatarischen Sprachen, Berl. 1836. p. 66). Die bestimmten Formen enthalten Cvgl. Schott, a. a. O.) ofFenbar der Bedeutung nach den Accnsativ des Pronomens der dritlen Person (ihn, sie, es); wir glauben nachweisen zu konnen , dass sie ihn auch lautlich enthalten, und dass sie sich hauptsachlich dadurch von den unbestimmten Formen unterscheiden, dass vor den Personalendungen das Suffixum der 3ten Person (im Magy. natiirlich aller Genera) eingeschoben ist. Sehen wir zunachst die bestimmten Personalendungen darauf an, ob sie ihrer lautlichen Gestaltung nach unserer Ansicht giinstig sind oder nicht. Das Suffixum der 3ten Person ist ja, a, je, e (e Plural iv-jd-k nach Nominal- art gebildet (der Unterschied von Nomen und Verbum ist im gauzen tatarischeu Sprachstamm noch nicht eutschie- den herausgebildet) als dritte Person Pluralism unbestimmt ir-n-ak , ir mit deni Plural -ak und einem eingeschobenen n, dessen Bedeutung nicht klar ist; ir-j-uk „wir schreiben es ci y -uk wohl aus -link (Suffix I. Pers. Plur.) verkiirzt. in Folge des eingeschobenen i s welches eben (s. o.) das Suffix der 3. Person ist, dagegen regelrccht ir-imk, wort- lich „unser Schreiben ,*' wir schreiben. Die 2. Pers. Sing, ist in der unbestimmten Form ohne Bindevocal , mit zu sz erweichtem /, also ir-sz du schreibst, die bestimmte Form lr-o-rf schiebt vor das gewohnliche Suffix der 2. Person 96 (d) einen Y r ocal ein, der das Pronomen ausdriickt und zu- gleich als Bindevocal dient ; die erste Person best fr-o-w ist in ahnlicher Weise gebildet; unbest. ir-ok , hat sie ein bisher nicht erklartes Suffix. lm Imperfectum kann das Suffix a (jT) desshalb nicht in unterseheidender Weise an der beslimmten Form zum Vorschein kommen, weil der Character dieses Tempus ein Bindevocal (tf, ej ist, der vor alien Suffixen (diese gelten in der Conjugation als Personalendungen) nach einer all— gemeinen Regel gedehnt werden muss; mit diesem langen Y r ocale verschmilzt das Suffix der 3ten Person. Allein in der 3ten Person Singul. zeigt sich audi hier der Vocal- zuwachs, der durch dieses Suffix hervorgebracht wird; unbestimmt ir-a, er schrieb, aber bestimmt : vt-a, er schrieb es. Perfect (Charakter /) \yj e Prasens ; z. B. unbestimmt 3 Pers. ir-t, er hat geschrieben, aber ganz regelrecbt ir- /-«, er hat es geschrieben; 2. Pers. Plur. unbest. ir-t-atok (a der gewohnliche Bindevocal) aber bestimmt ir-t-d-tok Qd lang) weil es kein Bindevocal ist, daher nach der Re- gel vor dem Suffix verlangert werden muss); 3. Plur. unbest. ir-t-fl&, regelmassiger Plural von ir-t, dagegen best. ir-t-«N#j ebenso von ir-t-tf. Conjunctiv prasentis (Imperative Character -j-~) er- klart sich ebenfalls aus dem Bisherigen, besonders deutlich ist die 2. Pers. Sing, unbest. fr-j, best. iY-'ya-d (zusammen- gezogen audi ird) ; 2. Plur. unbest. iv-j-atok best. ir-j-a-/oAr (s. o.). Conj. Imperf. (Charakter na,ne), ebenfalls aus Obigem klar. Dass die Sprache neben der Einschiebung des Prono- mens der 3ten Person noch anderer laullicher Miltel sich bedient urn die beiden Formen zu sondern, dass ferner jenes Einschiebsel nicht iiberall auf gleiche Weise zum Vor- schein kommt, wird denjenigen nicht befremden, welcher die Art, wie die Sprachen, namentlich die hoher entwickel- ten, ihr Material zu grammatischen Endungen zu ver- 97 wendcn pflegen, auch nur einigermassen kennt. Obgleich das Magyarische wesentlich eine nicht flectirende Sprache genannt vvcrden muss, so giebt uns doch die Freiheit, mit wclcher es in der Conjugation die Personalendungen be- handelt (man vergleiche diese nur mit den gewohnlichen Suffixed), ein Recht, eine ahnliche Kraft des Zeilworts auch fur unser Infix in Anspruch zu nehmen. An solch freierer Behandlung des lautlichen Stoffs kommt die dem Vcrbum eigenlhumliche Kraft und sein Unterschied vom Noraen zur Erscheinung, der trotz alle dem beim Magya- rischen, vvie im ganzen tatarischen Sprachstamme, noch nicht in so entschiedener Weise sich kund giebt wie in den Flexionssprachen. Die als Beispiel gebrauchte Wurzel ir (mittellautig) hat hartlautige Suffixa; dass bei Wurzeln mit weichen Vocalen die durch das Gesetz der Vocalharmonie bestimmten Aen- derungen in der Vocalfarbung der Suffixa vorgenommen werden miissen, andert an der Sache selbst nicht dasMin- deste, so dass es unnothig sein vvurde auf weichlautige Wurzeln besonders einzugehen. Es wird nicht zu viel be- hauptet, wenn wir sagen, dass die lautliche Gestalfcung der bestimmten Form (die uberhaupt klarer ist als die unbe- stimmte) die von uns gegebene Erklarung nicht nur unter- stiitzt, sondern vielmehr geradezu an die Hand giebt. Dass es aber dem Geiste der magyarischen Sprache nicht widerstrebt suffigirte Pronomina in einem anderen als dem possessiven Sinne zu nehmen , zeigen recht deut- lich die den Postpositionen oder Casussylben sufligirten Pronomina z. B. fele-m, fele-d, fele-je, gegen mich, dich, ihn (es) J vel-em , vel-ed, vel-e mit mir, dir ; ihm u. s. f., welche auch nicht im Sinne von Possessiven genommen werden konnen. Auch in den semitischen Sprachen haben bekanntlich die pronomina suffixa diese dreifache Anwen- dung als Possessiva, als Prapositionalsuffixa und als Ob- jectsbezeichnung der Zeitworter z. B. Hebr. DrDiD sus-kem, 7 cuer Ross; DDnN itt-kem bei euch und D: L jtsp qtal-kem er hat euch getodtet; auch im Abchasischen haben die Pos- sessivprafixe, die Personalprafixe (oder lnfixe) beira Ver- bum sowie die Objectsbezeichnungen desselben gleiche Form. Im Gegentheile ist es echt magyarisch und den Geist dieser Sprache characterisirend Etwas durch Suffixa anzu- deuten und nebenher das Angedeutete appositionsweise naher zu bestimmen: diese Neigung beherrscht die ganze Sprache. 'lr-ja a' levelet: er schreibt ihn, den Brief (er schreibt den Brief) steht in der strengsten Parallele zu Fiigungen wie az ember a szem-e, sein Auge, dem Men- schen (das Auge des Menschen)*). Noch viel ausgebilde- ter findet sich diese Ausdrucksweise bei den einverleiben- den Sprachen Amerikas; die bestimmte Conjugationsweise des Magyarischen ist eiu entschiedener Anklang an das Einverleibungssystem. Ich glaube im Obigen meine Vermuthung wohl hin- reichend gerechtfertigt zu haben; doch fiihre ich beilaufig noch an, dass eiu gebildeter Magyar, der mir das Studium seiner Muttersprache nicht wenig erleichterte, mir versi- cherte das Y^erhaltniss der beiden Abvvandlungsweisen stets so empfunden zu haben, wie es so eben von mir aufgefasst worden ist. Das Prasens hat kein besonderes Zcichen; auch das Imperfectum unterscheidet sich nur durch Modification der *) Dass nach bestimmten Zeitwortern selbst otet (o'Q ma > sie > P ,ur * oket,s\e, gesetzt werden kann, ist ebenfalls in dieser Neigung der Sprache begriindet; nem tsak otet latom, hanem u. s. w. nicht nur Ui d sehe ich (ihn), sondern u. s. w. hier ist im latom otet das abhangigc Prouomen eben so zweimal ausgedriickt, wie z. B. in en-nek-em vvortlich »ich , zu mir« eh i. mir; man vergleiche auch Formen wie ov-e, ti-e-d, mi-e-nk u. a., in welcheu alien dasselbe Pronomen zweimal ausgedriickt ist, einmal durch Suffix sodanu in selbststandiger Form, gerade wie in latom otet. 99 Personalendungen (Dehnung des Bindevocals). Die iibrigen Modi und Tempora haben in alien diesen Sprachen be- stimmte lautliche Ausdrucke, die der Wurzel zunachst an- treten; Prateritum -t,-ott-ett; Coiijuiictiv und lmperat. -j welches vorausgehenden Zischlauten assirnilirl wird und init / die Gruppe ts bildet (wahrend sonst im Magyarischen Assimilationen selten sind) nez-j-e-m wird nezzem u. s. w. oder sie werdcn mit Hulfszeilwortern gebildet. Fiir die Arteu des Verbums ist in ahnlieher Weise gesorgt, wie im Tiirkischen: tat, tet\ od, 6d bilden z. B. Passiva; at, et Caussativa ; hat, het Poteutialia, dos) dos Frequentativa u. s. f. So z. B. it cr schreibt, irat er lasst schreiben, ir-hat- o-m ich kann es schreiben u. s. w. II. K a u k a s i s c h e Sprachen*)- Die Kettc der nichttatarischen und nichtindogermani- schen Idiome , die sich in der Richtung des kaukasischen Gebirgszuges von den Gestaden des schwarzen Meeres bis fast zu denen des kaspischen Sees hinzieht, eine tiirkische und eine iranische Sprachinsel rings umschliessend, ist uns erst theilweise hinreichend bekannt urn ihr einen Platz im Systeme der Sprachen anweisen zu kdimen. Unter deu hinreichend bekaunten [diomen dieser Sprachkette stent das Georgische in grammatischer Entwickelung am hoch- sten und selbst diesem ist nebst seinen Vcrwandten mit Recht in dieser, nicht abcr in der folgenden Sprachklasse ein Platz anzuweisen. Es ist wahr, iiamcntlich in der Conju- gation wird nicht nur der Auslaut sondern audi der Inlaut der Wurzel hier und da verandert (Lazisch wird z. B. der *) Klaproth, Reise in den Kaukasus und nach Georgien. 2ler Tlieil. Halle u. Berlin 1814. Rosen, uber die Sprache der Lazen in Abh. der Berliner Academ. v. J. 1843. Rosen, iiber das Mingrelische, Suanische und Abchasische, ebend. v. J. 1845. 100 Character der ersten Person, b, m nicht nur prafigirt (chaschk graben ; bchaschk-are ich grabe), sondcrn auch in- figirt und mit inlautendem n verbunden Qgietsch schlagen, giebtsch-are ich schlage ; konz offnen, komz-are ieh offne u. s. w.); im Suanischen haben die Verbalwurzeln oft einen unsicheren Vocal (z. B. dj-m (. Einverleibende Spraclien. Vaskischer Spr achstam m *). AIs Rest eines ehedem viel weiter verbreiteten Sprach- starames lebt die Vaskische (Baskische) oder Euskarische Sprache noch auf einem kleinen Gebiete im innersten Win- kel des Meerbusens von Viskaja, auf der Granze Frank- reichs und Spaniens und von hier etwas weiter westlich an der spanischen Nordkiiste hin. Man unterscheidet drei Dialecte, die jedoch nicht wesentlieh von einander abwei- chen , namlich den labortanischen, guipuzcoanischen und vizcajischen, die in der angegebenen Ordnung von Oslen nach Westen im Gebiete dieser Sprache aufeinander folgen. Wie schon oben angedeutet , weicht der Bau dieser Sprache von dem der ubrigen Sprachen unseres Welttheils vollig ab, eine Verwandtschaft derselben mit irgend einer anderen Sprache iiberhaupt scheint nicht vorhauden zu sein. Im Allgemeinen folgt die Sprache dem Prinzip der Agglutination \ diess zeigt sich z. B. in der Wortbildung ; aita, Vater; Genit. aita-r-en, mit dem Artikel, aita-r-en-a, das des Vaters; rnit der Sylbe -tu wird daraus ein Zeit- wort gemacht: aita-r-en -a-tu zu dem (Eigenthum) des Vaters macheu ; aita-gana, zum Vater \ aita-gana-tu zum Vater hin machen (kommen). Die Vaskische Sprache macht vielfach Gebrauch von zusammengesetzten Wortern und in der Art und Weise, wie diese Zusammensetzungen gebildet werden, zeigt sich *J He Larramendi, diccionario trilingue del Castellano Bascuenza y Latin. 2 Bde. St. Sebastian 1745. De Larramendi, El im- possible vencido. Arte de la leogua Bascongada. Salamanca 1729. Lecluse, Grammaire (Manuel) de la langue Basque. Toulouse et Bayonne 1826. v. Humboldt iiber d. Vaskische Sprache (diese Abhandlung liegt unserer Darstelluug zu Gruode) in Adelungs Mithridates Bd. 4 p. 277 ff. v. Humboldt, Prufung der Un- tersuchungeu iiber die Urbewohoer Hispaniens mittelst der Vas- kischeu Sprache Berl. 1821. 105 schon eine uberraschende Aehnlichkeit mit nordamerikani- scheu Indiaiierspracheii. Es geht namlich nicht, vvie in den meisten anderen Sprachen, immer das gauze Wort, sondern oft nur eine Sylbe, milhin manches Mai nur ein Huchstabe in die Composition uber; z. B. od-otsa Donner, aus odeia Gerausch und otsa Wolke; u-g-atza Weiberbrust, von ura Wasser und jede Fliissigkeit und atza Finger, Speiche, jeder langlich vorstehende Korper; so z. B. in der Delawaresprache pi-lape Jiingling, aus pi Is it keusch , unschuldig und lenape Mann, oder gar folgendes Schmeichelwort fur junge Vier- fussler, k-uli-gat-schis, welches aus k Pron. d, 2. Pers. du, dein, wulit schon, wichgat Bein, Pfote und der Diminutiv- endung -schis besteht (die kleine schone Pfote). Im Vaskischen wird ebenso durch Postpositionen de- clinirt wie in den oben beschriebenen agglutrnirenden Spra- chen , Casus und Postpositionen sind hier eben so wenig trennbar als dort ; ogui-gabe z. B. ohne Brot, jaun-arentzat fur den Herrn. Man rechnet aber auch hier liichl alle Postpositionen zu den Casus, sondern nur die kurzeren, verdunkelten , deren Bedeutung mit den Casus unserer Sprachen ubereinstimmt. Ein augehangtes a vertritt den Artikel; also mit dem Artikel Nom. guizon-u-c der Mensch ; im Handeln begriffen. guizon-a ohne Casuszeichen ist Nominativ des Lei- dens oder neutralen Zustandes, auch Voc. und Accus. Geuit. guizon-a-r-en des Menschen (r eingeschoben). Dat. guizon-a*r-i dem Menschen. Piur. Nom. (uberhaupt) guizon-u-c die Menschen (mit Accent auf der vorletzten Sylbe, wahrend dergleich- lautende Nominativus agentis des Singular ihn auf der letzten hat). Genit. gui%on-en der Menschen. Dat. guizon-a-i den Menschen. 106 Ohne Artikel Norn, agentis gw'zon-c; Norn, des Leidcns u. s. w. guizon ohneEndung; irgend ein Mensch, in Fragen, Zweifeln u. s. w. heisst dagegen gaizon-ic] Gen guizon- en; Dat. guizon-i. Diese Declination hat keinen Plural, weil, so wie das Substantivum ganz unbestimmt geuommen wird, auch die Zahlbestimmung uberfliissig ist. Die Conjugation der vaskischen Sprache hat nun jenen eigenthiimlchen Bau, den wir oben fiir die einverleibenden Sprachen als characteristisch bezeichneten. Ehe diess Sy- stem erkannt war, mochte es allerdings schwer sein die Formenmasse der vaskischen Sprache grammatisch zu ord- nen und eben diese Schwierigkeit veranlasste den prahle- rischen Titel von Larramendis Grammatik : el impossibile vencido, obwohl es Larramendi keineswegs gelungen ist. das Princip der vaskischen Conjugation zu crkennen. Die Vaskische Sprache hat nur eine Conjugations- weise. Die meisten Zeitworter sind mit einem Hiilfsworte versehen, an welches die Zusatze treten, diess nennt man die regulare Conjugation, seltener treten die Beziehungs- laute an den Stamm der Verba selbst — irregulare Conju- gation, Die Hulfszeitworter werden natiirlich bloss irregular conjugirt. Der Stamm der Verba (der freilich ein einziger Laut seinkann, so dass, wenn er modificirt wird, die gauze Wurzel eine Veranderung erleidet) wird, wie z. B. im Magyarischen, nur bei dem ZusammentrefTen mit den En- dungen durch Lautgesetze afficirt, eine flexivische Veran- derung von innen heraus erfahrt er nicht. Die verschiedenen Arten der Beziehung, welche in dieser Sprachklasse am Zeitworte ausgedriickt zu werden pflegen, sind im Wesent- lichen aus der oben angefuhrten Probe des einverleibenden Sprachbaues ersichtlich, nur wird auch noch die angeredete oder nebenher bctroffene Person bezeichnet (z. B. er hat dich geliebt, o Mann; ich liebe ihn dir u. s. f.). Ausserdem werden die uns gelaufigen Beziehungen, causative, active, passive etc. bezeichnet, so wie die Modi des Kdnnens, 107 Pflegens, Wollens und Miissens ihirch Auxiliare (z, B. oi; oi-tu gewohncn, giebt die Beziehung des Pflegens, nai und gura heissen vvollen u. s. f.) und die Tempora durch das Auxiliar und das Participium des Verbi ausgedruckt. Es eutsteht so eine ungeheure Menge von Forrnen. Ue- berdiess kann eine jede Vcrbalform durch blosses Anfiigen eines -n in ein Participium verwandelt werden, recht cha- racteristisch fur die ganze Sprachklasse, in welcher, wie bemerkt, der Unterschied von Verbum und Nomen noch nicht so entschieden hervortritt als in der Flexion; z. B. maitetulen dogii, wir lieben ihn ; maitetuten dogun vvir ihn Liebende. Die Arten der Abvvandlung des Zeitworts, welche aus der Verschiedenheit des thatigen, leidenden oder ge- mischten Zustandes, verbunden mit dem X T mstande, ob eine nebenhcr betrofFene Person zu dem Begriffe des Zeit- wortes hinzu kommt, entstehen, nennt Astarloa (dessen handschriftliche Arbeiten v. Humboldt benutzte) Genera oder Voces ; die Verschiedenheiten, welche aus der Ver- schiedenheit der Personen selbst entspringen, auf welche das Verbum sich direct oder nebenher bezieht, Conjuga- tionen (in einem vom gewohnlichen ganz verschiedenen Sinne). Jedes Verbum hat so 8 Voces , jede Vox ver- schiedene Conjugationen, in alien Voces zusaramen 206 Conjugationen, deren jede wieder, wie in anderen Sprachen, die verschiedenen Modi, Zeiten, Zahlen und Personen bil- det. Unter Personen werden hier die im Nominativ ste- henden, in alien Sprachen gewohnlichen Personen verstan- den, wahrend oben bei der Eintheilung in Voces und Con- jugationen die vom Verbum abhangigen Personen in Be- tracht kamen. Suchen^ wir diess durch einige Beispiele anschaulich zu machen. Voces. Da jedes regulare Verbum aus dem Participium und Hulfsworte besteht, so konnen beide im Passivum, 108 beide ira Activuui oder eines ira Activum 3 das andere im Passivura stehen. So entstehen zuuachst vier Voces. 1 2 3 4 1. Partic. und Auxiliare ira Activ; maitetu-ten d~o-t; a 03 s 1 a a ii1 © 3 2 MS « s > 3. "S cJ C3 t- = VI > a all* ^Sh.i.iaJ ooit. 'f N! a 5 3 £43 0) I i -° >- 2 * fl S D « ^ 2 peye s'frs 3 piy-re efty (-r), t fallt im Griechischen als Aus laut ab. Plur. 1 fie'Ly-fis. efiq-iiiev 2 fisye-re e($r}-T8 3 fie'ty-vs e^occ-v Pass, praes. Sing. 1 rieve-fi*') nodo-(.iai ich werde gemacht u. s. w. 2 rcevE-T^ Tioiee-occi (ursprungliche Form) 3 nkve-TE Tvoi&e-Tcci Plur. 1 rikye-i-is noiso-iAB-d-a *) n wie unser 6 zu sprechen. 143 2 rcevevi*) noteeo&e 3 keve-ve . noiko-v-%ai. Die Sprache der Albanesen, Schkipetaren (wie sie sich selbst nennen) oder C^iirkisch) Arnauten, besitzt keine Litteratur. Die im Obigen nach Xylander gebrauchte Or- thographie ist die des i. J. 1827 zu Korfu erschienenen albanesischen neuen Testaments. Die Albanesen haben die Westseite der griechischen Halbinsel inne vom Busen von Patras bis nordlich vora Flusse Drin , also das heutige Albanien und den siidlich von Albanien gelegenen Theil des jetzigen Konigreichs Griechenland. Vom nordostlichen Ende dieses zusammen- hangenden Sprachgebietes aus erstreckt sich noch das Al- banesische mehr oder minder durehbrochen nach Osten und Nordosten ins Bulgarische hinein. Es ist eine bemerkenswerthe Erscheinung, dass um die untern Donau und weiter nach Siidwesten sich eine Gruppe aneinandergranzender Sprachen zusammengefunden hat, die bei stammhafter Verschiedenheit nur darin iiber- einstimmen, dass sie die verdorbensten ihrer Familien sind. Diese missrathenen Sonne sind das Walachische in der romanischen, das Bulgarische in der slawischen und das Albanesische in der griechischen Familie. Das Verderbniss zeigt sich in der nordlichsten Sprache, der zuerst genannten, noch in einem geringeren Grade, mehr schon in der mitt- leren, dem Bulgarischen, und hat in der siidlichen, der albanesischen einen ihre Herkunft fast vollig verdunkelnden Grad erreichl. Alle drei stimmen besonders darin uberein, dass sie den Artikel an das Ende der Nomina anhangen. *) wohl nach Analogie der 3ten Person unorganisch gebildet. Aehn- liches findet sich haufig in den Sprachea. 144 4. Romanische Familie*). Die Geschichte der Lateinischen Sprache ist die Ge- schichte Roms: an die Begriindung, Feststellung und Aus- breitung romischer Herrschaft ist auch die Begriindung, Feststellung und Ausbreitung des Latein in raumiichem und zeitlichem Bezuge gekniipft , und wie aus der Auflosung und dem materiellen Sturze jener Weltmacht der ideelle Gehalt derselben aufbewahrt blieb und sich rettete , urn die auf ihren Trummern erstehenden politischen Neugeslal- tungen mit dem Geiste romischer Staats- und Rechtsweis- heit, zugleich mit dem unter romischer Pflege grossgezo- genen abendlandischen Kirchenthum auszus(atten ; eben so ist in historischer Parallele der AuHosung und dem Falle des Latein seine fast gleichzeitige YViederauferstehung in viel- fachen Neugestaltungen gefolgt — ein redendes Zeug- niss von der geistigen Fortdauer Roms auch nach seinem politischen Tode! So wenig nun aber auch das Latein in seiner urspriing- lichen, wie in seiner wiedergebornen Form auf Rom, Latiurn und Italiens Granzen sich beschrankt sah, sondern fast das ganze Abend land mit seiner wellhistorischen Sendung erfullte, eben so wenig haften seine Anfange an latinischem oder ilalischern Boden , sondern weisen — freilich nicht mit dem Finger urkundlicher Geschichte^ iiber die sie weit hinaus liegen, wohl aber mit der darum nicht weniger si- cheren Deutung sprachvergleichender Forschung — auf das Morgenland bin, auf jene feme und geheimnissvolle *) Die folgende Bearbeitung der romanischen Familie verdanke ich der Giite meines Freundes und Collegen Dr. Delius. Es ist derselbe genauer auf den Stoff eiugegangen, als diess bei den iibrigen Familien indogermanisehen Stanimes geschehen ist, haupt- sachlich um das oben (Einleit. pg. 15 ff.) iiber Sprachengeschichte ganz im AUgemeinen Gesagte an eineni Beispielezur Anschauung zu bringen und bierzu schien uns die romanische Familie vor- ziiglich geeignet. 145 Wiege des indogermanischen Stammes und seiner lange verschollenen Ursprache. Den Stempel dieser Herkunft und Urverwandtschaft tragi; unverkennbar fur den prufendeu Blick des kundigen Betrachters, das Latein in alien sei- nen Ziigen an sich; auch die endliche Losreissung und Auswanderung nach so fernen Gebieten hat der aus dera Muttersitze mitgebrachten Stammesphysiognomie nichls We- sentliches hinzuzufiigen uoch zu rauben vermocht. Das allein steht fest , und um so fester } je schwankender alle weiteren Fragen nach dem Wie und dem Wann dieser Uebersiedlung in dem Nebel ur- und vor- geschichtlicher Hypothesen und Mytheu hin und hervvogen. Die Antwort, welche ein scharfsinniges, aber einseitiges Studinm der beiden sog. klassischen Sprachen und ihrer Denkmaler auf jene Fragen in Bereitschaft hielt ; auf den aolischen Dia- lekt des Griechischen wie auf eine bequerae Brucke hin- weisend, auf der die Sprache aus Hellas nach Italien hin- ubergeschritten sei, diese Antwort verstummt dem weite- ren Umblicke gegeniiber auf dem der Wissenschaft er- schlossenen weiteren Sprachgebiete. Einer vergleichen- den Sprachanatomie ist es gelungen, an dem Bau des la- teinischen Sprachkorpers die unzweifelhaften Spuren hohe- ren Alters als an dem des griechischen aufzufinden und den Anachronismus jencr Hcrleitung durch das Aeolische aus Grunden sprachphysiologischer Entwickelung nachzu- weiseu. Von diesem Standpunkte aus schwindet denn auch die eingebildete Granzscheide, welche man^ in dem beriihr- ten Irrthume befangen^ zwischen dem griechischen und un- griechischen Gebiete des Latein nach Massgabe jetzigcr lateinischer und griechischer Kenntniss ziemlich willkiihr- lich hat Ziehen wollen: begreiflicherweise kann von einer Eintheilung in Griechisches und Ungriechisches nicht die Rede sein bei einer Sprache, welche nicht etwa halb griechisch, wohl aber ganz indogermanisch genannt wer- den muss. 10 146 Die speciclle Bezugnahme auf das Griechische im All— gemeinen und auf den aolischen Dialekt im Besondern er- scheint aber bei der genea ogischen Feststellung des La- tein urn so weniger gerechtfertigt, je nahere und begrun- detere Verwandtschaftsanspriiche von anderer Seite erho- ben wcrdcn konnen. Zu welcher Zeit und auf welchem Wege auch das Latein aus der asiatischen Heimath in sein neues Vaterland auf der apenninischen Halbinsel mag verschlagen sein , jedenfalls ist es nicht allein dahin ge- langt, noch hat es, vielleicht Jahrtausende lang, allein auf italischem Boden den indogermanischen Charakter erhal- ten und vertreten* Neben und mit derjenigen Sprache , welche durch Rom's Weltmacht erst die Beherrscheriu, dann die Unterdruckcrin der ubrigen werden sollte, kamen und siedelten sich als Genossinnen desselben Stammes andere an, und ihr Andenken, obgleich durch den Glanz der iibermachtigen Schwester verdunkelt und durch deren Gewalt fast verwischt , redet doch aus den zwar sparlich aufbewahrten Umbrischen und Oskischen Mouu- menten deutlich genug, um das ehemalige Dasein und die Beschaffenheit dieser einem friihercn Absterben und Tode geweihten Schwestern der iiberlebenden Lateinerin zu be- zeugen. Und nicht ihnen allein fiel das Loos des Unter- ganges: auch andere, indogermanischem Gebliite nicht ent- sprossene, vielleicht mit autochthonischem Besitzesrechte in Italien angesessene Sprachen, von denen nur die Etrurische in einzelnen Spuren sich der spateren hi- storischen Kenntnissnahme aufgespart hat, auch diese mussten von dem vaterlichen Boden, sogar aus der Erin- nerung und Geschichte beinahe schwinden, damit unter und iiber Allen die Sprache des alleiuhcrrschenden Roms allein herrsche. Der Mangel einer hoheren Geistesbildung, der Mangel eigner Schriftwerke vollendete, was die Vernich- tungprovinziellerSelbststandigkeitangebahnthatte: die Ver- 147 gessenheit des Besondern und das Aufgehen in das All— gemeine romischer Sprache, Sitte und Anschauung. Aber nicht auf Ilalien sich zu beschrauken, war Rom's Bcstimmung, und wie unter seiner siegreichen Aegide das Latein inncrhalb dcr Granzeu dieses Landes gegen ver- wandte und nichtverwandte Sprachen aufgetreten war, unterwerfend, nivellireud, absorbirend, mit gleicher unwider- stehlicher Einwirkung folgte es der romischen Eroberung auf alien Ziigen weit iiber die Walle hinaus, welchejdie Natur in Alpen und Pyrenaen seinem Vordringen entgegen- zustellen schien. In den ausserslen Winkel der neugewon- nenen Provinzen, in unzugangliche Gebirgsthaler mussten sich celtische, baskische und albanesiche Sprachen fliichten, urn nicht spurlos weggeschwemmt zu werden von der ein- brechenden, alles Entgegenstehende verschlingenden und deckenden Fluthder Siegersprache. Nur da, wo eine eben- biirtige oder ubeflegene Bildung der ihrigen entgegentrat, konnte ihre geistige Eroberung mit der materiellen derer, die sie redeten , nicht gleichen Schritt halten : in Grie- chenland und Gnechenlands Colonien — im eigentlichen und im iibertragenen Wortsinne — blieb trotz aller romi- schen Waffengewalt das Latein ein zu spat gekommener, keine dauernde Statte findender Fremdling. Auch in den germanischen Norden und slawischen Osten liess sich die eines milderen Himmelstrichs gewohnte Pflanze Italiens nicht zu gedeihlichem Fortkommen vcrsetzen ; sie musste den rauheren Boden^ den selbst das erobernde Rom nur auf Streifziigen kennen lernte und besetzte, einer anderen und spateren Vegetation uberlassen. Die Gebiete, die dem La- tein verschlossen blieben auf dem romischen orbia terrarum f erscheinen, so ausgedehnt sie sind, do'ch weniger umfang- reich, wenn man sie mit denjenigen zusammenstellt, welche auf demselben damaligen Weltkreise das Latein im Vereiu m i t Rom erobert und, gliickiicher darin a 1 s Rom, durch alle Umwalzungen der Volkerwanderungen hindurch bis 148 auf diesen Tag bewahrt hat und besitzt — eiu durch die Zeiten leuchtendes Denkmal von der dauernden Macht des Geistes ncben der vergangliehen Macht der Materiel Und nicht nur was Rom ervvarb, hat das Latein in verjiingten Gestaltungen sich zu erhalten gewusst ; zu dera altiiberkora- menen Besitzthum hat es ein noch weiteres neues gefugt, in Landerstrecken, zu deren Eroberuog dem erobernden Rom selbst die Ahnung von ihrem Vorhandensein abging: nieht nur das romanische Europa, Italien, Spanien, Portu- gal, Frankrcich, halb Niederiand und halb Helvetien, so wie die dacoromanische Walachci reden in nenlateini- scher Zunge, auch jenseits des Oceans, soweit Spanier, Portugiesen und Franzosen ungeheure Reiche ansiedel- ten und Inseln colonisirten, tout die Sprache Roms in drei- facher Eigenthumlichkeit und Umbildunff fort. VVir haben , indem wir fluchtigen Blickes die Spuren jencs gewaltigen Zuges der lateinischen Sprache durch die Weltgeschichte verfolgten, nur ihre bleibende Substanz ins Auge gefasst, nicht die vergangliche , dem Wechsel alles Irdischen untervvorfene Form. Treten wir nun auch an diese zu naherer Belrachtung heran, so gelingt es uns vielleicht, den Proteus ihrer nach Raum und Zeit in tau- send JViiancen in einander iibergehenden Verwandlungen wenigstens in einer zwiefachen festen und fasslichen Nor- malgestalt zu bannen : einerseits die lateinisehe Schrift- sprache, wie sie in der klassischen Literatur erhalten ist, andrerseits die romanischen Sehriflsprachen, wie sie in der Literatur und Rede romanischer Volker leben. Wir sagen geflissentlich Schrift und Literatur, denn nur sie, ge- tragen durch politische Bedeutung und geistige Lebendig- keit eines bestimraten Volkstammes, heben aus der Ver- schwommenheit undZerflossenheit eines Thaos von Dialekten die Sprache hervor und geben ihr in der Feststellung und Abrundung ihrer Form eine Biirgschaft ihrer Dauer und zugleich jene allgemeine Geltung, welche die Sprache vora 149 Dialekte iiberall unterscheidet, wie das in hohererPotenz zu- sammengefasste Allgemeine von den in niederer Potenz vereinzelten Sonderhcitcn. So kann uns denn auch, wo esgilt, dem Gauge einerSprache nachzugehen, zunachst nur in der angedeuteten zwiefachen, antiken und modernen Erscheinung das Latein entgegentreten; alles Daneben- und Dazwischenliegende lasst sich nur in den seltensten und ungeniigendsten JVSomenten als eine mit siclieren Umris- sen und bestimmtem Inhalt ausgestattete Grosse fassen; es kann kaura in annahernder Weise dazu dieneu, uns den Weg zu erhellen, auf dem innerhalb des romischen Sprachgebiets die einheitlich antike Schriftsprache zu den getheilten raodernen Schriftsprachen weiterschritt. Zwi- schen diesen und zwischen jener liegt eine dunkle Kluft, uber welche die Hypothese bisher zwei Bracken zu schla- gen versucht hat. Schon im funfzehnten lahrhundert kam in Italien eine von linguistischen Autoritaten gestiitzte und spater mit verstandigen Modificationen audi von franzosischen Ge- lehrten vertretene Ansicht auf, welche die romanische Sprache zu einer Zeitgenossin der lateinischen machte durch die Behauptung, es sei in dem goldnen Zeitalter der romischen Literatur nebcn dem reinen Latein eine eigene Mundart geredet worden , die z. B. sich des Artikels, der Hulfsverba und anderer Mittel der neueren Sprachen be- dient habe. Gegen diese Behauptung lasst sich nicht nur das bei der Existenz einer wirklichen , parallel mit der Schriftsprache laufenden , durch charakteristische Merk- male von ihr unterschiedenen Nebensprache unerklarliche Stillschweigen der klassischen Literatur als ein ausseres Zeugniss anfuhren; es wurde auch, die Wahrheit des un- denkbaren Falles einmal angenommen, die Praexistenz der italienischen Sprache vor denen, die man bisher fur ihre Schwestersprachen hielt, mit Nothwendigkeit daraus her- vorgehen, und an die Stelle des uns beschaftigenden Pro- 150 blems einer Herleitung sammtlicher romanischen Sprachen aus dem klassischen Latein trate das ungleich schwieri- gere Problem, jene aus diesem nicht direkt, sondern durch die Vermittelung des Italienischen herzuleiten. Da aber einer solchen Vermittelung alle sprachlichen Thatsachen schnurstracks zuwiderlaufen, so wiirde eine Annahme, wie die oben charakterisirte , die betrefFende Frage von einem weitercn, raumlichen und zeitlichen Terrain nur auf ein engeres verlegen und sie damit nicht losen, sondern nur um so mehr verwickeln. Wenn nun aber diese hypothelische, so fruhe schon in so vollstandig neuromanischer Gestaltung bestandene Sprache nicht diejenige ist, die sie nach uaturgemasser Folgerung einzig und allein sein konnte: die italienische namlich, darf dann etwa eine andere romanische Sprache den Rang ein- nehmcn, auf den nach alien sprachlichen Grunden die ita- lienische Verzicht zu leisten hat, den Rang einer Ueber- gangssprache, in welcher nach dem Aufgeben der klassi- schen lateiuischen Form noch einmal die romanische Sprache ihren gemeinsamen Ausdruck fand, ehe sie in ge- schiedene Landergruppen sich spaltete und auseinander- ging? In der That hat Raynouard einen solchen An- spruch erhoben fur die Sprache, die hauptsachlich ihm ihre wissenschaftlicheBehandlung, ihre Wiederbelebung ver- dankt, fur die provenzalische. Sprachliche Griinde, in einer zahlreichen und fleissig zusammengestellten Beispielsamm- lung aneinandergereiht , sollten fiir die provenzalische Sprache jene romanische Universalitat beweisen, die aus historischen Grunden sich fiir die italienische Sprache nicht nachvveisen liess. Der grosse Formcnreichthum der Trou- badoursprache und die in ihr obvvaltende Duldung verschie- dener vocalischer und consonantischer Combinationen mit und neben einander, die sich in den ubrigen romanischen Sprachen nur in der einen oder der andern Gestalt finden, machten es leicht, zu einzelnen sprachlichen Erscheinungen im Italieni- 151 schen, Spanischcn oder Portugiesischen entsprechende Pa- rallelen im Provenzalischen zu suchen. Dass die darauf von Raynouard begriindete Theorie eines hohcren Alters letzterer Sprache und eines stattgehabten bildcndcn Ein- flusses derselbenauf die ubrigenTochtersprachen des Latein falsch ist, hat u. A. auch A. W. v. Sc hie gel nachge- wiesen, indem cr die provcnzalische scheinbare Mannigfal- tigkeit auf ihren wahren Grund, auf das gleichzeitige Ein- dringen und Fortbestehen verschiedener sudfranzosischer, katabnischcr und piemontesischer Dialekte innerhalb der proveuzalischen Schriftsprache zuriickfiihrte. Den Raynou- ard'schen Beispielen venneintlicher spanischer, portugiesi- scher und italienischer Abhangigkeit von provenzalischer Bildungsart lassen sich zahlreichere und schlagendere Bei- spiele entgegenstellen, welche fur sammtliche romanische Sprachcn ihre vollstandige Unabhangigkeit von einander, namentlich vom Provenzalischen, und ihre unmittelbare Ver- bindung mit dem Latein darthun. Fallt also einerseits die Vermittlung der Muttersprache mit den Tochtersprachen durch ein irgend nachvveislich vor- handenes oder untergegangenes Idiom fort, so wird andrerseits das imaginare Gebiet der lingua rustica oder vulgaris, die in der oben ervvahnten Theorie sogar als ein beinahe vollstandig ausgebildetes Italienisch zu klassisch lateinischer Zeit auftrat, auf ziemlich enge Granze beschrankt werden. Von jener unbekannten Grosse, die man solcher Art als lingua rustica undvulgaris bezeichnete, hat man fiir die romanische Gram- matik einen um so willkurlicheren und reichlicheren Ge- brauch gemacht^ je weniger man von ihr wissen konnte und je thunlicher es demgemass erschien ; ihr alles Gemeinroma- nische aufzuburden, fiir welche das Latein sich nicht als Gewahrsmann gebrauchen Hess. Nur s o glaubte man die Uebereinstimmung in der Mannigfaltigkeit erklaren zu kon - nen: die lingua rustica musste, um der Arithmetik ein Bild zu entlehnen , den Generalnenuer liefern zu den verschie- 152 denen Zahlen , deren Auflosung sich mittelst des Latein nicht bewerkstelligen liess. Es wiirde in der That nichi schwer fallen, auf diesem Wege eiue vollstandige Sprache mit lautlzcher, flexivischer und syutaktischer Ausbildung als Urbild und Inbegriff aller romanischen herzustellen, wobe: nur das zu beklagen bliebe, dass diese Sprache jemals we- der eine rustica noch eiue vulgaris, uberhaupt gar keiae Sprache, sondern nur ein Erzeugniss etymologischer Phan- tasie gewesen ware. Es bedurfte aber eines solchen Compromisses, eines kiinstlich nachgeraachten Stammbaumes, den die romani- schen Sprachen sich gleichsam auf gemeiuschaftlicbe Kos- ten anschaffen sollteu, gar nicht, um ihre Entstehung zu erklaren: die Natur des Latein hier, und die Natur dialekti- scher Anforderungen dort fiihrten dem Ziele wenigstens naher, indem die Erkenntniss beider Factoren die Noth- wendigkeit eines unverrueidlichen Conflictes, zu welchera es zwischen beiden kommen musste, begreiflich genug machte. Bernhardy giebt als allgemein charakteristischfiir die ia- teinische Sprache Folgendes an: ,,deu barytonirten Accent, die Derbheit und Einfachheit einer consonantischen Fle- xion; die beschrankte Wortbildung; die schlichte lo- gische Zerfallung der Structurlehre, durch die zvvin- geuden Autoritaten von Zeitaltern undRedeformeneingeengt; endlich die Beharrlichkeit der Wortbedeutuugen^. Van diesen fiinf Momenten, deren treuer Bewahrung die lat. Sprache ihre stationare Abgemessenheit verdankt, musste das erste, der barytonirte Accent, noch am wenigsten von dem Andrange dialektischer Verwilderung verkummert werden. Vielmehr ist es bemerkenswerth, wie fest im Ganzen, mit- ten unter alien abschleifenden, verstummelnden und ent- stellenden Einwirkungen jeder Art, die romanischen Spra- chen an dem lateinischen Accent gehalten haben ; freilich musste er um so gewichtiger ins romanische Ohr fallen, je mehr dieses verlernt hatte, die dem Lateiner noch 153 tonende Quantitat aus dem Worte rait herauszuhdren. Die verhaltnissmassig treue Bewahrung des lateinischea Accentes hat denn auch in den romanischen Spracheu theils zu einer gleich treuen Bewahrung der acceutuirten Vocale und Tonsylbeu, theils zu einer grosseu Kegel- massigkeit in der durch den verschiedenen Sprachor- ganisraus geforderten Modification derselben gefiihrt ; der vorwaltende Einfluss dieses massgebendeu Accentes hat die betonten Sylben vor dem mannigfaltigen Spiele des Zufalls bewahrt, dem die tonlosen, im grellen Wider- spruche mit der latcinischen Statigkeit, zum Opfer gefal- len sind, sowohl in ihren vocalischen wie in ihren conso- nantischen Bestandtheilen. Weit grossere Verwiistungen mussten die dialektischen Eintlusse an der Flexion aurichlen. Ihre Derbheit wurde abgeglaltet, ihr Consonanteneleraent konnte sich nicht be- haupteu, gegeniiber dem gemeinromanischen Drange, con- sonantische Endungen entweder zu vocalischen abzuschlei- fen oder ganz zu apocopiren. Die Einfachheit der lat. Flexion machte es dann um so weniger moglich, allent- halben zwischen so abgeschlifFeneu^ apokopirten und un- kenntlich gemachten Flexionsformen den lat. Unterschied der Bedeutung festzuhalten, da in den ubriggebliebenen grosstentheils vocalischen Endsylben die Tonlosigkeit zu- gleich eine Vermengung der Vocale herbeifuhren musste. Das geschah vor Allem in der Declination , wo z. B. von den Singularformen annus, annum durch die gemeinroma- nische Abschleifung des s und m zunachst nur annu iibrig blieb, was durch das Zusammenfallen des tonlosen u mit dem tonlosen o sich vollends mit anno identificirte. Aber selbst diesen Endvocal retteten sich nur die siidlichen Spra- chen^ die uordlichen warfen auch ihn ab und behielten bloss die Stammaylbe. Zu der so verstiimmelten Singularform trat dann eine aus den lat. Pluralcasus analog gebildete, oder vielmehr ebenso verstummelte Pluralform , und die latei- 154 nische Declination war bis auf den Unterschicd zwischen casus rectus und casus obliquus, welche die eine couso- nantische Eudung nicht absolut perhorrescirenden beiden Sprachen des siidlichen und nordlichen Frankreichs noch eine Zeitlang zu bewahren suchten, in der romanischen Spra- che zu eiuer Unmoglichkeit geworden. Die Anwendung von Prapositionen, die sich jedoch erst bei gesteigertem Be- diirfniss im Laufe der Zeit befestigte, musste, wo es no- tbig schien, die Beziehung der ihrer Flexion beraubten Nomina im Satze verdeutlichen. Das Subject und das ein- fache Object bedurften solcher verdeutlichendcn Hiilfsraittel nicht*); erst im erweiterten Satz fanden sie ihre Stelle ; fur dessen nachstliegende Beziehungen, die im Latein noch durch genitivische und dativische Flexion bezeichnet wur- den, geniigte das lat. de, dieEntfernung, Herkunft, Abhan- gigkeit ausdriickend, und das lat. ad, die Annaherung, Zugehorigkeit audeutend. Fiir complicirtere, dariiber hin- ausliegende Beziehungen hatte auch schon das Latein der Prapositionen nicht entbehren konuen, nnd selbst in der Anwendung des de und ad unterschied es sich nur durch selteneren Gebrauch von den romanischen Sprachen. Einen begrifflichen Ersatz fiir die formelle Unbestimmtheit der ihrer Flexion entkleideten Nomina fanden die romanischen Sprachen in dem bestiramt individualisirenden demonstrati- veu Pronomen ille, im Gegensatz zu dem den Begriff der Gattung und Eiuheit auffassenden Numerale unus. Die ubereinstimmende**J Behandlung dieser sog, Artikel in alien romanischen Sprachen zeigt, wie friih bei dem Ineinander- *) Nur im Spanischen muss ad nichfc nur den Dativ, sondern auch den Accusativ bezeichoeu. **) Eine freilich nur partielle Ausnahme bildet der sardinische Dia- lekt, welcher ille mit ipse vertauscht, uud gewissermassen auch das Walachische, insofern es zwar ille , aber nur enklitisch dem Nomen angehangt, verwendet. 155 verschwimmen der Formen sich das Bediirfniss einer auf anderem Wege zu erreichenden grosseren Bestimmtheit fuhlbar machte. Es liegt im Wesen jeder abgeleiteten Sprache, wenu sie auch leichten Kaufes die uberkommene Flexion der Nomina dahingiebt, doch urn so eifriger von der ungleich form- und beziehungsreicheren, ungleich sehwerer zu er- setzendeu Flexion der Verba so viel zu retten, als sich uberhaupt, den zerstorenden Einwirkungen dialektischer Verderbniss gegenuber, davon nur retten lasst. So haben auch die romanischen Sprachen von dem lat. Verbum, freilich mit grosserem oder geringerera Gliicke nach der lautlichen BeschafFenheit jeder einzelnen, d i e Tcmpora und Modi erhalten, die nach Abschleifung und theihveiser Ver- stiimmelung ihrer Formen noch eine zur Erkenntniss ihrer Bedeutung hinreichend deutliche Flexionsendung iibrig be- hielten. Am Leichtesten erschien das, bei dem romanischen Respect vor dem lateinischen Accent, in den betonten Flexionsendungen, denen denn auch der grosste Theil der romanischen Conjugationsformen angehort; aber auch da, wo die Tonlosigkeit der Endungen einer unterschiedlosen Vermenguug der einzelnen Verbalbildungen und einer Ver- mischung ihrer Bedeutungen Vorschub zu leisten drohte, auch da haben diese Sprachen theils durch consequen- tere Genauigkeit und Beobachtung auch der tonlosen End- sylben ; theils durch eigne, auf Analogie gegrundete Bil- dungen ein nach lateinischer Art flexivisches Verbum sich zu bewahren verstanden. Die Beziehungen der Gegenwart, der dauernden und der abgeschlossenen Vergangenheit in direktem und indirektem Modus liessen sich durch alle Personen und Numeri hindurch in alien Sprachen so pra- cis wie im Latein ausdriicken, und nur das Neufranzosische hat, weniger aus formellem Bediirfniss als aus iibertriebenem Hangc nach Deutlichkeit die^ dem Artikel vor dem Nomen zu vergleicheude, Anwendung der Personalpronomina vor dem 156 Verbum beliebt, Aber noch im Neufranzosischen, wie in den iibrigen Schwestersprachen spiegelt sich, wenn auch hie und da bis zur moglichen Vermengung abgeschliffen, die lateinische Conjugation in ihrer vierfachen Eintheilung wieder. Erhalten hat sich vollstandig in alien Zahlen und Personen : amo, amem, amabam, amavi, amaveram, ama- vissem. Bei der Abschleifung der Endsylben liess sich freilich neben amabam die Futurtbrm umabo oder neben deni conjunctive!! legam, legas das Futur legam, leges nicht wohl festhalten. Amavi behielt von dem doppelten Sinne, in welchem das Latein es kennt, „ich liebte" und „ich habe geliebt", nur den erstereu in den romanischen Sprachen. Man half den so entstehenden Liicken durch Umschrei- bungen ab, zu denen sich das an und fur sich weder Zu- kunft noch Vergangenheit, sondern nur den Besitz anzei- gende Verbum habere in zwiefacher Gestalt anwendeu liess. Je nach Stellung und Verbindung vertauschte es den Be- griff des Besitzes mit dein des vor oder hinter ihra Liegenden, des also sinnlich aufgefassten Zeitbegriffes der Zukunft oder Vergangenheit. Amare driickt z. B. den Be- grifF des Liebens in unbestimmtester Form aus, seine Bestimmung gewinnt es erst durch das hinzugefugte habeo, das seinerseits erst durch diese Beziehung auf das Vor- angehende, Unbestimmte den Begriff des Zukiinftigen er- hielt: „ich werde lieben*)." Andrerseits ging dasselbe ha- bere durch die Verbindung mit dem Participium der Ver~ gangenheit als seinem Object aus dem Begriff des Be- sitzes in den der Vergangenheit iiber, wobei es die passive *) Die dieser Herleitung entgegenstehende paradoxe Etymologie, welche die aus amare und dem romanisch verschieden verkiirz- ten habeo gebildeteu Formen amerb (ifcal. =amar-ho) amare (span, —amar-he) amarei (portug. =amar-hei) amarai (prov. — amar-ai) aimerai (franz. —aimer-ai mit dem verscholle- nen lat. Fut. exactum, amavero in Verbindung setzt, verdienfc wohl keine ernsthafte Widerlegung. 157 Bedeutung der lateinischen Form jedoch nicht mit uber- nahm ? sondern dem regierten Objecte iiberliess: habeo amatum „ich habe als Geliebtes" „ich habe geliebt". Was diese Combination, zu der sclion das klassische La- tein in einzelnen Wendungen, und ohne Zweifel der Volks- gebrauch in weit haufigeren, Anleitung gab, zu weiterer Aus- bildung fiihren musste, das erscheint selbstverstandlich ge- nug ; bemerkenswerth ist dabei nur, dass habebam und ha- bin in der Verbiudung mit dem Particip zwar seine In- dicativbedeutung erhielt, in der Verbindung mit dem In- finitive durch die demselben einwohnende Unbestimratheit veranlasst, aber den Begriff der Vergangenheit mit dem der Bedingtheit vertauschte: amare habebam*), amare habui „ich vviirde lieben" — ein Ersatz fur das durch Abschleif- ung seiner Endungen verloren gegangene amarem. Die Moglichkeit dieses Ueberganges fiir habebam — die Com- bination amare habui bietet nur das Italienische — findet sich erklart durch den syntaklischen Gebrauch , den die romanischen Sprachen in bedingenden Satzen von dem lat. Iudicativ des Imperfects sich erlauben ; und ist ausserdem durch denselben Wechsel der Bedeutungen im Plusquam- perfect bewiesen: umaveram hat nur im Portugiesischen noch die indicative ,,ich hatte geliebt" = habebam ama- tum ; im Spanischeu und Provenzalischen hat die bedin- gende Bedeutung vollstandig diejenige der Vergangen- heit verdrangt ^,ich wiirde lieben" amare habebam. Die parallelen neuen Combinationen machten in beiden Fallen die alte Form iiberflussig, weshalb denn auch Ilalienisch und Franzosich**) keineSpuren von amaveram bevvahrthaben. *) habebam und habui jhaben in dieser Verbinrtang ebenso durch Apharesis und Syncope dem bequemeren Gebrauch zu lieb ver- kiirzt werden miissen, wie habeo, daher ital. amerei=amare- e(bb)i und ameria=amarc-(av)ia, span. amaria=amare-(Jiab)- ia, altfranz. aimer oiez=z aimer- (av)oie. **) Nur in dem altesten reinfranzosischen Denkmal, dem Eulalialiede 158 i Durfte nun in den romanischen Sprachen der bei weitem grossere Thcil der laleinischen Formen des activen Verbums aus der Feuerprobe popularer Entartung zwar einigermassen verstiimmelt und abgeschliffen, aber doch kenntlich und charakteristisch hervorgehen, so musste dage- gen ein gleicher Rettungsversuch, auf die consonantischen Flexionsendungen des Passivum angewandt, von vorn her- ein scheitern an dem Hange sammtlicher romanischen Sprachen, ein lateinisches r und s am Ende der tonlosen Flexionssylben ohne Weiteres abzuwerfen. Hatte doch schon das Latein zur Halfte auf eine flexivische Bildung des Passivum, abweichend vondenreicher begabten indoger- inanischen Schvvestersprachen Verzicht geleistet und damit den Volksmundarten den einzuschlagcnden Weg vorge- zeichnet, sich, wo die synthetische Methode solcher Eor- mationen nicht auszureichen schien , der analytischen zu bedienen. Der Uebergangder Bedeutung von dem lat. sum arnatus ,,ich bin geliebt worden" zu dem romanischen sum amatus „ich werde geliebt", war nicht nur durch das Be- diirfniss, sondern auch durch die active Combination habeo amatum gefuiiden , indem der Begriff der Vergangenheit von demParticip auf das Hiilfsverbum hinubergeglitlen war und dem erstern nur die reine passive Bedeutung ohne weitere Zeitbestimmung iibrig gelassen hatte. Das Pra- sens sum collidirte mithin im Romanischen nicht mit ei- nem Prateritum amatus, sondern floss mit ihm zur Bezeich- nung der Gegenwart im Passivum zusammen. Die ferneren Combinationen mit eram, fui u. s. w. ergabeu sich daun von selbst. fiuden sich deutliche, vielleiclit aber aur dialektisch zu erklarende Spur en des lat. Plusquamperfects mit Perfectbedeutung. Es stent doit auret— habuerat, voldret—voluerat und noch andere ahn- lich gebildete Formen. 159 Das Iateinische Participiura Passivi mussle in der so gestalteten romanischen Conjugation eine bedeutend gros- sere Rolle spielen, als in der lat. Sprache, und die hiiufige Anwendung desselben veranlasste da, wo das Lateiu keine Form darbot, zu einer eignen selbstandigen Bildung. Zwar war das Participium der ersten und vierten Conjugation auf -atus und -itus durch den Accent hinlanglich geschiitzt und ging ungefahrdct in die romanischen Sprachen iiber*), Audi die Participialformen, welche -tus und -sus unmit- telbar an die Wurzel des Verbums fiigen, gingen, so weit sie im Bewusstsein des Volkes hafteten und in sei- nem Munde fortlebten, in die romanischen Sprachen iiber. Von den freilich auch im Latein nicht allzu zahlreichen Par- ticipien auf -itus scheint sich dagegen kein einziges erhal- ten zu haben, und die romanischen Sprachen in naturge- masser Nichtachtung jenes accentlosen t wahlten statt des- sen die Enduug -utus auch fiir alle solche Verba der zweiten und dritten lat. Conjugation, denen der lat. Sprach- gebrauch uberhaupt kein Partic. Passivi zugetheilt hatte. Man hat dieses -utus auf das lat. Particip der Verba auf -uere zuriickfuhren wollen , aber der Umstand, das gerade diese Verba in den romanischen Sprachen das Par- ticipium -utus nicht kennen**}, spricht dagegen und zwingt uns darin vielmehr eine sclbststandige romanische Bildung zu erkennen, die, da sie durch alle romanische Sprachen *) Wo sich, wie es in alien romanischen Sprachen geschah, neben diesen lateinischen Participien romanische entwickelten, gingen die.erstern leicht in adjectivische Bedeutung iiber, wahrend die letz- tern mit den Hiilfsverben habere und esse sich zur Bildung des Verbums Verbanden. *#) Das einzige Verbum batnere ist nur eine scheinbare Ausnahme, insofern der romanische Sprachgebrauch durchgehends nur ein batter e und der Iateinische kein batutus kennt. 160 geht, wenn gleich Spanier und Portugiesen*) in neuerer Zeit ihr untreu geworden sind, zu den Beispielen einer unlateinischen, also der Theorie nach aus dcr lingua rustica herzuleitenden gemeinromanischen Flexionsform gehorl. Es verdient diese Erscheinung urn so mehr hier hervorge- hoben zu werden, je seltner in der romanischen Flexions- lehre der Fall ist, dass eine gemeinromanische Form sich nicht aus dem Latein erklaren lasst. In der romanischen Lautlehre wie in der romani- schen Wortbildung machen wir dagegen die Erfahrung einer alle romanischen Sprachen umfassenden, dem Latein widersprechenden Uebereinstimmung desto haufiger. Was zunachst der Lautlehre betrifft, so bedarf es keiner lingua rustica, um uns dieses Phanomen begreiflich zu machen. Die Vergleichung andrer abgeleileter Sprachen desselben indogermanischen Sprachstammes zeigt, dass bei aller Ver- schiedenheit der Neigung zu gewisseu Lauten doch eine grosse Uebereinstimmung in der Art besteht, wie verschie- dene Volker dieselben Laute sich durch Erweichung, As- similation, Umstellung und Verschluckung ihren eigenthiim- lichen Sprachorgancn anbequemen oder dieselben Worter durch Apokope, Synkope u/»d Contraction sich mundge- rechter machen. Es lasst sich kaum eine gemeinromanische lautliche Abweichung vom Latein auffinden, der z. B. nicht eine parallele Abweichung des Prakrit vom Sanskrit zur Seite zu stellen ist — ein Beweis, wie oft der sprachliche Genius auch getrennter Volker denselben Weg abgeleiteter Sprachbildung verfolgt. Er muss diesem so eben charakte- risirten Hange sich um so schrankenloser hingeben, je stationarer die Schriftsprache in ihrer starren Abgeschlos- senheit ihm entgcgentritt und je machtiger sich in ihm das natiirliche Verlangen regt, die eigenen angebornen Laute h ) Altspanische und altportugiesische Beispiele solcher Participia auf udo s. zahlreich bei Diez und bei Raynouard. 161 auch in der aufgezwungenen Sprache zur Geltung zu brin- gen. Die letzteu Grunde dieses Lautwcchsels zu erfor- schen, bleibt freilich auch dem scharfsinnigsten Sprach- studium versagt, Es lasst sich z. B. nicht erklaren, warum dem Portugiesen das lat. x d. h. t& zum Zischlaut, dem Spanicr zum Kehllaut, dem Franzosenzum Sauselaut wird, aber es erscheint in der Natur begrundet, dass, urn bei dem genannten Beispiele stehen zu bleiben, der Zischlaut im jeizigen Portugal, der Kehllaut in Spanien, der scharfe Sauselaut in Frankreich von jeher einheimisch war und von jeher auch bei der Aussprache des Latein seine drei- fache Anvvendung in den drei Landern fand* Die Freiheit, dem Latein die landesiibliche Aussprache statt der norma- len klassisch romischen beizulegen, legte so den ersten Grund, auf dem dann im Laufe der Jahrhunderte der Bau jeder eignen romanischen Landessprache aufgefuhrt wurde. Wie es einer Pflanze, unter fremden Himmelsstrich ver- setzt, Bedingung ihrer Lebensfahigkeit ist, sich dem Ein- flusse des neuen Erdreiches und Klimas nicht zu ent- ziehen , wie es zugleich Symptom ihrer Lebensfahigkeit ist, dass sie im Wechsel der Gestalt und Farbe das Zeug^ niss vollendeter Naturalisation ablegt, so musste auch die Sprachpflanze, welche Rom in die Lander trug und unter allerlei Volk ansiedelte , an sich ihre verschiedenartigen Acclimatisationen zur Erscheinung bringen, ehe sic fiir neueingewurzelt gelten konnte. Der Bildungsgang, den die romanischen Sprachen ge- nommen haben, liess sich bis hieher in lautlicher und gram- matischer Hinsicht unter steter Bezugnahme auf das Latein eiuerseits und auf den dialektischen Einfluss andrerseits so ziemlich vollstandig verfolgen , ohne das es der Dazwi- schenkuuft einer lingua rustica bedurft hatte. Erst jetzt, da die wortbildende und im Allgemeinen die lexikalische Seite dieser Sprachen in den Kreis unserer vergleichenden Betrachtung tritt, gewinnt dieser viel gemissbrauchte Be- ll 162 griff seine eigentliche Bedeutung, Der lingua rustica sind mit ziemlicher Sicherheit alle jenc Worter und, in ihrer typischen Natur wenigstens, alle jene ableitenden Wortbil- dungen zuzuweisen, die sich als ein gemeinsames Eigen- thum aller romanischen Sprachen finden, ohne doch der lateinischen Schriftsprache nachweislich angehort zu habeii. Das Wesen der lingua rustica bestande deranach vornehmlich nur in dem freieren Gebrauche von Wortern und Wort- bildungen, welche die hohere lateinische Sprache, wie sie im klassischen Sty! sich begranzt und abgeschlossen hatte, sich versagen musste. In diesem Sinne, aber auch nur in diesem, lassen sich die Anfange jener lingua rustica: die uns freilich erst weit spater in den literarischen Anfangen der verschiedenen romanischen Sprachen sichtbar wird, selbst bis in die bliihendsten Zeiten der klassischen Lite- ratur hinaufriicken ; aber auch dann bleibt es wahrschein- lich, dass der eigentliche Sprachschatz erst spater und all— mahlich sich angesammelt haben vvird, je entschiedener bei einbrechender Verwilderung und Auflosung das Volksleben sich von dem geistigen Mittelpunkt und seinem massge- benden Einflusse losriss, je schroffer zugleich ein gewalt- sames fremdes Element paralysirend zvvischeii Rom und seine Provinzen trat. Namentlich muss damals erst in die lingua rustica eingedrungen sein ? was wir als gemein- romanisch in alien Sprachen an germanischen Bestand- theilen vorfinden und was als ein fruherer Ankommling wohl zu unterscheiden ist von dem, was spater jede ein- zelne romanische Sprache fiir sich im Verhaltniss ihres starkeren oder schwacheren Contactes mit Einwanderern und Eroberern germanischen Stammes in grosserern oder geringerem Umfange in sich aufnahm. Diese zvviefache Bereicherunff des Romanischen aus dem Germanischen ist eine so augenfallige und weitgreifende Thatsache, dass neben ihr jeder vielleicht anderswoher kommende Zu- wachs unbedeutend und einer naheren Betrachtung, die 163 ohnehin bisher auf diesem Felde nur zu ungeniigenden Ergebnissen gefuhrt hat, kaura werth erscheint. Nament- lich muss das von den bisherigen Versuchen gelten, cel- tische Elemente in grosserer Ausdehnung auf gemein- romanischein Sprachgebiete nachzuweisen : eincr erfolg- reichen Aussonderung des angeblich Celtischen vora Ge- meinromanischen miisste jedenfalls die bisher, wie es scheint, noch nicht gelungene Aussonderung des wirklich Altcel- tischen aus den jetzt vorliegenden celtischen Sprachen vor- hergehen, widrigenfails man Gefahr liefe, aus dem Celti- schen herzuholen, was erst aus andern Sprachen ins Cel- tische gerathen ist — ein Gehen und Umkehren, welches auf etymologischem Gebiete so wenig wie auf einem an- dern zum Ziele fiihrt. Vorstehende Betrachtungcn, einer allseitigen Darslell- un«r des zwischen Lutein und Gemeinromanischem obw T al- tenden Verhaltnisses gewidmet, haben der nun folgenden Charakteristik der einzelnen romanischen Sprachen*) einen grossen Theil ihres StofFes vorweggeuommen; es geniigt die Hinweisung auf das Gesagte, um eine Wiederholung desselben bei jeder einzelnen Sprache iiberflussig zu ma- chen. Nur das, was iiber das Gemeinromanische hinaus geht und in den Bereich des Gesonderten fallt, muss noch nachtraglich erwahnt werdeu. Wir beginnert dabei mit der- jenigen Tochtersprache, welche mit der lateinischen Mut- ter durch die Bande des gemeinsamen Vaterlandes am eng- sten verkniipft sein musste, mit der italienischen. I t a 1 i e n i s c h. Dieser Landesgemeinschaft entsprechend, hat das Ita™ *) Diez RomanischeGrammatik. 3 Bde Bonn 1836—44. Neben diesem Hauptwerke, welches fiir sprachvergleichende Zwecke die Benutzung aller andern fast iiberflussig macht, indem es sie in die- 164 lienische am wenigsten durch fremde Mischnng sich dem Latein entfremdet, dessen Laut es zugleich am treuesten bewahrt. ,,Kaum ein Zehntheil der einfachen Worter^ sagt Diez, „mdchten unlateinisch sein/' Was von diesem Zehntheil dem Griechischen angehort, kann schwerlich auf anderem Wege als durch das Medium des Latein — sei es des klassischen, oder des im Munde des Volkes leben- den — in die italienische Schriftsprache gekommen sein. Nur bei den Inseldialekten , dem Sicilischen und Sardini- schen*), veranlasst die viel grossere Beimischung griechi- scher Worter und verstattet die insulare Lage solcher Sprachgebiete, an eincn directen Uebergang aus dem Grie- chischen in die Volksmundart zu denken. Zur italienischen Schriftsprache bildete sich vorzugsweise der Toscanische Dialekt**) aus, und der fruhen festen Gestaltung, welche derselbe gewann, der Geltung, die er sich iiber ganz Ita- lien zu erringen wusste, ist es neben der verhaltniss- massigen Einfachheit und Bestimmtheit ihrer Laute zuzu- schreiben, dass sich die italienische Sprache seit der Zeit, da sic zuerst in schriftlichen Denkmalern auftritt — in der zweiten Halfte des zwdlften Iahrhunderts -- weit we- nio-er verandert hat, als die andern romanischen Spracheu. ser Beziehung vollstiiodig erschopft und weit iibertrifft, brauchen nur noch Raynouards vom Provenzalischen ausgehende, aber fiber das gauze romaoische Sprachgebiefc sich verbreitende gram- matische Arbeiten erwahnt zu werden : Raynouards Choix des Poesies des Troubadours Bd. 1 u. 6 u. Lexique Roman Bd. 1. *) Dieselbe abgeschlossene Stellung hat denn auch dem Sardinisehen z. B. die im ubrigen Italienisch verloren gegangenen consonan- tischen Endungen der Verbalflexion erhalten. **) Ein friiherer Versuch, der sich an den dichterischen Hof des auf Sicilien residirenden Kaisers Friedrich II. kniipfte, eine fur Italien allgemein giiltige Sicilianische Schriftsprache zu begriinden, musste den hoheren und berechtigtern Anspriicheu des Dante'schen Florenz weichen. 165 Die das Italienische auszeichnende Treue gegcn das Lalein beurkundet sich audi in der gewissenhaften Be- wahrung der bctonten Vocale, uiid zwar haben die Ian- gen gar keine Veranderung erlitten: lat. «, e 9 i, 6 } u = ital. a, e, i, o, u\ die durch Kiirze vcrdunkelten Laute e und 6 haben diese Triibung dnrch Diphthongirung ersetzt: e~ ie und 6= uo, vvogegen lat. i und u, durch Position gcscharft, ebenso in ital. e und o iibergingen , wie auch das tonlose i und u im Auslaut mit e und o zusammen- fiel, letztercs iraraer, ersteres so oft es nicht, wie in der Flexion, durch eine unterscheidende Bedeutung gesichert wurdc*). Auch die Consonanten bewahren ihre Gel- tung ziemlich genau ; selbst die gemeinromanischc Er- weichung der Tenuis zur Media ist im Ital. nicht so durch- greifend, wie in den andern Sprachen: neben den inlautenden ital. v, (£) g, e/ = lat. p, c, t findet sich eben so haufig der at. Inlaut erhalten. Die geraeinromanische Einwirkung ei- nes e und i auf die vorhergehende Tenuis und Media des Kehllautes stellt sich in Gestalt der entsprechenden Palatallaute dar — wie sich aus der Vergleichung mit andern Sprachen ergiebt, offenbar die einfachste und zu- nachstliegende Umwandlung. Eine Verweichlichung ist die durchgehende Assimilation**), welche des Wohllautes willen einen Consonanten dem nachstfolgenden aufopferte. Ein anderes Wohllautsgesetz verbietet auch jede consonantische, Endung, so dass jedes Wort in seiner vo!lstandigen Ge- stalt auf a, e, i oder o ausgeht. Ebenso abhold ist das *) So lasst sich z. B. zwischen^cre^ temi— lat. credis, times und crede, teme = lat. credit, timet nur ein durch die Flexion, nicht durch die Lautlehre begriindeter Unterschied wahrnehmen. #*} In dieser unterschiedlosen, mechauischen Assimilation des p, 6, c, tj steht das Italienische andern romanischen Sprachen nach, welche durch Vocalisirung die eigentliche Natur des zu elidiren- den Consonanten sorgfaUiger retten, vg},fatto (ital.), feito (pg ), hecho (sp) = factus. 166 Italienische dem Hiatus, zu dem lat. i und u hauptsach- Iichen Anlass bieten. Ersteres diphthongirt sich daher entweder mit dem folgenden Vocal oder verleibt sich dem vorhergehenden Consonanten ein, indcm es ihn entsprechend umwandelt ; letztercs geht in v uber. Die Erweichung des einem andern Consonanten beigefiigten I ist gemeinroma- nisch und erklart sich durch die Flussigmachung des /in ein //*). Das Italienische ist auf dieser ersten Stufe der Eiitartung stehen geblieben, wahrend die andern Sprachen darin weiter gegangen sind. S p a n i s c h. Zwar nicht in geographischer, aber doch in Iautlicher Hinsicht granzt an das Italienische zunachst das Spa- nische, dem Latein in der Flexion zum Th'eil noch treuer geblieben als das Italienische, im Laule und im Wortschatze ihm aber entfremdeter. Wie in Italien Toscana, so hat in Spanien C a s t i I i e n vorzugsvveise die Schriftsprache gebildet und sie uber die rivalisirenden beiden Hauptmundarten, das dem Portugiesischen naher stehende Galicische und das dem Provetizalischen verwandte Ca talo nis c h e erhoben. Die Fortbildung der spanischen Sprache schritt auch, nach- dem sie in ihren ersten Schriftdenkmalern — um die Mitte des zwolften Jahrhunderts -— einen festen Ausdruck ge- wonnen hatte, noch fortwahrend weiter, weshalb der Un- terschied zwischen Altspanisch und Neuspanisch ein ziem- lich bedeutender ist und nur von dem Unterschiede zwi- *) Dass z. B. in flamma das geschriebene i eigentlich ein j ist, er- giebfc sich daraus, dass dieses i nie eine eigene Sylbe bildefr. Zur Vermittlung der lat. Form mit der italienischen dient das freilich unaussprechliche fijamma* Die Italiener werfen das I, die Spanier das /" ab und bilden so aus fljamnta, die Einen fiamma= f{l)jamma, die Andern Uama= Qf)ljamma. 167 schen Allfranzosisch und Neufranzosisch noch uberwogen wird. Die betonten langen lat. Vocale bewahrt auch das Spanische; das durch Kiirze und Position verdunkelte e diphthongirt sich wie im Italienischeii zu ie 9 das entspre- hcnde o zu ue. Weniger regelmassig, obgleich haufiger als im Italienischeii ist der Uebergang des positionsge- scharften i und u in e und o. In Betreff der Consonanten ist die Erweichung im In- laut zu einer festeren Regel geworden, als im Ital. : lat. p, b, c, t — b, v, ff, d. Ein anlautendes f verfli'ichtigt sich im Neuspanischen zu einem kaum anders als bei dro- hendem Hiatus bemerkbaren Hauchlaut, wofiir das Alt- spanische noch den ufsprunglicheu Laut bewahrt. Vor e und i wird c zum lispelnden Sauselaut , und g entwe- der zum aspirirten Gutturallaut oder zum entsprechenden Halbvocal u der auch leicht durch Verfliichtigung elidirt oder mit dem vorhergehenden Vocal diphthongirt wird. Die Neigung, dem Wohllaute zulieb einen mit andern verbundenen Consonanten vocalisch aufzulosen, die sich im Italienischeii nur an der Liquida / bemerkbar machte, legt das Spanische mehrfach zu Tage. So lost es den einem Consonanten vorangehenden Kehllaut c gern in i oder j auf, das dann enlweder nach der im Italienischen beobachteten Weise den verbundenen Consonanten zeta- cistisch afFicirt und durch die im Spanischen s'eh'r ver- breitete Metathesis auf den vorhergehenden Vocal einwirkt oder auch, wie das einfache y und g, zum aspirirten Hauch- laute wird. Eine andere vocalische Auflosung, welche aus- nahmsweise auch statt der ebenerwahnten bei dem gnttu- ralen c eintritt, haufiger aber bei den Lippenlauten vor- kommt, ist die in w, welche dann den der span. Sprache ei- genthiimlichen Diphthong an bildet. Das durch j erweichte / verfliichtigt sich im Inlaut zu jener fiir diese Sprache charakteristischen potenzirten Aspiration ; wahreud es im 168 Anlaut bleibt uad den mit dem / combinirten Cousonanten wegwirft*). Man hat diese gutturale Aspiration, welche eine so grosse Rolle im Spanischen spielt, fiir ein von den Arabcrn in die Sprache gebrachtes Element erklaren wol- len. Indess, abgesehen von der Unwahrscheiulichkeit, dass es den Eroberern gelungen sein sollte, eine solche organische Eigenthiimlichkeit gerade in Spanien und auf keinem an- dern Felde ibre Niederlassung, z. B. nicht in Portugal, ein- zuburgern, spricht gegea diese Herleitung vor Allem der Umstand, dass in den ziemlich zahlreichen Wortern, ua- mentlich technischer Gattung \ die aus dem Arabischeu ins Spanische iibergesiedelt sind, der entsprechende stark hauchende arabische Gutturallaut nirgendwo durch diesen spanischen, sondern, ganz wie in andern romanischen Spra- chen, durch die Tenuis des Kehllautes wiedergegeben wird. Gegen consonantische Endungen verhalt sich das Spa- nische weniger sprode als das Italienische. Es duldet nicht nur die Liquida /, n } r, und das gutturale j am Ende, son- ndern auch s, % und d, letzteres freilich nur sehr erweicht und mit leisem Anklange, nicht mit voller Aussprache. Den lateinischen Accent beobachtet das Spanische nicht mit italienischer Genauigkeit/ namentiich nicht den auf dritt- letzter Sylbe ruhenden, was besonders in der Flexion des Verbums hervortritt. Der Infinitiv der lat. dritten Conjugation hat im Spanischen dem Infinitiv der zweiteu das Feld raumeu miissen; selbst in den altesten Denkmalern finden sich keiue *) Diese verschiedenartige Behandhmg des fliissigen I im Anlaute und im Inlaute erklart sich daraus, dass der romanische Anlaut iiber- haupfc den lat. Consonanten fester halt, z. B. selten oder nie die Tenuis in die Media erweicht. Einer solchen Ervveichung im In- laut entspricht die Verfliichtigung des Ij zum aspirirten Kehllaut, vgl. span. viejo=. vetulus mit pg. vtlho. Dagegen bleibt im Anlaut I lama, und jama ist nur dialektische Nebenform. 169 Spurcn von — ere rait betontcr Staramsylbe, das doch mit Ausnahmc des Portugiesischen sich in alien andern roroa- nischen Sprachen erhalteu hat. Gleiche Vergcsseuheit des lat. Accentes in der Verbalflexion beurkunden die spau. Bil- dungen -dbamos , -abodes = lat* -abamits, -abatis und -dssemos -dssedes ■=. lat. -avissemus , -auisselis. Audi hier haben sich die westlichen Tochtersprachen raehr au das mutterliche Vorbild gehalteu, als die ostlichen*). Port ugiesiscli. Den meisten sprachlichen Erscheinungen in der Be- handlung lateinischer Laute im Spanischen. lassen sich zieni- lich parallel laufende Thatsachen im Portugiesischen zur Seite stellen. Die Aehnlichkeit wiirde noch auffal- lender sein und auf manchen Gebieten bis zur volligen Identitat vorschreiten, wenn nicht cine, wie es scheint, physiologisch und phonetisch begriindete gcgenseitige Ab- neiguug gegen gewisse Laute des einen Volkes bei dem andern bestande. So sind dera Portugiesen die spani- schen Diphthonge ie und ue, wie iiberhaupt alie Diphthon- ge , deren zweiter Bestaudtheil betont wird, versagt; er bewahrt deshalb treuer, als die iibrigeu Sprachen, das lat. kurze e und o. Auch den spanischen stark aspirirten Kehllaut keunt er nicht und wendet dafur, der Herleituug olfeubar naher und in theihveiser Uebereinstimmung mit dem Italienischen, den Zischlaut an ; der sich im Spa- *) Auf den ersten Blick scheinen Spanier und Portugiesen in der 3 Pers. Plur. des Perf. dem lat. Accent treuer geblieben zu sein, als die iibrigen ronianischen Yolker : vgl ital. dissero altfranz. distrent mit span, dijeron port, disstrao = dixerunt. In der That aber ist erunt, nicht grunt fur diese Form die gemeinroma- nische Betonung, und die span, und portugiesischen Bildungen sind nicht dera Latein entlehnt, sonderu selbststandig nachgebildet. 170 nischen nicht findet. Im Ganzen hat sich das Portu- giesische in einer alteren Gestalt bewahrt, und schon die friihesten Sprachproben — aus dem Ende des zwolften lahr- hunderts — weichen vveit weniger von dem jetzigen Sprachgebrauch ab, als es bei den gleichzeitigen ersten Denkmalern der Spanier der Pall ist. So hat sich seit je- nen Anfangen nicht, wie ira Spanischen, ein anlautendes f zum blossen Hauchlaut, noch ein inlautendcs Ij zum blossen aspirirten Kehllaut verfliichtigt: portugiesisch /llho, span. hijo— filius. Dagegen wandelt sich ein anlautendes fliissiges / mit weggeworfenem vorhergegangenen Conso- nanten, das im Spanischen stehen blieb, im Portugiesischen zum Zischlaut ? der seine Erklarung durch die spanische gutturale Aspiration findet und im Portugiesischen hier wie iiberall deren Stelle vertritt*}. Dieser Umwandlung scheint eine Abneigung gegen das inlautende / zum Grunde zu liegen, die sich auch sonst im Portugiesi- schen verrath : einmal durch Vertauschung des mit Con- sonanten verbundenen / mit r, und dann durch Elision des zwischen zwei Vocalen stehenden /. Letzterer, welche zur durchgangigen Regel geworden ist, wird infgleichem Masse auch die Liquida n uad in geringerer Ausdehnuug freilich auch */**) unlerworfen, Dem dadurch entstandenen Hiatus *) Auch im Inlaute fehlt es nicht an einzelnen Beispielen solcber Verwandlung, vgl. span* llama, hallar mit pg. chama, achar. Hallar leitet sich wohl am Natiirlichsten von alligare her und ist das durch die Proposition ad bezeichnete Transitivum zu dem Intransitivum llegar=liyare gleichsam an etwas anbinden, anlangen. Vgl. ital. giungere, franz. rejoindre mit lat. jun- gere als Parallele dieser Ideenverbindung, wahrend span, callar = caligare sich in Dunkel hull en, denselben Uebergang der Form zeigt. **) Synkope des d ist auch im Spanischen nicht selten z. B. creerz=z credere und, contrahirfc, comer— comedere. 171 hilft die Sprache durch Contraction der gleichlautenden oder durch Diphthongirung der dazu fahigen Vocale ab und bildet damit Formeii, deren Kiirze fiir das Portugiesische charakteristisch ist, z. B. ter, rir, crer, no, so, ma, mi, cor=z tenere, rider e, credere, nodus, solus, mala, nudus, color. Von den spanischen Endconsonanten s, z, I, r, n, d } und j verstattet das Portugiesische nur die vier ersten. Das n verfliichtigt sich am Eude, und theilweise, wo es stehen bleibt und nicht durch Metathesis ans Ende kommt, audi in der Mitte, zu einem blossen Nasallaut, der bald als m geschrieben, bald, wo er den vorhergeheuden Vocal durch seine Einwirkung diphthongirt, durch ein sog. Til, einen Circumflex iiber dem Diphthong ausgedriickt wird, z. B. mim, mat, accao. Insofern dieser Nasallaut sich nicht vol- lig seiner consonantischen Natur entaussert und dem mit ihm verbundenen Vocale seine ursprungliche Geltung lasst, weicht er yon dem franzosischen Nasallaute ab. Vollkommene Unabhangigkeit des Portugiesischen vom Spanischen ist nicht nur durch diese lautlichen Unterschiede dargethan, sondern charakterisirt sich auch u. A. in der Flexion des Verbums. Der Portugiese druckt die Tempora der Vergangenheit durch das bei ihm durch Verkurzung zum Hiilfsverbum sehr bequem und mundgerecht gemachte tenere, nicht wie der Spanier und die Anderen durch ha- bere aus. Auch hat er die lat. Plusquamperfectbildung nicht nur, wie Spanier und Provenzalen, der Form nach, son- dern auch der Bedeutung nach bewahrt. Das Seltsamste in der Portugiesischen Flexion ist die auffallende Fahig- keit und Sitte den Infinitiv nicht etwa, wie das in andern Sprachen moglich ist, zu dekliniren, sondern ihn zu con- jugiren und die personlichenBeziehungen durch Verbalendun- gen, die ihm wie eiuem andern Tempus beigefugt werden, auszudriickeu. Para ser ditoso heisst z. B. „um glucklich zu sein" von der ersten und dritten Person des Singular und weist die reine Infinitivform auf, wie die vcrwaudten 172 Sprachen, span, para ser dichoso. Von der zweiten Per- son des Sing, wird para seres ditoso, von den drei Per- sonen des Plur. para sermos, serdes, serem ditosos ge- braucht. Die Construction scheint allerdiugs festzustellen, dass wir hier einen wirklichen Infinitiv vor uns haben, aber auf der andern Seite ist die Bildung dieser Form so ano- maly dass wir uns gern nach einer Erklarung umsehen und diese in der Erhaltung des lat. Imperfectum Conjunctivi im Portugiesischen finden. Es wird z. B. a gloria de cantares „der Ruhm zu singen", von der zweiten Pers. Sing, ge- braucht, nicht identisch sein mir dem span, la gloria de canlar, sondern de que cantares ,.der Ruhm davon, dass du singest". Die Auslassung des que findet sich in der alteren Periode der romanischen Sprachen sehr haufig, und die Verwechselung mit dem Infinitiv lag um so naher, da aus cantarem cantaret ebenso cantar werden musste, wie aus canta[ve)rim canta{ve)rit dieselbe Form entstand. Erst die Verba der starken Conjugation lassen einen Unter- schied zu: dizer= dicerem, dagegen dissert dixerinu Provenzalisch. Von den siidlichen romanischen Sprachen mit ihren vollcn und reinen Lauten fiihrt das Prove nzalische hiniiber zu der nordfranzosischen, die durch Elision und Abschleifung der Consonanten, durch Triibung und Ver- dunklung der Vocale sich scheinbar am Weiteslen von dem lateinischen Typus entfernt, obwohl sie andrerseits, durch ihr Lautsystem begiinstigt, Ziige der Muttersprache aufbewahrt hat, welche den andern, naher verwandten Sprachen verloreu gegangen sind. Zwischen diesem Idiom des nordlichen Frankreichs und den Sprachen der pyre- naischen und der apenninischen Halbinsel bildet das Pro- venzalische eine naturliche linguistische wie geographische 173 Vermittelung, insofern in ihm gleichsam jede der iibrigen Sprachen sich durch besondere Eigenthiimlichkeiten mit vertreten sieht» Wir wiirden diese Verwandtschaft des Provenzalischen mit alien seinen sprachlichen Granznach- barn noch sicherer nachweiseu und noch weiter verfolgen konnen, ware nicht durch die Uugunst der Zeiten die Sprache der Troubadours zu Grunde gegangen, noch ehe sie zu einer feststehenden Orthographie gelangt war, oder, tiefer gefasst, noch ehe aus den verschiedenen dialekti- schen Niiancen, welche in den handschrifllichen Denkmalern der provenzalischen Literatur uach Laune und Verstand- niss des Abschreibers sich planlos vermischen, eine feste Norm mit allseitiger Autoritat sich herausarbeiten konnte. Die Aussprache des Provenzalischen , wie sie zur Zeit seiner Bluthe stattfand, bleibt daher ein in vielen Fallen unlosbares Problem, und jeder Versuch iiber das Allge- meinste bei soldier Bestimmung hinauszugehen, muss um so leichter immer auf Widerspriiche fuhren, je wahrschein- licher die grosse Ausdehnung und die eigenthumliche Lage des provenzalischen Sprachgebietes es raacht, dass be- nachbarte Einflusse von alien Seiten auf die Aussprache eingewirkt und dieselbe vielfach modificirt haben. Dieses Sprachgebiet umfasste namlich nicht nur das siidliche Frank- reich, wo die Granzscheide gegen das Nordfranzosische durch Dauphine, Lyonnais, Auvergne, Limousin, Perigord und Saintonge sich hinzog, sondem griff auch iiber die Pyre- naen und Alpen weit in Spanieu, Helvetien und Italien hin- ein. In ftalien gehorte der piemontesische Dialekt mehr dera Provenzalischen als dem Italienischen, und in Spanien reichte das catalonische Provenzalisch am mittellandi- scheu Meere entlang bis iiber Alicante hinaus ; auch auf den Balearischen Inseln setzte es sich fest. Hirer grossen Verbreitungund der dadurch herbeigefuhrten Mannigfaltig- keit der Ausbildung gemass, hiess gleichsam als Inbegriff vielfachcr, sonst zerstreuter romanischer Spracherschei- 174 nungen, derm auch diese Sprache nicht bloss nach dem Kern ihres Sprachgebiets, nach der Provence, die Provenzalische (procnsalesc) oder die Limosinische (lemozi) sondern auch die Romanische x«t' i^oyfjv (romans). In dcr That bleibt ihr, wenn man auch die von Raynouard auf diese seine lan- gite romane gegriindeten Hypothesen und die daraus her- geleiteten ausschliesslicheu Anspriiche zuriickweisen muss, doch ein gewisser nicht abzuleugnender Vorrang vor ihren Schwestersprachen, da sie sich schon einer poetischen An- wendung und einer feinen literarischen Behandlung erfreu- te, als die andern noch, einzig auf den Dienst des tag- lichen Verkehrs verwiesen, von Dichtern und Gelehrten unbeachtet, sich ein obscures Dasein fristeten. Das erste zusammenhangende Werk, ein nur fragmentarisch erhal- tenes Gedicht, welches bei Abweichungen im Einzelnen, doch im Ganzen und Grossen die Sprache schon in ihrer vollkommen ausgebildeten Gestalt darstellt, gehort dem zehnten Jahrhundert an. Ira folgendeu gelangte dann die reiche Literatur der Troubadourpoesie zu ihrer Eutwicke- lung, der denn bald in Catalonien in einer zweiten eigenen literarischen Ausbildung ein provenzalischer Dialekt zur Seite ging und auch in Piemont die dritte schriftliche Ge- staltung dieses Idioms in dem Iautlich und flexivisch eini- germassen nachstehenden Waldenserdialekt sich anschloss. Wir fassen hier nur das Provenzalische der Troubadours als das vorzuglichste, einer kurzen Charakteristik wiirdigste und zugleich fahigste ins Auge. Was nun zunachst die betonten Vocale betrifft, so schwankt dereu Behandlung zwischen der spanischen und portugiesischen^ indem e bald te bald e } 6 bald ue bald o wird. Die langen Vocale bleiben wie in diesen beiden Sprachen der lateinischen Norm getreu; eine Triibung des a zu e erscheint nur als franzosische Ausnahme, und das geschriebene u ist schwerlich jemals wie im Franzosischen ii gesprochen. Das Reich der Diphthonge hat sich durch 175 Einmischung verschiedener Dialekte im Provenzalischen noch weiter ausgedehnt, als es durch Erweichung und vo- calische Auflosuug verschiedener Consonanten ohnehin ge- worden war. So findet sich neben der spanischen Art, den vor einem andern Consonanten vocalisch aufgelosten Kehl- laut mit dera Consonanten zu einem Palatallaut zu ver- schmelzen, auch die portugiesische, das aus dem c ent- standene i mit dem vorhergehenden Vocal zu diphthon- giren, cndlich auch eine dritte dem Provenzalischen ei- genthiimliche, den Consonanten elidirendc, iiber deren Gel- tung sich jedoch bei der schvvankenden Orthographie nur vermuthungsweise sprechen Iasst. Z. B. wird lat. factus, facta bald fach, facha = altspan. fecho, fecha, bald fait faita = port, feito , fcita, endlich fah oder fag, welche Schreibart vielleicht auf ein sehr weiches deutsches j hindeutet. Die gemeinromanische Weise, ein tonloses^ im Hiatus stehcndes und deshalb dera romanischen Wohllaut- gesetz widerstrebendes i entweder durch Metathesis und Diphthongirung oder durch die Verschmelzung des ent- sprechenden j mit dem betreffenden Consonanten zu ret- ten, Jegt auch das Provenzalische, durch alle orthogra- phische Verschiedenheiten hindurch, deutlich zu Tage ; auch die spanisch-portugiesische Umstellung des im Hiatus ste- henden tonlosen u ist ihr nicht fremd : vgl. span, supierorh port, sovtberao prov. saupron = sapnerunt. Wahrend das Provenzalische in den genannten Bcziehun- gen zwischen dem spanischen und portugiesischen Lautcha- rakter schwankt und nebeubeieiuen drittenselbstandiffen ver- sucht, lehnt es sich in anderen Lautbestimmungen an die iibri- gen romanischen Sprachen an + Mitdem Franzosischen scheint es die Aussprache das c vor e und i, mit dem Italienischen die des g vor denselben Vocalen gemein gehabt zu haben. Die durchgangige handschriftliche V r er\vechselung des letz- tern mit j vindicirt auch diesem urspriinglicheu Halbvoca ] denselben weichen Palatallaut wie dem g. Demgemass 176 rausste ch den scharfcn Palatallaut, nicht bloss den franZo- sischen Zischlaut vertreten, obwohl die Vertauschung des- selben mit blossem c vor a es wenigstens zweifelhaft macht, ob dem ch auch uberall diese Lautbestimmunff zukom- me*). Eigenthiimlich provenzalisch, wenigstens vorherr- schender als in den andern Sprachen, wo sie nur vcrein- zelt sich zeigt, ist die Neigung, die Tenuis und Media des Lippenlautes nicht nur halbvocalisch zu v. sondern auch vocalisch zu u aufzulosen und diphthongisch mit dem vorher- gehenden Consonanten zu verschmelzen. Wie weit diese Verwandlung ging, lasst sich bei der provenzalischen Or- thographic, die fur u und o nur dasselbe Zeichen hatte^ nicht allenthalben mit Sicherheit angeben, wie denn aus gleichem Mangel der Orthographie zwischen dem i und dem palatalen j die jedesmalige Unterscheidung einige Schwierigkeit erleidet. Die Erweichung einer inlautenden Tenuis zur Media ist gcmeinromanisch; provenzalisch ist dagegen die umge- kehrte Verhartung der Media zur Tenuis im Auslaut: b zu p, g zu c, dzut, v zu/", % zu tz. Dieselbe Erscheinung zeigt sich, unter abgeleiteten Sprachen, auch im Mittelhoch- deutschen,, und selbst das Altfranzosische, obgleich weniger consequent, folgte dem weit uber das romanische Sprach- gebiet hinausreichenden Zuge solcher Umwandlung. Die siidlichen romanischen Sprachen bewahrten die Media vor dieser in der Natur des Auslautes begriindeten Verhartung nur durch die vocalische Endung, welchejede anderen Falls auslautende Tenuis und Media schiitzte. Selbst der Auslaut *) Dass z. B. dem ch in nuoich == noctem diese Geltuug gebiihrt, konnte das Spaoische noche wahrscheinlich machen. Wenn da- gegen bald cltantar bald eantar geschrieben wird, so liesse in diesem Falle der Palatallaut sich nur durch eine auffallende Nord-* franzosische Einvvirkung erklaren, die man vielleicht richtiger bei dem franzosirenden Abschreiber, als in der wirklichen provenza- lischen Aussprache vermuthet. 177 d im Spanischen bildet in seiner durch seine Stellung mo- dificirten Natur keine wirkliche Ausnahme von dieser Re- gel und z. B. das span, ciudad verhalt sich zu ital. citta wie das portug. cidade sich zu ital. cittade verhalt. Unsere Unbekanntschaft mit der genaueren Aussprache des Provenzalischen ist wohl bei keinem Laute mehr zu beklagen als bei der dieser Sprache eigenthiiralichen Verwandlung eines inlautenden d in einen Laut, den die provenzalische Schrift als z bezeichnet, der aber vielleicht in der That dem weich aspirirten neugriechischen d, dem altnordischen, angelsachsischen und englischen weichen th entsprach. Dass man dafur ein % schrieb und dann nicht nur orthographisch, sonderu wahrschcinlich audi in der Aussprache dieses * haufig mit s vermischte, kann uni so wcniger auffallen, da audi der Spanier seiuen ahulichen Laut als % bezeichnet hat, Eine interessante Erscheinungauf romanischem Sprach~ gebiete und zugleich eine Anomalie in dem Gange roraa- nischer Sprachentwicklung bildet die dem Provenzalischen und Altfranzosischen gemeinsame Fahigkeit und Gewohn- heit den Casus rectus durch ein Festhalten an der lat. Nominativform von dem auf gemeinromanische Weise ge- bildeten casus obliquus zu unterscheiden. — Es war ein Verfahren, welches den romanischen Sprachen Frankreichs wenigstens fur eine Zeitlang die Triimmer der lat. Decli- nation rettete und sich in seiner einfachen and sinnreichen, fiir den syntaktischen Gebrauch ausserst vortheilhaften Anwendung zwar in der ersten lat. Declination sich nicht durchfuhren liess , dafik aber im Provenzalischen auch iiber das Latein hinaus zu selbststandiger Fortbildung be- nutzt wurde*). Auch in den iibrigen romanischen Spra- ♦) Das Schema dieser Flexion nidge hier zu grosserer Anschaulich- keit des Gesagten beigefiigt werden : Cas. rect. Sing, ans, laire, trobaire, maier 12 178 cheu fehlt es nicht an einzelnen Beispielen einer Herlei- tung aus dem lat. Nominaliv; dass aber keine derselben eine Spur jener zwiefachen Form rait unterschiedener Be- deutung aufweist, darf, vora sprachphilosophischen Stand- punkt betrachtet, weit weniger befremden, als das Vor- handenseiu dieser zwiefachen Casusbildung im Provenza- lischen und Altfranzosischen. Dem Italienischen, welches doch sonst dem Latein am Nachslen stent, war schon durch sein jede consonantische Endung ausschliessendes Lautge- setz der Versuch verwehrt, annus in einer andern Form neben annum, anno zu erhalten, selbst wenn auch ein im Volke haftendes Bewusstsein eincs solchen Unterschiedes der lange eingerissenen Abschleifung und Vermischung aller Casusformen auf die Dauer hatte Trotz bieten konnen. Die den iibrigen romanischeii um Jahrhunderte vorauseilende literarische Ausbildung der altfranzosischen und proven- zalischen Sprache, verbunden mit der lautlichen Begabung beider , mag dieses schon im Erloschen begriffene Be- wusstsein noch fiir eine Zeitlang gerettet und durch grammatische Feststellung in den Schriftdenkmalern wieder aufgefrischt haben, aber die haufigen Verstosse gegen diesc Hegel, denen man in alien provenzalischen, noch weit mehr aber in altfranzosischen Werken begegnet, ohne sie iiber- all auf die Rechnung unwissender Abschreiber setzen zu konnen, so wie die Thatsache, dass weder der gleichzeitige catalonische noch der waldensische Dialekt an dieser Flexion Antheil nehrnen , beweisen ziemlich deutlich, wie wenig die Aufstellung einer ausschliesslichen Form fur den Nominativ und einer zweiten fiir die iibrigen Casus dem wirklichen romanischen Sprachgenius entsprach, gewohut wie er es war, die Form des Nomen absolut, abgelost von Cas obliq. Sing, an, laird, trobador maidr Cas. rect, Plur. an, lairds, trobadors maiors Cas. obliq. Plur. ans, lairds, trobadors maiors. 179 alien Beziehungen im Satze aufzufassen. Der syntaktische Vortheil, den dieser flexivischc Unterschied gewahrte, konnte denn auch den Ueberrest lateinischer Nominalflexion so wenig vor seinera baldigen Verfall im Provenzalischen und Franzosischen und vor seinera endlichen ganzlichen Verschwinden schiitzen, wie er das lat. Vorbild selbst vor gleichem Schicksal in den romanischen Sprachen iiber- haupt hatte bewahren konneu. Eine roraanische Flexion des Nomen war eine Erscheinung , die in ihrem innern Widerspruche den Keim ihres Todes trug. Franzosisch. Der viclfache Zusamraenhang der provenzalischen Sprache mit derjenigen, in welcher sie endlich unterzugehen bestimmt war, mit der franzosischen, bringt es mit sich, dass ein grosser Theil des zur Charakteristik jener Ange- fiihrten, als gleichfalls fur diese bezeichnend, hier noch ein- mal wiederholt werden konnte, genfigte nicht statt dessen die Bemerkung,, dass die franzosische Sprache aufdem von der provenzalischen betretenen Wege der Abplattung, Ver- stiimmelung, Synkopinmg und Contraction der Formen noch weiter vorgeschritten ist. Eine grossere Unempfindlichkeit gegen den musikalischen Wohllaut reiner Vocale und voller Vocalendungen , eine geringere Scheu vor consonantischen Auslaulen unterscheidet schon das alteste Franzosisch sehr zu seinem laullichen IVachtheil von dem allesten Proven- zalisch und widerspricht 9 in dem nordfranzosischen Sprachorganismus begriindet, zugleich auf das Entschie- denste der Hypothese von der ursprunglichen Identitat beider Sprachen. Zwar ist das alteste altfranzosische Denkmal, die Strassburger Eidschwiire vom Jahre 842, in der uns iiberkommenen Aufzeichuung Nitharts nicht frei von lateinischen Reminiscenzen und Anklangen iiberliefert, 180 aber auch so lasst sich das spezifisch nordfranzosische Element darin nicht verkennen, das dann in dera zweiten bisher bekannt gcwordeneu, muthmasslich demselben Jahr- hundert angehorenden Sprachdenkmal , dem Liede auf die heil. Eulalia schon vollkommen geordnet hervortritt. Wenn das Provenzalische von den tonloseu Endvocalen der siidlichen Sprachen sich a, e und i bewahrt und nur das tonlose o aufgegeben hatte, so biisst das Franzosische auch a und i ein; ein triibes, klangloses e, uneigentlich stumm genannt, muss ihm das a ersetzeu , wahrcnd die iibrigen tonloseu Endvocale ganz ohne Ersatz apokopirt vverden. Demselbeu triibenden Einflusse erliegt auch das betonte «, das vor seiner Y r erwandlung in ein, durch con- sonantische Nachbarschaft haufig in ai ubergehendes, e nur durch die Positionsscharfung: gcschiitzt werden kann. Das lauge betonte e muss seinerseits sich die Diphthongirung in ei, spater oi gefallen lassen, ein Uebergang, der erklar- Jicher wird durch die ehemalige Aussprache ei-= deutsch ii • oi= demselbeu Laut, vielleicht mil einem kaum horbaren leichten diphthongischen Anlaut, der nur entfernt an ein halbverschlucktes o erinnert. In e'i } oi ging auch das be- tonte kurze i liber, dessen romanische Vervvandtschaft mit dem belonteu langen e auch die iibrigen Sprachen durch eine, beiden Vocalen, dem e und i gemeiusam wider- fahrende, Behandlungsart beurkunden. Die Trubung des langen und kurzen betonten o zum eu (d. i. o) hat sich im Franzosischen erst spater festgcstellt aus den schwanken- den Schreibuugen ou, ue und o, die sich in altfranzosischen Werken, den Dialekten der verschiedenen Provinzen ge- mass, noch lange durcheinander mischen. Ou stent imNeu- franzosischen nur fiir tonloses o; ue rnag in der Aussprache identisch mit eu gewesen sein und nur in einzelncn Fallen dem span, ue, ebenfalls aus o gebildet, entsprochcn . haben. Mit der durchgehenden vocalischen Laulverschiebuug., welche das Franzosische charakterisirt, stimmt es denn 181 iiberein, dass auch u nicht den gerneinromanischen Laut bewahrt hat, sondern zu u getrubl wird. Dagegen ist das kurze lat. u 9 in der Schreibung ou in die dadurch vacant gewordene Stelle eingeriickt, und das in der Position ste- hende u nach gemeinromanischer Art mit dera positions- gescharften o zusammengeworfen. Die Reihe vocalischer und diphthongischer Umbildungen wird ausserdem bedeutend vermehrt durch die dera Franzosischen mit audcrii roraa- nischen Sprachen gemeinsame vocalische Auflosung ver- schiedener Consonanten, welche u. A. u in oi. o dagegen in ui verwandelt, und durch die Auflosung des / vor Conso- nanten in u auch dem in der Aussprache mit o zusammen- treffenden Diphthongen an einen mil der fortschrcitenden Ausbildung der Sprache immer weiter greifenden Platz verschafFt hat. Vollendet wird im Franzosischen die Alte- ration der Vocale durch den dieser Sprache eigenthiim- lichen Nasaliaut, in welchen jedesnicht durch einen folgenden Vocal in seiner consonantischen Xatur geschiitzte m und n ubergeht und das rait dem vorhergehenden V r ocal nicht vcr- schmilzt, ohne dessen Geltung zu modillciren; nur «, so- wcit es sich im Franzosischen crhalten hat, o und der Diphthong ie widerstehen diesem nasalen Einfluss, wah- rend durch ihn e in a, i in e, u in eu ubergeht. Unter den franzosischen Consonant en veranderungen ist kaum eine bemerkenswerther, als die durchgehende Um- wandlung des harten Kehllautes vor dem lat. a in den Zischlaut. Da dieser Uebergang nur vor lat. «, nicht aber vor lat. o und u Statt fiudet, so muss in der franzosischen Umgestaltung des a zu e der Grund dieser Verwandlung des Kehllauts, der vor einera e in keiner romanischen Sprache stehen bleiben konnte, in den Zischlaut liegeu. Mankonute versucht sein, dabei an den italienischen Palatal- laut ce, ci zu denken, und den franzosischen Zischlaut fur einen ebenso geschwachten Abdruck davon zu halten, wie das franzosische ge, gi den weicheu italienischen Palatallaut 182 ge, gi wiedergiebt, wenn nicht die franz. Verwandlung des lat. Kehllautes vor Iat. e und i in den scharfen Sausc- laut einer solchen Combination entgegentrate. Es bleibt daher nichts iibrig, als in der Verwandlung des lat. ca in franz. che eitie selbststandige franzosische Bildung von zetacistischem Einflusse zu erkennen, in dem Uebergange von lat. ce, ci in franz. ce, ci aber die weit friihere, ge- meinromanische , nur dem franzosischen Sprachorgau an- gepasste Modification. Noch zu einer zweilen Bemerkung geben die franzo- sischen Kchllaute dadurch Anlass, dass sie allein das ihnen halbvocalisch angefiigte u nicht erhalten haben^ wahrend in den ubrigen rorn anise hen Sprachen die im Lat. fiir die Tenuis durch einen eigenen Buchstaben (q~) gesicherte V T erbindung des c oder g mit dem u dem weniger abschleifenden Sprachorgau ism us ganz genehm war, und die Falle der Unterdruckung des u meist gemeinromanische^ wahrschein- lich bis in die lateinische Volksaussprache hinaufreichende waren. Dass auch noch im Altfranzosischen dieses mit dem Kehllaut veibundene u nicht immer stumm war, bezeugt z. B. fiir die Tenuis deutlich die Schreibart quens neben cuens = cotna, fiir die Media die Schreibart guivre neben wivre = vipera und jene zahlreiche franzosische Wortklassc, wo dem deulschen w ein franzosisches gu entspricht, das sich erst im Neufranzosischen zum reinen^r abgeschhfFen und das u a!s blosses Schreibzeichen noch geduldet hat. Dass auch bei inlautendem git das u sehr horbar war, legt z. B. die doppelte Schreibweise aigue und ewe = aqua dar, wo das w in der Aussprache fast gv gelautet haben muss. Verschieden davon ist die dritte Schreibweise, iaue, vo- calisch aufgelost , nicht wie haufig verkehrt gedruckt wird iave, das jetzige eau ist nur verstiimmelt aus iaue. fn der Synkope des Inlautes geht das Franzosische vveiter als irgend eine andere romanische Sprache. Nur die Li- quidae und .9 wisscn sich in solcher Stellung zu erhalten, 183 alle anderen einfachen, zwischen zwei Vocalen stehenden Consonanten sind der Gefahr ausgesetzt , elidirt zu wer- den. Dem dadurch en t stehenden Hiatus hat erst die neuere Sprache dnrch Contractionen abgeholfen, wahrend das altere Franzosisch die verschiedenen Yocale undiphthongirt und unvermittelt neben einander stehen lasst. Derselbeu neu- franzosischen Scheu vor dem Hiatus zwischen einem vo- calisch auslautenden und cinem ebenso anlautenden Worle im Satze verdankt die Flexion des Verbums vielfach ein dem Altfranzosischen unbekanntes und etvmologisch nicht £e- rechtfertigtes End— s, das sich um so eher festsetzen konnte, je haufiger es stumm blieb und nur durch eineu folgenden Vocal zu seiner Geltung gelangte. Das V'er- stummen des s nicht nur im Auslaut , sondern vor je- dera Consonanten ist ein das Franzosische vor den ubrigen charakterisirender Zug und muss schon fruh um sich ge- griffen haben, obgleich die noch lange nachher beibehal- tene Sitte^ auch das nicht mehr ausgesprochene s als Schreibzeichen zur Andeutung einer Vocallange stehen zu lassen ? uns ein genaueres Urtheil iiber den Zeitpunkt die- ser Elision nicht gestattet. Jedenfalls muss sie schon Statt gefunden haben , als man aitfranzosisch rosle £role) ram- posgner (ramp oner J schrieb. Einem franzosischen Sprach- organe muss das, noch dazn ganz unmotivirt eingeschobene s in solchen Verbindungen von jeher unaussprechlich ge- wesensein; die Kegel, das s vor Consonanten zu elidiren, wird vielmehr so genau beobachtet, dass das Gegentheil, wo vvir ihm im Neufranzosischen begegnen^ liberal! als Kennzeichen eines erst spater und nicht durch den Mund des Volkes anf gemeinromanische Art in die Sprache ge- kommenen Elementes gel fen kann. An solchen Elementen ist das Neufranzosische reicher als irgend eiue Schwester- sprache, uud sie unterscheiden sich aufs Dentlichste von den organisch eingebiirgerten lateinischen Bestandtheilen schon durch eine sklavische Beibehaltung des lat. Lautes 184 und eine Nichtachtung derjenigen Laulumwandlungsgesetze, welchen sich alle auf naturffemassem We^e hinuber^enom- menen Worter unterwerfen mussen. Wenn man daher das Neufranzosische dem Latein ahnlicher hat finden' wolleu, als das Altfranzosische , so ruhrt diese anscheinende grossere Aehnlichkeit theils von der uberhandnehmendcn iieuen Ein- fuhrung lateinischer Worter her, denen allmahlich die alt- eingefiihrten von gleicher Bedeutung und gleicher Form weichen mussten; theils ist sie eine Folge der neufranzosi- schen Orthographie, welche mit steter Riicksicht auf die Etymologie des Wortes auch Laute verzeichnet, die iiber- haupt entvveder nie in die lebendige Sprache iibergegangen oder doch langst daraus verschwuuden sind. Hie und da hat diese dem Franzosischen eigcnthiimliche Schreibweise, de- ren sich die iibrigen romanischen Sprachen entledigt ha- ben, sobald sie zu einer bestimmten Orthographie gelang- ten ? denn auch ira Verlaufe der Zeit der gesprochenen Sprache Laute aufgedrungen , die sie urspriinglich nicht besass. 80 ist es gekommen, dass die Kluft zvvischen der alteren und der neuercn Gestaltung bei keiner ro- manischen Sprache grosser ist, als bei der franzosischen Mit der altfranzosischen, im Sprachorganismus begriindeten Neigung, die Form en bis zur Undeutlichkeit und Verwechs- lung abzuplatten und die Laute zu verschlueken, mussle das neufranzosische Streben nach bestimmtem und leicht- verstandlichem Ausdruck in Conflict gerathen — und eine Menge neuer Fiexionsbildungen im Verbum, eine Menge neuer dem Latein entlehnter Worter im Sprachschatz, kurz eine vollige Umgiessung der alten Form, die fur den modernen luhalt nicht mehr ausreichte , sind das Resultat dieser jahrhundertlangen Collision gewesen. Endlich hat die neufranzosische Schriftsprache einen so vorwaltendeiij allein massgebenden und tiefeiudringenden Einfluss gevvon- nen, dass daneben die provinziellen Dialekte in ihrem ei- genen Lebenskreise mehr und mehr verkiimmert und einer 185 vvissenschaftlichen Betrachtung entfremdet sind. Erwah- nen liessen sich allenfalls darunter nur im Siiden des Lan- des die Trummer des in der Lit era tur ausgestorbenen, im Munde des Volks a!s franzosischer Provinzialdiaickt in grosser Vervvilderung fortlebenden Provenzalischen und im Norden, in den belgischen Proviuzen Liittich } Namur und Luxemburg das Wallonis cli e, das durch Alterthiim- liclikeiten der Lautlchre, der Flexion und namentlich des Sprachschatzes sich dem Altfranzosischen in manchen Stiicken bedeulend nahert Die bisher charaklerisirten fiinf Sprachen sind zugleich die einzigen, die in ihrer systematischen Ausbildung, in ihrer festen Abrundung und literarischen Fahigkeit, den sprach- lichen Gedanken des romanischeti Starnmes zu klarcr und ubersichtlicher Erscheinung bringen. Sie sind unterden Ab- legern, in denen der verdorrte lateinischc Sprachbaum weue Wurzel geschlagen hat, die einzigen, die, jeder fiir sich, zu vollkommenem Wuchs gediehen sind, die einzigen, deren physiologisches Studium einem hoheren vvissenschaftlichen Intcresse zu geniigen scheint. Einem ahiilichen, nicht bloss auf mikroskopische, thatsachliche Untersuchungen, sondern auf al'lgemcine leitende Grundsatze gerichteten Interesse versprechen so wohl die neben dieseu vollig ausgewachsenen Erzeugnissen des romanischen Bodens in iippiger Fiille der Diaickte aufwuchernden Gewachse niederer Ordnung eine geringere Ausbeute, als audi diejenigen, welche mehr ei- nem politischen oder geographischen. aussern Umstande als ihrer innern Begabung den Rang eine'r Sprache verdanken, den sie mit ziemlich zweifelhaften Rechten einnehmen. Ba- hin gehoren namentlich zwei romanische Sprachzweige, der daco romanische und der rha toro man isc'he, die in ihrer Verwilderung hier auf mehr als eine rein ausser- liche Notiznahme keinen Anspruch haben. 186 Walachisch. Das Walachische bildet eine romanische Sprachinsel mitten im nichtromanischen untern Donaulande. Die Donau bildet die siidliche und ostliche , es von den Bulgaren scheidende Grenze des Walachischen Sprachgebietes von Orsowa bis Galacz, weiter im Nordosten granzt es ans schwarze Meer, nordlich an Kleinrussland , westlich an das Land der Magyaren, die auch mehrere bedeutende Spracheiiansiedlungen mitten unter den Walachen haben, siidwestlich endlich an die Illyrier. Den lateinischen Stamm beurkundet schon der Name Roraeni, Romenia, den das Volk selbst sich und seinem Idiome beilegt, beurknnden fer- ner Lautlehre, Flexion und Worlschatz in unverkeuiibarem Maasse. Aber der Laut ist willkiirlich und regellos ent- stellt und getriibt, die Flexion weist viele Elemente auf, welche das Walachische von dem gemeinromanischen Ty- pus auffallend scheiden ; und in den Sprachschatz ist in Folge der walachischen Isolation und Losreissung v r on dcm stamm - haften Mittelpunkt eine solche Fluth unromanischer Wor- ter von alien Seiten eingedrungen, dass das romanische Element daruber, vielfach verkummert, nur in der Mino- ritat noch dem slawisirenden, magyarisirenden, tiirkisiren- den , gracisirenden und germanisirenden Andrange einen ohnmachtigcn Widerstand leistet. Die Spuren eines sol- chen, jedem Zufall in seiner Vervvilderung preisgegebenen Sprachgemisches naher zu verfolgen, ist die Aufgabe ei- nes speciell walachischen Grammatikers, liegt aber bei dem Mangel an gemeinromanischen Beruhrungspunkten der iibersichtlichen Betrachtung dieser Blatter fern. Rhatoromanisch. Aehnliche Beweggriinde ersparen uns auch eine naher eingehende Besprechung jenes vcrwahrlosten provenzalisch- 187 ilalienischen Patois, welchem diepolitische Selbststandigkeit des Graubundnerischen Schweizer Kantons unter dem Na- men Rhatoromanisch oder Churwalsch zwar zu dem Namen, aber nicht zu dem Wesen einer wirklichen Schrift- sprache hat verhelfen konnen. Deutscher Einfluss von ziernlich spatem Datum und eiuheimischer Mangel an Kul- tur haben mil vereinten Kraften diesem Dialekte, der in zwei Unterdialekte, den Rumonischen im Rheingebiete des Kantons, und den im Jnngebiete gesprochenen Ladi- n i s c h c ii zerfallt, iibel mitgespielt und ihm u. A. zwei vvesent- liche romanische Kennzeicheu, die Bildung des Futurum durch habere und das zum historischen Tempus verwandle Perfeetum geraubt. Das Futurum wird umschrieben mit venire ad amare, wie anch das Passiv mit venire gebildet wird: venio amatus. Vergleicht man damit das deutsche ^jich werde lieben, ich werde geliebt, so ergiebt sich leicht die Quelle dieses Hiilfszeitworts venire, Auch die unro- mauiscbe Vermischuiig des lat. Perfectes lasst sich fuglich deutschem Einflusse beimessen. EjettiscSi-slawiscSies Familieaipaar. Die beiden das lettisch-slawische Paar bildenden Fa- milien hat man audi als eine einzige Sprachfamilie be- trachtct, allein dann muss man unbedingt audi die beiden vorhergehenden Paare zu einer Familie vereinigen ; ob- glcich beide Familien unbeslritten sich sehr nahe beriihreu, so sind doch auch Differenzen vorhanden, die mir hinrei- chend zu sein scheinen urn das in Rede stehende Sprachge- biet unter zwei Familien zu vertheilen. Die lautliche Orga- nisation beider Familien ist zwar im Gauzen und Grossen dieselbe, die lexicalische und grammatische Uebereinstimm- ung beider ist meist schlagend dennoch diirfen aber so grosse Unterschiede nicht iibersehen werdeii, wie sic z. B. darin 188 liegen, dass das Littauische in Bezug auf Nominalbildung und Nominalflexion viel urspriinglicher ist als das Slawtachc (abgesehen davon, dass das Littauische Nomen subst. das Genus neutr. nicht bezeichnet) , letzteres in der Conju- gation vor dem Littauischen einen wenigstens eben so gros- sen Vorzug hat. Im Littauischen sind z. B. die 3ten Per- sonen des Sing. Dual und Plural nie unterschieden u. s. w. Die Ansicht als ob die lettischen Sprachen iusgesammt eine Mischung von Deutschem und Slawischera (germauo- slawisch) seien, beruht auf einer volligen Unkenntniss al- ler sprachlichen Verhaltnisse. Allerdings schliesst sich un- ser Familienpaar zunachst an die germanische Familie an, nicht nur durch den gemeinsamen Alleinbesitz zahlreicher Wurzeln, sondern audi durch Uebereinstiramung in gram- matischen Bildungen z. B. das Anfiigen eines pronominalen Zusatzes an die bestimmten Adjectiva u* a. Solche Ueber- einstimmungen betreffen aber ebensowohl das Slawische als das Littauische und weisen nicht im Entferntesten auf eine Vermischung mit Fremdem hin; von der L T nstatthaftig- keit des Begriffes Mischsprache iiberhaupt war oben schon die Rede. 5. Lettische Familie. Diese Familie enthalt vor Allem jene Sprache, welche nicht nur ihres akcrt hum lichen, wohl erhaltenen Baues wegen ohne Zweifel als die alteste des gauzes Paares an- gesehen werden muss, sondern welche unter den jetzt le- benden indogermanischen Sprachen iiberhaupt die alteste, fur' den Sprachforscher wichtigste ist, namlich das eigent- liche Littauisch*). oder das Preussisch-Littauische. Im *) Mieleke, Anfangsgruude einer littauischen Sprachlehre. Konigs- berg 1800. Desselben littauisch-deutsches und aui litt-deutsch- sches Worterbuch. Kdnigsb. 1800. 189 Verffleiche mit dcm Littauischen erscheinen die beiden andern Sprachen dieser Familie, das Preussische und das Lettische, besonders aber das Letztere als entschieden jiin- gere Idiomc. Das Littauische hat noch die im Indogerma- nischen urspriiugliche Siebenzahl der Casus und den Dualis ; unter den Casus mane he sogar in der altesten Form und dem Sanskrit geradezu gleichlautend (z. B. Nora. sing. vilkas skr. vrk a s, Loc. vilke skr. vrke Caus a-i), Instr. plur, vilkais skr. vrkais\ Nora. Sing, sunus skr. sunus, Gen. sunaus skr. sunos, aus sunaus u. s. w.)» Von den gewaltigen Lautveranderungen , denen die Sprachen dieses Paares fast sammtlich unter worfen sind und die zum grossten Theile ihre Ursache in dem Ein- tlusse haben , welchen die I-Iaute auf die vorhergehenden Consonanten ausiiben, hat sich das Littauische fast ganz- lich frei gehalten. Besonders fur das Studium der mit dem Littauischen zunachst vervvandten Sprachen, also fur das gesammte Slawische, ist das Littauische von der aussersten Wichtigkeit ; es ist gleichsam das Verbindungsglied zwi- schen den zahlreichen jiingeren Idiornen und den anderen indogermanischen Hauptsprachen, und miisste ihm in einer vergleichenden Bearbeitung, des betreffenden Sprachgebietes ohueZweifel dieselbe Stelle eingeraumt werden, wie z. B. bei einer vergleichenden grammatischenDarstellung dergermani- schen Sprachfamilie dera Gothischen, als der altesten^ noch am Wenigsten zersetzten und entstellten Sprache. Eine merkwiirdige Erscheinung bleibt es aber imrner, dass iiber-* haupt eine so alterthiimliche Sprache unter den jetzt ge- sprocheneu Sprachen sich vorfindet und nur die Abge- schiedenheit des littauischen Landvolks von aller geschicht- lichen Bewegung verrnag diess auffallende Factum zu er- klareii) wir werden audi unter dell Sprachen der germa- nischen Familie etvvas Entsprechendes linden, namlich das Islandische. Uebrigens kommt , wie sclvou bemerkt ; jene ho ho Alterthumlichkeit nicht dera ganzen grammatischen 190 Baue zu; wir erwahnten schon dass das Verbum hinter dem Nomeu zuriickstehe; es hat nicht nur die uralten Mit- tel der Beziehungsbezeichnung: Reduplication, Veran- derung des Wurzellautes ; Augment, vollig aufgegeben, son- dem auch in den Elexionsendungen manchen Verlust er- litten und eigenthiimliche Wege eingeschiagen. In den Participien und verwandten Formen zeigt es dagegen, wie fast in Allem was das Nomen betrifft, wieder mehr Ur- spriingliches. Das Passivum wird mit dem Zeitwort sein {esmi, essi , esti u. s. w.) umschrieben. Dagegen bildet die Sprache ein Medium (Reflexiv) durch Anhangen oder Vorsetzen von s, si (Pronom, person, der 3ten Person, wie im Slawischen fur alle Personen gebraucht) wie ja auch z. B. im Lateinischen das Medium durch Anhangen des- selben s (r) gebildet wird. Eine Litteratur besitzt diese Sprache eigeutlich nicht; ausser Volksliedern , die erst zum Theile gesammelt sind und einem langeren Gedichte in Hexametern iiber die Jahreszeiten von Donaleitis giebt es nur Uebersetzungen religioser Werke u. dgl. Ueber- diess geht diese herrliche Sprache mit schnellen Schritten ihrem volligen Erloschen entgegen. 3Iielcke begiunt die Vorrede zu seinem littauischen Worterbuche mit folgenden Worten, aus welchem man zugleich das Gebiet, auf wel- chem das Preussisch-Littauische lebt, ersehen kann : „die littauische Sprache wird innerhalb der Granzeu des alten Ostpreussens nur in dem Bezirk, welcher die ehemaligen fiinf Hauptamter, Nahmens Memel, Tilsit, Ragnit, Labiau und fnsterburg befasst, und in uenigen herum gelegenen Oe.rtern, von dem eingebornen gemeinen Mamie gesprocheu. In einigen Gegenden dieses Bezirks sind die alten Eiu- wohner sehr stark mit deutscheu Colonisten vermengt, in andern aber wohnen die Littauer noch fast alleiu, beson- ders im Memel'schen und in dem Landstrich an der ost- lichen Granze, wo man oftmals in zwanzig Dorfern hinter einander kaum Einen Deutschen findet. Zu dieseu Lit- 191 tauern im altcn Konigreich ist nun noch, durch die letzte Theilung von Polen eine sehr grosse Anzahl in demjeni- gen Theile von Ostpreussen, welcher ostlich an jeneu Be- zirk stosst, hinzugekommen. Die Anzahl aller littauischen Unterthanen in gunz Preussen, nach seinen jetzigen Gran- zen betrachtet, mag wohl iiber 200,000 betragen". Scha- farik*) rechnet in Russland und Preussen 1,438,000 Lit- tauer, von denen 1,282,000 auf Russland 156,000 auf Preussen fallen. Diese Angabe des slawischen Porschers bezieht sich auf das Jahr 1842. Wir haben keinen Grund weder der einen noch der andern Angabe zu mistrauen und miissen demnach schliessen, dass die Zahl der preussischen Littauer in der kurzen Periode von 42 Jahren fast urn den vierten Theil kleiner geworden ist. Nach brieflichen Mittheilungen aus Littauen ,,vergessen und corrumpiren die Littauer ihre Sprache von Jahr zu Jahr immer mehr, und schon bcklagen sich die Alten iiber die Jnngen, dass diese nicht mehr ordentlich sprechen. Was demnach fur die littauische Sprache uberhaupt noch geschehen soil muss jetzt geschehen**). Nach zwanzig bis dreissig Jahren wird es kaum mehr moglich sein". Das littauische Alphabet besteht aus den gewohnlichen deutschen oder lateinischen Buchstaben , die nach der im *) Slowansky narodopis pg. 113. **J Gliicklicherweise sind umfassende lexicalische Arbeiten iiber das Littauische bereits von kundigen GeJehrten in An griff genommen, Sauunlungen von Volksliedern, Mahrchen, Sprichvvdrtern etc. so wie eine wissenschaftliche Gramutatik werden ebenfalls nichfc fehlen. Wer das Littauische nur aus Mielcke kennt , so versi- chert man, werde staunen iiber den Reichtlium der Sprache der bis jetzt unbekannt war. — Der Vfr. hat schon langer den Ent- schluss gefasst, die littauische Sprache sich an Ort und Stelle anzueignen und einer grannnatischen Bearbeituug derselben so wie der lettisch-slawischen Sprachen uberhaupt seine nachste, viel- leicht seine ganze Zukunft zu widmen. 192 Polnischen gebrauchlichen Weise auch zum Ausdrucke der Laute verwendet wcrden, die in diesem Alphabete ur- sprunglich nicht enthalten sind. Das Littauischc zerfallt in mehrere Muudarten (die Mielckes Werken zu Grunde lie— gende ist die der Aemter Fnsterburg und Ragnit) von denen besonders die Scha m ai tis che, in dem an das littauisch- preussische Gebiet granzenden Theile des russischen Gou- vernements Wilna, urn so starker von der reinen alten lit- tauischen Form sich entfernt, je weiter ihr Gebiet vom Ge- biete dieser Sprache auch ortlich abliegt* ,,Es ist mit mancheu russischen und polnischen Wdrtern vermischt, ja die Declinationes und Conjugationes gehen auch nicht in alien Stiicken so wie unsere, und die Orthographie Weicht von der unsern ganz ab if *). Das Loos, welches der edlen Sprache der Littauer be- vorsteht, hat eine Schwestersprache vor ihr schon langst betroffen, namlich das Pr euss isc he**), meist Altpreus- sisch genanntf). Diese Sprache, deren Heimat das Kus- tenland ostlich von der Weichsel bis in die Nahe der Memel war, ist namentlich in Folge des harten Regiments des deutschen Ordens iiber jene Lande. dessen Hochmeis- ter oft mit der aussersten Grausamkeit gegen ihre nicht deutschen Untergebenen wutheteu, dem Untergange zuge- fiihrt wordein Obgleich Albrecht von Brandenburg, der letzte Hochmeister des genannten Ordens, weit davon ent- fernt war die friiheren Verfolgungen fortzusetzen , viel- mehr den Katechismus in die preussische Sprache iiber- setzen liess und so das einzige De.nkmal dieser Sprache stiftete, welches auf unsere Tage gekommeu ist, so war *) Mielcke Gram. p. 165. **) Nesselmann, die Sprache der alten Preusseu, Berlin 1845. f) Dis Wortchen alt scheint uns indess iiberfliissig, da keiue neu- preussische Sprache existirt, das Volk selbst seine Sprache auch stets nur preussisch schlechthiu nannte. 3 m doch durch das fruhere Misgeschick der Keim des Todes er- zeugt worden und die preussische Sprache starb gegcn das Ende des 17ten Jahrhunderts vollig aus. Nur aus der Uebersetzung des Katechismus kounen wir uiisere Kennt- niss der preussischen Sprache schopfen. Sie zeigt sich uns als cine lettische Sprache, vvenigcr alterthiimlich zvvar als das Littauische^ doch aber noch frei von den vielfachen Lautwechseln und Entstellungen des Lettischen. In ein- zelnen Formen ist sogar besonders Altes und Wichtiges erhalten. Beispielsweise erwahne ich die Form nevints der neunte, die einzige im Bereiche des lettoslawischen Sprach- kreises vorhandene Form dieses Zahlworts, die uns die Gewissheit verschafft, dass das in den andern lettoslawi- schen Sprachen anlautende d (litt. devyni, devinlas slaw. devet , devetii , ncuu, der neAinte) aus ursprunglichem n entstanden ist und so das Vermittlungsglied mit den For- men der ubrigen indogernianischen Sprachen abgiebt (skr. navattj, lat. novem u. s. w.). Die Zahl der Casus ist be- schrankter als im Littauischen, der Dual ist verloren und das Verbum scheint die der gesammten lettischen Fa- milie zukommende Eigenheit zu theilen ; dass die dritten Personen gleichlautend sind. L e t t i s c h*). Das Lettische ist die Volkssprache von Kurland und dem grosseren Theile von Livland, dessen Siiden und Siid- osten diesem Sprachgebiete angehort, bis jenseitsder Duna, ausserdem noch auf der kurischen Nehrung. Das Lettische verhalt sich ungefahr zum Littauischen wie das Italienische zum Latein. Das Lettische hat z. B. den Artikel, welcher dem Littauischen noch fremd ist U, s. w., es ist abge- schwachter in seinen grammatischen Formen und hat dem *) S tender, lettische Grammatik, 2te Aufl. Mitau 1783. Rosen- be r g e r Formenlehre der lettischen Sprache, Mitau 1830. S t e n- der, lettisches Lexicon, Mitau 1789. 13 193 Einflusse der Lautgesetze Thur und Thor geoffnet. Diese zeigen sich in der grossten Uebereinstimmung mit denen des verwandten und benachbarten Slawischen. Das Lettische bedient sich iibrigens zu seiner Schrift nicht des slawischen sondern des deutschen Alphabets, dessen Dehnungs-H es so- gar aufgenommen hat. Die diesem Alphabete freradeu Laute der lettischen Sprache werdeu durch diakritische Zeichen an dem nachstverwandten Lautzeichen des deutschen Al- phabets ausgedruckt. Die Lautgesetze, durch welche es sich vora Littauischen unterscheidet, lasseu sich leicht er- mitteln, da die Masse des Sprachguts beiden Sprachen ge- meinsam ist. Das Lettische hat mehr freraden (deutschen, russischen) Wortern Eingang verstattet als das Littauische, indessen ist ihre Zahl immerhin unerheblich. Auch hier weichen einzelne Dialecte, unter welchen der polnisch-lief- landische nach Stender sogar in Druckschriften religiosen Inhalts zur Anwendung gekommen ist, von der Reinheit des durch Bibeliibersetzung u. s. w. ausgebildeten Letti- schen ab. „Der beste und reinste Dialect in der' lettischen Sprache ist theils der Semgallische um Mitau und Bausske herum, theils derKurlandische im Doblemschen, Tuckumschen, Zabelnschen und Frauenbergischen, theils der Lieflandische um Riga, Wenden und YVolmar" *). Nach diesem rein- sten Dialecte ist die Bibel iibersetzt und Stenders sowohl als Rosenbergers Gramrnatik eingerichtet. Obgleich in let- tischer Sprache ziemlich viel gedruckt ist, so fehlt doch eine Nationallitteratur im eigentlichen Sinne des Wortes. Stender theilt in seiner Grammatik eine Sammlung von Sprichwortern, Volksrathseln so wie Fragmente „von ihren einfaltigen Liedern" mit; letztere verdieuten ihres hohen poetischeu Werthes und mythologischer Reminiscenzen we- gen gesammelt zu werden, ehe sie etwa, wie Stender er- wartet, durch „die neuen Arien , die ich (Stender) dieser Nation zu Liebe verfertiget u verdrangt werden. *) Stenders Gram. p. 207. 194 6. S 1 a \v i s c h e F a m i 1 i e *). Das Slawische erfreut sich unter alien europai- schen Sprachfamilien der grossteu raumlichen Ausbreitung. Von den Ufern der Dwina im Osten, bis beinahe ans Erzgebirge und in friiheren Jabrhunderteii noch vie! wai- ter nach Westen, von den Gestaden des nordlichen Eis- meeres bis an die des schwarzen nnd des adriatischen Mee- res und des Archipels erstreckt sich das zusammenhangende Gebiet der slawischen Sprachen. Als Sprache des im Nor- den Europas und Asiens fast ausschliesslich herrschenden Volks ist es sporadisch durch den ganzen Norden Asiens bis nach Amerika hin verbreitet. Der Name, unter welchem diese weit ausgebreiteten aber eng verschwisterten Idiome zusammengefasst werden, hat seinen Ursprung in einer im Bereiche der indogermani- schen Sprachen und besonders auch in dem specielleren der slawischen heimischen und vielfach verzweigten Wurzel : skr. fru, griech. y.Xv, Qxlvto), lett. klu Qitt. klausau gehor- che, aber klausytojis ein Zjuhorer, prisiklausau hore zu, gebe acht; lett. klau&iht horen ; gehorchen u. s. w.)j im goth. kliuma (kliusma) Gehor, dem althochdeutschen hlosen, dem allemanischen losen, (horen) ist dieselbe Wurzel erkennbar ; slawisch slu , in vielfacher Stammbildung und in vcrs<;hie- denen Modificationen der Bedeutung zu Grunde liegend 1. in #) Schafarik, Geschichte der slawischen Sprache und Litteratuf nach alien Mundarten. Ofen 1830. Desselben slawische Alter- thiimer betreffen mehr die Geschichte der Slawen, als ihre Sprache, von welcher dagegen in der leider noch nicht ins Deutsche Ciber- tragenen slawischen Ethnographie desselben grossen Gelehrten ganz vorzuglich gehandelt wird. Diese fiihrt den Titel : Slowansky narodopis. Sestawil P. J. Safarik. S mappau. Tretivyd.w Praze 1849. 1st in der folgenden Darstellung v. Vfr. haupt- sachlich benutzt worden. 195 der Grundbedeulung horen z.B. kirchenslawisch falfslawisch) slysza*), ich hore; shich" Geriicht, russ. s\yszat\ s\uszat' ; s\uch" Gehor, Geriicht, bohm. slyleti , po - slouch - ati, poln. s\uchac , s\yszic u. s. w. und der mit der Bedeu- tung horen verwandten, und in vielen Sprachen durch das- selbe Wort ausgedriickten des Gehorchens: ksl. s\uga Diener, s]uzba Dienst und ebenso in den neueren Idiomen z. B. bohm. s\uha Diener, slouziti dienen u. s. w. 2. horen auf Etwas, d. i. sich nennen lassen, genannt werden, heis- sen: russ. s\yt , bohm. slouti , QslujuJ , s\ovo Wort (alien Dialecten, nebst vielen Derivaten, gemeinsam), davon poln. slotvit' , (reden verkiinden, wie das skr. caussat. crdvajumi). 3. bene audire d. i. beriihmt sein; s\ava Caller Dialecte) Ruhm, Ehre, Preis, mit zahlreichen Derivaten. In verschiedeneu Ableitungsformen liegt diese Wurzel sovvohl dem die ganze Familie umfasssenden Namen, als auch den Benennungen mehrerer Theile derselben zu Grunde: russ. sXavjanin, sla- vjanskij, bohmisch slovan, slovansky ; polnisch sXowianin, sXowianski Slawe, slawisch ; Slovak (wie Prusdk, Preusse, mit der oft eine Art von Geringschatzung ausdriickenden Endunff -dk wahrend -an diesen Sinn nicht hat z. B. Pru- san ebenfalls Preusse, wie Slovan Slave), slovensky Slo- wake, slowakisch; Slovenec mit der sehr haufigen Endung -ec (urspriinglich Diminutivendung), Slowene. In diesen Wortern kann die erste Bedeutung der Wurzel, horen, gehorchen,, nicht zu Grunde iiegen, wohl aber die zweite oder dritte. Beide Ableitungen haben auch schon ihre Ver- theidiger gefunden und wahrend die Einen die Slawen zu Redenden (v. slovo) machten, im Gegensatze zu den ihrer Sprache unkundigen und daher stummen Nachbarn (nemec *) Das nicht cursive 1 "bezeichnet das gutturale, in der polnischen Schrift durch einen Strich bezeichnete I. Die slavvischen Worter sind, bohmische ausgenommen, nach poloischer Schreibweise mit- getheilt. 196 Deutscher; riemy stumm), erklarten Andere den Namen Slawe aus slava, also: Ruhmvolle. Beide Etymologiecn lassen sich horen J der Vocal der ersten Sylbe, der allein die beiden Stamme s\ovo und s\ava sondert, vvechselt in der einheimischen Benennung des Slawen ebenso wie im poe- tischen Namen der Nachtigall, bohmisch slavik, polnisch slowik, russ. solowej, bei dem sich dieselbe Frage wieder- holt : es ist der ruhmvolle oder der ausdrucksvoll singende, gleichsam redende V T ogel ? Obschon die meisten Formen des Slawennamens daS o haben, so zeigt doch gerade die Parallele slavik und s\owik die gleiche Berechtigung beider Formen. Hat man bei beiden Worten je nach dem ver- schiedenen Vocal an eine verschiedene Herleitung von Form und Bedeutung zu denken , oder darf man nicht vielmehr annehmen, dass in SXovan, Slavjan; slavik s\owik beide Bedeutungen des vernehmlichen Ausdrucks und des Preis- wiirdigen in einer gemeinsamen hoheren vereinigt sind? Ich wage nicht zu entscheiden, bin jedoch zur ietzteren Ansicht mehr geneigt. Sammtliche slawische Sprachen — vielleicht das heu- tige, sehr entstellte Bulgarische ausgenommen — slehen zu einander in einem viel naheren Verhaltnisse als etwa die zur germanischen Familie gehorigen Sprachen: Englisch, Nordisch, Deutsch. Es ist wahiydass ein volliges Verstand- niss selbst zwischen ganz nah verschwisterten Idiomen, wie z. B. Bohmisch und Polnisch nicht stattfindet, diess liegt schon im Begriffe der Verschiedcnheit , aber es ist eben so factisch vvahr, dass man sich mit einer slawischen Sprache durch das ganze Gebiet leidlich forthelfen kann. Selbst solche deutsche Dialecte, die sich der gemeinsamen deutschenSchriftsprache bedienen,\vie z. B. das Plattdeutsche in Holstein und das Schweizerdeutsch sind in vieler Be- ziehung abweichender von einander, als z. Bohmisch, Pol- nisch, Lausitzisch u. s. w. Desswegen ware der Gebrauch 197 eiues Dialects als der alleinigen Schrift- und hohereu Uin- gangssprache aller Slawea an sich wohl denkbar , weun man auch die practische Einfuhrung desselben fur so{ gut als uumoglich halten mag. Die slawische Sprache keuuen wir [nun verhaltniss- massig erst aus neuerer Zeit, und in einer von ihrer vor- auszusetzenden, alteren Form gewiss schon bedeuteud ab- weicheuden Entwickelungsphase. Selbst das Kirchenslawische, das wir doch aus Handschriften aus der Mitte des llten Jahrhundcrts genau zu kennen im Stande sind, zeigt einen bei Weitem vveniger bedeutenden Abstaud von den jiinge- ren Schwestersprachen als man diess vorauszusetzen ge- neigt sein mochte, eben weil die Hauptriickungen in laut- licher Beziehung schon viel friiher stattgefunden haben miissen, die Sprache also spater nicht mehr so bedeutenden Veranderungen ausgesetzt war. Wir machten diesclbe Beob- achtuns: in Bezugr auf das Verhaltniss des Altoriechischen zum Neuoriechischen. Jene Veranderungen. denen die slawische Sprache im Laufe der Zeiten erlag, sind nun hauptsachlich durch den Einfluss hervorgerufen, den die Vocale (auch die schon halbverfliichtigten, eigeutlich schon ausgestosse- neu und abgefalleuen) zumal aber die I- und J- laute auf die vorhergehenden Cousonanten ausiiben. Durch solehen Ein- fluss sanken viele urspriingliche Stummlaute zu Sibilanten und Assibilaten herab, und so entstand jene Fiille von Zischlauten^ die dem Klange der gesammten Sprache eine eigenthumliehe Farbung giebt. In manchen Dialecten findet dieser Process in einem besonders ausgedehnten Grade statt. Iudess setzt die gewohnliche Vorstellung der Nicht- slawen bei den slawischeu Sprachen eine grosse Consonan- teuharte mit Unrecht voraus; die Anhaufung von Conso- nanteu halt sich in alien slawischen Sprachen in gewissen Granzen und der Keichthum an volleu Vocalen ersetzt et- waige consonantische Harteu reichlich. Jenes Vorurtheil ist hauptsachlich durch die polnische Schreibweise genahrt , 198 worden, in welcher haufig zwei Consonanten cinen cin- fachcn Laut ausdriickeu , indessen ist nicht zu leugnen, dass auch gerade die polnische Sprache die meisten Zisch- laute besitzt. In grammatischer Beziehung stehen die slawischen Dialecte im Allgemeinen fiber dem neueren Roraanisch und Germanisch, sie sind viel reicher an grammatischen For- men nnd stehen den syiithetischen Sprachen weit naher. Bei verschiedenen slawischen Sprachen zeigt sich diess in verschiedenem Grade. Das Slawische hat noch keinen Artikel beim Noraen und in den meisten Fallen auch kein personliches Pronomen neben dem Verbum. Durch die Fulle der Flexionsformen (es hat das Slawische , wie das Littauische, sieben Casusendungen bewahrt ) wird die Wortstellung freier und Prapositionen werdcn gespart. Es hat wie das Littauische und Deutsche eine doppelte Form fur das Adjective eine bestimmte und eine uubestimrate, erstere mit den Demonstrativpronomen zusammengesetzt (z. B. bohmisch zdravy clovek der gesunde Mensch, aber: clovek jest zdrdv der Mensch ist gesund). Das Substantiv hat die drei Genera, jedoeh wird Femininum und Neutrum namentlich in den Pluralformen leicht vermengt; das un~ belebte Masculinum dagegen wird von dem belebten dadurch hauptsachlich unterschieden, dass fir das belebte statt der Accusativendung die' Genitivendung gebraucht wird. Eine besondere Eigenthumlichkeit zeigt sich aber im Slawischen in der Conjugation, die iibrigens namentlich in den neueren Idiomen imr wenig einfache Zeiten erhalten hat ; und zum Gebrauche des Participiums haufig ihre Zuflucht nimmt. Zeitworter namlich , die eine momentane Handlung be- zeichnen — und diesen Sinn haben nach slawischer Auf- fassungsweise alie mit Prapositionen zusammengesetzte Zeitw r 6rter, bei denen nicht durch eine Ableitungsform die Beziehung modificirt wird — haben kein Prasens der Bedeu- tUBff uacbt sondern die Prasensform wird bei ihuen im Sinne 199 des Futurums gebraucht; diess ist eine Fcinheit dor Auf- fassung, denn etwas wirklich Moraentanes kann in der That iiie gegeuwartig seiu , der Moment ist wie eiu mathemati- scher Punkt ohne alle Ausdehnung und kann nur als bereits geschehen oder als zukiinftig gedacht vvcrden. Da die Zcitworter reich an Ableitungsformen (Caussativen, Itera- tiven u. s. w. Zusammensetzung mit Prapositionen) sind, so findet der Nichtslawe so lange bedeuteude Schwierig- keit im Gebrauche einer slavvischen Sprache, bis er sich dieseu feinen Unterschied der perfectiven (moroentanenl Formen nnd der durativen zu eigen gemacht hat; z. B. bdhra. nireti sterben, durativ: Jan mre dlouhou chicili Jo- hann stirbt aus (Instrumental) langer Wcile; aber von timfeti (gleichsam: ersterben) kann ich kein Prasens bilden. Jan umle heisst J. wird sterben. Soil von einem solchen mit einer Proposition zusammengesetzten Stammzeitworte ein Prasens gebildet werden, so wird (echt flexivisch) der Stamm des Zeitwortes erweitert: Jan umbra Jan erstirbt. Von diesen durativen Zeitwortern wird das Futurum mit budu, budes (ich werde sein) umschrieben: budu umirali ich werde ersterben. Eben so sind die Praterita beider Arten von Verba strenge gesoudert, die der momentanen sind wahre Perfecta, die der Durativen drucken eine Dauer in der Vergangenheit aus — Imperfecta z. B. on sil*J, kdi/% jsetn k iiemu prisel er nahete (durativ) als ich zu ihm kam, aber perfectiv: on usil kabdt, pak mi ho poslal er nahete den Rock (namlich fertig, zu Eude), daiin schickte er ihn mir. Die verschiedeneu Formen dieneu oft dazu #) Dieses ausserordentlich haufige und alien Dialecten gemeinsame partic. prater, activ. auf / kann man ebenfalls mit Recht als eine Eigenthuimichkeit der slawischen Sprache anseheu, durch die sie — wie auch durch die andern oben angefiihrten Eigenheiten — selbst von ihrer Zwillingsschwester^ der Littauischen sich scharl absetzt. Naheres iiber diess selfsame Participium im Anhange. 200 die Bedeutung genauer zu bestimmen diess als in unse- ren Spracheii moglich ist, z. B. ten pan nese kabdt dieser Heir tragt einen Rock, namlich einmal, und diess wird ge- sagt, wenn er ihn auf dem Arme tragt, bringt; ten pan nosi kabdt, d. H. tragt einen Rock, dauernd tragt er ihn, er ist mit ihm bekleidet j ten pan nosiivd kabdt, er tragt einen Rock, namlich er pflegt ihn oft zu tragen, er ist oft rait ihm bekleidet ; also drei verschiedene Ausdriicke fiir unser mehrerer Beziehungen fahiges: er tragt. Zu diesem echt flexivischen und alterthiimlichen Formenreichthum ge- sellt sich noch, oder es folgt vielmehr aus ihm, eine grosse Durchsichtigkeit des grammatischcn Baues ; aus jeder Wur- zel erwachst ein weitverzweigter Stammbaum von Ablei- tungsformen, die klar als solche erkennbar sind und deren jede eine bestimmte Beziehung ausdriickt. Frisch ist noch das Leben im Slawischen, im Vergleich mit unseren abge- lebten Sprachen und diese Fahigkeit, Ableitungen aller Art zu bilden Cdas Nomen ist uicht minder lebenskraftig), ersetzt den Mangel, wclcher der Sprache daraus erwachst, dass sie in der Zusammensetzung viel mehr gehcmmt ist, als namentlich Deutsch und Griechisch. Sammtliche slawische Dialecte zerfallen nun zunachst in die sudosllichen und die westlichen. Diese beiden Ab- theilungen sind durch einen bestimmten, unverkennbaren Typus gesondert, der sich indess schwer auf bestimmte Lautgesetze reduciren lasst, denn die Zahl der Laulgesetze, welche wirklich ausnahmslos nur der einen oder der andern Ab'heilung und wiederum dem ganzen Gebiete derselben eigen sind, ist zu gering, als dass sie allein jenen Typus her- vorbringen konnten, den man doch entschieden wahrnimmt. Diese unterscheidenden Lautgesetze sind nach Schafarik*) 1, d wird vor / in den westlichen Sprachen eingeschaltet 5 in den sudostlichen nicht: sa\o , sad\o (Schmeer); my\o, Slov. narodop. 3ti vyd. str. 8 a 74. 201 myd\o (Seife) ; kadi\o, bohm. kadidlo poln. kadzidXo (Weih- rauch) moliti sja, modliti se (beten). 2, d and;/ vor / und n fallen in den ostlichen Sprachen aus, behalten aber^in den westlicheu ihre Stelle : ja\ , jad\ (ass) pa\ , pad\ Cfiel) vjanu, vadnu (welke) svenu, svelnu, svitnu (werde hell). 3, Die Labialen v, b, p, m nehmen, wenu ihnen eiu j oder ein demy gleichwirkenderLaut folgt, im siidostlichen Slawisch ein / nach sich an, nicht aber im westlichen : zemlja, zeme, zemja (Erde); toplen , topen (gewarmt, geheizt); korabl, korab (Schiff) ; zeravl f zerab (Kranich). 4, Im siidostlichen Slawisch sagt man motriti (m im Anlaute) und so in den Derivaten smotriti, smotreli, smatrati, in den westlichen da- gegen paCrili, patrzyc (sehen, betrachten) u. s. w. (mit p im Anlaute). Wie gesagt, geben diese Kennzeichen jedoch nur die ausseren in bestimmte Gesetze zu fassenden Merk- male an , wahrend der ganze Habitus der Sprache jeuen Gegensatz ausdriickt. Unter diese zwei Abtheilungen ver- theiien sich die slawischen Sprachen in folgender Weise : a, sudostliche Sprachen* Russisch. Bulgarisch (mit dem Altbulgarischen, Kir- chenslawischen), Illyrisch (Serbisch, Kroatisch, Slovenisch). ft westliche Sprachen. Lechisch (Polnisch), Tschechisch (Bohmisch), Sorbisch in der Lausitz, Polabisch (ausgestorben). Sehr storend aufden naheren Anschluss der slawischen Dialecte aneinander wirkt besonders die Verschiedenheit der Alphabete ein, dcren man sich in den verschiedenen slawischen Landern bedient, wahrend eiu einziges Alpha- bet sehr wohl die Laute aller Sprachen auszudrucken im Stande ware. Im Allgemeinen kann man sagen, dass die Slawen vom griechischen Ritus sich der cyrillischen Schrift, die von lateinischen Hitus und die protestantischen sich der aus den lateinischen (oder deutschen) Buchstaben gebildeten Alphabete bedienen. Das cyrillische Alphabet ist auf das 20£ Griechische gebaut, als Ertinder desselben nennt man den Slawenapostcl Cyrill, es wird in seiner urspriinglichen Form fur das Kirchenslawische bis auf diesen Tag- gcbraucht, auch bedienen sich die Ruthenen in Galizien desselben; das russische und ein vom russischen bloss durch einige zugesetzle Zeichen unterschiedenes, namentlich in neuerer Zeit gebrauchtes, serbisches Alphabet sind aus der Cyrillitza durch Abschleifung ihrer etwas eckigen Formen entstanden. Die iibrigen Slawen machen sich, fiir jede Sprache auf eine eigeneManier, das gewohnliche europaische Alphabet mund- recht, und so eutsteht eine bunte Musterkartc von polni- scher, bohmischer, lausitzischer, kroatischer, illyrischer, karntnischer u. s. w. Schreibart. Neueren Bestrebunffen geliugt es vielleicht in dieser Vcrwirrung etwas aufzurau- men und die Zahl dieser Alphabete zur grossen Bequem- lichkeit der In- und Auslander zu reduciren. Ein an (tares fiir das Kirchenslawische von den katho- lischen Siidslawen gebrauchtes Alphabet ist das sogen» glagolitische, auch hieronymisch genannt, weil dem Hiero- nymus die Erfindung desselben zugeschrieben wurde. Do- browsky setzte aber die Erfindung dieses Alphabets bis in das dreizehute Jahrhundert heruuter und nahm an, es sei in der Absicht ausgesonnen worden , um die unlersagte cyrillische Liturgie in diesem veranderten Gewande w T ieder einzufiihren, Kopitar behauptete dagegen, das glagolitische Alphabet sei alter als das cyrillische, fiir welche Ansicht ihm namentlich ein^ nach seinem Urtheile mit den altesten cyrillischen Handschriften wenigstens gleichalteriger Codex (Codex clozianus) den Beweis licferte. Ob der alte Streit iiber diess Alphabet unter den slawischen Gelehrten noch fortgefiihrt wird^ und auf welcher Seite wohl das Recht zu suchen sei, muss ich dahin gestellt sein lassen. Die Sprache selbst betrifft dieser Punkt keineswegs. Das gla- golitische Alphabet ist mit unnothigen Schnorkeleien iiber- laden; der Anblick desselben und die Vergleichung mit 203 dem cyrillischen und griechischen Alphabete ruft unwill- kiihrlich eine der Dobrowskyschen ahnliche Vermuthung hervor, da einige Zeichen ciner absichtlichen Verzerrung der entsprechenden griechischen oder cyrillischen sehr aim- lich sehen. (*, siidostliches Slawisch. R u s s i s c h*.) In ungeheuerer Ausdehnung ist das Russische die Sprache fast des ganzen europaischen Russlands nnd noch weit iiber dessen Granzen hinaus erstreckt sie sichsporadisch durch das russische Nordasien, wahrend sie in zusammen- hangender Masse im Siiden die bisherige politische Granze Russlands uberschreitet und sich iiber das gauze ostiiche Galizien und iiber dessen Granzen hinaus ins nordostliche Ungarn hinein erstreckt. Die tatarischen und finnischen Vol- ker der Uralgegend sind vielfach von Russen durchsetzt, ein schmaler zusammcnhaiigender Streif russischer Be- volkerung zieht sich ferner an der Wolga zwischen Ta- taren und Kalmiiken bis ans kaspische Meer, und an des- sen Westrand herunter und parallel mit dem Kaukasus an dessen JVordrand hin, die kaukasischen Volker von den nogaischen Tatareii trenuend bis zur Wiedervereinigung mit dem grossen Ganzen am asowschen Meere* Die *) Ausser der in russischer Sprache geschriebenen Gramuiatik von Wostokow nenne ich von den brauchbaren Sprachlehren hier nur Grretsch, grammaire russe, precedee d'une introduction tra- duite du Russe par Reiff. 2 Bde. Petersb. 1828. Puchmayer Lehrgebaude der russ. Sprache nach Dobrowskys Systeme, Prag 1820. Vaters Gramm. 2te Ausg. Leipz. 1808. Reiff, dic- tionuaire etyinologique de la langue Russe Petersb. 1835, ausser- dem YYorterbi'icher von Schmidt, Leipz. 1831, H ey m, Leip- zig 1835. Lehrbucher ohne Accentekann der Anfanger nicht mit Vortheil gebrauchen. Granzen des russischen Sprachgebietes werden im Norden Osten und Siiden durch die Meere oder die friiher be- sprochenen (atarischen Volker gebildet , im Siiden granzt es an die Walachen und weiter nach Westen auch an die Magyaren. Von dem polnischen Sprachgebiete wird das russische ungefahr durch die politischen Granzen des K6- nigreichs gesondert. Die russische Sprache ist eine der vvohlklingendsten Slawinen. Sie liebt es durch vocalische Einschiebungen consonantische Harten zu mildem* Von den Vorziigen ihrer Schwestern entbehrt sie nur den ; das Zeitwort durch- aus ohne die Begleitung des personlichen Pronomen setzen zu konnen. In den meisten Fallen muss dieses Pronomen hinzutreten, eine bedeutende Annaherung an den analyti- schen Sprachbau* Das Russische zerfallt in drei Dialecte, den grossrussischen, kleinrussischen und weissrussichen, jeder derselben wieder in Mundarten. Alle diese Dialecte verbindet eine Schriftsprache, der Moskowitische Dialect, eine besondere Art des grossrussischen. Nach diescm Dia- lecte lehren auch die Grammatiken die Aussprache des Russischen, die sich hier und da von der Schrift entfernt, namentlich fiir den Nichtrussen ein Uebelstand, von wel- chem sich andere slawische Dialecte Cz. B. Bohmisch, Pol- nisch) frei gehalten haben. Der Wortacccnt ist im Rus- sischen an keine bestimmte Stelle gebunden wie etwa im Polnischen und Bdhmischen, er ist sehr frei ; die Sprache ist vorherrschend accentuireud, nicht mehr quantitirend* Der grossrussische Dialect wird ungefahr durch eine Linie vom Peipus See nach der Mundung des Don ins Asowsche Meer von den iibrigen russischen Dialecten geson- dert. A!s Mundart dieses Dialects macht sich vorziiglich die Nowogroder geltend, den nordwestlichsten Theil des Gebietes des grossrussischen Dialects umfassend. Der kleinrussische Dialect umfasst den siidlichen Tbeil des russischen Sprach- feldes von Galizien an und im Osten die oben an£re- 205 gebene Granzlinie des grossrussischen Dialects im Norderi des asowschen Meeres noch iiberschreitend. Diese Mund- art weicht von der grossrussischen ziemlich stark ab und nahert sich in Manchem den Sprachen der westlichen Abtheilung. Die Rusniaken oder Ruthenen in Galizien Nordungarn und Bukowina sprechen eine Varietat des kleiurussischen Dialects. Der weissrussische Dialect hat das kleinste Gebiet. Er ist ist in ganz Littauen (den Statt- halterschaften Wilna, Grodno und Bielostokj und einera Theile von Weissrussland (in den GouvernementsMohilew, Witebsk, Minsk u. a.) bis sudlich vom Flusse Pripet, herrschcnd. Er theilt manche Eigenthumlichkeilen mit dera Vorigen. »Diese Mundart ist neuer als die ubrigen, und fing an sich vorzuglich seit der Vereinigung Littauens mit Polen zu bildcn; daher denn auch die vieleu Polonisroen in derselbenct *). Bulgaris cb. »Zur Bluthezeit des alten bulgarischen Reiches vor der Ankunft der Magyaren, Plawzer und Petschencgen in Sie- benburgen und Pannonien herrschte eine und dieselbe sla- wische Sprache in alien zu diesem Reiche gehorigen Staaten, namlich ausser dem Suddonaugebiete/ in vvelchcm sie noch fortdauert, auch in den jetzt von den Magyaren und Wa- lachen bevolkerten nordlichen Donaulandern, namentlich in der WaJachei, in Siebenbiirgen und im heutigen Ungarn, von der Donau, iiber Pest und Jager und daruber hinaus bis zu den Karpathen und den Karpathen entlang bis zu den Quellen der Theiss. Diese Sprache, nach den Denk- malern derselben, die in der Uebersetzung der heil. Schrift und in den gottesdienstlichen Biichern der Slavven erhalten sind, zu urtheilen , war mit dem heutigen freilich iiberaus verderbten bulgarischen Dialecte durchaus gleichartig, und *) Schafarik Gesch, der slaw. Litt. pg. 141. 1 20fc desshalb fassen wir sie hier mit derselben unter gemein- samer Ueberschrift zusammcii. Nach der Ueberschwemmung der Norddonaulandcr durch die erwahnten Fremdlinge blieb jedoeh die bulgarische Sprache in den Landern siidostlich der Donau, wo sie noch jetzt im Munde der slawischen Bevolkerung herrscht" *). Die Nordgranze dieses heutigen Gebietes der bulgarischen Sprache bildet die Donau^ nur am Ausflusse derselben, dem westlichen Ufer des Pruths entlang iiberschreitet das Bulgarische die natiirliche Granze; das Meer, an das jedoch nur im nordlichen Theile des Sprachgebiets die Bulgaren unmittelbar heranreichen, wah- rend sie im siidlicheren meist durch eine griechische Kii- stenbevolkerung von demselben getrennt sind> bildet die Granze nach Osten und Siidosten, die Siidgranze wird un- gefahr durch eine Linie von Salonik nach Ochrida bezeich- net und die Westgranze durch eine Linie von hier nach Widdin an der Donau. Durch das ganze Sprachgebiet hiu- durch finden sich kleine tiirkische Kolonieen verstrcut, Ueber die Heimat der kirc hen slawischen Sprache**) #) Schafarik, slov. narodopis. *♦) Ausnahmsweise mogen hier die nothwendigsten Studienmittel auch bei einer nicht mehr lebenden Sprache Platz finden. Dobrowsky, Institutiones linguae Slavicae dialecti veteris. Wien 1822. 1st fur den Anfanger nicht brauchbar, da Dobrowsky, nach spateren Codices manche gesonderte Laute unter ein Zeichen bringt und wichtige Zeichen fur verhallende Vocale ganz auslasst. Die or- ganische Orthographie findet sich dagegen bei: Kopitar, 61a- golita Cloziauus, id est codicis glagolitici inter suos facile anti- quissimi Istyavov foliorum XII membraneorum, servatum in bibliotheca comitis Paridis CJoz. Ausgabe des Codex in cyrillischer Schrift, mit Einleitung, Glossar und kurzer Gramm. des Kirchen- slawischen. — Wos tok o w Ausgabe des ostroinirischen Evange- liums mit Grammatik und Glossar in russischer Sprache. Petersb. 1843. —Miklo sich, Radices linguae Slovenicae veteris dialecti. Lips. 1845. — eiusd. Chrvsostomi homilia, Vindob. 1855. — eiusd. Vitae Sanctorum, Vindob. 1847. beide mit Glossar. — eiusd. Lexi- con linguae slovenicae veteris dialecti, Vindob. 1850. 207 ist von jeher vie! gestritten worden. Ganzlicb abgethan ist die Ansicht, als ware sie ein alien slawischen Sprachen (etwa wie das Latein dem Romanischen) zu Grunde lie— gendes und aus der Zeit vor der Trennung der slawischen Sprache in Dialecte stammendes Idiom. Historische Grunde scheinen darauf hinzuweisen (obgleich ausdrucklicheZeug- uisse mangeln), dass das Kirchenslawische Cmc'St altsla- wisch genannt), die Sprache, deren sich die Slawenapostel Cyrill und Methodius in Lehre und Schrift bedienten, eben das Altbulgarische sei; Kopitar dagegen vindicirte das Kir- chenslawische den Slawen Pannoniens oder den Karantanern. Aus der Sprache selbst ist diese Frage nicht so leicht zu entscheiden , als man versucht ist anzunehmen, denn er» stens kommt hier die grosse Veranderung in Betracht, welche jene Sprachen, mit welchen das Kirchenslawische zu vergleichen ist, im Laufe der Jahrhunderte crfahreu haben , und dann ist die Verschiedenheit zwischen den ostlichen (Bulgarisch) und westlichen (Carantanisch) siid- slawischen Dialecten, so weit sie in constante Lautgesetze gefasst werden kann, nicht so bedeutend, wenn gleich heute zu Tage beide Sprachen ein total verschiedenes Ansehen zeigen. Schafarik jedoch, und dieser Name fallt schwer in die Wagschale, halt das Kirchenslawische fur altbulga- risch. Ohne weiter in die von den genannten Gelehrten fur und wider beigebrachten Grunde hier einzugehen, moge es geniigen die Lautgesetze mitzutheilen, wie sie Schafa- rik als charakteristische Kennzeichen des Bulgarischen in seiner slawischen Ethnographie aufstellt; 1, eingcschobenes s vor erweichtem (d. i. durch i oder j afficirten) / oder anstatt der Erweichung desselben : noszt (Nacht) , maszla (betrube, aus notj, matja) 2, eingeschobenes £ (franz. /,) vor erweichtem d oder statt Erweichung desselben: mezda (Granze, medja) rozda (fiir rodja erzeugen). 3, Geuitiv der Adjectiva auf -ago, dobrago (des guten). Dieser Genitiv fin- del sich im Neubulgarischen, nachdem dieses die Declination 209 eingebiisst, nur noch in Sprichwortcrn und Schriften als Archaismus. 4, der Gebrauch der personlichen Pronomina mi, ti, si anstatt der zueignendeu tnoj , tvoj , svoi z. B. carslvo mi, mein Reich , so wie die Verbindung des zu- eignendeu svoj mit dem personlichen jemu und si z. B. v svojem jemu grade in seiner (ihm) Burg. Das Kirchenslawische ist demnach heute zu Tage keine Volkssprache mehr, es besteht noch fort als Sprache der Bibeliibersetzung und der gottesdienstlichen Biicher bei den Siawen des griechischen Ritus: Russen, Bulgaren und Serben. 1m ganzen Mittelalter ubte es einen bedeu- tenden Einfluss auf den Stil der Schriftsteller und so mit- telbar auch auf die Sprache der genannten V T 6lker iiber- haupt aus. Es steht auch heute zu Tage noch zwischen lebenden und ausgestorbeuen Sprachen gleichsam in der Mitte. Beim Studium dieser Sprache ist es vor Allem erfor- derlich auf die altesten Handschriften zuriickzugehen. Diese sind aus dem llten Jahrhundert. Zu ihnen gehort auch, nach der jedoch nicht allgemein angenomraenen Ansicht, der iu cyrillischer Schrift geschriebene Theil des beruhmten 5?texte du sacre« zu Rheiras, auf welchen die franzosischen Kdnige bei der Kronung den Eid ablegten. Man hielt diese Hand- schrift nach der franzosischen Revolution lange fur verloren, indessen fand sie sich spater vvieder. Diese kirchenslawische Sprache zeichnet sich vor al- ien andern Slawinen durch Reichthum an Formen und uberhaupt durch alterthiimliches Geprage in jeder Beziehung aus und so vereinigt sie allerdings Vleles in sich, was in den spateren Sprachen stiickweise verstreut liegt, Desto armlicher ist das Neubulgarische^ die einzige nach der Art der neueren Sprachen des westlichen Europas herunter- gekommene slawische Mundart. Die Declination der No- mina, die Gradationsendungen der Adjectiva sind verloren gegangen, statt des Infinitivs wird der Indicativ mit vorge- 14 210 setztem da gebraucht, die Sprache hat einen Artikel, hin- teii angehangt, wie die Sprachen der benaclibarteu YVa- lachen und Albanesen u. s. w. I 1 1 y r i s c h. Unter diesem Nam en lassen sich am bequemsten die eine Sprache bildeuden , unter einauder sehr verwandten Dialecte, das Serbische, Croatische und Sloweni- sche zusammenfassen , welche den westlichen Theil des siidslawischen Sprachgebiets hilden, dessen ostlichen Theil die Bulgareu inne haben. Urn das Gebiet im Ganzen und Grossen zu umschreiben, mag man sich etwa vom adria- tischen Meere, etwas siidlicli vom Bogano-See einen nach Norden gewolbten Halbkreis nach der Stadt Perserin in Albanien gezogen denkeu, welcher die Siidgranze gegen die Albanesen bilden mag, eine gerade Linie von Perserin nach Widdin an der Donau trennt ungefahr das illyrische (hier serbische) Sprachgebiet vom bulgarischen, eine Linie von Widdin nach Temeschwar durfte die Ostgranze gegen die Walachen bezeichnen, Temeschwar und Klagenfurt durch eine Linie verbunden gedacht giebt in Bausch und Bogen die Nordgranze gegen Magyaren und Deutsche, eine nach Westen hin ziemlich ausgebogene Linie von Klagenfurt nach Triest zuriick ans Meer kann als West- granze gelten. Der Kustensaum v^on hier bis an unseren Ausgangspunkt zuriick ist ubrigens romanisirt, etwas brci- ter ist dieser romanische Saum im Norden , nach Suden zu veilauft er sich allmahlich immer schmaler vverdend. So weit dieses Gebiet in die Granzen der Tiirkei fallt^ ist es ebenfalls, wie das vorige, mit kleiuen turkischcu Co- loniecn diinn besat, deutsche Kolonieen dagegen sind im nordlichen Theile dieses Gebietes zu findeu. S e r b i s c h *). Dieser Sprache ist unbedingt , was *) Wuk S te p han o wi tsc h, kleioe serbische Grammatik, iibersetzt von Jacob Grimm, Leipzig 1824. Desselben serbisch-deutsca-la- teiuisches Worterbuch. Wien 1818. 211 Wohlklang betrifft, der erste Rang unter ihren Schwestern einzuraumen, sie ist vocalreicher als alle andern slawischen Sprachen. Diese dem Ohre wohlgefallige Vertheilung von Consonanten und Vocalen ist nun aber grosstentheils auf Kosten der Alterthiimlichkeit erworben, Consonanten (/ z. B ) treten in Vocale iiber, oder werden ausgestossen und abgeworfen. Uebrigens steht sie in grammatischer Be- ziehung noch auf dem Niveau der (ibrigen Dialecte und es ist keineswegs hier an ahnliche Entstellungen, wie wir sie beim Bulgarischen fanden, zu denken. Der serbische Accent ist an keine bestimmte Stelle im Worte gebunden. Das Serbische beherrscht bet Weitem den grossten Theil des illyrischeu Spraehgebietes, bloss den nordvvestlichen Theil desselben, ungefahr das Stuck, das nord warts von einer Linie liegt, die man sich von Triest etwas iiber die tiirkische Grenzstadt Dubitza (in tiirkisch Kroatien) hinaus gezogen denken kann, fallt dem Slowenischen und Kroa- tischen zu. Das Serbische lasst sich nach Wuk Stephanowitsch in drei wenig abweichende Mundarten theilen, namlich 1^ das Herzcgowinische, in Herzegowina, Bosnien, Montenegro, Dalmatien und Kroatien und dem oberen Theile von Ser- bien im Matschwaer Landstrich bis nach Maljewo und Ka- ranowatz; 2, die ressawische, welche von den Serben in den ubrigen Theilen Serbiens, namentlich in dem Landstrich Branitschewo an der Resawa , in dem Landstrich Le- watsch an der oberen Morawa im Paratiner Bezirk und am Schwarzbach bis nach Negotin gesprochen wirdj Z 9 die syrmische, welche in Syrmien und Slawonien, in der Batschka ; im temeschwarer Banat und Mittelungarn, in Serbien zwischen der Sawe, Donau und Morawa zu Hause ist. Razen (Raschzen, Raschanen) heissen die Serben grie- chischen Bekenntnisses bei den Slowaken, Magyaren u. a. von der einstmaligen Hauptstadt ganz Serbiens, Rass, jetzt Nowy Pazar. 212 Den ostlichen Theil des oben vom Serbischen abge- schnittenen Sprachgebietes beherrscht der croatische*) (oder richtiger chorwatisehe) Dialect. Diese Sprache der Gespanschaften Agram , Kreuz und Warasdin nebst den angrauzenden Districten kniipft gleichsara das Serbische an das Slowenische an, so haben z. B. die Kroaten, gleich den Sloweneu, das harte / am Ende der Worter durch- gangig beibehalten, wofiir die iibrigen Illyrer o sprechen. Ausser dieseni Gebiete wohnen Kroaten noch in zahl- reichen und volkreichen Niederlassungen im westlichen Ungarn. Hire Mundart nahert sich der serbischen. Das Slowenische, Korutanische oder Windi- sche*) wird von Kroatien, dcm Adriatischen Meere, dem Isouzo und der oberen Drawe begranzt , fallt also in die Herzogthiimer Steiermark, Karnten und Krain (letzteres beinahe ganz beherrschend), ins westliche Ungarn au Mur und Raab, ins illyrische Littorale und einen Theil Istriens. Als Mundarten unterscheidet man hauptsachlich die ober~, unter- und innerkrainische, die karntnische und steierische. Das Gebiet des Slowenischen ist mit Italienern und Deut- schen stark versetzt. /?, Westliches Slawisch. Lechisch (Polnisch). Die Sprache, die wir von den einstmals machtigen Lechen lechisch nennen , umfasste ehedem ein viel weite- res Gebiet als heut zu Tage , denn auch die slawischen *) Die neueste Grammatik dieses Dialects ist von Kr istiano- witsch 1837. Ein ueueres Worterbuch giebt es nicht. **) (Kopitar) Grammatik der slawischen Sprache in Krain, Karn- ten und Steiermark, Laibach 1SOS. — Murko, theoretisch prac- tische Grammatik der slowenischen Sprache in Steiermark, Karn- ten, Krain und dem illyrischen Kustenlaude, 2te Aufl. Gratz. 1843. — Jarnik, Versuch eines Etyniologikons der slowenischen Mundart in Inner-Oesterreich , Klagenfurt 1832. 213 Stammc in den Landern zu beiden Seiten der Oder, die jetzt entweder ganz oder doch grosstentheils germanisirt siud (Pommem, Schlesien u. s. w.) sprachen, nach glaub- wurdigen Zeugnissen und untriiglichen Anzeichen, obwohl verschicdene^ doch im Ganzeii zur lechischeii Sprache ge- horige Dialecte. In nnseren Zeiten beschrankt sich das Feld der lechischen Sprache auf das von Polen besessene Gebiet. Hente zu Tage leben nur noch zwei Dialecte diescr Sprache, der polnische und der kaschubische. Das Po 1 nisch e *j zeigt jenen erweichenden Ein- fluss , der die I-Lau(e im Slawischen in einem starkeren Grade auf die vorhergehenden Consonanten auszuiibeu pfle- gen, als in anderen Sprachen, im hochsten Grade. Es hat daher die meisten Zischlaute und eine feiue Abstufung derselbeu. Diese Feinheit der Aussprache, bedingt durch haufigen Wechsel der Consonanten, macht das Polnische fiir den Auslander jbesonders schwer; im Muude des Einge- bornen kliugt es nicht hart, aber immerhin lispelnder^ sauseln- der als andere Dialecte. Die erhaltenen Nasenlaute a und e c c (vvie frauz. on und in z. B. in mon und enfiri), so wie der streng durchgefiihrte Unterschied von / und 1 Cpalatales und gutturales /) zeichnen das Polnische besonders aus. Den Accent hat es immer auf der vorletzten Sylbe des Wor- tes, eben kein Vorzug; die prosodssche Lange und Kiirze der Vocale ist verloren. Der Einfluss des Latein auf die polnische Syntax ist unverkennbar. 9 Bandtkie pnlnisch deutsches Worterbuch nach der Abslamtnuug geordnet als 2ter Theil seiner polnischen Gramtuatik, Bresl. 1824; diese Ausg. ist von Dobrowsky revidirt. — Linde, poluisch deut- sclies Worterbuch, 6 Bde iu 4°, Warschau 1807—14 mit Verglei- chung der anderen slawischen Dialecte u. a. — Mrongovius, ausfiiltrliches polnisch-deutsches Worterbuch kritisch bearb., Ivo- nigsberg 1835. Desselben deutsch-polnisches Worterbuch Konigsb. 1847.— Bandtkie, poln. Gramm. fur Deutsche, Breslau 1824. — Poplinski, Grammatik der polnischen Sprache, 4te Aufl. Lissa u. Gnesen 1840 und zahlreiche andere Grammatiken. 214 Eine Linie von Grodno siidlich bis nach Szanok in Galizien bezeichnet ziemlich genau die Granze des polni- schen Sprachgebietes und des russischen, die Siidgranze folgt von hier nach Westen ziemlich dem karpathischeu Gebirgszuge, die Westgranze theilt die preussische Pro- vinz Schlesien, geht dann weiter nach Westen und umfangt fast die ganze Provinz Posen ; westlich von der Weichsel zieht sich ein breiter Streif polnischer Bevolkerung hinauf bis zur Ostsee, schwacher ist die polnische Bevolkerung ostlich von der Weichsel ; eine Linie von Graudenz bis nord- lich vom Nebola-See und von hier nach Grodno zuriick giebt in Bausch und Bogen die Nordgranze gegen die an die Stelle der alten Pieussen u. s. w. getretene deutsche Bevolkerung so wie gegen das littauische Sprachgebiet. Ausserdem ist das Polnische iiber ganz Galizien als Spra- che des Adels und der Stadter verbreitet. Mundarten sind die masurische, vvelche die breiten Zischlaute durchaus in die entsprechenden diinneren, sch in s, tsch in Is etc. verwan- delt ; die grosspolnische , besonders urn Lentschitz ; die schlesische (welche hauptsachlieh die sogenannten Was- serpolaken ostlich von der Oder sprechen), ausserdem un- terscheidet man noch die kleinpolnische, littauische Mund- art u. a. Das Kaschubische, eigentlich auch uur eine Mund- art des Polnischen ist heute zu Tage bis auf ein kleines Gebiet an der Ostseekiiste zwischen Leba und Lauenburg zusammengeschmolzen. T s c h e c h i s c h. Das Tschechische *) ist die Sprache der sla- wischen Bewohner Bohmens, Mahrens und des nordwest- *) Schafarik, Elemente der altbohmischen Gramm. 0«n Wybor z literatury ceskej. Prag, 1845., Deutsch herausgegeben von Jor- dan, Leipz. 1847. — Dobrowsky, ausfuhri. Lehrgebaude der bohmischen Sprache ed. Hnoka. Prag 1831. — Ziak, bolimische 215 lichen Ungarns 5 in zahlreichen Sprachinseln ist es durch fast ganz Ungarn verbreitet. In Bdhmen fiillt die Sprache nicht das ganze Gebiet des Konigreiches aus, sondern rings urn das slawische Sprachgebiet herum lauft ein Gurtel deutscher Bevolkerung, der besonders im Westen breit ist. Nur in Osten hangt es mit dem slawischen Mah- ren in ungetrenuter Masse zusammen; das Deutsche durch- setzt, und zwar oft in bedeutenden Sprachinseln, Mahren und Bohrnen , magyarische Niederlassungen dagegen das slovakische Sprachgebiet. Zwei Dialecte, der tschechische oder bohmische im engeren Sinne in Bohrnen und Mahren und der slowakische, sind zu unterscheiden. Die tschechische Sprache im engeren Sinne, d. h. die bohmische Schriftsprache, zeigt die Anlage zu einer alterthiimlichen grammatischen Entwickelung, die aber in einigen Fallen unorgauisch gehemmt und abgestumpft er- scheint. Manche Formcn der Substantiva und Adjectiva zumal die auf -L, deren das Bohmische durch Zusammen- ziehung der Endlaute in i eine grosse Menge hat, haben eine hochst mangelhafte Declination ; auch bei den Substan- tiven auf-e sind mehrere Casus in unbequemer Weise gleich- lautend. Eben so hat sich in den Personalendungen des Zeit- worts der Gleichlaut mancher Personen und das lastige aus- lautende «, das iiberhaupt in der Sprache ziemlich heraus- klingt, eingeschlichen. Das Princip der Consonantenerwei- chung treibt sie nicht so auf die Spitze, wie ihre polnische Schvvester; sie scheut aber ebensowenig wie jene eine kraftige consonantische Harte; deu Accent hat sie stets auf der ersten Sylbe des Wories, doch gilt neben ihm strengste Beachtung der Lange und Kiirze, ein grosser Vorzug dieser Sprache. Den Unterschied von / und I hat Spracblehre fiir Deutsche, 3te Aufl v Briinn 1849 und andere. — Jungmann, bohmisch - deutsches Worterbuch, 5 Thl. in 4°. 1835 — 39. — Stereotjpirte Taschenworterbucher der slawischen Hauptsprachcn sind bei Tauchnitz in Leipzig erschienen. 216 sic verwischt. Die geriigten Nachtheile finden sich im Mah- rischen schou weit weniger, dieses steht dem schonen Baue des Altbohmischen noch naher. Die tschechische Sprachebe- sitzt namlich, wie die meisten der noch lebeoden slawischen Dialecte, nicht unbedeutende Denkmaler aus fruheren Sprach- perioden. Bei Weitera nicht A lies, was an solchen alteren Sprachdenkmalern in den verschiedeuen Dialecten v T orhan- den ist, ist bis jetzt herausgegeben, fur das Tschechische ist in dieser Beziehung verhaltnissmassig am besten gesorgt vvorden. Die beruhmtesten altbohmischen Sprachreste sind das Gericht der Libuscha 0Jtes Jahrh.) und die Gedichte der Kdniginhofer Handschrift (13tes Jahrh.). Mittelst soldier Denkmaler lasst sich der Unterschied der slawischen Haupt- dialecte bis ins 9te Jahrhundert hinauf verfolgen; freilich tritt dieser Unterschied immer weniger scharf hervor, je alter die Sprachreste sind, aber doch immer stark genug, um den historischen Beweis liefern zu kounen, dass das Kirchenslawische den iibrigen Dialecten coordinirt und durchaus nicht die lid here Einheit derselben sei. Vom alt- bohmischen Formenreichthume ist freilich viel im Laufe der Zeit verloren gegangen, doch immerhin soviel gerettet, um dem Tschechischen in der Gesammlheit seiner Dialecte manchen ihm eigenthumlichen Vorzug zu sichern. Dialec- tische Schattiiungen treten hauptsachlich im Mahrischen hervor, woselbst sich neben mundartlicher Verschiedenheit auch in Kleidertracht und Sitte die Eigenthumlichkeit einer ziemlichen Anzahl kleiner Volksstamme auspragt, Solche Mundarten sind z. B. die Horakische, Hanakische, Mah- risch-SIowakische, Walachische*) u. a. Das Slowaki- sche**) endlich zeigt die Schonheiten, die dem Tschechi- *) Diese sind Nachbarn der Polen ; die Benennung Walach ist hier (nach der Vermuthung eines einheimischen Gelehrten) vvohl aus po-lach, der bei den Polen Wohnende, entstanden, und bat mit den romanischen Walachen Nichts zu schaffen ; auch die Sprache nahert sich gleichsatn als Uebergangsform dem Polnischen. **) Bernolak, grammatica slavica, Poson. 1790. Deutsch von Bre- 217 schen (wie das Altbohmische zeigt) eigen sind, im reichsten Masse. Denkt man sich das Slowakische in bester Mund- art (das Slowakische hat sehr viele Muudartcn) mitKennt- niss und Geschick zur Schriftsprache ausgebildet ? so er- halt man das Bild einer slavvischen Sprache, die, weil sie gleichsam die Mitte zwischen den verschiedenen slawischen Dialccten halten und dabei sehr reich und alterthiimlich an grammatischen Formen sein wiirde, wohl alle iibrigen iiber- ragen diirfte. Es zeigt sich so ein stufenweises Abnehmen der Sprachentstellung im tschechischen Sprachgebiete von Westen nach Osten ; am tiefsten steht der westliche Dia- lect ; unglucklicher Weise ist gerade dieser durch die ge- schichtlichen Verhaltnisse zur Schriftsprache des ganzen Sprachgebietes erhoben worden. S o r b i s c h*) Oder W e n d i s c h in der Lausitz. Die sorbische Sprache der Lausitz, ehedem iiber das ganze Gebiet der polabischen Sorbcn von der Saale iiber die Elbe bis zur Oder verbreitet, (Meissen, Lausitz und um- liegende Provinzen befassend) lebt jetzt nur noch in einem kleinen Theile der Ober- und Nieder-Lausitz von Lobau im Siiden bis Liibben im Norden , etwa von der Spree in der Mitte durchflossen, rings von deutscher Bevolkerung um- geben. Die Sprache zerfallt in zwei Dialecte, den ober- und niederlausitzischen, von welchem jederungefahrdieHalfte des Gebiets inne hat, wahrend der oberlausitzische Dialect aber von einer mehr als noch einmal so slarken Bevolke- styansky, Ofen 1817.— Palkowicz, bohmisck-deutsch-latei- nisches Worterbuch mit Beifiigung der den Slowaken und Mali re n eigenen Ausdriicke und Redensarten. 2 Theile, Prag und Pressburg 1821. — Bernolak, Lexicon slavicum bohemico-lat.-germ.- ungaricum. 6 Tomi, Budae 1825—27. *) Sorben und Serben ist nur im Deutschen gesondert, im Slawischen ein Wort, wie Winden und Wenden. Beides sind alte Namen fiir die Slaw en iiberhaupt. 218 rung geredet wird. Schafarik CI 842) giebt die Zahl der Slawen der Ober- und Nieder-Lausitz auf 142,000 Seelen an, von denen 9S,000 auf die Ober- , 44,000 auf die Nie- der-Lausilz fallen. Beide Dialecte sind scharf gesondert, und haben wieder ihre Mundarten. Beide sind stark ger- manisirt, und ihr Gebiet von Deutschen iiberschweramt. Das b e r I a u s i t z i s c h e *) besitzt Bibelubersetzung und andere geistliche Bucher, Haupt und Sraoler haben die Volklieder gesammelt und mit Ucbersetzung lierausgegeben. Es steht durch seine Lautgesetze wohl dem Bohmischen naher, wahrend das Niederlausitzische **) sich dem Polnischen mchr vergleicht, Auch dieser Dialect hat eine kleine Litteratur von Erbauungsschrifteu aufzuweisen. Polab isch. Unter dem Namen Polaben Cdeutsch Elbebewohner, von po bei, entlang, und Labe, Elbe) versteht man nach Scha- fariks Vorgange in Ermanglung eines alteren Gesammt- namens, im weiteren Sinne des Wortes alle jene slawischen Stamrae, die einstmals an beiden Ufern der unteren Elbe in weiter Ausdehnung sassen. Sie reichten in IVorden bis an die Ostsee, von der Odermiindung bis Kiel mit Ein- schluss der Inselu Riigen, Wollin und Fehmarn. Im Osten granzteu sie an die Polen, Lausitzer und mehr im 8ud- osten an die Tschechen ; Saale und Elbe bezeichnen im Allgemeinen die Westgranze der Polaben, doch ragten ihre *) Bose, wendisch-deutsches Handworterb. nach dem oberlausitzer Dialecte, Grimma 1840. — Schmaler, deutsch-wendisches Worter- buch mit eiaer Darstellung der allgemeinen wendischen Recht- schreibuug, Bautzen 1843. — Jordan und P f u h 1, oberlausitzisch- serbisch-deutsches Worterbuch, Leipz. 1844. begonDen. — Jordan, Grammatik der weudisch-serbischen Sprache in der Oberlausitz (nach Dobrowskys Systeme) Prag 1841. **) Hauptmaun, niederlausitzische wendische Grammatica, Lubben 17b* 1. — Zwahr, niederlausitz- wendisch- deutsches Haudwor- terbuch ; Spremberg 1846 u. 47. Hat eiuen deutsch-wendischeu Index. 219 Ansiedelungen namentlich in Liinebnrg, dann wciter ira Siiden , in Thuringen, am Main und der RednUz u. s. w., iiber jene Granze hinaus nach Westen ins deutsche Ge- biet hinein. Die polabischen Volker erscheinen unter zahl- reichen Namen : Weleter, Bodrizer CObotriten), Wagrer, Drewaner u. s. w. Die Drewaner wohnten in der jetzigen preussischen Altmark und in Luneburg in Hanover. In ihrem Gebiete lageu die Stadte Liichow, Dannenberg, Hitzacker, Wustrow, Bergen und Klenze, urspriinglich lauter slawische Namen. Dieser kleine Zvveig der Obotriten trotzte am langsten dem Sturme der Zeit und dem Andrange desFremden, in Folge der Abgeschiedenheit jener unvvirthbaren Sandgegenden und erhielt seine Muttereprache bis ans Ende des 17ten Jahr- hunderts am Leben^ ja in schwachen, wenig gekannteu Resten vielleicht bis heutzutage. Es wird wenigstens, trotz der entgegengesetzten Behauptung mehrerer Gelehrten, versichert, dass jene Sprache noch bis jetzt im Kreise der Familicn in einigen Dorfern in Verborgenheit fortlebe. Von diesem Dialecte besitzen wir ausser einigen Wort- sammiungen und alten Gebetformeln ein Volkslied. Diese Reste wurden gegen das Ende des 17ten Jahrhunderts nachlassig und unwissenschaftlich niedergeschrieben. 7. Germ anise he F a in i 1 i e *"). Unter Germanisch fasst man die ganze Familie zu- sammen j schou von den Romern ward germani auf ver- schiedene deutsche Stamme angewandt; ob dieser Name nun aus dem lateinischen germanus oder aus dem deutschen Irman, Erman etc. in Irminsul und ahnlichen Zusanimen- setzungen herzuleiten sei, bieibt dahingestellt ; Deutsch da- gegen bezeichnet (im Gegensatze zu den scandinavischen *) Jo cob Grimm, deutsche Grammatik, 4 Thle. Gottingen 1819^ 37. Thl. I. 2te Ausg. 1822. 3te Ausg. 1840. umfasst die gauze Familie. 220 Inseln und Halbinseln) das auf dem Continente heimische Germanisch, also das Angelsachsische mit eingeschlossen. Deutsch, golh. thiudisko, zd-vixwg; thiu- disks i&nxog von thiuda, ed-vog; eben so das ahd. diutisc a us diot, ags. theo- disc aus theod\ der Sinn des Wortes ist gentilis, gentilicius, popularis, vulgaris. Die folgende Zusammenstellung ist, wie sich von selbst versteht, grosstentheils nach Grimm. "Durchdringende kennzeichen wodurch wir (Germanen) uns von alien andcrn volkern unterscheiden, giebt es vier : den ablaut, die lautverschiebung, das schwache verbum und das schwache nomen . den laut haben wir zweimal ver- schoben, den ablaut zum waltenden gesetz der starken con- jugalion erhoben, die schwache declination auf substantive wie adjective angewandt*)." Dicse Unterscheidungszeichen der germanischen Familie haben wir, ehe wir zu der Auf- zahlung der ihr angehorigen Sprachen uns wenden, kurz zu erlautern. Die Lautverschiebung giebt dem alten Sprach- gute, welches uns mit den ubrigen Sprachen gemeinsam ist, den Wurzeln selbst, das germanische Geprage, wahrend die anderen Eigenthumlichkeiten des Deutschen die Be- zeichnungsweise gewisser Beziehungen betrefFen. Wir han- deln daher von der Lautverschiebung zuerst. Vergleicht man namlich die Worte stammverwandter Sprachen (z. B. des Griechischen) mit den entsprechenden gothischen, so tindet sich, dass die Mutae zwar qualitativ (labial, dental u. s.w.) gleichbleiben, in der bei Weitem grossten Zahl der Falle aber quantitativ verschieden sind, uud zwar nach einem durchgreifenden Gesetze. Ein ahnliches Gesetz der bloss quantitativen Verschiedenheit(durch die Quantitat unterscheiden sich Tenuis , Media , Aspirata etc.) lasst sich nun wieder zwischen dem Gothischen und dem Alt- hochdeutschen beobachten. Mit dem Gothischen auf glei- cher Stufe stehen alle anderen germanischen Sprachen, eben mit Ausnahme der hochdeutschen Dialecte, die im Wesent- #) Grimin, geschichte der deutschen sprache, 2 Bde- 1848,11, 103' 221 lichen der althochdeutschen Stufe treu geblieben sind, »das gesetz lautet einfach so: die media jedes der drei organe geht uber in tenuis, die tenuis in aspirata und die aspirata wieder in media j« es gleicht so dieses Gesetz einem ro- tirenden Umlaufen der Lautquantitaten. Da hier Laute dreier Qualitaten in Betracht kommen, jede Qualitat aber eine dreifache Abstufung der Quantitat hat, so entstehen fiir das Lautverschiebungsgesetz iieun Reihen, die ; rein theoretisch dargestellt, folgende sind: Labiale Dentale Gutturale Ten. P Med. b Asp. ph b P Ten. t th Med. d t Asp. th d Ten. k * Med. g k ph b P ph d tb t g ch Asp. ch Griechis ch(o.eine andere iudog. Spr.) Gothisch (od. eine and. nicbthochd. Sp.) A 1 th oeh d eutsch. In der Wirklichkeit aber treten die Lautgesetze der einzel- nen Sprachen diesem Gesetze oft modih'cirend in den Weg. Abgesehen davon, dass audi manchen der zur ersteii Heine gehorigen Sprachen einer oder der andere jener Consonanten abgeht, d. i. durch andere vertreten erscheint (so hat z. B. schon das Latein keiue wahren Aspiraten, sondern setzt dafiir Spiranten f, h oder nicht aspirirte Stummlaute), zeigt sich auch im Gothischen eine Abweichung dadurch be- dingt, dass diesem die labiale und gutturale Aspirate ab- geht; an der Stelle derselben treten die entsprechenden Spiranten / und h ein, und da diesen der allein enlwicke- lungsfahige stummlautende Bestandlheil abgeht, so bleibt in diesen Fallen die Verschiebung stehen, auch die hoch- deutschen Dialecte behalten die gothische Lautstufe bei. Ausserdem gebraucht das Hochdeutsche fiir die dentale Aspirate den Laut z, so dass sich die gothische und ahd. Reihe in der Wirklichkeit in folgender Weise gestalten: goth. ahd. P ph th. k ch 222 Beispiele. 1) p, f, f. skr. pilr, lat. p«/er, gr. ticctijq, goth. iadar ahd- fatar, nhd. water. skr. pantschan gr. refine , litt. penki, si. p e/ cymr, pw#?p, goth. frwf, ahd. fi»f, nhd. fiinf. lat. piscis, cymr. p^s#, goth. fisks, ahd. fYsc, nhd. Usch. skr. padas, lat. pes, gr. jtoi;£, litt. pedas, goth. fotos, ahd. faos, nhd. ffws uud viele andere. 2) 6 ? p, ph. Diese Reihe mangelt fur den Anlaut. Alle gothischen Anlaute p, alle ahd. Anlaute ph oder pf verrathen aufgenommene fremde YVorter. Inl. xawafitg, altn. hampr, ags. henep, engl. hemp, ahd. hanof, nhd. /*awf. litt. gelhmi, goth. fo7p«, ahd. £«7f«j nhd. helfen. 3) />A, 6, p. cpr t yog lat. faff us, goth. bo&tf, ahd. puocha, nhd. bi/c^e. yi>to, lat. fw2, fro, ags. beo, ahd. p/»i, nhd. b/w. cpQaT?]Qj lat. f rater, goth. brothar, ahd. pruodar, nhd. binder und andere. Das Nhd. setzt hier die Rotation fort. 4) /, /A, d. skr. tram, lat. tw, goth. thw, ahd. dzi, nhd. du. skr. ta£, gr. to, goth. th«ta, ags. th«Y, ahd. das, nhd. d«s. si. irn" goth. th««/rwws, ahd. und nhd. dorn u. a. 5) d, t, %. skr. dantas , lat. dews, litt. dantis, goth. tunthus, ahd. sohJ, nhd. zaAw. skr. d^rca^, lat. decern, gr. dem, litt. deszimt, si. deset\ goth. taihun, ags. teow, ahd. zehan, nhd. ze#«. skr. druma, gr. 6*o££, si. drjevo , cymr. deriven, .goth. trm, ags. treot?, engl. tree, altn. tre, ahd. fehlt. skr. dt>«^ gr. JJo, lat. d?/0, litt. du, si. di?«, ir. do, goth. tt?«, ahd, zwe/, nhd. zwei und andere. 6) /^, d, t. (dem urspr. //* entspricht im lat. u. aol. f und op), ^r-o aol. goth. hair to, ags. h«0r/, engl. hearl, ahd. herzd, nhd. h«v«. gr. XEQceg, lat. cornu, goth. \\aurn, ahd. und nhd. horn und andere. 8. #, &, c/^. skr. go, ags. c««, ahd. chfto, nhd. mit Te- nuis ku; die Gutturalis findet im Nhd. in diesem Falle nur dialectisch (Schweizerdial.) statt. iyw, lat. ego, goth. ik, ahd. ?'h, nhd. *ch. £*yoV, lat. iugum , lilt, jiingas goth. ywk, engl. ^/ok?, ahd. /oh, nhd. /och. ydw, lat. genu, goth. k«/«, ahd. chniu, nhd. km>. lat. gehdus, goth, kaltlsj ahd. cha//, nhd. k#&/. 9) ell, g, k. yjco , %vtoq , goth. ghifa, ahd. kiuzu, nhd. (das auch hier die ahd. organische Verschiebung im Anlaut nicht hat) giesze. Xslxeiv, lat. linger e , goth. laigon , ahd. lecchon, nhd. fecke/z. %oA??', lat. fie/, altn. g«/7#, ahd. k«//« 3 nhd. ga/fe. Wahrend die Lautverschiebung dem Deutschen ganz und gar eigeuthiimlich ist, findet das zweite Kennzeichen germanischer Sprachen , der Ablaut in anderen Sprachen wohl Parallelen, aber keineswegs vollig gleiche Erschei- nungen. Mit dem Ablaut hangt genau zusammen die starke Conjugation, deren Weseu gerade in dem Wechsel des Wurzelvocals liegt, (vergl. das starke^ ablautende, nehme , n&hm, genommen mit dem schwachen Hebe, liebte , ge- liebt). ,,Unter ablaut verstehn wir einen von der conju- gation ausgehenden , die ganze sprache duichdiingenden regelmassigen wechsel der vocale". Urspriingliche Vocale sind nun auch im Germanischen nur a, i, u\ sie sind die Quelle aller iibrigeu, aus der Verbindung derselben ent- springen in merkwiirdiger Regelmassigkeit die im Deut- schen allein moglichen Vocallaute, aus denen sich die 224 spateren erst enlwickelten. Ihre Anzahl ist daher noth« ig 3 mal 3. a ia ua i ui ai u iu au Diess die rein theoretische Formel, von welcher alle eiuzelnen Sprachen, auch die gothische, mehr oder minder abweicheu. Die gothischen Vocale entsprechen folgender- gestalt: a e 6 i ei ui u iu au und diesen gothischen Vocalen entsprechen nun uach be- stimmten Gesetzeu die der ubrigen germanischen Sprachen. Secundiire Erscheinungen sind Umlaut , die Triibung des Vocals der vorhergehenden Sylbe durch den Einfluss des Vocals, meist i, der folgenden (z. B. ahd. paik plur. pelkf) und Brechung, die Vereinigung zweier Vocale zu einem kurzen Vocale, welchen man sich, wenn man die Kiirze als eine Mora aunimmt, aus zwei Bruchtheilen CVa + Va oder V 4 + 3 /t oder urngek.) besfehend denken kann. Letz- teres tritt im Deutschen urspriinglich nur vor gewisseu Consonanten, goth. h und r, ein, z. B, hoxrto fiir hirto ahd. herzd, nhd. /ie/»;goth. haurnfur ham, ahd. u. nhd.Aorw.) Diese Lautgesetze haben daher mit dem Ablaut, der sich frei aus sich selbst, ohue Einfluss anderer Laute entwickelt, Nichts zu schaffen. Den Umlaut theilt das Germanische mit dem Zend; die Brechung tritt ira geschichllichen Ver- laufe zahlreicher Spracheu auf. Das Germanische unter- scheidet sich nun vvesentlich dadurch von den verwandten Sprachen, dass es auch in seinen altesten Formen nur zwei Zeiten am Verbum bezeichnet, Gegeuwart und Vergan- genheit; „ Ablaut ist dynamische verwendung des vocal- gesetzes auf die wurzel der altesten verba um die unter- schiede der gegenwart und vergangenheit in sinnlicher 225 Fiille hcrvorzuheben. dadurch dafs er alle und jede vo- calverhaltnisse in sich schliesst, ruht er auf dem innersten grund der sprache, an ihm hangen wollaut und zutrauliche gevvalt unserer rede". Dass der Ablaut gerade das We- sen der Flexion in seiner hdchsten Entfaltung darstelle, ergiebt sich aus dem oben entwickellen BegrifFe derselben. Das Folgende mag uns zugleich als Probe flectirender Conjugation dienen. „Fiinf ablaulende conjugationen bilden sich, deren keine den vocal des praesens im practeritum bestehen lasst und allein die dritte fiir den sing, und plur. praet. gleichen ablaut verwendet, wahrend die iibrigen jedwedem numerus eignen geben. welchen vocal plur. indie. zeigt, derselbe findet im ganzen conj. sing, wie plur. statt: der vocal des part, praet. stimmt bald mit dem praes. bald mit dem plur. , nicht aber dem sing, praeteriti. einmal hat das part, praet. audi seinen ablaut fiir sich". Alles diess bezieht sich nur auf das alteste Germa- nisch, das Gothische. In den anderen germanischen Spra- chen treten noch scheinbare Ablauteauf, die aus urspriing- licher Reduplication, die das Gothische bewahrt hat, ent- standen sind. Die funf ablautenden Conjugationen im Go- thischen sind folgende : I. praes. i praet. sing, a praet. plur. u part, u II. i a e (ia} i, u IN. a 6 (ua) 6 (ua) a IV. ei (ui) ai i i V. iu au u u Eine Vergleichung der Laute dieser Tabelle mit der syste- matischen Darstellung der Ablaute zeigt, wie hier alle jene Laute zur Anwendung gebracht worden sind. Beispiele des Ablauts sind nun : 1) der Wechsel aller drei kurzen Vocale z. B. finlhan, praet. sing, fanth^ praet. plur. fun- thum } part, praet, funthans, finde, fand, fanden, gefunden; hvairban (ai durch Brechung vor r fiir i)\ hvarb, hvaurbum 15 226 Can Brechung fur w) hvaurbans, werbe, warb, warben, ge- worben; 2) stilan, stal, stelum, stulans , slehlen, stahl, stahlen, gestohlen; ligan, lag, legum, ligans,legen, lag, la- gen, gelegen; 3) far an, for, forum, farans, fahren, fuhr, fuhren, gefahren; skapjan, shop, skopum, skapans, schaffen, schuf, schufen, geschaffen; 4) skeinan, skain, skinum, skinans, scheinen, schien, schienen, geschienen ; greipan, graip, gripum , gripans, greifen, griff, griffen, gegriffen ; 5) verlauft ganz parallel mit der vorigen: kiusati, kaus, kusum, kusans, kuren (kiesen) kor, koren, gekoren; biugan, bang, bugum, bugans biegen, bog, bogen, gebogen. In schroffem Gegensatze zu diesen slarken Formen stehen die entsprechenden der schwachen Conjugations- vveise. Wahrend das starke Verbuna auf Ablaut und Re- duplication beruht, bildet das schwache sein Praeteritum durch ein mittelst eines Vocales antretendes Hiilfswort. Dieses Hiilfswort ist notlnvendigerweise ein primitives, also ein starkes; es ist unser heutiges Vcrbum „thun" das je- doch in der, der Conjugation zu Grunde liegenden Form im Gothischen nicht als gesondertes Verbum vorkommt. Gothisch z. B. praet. 1. fiskoda (icb fischte) 2. fiskodes 3. fiskoda-, noch deutlicher tritt das in diesem Singular ver- kurzte Praeteritum des Hiilfswortes im Dual und Plural her- vor: Dual: 1. fiskodedu 2, fiskddeduts. Plur. /. fiskodedum 2. fiskodeduth 3. fiskodedun. Conj. fiskodedjau u. s. w. Wenn Aehnliches auch in stammverwandten Sprachen sich findet, so erscheint doch nur im Deutschen diese Bildungsart als durchgreifendes Gesetz. Wie hier zum Verbum ein Verbum, so tritt in der schwachen Declination zum Nomen ein Pronomen, an (vgl. slav. on, ona litt. ans , ana u. a.). Diess wird namentlich aus der Declination der Adjective klar, in welcher die An- fugung dieses Pronomens, die schwache Form, ganz dieselbe Beziehung ausdriickt, namlich die bestimmte, wie die ent- 227 sprechenden mit dem Pronomen zusammengesetzten Formen des Littauischen und Slawischen z. B. Masc. Fern. N eutr. Sin ff. blinda blindo blindo blindins blindons blindins blindin blindon blindin blindan blindon blindo Plur. blindans blindons blindona blindane blindono blindone blindam blindom blindam blindans blindons blindona. Diese Formen sind abgekurzt aus vollstandigeren, auf welche innere Grunde und einzelne, wirklich vorkommende Formen hinfuhren, in welchea auch im Nominat. Sing, und Dat. plur. das n des Pronomens vorhanden war. Die schwachen Subslantiva gehen wie die Adjectiva. Auch diese Formen finden Analoga in andern Sprachen, sind aber in dieser bestimmten Consequenz nur im Germanischen zu Hause. Was hier von der altesten Form des Germanischen, dem Gothischen, gesagt ist. gilt fur alle Dialecte. Das gesammte Gebiet der germanischen Sprachen wird schon durch die eben erlauterte Lautverschiebung in zwei Theile gesondert; die Sprachen, die mit dem Gothischen auf einer Stufe stehen , bilden die eine, die eine weitere Stufe der Lautverschiebung iune habenden (das Hoch- deutsche) die andere Klasse germanischer Sprachen. Yom Gothischen*} ist im Bisherigen schon hin«* reichend die Rede gewesen. Es geht an Alterthumlichkeit alien ubrigen germanischen Sprachen voran ; die Kenntniss *)Gabelentz efc Lobe. Ulfilas. Veteris et novi Testament! ver- sionis gothicae fragmenta quae supersunt cum glossario et gram- matical linguae gothicae. Altenb. et Lips. 1843 — 46. Fur den Anfang recht brauchbar ist: Halm, A us wahl aus Ulfilas mitwor- terbuch und grundriss der gramm., Heidelberg 1849. 228 derselben schopfen wir aus den Fragmenten der gothischen Bibeliibersetzung des Ulfilas (f 388). Nur in der go- thischen Sprache hat die germanische Grammatik eiiien Grund gefundcu , auf welchem ein Gebaude aufzufuhren moglich war, urn welches uns andere Nationcn beneiden miissen. Dieses ostliche Germanisch, welchem das Gothische angehorte, ist erloschen. Betrachten wir zuerst die mit dem Gothischen gleiche Verschiebung zeigenden Sprachen. Diese lassen sich wieder in Unterklassen bringen , vor Allem sind zu scheiden die deutschen, d. i. die auf dem Festlande heimischen oder von diesem erst in spaterer Zeit ausgewanderten Sprachen und die seit viel alterer Zeit der scandinavischen llalbinsel eigene Abzweigung: das Nordische. »AIs hervorstehende eigenheit der nordischen sprache, wenn man ihre spatere entfaltung erwagt, darf zweierlei betrachtet werden, das artikelsuffix und die passivflexion. der dem substautivum angehangte artikel wird mit dem demon- strativum hinn, hin, hit gebildet. in entsprechender vveise entstand durch anhang eines urspriinglich dem verbum frei nachfolgenden reflexivpronomens eine scheinbare flexion, die statt der medialen bedeutung zuletzt passive annahm" ganz wie im Lateinischen , wahrend dieselbe Bildung im Littauischen bei der medialen (reflexiven) Bedeutung stehn blieb, im Slawischen aber oft die Stelle des Passivs ver- tritt. Beispiele beider Spracherscheinungen : Nom. Sing. svein-inn, eign-in, skip-it, der Junge, die Habe, das Schiff; Gen. sveins- ins, eignar-innar, skip-in u. s.w. — Praes. Act. brenni, brennis, brennir, brennttm u. s. w. brenne, brennest u. s. w. Passiv* brenni-st fur alle Personen des Singular, PI. brennum-st) Praeter. Act. brendi brannte, brendum (wir) brannten u. s. w. Pass, brendi-st, brendum-st u. s. f. Das Altnordische zeigt noch in seiner grammati- schen Form eine hohe Alterthumliehkeit. „Sind die auf- zeichnungen in dieser sprache auch verhaltnissmassig erst 229 in spater zeit crfolgt, so geht die fassung der incision eddischen lieder der grundlage nach doch unzweifelhaft in das heidenthum zuriick, und zeigt dichlung und rede fast ungestort. die altnordische sprache hat uns also nicht wenige geheimnisse des alterthnms zu erschliessen". Urn so merkwiirdiger^ aber doch aus dem apriorisch gefundenen Wechselverhaltnisse von Geschichte und Sprachverfall er- klarlich, ist es, dass diese alterthumliche Sprache, die von Norwegen nach Island*) verpflanzt wurde, auf der ab- geschiedenen Insel fast noch unverandert fortlebt; wahrend ihre Descendenten auf den scandinavischcn Halbinseln und Iiiseln — das Sch wedis ch e **) und das noch mehr ab- geblasste Danische f), die man unter der Benennung des Neunordischen zusainmenfassen konnte — urn ihres naheren Verhaltnisses zur Geschichte unseres Welttheils willen , schon bedeutend vom Urspriinglichen abgewichen sind ; in den grammatischen Formen grosse Einbussen aller Art erlitten und dem vernichtenden Walten der Analogie einen ausgedehnten Einfluss verstattet haben. Auch sie sind auf den ersten Blick durch den hinten angehangten Artikel und die Biidung des Passivs durch das Prou. reflex, keuntlich. %) Haldorsonii Lexicon Islandico - latino - Danicum ed. Rask. Kopeuh. 1814. — Rask, Kortfattet Veiledning til det olduor- diske eller gamle islandske Sprog. Kopenh. 1832, Deutsch von Wienbarg, Hamb. 1839. 'Engl, von Webbe Dasent Frankf. 1843. *#} Sjoborg, Schwedische Sprachlehre fiir Deutsche, Ate Aufl. Strals. 1841. — Dieterich, ausiiihrliche schwedische Gram- inatik in it Chrestomathie und Worterb. Stockholm 1840. u. a. — Worterbiicher v. M o 1 1 e r Leipzig 1801 — 1803. — Freese, Strals. 1842. — Stereot. Handlexicon^ Stockholm 1844 u. a. •jp) Grainmatiken v. Rask, Kopenhagen 1830; Strodtmann, Altona 1830; Petersen, Kopenh. 1830, v. Schepelem, Schlesw. 1831 u. a. — Worterbiicher v. Gronberg, Kopenh. 1836. 39. 2te Ausg. — Mo 1 been, Kopenh. 1833 mit Supple- meuten v. Baden 1834 und Dahl, 1834—35. u. a. Indessen steht das Schwedische noch hoher als das Danische, welches namentlich, hierin sich an das Neuhochdeutsche au- schliessend, eine gute Zahl von E-Iauten meist fur alteres volleres a eingefiihrt hat. Das Danische hat die, ihm je- doch nah verwandte, eigentliche n orwegische*) Sprache verdrangt und zu einem Volksdialecte herabgesetzt. Auch die Sprache der Faroer und die mit galischen Bestand- theilen versetzte der Shetland und Orkney Inseln gehort hierher. In vielen Dialecten (namentlich wird das Schottische unterschieden) beherrscht die britische Inselwelt, so weit es die Celten in Schottland, Wales, der Insel Man und Irland noch nicht verdrangt hat, und von hier aus zahlreiche und ausgedehnte Golonien in alien Welttheilen das Engli- sche**), eine in zu verfolgender Geschichte aus angel- sachsischem Grundstocke erwachsene Sprache. Die Angel- sachsen siedelten bekanntlich erst urn die Mitte des 5ten Jaiirh. n. Chr. nach England iiber, von ihrer Sprache sind reichliche und wichtige Denkmaler erhalten. Ihr Lexicon hat von den celtischeu Aborigine™, ungleich niehr aber von den rom ar/is ch en (normannischeu) Eroberern Bestandtheile *) Hanson, Tysk-norsk Haand - Ordbog. Christiania 1840. — Hals, Norsk Sproglaere, Christ. 1836. — S c h r a m, principes de la langue danoise et norvegienne. Kopenh. 1839. **) Das bt'deutendste lexicalische Werk der Englander und bei alien, namentlich etjmologischen Mangeln eine klassische Autoritat ihrer Litteratur ist das von Dr. Sam. Johnson zuerst 1755 herausge- gebene Dictionary of the English Language, spater vollstandig umge- arbeitet von To d d,4 voll. Lond.1818; 2 voll.Heidelb. 1828. Von spa- teren Lexicographen verdienen Walker (1832) und Webster (1842), ersterer wegen seiner Bemiihuogen urn die Feststellung der Orthoepie eine besondere Namhaftmachung. — An einer Grammatik, die den hoheren Anforderungen der Wissenschaftlichkeit entsprache, fehit es den Englandern noch immer, so zahlreich auch die Klasse der sog. praktischeu Schulgrammatiken geworden ist. Eine der besten unter den letzteren ist auch in Deutschlaud erschienen, von Ha us si (Parch im 1812). 231 angenommen; die Sprache hat den angelsachs. Typus zwar bewahrt, ist aber eineder abgeschliffensten,an grammalischen Endungen armsten Sprachen uiiseres Sprachstammes. Die meisten urspriingl. deutschen Worter sind sogar zur Einsyl- bigkeit herabgesunken — wenigstens in der Aussprache, die hier allein massgebcnd ist. Diese hat sich von der Schrift sehr weit entfernt und so den deutiichen Beweis geliefert, vvie schnell die Sprache eines geschichtlich und litterarge- schichtlich bedeutenden Volkes herabsinken kann. Auf dem Festlande ist das Angelsachsische verschwun- denj die meiste Verwandtschaft mit ihm findet sich bei den niederdeutschen Dialeclen des Continents. Dem Alt- nordischen und Angelsachsischen zunachst verwandt ist das F rie sische*), das sich von den ubrigen niederdeutschen Mundarten wesentlich unterscheidet. Das Altfriesische ob- wohl nur durch Denkmaler bekannt, welche der Zeit nach den mittelhochdeutschen zur Seite stehen, zeigt doch da- rin eine ungleich altere, der althoehdeutschen ziemlich nahe Stufe. AIs West- Nord- und Ostf'riesisch beherrschte es ein ausgedehntes Gebiet am JYordrande Deutschlands, zwi- schen Khein und Elbe und nordiich vom Ausflusse letzterer; seitdem es unter Holland, das eigentliche Deutschland und Danemark gefallen, horte seine Befahigung zur Schrift - sprache auf; gegenwartig lebt es nur noch als Volksidiom nicht einmal iiberall im genannten Gebiete und zwar soil es in Westfriesland am meisten gesprochen werden ; in Oslfriesland und den vorliegenden Inseln erfreut es sich *) Wiarda, altfriesisches Worterbuch. Aurich und Bremen 1786. — He Mem a, proeve van een friesch en nederlaudsch woordenboek Leuvvard. 1833. — Outzen, Glossar der friesischen Sprache, besonders der uordfriesischen Mundart. Herausgeg;. v. Eogelstoft u. Molbech. Kopenh. 1837. — v. Richthoven, altfriesisches Worterb. Gott. 1840. — Bask, Frisisk sproglaere , Kopenh. 1825. Hollandisch von Hettema Leuward. 1832. Deutsch v. Buss, Freiburg 1834. 232 noch cines grosseren Gebietes, wahrend besonders das Nordfriesische am wesllichen Kiistenrande Schleswigs und den beiiachbarten Iuseln sehr zusammengeschmolzen ist und fremdc Elementc aufgenommeu haben soil. Das Uebrige, was noch der ersten Ordnung germani- scher Sprachen zufallt, lasst sich unter dem Namen Nie- deutsch zusammeufasscm Es gehort hierher das Nie- derlandische (von den Eingebornen selbst nederduitsch genanut) und das IV i e der deu ts che in engerem Sinne, das nicht zu Holland und Belgien gehorige Niederdeutsch. Das Niederlandische, erst in verhaltiiissmassig spater Zeit als Mittelniederlandisch in der Litteratur auftretend, bliiht jetzt als hoi land is ch *) und als Vlamisch oder Flam- la n disc h**), beide, namentlich das Letztere in Dialecte ge- schieden ; ersteres im Alleinbesitz seines Gebietes, letzteres mit dem Franzosischen ringend , oder vielmehr ihm unter- liegcnd, da die Hoffart modernen Wesens in jenen Landen und die damit zusammenhangende Ignoranz wenig geeig- net ist, den angestammten Dialect mit inniger Warme zu lieben und gegen die eindringende fremde Modesprache zu vertheidigen und so auszubilden, dass er einen Kampf mit ihr mit Ehren gewinnen kann. Hollandisch und Vlamisch ist eine und dieselbe Sprache, die Orthographie beider *) Kramer Nieuw Neder-Hoog-Duitsch en Hoog-Neder-Duitsch Wordenboek, zuletzt v. Titius 1784 und melirere neuere. — van Jaarsveldt theoretisch practische und vergleichende hollandische Sprachlehre fur Deutsche, Amst. 1838 u. zahlreiche andere v. Bilderdijk, Fleischauer, Otto u. s, w. **) des Roches, An vers, 1816—24. — Boone, Hazebrouk 1841, — li n ge r Malines 1842, dictionnaire flamaud-francais et franc, flam. u. a, — des Roches, nouv. grammaire franc, et flamande Anv 1826. — Heiderscheid vlaemsche spraekkunst, Me- cheln 1843. 233 Dialccte weicht indessen in manchen Stiicken von einan- der ab. „Was nach ausscheidung der fricsen und niederlander zwischen Rhein und Weser , Weser und Elbe an gebiet ubrig bleibt, fallt der sachsischen sprache zu, ohne dafs es thunlich ware Westfalen und Sachseii rein zu scheiden. alle quellen der altsachsischen sprache aus dem heidnischen Zeitraum sind versiegt; in den ersteti jahrhunderten nach der bekehrung entsprangen unter den sachsen wol noch grofsere dichtungen, von welchen sich ein einziges be- wahrt hat (Heliand), aus dessen ausehnlichem u id fang hauptsachlich die regel der Sprache erkannt werden muss ; gering sind andere uberbleibsel. Dies altsachsische mag etwa zwischen Minister, Essen und Kleve zu haus gevvesen sein, es hat anklange an das niederlaudische, und entfernt sich, bei mancheu ahnlichkeiten, doch bedeutend vom augelsachsischen. fiir die jiiugere zeit konnte die benennuug sachsisch beibehalten werden, schiene nicht an- gemessen, sie mit der allgemeineren niederdeutsch zu ver- tauschen." — ^ Unter mittelniederdeutscher sprache muss alles verstanden werden, was von mittelhochdeutscher und mitielniederlandischer abzusondern, ohngefahr auf dem boden entspruugen ist, wo heute die pi attd euts che volks- mundart waltet". Altsachsisch , Mitteluiederdeutsch und Plattdeutsch *) sind somit verschiedene Altersstufen (zum Theil auch specielle Mundarten) desselben Dialects. Das Piattdeutsche *) Schmeller, glossarium saxonicum e poeraate Heliand etc. col- lectum cum vocabulario latiuo-saxonico et synopsi grammatica. Moaach. efc Stuttg. 1840. — Versuch eines bremisch-niedersachsi- schen Wdrterbuchs, herausg. vou der breinischen deutschen Ge- sellschaft. Bremen 1767-71. — Vollbeding kurzgefasstes Worterbuch der plattdeutscheu Mundart. Zerbst 180b'. 234 umfasst jenes Gebiet, das uberhaupt als das des sachsi- schen Dialects ist bezeichnet worden. Die zum Theile dem Niederdeutschen angehorigen Dialecte in den den Slawen abgewonnenen ostlichen Gegenden des nordlichen Deutsch- lands mogen hier als secundare Erzeugnisse bloss erwahnt werden, anch hochdeutsche (sogenannte mitteldeutsche) Dialecte werden von gerraanisirten Slawen gesprochen. Durch bestimmte Lantgesetze geschieden von den bis- her behandelten Sprachen ist das Hochdeutsche. Vieles, so z. B. die Erhaltung des im Gothischen eingebiissten In- strumentalist spricht dafiir, dass das Althochdeutsche schon in einer der Bliithe der gothischen Sprache gleichzeitigen Periode in gesonderter Existenz bestanden habe. Die Laut- verschiebung selbst jedoch hat sich nach Grimms*} Dafiir- halten ,,so viel beim abgang der sprachdenkmaler gefol- gert werden kann, kaum vor dem 5ten 6ten jh. hervorge- than. — im 8ten 9ten jh, hangcn fortwahrend einzelne worter der ersten verschiebung an, zum deutlichen beweis, dass jene 2te noch ziemiich frisch , und nicht allenthalben durchgedrungen war". Diess findet sich z. B. im Wes- sobrunner Gebet und im Hildebrandslied. Der neue Um- schwung in der Lautrotation, welchen das Hochd. erfahren hat, wird recht augenfallig besonders durch das allem Nie- derdeutschen im weitesten Sinne fremde % und s (sz) fiir urspriingliches /, durchgreifender Verschiedenheit im Vo- cahsmus u. s. w. zu geschweigen. Reich an Denkmalern von alter bis auf neueste Zeit lasst sich das Hochdeutsche hauptsachlich in drei Mundartcn, die schwabische, bairisch- osterreichische und frankische (sowohl ostfrankische als rheinfrankische) sondcrn. Diese Theilung gilt sowohl fiir das Althochdeutsche (vom 7ten bis ins lite Jahrh.) als fiir das Mitt el hoc hde u tsche (bis auf Luther); : ) Gescli. d. deutseh. spr. p. 483 f. 235 durch die Reformation kam die neu h ochd eutsch e Sprache, und zwar ein hochdeutscher Dialect eines von Slawen bevolkerten Gebiets zur Alleinherrschaft. Falsch- lich nennt man diesen u. a. heutige Dialecte Mitteldeutsch; es giebt kein Mitteldeutsch, denn entweder hat ein Dialect die zweite Lautstufe inne oder nicht, im ersten Falle ist er hochdeutsch, im zweiten niederdeutsch. Den Adel unserer Schriftsprache lieben slawische Gelehrte, vielleicht nicht ohne Grundy daher zu erklaren, dass er eben eine deut- sche Sprache im slawischen, sprachgeschickten Munde sei — Meissen bildete eiiien Theil des sorbischen Sprachge- biets — ahnlich wie der [taiiener den dialetto toscano in bocca romana fur den gediegensten halt. Verglichen mit seinen altereu Vorstufen, tragt das Neuhochdeutsche recht deutlich jene Spuren an sich, die die Geschichte den Spra- chen aufzudriicken pflcgt. Zumal ist die Verfliichtigung vollwichtigerer Vocale in e weit vorgeschritten , indessen steht es noch in grammatischer lieziehung hoch iiber dem Englischen, dem Nicderlandischcn und Danischeii dagegen ziemlich gleich ; wenn audi den vollen Orgelton der schwe- dischen Sell wester nicht von feme erreichend. Nunmchr siud sowohl die niederdeutschen als auch die von der Schriftsprache abweichenden hochdeutschen Dialecte zu Volksmundarten herabgesunken, deren sich die Litteratur bloss noch zu bestimmten Zvvecken bedient und aus deiieu die Schriftsprache hier und da erquickende Nahrung schopft. Beklagenswerth ist die principlose Schreibung der deut- schen Schriftsprache^ so wie der pedantische Gebrauch der Majuskel im Ai»laute der Substantive und die namentlich als Druckschrift ungefiige sogenannte deutsche Schrift- form. Eine nationelle Entfaltung der Deutschen wiirde auch diesem lastigen Unfuge gewiss ein baldiges Ende setzen ? indessen muss man mit den Wolfen heulen. Es ist im- merhin ein unschatzbares Gliick, dass so sehr verschie- dene Dialecte, wie die der Lander des deutschen Buiuies 236 sich zu einer Schriftsprache vereinigt habeu, wenn diese auch noch nicht alien Anforderungen gerccht sein sollte, 8. Ce]tische Familie. m Lange Zeit hindurch gall das Celtische als ein dera Indogermanischen fremder Sprachstamm , man fand in ihm einen Hauptrest der Aboriginerbevolkerung Europas und hielt es sogar fur verwandt mit dem Vaskischen. Diese Meinnngen beruhten indess nur auf Unkenntniss der betreffen- den Sprachfamilie und schwanden mit dieser*). Dass das Celtische, ebenso wie die bisher erwahnten Sprachfamilieii indogermanisch sei, und mit dem Vaskischen eben so we- nig Gemeinschaft habe, als die indogermanischen Sprachen iiberhaupt, unterliegt nunmehr auch nicht dem mindcsteu Zweifel. Das Celtische ist die am weitesten nach Westen vor- gedrungene Abtheilung des Indogermanischen, denn die erst in spaterer Zeit nach Island und in noch jungerer in die neue Welt verpflanzten indogermanischen Elemente kom- men hier nicht in Betracht, wo es sich um die uralte durch vorhistorische Wanderungen bedingte Gruppirung der Stamme handelt. Das Celtische erfreute sich im Alter- thume einer ungleich weiteren Verbreitung als jetzt, wo es nur noch als Volkssprache in sehr beschrankten Gebieten fortlebt, und mehr und mehr sich verliert, da die Celten nicht zu einer Nation vereinigt sind, sondern Theile von Staaten bewohnen, dereii Sprachen der ihrigen fremd sind. Celtisch wird nur noch gesprochen in fast ganz Irland 5 im ^) Pri chard, the eastern origin of the Celtic nations Oxf. 1831; — Pictet, de 1'affinite des laogues celtiques avec Ie sanserif, Par. 1837. — Bopp, iiber die celtischen Sprachen vom Gesichts- puokte der vergleichenden Sprachwissenschaft, in Abh. der berl. Acad. d. W. v. J. 1838 und besouders herausg. 1839. 237 iiordwestlichen Schottland und auf den Hebriden, auf den Inseln zwischen Irland und England J in Wales und auf dem Continents auf der bretouischeu Halbinsel (Bretagne), welche letztere zu Frankreich gehort, wahrend die iibri- gen Celten dem englischen Scepter unterworfen sind. ,,Ob der an armorischer kuste ansassige rest der gallier, dessen mundart der welschen nahe stent, i miner auf festem lande gehaftet habe, oder dorthin von der insel wieder eingezo- gen sei ? kann ungewis scheinen J da alle volkerbewegung vorwarts, nicht zuriick schreitet, trete ich lieber der ersten ansicht bci*)^. A Is westlicher Vorposten der Indogermanen hat sich das Celtische muthmasslich am ersten von dem gemein- samen indogermanischen Muttervolke losgetrennt und seine weite Wanderung angetreten, Daher hat auch diese Sprache unter alien am Meisten eigenthumliche Wege cin- geschlagen, wahrend wir bisher nur bei einzelnen Gliedern dieser und jener Familie einer vom gemeinsamen Typus mehr oder minder abweichenden Form begegneten. Ausser vielem Andern fallt in den celtischen Sprachen zumal der Wechsel auf, welchem die Anlaute in vielen Fallen un- terworfen sind; z. B. irland. colam Taube; Norn, an cholam die Taube, Gen. na colaime, Dat. dcPn cholam, gen. plur. na gcolatn u. s. f. Dieser Wechsel wird bedingt durch den Auslaut des vorhergehenden Wortes, der aber in der gegenwartigen Gestalt der Sprache oft schon verloren ist und nur in jener Wirkimg auf den Anlaut des folgen- den Wortes fortlebt, so wie auch Umlaute, an denen na- mentlich die galischen Sprachen sehr reich sind, oft fort- dauern, auch nachdem der den Umlaut verursachende Laut li'mgst abgeschliffen ist. Die Erklarung jener alien celti- schen Dialecten gemeinsamen Erscheinung ist also cine *) Grimm, gescli, d. deutschen spr. I. 165. 238 hochst schwierige; was bisher dafur geschehen ist, ver- danken wir Bopps genialcr Forschung. Die celtischea Spracheu zerfallen in zwei deutlich ge- sonderte Abtheilungen, deren jede drei Spracheu umfasst, namlich zwei Hauptsprachen und eiae weniger bedeutende Unterart. 1) Die cyrarische oder bretonische Abthei- lung; sie umfasst das Cymrische im cngeren Sinne oder Wallisische, C en g'isch Welsh, franz. Gallois genannt) die Sprache von Wales; das schon im vorigen Jahrhun- dert ausgestorbene Cornisch in Cornwales schliesst sich an das Cymrische zunachst an; ferner das Armorica- nische oder Bas-breton in der frauzosischen Bretagne. 2) Galische oder gadhelische Abtheilung; hierher gehort das Irische, die Sprache der eigentlichen Frlander, das Galische im engeren Sinne, die Sprache der Hochchot- ten, auch Erse genannt,, so wie der Dialect der Insel Man *). Der cymrische Zweig outers cheidet sich sehrbestimrat vom galischen. Wenn auch das Irlandische, also eine *) Ow e d, a dictionary' of the welsh language, to which is prefixed a Welsh Grammar. 2 voll. Lond. 1803. Die Grammatik ist auch besonders erschienen. — Wdrterbiicher von P u g h e, 2te Ausg. Lond. 1832; Richards, Lond. 1839 beide mit Grammatik u. a. — Legonidec, Dictionnaire celto-breton ou breton-franc^ais, Paris 1839. — Legonidec Grammaire celto-bretonne. Paris 1837. — O'R e il 1 y Irish-engl. dictionary, to which is annexed an Irish gram- mar. Dubl. 1817—22. — O'DoDovan^ Grammar of the Irish language, Dubl. 1845.— Kelly, a practical grammar of the an- cient Galic or language of the isle of Man Lond. 1803, Essex 1806. — Cregeen a dictionary of the Manks language, Dou- glas, 1835. — Dictionarium scoto-celticum, a dictionary of the Gaelic language etc. (galisch-englisch, lateiuisch-galisch u. eng- liscb-galisch), to which are prefixed an introduction etc. and a compendium of gaelic grammar. Compiled and published under the direction of the Highland society of Scotland. II vols. Edinb. and Lond. 1828. — Steward, elements of the Galic grammar, 2te Aufl. Edinb. 1812 u. a. 239 Sprache des galischen Zwciges, a!s die gilt, welche unter alien celtischen Sprachen die meisten alterthiimlichen For- men erhaltcn hat, so machen sich doch gerade im galischen Zweige, oft nur in der Aussprache, die von der Schrift ganz ausserordentlich, noch mehr als diess z. B. im Eng- lischen der Fall ist, abweicht, jene Lautentstellungen am meisten fiihlbar, welche im Laufe der Zeit in den Spra- chen einzutreten pflegen. Namentlich richtet das i und die ihm verwandten Laute (small, faibles genannt, im Gegen- satze zu den broad, fortes} arge Verwiistungen im Ge- biete der benachbarten Consonanten an; selbst die auf jene Laute folgenden Consonanten liegen im Bereichc dieser Wirkungen. Der Umlaut spielt ebenfalls vorziiglich hier eine grosse Rolle. Das Galische Schottlands, beruhmt als Sprache jener Gedichte, die Macpherson seinem Ossian zu Grunde legte, ist eine, im Vergleich mit dem zunachst ver- wandten Jrlandischen, neuere und jiingere Sprache. Die cymrischen Dialecte des Festlands und der Insel stehen sich sehr nahe, celtische Bewohner beider Gebiete verstanden sich in fruheren Jahrhunderteii wechselseitig und diess scheint noeh jetzt der Fall zu sein, da die Bibel in breto- nischer Sprache massenweise nach Wales ausgefuhrt vvurde. Dieser cymrischen, siidostlichen Abtheiluug fallen, so vveit sie iiberhaupt deutbar sind ? die unter dem Namen celfischer Worte von den Alten uns iiberlieferteii Reste des alteren Celtisch zu, aus der Zeit als die celtische Nation sich noch uber Gallien einen Theil Deutschlands und Spanieus u. s. w. erstreckte. Dass die Lautgesetze, welche die nordwest- lichen (galischen) Sprachen von den siidwestlichen (den cym- rischen) trennen, von alterem Datum sind, dass zu der Zeit, aus welcher wir die altesten Reste celtischer Sprache be- sitzen, die beideu Abtheilungen schon geschieden waren, scheint angenommen werden zu miissen, obgleich alte Sprachreste der Inselcelten uns abgehen. Wenn z. B. iu petorritum Cbei Varro und Horaz) aus petor und ritum 240 Vierrad , d. h. vierraderiger Streitwagen, vier durch petor wiedergegeben ist, so stimmt diess zu dem heutigen cymr. pedwar, armor, pevar, aber nicht zum irl. ceathair gal. ceithir, welches den urspriingl. anlautenden Guttural erhal- ten hat; dasselbe gilt vora folgenden Beispiele CDioskorides, ltes Jahrh. nach Ch., tieql vlr t g iaroixT^g, 4, 42: Tcevra- cpvXXov. 'Pcoficuoi xiyy.ecpoiiovi.i, Talloi TtsjUTtedovlce') pem- pedulcr, armor: pemp 9 cymr. pump funf, aber irl. u. galisch citig, fiiuf; dula aus cymr. ddl, dull irl. duille Blatt; also Fiinfblatt. Es ist nuu aber gegen alle Analogie anzuneh- men, dass die gauze Sprachfamilie zu jener Zeit iu jeuen Fallen/? fiir urspriiugliches k gesagthabe {petor, pemp wie TilavQEg, TiEfiits fur die alteren Formen quatuor und quinque, der Labial ist secundar) und spater ein Theil des Sprach- gebietes wieder zum Urspriinglichen zuriickgekehrt sei; vielmehr miissen schon damals diese Unterschiede bestan- den haben. Die iiberraschende Uebereinstimmung dieser und einiger auderen Beispiele mit den heutigen Sprachen giebt der Geschichte des Celtenstammes nicht wenig Stiitze und Halt. Ueber den Misbrauch, den die Celtomanen mit dem Celtischen getrieben haben und zum Theile noch treiben^ ist hier nicht der Ort des Weiteren zu verhandeln, nur so- viel sei bemerkt^ dass die sogen. malbergische Glosse ge- wiss nicht celtisch ist, wie Leo mit grossem Aufwande von Scharfsinn und Gelehrsamkeit darzuthun sich bemiihte, son- dern in deutscher, frankischer Sprache verfasst*). Kiinstliche Sprachen. Im Bisherigen haben wir das Gebiet der europaischen Sprachen durchmessen, die naturgemass, innereu Gesetzen *) Vrgl. Grimm gescli. d. >_ das andere, weiche, aus i entstandene durch _>_. Die sonstige Um- schreibungsweise bedarf wohl keiuer weiteren Erklarung. 246 Wort durch alle Dialecte hindurch zu verfolgen; meist wurde dem Russischeu der Vorzug gegeben. Der nothige Stoff fand sich besonders in Miklosichs trefflichem Wur- zelverzeichnisse und in Potts bahnbrechenden Untersuchun- gen meist vor. Im Anlaute koramen beide Laute nicht vor, da sie nur dann entstehen, wenn der Vocal mit einem vorhergehenden Consonanten verschmilzt, als Nachhall desselben noch fort- lebt. Wir haben jene Zeichen demnach nur im Inlaute und im Auslaute zu betrachten. Auslautendes ji. . Grammatische Endungeo. Norn. Masc. auf_n_ entspricht den Nominativen auf -as der verwandten Sprachen, seltner der uberhaupt nicht so haufigen Nominativendung -us ; z. B. sokol" lit. sakalas, falco : syn" lit. sunns, filius. Dieselbe Eudung _n_ gilt auch als Accusativ -am, -um z. B. sokol" lit. sakiifa, falconem; syn" Qsyna wird erst in der jiingeren Sprache als Accus. gebraucht) lit. sunu, filium. Gen it. plur. In alien Geschlechtern vertritt -" die urspriingliche Endung -am lit. -w, vor diesem -" zeigt sich der reine Stamm, denn -ov, ~uv u. s. w. sind urspriinglich nur Erweiterungen der U - Stammc, die in der spateren Sprache auch auf die von den U-Stammeu im Nominativ sing, nicht unterschiedenen A-Stamme iibertragen wurden : synov", slot", imen", nebes" , vod" n. s. w. fiir synov-dm, slov-dm u. s. f. Aus -dm wird nach slawischen Lautge- setzen zunachst -a, welches dann in -u iibergeht z. B. Endung der I. Pers. Sing. Praes. skr. -ami kls. -a neuere Dial, -u u. a.) dieses -u verfliichtigt sich dann weiter in -". Locat. plur. -ch" , sansk. -su; lit. -sa, -se; synovje-ch" lit. sunu-se, skr. sunu-suj ch entspricht hier, wie oft im Slawischen einem s der verwandten Sprachen ; so im Ao- 247 rist auf -ch'% griech. -occ skr. -sam\ snocha skr. snu'sa, nurus ; bV'cha lit. blussa, pulex; jucha, skr. jusa, jus; oucho lit. ausis, skr. ghosa amis; duch" lit. dussas, spiritus; russ. mucha lit. musse , musca ; russ. krocha, mica lit. krusza, grando u. a. D a t. plur. -;/i" lit. ursprung!. -wws (vgl. lat. -&ws) z. B. lit. mu-mus, ju-mus, nobis, vobis; gewohnlich in -ms verkiirzt, wie denn das Littauische iiberhaupt, noch mehr aber das Lettische, eineu Vocal vor schliessendera s aus- zustossen liebt. Also nam", vain", vodam" u. s. w. fur na-mus, va-mus, voda-mus; welche altere Form dieses lit - tauisch-slawische -mus voraussetzt, gehort nicht hierher. Pronomen, a«" lit. ass, beide Formen haben die urspriingliche En- dung -am (skr. aham, gr. lat. eg-on) verloren. — nas" vas" sds Locativ plur. == lit. mususe, jtisuse] als Gen. lit. musu, jusii; — Im Accusativ, fur welchen jene Formen ebenso im Slawischen.'wie die entsprechenden mus y jus im Littaui- schen, nos, vos im Lat,, nas, vas im Ski\ gebraucht wer- den, ist iiberall die Accusativendung -an abgefallen (Grund- form na-sm-dn) die im Slawischen doch durch deu Halb- vocal -" noch vertreten ist (jnasmdn, nasdn, nasu, nas^J. — of*" lit. anas, vgl. ov" zend ava. — /" als Norn t= litt. tas } als Acc=:/tf. — jeter\ aliquis skr. jalaras lit. katras uter. V e r b a m. I. Pers. Plur. - m" lit. - me, skr. - mas u. s. w, — A or ist L Pers. Sing, -c/*" s. o. — Supinum -/" lit. tu, skr. lat. -turn. — Part, praes: pass. -om" -em" lit. -amas. — Part, praet. act. -v" lit. -vus (in suk-da-vus) skr. -vans. Fern. skr. -«*'* lit. -vusi slaw. -v"szi (" fur u). Ueber das Part, praet. act auf -/" s. Abh. III. Auslautendcs " verse hicdener W6rter = lit. Nora, -as -us Ace. -a -u, c c be*" lit. be, sine, skr. bahis ; Das zl mag uns vielleicht 248 andeuten, (lass das skr. bahis urspriinglich einen anderen Vocal als i in der zweiten Sylbe hatte. — bob" 1 lit. puppet, faba. — bog" zend. u altpers. baga, skr. bhagas, venera- bilis. — bogat" lit. bagotas , dives. — ubog" lit. 2ttbagas, pauper. — 60s" lit. basas, non calceatus* — brat", bratr^ frater; in der ersten Form steht il. als Vertreter des r" der Endung -/r" die nach einem sehr durchgreifenden Laut- gesetze des Slawischen, demzufolge in derselben Sylbe die Vocale immer nach, nicht vor / und r stehen, aus dem -tar der vervvandten Sprache entsteht. In bratr'^ vertritt das _ll also ein a. Bas littauische brolis ist Diminutiv (fratello). — brod", vadum. Ein entsprechendes lit. bradas finde ich nicht , sondern brasta mit anderer Bildung von der beiden Spracben gemeinsamen Wurzel bredu slaw, breda. — b n dr" alacer, lit. budrus, vigil. — vjes daemon, lit- besas, diabo- lus. — velblad"*) lit. velbludas, camelus goth. ulbandus. — veczer" lit. vakaras, vespera. — vl"k" lit. vilkas, lupus. — voin v miles, lit. vainas, bellum. — vosk" lit. vaszkas cera. — vran" niger, lit. varnas, cor v us. — vr'ch" lit. virszus, ca- cumen. — vjetr" lit. vetra , ventus. — glas" lit. garsas, vox. — gotov" (bei Miklosich findet sich indess nur gotoviti) lit. gatavas, promptus, paratus. — gr"b" convulsio qua cor- pus retro flectitur, lit. grubbus, gibbosus; gr"bat" , gibbosus nach der Art der Partic. auf -/"= -las. — grob" lit. grabas, sepulcrum. — grjech" lit. griekas, peccatum. — s'^gyb", junctura lit. dvin-gubas duplex. — dvor" lit. dvaras, aula. — dVg" lit. (djilgas, longus. — droug" lit. draugas } socius, alter. — doucW spiritus lit. dussas , vapor. — dym" lit. dumai (plur. von dumas) fumus : — djed" avus; lit. dedas, sen ex. — £*V**3 lit. gyvas, vivus. — Qivot" lit. gyvata, vita. — {in" skr. anja; j scheint vor das n getreten zu sein.) — *) Mifc a und e bezeichnen vvir die beiden Nasenlaute des Kirchensla- wischen und Polnischen. ##) C steht fur polu. % ~ frauz. j. 249 v& lit. isz, ex, ungewisser Abstammung. — koV lit. kolas, pessulus. — zakon" lit. zokanas, lex. — £0//" lit. kalilus, ahenum, kessel. — kraC lit. kurtas, mal ; vices. — bohm. kren, polu. chrzan, lit* krenas, cochlearia armoracia. — fczw'- lit. kreivas, curvus. — prorok" lit. prarakas, propheta. — ' led" lit. ledasj glacies. — louk lit. lukai, (plur.) allium ; lauch. — lock" arcus. lit. lankas, ein Tonnen-Band (Mielcke), lenkti, curv^are. — /'#»" lit, linnai, linum. — list" lit. laksz- fasj laiszkas, folium. — med" lit. medus, mel. — mil" lit, mielas, misericors, gratus. — mir* mundus, pax ; lit. mie- ras(?J, mensura. — madr" lit. mudrus, prudens. — nag" lit. nogas, nudus. — nagV temerarius lit. niiglas, repenti- nus. — nov" lit. nau-jas, mit anderer Endung, besser ent- spricht skr. navas, griech. vs\-os, novus. — nos" lit* nosis mit i fur alteres a : nasus. — orH" lit. errelis, aquila. Auch hier i fiir «; ein im Littauischen, wie in anderu Sprachen, sehr haufiger Wechsel. — osH" lit. asilas, asinus. — ostr" lit. asztrus, acutus. — plav" lit. palvas, albidus, pallidus. — ploug" lit. plugas . aratrum. — pl"k'\ castra, lit. pitlkas, tumultus. — pl"n" lit. pilnas, plenus. — pol", dmidium, lit. in palu - dieriai , coena. — pogan" lit. pagonas , paga- nus. — prach" lit. parakas , pulvis. — pros?' lit. pra- stas , simplex. — pr^st^ lit. pirsz/as, digitus. — prjez 1 ' super; wohl litt. prieszais adversum. — poust" lit. pu- stas, desertus. — pjes"k" lit. peska, arena. — pap" lit. bamba, umbilicus. — rog" lit. ragas, cornu. russ. rozum 1 lit. razummas intellectus. — red'\ lit. redas, ordo. bohm urzdd, pol. nrzad lit. uredas, munus. — rab» pannus de- tritus, lit. rubas, vestimcntum. — bohm. polu. pan lit. po- nas, dominus. — bohm. posah poln. posag lit. pasagas dos. poln. pose\ lit. paslas, legatus. — bohm. hoden, poln. godzien lit. gddnas, dignus. - sapog" lit. sopagas, calceus. — svekr^ socer, lit. szeszuras, mariti pater. — svjet" lit* svetas, mundus, lux. — svet" lit. szventas , sanctus. — snjegv lit ; snegas, nix. — sokol" lit. sakalas, falco. — bohm. 250 © slul lit. stalas, raensa. — slam senex, lit. storas, crassus. — stl"p" lit. stulpas , columna. — souch" lit. sausas< siccus. — s" lit. sa, su, sa, skr. sam, cum. — s»n» lit. sapnas (im Slaw, fiel p aus) somnus. — syw> lit sunus, filius. — sylv lit. solas, satur. — syrv caseus lit. surus> salsus. — sjer" cinereus, Miklos. vergleicht bohm. sira litt. sera, sulfur. — sok» succus, lit. sakkai, resina> — Ivr'dn lit. tvirtas, firmus (slav. d fur /?) — licfi' lit. lykas, tran- quility. — tl"W lit. tulkas , interpres. — toh" fluxus lit. lakas, seraita, Wurz. lek-a lit. tek-u, fluo, curro. — bohm. truden (trudny) lit. Irudnas, molestus, pressus. — tr"g v lit. turgus, forum. — oum" lit. umas, mens. — choud" pau- per, lit. kudus, raacer. — chytr" lit. kylras astutus. — sztit" lit. skylas, skyda, scutum. — cjel" lit. czelas, in- teger. — czas" hora, lit. cziesas , tempus. — czist" lit, czyslas, purus. — szljem" lit. szalmas, galea. — jun" lit. jaunas, iuvenis. — bohm. mocen lit. macnus , potens. — pol. sad bohm. sand, lit. sudas iudicium. — Uch" litt. Lenkas, Polonus. — bohm. roven lit. r annas , par. — russ. grub" lit. grybas, fungus. — pol. bluzen scurra lit. bloznas, im- probus. — russ. Qid" lit. Cydas, judaeus. — russ. drozds" lit. strazdas, turd us. — bohm. pav lit. povas, pavo. — pol. dziiv lit. dyvas, miraculum. — russ. us" lit. usai, mystax. — bohm. dub lit. plur. dubai, quercus. — bohm. kabdt rock, lit. kobatas vestimentum muliebre. — pol. okret lit. akrutas, navis. — russ. jakor" lit. inkaras ancora. — russ. mramor" lit. marmoras, marmor. — bohm. mlyn, lit. main nas } mola. — russ. rube^" lit. rubeQus, conh'nium. — bohm. ril, nates lit. relas, lumbus. — russ. rjab^ lit. raibas, variegatus. — russ. brak'- mercium viliores reiectae lit. brokas, vitium, mendum. — russ. bohm. poln. sad" hortus lit. sodas, ar- bustum. — pol. sasiad bohm. saused lit. susedas vicinus — russ. kuzob" lit. kuzabas, sportula e cortice confecta, und eine Menge anderer. Fremde^ in beiden Sprachen ent- lehnte und solche Worter, die das Littausche erst spaten 251 nach der Trennung beider Sprachen aus dem Slawischen hcrubcrgenommen hat, sind hier mit angefiihrt worden , sie zeigen wenigstens auch, dass slawisches _^ dem littaui- schen as — us eutsprecbe. Fremde Worte versieht in den Fallen der Littauer mit -as, in welchen derSlawe h. anfugt z. B. russ. szilling* lit. szillingas, Schilling. — russ. sziper" lit. szipporus, Schiffer. — russ. szturm" lit. szturmas, Sturm. — russ. korob" lit. kurbas, lvorb. — pol. ster , styr lit* styras Steuer(ruder). — pol. sznur lit. sznuras, Schnur u. a. Inlautendes ii. k"to lit. kas, quis. — aP'k-ati lit. alkti, csurire, das Litt. hat den Vocal volligr ausg^estossen. — bV'cfia, lit. blussa, pulex. — br"nja vom deutschen brunja, thorax* — 6 J Vr" lit. budrus, vigil. — vr"k-ati sonum edere j lit. verkti, (? ) -plorare. — gr v b" convulsio qua corpus retro flectitur, gr"bat" gibbosus lit. grubbtts, gibbosus. — kr"k" lit. kaklas, collum. — d"ma skr. dam, flare lit. dumai , fumus. — d"szli lit. dukte, filia. — (^P't-jefi, flavescere lit. geltas, flavus. — &/'V lit. kraujas, sanguis skr. kravja, caro. — kr^cz'm-nica, lit. karczema, taberna. — lbk"f cubitus, lit. olektis. — pV-k" castra lit. pulkas, tumultus. — pVH" caro, lit. />a///sSpeckseite. — pjes^k" lit. peska, arena. — r"djeti rubescere; lit. rudiju, rubigine obduci. — r"L,da (aus r"dja) lit. rudis, rubigo. — stV'p" lit. sl\ilpas r columna. — s^pati lit. sapnoju, dormire. — s"n" (p ausgef.) lit. sapnas, som- nus. — s"fo skr. gata, exarov lit. szimtas , i aus a, centum — //"&" lit tulkas, interpres. tl"kovati lit. tulkoti, inter- pretari. — tr"g" lit. turgus, forum. — t"szf vacuus lit. tuszczias, vacuus, pauper. — czesn"k" lit. czesndkas, allium. — jab"lko lit. obolis, pomum. — In folgenden : vTna lit. vMnis, unda. — vl"na lit. v\lna } lana. — vV'k" lit. v\lkas, lupus. — dl"g" lit. (dydgas, longus. — 252 pV'n" lit. pilnas, plenus. — mP'%9. lit. me%u, mMszti, mul- g ere — entspricht /" dem litt. il. Vergleichen wir aber die entsprechenden wullen, wolle, skr. vrka (varka), puma, voll, mulgere, so erscheint audi hier das littauische i als nicht urspriinglich. Fur dl"g" zeigt zwar das Skr. dirgha, doch ist audi hier das i nicht wurzelhaft; die Wurzel ist drh und ein darhas ware die unserem dV'g" vollkommen entsprecheude Form. j^_ ist also auch in der" Mitte der Worter Vertreter eines a, u; in seltenen Fallen tiel es im Litt. aus, was in den neueren slaw. Dialecten oftjgeschieht, oder es entspricht ihm im e im Littauischen (e aus a ent- stauden; e dagegeii aus «'.). Auslautendes _l Graroniatische Eudungen. Instrum. Sing, masc. -m Q-m" ist spatere Ent- stellung) lit. -mi; synom? lit. sunumi. — Locativ der Pronominaldeclin. -irC lit. -me skr. -smin; ottom' lit. aname skr. asm'm. Ueberhaupt ist i (imen-i nebes-i u. s. w.) oder je Locativendung im Litt. u. Slaw. — Gen. plur. auf — ' der Worter auf -ja, vol' v. volja CWille) lit. vale] voV von volja wie vod'' aus voda; voV steht also ei- gentlich fur voV *'■ vgl. p. 246 czetyr 1 Gen. plur. vor czetyrije. Zahl worter: pet'' lit. penki; szesf lit. szeszi. sedirC © lit. septyni) ostn? lit. asztuni\ devst' lit. devyni, deset lit. deszimtis; Pronoraina. s* lit. Nom. szis Ace. s*2. — »V lit. vissas, skr. w'pt-a. Die Schwachung des auslauteuden « zu i (j_ steht, wahrend man jl. erwartet) ist dem Slawischen in diesem Worte eigenthumlich. Verbum. 1. Person Sing, -m' lit. u. and. indog. Spr. -mi; dam' lit. dumi. — 3t e P er s. Sing, -f (-/"ist auch hier spater) lit. u. s. w. -II 3te Pers. plur. -at', 253 -et' skr. u. s. w. -anti. Das Lit. hat diese Endung einge- biisst, es setzt die 3te Pers. Sing, fur alle 3 Zahlen. — Zur Uebersicht aller Personalendungen diene das Prasens der Wurzel jes d. i. as , es der ubrigen indog. Sprachen im Slaw. ; Litt. u. Sanskrit. Sing. jesm 1 lit. esmi skr. as mi. jesi(fuvjessi) essi asi (fur as si) jest' esti asti Dual. jesva esva (ajsvas jest a esta (ajsthas jesta — f^ajstas >!ur. jesm"" esme (ajsmas. jeste este (ajslha. Qejsaf — (jn)santi. Auslautcndes _l verse hiedener W6rter=Iit. -is, -ys, -jas, -e. dan' tributum lit. dun'is, donum. — lit. ez'\s, erinaceus. — jelerC lit. elms, cervus. — agV lit. unglis, carbo. — poln. z orav lit. gerve, grus. — russ. kaszeV lit. kosulys, tussis. — russ. kudeV lit. kodel'is, Rocken. — russ. roz' lit. ruggys, secale. — russ. kukoV lit. kukalei(P\ur.v. kukalis) agrostemraa githago. — russ. duren' stultus lit. durnes, hyoscyamusCTollkraut). — russ. djageV lit. degylei, angelica CPAanzennamen werden im Litt. meist im Plural gebraucht). — russ. skater? lit. skolerte, mappa, Tischtuch. — poln. hebel (I = V) lit. ebel'is, Hobel. — russ. kuf lit. kullys, saccus. — russ. droz ' lit. druggy s, febris. — russ. breden 1 lit. bradine, retium genus, u. s. f. Inlautendes > . JV lit. dlend, dies. — sr'd'-ce lit. szirdi-s, — cV lit. vis-' sas, omnis. — vr y ba lit. verbas, verba, salix. — vSb' lit. virve, funiculus. — vr'zcc lit. veru aperior ; otvr^sf apertus, |it. ahnrras. — v/'gcc, vrjeszti, jacere lit. vlrstu, v'xrsti ca- dere. — vrH-jeli lit. vcrcziu versti, vertere. — vr'ch" lit. virszus, cacumen. — dv'r 1 lit. durrys, porta (iiber das _*_ in der Wurzelsylbe s. o.) — des'n" dexter lit. desz'me dex- tra manus ; die Endungeu siud verschieden. — kr^cz^m- nica lit. karczema, taberna. — k^st-iti, lit. kr\kszt-iju u. s. w. baptizare. — Pg-^k" Hi. leng-vas. lcvis. — /V lit. I'mnaiy I'mum. — c^mr'P lit. smertis, (Inf* m\rti) mors. — irtgla lit. migla, o^ilylrj, nebula. — nCn-jeli, menu, cogi- tare f j d. i. i fiir « der anderen Sprachen). — m^na com- primere, terere lit. m'mnu z. B. linnus minli, Flachs bre- chen. — orT* errelis, aquila. — osH'* lit. asUas, asiuus. — oskr^d" instrumentum lapicidae, lit. k'irsti, caedere. — /wV 255 lit. plrmas, \at primus. — pr'st" lit. /rirastof, digitus. — cmr^- djeti lit. smirdeti, foedere. — cr'na lit. stlrna, caprea. — cr'/?'' falx lit. sirps/u lettisch z'irpe falx. — sfblnje lit. stem- brys, culmus. — st'klo lit. sliklas vitrum. — teVc' lit. tel- Ijczia vitulus. — tvr'd" lit. tvirtas , firinus, durus. — Vma tenebrae lit. t'imsau jaceo in tenebris. — cr'A'V, k'irche. — csrV lit. kirminis , vermis. — szr'sz - erC lit. sz'irsz - lys, crabro. — _l_ entspricht also einem litt. i, ie, e und stent, wie letzteres hier und da fur urspriingliches «; eine Ver- schiebung, die zu den gewohnlichsten Erscheinungen gehort. Einige der haufigsten Nominalendungen in deneo _n_ unci _l vorkommen, mogen hier noch eine Stelle find en j -V lat. -inus lit. ohne unci mil Bindevocal; napras-n" lit. nopros-nas frustraneus. — sad-nyi d^ri lit. sudna diena dies iudicii — poln. poboQny (fiir pobog^ny) lit. pabaQnas, religiosus. — russ. grivna bohm. hrivna (fiir -na~) lit. gri- vina eine Mark. -nik" lit. -ininkas, bohm. kniznlk iloctus aus knilvnik lit. knygininkas librarius — bohm. zemnik (zeninikT) solanum tu- berosum lit. £emiriinkas, rusticus — russ. rubeQnik lit. rubeQ- ninkas, incola contermini. — bohm. remesnik lit. remesninkas opifex u. a. -V lat. -icius lit. -(y J czius ; ko up' [c- bohm. kupec,\\L kup- cziuSj mercator. — bohm, chlapec lit. klapczius puer. — poln, strzelec lit, strelcziusj Sagittarius -/e/V lit. feminin. telly czia vitulus. -li\ -ek der neueren Dialecte : lit. -ikas lat. icus\ russ. k»rolek" lit, karalikas, cuniculus. -"£" -0A: der neuer. Diall. skr- -aka, uka; czesn-"k" lit. czestiakas, aWnim, pjes"k'\ russ. pesok" lit. femin. peskd arena. -sk" Wi.-iszkas2i.li, pru?iszkas,ho\'\\§s\cx\§', leluv-iszkas lituanicus; lenk-iszkas polouicus; vyr-iszkas, virilis; kun- iszkas, corporeus; von Prusas, Leluva, Lenkas, ryras, ku- nas ; wie vjet- ^sky fabulose von vjet"; djeoicz- sW virgineus fiir djevic-sk" von djevica u. a. 256 -ost> X\l.~yst& deutsch -st (kunst, gunst, brunst, niederd. ankomst, inkomst) in beiden Sprachen in haufiger Auweii- dung z. B. chytrosf lit. kytryste, Tsyvt]. -ar' > lat. -arius lit. -oms fur -orius, -orias z. B. oltar' lit altorns, altare — cjesar 1 lit. cecorus. caesar — poln. szklarz (fur sztklar%)\\t. stiklorus — poln. lekarz lit. lekorus schwed. Id- kare und viele Andere. Das slawische _l_ ersetzt hier keineswegs ein u, sondern im Littauischen ist das ursprung- liche i ausgefallen oder mit dem folgenden u verschmolzen. So finden wir auch sonst wohl im Littauischen u, wo wir -ja- erwarteten und wo das Slawische j_ hat z. B. mecz' lit. meczus gladius — peszV lit. peczns, fornax — poln. pytel lit. pytlus, sacculus — russ. kiseV lit. kisselus . puis. — Wie uberall, so entspricht auch in diesen Endungen j_ einein i, _z_ dagegen einem urspriinglichen a oder w. II. Ueber das Supinum iin Slawischen. Bekannllich findet sich in den alten Resten slawischer Sprache ausser dem Infinitiv noch ein Supinum, dessen Bedeutung mit der des Supinum auf -turn im Latein iiber- einstimmt; d. h. man setzt es nach Verben des Gehens und der Bewegung z. B. pride, w"sz d", izidoste vidjeV er kam u. s. w. zu sehen u. a*). Der Form u. zum Theile der Be- deutung nach entspricht der Inf. auf -turn im Skr. Der ei- gentliche Infinitiv dagegen endigt sich immer auf -ti, und verliert dieses i im Ksl. nirgends. Derselbe Unterschied gilt fur das Altbohmische (vgl. Schafariks altb. Gramm.) z. B. pTijide videt; p,ue\ sudit kam zu richten u. a. ; die *) Man findet Beispiele bei Dobrowsky in den lnstt. und besonders in Wostokows Ostromir. evangelie im grammatischen Anhange pg. 25. f. 257 Infinitivendung -ti vvird nur hier und da in V r ersen in -/ v zusammengezogen. Diesen Unterschied bcwahren noch die Slowenen (vgl. Kopitars Gramm. d. Slavvischen in Krain, Karnten, Steiermark) und Kroaten (Dobr. Institt. p. 645), Polcn ? Russen und Serben haben ihn eingebiisst z. B. Matth. XFj 7> ks!. czego vidjet" izidoste, warum seid ihr herausgegangcn zu sehcu; russ. (Leipzig, Tauchnitz 1839) czego smotrjeV (d. i. -tj l9 fur die lnfiiiitivend. -ti) chodili vy) poln. (Leipz. Tauchu. 1845 nach der Danziger Ausg. v. J. 1632 u. der Konigsberger Ausg. v. J. 1738.) cos cie wyszli widziec (ganz w ' e iVa Russ.); das Serbische um- schreibt dagegen mit da und d. Verbum finitum (Leipz. Tauchnitz 1838.) czto ste izlazili da vidite. Auch im Boh- mischen schwand aus der gewohnlichen Umgangssprache dieser Unterschied fast ganz; ich erinnere mich auch nicht ihn bei verschiedenen Dialecten des JVlahrischen in der Con- versationssprache beobachtet zu haben. Man braucht ge- wohnlich die kurze Form des Infinitivs auf -/ oder bei den Mahren auch wohl auf •*/*, wie im Russischen und Polni- schen, fur beides, Infinitiv und Supinum. Unterrichtete Schriftsteller unterscheiden daffegen stets; man sagt z. B, ° V on sel hledatj er ging zu suchen, aber muze hledati er kann suchen*). Diese Formen konnte man leicht fur abgekurzte In- finitive halten. Allein gerade in den altesten Denkmalern der slawischen Sprache, so im Ostromirischen Evangelium, dem Glagolita Cloziauus etc. finden wir nirgends ein i in >* verwandelt, sondern stets in _!_; erst in der spatereu Sprache (Russisch z. B.) wo ^ nur die Abwesenheit ci- *) In der bohmischen Bibeliibersetziing (1831 sine loco) lese ich ub- rigens die oben beispielsweise angefiihrfce Stelle des Malthaeus: co ste vysli videti ebenso im N. T. Presb. 1814. Wie es sich in den alten Ausgaben verhalten mag, weiss ich nicht, sie stehen mir leider hier nicht zu Gebote. 17 258 nes Endvocals bezeichnet, finden wir jl. auch fur alteres i d. h. mit anderen Worten, i wird ganz ab£eworfen. Und gerade die altesten Reste habeu jenes Supinum in regel- massigem Gebrauche. Eriimern wir uns an den Werth, den wir in der vorhergehenden Untersuchung fiir ksl. _zl gefunden haben: _^i ersetzt stets einen harten Laut C«, 0, u) oder eine Endung, die eine solchen Laut euthielt (ws -?//«, -as, -ani). Wenden wir diess dort gefundene Kesultat auf unseren Fall an, so ergiebt sich, dass -/'' nimmermehr fiir -ti aber wohl fiir das -turn der verwandten Sprachen ste- hen kann, Cwie syrf fiir sunus und siinum) und nunmehr stimmt auch das dem Slawischen zunachst stehende Lit— tauische vortrefflich zu dem Slawischen ; denn dieses hat fiir den Infiuitiv, wie das Slawische, die Endung -ti, fiir das Supinum aber die Endung -tu ; z. B. lit. jeszkoii si. iskati, quaerere, aber lit. jeszkotu si. iskat", quaesitum; lit. gd- tawas esmi taw sluzyti bohm. z. B. ho tow jsem tobe slou- ziti (in diesem Satze entspricht sich Wort fiir Wort in beiden Sprachen) aber lit. ateis suditu gyivu ir namirrusu bohm. prijde soudit, Cksl. sadit") zive a mrtve. Diese En- dun«f -tu declinirt sich bekanntlich im Lateinischen und Sanskrit, wie auch die in den anderen indogerman. Spra- chen zur Bildung von Nomin. abstract, gebrauchte Endung -ti, welche im Littauisch-Slawischen den Infinitiv bildet. Im Littauisch-Slawischen sind dagegen beide Endungen in gleicher Weise nicht declinirbar. Dem Sinne nach ist lit. -tu si. -/" ein Accusativ. Nunmehr vergleichen sich die verwandten Sprachen auf das Schlagendste, z. B. skr. agamat pd-tum, lat. ibat pota-tum, lit. ejo ger-tUj sL ide pi-t". Schliesslich ist noch einer wirklichen Ausnahme von dem bisher erorterten Gebrauche beider Formen Erwahnung zu thun, die sich allerdings schon in einer der altesten Haudschriften des Kirchenslawischen findet. In dem Falle namlieh, dass die lufinitivendung -ti ohne Bindevocal an 259 die consonantisch auslautende Wurzel tritt, und mit dem aus- lautenden Wurzelconsonanten durch den Einfluss des i die zetacistische Verschmelzung in szt eingeht, wird statt des Supinums wirklich der abgekurzte Infinitiv gebraucht. Im Ostrom. Evang. findet sich iibrigeus nur ein solches Bei- spiel v"nide obleszf Luc. 24, 29, er ging hincin zu bleiben; ob-leszV v. d* Wurzel leg ; -szV fur -gti. In diesen Fallen hatte man eben das alte Supinum bereits vergessen. Es sind diess aber Ausnahnisfalle, die gewiss der altesten Ge- stalt der Sprache fremd waren ; findet sich ja doch auch schon im Ostrom Evang. hier und da der voile Infinitiv feh- lerhaft statt des Supinums gcbraucht. Wer das Altsla- vvische kennt, namlich eben das Altslawische, wie es uns selbst in den altesten Handschriften factisch vorliegt, der vveiss recht wohl, dass wir in ihm eine Sprache haben, die das Alte, Urspriiuglichc oft nur in Spuren aufbewahrt hat, und in welcher unorganische und organische Neuerungen schon eindfingen. Spatere Handschriften sind vollends voll von jiingeren Formen. Ich erinnere beispielsweise nur an den Gebrauch von _^ und ^_, von ou und a, der sich nur in den altesten Denkmalern und auch da nicht einmal ohne alle Ausnahme in organischer Weise vorfindet. Solche einzelne Ausnahtnen, einzelne jiingere Spracherscheinungen, selbst in den altesten Sprachresten stossen aber keineswegs die durch die uberwiegende Zahl der Falle und durch die Ana- logic der verwandten Sprachen fest begruudete Kegel urn. Das Supinum auf -V ist ein Russicismus und wie vielen Russicismen begegnet man nicht in den in Russland ge- schriebenen ksl. Handschriften? Demnach stehen wir nicht an, der slawischen Sprache das Supinum zu vindiciren, so gut als ihren Schwester- sprachen, dem Littauischen, Lateinischen, Sanskrit, mit welchen sie uns urn so ahnlicher erscheint, je genauer wir sie mit ihnen vergleichen. 260 III. Ueber einige Participial form en im S la wi sen en. I. Par tic. praes. act. Grundform ist -ant skr. tu- dant] litt. sukanl gr. tvtztovt, lat. legent, u. s. w. Diese Grundform, den Lautgesetzen gemass ins Sla- wische iibersetztj gabe fur dieses die Form -at oder -et uud diess liegt in der That den wirklich vorkommenden Formen zu Gruude. Im Nomiuat. Masc. ist das auslau- tende / abgefallen, und da das Slawische iiberhaupt auf das Nomiuativzeichen s verzichtet, so bleibt nur -an in der Gestalt von -€ iibrig: glagolj-e , redend, le^-s liegend u« s. f. Dieser auslautende Nasenlaut wird aber in einigen Verbalklassen noch welter abgesohliffen ? namlich zu -y : nes-y tragend; bei diesen Nominativen ist die Grundform aus dem Sprachgefiihle ganzlich geschwunden, denn man bildet von ihnen die definite Form ganz nach Analogie der anderen Adjectiva: glagolei, nesyi\ diess und manches Andere lasst schliessen dass das antretende Pronomen erst in einer verhaltuissmassig spaten Epoche der Sprache mit dem vor- gehendeu Worte zu einem Worte zusammenschmolz. In unserem Falle z. B* fand die Verschmelzung erst dann statt, als in Formen wie nesy die bedeutende Abschleifung der Endung schou eingetreten war, denn sonst wurde vor je- nem Zusatze * die voile Form des Starames sich erhalten haben. Aber bei beiden Formen uuf -s u. -y tritt die voile Grundform hervor, so wie ein Vocal anlritt, d. h. in sammt- lichcn Cass, obliqu. das Siugul., im ganzen Dual und Plu- ral des Mascul. und im ganzen Femininum. Nur muss bemerkt werden, dass vor alien Endunsren das auslautende -/ des Stammes erweicht wird; d. h. das Slawische hangt dem Stamme ein i oder j an, Laute, die im Slawischen iiberaus hautig auch da erscheiuen, wo sie die Schwester- sprachen nicht aufweisen; diess speciell slawische Thema 261 ist demnach ~antj, das -/ schmilzt dann mit dem -J nach der Regel zu szt zusammen. Die Declination ist naturlich die der Adjectiva: Masc. Gen. Sing, demnach unbest. nesaszta, best, nesaszlaago u. s. w* Das Femininum bil- det sich wie im Sanskrit nnd Littauischen auf i t lautet also nesaszti, bis auf die im Slawischen nothwendige zetacis- tische Veranderung des -t und die Verwandlung des an in a die entsprechenden Formen im Sanskrit (tudanti) und Lit- tauischen (jsukanti) vollstandig deckend. I. Part, praeter. act. auf I. Diese Form ist dem Slawischen eigenthumlich. Sie wird gebraucht urn in der Verbindung mit dem Ilulfszeitwortc jesn/C Tempora und Modus zu umschreiben. Beispiele : glagolaY\ byV\ rekV nesV\ vinci\" von glagolati sprechen, byti sein , reszti sagen, nesti bringen, vz/?a#winden) etc. Bopp und Andere halten dieses -1" fem. -\a ueutr -lo, also einem skr. -las -Id -lam, lat. -lus -la -lum u. s. w. entsprechend, fur iden- tisch mit der Eudung des part. pass, -tas, -toq, -tus der ubrigen indogerm. Sprachen; dieses Participium auf -tas verliert allerdings haufig die passive Bedeutung und be- halt nur die der Vergangenheit, alleiu dieser Annahme stehen folgende Griinde entgegen. 1) Slawisches 1 eutspricht, so viel ich weiss, nie einem / der verwandten Sprachen, hochstens lasst sich der Uebergang von d in / im Bereiche der lettoslawischen Sprachfamilie mit Beispielen belegeu, litt. wienolika, dvylika eilf, zwolf. etc. fiir -dika. 2) Ge- setzt auch dieser Uebergang von / in 1 ware statthaft, so konnte diess doch nur die Falle erklaren , in wel- chen vor -1 ein Vocal vorhergeht. Tritt diese Eudung aber an consonantisch auslautende Verbalstamme an, so wiirde die so entstehende Consonantengruppe den ur- spninglichen Laut bewahrt und vor einer Erweichung durch- aus geschiitzt haben. In nes\" z. B. ist es rein unerklar- lich, warum die beliebte Consonantengruppe st im voraus- zusetzenden nest", eine der allerfestesten in den Sprachen, 262 in die viel seltuere si verwandelt worden sein sollte. Wur- zeln vollends, die auf Dcntale auslauten , miissteu uach slawischer durchgreifender Regel vor dem -t der Endung ihren Dental in ~s verwandeln (wie diess regelmassig im Infinitiv etc. geschieht, z. B. pasii, fallen v. pad, westi fah- ren von wed, jasti, essen v. jad, czisti lesen v. czity, das Participiura praet. konnte nur past" u. s. w. lauten. Vor -/ dagegen fallt im siidostlicheo Slawisch (vgl. Pg« 200 f.) der Dental regelmassig aus, daher heisst im Kirchenslaw. das in Rede stehende Particip der eben angefiihrten Zeit- worter: par, iveV\ jal" cz^li (Plural masc.) im westlichen Slawisch dagegen pad\ wed\, jed\, czet\. Nimmermehr konnten diese Formen entstehen aus vorauszusetzendem padt" u. s.jj eine solche Annahme widerstrebt ganz und gar den Lautgesetzen der Sprache. 3) Die Formen auf -1 ha- ben niemals und nirgends passive Bedeutung, uuerklarlich, iveiio diese urspriinglich yorhauden gewesen ware. 4) Jenes Participium praet. pass auf -las, also slaw. -/" kommt wirklich neben jenem part, praet. act. im Slawischen vor, z. B. pit" getrunken, viV gewunden, neben piV\ vinctl" ; jesm? vinvA" heisst : ich habe gewunden, jesiri* vit" dage- gen : ich bin gewunden. 1st somit die angefiihrte Erklarung der in Rede ste- hende Form entschieden irrig. so muss freilich eingestau- den werden, dass eine entsprechende Erscheinung in den Schwestersprachen, selbst in der littauischen Sprache, vergebens gesucht wild. Ich betrachte daher diese Parti- cipialbildung auf -/" als eine dem Slawischen eigeu- thuraliche ; die auch in den ubrigen Sprachen gebrauch- liche Adjectiv- und Nominaleiidung auf -las -hog u, s. w. ist hier im Slawischen in dieser speciellen Bedeu- tung gebraucht worden, wie im Littauischen und Slawi- schen in ganz ahnlicher Weise das weiter unten zu be- sprechende -mas. Diese Ansicht hat Pott. (Etym. Forsch. II. 469) bereits ausgesprochen und wohl mit Recht; er 263 stellt z. B. ein skr. bhawila (being, existing) mit dem slaw. byl" zusammen. Die Bedeutung des Praeteritums hat frei- lich diese Endung in den anderen Sprachen nicht, hier geht eben das Slawische seinen eigenen Weg. II. Par tic, praet. act. auf -v" fem. v* v s%i\ — " fern. _>j_sz£ Im Sanskrit entsprieht der Endung des Part, praet. act. -0", fem. -v"szi z. B. ftiv n 9 fern. biv^szi geschlagen habend, von bi-U schlagen, von welcher wir, als von der voltaren, ursprunglicheren auszugehen haben, die Endung -vans Norn. masc. -van, fem. -us'i*, im Sanskrit tritt diese Endung regelmassig an den reduplicirten Stamm: lutudvans (gestossen habend) v. d. WurzeUtfrf, bisweilen auch, wie im Slawischen, welches die Reduplication iiberhaupt einge- biisst hat, an den nicht reduplicirten, so z. B. vidvans, mid vans r. vid, mih und einige andere. Im Nomin. masc. ist von der Endung nur -p" iibrig geblieben; _n_ vertritt hier ein alteres -a (aus ati). In der Bildung des Fe- mininum schlagt das Slawische sammt dem Littauischen einen etwas anderen Weg ein, als das Sanskrit. Wahrend skr. aus -vansi durch Ausslossung des n und dann auch des a regelrecht -us'i entsteht, bildet das Littauische aus -vss (in suk- da- ves, -da- ist das angeschmolzeue Hulfs- verbum) durch den sehr haufigen Wechsel des e mit u das Femininum -vusi welches das slawische -v"szi vollstan- dig wiedergiebt (_ii_=w; sz=s das folgende i bewirkt die Vergroberung des Zischlautes). Doch das Slawische ver- kiirzt diese Formen noch weiter. Nach consonantisch aus- lautenden Verbalstammen namlich fallt auch das v ab, und bleibt bloss das _ll also red", f. ved^szi, gefuhrt habend, rek", rek"s%i gesagt habend. Endigt der Verbalstamm auf -j d. i. _i_, so wird das _^_ nicht geschrieben, wie wir ja in Anh. I. noch anderen Fallen begegueten, wo _u_ fiir -j steht d. h. wo urspriinglich nach einem j noch «, u : o oder eine Endung stand, die im Slawischen durch ^_ wiedergegeben zu werden pflegt, also z. B. ro£d' fem. 264 rot ) d > s%i erzeugt habend (Wurz* rod, Stamm rodi-ti er- zeugen); die Hauptstufen des Ueberganges sind hier also etwa: rodfve, rodjvuszi; rodp , rodfszi] roQd? , roQd'szi. Neben diesen Formen bestehen aber auch die volleren ; wenn namlich das auslautende i des Prasensstammes als Vocal bleibt, so wird auch v nicht abgeworfen und wir erhalten die Form rodiv", rodiv"szi. Die Declination dieses Participiums entspricht der des Part, praes. act. Auch hier muss das Pronomen, welches die bestimmte Adjectiv- form bildetj erst spat angeschmolzen sein, denn vor dem- selben stehen die stark verkiirzten Formen und nicht die vollstandigeren der iibrigen Casus : also bi-vyi der geschla- gen habende, vedyi der gefiihrt habende, ro^dii der ge- zeugt habende. Wie im ganzeo Femininum, so tritt auch in alien Casus desMascul. ausser dem Nomin. Sing, das ur- sprungliche s der Endung -vans wieder hervor, aber eben- so wie oben das -/ von -ant durch ein beigegebenes j ze- tacistbch zu sz vergrobert; also unbest. : Gu. bi-v^sza ved^sza, ro^d'sza ; best, biv^szaago u. s. w. Aus der Endung des Femininum -v'szi haben sich die polnischen indeclinablen Formen auf -wszyz. B. przeczytawszy vorgelesen habend, us\yszawszy gehdrt habend, gebildet. In diesen fasste das Sprachgefuhl das -szy als Endung auf und man hing dieses -szy bei consonantisch auslau- tenden Verbalstammen auch an das Particip auf -1 und bildete so Unformen wie z. B. napad\szy, aufgefallen seiend 5 tiplot\szy geflochten habend. Es ist diess einer der haufi- gen Falle von falscher Analogie; das Polnische geht iiber- haupt in Vielem seine eigenen Wege und ist wohl der am individuellsten entwickelte slawische Dialect. Die Parti c. praet pass, auf -f\ und -w", letzteres an consonantisch auslautende Stamme (hierzu gehort z. B. auch bij-a ich schlage) mit dem Bindevocal e angehangt, sind kiar. V r on ersterer Form war oben schon die Rede; die Form auf -#", z. B. nesen* getragen, glagolan* ge- 265 geredet, eutspricht bekanntlich dem deutschen -en; skr, -na u. s. w. Das Part. pass, praes. auf m» mit Biudevocal nes-o-m" v. nes-ti tragen } ma£e-m" fur mazjem v. mazati, salben, glagolj-e-m" 1 v. glagolati, reden, volim' v. voli-ti, wollen u. s. f. entspricht vollkommen dem gleich- bedeutendea Part. pass, praes auf -amas , -omas -imas im Littauischen , z. B. suk-a-mas gedreht werdend. So haufig auch -mas, -{tog, -mus und ahnliche Endungen, de- ren hauptsachlichster Theil m ist, in den verwandten Spra- chen zur Wortbildung gebraucht werden, so ist doch der Gebrauch dieser Enduug als Bezeichnung des Part. pass, dem lettisch-slawischeu Sprachgebiete eigenthumlich. Im Littauischen bildet dieses -mas, an das Tliema des Futurum gehangt, auch ein obsolet gewordenes Part. pass. fut. ? z. B. jeszkosi-mas, der gesucht werden wird ? an den durch angehangtes da (deti, ponere) ervveiterten Stamm desVerbi gefiigt, bildet jenes -mas ein Part, praes. oder Imperf. Activi im Littauischen, z. B. jesz-koda-mas der sucht od. suchte u. s. w. Diese Partt. pass, auf -/" -n n und m n wer- den wie gewohnliche Adjectiva behandelt. Register Abchasisch 101. 102—103. Atlerbidschanisch 69. Aethiopisch 122. Afghanisch od. Puschtu 130. Afrikanische Sprachen 35. Agglutinirende Sprachen 8. f. 14. 57-112. Albanesisch 36. 1 38— 143 Altaische Abtheilung der tatari- rischen Spraclieo 65. Altfriesisch 231. Althochdeutsch 27. 220 f. 234. Altnordisch 228 f. Altpersisch (Keilinschriften) 129. 130. Altpreussisch s. Preussisch. Altsachsisch 233. Altslawisch s. Kirchenslawisch. Amerikauische Sprachen 35. 58. Analjtische Sprachen 18. Anamitisch 35. 45. Anatolisch 69. Aogelsachsisch 230. Araber 122. Aramaisch 32. 122. Argot 242. Arische Sprachen 125. Armenisch 130 ff. Arnioricanisch 238. Arnautisch s. Albanesisch. Attischer Dial. d. Griech. 135. Australieo, Sprachen v. Austra- lien uud Polynesien 31. Bairisch - osterreichische Muod- art 234. Barmanisch 34. 35. Bas- Breton 238. Baschkireo 68. 69. Baskisch s. Vaskisch. Batschka 211. Bodrizer 218. Bohmisch s. Tschechisch. Bosnien 2t 1. Bretooische Sprachen s. cjinrische Sprachen. Bulgarisch 205—210. Carthager 32. Castilisch 166. Catalonisch 166. Cualdaisch 32. 122. 267 Chiuesisch 11. 19. 35. 40—56. Churwalsch 186-187. Celtisch 36. 125. 143. 236—240. Cornisch 38. 238. Cree-Sprache 60. Cymrisch 238. Cymrische Sprachen 238. Oacorornanisch s. Walachisch. Dalmatien 211. Danisch 16. 229. Dekhauische Sprachen 27. 34. Derbendisch 69. Deutsche Sprachen 219 ff. Digoiischer Dial, des Ossetischen 131. Dorischer Dial. d. Griech. 135. Dorptscher Dial. d. Estnischen 78. Drewauer 219. JSgyptisch 35. Einsylbige Sprachen 7 f. 14. 34. 40—56. Einverleibende Sprachen 57—60. 103. 104—112. Englisch 16. 20. 26. 230 f. Erse s. Galisch. Estnisch 33. 78. 80. Efruscisch 146. Euskarisch s. Vaskisch. Fionisch 33. 36.78.81—85.101. Finnische Sprachen 33. 75—99. Flamlandisch 232. Flectirende Sprachen 9 f. 14. 113 -242. Frankische Mundart 234. Franzosisch 20. 179—185. Fu-hiaug, Dial, des Chines. 48. CJaiicisch 166. Galisch (Hodischottisch) 238. Galische Sprachen 238 f. Gallois s. Cymrisch. Gaunersprachen 241, Georgisch 99. 100. 101 f. Gergo 242. Germania 242. Germanische Sprachen 16. 219 —236. Gotliisch 220 ff. 227 f. Griechisch 38. 125. 132 ff. Griechische Familie 134—143. Grosspolnisch 214. Grossrussischer Dialect 204—205. Guipuzcoanischer Dial, des Vas- kisch en 104. Ilaiduken 80. Hanakisch 216. Haotyrka 241. Hebraisch 32. 122. Herzegowinisch CSerbisch) 211. Hindi, Hindustani 127. Hinterindische Sprachen 34. 35. Hollaudisch 232. Horakisch 216. Iberischer Sprachstamtn 100. 101. Iliyrisch 201. 210—212. Indische Sprachen 125. 126.neuere indische Sprachen 126* ff. Indogerman. Sprachst. 32. 37.1 17 ff. Inguschen 103. Ionischer Dial, des Griech. 135. Irauische Sprachen 129—137. Iron s. Ossetisch. Isiandisch 1Q % 228 f. ItaJienisch 163—166. •lakutisch 32, Japanisch 35. 45. Jazygen 80. Juden 122. Judendeutsch 242. Malmukisch 65-66. Kamtschadalen 35. Karabulak 103. Karakalpakisch 69. Karatschai 68. 69. Karntnisch 212. Kasan'sche Tataren 37. 68. 69. Kaschubisch 214. Kaukasische Spr. 34. 61. 99—403. Kircbenslawisch 201. 206—209. Kirgisisch 33. 37. 68. 69. Kleinrussischer Dialect 204. 205. Kolchische Sprachen 102. Komanisch 69. Korutanisch s. Slovenisch, Krainisch 21 2. Krewingisch 79. Krimm 68. 69. Kroatien, serb. Dial. 211. Kroatisch 201. 212. Kuan - hoa 48. Kuan-tung (Canton) Dialect des Chines. 48. Kumanen 80. Kumiicken 68 69. Kunstliche Sprachen 240. Kurdisch 130, Ku •*• wen 48. Iiabortanischer Dialect des Vas- kischen 104. Ladinischer Dial. d. Churw. 187. Lappisch 33. 36. 78-79. 80. Lateinisch 38. 125. 132 ff. 144 ff. Lausitzisch s. Sorbenwendisch. Lazisch 99 f. 101. 102. Lechisch s. Polnisch. Lesgisch 103. Lettisch 27. 192—193. Lettische Sprachen 125.188—193. Lettisch-slawische Spr. 187—219. Lingua rustica od. vulgaris des Latein 151 ff. Littauisch 16. 188—192. Liwisch 79. Magyarisck 33.79-80. 86-99.101- Mahrisch 216. Malayische Sprachen 31. 34. 36. Maltesisch 32. 122. Mandschu 32. Manx 238. Masnrisch 214. Meschtscherjakisch 68- 60. Miugrelisch 101. 102. Mitteldeutsch 235. Mittelhochdeutsch 234. Mitteluiederdeutsch 233. Mizdschegen 103. Mongolisch 32. 65—66, Montenegro 21 1. Mordwinisch 77. Moskowitischer Dialect 204. Reubulgarisch 209 f. Neugriecliisch 38. 136 — 138. Neuhochdeutsch 235. Neupersisch 26. 130. Niederdeutsch 232 f. Niederlandisch 232. Niederlausitzisch 218. Nogai 68—69. Nordfriesisch 231. Nordisch 228 f. Norvvegisch 16. 230. ©berlausitzisch 2l8. Obotriten 219. Olot 65—66, Oskisch 146. Osmanli-Tiirkisch 26. 33. 37. 67. 69—75. Ossetisch 27. 130. Ostfriesisch 231. Ostjakisch 75. Pali 126. Peking, Dial, des Chinesischen27. PeJasgische Sprachen 125. 132-187. Permisch 76. Persisch 125. 129 f. 269 PhoDicisch 32. 132. Plattdeutsch 233. Polabisch 38. 20l. 2)8 f. Polnisch 201 212-214. Portugiesisch 169 — 172. Prakrit 126. Preussisch 38. 192 f. Proveuzalisch 172 — 179. Provenzalischer Dial. d. Franz. 185 Puschtu od, Afghauisch 130. Razen, Raschzen, Kaschanen 211. Revalscher Dial. d. Estnischen 78. Rhatoromanisch 186 — 187. Romanische Spr. 16. 38. 144—187. Romenisch s. Walachisch. Rotwalsch 241. Rumelisch 69. Rumoiiischer Dial. d. Churvv. 187. Russisch 201. 203-205. Sachsisch 233. Samojedisch 33. 75. Sanskrit 27. 126. Schamaitisch, Dialect des Litt. 192. Schkipetarisch s. Albanesisch. Schwabisch, Mundrt.d. Hochd. 234 Schwedisch 16. 229. Sernitischer Spraehstamm 32. 37. 101. 118—122. Serbisch 201. 210 f. Siamesisch 35. Siberische Tiirken 33. 60. Sicilianisch 164. Slawische Spr. 16. 125. 194— 2l 9. Slavonien 211. Slowakisch 216. Slovenisch 201. 212. Sorbenwendisch 201. 217. f. Spanisch 166—169, Steierisch 212. Suanisch 100. 101. 102. Suomisprache s. Finnisch. Synthetische Sprachen 17. Syrisch 32. 122. Syrjanisch 76. Syrmien 211. Szekler 80. Tagaurischer Dial, d. Osset. 131, Tataren v. Kasan 68. Tataren ira eng. siune, Tiirken irn russs. Reiche 67 ff. TatarischerSprachst. 32-34. 61-99. Thiroki 58-60. Toscaubcher Dial. d. Italien. 164. Tsehagataisch 69. Tschechisch 201. 214— 217. Tscheremissisch 77. Tscherkessisch 101. 102. Tschetschenzen 103. Tschudische Spr. s. finnische Spr. Tschuktschen 35. Tschuwaschen 68. Tubetisch 34. Turkische Sprachfarnilie 32 f. 36. 37. 67—75. Turkomannen 33, 69. Tungusisch 32. Ugriscb 75. Ugrische Spr. s. finnische Spr. Uigurisch 33, 69. Uuibrisch 146. Ungarisch s. Magyarisch, Ural-altaische Sprachen s. tata- rische Sprachen. Uralische Abtheilung der tatar. Sprachen 65. Ursprache, allgemeine 29 f. 121. indogermanische 124 f. Usbekisch 69. Vaskisch 31. 34.36 58. 104—112. Vizcajischer Dialect des Vaski- sch en 104. Vlamisch 232. I 270 Wagrer 219. Walachisch 27 f. 154. 185. 18 ( Walachisch (mahr. Dial.) 816. Wallonisch 185. Wasserpolakisch 214. Weissrussischer Dialect 204. 205- Weleter 219. Weodiseh s. Soibeuweudisch. Welsh s. Cyrnrisch. Westfriesisch 231. Windisch s. Slovenisch. Wogulisch 75. Wotjakisch 76. Zend 130. Zigeunerisch 127—129. * 1 44 i. *1 «* ^ >\.i^%% 1>\.£H.'. *c V3PV V • «••* > ••» >■• .•&$• %/ •; >*..ii^. « C *£fe- - ^^X«*4feX<* Hr *** *sMy3*. ^-v :JfS|k: Tr -ilia •. ^** .\ v* Pi*" ^ ^fc VW!* x** ^^ **^ Deacidifiedi • * 6*" ^> *« • * * *«u Trea,men,c using the Bookkeeper process, agent: Magnesium Oxide Date: June 2006 *• ^ PreservationTechnologiesf A WORLD LEADER IN PAPER PRESERVATION ^ 4 111 Thomson Park Drive ^* yj_r Cranberry Township, PA 16066 ^V % »^ A <>> *" n <^ (724)7792111 i v . t • ©^ **/ * *« *•«*•' «*"«< * aV ^ • %,. .. # ** a 4q* : 9*ft. »' March April >:♦ •* ^ ft ^ 4Va'- ^ ^ ** '- ^ -<* ^.^ «»