Received Sss^ LIBRARY UNIVERSITY OF CALIFORNIA. ; EINLEITUNG IN DIE MODERNS CHEMIE. EINLEITUNG IN DIB MODERNE CHEMIE, NACH EINEB REIHE VON VORTRAGEN GEHALTEN IN DEM ROYAL COLLEGE OF CHEMISTRY ZU LONDON VON AUG. WILH. HOFMANN, Doctor der Philosophic , der Medicin und der Rechte, Mitgliede der Akademie der Wissenschaften in Berlin und der Royal Society in London, Correspondenten des franzosischen Instituts , der Akademien zu Amsterdam, Munchen, Petersburg, Turin, Wien etc. etc. Prasidenten der Berliner und Viceprasidenten der Londoner chemischen Gesellschaft, und Professor der Chemie an der Universitat Berlin. VIERTE AUFLAGE. LIBRA R Y DIVERSITY OF CALIFORNIA. " A BRAUNSCHWEIG, DRUCK UND VERLAG VON FRIEDRICH VTEWEG UND SOHN. 1869. SEINEM FREDNDE GUSTAV MAGNUS W ID MET DIESE V OUTRAGE DEIi VERFASSER. V R R E D E. JJas Biichlein, welches diese Vorrede in die Welt ein- fiihren soil, bedarf nur weniger Worte mit auf den Weg. Als derYerfasser im verflossenen Friihling aus lang- jabriger Wirksamkeit in London ausschied, urn auf der Berliner Hochschule einen Lehrstubl derChemie zu iiber- nehraen, wurde ihm von seinen Schiilern der Wunsch ausgesprochen, er moge den Cyclus von Vorlesungen iiber Experimental chemie, welchen er seit geraumer Zeit fiir die Eleven der Englischen Bergschule in dem Boyal College of Chemistry alljahrlich gehalten hatte, in ihrer letzten Form veroffentlichen. Diesem Wunsche seinem ganzen Umfange nach zu entsprechen, haben die Ver- baltnisse nicht gestattet. Neue Lebeusaufgaben waren mittlerweile an den Verfasser herangetreten, welche alle seine Krafte in Anspruch nahmen uncl ein gleichzeitiges weitschicbtiges Unternehmen wie die Redaction einer aus- viii . Vorrede. gedehnten Reihe von Vorlesungen ausser Frage stellten. Unter diesen Umstanden sah sich derselbe veranlasst, nur' das Manuscript der zwolf ersten Vorlesungen, welche als Einleitung in das Studium der Chemie gelten konnten, fur den Druck umzugestalten, eine Arbeit, welche durch die werth voile Mitwirkung seines Freundes, des^Herrn F. 0. Ward, wesentlich erleichtert und abgekiirzt wor- den ist. So entstand ein kleines , unter dem Titel : Intro- duction to Modern Chemistry, Experimental and Theoretic zu Ende vorigen Sommers in London erschienenes Bucb, welcbes nunmebr aucb ein deutscbes Gewand angenom- men bat. Bei der Veroffentlichung dieser deutschen Ausgabe bat der Verfasser zunacbst seine eigenen Zuhorer an der Berliner Universitat im Auge gebabt. Die gewaltige Umwalzung, welcbe die cbemiscben Anschauungen wahrend der letzten Decennien erlitten ha- ben, ist eine vollendete Tbatsache; allein dieser von Allen anerkanuten Thatsache wird im Interesse des Unterrichts bis jetzt nur von Wenigen und in sebr beschranktem Maasse Rechnung getragen. Die Literatur des Lernenden, zumal in Deutschland, ist von diesem Umscbwunge der Dinge bis jetzt nur gelinde beriibrt worden, und der Lehrer, welcber den neueren Ansicbten und der sie wieder- gebenden Ausdrucksweise in seinen Vorlesungen gerecbt werden will, findet sich oft in grosser Verlegenheit, wenn er nach alien Seiten bin mit der traditionellen Darstel- lung chemiscber Vorgange im Widerspruche erscheint. Vorrede. ix Sollte die deutsche Ausgabe dieser n Einleitung", in wel- cher der Verfasser die experhnentalen Grundlagen der gegenwartigen chemischen Anschauungen darzulegen ver- sucht hat, seinen Schulern einigen Nutzen gewahren, so 1st der unmittelbare Zweck derselben reichlicb erfiillt. Vielleicht ist aber auch in weiteren Kreisen dem Einen oder dein Andern mit dem Buchlein gedient. Schliesslich bemerkt der Verfasser, dass er, um den Vorlesungen das Geprage der Bedingungen zu bewahren, unter denen sie entstanden sind, anfangs nur eine deutsche Uebersetzung derselben beabsichiigte. So ist denn, zumal in der ersten Halfte, Manches steheu geblieben, das in einer deutschen Bearbeitung hatte wegfallen konnen. In den spateren Theilen ist er aber seinem urspriinglichen Plane raehr und mehr untreu ge- worden, und die letzteii drei Vorlesungen stimmen nur noch in der allgemeinen Anlage mit der englischen Aus- gabe iiberein. Berlin, 1. Februar 1866. AUG. WILH. HOPMANN. VORWORT ZUR ZWEITEN AUFLAGE. Diese neue Auflage konnte als ein unveranderter Ab- druck des kleinen Werkes gelten, wenn nicht manche Unebenheiten , welche dem Verfasser von befreundeter Hand in der ersten Ausgabe angedeutet worden sind, verschwunden waren. Einigen Verbesserungen in Wahl und Handhabung der Apparate, welche sich bei wieder- holter Anstellung der in den ersten Vortragen beschrie- benen Versuche ergeben haben, ist in der neuen Auflage gleichfalls Rechnung getragen worden. Im Uebrigen ist das Biichlein unverandert geblieben. Berlin, 1. April 1866. A. W. H. VORWORT ZUR DRITTEN AUFLAGE. Die ,,Emleitung in die moderne Chemie" erscheint heute in dritter Auflage. Der Verfasser hat dieselbe auf dem Titel als eine umgearbeitete bezeichnet, und wer sich die Miihe nahme, das vorliegende Buch mit der letzten Ausgabe zu verglei- chen, wiirde diesen Ausdruck wohl gereclitfertigt finden. Die ersten Vortrage, welche von den Fundamentalver- suchen handeln, brauchten allerdings nur umkrystallisirt zu werden; allein die spateren, in denen der experimen- tale Erwerb theoretische Verwerthung findet, sind in der That umgeschmolzen word en. Auf den ersten Blick konnte es freilich seltsam scheinen, dass eine Reihe von Vor- lesungen, welche ganz eigentlich in dem Boden des That- sachlichen wurzeln, nach so kurzer Frist, und ohne dass die Entwicklung der Wissenschaffc durch irgend welche ausserordentliche Entdeckungen in unerwarteter Weise beschleunigt worden ware, eine so wesentliche Umgestal- tung hatte erheischen sollen. Der Grund ist gleichwohl ein naheliegender. Der Verfasser glaubt sich nicht zu tauschen, wenn er die freundliche Aufnahme, welche sein Buchlein gefunden hat, zum grossen Theile der Sorgfalt xii Vorwort zur dritten Auflage. zuschreibt, rnit der er bestrebt gewesen ist, den didak- tischen Anforderungen des Gegenstandes gerecht zu wer- den. ImSiime dieser Auffassung musste sich bei erneuter Durchsicht die Aufmerksamkeit nicht sowohl dem StoiFe selbst als derVerarbeitung desselben ftir die Zwecke des Unterrichtes zulenken, und es braucht kaum angedeutet zu \verden, dass die Umbildung, welche die Vortrage er- fahreii haben , ausschliesslich die Dar^tellung der Tliat- sachen betrifft, dass aber eine solche Umbildung, falls sie uberhaupt versucht \\urde, auch nicht auf halbem Wege stehen bleiben konnte. Auf einige der wesentlicheren Umgestaltuugen mag hier noch besonders hingewiesen werden. Schon in den friiheren Auflagen hatte der Verfasser die Erfahrung be- tont, welche ihm die Anlehnung der chemischen Symbole an absolute Werthe wiinschenswerth erscheinen lasst. In der voriiegenden Ausgabe hat er die Symbole von Haus aus an die Gewichte eines concreten Normalvolums ge- bunden, eine Form der Darstellung, welche dem Lernen- den das walire Verstandniss der chemischen Formel- sprache nicht wenig erleichtern diirfte. Mit dieser Var- an derung, Hand in Hand, geht eine andere. Wie friiher, so auch jetzt, sind es die Gasvolumgewichte der Ele- mente, aus denen das Buch gieichsam hervorwachst. Allein dieVolunigewichte sind doch imrner nur die Vor- laufer der Verbindungsgewichte, um deren Erwerb fiir den Aufbau des chemischen Lehrsystems es sich zu- nachst handelt. Der Verfasser halt mitVorliebe an dieser Form der Darstellung fest, welche den Begriff des Verbin- Vorwort zur dritten Auflage. xin clungsgewichtes, bis zu gewissem Grade wenigstens, aus der Anschauung zu entwickeln gestattet und den Lernen- den schon frlihzeitig und eindringlichmitderBestimmung der Volumgewichte, dieses machtigsten Bundesgenossen fiir die Ermittelung der Verbindungsgewichte, vertraut macht. Der Yerfasser verkennt andererseits die Klippe dieser Darstellungsweise nieht. Der Lernende begegnet gleich auf der Schwelle derWissenschaft zweiReihen von Werthen, deren Glieder entweder zusammenfallen oder doch in einfachster Beziehung zu einander stehen, und die Gefahr liegt nahe, dass sich beide Reihen in seiner Auffassung nicht scharf genug von einander abheben. Diese Gefahr hat der Verfasser in der neuen Bearbeitung moglichst zu beseitigen gesucht; zu dem Ende ist er vor Allem besorgt gewesen, den Uebergang vom Volumge- wichte zum Verbindungsgewichte recht klar zu Tage tre- ten zu lassen, und er hat, um diesen Zweck zu erreichen, selbst das ausserliche Mittel nicht verschmaht, beide Rei- hen von Werthen durch unterscheidende Symbole darzu- stellen. Mit dieser Wahl besonderer Symbole war es mog- lich, beide Werthe weit bestimmter als friiher auseinander zu halten, denn es fand nunmehr das jeweilige Vorwalten entweder des einen oder des anderen Werthes in der Betrachtung schon typographisch einen unverkennbaren Ausdruck. Auch konnte iiber die wahre Bedeutung der Volumgewichte der Elementargase fur die Entwicklung des chemischen Lehrsystems kein Zweifel mehr obwalten. Die Volumgewichte erscheinen als was sie wirklich sind, namlich als Stiitzen fur den Aufbau der Verbindungs xvi Vorwort zur vierten Auflage. aus denen, so hofft der Verfasser, die den gegenwartigen chemischen Auffassungen zu Grunde liegenden Funda- mentalerscheinungen mit grosserer Scharfe hervortreten sollen. Allein auch den theoretischen Abschnitten hat der Verfasser, nach verschiedenen Richtungen bin, eine pra- cisere Fassung zu geben versucht. Er gedenkt schliesslich mit Dank der werthvollen Hiilfe, welche ihm Herr Gustav Kramer, Assistent an dem hiesigen Universitats - Laboratorium, bei Ausbildung der neuen in dieser Auflage beschriebenen Versuche ge- leistet hat. Berlin, 1. April 1869. A. W. H. H A L T. I. Seite Wasser seine Zersetzung durch Kalium und Natrium das ent- wickelte Gas, Wasserstoff. Haupteigenschaften des Wasserstoffs sein Volumgewicht. Weitere Wasserstoffquellen. Salzsaure und Ammoniak in Wasser gelost als Gase entwickelt. Trocknen der Gase. Haupteigenschaften der Salzsaure und des Ammoniaks. Zersetzung derselben . durch Kalium und Natrium. Absonderung des Wasserstoffs. Processe und Apparate. Gewohn- liche Darstellung des Wasserstoffs 1 II. Einwirkung des elektrischen Stromes auf die Salzsaure, das Wasser, das Ammoniak. Elektrolyse der Salzsaure. Entwicklung einer Mischung von Wasserstoff und Chlor. Absonderung des Chlors. Haupteigenschaften des Chlors. Riickbildung der Salzsaure aus Wasserstoff und Chlor, daher der Name Chlorwasserstoff. Analyse und Synthese. Elektrolyse des Wassers. Entwicklung einer Mischung von Wasserstoff und Sauerstoff. Absonderung des Sauer- stoffs. Haupteigenschaften des Sauerstoffs. Ausscheidung des Sauerstoffs aus dem Wasser durch das Chlor. Synthese des Wassers aus Wasserstoff und Sauerstoff. Elektrolyse des Ammo- niaks. Entwicklung einer Mischung von Wasserstoff und Stickstoff. Absonderung des Stickstoffs. Haupteigenschaften des Stickstoffs. Ausscheidung des Stickstoffs aus dem Ammoniak durch das Chlor. xvnr Inhalt. Seite Directe Synthese des Ammoniaks aus seinen Elementen bis jetzt unausfiihrbar. Beweise fiir die Zusammensetzung des Ammo- niaks. Einfache und zusammengesetzte Stoffe. Tabelle der Elemente 18 III. Zusammengesetzte Korper. Volumverhaltniss und Verdichtung der Bestandtheile in denselben, veranschaulicht durch die volume- trische Analyse des Chlorwasserstoffs, des Wassers und des Ammo- niaks. Chemische Verbinduug im Gegensatze zu mechanischer Mischung. Unterscheidende Kennzeichen derselben durch Versuche nachgewiesen. Zersetzung des Chlorwasserstoffs durch Natrium- amalgam. Trennung der elektrolytisch entwickelten Bestandtheile des Chlorwasserstoffs durch Jodkalium. Wiedervereinigung derselben durch Belichtung. 2 Vol. Chlorwasserstoffgas enthalten 1 Vol. Wasserstoff und 1 Vol. Chlor. Trennung der Bestandtheile des Wassers durch Elektrolyse. Wiedervereinigung derselben durch den elektrischen Funken. 2 Vol. Wassergas enthalten 2 Vol. Wasser- stoff und 1 Vol. Sauerstoff. Zerlegung des Ammoniaks durch Chlor. Bestimmung des durch ein gegebenes Chlorvolum aus dem Ammo- niak entwickelten Stickstoffvolums. Zerlegung des Ammoniaks in seine 'Bestandtheile durch den Funkenstrom der Inductionsmaschine. 2 Vol. Ammoniakgas enthalten 3 Vol. Wasserstoff und 1 Vol. Stick- stoff. Gleichzeitige Zerlegung des Chlorwasserstoffs , des Wassers, des Ammoniaks durch den elektrischen Strom. Mischung und Ver- bindung der elementaren Bestandtheile des Chlorwasserstoffs und des Wassers. Constanz der chemischen Zusammensetzung. Ver- schiedenheit der Eigenschaften einer chemischen Verbindung von den Eigenschaften ihrer Bestandtheile. Bedingungen, unter denen mechanische Mischungen in chemische Verbindungen iibergehen . 47 IV. Chemische Symbole. Wesen und Bedeutung derselben. Graphi- sche Symbole, buchstaben- und zahlenfiihrende. Zusammenstel- lung derselben in Gleichungen. Daraus abgeleitete Formeln. Uebersicht der in chemischen Formeln enthaltenen Erfahrungen. Uebergang von den Symbolen und Formeln zu absoluten Volum- und Gewichtswerthen. Nothwendigkeit der Wahl eines Maass- und Gewichtssystems fiir die Einheit der auszudriickenden absoluten Werthe. Schwierigkeit dieser Wahl wegen Mangels eines allgemein Inhalt. Seite angenommenen Maass- und Gewichtssystems. [ Dieser Mangel ein Hemmniss fiir den Fortschritt der Wissenschaft im Allgemeinen. Das metrische System. Griinde fiir dessen Annahme. Darlegung seiner Ableitung und seines Nomenclaturprincips. Vergleichung mit dem Preussischen und Englischen Maasse. Wasserstoff-Liter- Gewicht oder Krith. Die Gasvolumgewichte der Elemente und ihrer Verbindungen, in Krith en gelesen, driicken die absoluten Gewichte von 1 Liter Gas bei C. und O m ,76 Druck aus . . . 91 V. Chlorwasserstoff, Wasser und Ammoniak als Typen chemischer Ver- bindungen. Brom und Jod, dem Chlor analoge Elemente. Bromwasserstoff und Jodwasserstoff. Ableitung derselben von dem Chlorwasserstoff-Typus. Schwefel und Selen, dem Sauerstoff ana- loge Elemente. Schwefel wasserstoff und Selenwasserstoff. Ableitung derselben vom "Wasser-Typus. Phosphor und Arsen, dem Stick- stoff analoge Elemente. Phosphorwasserstoff und Arsenwasserstoff. Vergleichung dieser Verbindungen mit dem Ammoniak. Weitere Entwickluug der chemischen Formelsprache. Chemische Formeln als Mittel der Classification. Veranschaulichung chemischer Vor- gange durch Formeln. Chemische Gleichungen. Uebertragung der chemischen Formelgleichungen in Gewichts- und Volumgleichungen 114 VI. Volumetrische und ponderale Auffassung der Materie. Kohlenstoff ein nicht vergasbares Element. Seine Wasserstoffverbindung, das vierte Glied in der Reihe typischer Wasserstoffverbinduugen. Griinde fiir die gesonderte Betrachtung desselben. Vorkommen des Kohlenwasserstofis in Siimpfen , daher der Name Sumpfgas in Kohlengruben , daher der haufigst gebrauchte Name Grubengas im Leuchtgas. Darstelluug. Charakteristische Eigenschaf- ten. Qualitative Analyse. Zersetzung des Grubengases durch Chlor unter Ausscheidung des Kohlenstoffs. Zersetzung desselben durch die Warme, Spaltung in die elementaren Bestandtheile. Die Synthese des Grubengases bis jetzt nicht direct ausfiihrbar. Fonnel des Grubengases. Symbolisirung des nicht vergasbaren KohlenstofFs. Verbindungsgewicht des Kohlenstoffs. Silicium, ein dem Kohlenstoff analoges Element. Seine WasserstoftVerbin- dung, das Siliciumwasserstoffgas. Wahrscheinliche Constmction desselben nach dem Grubengas -Typus. Verbindungsgewicht des xx luhalt. Seite Siliciums. Titan und Zinn, weitere dem Kohlenstoff analoge Elemente. Vergleichung der Verbindungsgewichte mit den Volum- gewichten. Verbindungsgewichte des Phosphors und Arsens. Einfiihrung der Verbindungsgewichte an Stelle der Volumgewichte in die chemische Zeichensprache 130 VII. Weitere Entwicklung der chemischen Zeichensprache. Bestimmung der Verbindungsgewichte der Elemente durch Untersuchung ihrer Chloride. Sauerstoffchlorid, seine Analogic mit dem Wasser. Phosphorchlorid und Arsenchlorid, ihre Analogic mit dem Phos- phor- und Arsenwasserstoff. Kohlenstoffchlorid und Siliciumchlo- rid, ihre Analogic mit dem Grubengas und Siliciumwasserstoff. Bestimmung der Verbindungsgewichte des Quecksilbers , des Wis- muths , des Zinns durch Erforschung ihrer Chloride. Verbin- dungsgewicht des Wasserstoffs. Betheiligung des Wasserstoffs und des Chlors bei der Bildung des Zweilitervolums ihrer Verbin- dungen in Multiplen der Verbindungsgewichte. Bromide und Jo- dide; Zusammenstellung derselben mit den entsprechenden Chloriden. Viele Brom- und Jodverbindungen nicht mehr iin gasfb'rmigen Zustande erforschbar. Anwendung der aus dem Studium gasfb'r- miger oder vergasbarer Kb'rper abgeleiteten Gesetze auf die Unter- suchung der feuerbestandigen Materie. Oxide und Sulfide, der Mehrzahl nach nicht mehr gasfdrmig erforschbar, gleichwohl nach Verbindungsgewichten oder Multiplen derselben gebildet. Ueber- gang von der volumetrischen zur ponderalen Forschung 154 vm. Verschiedene Methoden des Studiums chemischer Erscheinungen. Betrachtung des Besonderen im Lichte des Allgemeinen. Ent- wicklung des Allgemeinen aus der Betrachtung des Besonderen. Entscheidung fur die letztere Methode. Ihre Vortheile, ihre Nach- theile. Eiickblick auf die Entwicklung des Begriffs des Verbin- dungsgewichtes. Allgemeinere Auffassung dieses Begriffs. Man- nigfaltigkeit der Mittel fur die Bestimmung des Verbindungsgewichtes von Elenienten, welche fliichtige Verbindungen bilden. Wahr- scheinliches Verbindungsgewicht des Fluors. Die Verbindungs- gewichte von Elementen , deren Verbindungen feuerbestandig sind, nicht ermittelbar. Auffassung des Begriffes Ersatzgewicht. Be- stimmung der Ersatzgewichte des Natriums und Kaliums durch Unter- Inhalt. xxi Seite suchung ihrer Chloride, Oxide und Nitride. Darstellung der Ein- wirkung des Natriums und Kaliums auf Chlorwasserstoff, Wasser und Ammoniak in chemischen Gleichungen. Beziehung der Ersatz- gewichte zu den Verbindungsgewichten. Combination der Ersatz- gewichtsbestimmung mit der Verbindungsgewichtsbestimmung. Ersatzgewicht des Fluors. Gasvolumgewichte der Elemente als Anhaltspunkte fur die Bestimmung der Yerbindungsgewichte. Physikalische Hiilfsmittel fur die Bestimmung der Verbindungs- gewichte. Specifische Warme der Elemente. Bestimmung der specifischen Warme des Natriums und Kaliums, des Quecksilbers, Wismuths und Zinns, endlich des Silbers, Bleis, Golds und Platins fur die Ermittelung der Yerbindungsgewichte dieser Elemente. Krystallform der Verbindungen. Das eingehende Studium der physikalischen Hiilfsmittel spaterer Betrachtung vorbehalten ... 178 IX. Verhalten des Stickstoffs zu dem Sauerstoff. Salpetersaure ihr Anhydrid ihre Zusammensetzung ihre Zersetzung durch die Warme, durch Metalle durch Zinn, unter Bildung von Unter- salpetersaure durch Silber, unter Bildung von salpetriger Saure durch Kupfer, unter Bildung von Stickstoffoxid durch Zink, unter Bildung von Stickstoffoxidul. Charaktere dieser Producte. Sind dieselben chemische Verbindungen oder mechanische Mi- schungen? Erweiterung des Begriffes der chemischen Yerbin- dung. Yereinigung zweier Elemente in verschiedenen Yerhalt- nissen. Gesetz der multiplen Proportionen. Zweiliterformeln der Stickstoff-Sauerstoffverbindungen. Yerhaltnisse der Yolume fertiger Yerbindungen zu den Volumen ihrer Bestandtheile. Ele- mente, welche sich in verschiedenen Yerhaltnissen mit einander verbinden, haben verschiedene Ersatzgewichte. Die Ersatzgewichte des Stickstoffs aus seinen Sauerstoffverbindungen abgeleitet. Ungleiche Bedeutung der verschiedenen Ersatzgewichte eines Ele- mentes 205 X. Speculative Auffassung chemischer Erscheinungen. Hypothese und Theorie. Natur der Materie. Stan-er, fliissiger und gasf ormiger Zustand der Materie. Zusammensetzung der Materie. Mole und Molecule. Molare und moleculare Thatigkeiten in der M$- terie. Moleculare Anziehung, moleculare Abstossung. Molare xxii Inhalt. Seite und moleculare Theilung der Materie, erstere eine reale, letztere eine ideale Theilung. Anhaltspunkte fiir die Molecularspeculation. Verwerthung der Warmeerscheinungen im Sinne derselben. Wirkung der Warme auf die Korper. Latentwerden von Warme bei dem Uebergang vom starren in den fliissigen und vom fliissigen in den gasfb'rmigen Zustand. Ungleichmassige Ausdehnung starrer und fliissiger, gleichmassige Ausdehnung gasfb'rmiger Korper durch die Warme. Experimentale Demonstration des Verhaltens der Gase unter dem Einflusse gleicher Veranderungen der Temperatur und des Druckes. Begrenzte Theilbarkeit der Materie. Gleich- artigkeit der Molecularstructur einfacher wie zusammengesetzter Gase. Zusammensetzung der Molecule der Elemente wie der Verbin- dungen aus Atomen. Molare, moleculare, atomistische Construc- tion der Materie ; :. "'. . . .':. . 225 XL Verwerthung der chemischen Zeichensprache im Dienste der atomisti- schen und molecularen Auffassung der Materie. Symbolische Darstellung elementarer und zusammengesetzter Molecule. Die elementaren wie die zusammengesetzten Molecule durch Zusammen- treten von Elementaratomen gebildet. Zweiatomige, vieratomige und einatomige Elementarmolecule. Beziehung der Gasvolum- gewichte der Elemente zur Atomigkeit ihrer Molecule. Die uu- gleiche atomistische Construction der Elementarmolecule an Beispie- len erlautert. Graphische Zusammenstellung elementarer und zu- sammengesetzter Molecule. Beziehungen zwischen Atomgewicht und Moleculargewicht. Hypothetische Moleculargewichte nicht gasformig erforschbarer , elementarer oder zusammengesetzter Kor- per. Einfluss der molecularen Auffassung der Materie auf die Construction chemischer Gleichungen. Atomistische und mole- culare Schreibweise. Bildungsgleichungen und Zersetzungsglei- chungen im atomistischen und im Molecularstyl. Vortheile beider Style. Die chemischen Erscheinungen vom molecularen Stand- punkte aus betrachtet 247 XII. Weitere Betrachtungen iiber die atomistische Construction der Molecule der typischen Wasserstoffverbindungen. Unterscheidung zweier Reihen von Minimalgewichten der Elemente. Moleculbildende Mi- nimalgewichte oder Atonigewichte , atombindende Minimalgewichte Inhalt. xxin Seite oder Aequivalentgewichte. Die ungleiche Bindekraft, die ungleiche Werthigkeit (Quantivalenz) der Elementaratome geinessen durch die Zahl der Wasserstoflfatome, welche sie fixiren. Werthigkeits- oder Quantivalenzcoefficienten. Einwerthige, zweiwerthige, dreiwerthige, vierwerthige Elementaratome. Werthigkeit der Atome der typi- schen Elemente und ihrer Analogen in tabellarischer Uebersicht. Grundlage einer natiirlichen Classification der Elemente. Die ungleiche Werthigkeit der Elementaratome an Beispielen versinnlicht. Bildung der typischen Wasserstoffverbindungen. Zersetzung des Jodwasserstoffs, des Wassers, des Ammoniaks, des Grubengases durch Chlor. Zersetzung des Jodwasserstofis einerseits durch Chlor, andererseits durch SauerstofF. Uebergang einer Verbin- dung in eine andere durch Eintreten eines Atonies, je nach seiner Werthigkeit, an die Stelle eines anderen oder mehrerer anderer Atome. Die Volum veranderungen, welche bei diesem Uebergange stattfinden, veranschaulicht durch Vergleichung der Volume Chlor- wasserstoff, Wassergas, Ammoniak und Grubengas, welche aus einem gegebenen Volum Wasserstoff entstehen. Verbinden sich die Elemente nur in den durch die Werthigkeit ihrer Atome angedeu- teten Verhaltnissen ? Betrachtung der Stickstoff-Sauerstoffreihe im Sinne dieser Frage. Gleichwerthig und ungleichwerthig zu- sammengesetzte Verbindungen. Gesattigte oder geschlossene und ungesattigte oder ungeschlossene Molecule. Tabelle der Atom- gewichte der Elemente. Tabelle der Atom-, Volum- und Mole- culargewichte der im gasformigen Zustande erforschten Elemente . 273 XIII. Verbindungen hoherer Ordnung, ternare, quaternare, quinare etc. "Ver- bindungen. Die Bedingungen, unter denen sich Verbindungen hoherer Ordnung bilden, sind dieselben wie diejenigen, welche die Bildung binarer Verbindungen vermitteln. Verminderung der Fliichtigkeit in Verbindungen hoherer Ordnung. Ihre Zersetz- barkeit, wenn fliichtig. Beispiele ternarer Verbindungen. Chlorwasserstoffsaures Ammoniak. Seine Entstehung durch Eini- gung der Molecule zweier binarer Gase. Sein neutraler salzartiger Charakter. Dissociation seines Dampfes. Ternare Verbin- dungen , welche bei der fortschreitenden Entwasserstoffung des Wassers und des Ammoniaks durch die Einwirkung des Natriums gebildet werden. Ersatz der Wasserstoftatome durch Natrium- atome in diesen Reactionen. Natriumderivat des Grubengases. Substitutionsprincip. Bildung von Substitutionsproducten aus xxiv Inhalt. Seito dem Wasser, dem Ammoniak und dem Grubengase durch die Auf- nahme des Chlors in die Molecule dieser Verbindungen unter gleich- zeitigem Austritt von Wasserstoff. Uebertragung der Structur der Mutterverbindung auf die durch Substitution aus ihr entste- henden Abkommlinge. Verwandlung binarer in ternare Verbin- dungen durch Hinzutreten von Elementen ohne Substitution. Beispiele dieser Bildungsweise in der Chlorwasserstoffgruppe , Oxide des Chlorwasserstoffs ; in der Wassergruppe, Oxide des Schwefel- . wasserstoffs ; in der Ammoniakgruppe, Oxide des Phosphorwasser- stofFs; in der Grubengasgruppe, Methylalkohol. Seine Wichtig- keit als Uebergangsglied. Riickblick . . . . * . . 306 L I 15 11 A H '. UX1VEBSITY OF CALIFORNIA. EmLEITUNG IN DIE MODERNE CHEMIE. I. Wasser seine Zersetzung (lurch Kalium und Natrium das entwickelte Gas, Wasserstoff. Haupteigenschaften des Wasserstoflfs sein Volum- gewicht. Weitere WasserstoiFquellen. Salzsaure und Ammoniak in Wasser gelost als Gase entwickelt. Trocknen der Gase. Haupteigenschaften der Salzsaure und des Ammoniaks. Zersetzung der- selben durch Kalium und Natrium. Absonderung des Wasserstoflfs. Processe und Apparate. Gewohnliche Darstellung des Wasserstoffs. Es ist eine allbekannte Thatsache, dass sich das Wasser mit vielen Metallen in Beriihrung bringen lasst, ohne irgend welche bemerkbare Veranderung zu erleiden. Gold undSilber iiben nicht die geringste Wirkung auf dasselbe aus; selbst Kupfer, Eisen, Zink und Zinn konnen bei gewohnlicher Tem- peratur geraume Zeit in Wasser eingetaucht bleiben, ohne dasselbe zu verandern. Es giebt aber auch Metalle, welche anders wirken. Durch Mittel, die wir spater werden kennen lernen, ge- lingt es, aus der Holzasche ein eigenthumliches Metall, das Kalium, aus dem Kochsalz ein zweites, das Natrium, dar- zustellen. Diese beiden Metalle wirken mit der grossten Heftigkeit auf das Wasser. Ein Kaliumkiigelchen, auf Wasser geworfen (Fig. 1 a. f. S.), entziindet sich und gleitet, unter Entwicklung intensiv violetten Lichtes und weisser, Einleitung in die moderne Cheniie. J 2 Wasser -- seine Zersetzung zum Husten reizender Dampfe, zischend auf der Wasserflache umher, bis es in kiirzester Frist mit einer gelinden Explosion Fig. i. verschwindet. Es werden bei diesem Versuche nicht selten kleine Mengen einer atzenden Substanz umhergeschleudert, weshalb es zweckmassig ist, die Erscheinung in einem hohen Becherglase zu beobachten, dessen Wande dasAuge schiitzen. Natrium verhalt sich ahnlich; indessen ist die Wirkung weni- ger energisch; die umhergleitende Kugel entziindet sich nur, wenn man sie auf heisses Wasser wirft; sie verbrennt als- dann mit intensiv gelbem Lichte. Dasselbe Ergebniss wird erzielt, wenn man die Bewegung der Kugel irgend wie hemint, wenn man z. B. ein Stuck Fliesspapier auf der Oberflache des Wassers ausbreitet und den mittleren Theil des Papiers noch besonders benetzt. Die Natriumkugel bewegt sich nur lang- sam auf der benetzten Stelle, entziindet sich, und verbrennt unter Entwicklung stechender Dampfe; an der Stelle des Me- talles beobachtet man eine rothgliihende durchsichtige Kugel, welche sich einige Augenblicke auf der Oberflache des Wassers durch Kalium und Natrium. 3 erhalt, alsdann aber ebenfalls mit leichter Explosion verschwin- det; gleichzeitig wird das Fliesspapier durchbohrt. In jedem Falle, ob man Kalium ob Natrium fur den Versuch gewahlt habe, nimmt das Wasser einen atzenden, laugenhaften Geschmack an und erlangt die Fahigkeit, Pflanzenfarben, auf welche rei- nes Wasser keinerlei Wirkung ausubt, in eigenthiimlicher Weise zu verandern. Ein Streifen gelben Curcumapapiers braunt sich beim Eintauchen in Wasser, auf welchem Kalium oder Natrium verbrannt 1st; gerothetes Lackmuspapier nimmt eine blaue Farbe an. Was ist aus dem Kalium und Natrium geworden, welche bei der Beriihrung mit dem Wasser verzehrt zu werden schie- nen und in der That aufgehort haben als Metalle wahrnehm- bar zu sein? Welche Veranderung hat andererseits das Was- ser erlitten, als es gleichzeitig den laugenhaften Geschmack annahm und den eigenthiimlichen Einfluss auf Pflanzenfarben gewann, die es vorher unverandert Hess? Die Beantwortung dieser Fragen, die Ergriindung des seltsamen Wechsels in den Eigenschaften derMaterie, welchen sie betreffen, gehoren der Wissenschaft an, die wir mit dem Namen Chemie bezeichnen, einem Worte dunkler Abkunft, das Einige von Xrftiia, einer alten Benennung Aegyptens, her- leiten wollen, wo derartige geheimnissvolle Umwandlungspro- cesse der Materie zuerst Beachtung gefunden hatten. Fiir die Erforschung dieser Erscheinungen, denen unsere Vortrage gewidmet sind, bietet sich in der auffallenden Veranderung des Wassers unter dem Einflusse des Kaliums und Natriums ein willkommener Ausgangspunkt und es lohnt sich, diese Veranderung eingehender Priifung zu unterwerfen. Zu dem Ende wollen wir einen Glascylinder mit Wasser fiillen, die Miindung desselben mit einer Glasplatte bedecken und ihn in einem mit Wasser gefiillten Gefasse, in einer Wasserwanne, umstiirzen (Fig. 2 a. f. S.). Der Cylinder werde alsdann mittelst eines geeigneten Halters in der Weise befestigt, dass sich die Miindung unter dem Spiegel des Was- sers befinde, ohne den Boden der Wanne zu beriihreu; die 1* Wasserstoff Fig. 2. Wassersaule wird naturlich durch denLuftdruck in dem Cylin- der schwebend erhalten. Nunmehr werfen wir eine kleine Natriumkugel auf das Was- ser Kalium liesse sich auch anwenden, allein sei- ner heftigenWirkung hal- ber weniger vortheilhaft fangen dieselbe mittelst eines loffelformig geboge- nen Drahtnetzes, das wir an einem Holzstiele hand- haben, und fiihren sie im Wasser unter die Miindung des umgestiirzten Cylin- ders (Fig. 3). Alsbald ent- wickeln sich farblose Gasblasen, welche sich unter dem Loffel ansammeln, allmalig iiber die Umrandung desselben hervortre- Fig. 3. ten und, das Wasser verdrangend, in dem Cylinder aufsteigen. Oft auch ereignet es sich, dass die Natriumkugel selbst seine Eigenschaften. 5 mitgerissen wird und auf die Oberflache der Wassersaule in den Cylinder gelangt, wo sie unter Gasentwicklung nach- gerade verschwindet. Durch Wiederholung des Versuchs mit drei bis vier Natriumkugeln gelingt es, den Cylinder mit Gas zu fiillen. Um den Versuch abzukiirzen, konnte man die Entwick- lung des Gases durch Anwendung grosserer Natriumkugeln beschleunigen wollen; allein die Einwirkung wiirde alsdann eine sehr heftige werden und leicht zu einer gefahrlichen Ex- plosion Veranlassung geben. Will man schnell eine reich- lichere Menge Gas aus dem Wasser erhalten, so wickelt man eine grossere Anzahl von Xatriumkiigelchen ein jedes einzeln in Stiicke von Messingdrahtnetz und bringt 6 bis 8 solcher einge wickelt en Kugeln in einen siebartig durchlocherten Loffel von Weissblech, den man einem wassergefullten hohen und weiten Glascylinder unterschiebt. Auf diese Weise kann ein Cy- linder von zieinlichem Rauminhalt in einer einzigen Operation mit Gas gefiillt werden, wir huten uns gleichwohl, auch unter diesen Yorsichtsmaassregeln allzugrosse Mengen von Natrium auf eininal mit Wasser in Beriihrung zu bringen. Die ein- gewickelten Natriumkugelchen diirfen hochstens die Grosse einer massigen Erbse erreichen. Ob der Versuch auf die eine oder die andere Art an- gestellt wurde , wir haben nunmehr nur noch eine Glasplatte unter die Miindung des Cylinders zu schieben und den so geschlossenen Cylinder (Fig. 4 a. f. S.) aus der Wanne hervor- zuheben und umzudi-ehen. Das auf die angegebene Weise aus dem Wasser abgeschiedene Gas hat man W ass erst off gas genanut. Es ist farblos, durchsichtig, geruch- und geschrnack- los wie atmospharischeLuft, von letzterer gleichwohl in vieler Hinsicht vefschieden. Mit einer Kerzenflamme in Beriihrung gebracht (Fig. 5), entziindet sich das Wasserstoflfgas und ver- brennt mit leckender, ruhig in den Cylinder niedersteigender Flamme, welcher jedeLeuchtkraft abgeht. Daniit der Versuch 6 Wasserstoff seine Eigenschaften. gelinge, darf die Glasplatte von dem aufrecht stehenden Cylin- der erst in demselben Augenblicke abgehoben werden, in dem Fig. 4. man seine Miindung der Flamme nahert. Lasst man densel- ben einige Secunden lang offen stehen, so ist jede Spur des Fig. 5. brennbaren Gases verschwunden und der Cylinder enthalt nunmehr nur noch atmospharische Luft. Ganz anders gestal- Wasserstoff sein Volumgewicht. 7 tet sich das Ergebniss des Versuchs, wenn man die Glasplatte von dem mit Wasserstoff gefiillten Cylinder entfernt, wahrend seine Miindung nach unten gerichtet bleibt. In dieser Stel- lung konnen wir ihn zwanzig Minuten und langer belassen ohne dass das brennbare Gas entwiche, eine Thatsache, von der wir uns durch den einfachen Versuch mit der Kerze leicht iiberzeugen. Statt das Wasserstoffgas in die Luft entweichen zu lassen, konnen wir dasselbe in einem Cylinder auffangen, dessen abwarts gerichtete Miindung sich iiber dem aufsteigen- den Gasstrome befindet. Auf diese Weise lasst sich der Wasserstoff a uf warts aus einem Cylinder in einen anderen umgekehrt dariiber gehaltenen iiber fallen (Fig. 6). Wir schliessen aus der Schnelligkeit , mit welcher das brennbare Fi 6 Gas aus dem oben offenen Ge- fasse entweicht, dass ein ge- gebenes Volum Wasserstoff leichter ist, als ein gleiches Volum atmospharischer Luft. Genaue Versuche haben gezeigt, dass die Gewichte gleicher Volume Wasserstoffgas und Luft in dem Verhaltnisse von 1:14,438 zu einander stehen, dass also die Luft 14,438 (also beinahe 14V2) Dial schwerer ist, als das Wasserstoffgas. Das Abmessen und Wagen gasformiger Korper erfordert gewisse Vorsichtsmaassregeln, welche wir in der Folge naher betrachten wollen; hier werde nur kurz daran erinnert, dass das Volum eines gasformigen Korpers wesentlich von der Temperatur und dem Drucke bedingt ist, bei welchem es gemessen wird, und dass man daher, um die Gewichte gleicher Volume verschiedener Gase mit einander vergleichen zu kon- nen, Sorge tragen muss, diese Gewichte unter denselben Tem- peratur- und Druckbedingungen zu bestimrnen. Von alien bis jetzt bekannten Gasen ist das Wasserstoff- gas das leichteste. Es ist daher zweckmassig, das Gewicht eines gegebenen Volums Wasserstoff als Einheit zu setzen 8 Weitere Wasserstoffquellen. Salzsaure u. Ammoniak. und die Gewichte gleicher Volume anderer Gase auf diese Einheit zu beziehen. Diese Gewichte gleicher Volume gas- formiger Korper unter gleiclien Temperatur- und Druckver- haltnissen pflegt man die specifischen Gewichte oder Eigengewichte derselben zu nennen. Wir wollen uns er- lauben diese Gewichte versuchsweise mit einem neuen Namen zu bezeichnen und dieselben als Volumgewichte ansprechen. In diesem Sinne sagen wir, das Volumgewicht oder das speci- fische Gewicht der Luft ist 14,438. Die Dichtigkeiten zweier Gase stehen offenbar im Verhaltniss ihrer Volumgewichte; wir driicken daher auch die Dichtigkeit der Luft durch die Zahl 14,438 aus, wo bei wiederum verstanden ist, dass die Dichtig- keit des Wasserstoffs als Einheit gilt. Das Wasser ist nicht der einzige Korper, aus welchem sich mit Hiilfe des Kaliums oder Natriums Wasserstoffgas dar- stellen lasst. Unter dem Namen Salzsaure und Ammoniak kennt man seit geraumer Zeit zwei Fliissigkeiten , welche fur die Zwecke der Industrie im Grossen bereitet, weit ver- breitete Handel sartikel geworden sind. Lasst man die bei- den genannten Metalle auf die Salzsaure oder auf das Am- moniak einwirken, so entwickelt sich ebenfalls Wasserstoffgas. Die reine Salzsaure ist ein gasformiger Korper, wie die atmospharische Luft, wie der Wasserstoff. Die unter dem Namen Salzsaure im Handel vorkommende Fliissigkeit ist eine Losung dieses Gases in Wasser. Erhitzt man starke Salz- saure - Fliissigkeit, so entwickelt sich die Salzsaure als Gas. Diese Operation wird zweckmassig in einem Glaskolben vorgenommen, dessen Miindung mit einem doppelt-durchbohr- ten Kork verschlossen ist. In die eine dieser Durchbohrungen ist eine Glasrohre eingepasst, deren unteres Ende in die Fliis- sigkeit des Kolbens eintaucht, wahrend das obere Ende sich zu einer trichterformigen Miindung erweitert -- daher der Name Trichterrohre , durch welche die Fliissigkeit ein- gegossen werden kann. Die andere Durchbohrung tragt eine rechtwinklig gebogene Glasrohre (Knierohre), aus welcher das entwickelte Gas entweicht. Salzsaure Darstellung Eigenschaften. 9 Das aus dieser Rohre austretende Salzsaure -Gas 1st in- dessen mit Wasserdampfen beladen, von denen wir es, um es rein zu erhalten, noch befreien miissen. Zu dem Ende wird es mit einer Substanz in Beriihrung gebracht, welche die Feuchtigkeit mit der grossten Begierde anzieht. Eine solche Substanz ist das im Handel vorkommende Vitriolol, von den Chemikern Schwefelsaure genannt. Die Entwasserung erfolgt in einer Flasche, welche gleichfalls niit doppelt-durchbohr- tem Kork geschlossen ist; in diesem Korke sitzen zwei Knie- rohren, von denen die eine langere bis auf den Boden der Flasche hinabreicht, wahrend die andere unmittelbar unter dem Korke endigt. Die Flasche wird nun mit Birnsstein- stiicken gefiillt, welche in Schwefelsaure gelegen haben, und die langere Knierohre durch einen kleinen Kautschukschlauch mit der Knierohre des Entwicklungskolbens, die kiirzere Knierohre in ahnlicher Weise mit einer fiir das Aufsammeln von Gasen geeignet gebogenen Glasrdhre, einer Entbin- dungsrohre, vereinigt. Das sich entwickelnde Gas ge- langt auf diese Weise am Fusse der mit Schwefelsaure ge- trankten Bimssteinsaule in die Trockenflasche, undindem es beim Aufsteigen, in den Zwischenraumen derselben, mit einer ausgedehnten Saureoberflache in Beriihrung kommt, wird ihm jede Spur Feuchtigkeit entzogen. In dem oberen Theil der Flasche ist das Gas vollkommen trocken geworden und entweicht in diesem Zustande aus der Entbindungsrohre. Auf diese Weise dargestellt ist die Salzsaure ein farblos durchsichtiges, erstickend riechendes Gas. Wir fangen das- selbe in einem mit Quecksilber gefiillten, in einer Quecksil- berwanne umgesturzten Cylinder auf (Fig. 7 a. f. S.). Das Salzsauregas unterscheidet sich leicht vom Wasser- stoflfgas sowohl, als von der atmospharischen Luft. Es ist unentziindlich und bildet mit feuchter Luft in Beriihrung weisse Nebelwolken (Fig. 8). Oeffnet man einen Salzsauregas enthaltenden Cylinder unter Wasser, so stiirzt die Fliissigkeit in das Gas, wie in einen leeren Raurn, den Cylinder erfiillend (Fig. 9). Das Salzsauregas lost sich in dem Wasser und bil- 10 Salzsaure, Zersetzung durch Kaliuiu. det wiederum die Salzsaurefliissigkeit, aus welcher es urspriing- lich ausgetrieben worden war. Im gasformigen Zustande so- wohl, als auch in Losung iibt die Salzsaure eine eigenthumliche Wirkung auf gewisse Pflanzenfarben, Lackmus z. B., dessen Fig. 7. blaue Farbe unter dem Einflusse der Saure in Roth iibergeht. Man stellt den Versuch in der Weise an, dass man einen lackmus- Fig. 8. Fig. 9. getrankten Papierstreifen mit der Salzsaure in Beriihrung bringt. Wenn man sich von der Fahigkeit der Salzsaure, durch die Einwirkung des Kaliurns oder Natriums WasserstofFgas zu Zersetzung durch Natrium. 11 liefern, iiberzeugen will, so braucht man nur die Entbindungs- rohre von dem Salzsauregasapparat hinwegzunehmen und dafiir mittelst eines durchbohrten Korkes eine Rohre von schwer- schmelzbarem Grlase anzupassen, deren Ende sich zu einer fei- nen Oeffnung verjiingt. In der Mitte ist diese Rohre zu einer Kugel ausgeblasen, welche fur die Aufnahme des Metalls bestimmt ist. Sobald das Metall Kalium z. B. - - mit dem Salzsauregas in Beriihrung kommt, iiberzieht es sich mit einer weissen Kruste; erhitzt man nunmehr die Kugelrohre gelinde mittelst einer Spirituslampe , so schmilzt das Kalium und verbrennt mit violetter Flamme. Gleichzeitig entwickelt sich Wasserstoffgas, welches man an der ausgezogenen Miin- dung der Rohre entziinden kann (Fig. 10). Fig. 10. Mit Natrium kann man den Versuch ebenfalls anstellen, nur bedarf es in diesem Falle einer viel hoheren Teniperatur. Der Versuch gestaltet sich alsdann aber weit einfacher, wenn man statt des reinen Natriums eine Losung dieses Metalles in Quecksilber auf das Salzsauregas einwirken lasst. Man erhalt diese Losung die Chemiker nennen sie Natriumamalgam , indem man die beiden Metalle in einem Porzellanmorser 12 Ammomak, zusammenreibt, wobei sie sich unter starker Erwarmung bis- weilen selbst unter Feuererscheinung mit einander vereinigen; oder man erhitzt das Quecksilber gelinde in einerFlasche und tragt das Natrium in kleinen Stiicken ein, welche sich unter Ergliihen losen. In grosserem Maassstabe miissen diese Ope- rationen unter einem gut ziehenden Schornsteine ausgefiihrt werden, durch welchen die bei dem Auflosen des Natriums stets reichlich entwickelten , der Gesundheit nachtheiligen Quecksilberdampfe entweichen konnen. In Folge der starken Vertheilung, in welcher das Natrium in dem Natriurnamal- gam vorhanden ist, verstarkt sich die an vielen Punkten gleichzeitig eintretende Wechselwirkung zwischen Metall und Gas, und die Zersetzung der Salzsaure geht schon bei ge- wohnlicher Temperatur von Statten. Es geniigt in der That, statt der im vorigen Yersuche angewendeten Kugelrohre eiue mit Natriumamalgam gefiillte Flasche einzuschieben. Das aus dem Metall aufsteigende Gas ist Wasserstoffgas , welches man entweder an der Miindung der Entbindungsrohre an- Fig. 11. - ^'' ziinden oder iiber Wasser auffangen kann (Fig. 11). Wir erkennen es ohne Schwierigkeit an seinen Eigenschaften wieder. seine Eigenschaffen. 13 Das reine Ammoniak ist wie die Salzsaure ein gasfor- miger Korper; die Ammoniakfliissigkeit des Handels ist die Losung dieses Gases in Wasser. Schon beim gelinden Er- warmen dieser Fliissigkeit entwickelt sich das Gas in reich- licher Menge und wird sogleich durch seinen stechenden Ge- ruch bemerkbar. Zur Darstellung des Ammoniakgases be- dienen wir uns desselben Apparates, der uns das Salzsaure- Fig. 12. Fig. 13. gas geliefert hat; nur enthalt aus spater zu erlautern- den Griinden die Trockenflasche diesmal nicht eine schwe- felsauregetrankteBinissteinsaule,son- dern kleine Stiicke gebrannten Kalks, welcher das Wasser ebenfalls mit grosser Begierde anzieht. Das aus der Kalkflasche ent- weichende farblos - durchsichtige Gas ist reines trockenes Ammoniakgas, welches wir, wie das Salzsauregas, iiber Quecksilber aufiFangen (Fig. 12) da es ebenfalls vom Wasser und selbst mit noch grosserer Heftigkeit verschluckt wird (Fig. 13). 14 Ammoniak, Das Ammoniakgas unterscheidet sich von dem Wasser- stoffgas dadurch, dass es sich an einer Kerzenflamme nicht entziinden lasst, ferner durch seinen stechenden Geruch und seine Loslichkeit in Wasser; von der atmospharischen Luft durch die beiden letztgenannten Eigenschaften ; von dem Salzsaure- gas endlich durch seinen Geruch, durch seine Wirkungslosig- keit auf blaue Pflanzenfarben, und das Nichtauftreten weisser Nebel, wenn es mit der Luft inBeriihrung kommt. Charakte- ristisch fiir das Ammoniak ist noch seine Fahigkeit, als Gas sowohl als in wasseriger Losung manche rothe Pflanzenfarben zu blauen. Ein Streifen Lackmuspapier, welcher durch Salz- sauregas roth geworden ist, nimmt in Ammoniak alsbald seine blaue Farbe wieder an. Die Einwirkung des Kaliums oder Natriums auf das Ammoniakgas erfolgt in deinselben Apparate, den wir fiir den analogen Versuch mit Salzsauregas angewendet haben(Fig. 14). Fig. 14. Das Kalium ist in diesem Falle seiner kraftigeren Wirkung halber vorzuziehen. Sobald das Metall in derKugel geschmol- zen ist, iiberzieht es sich mit einer braun-griinen Kruste mid entwickelt Wasserstoff, welcher, angeziindet, an der Mi'iu- seine Zersetzung durch Kalium. 15 dung der Rohre fortbrennt. Will man das Gas auffangen, so geschieht dies am sichersten, indem man einen Glascylinder zur Halfte mit Quecksilber fiillt, Wasser aufgiesst und densel- ben in einer Quecksilberwanne umstiirzt. Bringt man nun die Entbindungsrohre unter den Cylinder (Fig. 15), so steigt das Gas zuerst durch das Quecksilber und hierauf durch das Wasser, welches kleine Mengen dem Wasserstoffgas noch bei- gemengten unzersetzten Ammoniakgases auflost. Liesse man die Entbindungsrohre direct in Wasser tauchen, so konnte das der Zersetzung entgangene Ammoniakgas in Folge seiner grossen Anziehung fur das Wasser ein Aufsteigen desselben in die Kugelrohre bewirken, welche das gliihende Metall ent- halt, und eine mit Gefahr verbundene Zertrummerung des Apparates veranlassen. Diese Gefahr Hesse sich auch in der Art beseitigen, dass man zwischen die Kugelrohre und die Entbindungsrohre ein der Trockenflasche ahnliches, Quecksil- ber und Wasser enthaltendes Gefass einschobe. Man konnte alsdann das Gas iiber Wasser auffangen. Die betrachteten Methoden der Darstellung des Wasser- 16 Darstellung des Wasserstoffs. stoffs Einwirkung des Kaliums oder Natriums auf die Salzsaure, das Wasser, das Ammoniak sind weder die einfachsten noch die billigsten, welche wir besitzen; sie bean- spruchen unsere Aufmerksamkeit vorwiegend deshalb, weil sie uns wichtige Einblicke in die Natur der Salzsaure, des Wassers und des Ammoniaks gestatten. Wenn sich der Chemiker grossere Mengen Wasserstoffgas verschaffen will, so bedient er sich anderer Processe. Granulirtes Zink, wel- ches man in Salzsaurefliissigkeit wirft, veranlasst alsbald die Fig. 16. reichliohe Entwicklung eines Gases, welches sich an der Miindung des Gefasses entziin- den (Fig. 16) und so ohne Schwierigkeit als Wasserstoffgas erkennen lasst. Wirkt das Zink auf die Salzsaure in einer zweihalsi- gen, mit Trichter- und Entbindungsrohre versehenen Flasche, so lasst sich das Gas iiber Wasser in Cylindern aufsammeln (Fig. 17). Auf diese Weise kann man jede be- liebige Menge Wasserstoffgas rasch und billig darstellen. Statt der Salzsaure endlich dient haufig, und mit Vortheil, verdiinnte Schwefelsaure als Wasserstoffquelle. Alle diese Fig. 17. Processe aber, welche wir in der Folge eingehend betrachten wollen, haben im Augenblick fur uns nur ein untergeordnetes Interesse. Riickblick. 17 Fur unseren gegenwartigen Zweck geniigt es, durch den Versuch nachgewiesen zu haben, dass man den Wasserstoff aus drei verschiedenen Korpern, der Salzsaure, dem Wasser und dem Ammoniak, erhalten kann, und dass er aus diesen drei Korpern durch die Einwirkung derselben Metalle, des Kaliums oder des Natriums, in Freiheit gesetzt wird. tSiuleitung in die moderne Chemie. 18 n. Einwirkung des elektrischen Stromes auf die Salzsaure, das Wasser, das Ammoniak. Elektrolyse der Salzsaure. Entwicklung einer Mischung von Wasserstoflf und Chlor. Absonderung des Chlors. Haupteigen- schaften des Chlors. Riickbildung der Salzsaure aus Wasserstoff und Chlor, woher der Name Chlorwasserstoff. Analyse und Synthese. Elektrolyse des Wassers. Entwicklung einer Mischung von Wasserstoff und Sauerstoff. Absonderung des Sauerstoffs. Haupteigenschaften des Sauerstoffs. Ausscheidung des Sauerstoffs aus dem Wasser durch das Chlor. Synthese des Wassers aus Wasserstoff und Sauerstoff. Elek- trolyse des Ammoniaks. Entwicklung einer Mischung von Wasserstoff und Stickstoff. Absonderung des Stickstoffs. Haupteigenschaften des Stickstoffs. Ausscheidung des Stickstoffs aus dem Ammoniak durch das Chlor. Directe Synthese des Ammoniaks aus seinen Elementen bisjetzt unausfiihrbar. Beweise fur die Zusammensetzung des Ammoniaks. Einfache und zusammengesetzte Stoffe. Tabelle der Elemente. Das Wasserstoffgas, welches wir aus der Salzsaure, dem Wasser und dem Ammoniak bei der Beriihrung mit gewissen Metallen sich entwickeln sahen, lasst sich aus diesen Korpern auch durch die Einwirkung der Elektricitat entbinden. Unter den bemerkenswerthen Eigenschaften, welche die elektrischen Krafte charakterisiren, finden wir auch diese, dass sie in den Korpern Veranderungen hervorzurufen im Stande sind, welche wir im Eingange dieser Vortrage als chemische bezeichnet haben. Es liegt ausser deni Bereiche dieser Umrisse, das Wesen der Elektricitat naher zu erortern, noch weniger konnen wir uns auf die Beschreibung der zur Entwicklung der elektri- schen Kraft dienenden Apparate einlassen. Der Plan dieser Elektrische Wirkungen. 19 Vortrage erlaubt uns nicht auf Fragen einzugehen, welche ganz eigentlich dem Gebiete der Physik angehoren. In logisch geordneter Reihenfolge sollte das Studium der Physik dem der Chemie vorangehen, und wir diirfen daher eine gewisse Bekanntschaft mit den physikalischen Kraften und den Gesetzen, nach denen sie wirken, voraussetzen. Jeden- falls mag es hier geniigen, an einige Ausdriicke zu erinnern, iiber welche wir frei verfugen miissen, wenn nicht der Gang unserer Darstellung durch oft wiederholte weitschweifige Um- schreibung gehemmt werden soil. Der Apparat, dessen wir uns zur Entwicklung der elek- trischen Kraft bedienen, heisst die elektrische Saule oder Batterie. Die Metalldrahte, in denen sich die entwickelte Kraft, der elektrische Strom, fortbewegt, nennen wir die Poldrahte, die Endpunkte derselben, in denen die Wirkung zur Anschauung kommt, die Pole, oder Elektroden. In jeder Batterie bezeichnet man den einen Pol als den positi- ven, den andern als den negative n. In der Batterie, welche bei unseren Versuchen dienen soil (und welche aus Zink-Kohle- Elementen besteht), geht der positive Pol von dem Kohlen-_ ende, der negative von dem Zinkende aus. Da die Pol- drahte haufig in atzende Fliissigkeiten eintauchen, sobestehen die aussersten Enden zweckmassig aus schwerveranderlichen Korpern wie Platin oder Kohle. Wir wollen nunmehr die Elektricitat nacheinander auf die Salzsaure, auf das Wasser und auf das Ammoniak ein- wirken lassen; die Erscheinungen, welche wir beobachten, sind von ganz besonderem Interesse, insofern sie auf die Natur dieser drei Korper ein helles Licht werfen. Zur Entwicklung des elektrischen Stromes bedienen wir uns einer Zink-Kohle-Batterie von 2 oder 3 Elementen, deren Pole in diinnen Platinplatten endigen. Taucht man die Pole einer solchen Batterie in concentrirte Salzsaure (Fig. 1 8 a. f. S.), so sieht man alsbald an denselben diinne Gasblasen aufsteigen, wahrend die Fliissigkeit einen eigenthumlichen , erstickenden 20 Elektrolyse cler Salzsaure. Geruch annimmt. Wird der Versuch in einem geschlossenen Gefasse, z. B. in einem kleinen Glascylinder , vorgenommen, dessen Kork eine Entbindungsrohre tragt und gleichzeitig den Fig. 18. Polen Durchgang gestattet, so lasst sich das entwickelte Gas in mit warmem Wasser gefullten Cylindern auf die gewohn- licheWeise aufsammeln (Fig. 19); nur muss man Sorge tragen, im zerstreuten Tageslichte zu arbeiten, weil das Gas dem directen Sonnenlichte ausgesetzt, eine eigenthiimliche, spater zu betrachtende Veranderung erleidet. Das so erhaltene Gas Fig. 19. ist entzimdlich, eine Eigenschaft, welche uns sogleich an den Wasserstoff erinnert; allein die Heftigkeit, mit welcher das Gas abbrerint , und sein eigenthumlicher Geruch beweisen zur Geniige die Gegenwart eines zweiten Korpers, den wir bis jetzt nicht kennen gelernt haben. Die Gegenwart eines zweiten Korpers verrath sich ferner durcn die bleiclienden Zerlegung der Salzsaure in Wasserstoff mid Chlor. 21 Eigenschaften des entwickelten Gasgemenges. Ein mit Wasser befeuchteter Streifen blauen oder rothen Lackmuspapiers ver- liert in Beriihrung mit dem Gase alsbald seine Farbe. Er- theilt man der Salzsaure, welche dem Versuche unterworfen wird, durch Zusatz von ein paar Tropfen Indigolosung eine blaue Farbe, so verschwindet dieselbe schon wenige Augen- blicke nachdem die Gasentwicklung begonnen hat. Reines Wasserstoffgas ist ohne alle Einwirkung auf Pflanzenfarben. Es ist numnehr unsere Aufgabe, das dem Wasserstoff bei- gemengte zweite Gas zu sondern, um seine Eigenschaften stu- diren zu konnen. Diese Sonderung lasst sich niittelst einer V-formig gebogenen Glasrohre bewerkstelligen. Der eine Schenkel dieser Rohre, welche auf einem geeigneten Stative steht, ist offen, der andere geschlossen und mit einem in das Glas eingeschinolzenen, in die Rohre hinabreichenden Platin- draht versehen, dessen unteres Ende in der Nahe des Bugs eine Platinplatte tragt. In diese V- Rohre giessen wir mit Indigolosung blau gefarbte Salzsaure (am besten von l t l_ specifischem Gewicht), so dass der geschlossene Schenkel sei- ner ganzen Lange nach, der offene zur Halfte gefullt ist. Wir lassen nun den elektrischen Strom in der Weise durch die Salzsaure gehen, dass wir den aus dem geschlossenen Ende hervorragenden Platindraht mit dem negativen Pole der Saule verbinden, wahrend der positive Pol, gleichfalls in einer Pla- tinplatte endigend, in den offenen Schenkel taucht(Fig.20a.f.S.). Wir beobachten, dass sich fast ausschliesslich an dem negati- ven Pole Gas entbindet; an dem positiven Pole ist die Gasent- wicklung so gering, dass sie der Beobachtung entgehen konnte, wenn nicht das Auftreten des bereits erwahnten erstickenden Geruchs und die rasche Entfarbung der indigo- blauen Fliissigkeit unsere Aufmerksamkeit den langsam und sparlich aufsteigenden Gasblaschen zulenkte. Dem an deni negativen Pole entbundenen Gase, welches sich in dem ge- schlossenen Schenkel ansammelt, geht diese Bleichkraft ab; die Fliissigkeit bleibt blau. Sobald sich eine hinreichende Menge dieses Gases angesammelt hat acht bis zehn Mi- 22 Zerlegung der Salzsaure nuten sind in der Regel hinreichend unterbrechen wir den elektrischen Strom und lassen das Gas in den offenen, nunmehr bis zur Miindung mit Wasser angefiillten und mit Fig. 20. dem Daumen geschlossenen Schenkel iibertreten (Fig. 21). Es ist entzundlich und wir erkennen es ohne Schwierigkeit als Wasserstoff. Fig. 21. Der Versuch wird nun in umgekehrter Weise wieder- holt; jetzt ist der positive Pol mit dem gescblossenen Schen- kel in Verbindung gesetzt, wahrend der negative in den offenen taucht (Fig. 22). Sogleich beobachtet man eine reich- liche Wasserstoffentwicklung aus der offenen Miindung, wah- rend sich die Fliissigkeit in dem geschlossenen Theile des Apparates alsbald entfarbt. Diese einfache Abandoning des in Wasserstoff und Chlor. 23 Versuches liefert uns wichtige Aufschliisse iiber die Natur des zweiten bei der elektrischen Zersetzung der Salzsaure Fig. 22. entbundenen Gases, welches sich so sparlich entwickelte und dessen Gegenwart wir bis jetzt fast ausschliesslich an sei- nem erstickenden Geruch und an seinem Bleichvermogen erkannt haben. Lasst man den Strom einige^ Minuten lang andauern, so beobachtet man wie die anfangs kaum bemerk- bare Gasentwicklung allmalig reichlicher wird; nach zehn bis funfzehn Minuten ist der grossere Theil der Rohre mit einem durchsichtigen gelblich - griinen Gase erfullt. Der Strom wird nun unterbrochen und das Gas zur naheren Un- tersuchung in den offenen Schenkel ubergefiillt. Bei Aimahe- rung einer Kerze erweist es sich als unentziindlich ; dass ihm der stechende Geruch angehore, erhellt zur Geniige beim Oefifnen der Rohre. Dieses eigenthiimliche Gas hat den Namen Chlor erhalten, von %kG)Qog (gelblich-griin). Man kann das Chlor aus der Salzsaure auch noch auf einem anderen Wege gewinnen, welcher sich von dem elektri- schen Verfahren insofern unterscheidet, als das gleichzeitige Auftreten des Wasserstoffs vermieden ist. Erhitzt man die Salzsaure in einem Glaskolben mit gepulvertem Braunstein, einem in der Natur weit verbreiteten und daher iiberall leicht zuganglichen Mineral, so entwickelt sich das. Chlorgas in 24 Chlor. -- Darstellung aus Salzsaure reichlicher Menge und kann in Cylindern iiber lauwarmem Wasser aufgefangen werden. Es ist dies in der That die Me- thode, deren man sich bei der Darstellung grosserer Mengen von Chlorgas stets bedient. Nur muss man, wenn es sich darum handelt, das Chlor im reinen Zustande zu erhalten, das zuerst entwickelte Gas entweichen lassen, da es durch die Luft des Apparates verunreinigt ist; auch empfiehlt es sich, zwischen dem Entwicklungskolben und der Entbindungsrohre eine theilweise mit Wasser gefullte mehrhalsige Flasche, eine Waschflasche, einzuschieben. Etwa mit dem Chlor fortge- rissene Salzsaure wurde in dem Wasser gelost und auf diese Weise festgehalten werden (Fig. 23). Spater, wennwir diesen Fig- 23. wichtigen Korper einer eingehenden Priifung unterziehen, werden wir auf dieses Verfahren besonders zuruckkonimen ; fiir den Augenblick interessirt es uns nur voriibergehend, alsMit- tel das Chlor aus der Salzsaure mit Leichtigkeit und in hin- reichender Menge darzustellen , damit wir von seinen wich- tigsten Eigenschaften durch den Versuch Kenntniss nehmen konnen. j!$ Das Chlorgas ist in etwa einem Drittheil seines Volums Wasser loslich, eine Eigenschaft, welche uns sein langsames mittelst Braun stein. Eigenschaften. 25 und sparliches Auftreten in sichtbaren Blasen im Anfange der elektrischen Zersetzung der Salzsaure erklart, sowie die reichlichere Entbindung in spaterer Periode des Versuches, als sich die Fliissigkeit bereits mit Chlor gesattigt hatte. Die losende Kraft des Wassers fiir das Chlor wird durch die Warme betrachtlich vermindert, weshalb es sich empfiehlt, das Gas iiber lauem Wasser aufzusammeln. Eine Kerze brennt im Chlorgas mit stark russender Flamme, die bei Luftzutritt erlischt. Mit Hiilfe dieses Verhaltens konnen wir uns einigermaassen iiber das Volumgewicht des Chlors unter- richten. Hangt man einen chlorgefiillten Cylinder mit nach unten gerichteter offener Miindung einige Minuten lang in der Luft auf, so verschwindet Farbe und Geruch des Gases und am Brennen einer nunmehr eingefiihrten Wachskerze (Fig. 24) erkennt man, dass das Chlor in dem Cylinder durch Fig. 24. atmospharische Luft ersetzt ist. Lasst man eine Kerze am Boden eines mit Luft erfiillten Cylinders brennen (Fig. 25 a. f.S.) und neigt einen chlorgefiillten Glascylinder gegen die Miindung gerade so, als ob man Wasser umgiessen wolle, " so erkennt 26 Chlor. Eigenschaften. man an dem Flickern der Flamme unter reichlicher Ausschei- dung von Russ und ihrem endlichen Erloschen, dass das Chlor auf die Kerze herabfliesst. Das Chlor 1st also schwerer als Fig. 25. die atmospharische Luft und mithin sehr viel schwerer als der Wasserstoff. Genaue Versuche, welche mit Beriicksich- tigung aller hier in Betracht kommenden Verhaltnisse an- gestellt wurden, haben gezeigt, dass ein gegebenes Volum Chlor 35,5mal schwerer ist, als ein gleiches Volum Wasser- stoff. In anderen Worten: das Volumgewicht des Wasser- stoff s als Einheit gesetzt, hat das Chlor das Volumgewicht 35,5. Nach diesen Erfahrungen diirfte es nicht schwer fallen, das Chlor, unter welchen Umstanden immerwir ihm begegnen, an seinen Eigenschaften zuV erkennen. Wir wollen gieichwohl noch ein weiteres eigenthiimliches Verhalten desselben nicht unerwahnt lassen. Das Chlorgas wird von einer wasserigen Auflosung von Jodkalium in dem wir spater einen dem Kochsalz ahnlichen Korper kennen lernen werden begierig verschluckt; die Fliissigkeit nimmt gleichzeitig eine tiefbraune Farbung an, deren Auftreten wir daher ebenfalls als einen Hinweis auf die Gegenwart des Chlors betrachten diirfen. Unter geeigneten Bedingungen der Einwirkung des elek- trischen Stromes ausgesetzt, liefert uns also die Salzsaure zwei in ihrem Wesen durchaus verschiedene Gase, von denen Pdickbildung der Salzsaure aus Wasserstoff u. Chlor. 27 das eine, der uns bereits aus friiheren Versuchen wohl be- kannte Wasserstoff, sich an dein negativen Pole entbindet, wah- rend das neuerkannte Gas, das Chlor, an dem positiven Pole der Saule entwickelt wird. Wir wissen iiberdies, dass sich ein jedes dieser Gase gesondert das erstere durch die Einwirkung des Natriums, das letztere durch die Einwirkung des Braunsteins aus der Salzsaure gewinnen lasst, und wir sind daher berechtigt, den Wasserstoff und das Chlor als Bestandtheile der Salzsaure zu betrachten. Dass Wasserstoff und Chlor die ein zi gen Bestandtheile der Salzsaure sind, rnuss durch einen weiteren Versuch dar- gethan werden. Zu deni Ende ist es nothwendig, eine Mischung der bei- den Gase in dem Yerhaltnisse zu bereiten, in welchem sie in der Salzsaure vereiiiigt sind. Eine solche Mischung erhalt man am besten durch die Zersetzung der Salzsaure selbst, wie wir sie in der elektrischen Spaltung oder Elektrolyse der- selben kennen gelernt haben. Wir lassen das Gasgemisch iiber warniem Wasser in einen hohen, mit einem Glasstopsel verschliessbaren Cylinder (Fig. 26) treten, indem wir Sorge p- 26 tragen, eine reichliche Menge Gas ent- weichen zu lassen, ehe wir das Auf- *sammeln beginnen. Der mit dem Gase gefiillte Cylinder wird geschlossen, einige Stunden lang dem zerstreuteii Tageslichte und dann schliesslich einige Minuten lang der directen. Ein- wirkung der Sonnenstrahlen aus- gesetzt. (Vergl. S. 20.) Nach dieser Behandlung findet man, dass die gelbe Farbe des Gasgemenges vollkommen ver- schwunden ist. Oeffnet man nuiimehr den Cylinder, so zeigt es sich, dass das zuriickgebliebene farblose Gas unentziind- lich geworden ist und nicht langer bleichend wirkt; dagegen rothet es blaue Lackmusstreifen, bildet mit feuchter Luft in Beriihrung weisse Nebel und wird, wenn man die Oeffmmg 28 Salzsaure. des Cylinders unter Wasser taucht, mit der grossten Begierde von demselben verschluckt. Dies sind aber die Eigenschaften des Salzsauregases , und wir erkennen ohne Schwierigkeit, dass sich der Wasserstoff und das Chlor wieder zu dem Kor- per vereinigt haben, aus dem sie urspriinglich abgeschieden wurden. Ein ganz ahnliches Ergebniss wird natiirlich beobachtet, wenn die Gaseauf anderem, als elektrischem Wege, der Wasser- stoff z. B. durch Natrium, das Chlor durch Braunstein, aus der Salzsaure entwickelt worden sind. Lasst man die beiden in kleinen Cylindern aufgefangenen Gase sich in der Weise mischen, dass man die Gefasse mit einander zugekehrten Miindungen auf einander stellt, und alsdann die Deckplatten zwischen den Cylindern wegzieht (Fig. 27), so wird die Vereinigung Fig. 27. des Wasserstoffs und Chlors zu Salzsaure augenblicklich be- werkstelligt, wenn man, nachdem beide Gase durch Hin- und Herschwenken hinreichend gemischt worden sind, die Miindungen der Cylinder einer brennenden Kerze nahert. Mit einem eigenthumlichen Gerausch schlagt die Flamme in die Ge- fasse, aus denen sich alsbald dichte Salzsaure wolken erhe- ben (Fig. 28). Wir haben uns im Vorhergehenden auf zwei verschiede- nen Wegen Aufschluss iiber die Natur der Salzsaure zu ver- schaffen gesucht, einmal, indeni wir dieselbe durch geeignete Chlorwasserstoff. Elektrolyse des Wassers. 29 Mittel in ihre Bestandtheile zerlegten, das andere Mai, indem wir dieselbe aus den abgeschiedenen Bestandtheilen wieder Fig. 28. zusanimensetzten. Man nennt den einen Weg die Methode der Zerlegung, die Analyse, den anderen Weg die Methode der Zusanimensetzung, die Synthese. Die Analyse hat uns den Wasserstoff und das Chlor als Bestandtheile der Salzsaure kennen gelehrt; die Synthese be- zeichnet diese beiden Gase als die einzigen Bestandtheile der Salzsaure, welche wir fortan unter Hindeutung auf diese Bestandtheile mit demNamen Chlorwasserstoff oder Chlor- wasserstoff sau re bezeichnen diirfen. Wenden wir nun diese Methoden auf die weitere Erfor- schung des Wassers an, von dem wir bis jetzt nur wissen, dass es unter dem Einflusse des Natriums, gerade so wie die Salzsaure, Wasserstoffgas entwickelt. Die bei dem Studium des Chlorwasserstoffs gewonnene Erfahrung zeigt uns unzweideutig den Weg an, welchen wir bei der analytischen Untersuchung des Wassers einzuhalten haben. Lasst man den elektrischen Strom in Wasser eintreten, dessen Leitfahigkeit fur die Elektricitat durch Zusatz einiger Tropfen Schwefelsaure erhoht worden ist. so giebt sich durch Gasentwicklung an den Polenden alsbald eine lebhafte Wir- kung zu erkennen (Fig. 29 a.f.S.). Wird derVersuch, ahnlich wie bei der entsprechenden Behandlung des Chlorwasserstoffs, in einem geschlossenen Gefasse. z. B. in dem kleinen uns be- 30 Elektrolyse des Wassers. reits bekannten Cylinder (Fig. 30) vorgenommen , so erhalt man ein farblos-durchsichtiges Gas, dessen Entziindlichkeit an Fig. 29. den Wasserstoff erinnert. Allein, die explosive Heftigkeit, mit der das Gas verbrennt, das blitzartige Niederschlagen der Fig. 30. Flamme bis auf den Boden des Gefasses zeigt zur Geniige, dass dem aus der Zersetzung des Wassers hervorgehenden Wasserstoff gerade wie dem bei der Elektrolyse des Chlorwasser- stoffs entwickelten, ein zweites Gas beigemengt ist. Zur Tren- nung der beiden Gase bedienen wir uns wieder der V-Rohre, die wir bereits in den vorhergehenden Versuchen angewendet ha- ben. Die Rohre wird mit angesauertem Wasser gefullt, und als- dann, wie vorher, der negative Pol mit dem geschlossenen Schenkel verbunden, wahrend der positive in den offenen ein- taucht (Fig. 31). Alsbald entwickeln sich gleicnzeitig an Spaltung des Wassers in Wasserstoff u. Sauerstoff. 31 beiden Polen Strome von Gasblasen, jedoch in reichlicherein Maasse am negativen Pol. Die Untersuchung des im geschlos- Fig. 31. senen Schenkel angesainmelten Gases (Fig. 32) zeigt, dass es, gerade wie in dem entsprechenden Versuche mit der Salzsaure, Wasserstoflf ist. Fig. 32. Der Versuch wird nunmehr wie friiher mit umgekehrten Polen (Fig. 33 a. f. $) wiederholt', indem man den am nega- tiven Pole entbundenen Wasserstoff in die Luft entweichen lasst. Das Gas, welches friiher an dem positiven Pol in dem offenen Schenkel auftrat, und so verloren ging, sammelt sich jetzt in dem geschlossenen Schenkel des Apparates. Dieses Gas ist farblos-durchsichtig und geruchlos, wie der Wasserstoff, von dem es sich jedoch ohne Schwierigkeit unterscheiden lasst. Es ist nicht entziindlich, senkt man 32 Sauerstoff. aber einen brennenden Korper, einen Wachsfaden z. B., in das- selbe ein(Fig. 34), so brennt er mit erhohtem Glanze fort; ein Fig. 33. eben noch glimmender Holzspan, mit dem Gase in Beriihrung gebracht, zeigt lebhaftes Ergliihen, welches sich fast augen- Fig. 34. blicklich bis zur Entflammung steigert. Man hat diesem Gase, aus Griinden, die wir spater werden kennen lernen, den Namen Sauerstoff gegeben. Der Sauerstoff kommt in seinen Eigenschaften der atmospharischen Luft naher, als die beiden vorher 'betrachteten Gase. Auch mag schon hier be- merkt werden, dass der Sauerstoff ein wesentlicher Bestand- theil der atmospharischen Luft ist. Sauerstoff. Darstellimg. 33 Der Sauerstoff 1st etwas schwerer als Luft. Wir lernen dies aus einem einfachen Versuche. Von zwei mit Sauerstoff gefiillten offenen Cylindern stellen wir den einen mit nach oben gerichteter Mundung auf (Fig. 35), wahrend der zweite so aufgehangt ist, dass die Mundung nach unten gekehrt ist (Fig. 36). Priift man das Gas nach einigen Minuten mit- Fig. 36. Fig. 35. telst der brennenden Kerze oder des glimmenden Spans, so findet man, dass der aufrecht steheude Cylinder noch Sauer- stoff enthalt, wahrend er in dem umgekehrten Cylinder durch atmospharische Luft verdrangt ist. Genaue Versuche haben indessen ergeben, dass der Sauerstoff nur wenig schwerer ist, als Luft. Auf den Wasserstoff als Einheit be- zogen, ist das Volurngewicht des Sauerstoffs 16, wahrend die Luft, wie bereits bemerkt, das Volumgewicht 14,438 besitzt. Man kann den Sauerstoff auf vielen anderen Wegen leichter und reichlicher gewinnen, als durch die Elektrolyse des Wassers. Fiir den Augenblick miissen wir aber auf die Betrachtung der Mehrzahl dieser Methoden verzichten und uns begniigen, ein Verfahren kennen zu lernen, welches den Sauerstoff aus dem Wasser abzuscheiden erlaubt, ohne gleich- Eii)leitung in die modcrne Chemie. 3 34 Darstellung d. SauerstofFs durch Einwirkimg d. Chlors zeitig den Wasserstoff desselben zu entwickeln. Es wurde be- reits der grossen Anziehung gedacht, welche das Chlor auf den Wasserstoff ausiibt, und der Leichtigkeit, mit welcher sich beide Gase zu Chlorwasserstoff vereinigen. Diirfen wir, die- ses Vqrhaltens eingedenk, erwarten, dass das Chlor fahig sei, dem Wasser den Wasserstoff in der Form von Chlor- wasserstoff zu entziehen und den Sauerstoff in Freiheit zu setzen? Bei gewohnlicher Temperatur und selbst bei gelin- dem Erhitzen, wissen wir, findet diese Zersetzung nicht statt; haben wir ja doch das Chlor iiber warmem Wasser aufgefan- gen. Diese Umsetzung vollendet sich gleichwohl bei sehr hoher Temperatur. Es lasst sich dies mittelst eines Apparates zeigen, welcher, obwohl scheinbar etwas complicirt, im Prin- cipe dennoch einfach und leicht verstandlich ist. In der grosseren Flasche (Fig. 37) entwickeln wir Chlor mittelst Fig. 37 Braunstein und Chlorwasserstoffsaure und leiten dasselbe durch Wasser, welches in der kleineren Flasche mittelst einer Spirituslampe im Sieden erhalten wird. Das mit Was- serdampf gesattigte Chlor streicht alsdann durch eine Por- zellanrohre, welche in einem Ofen zum Rothgliihen erhitzt wird. Das Gas , welches auf der anderen Seite des Rohres aus- auf das Wasser. Synthese des Wassers. 35 tritt, lasst sich ohne Schwierigkeit als eine Mischung von Sauerstoff und Chlorwasserstoff erkennen. Um beide Gase zu trennen, braucht man das gemischte Gas nur durch eine mit Wasser (oder besser noch Natronlauge) gefullte Wasch- flasche zu leiten; der Chlorwasserstoff wird alsdann von der Fliissigkeit verschluckt und zuriickgehalten , wahrend der Sauerstoff sich entwickelt und an den aus friiheren Yersuchen uns bereits bekannten Eigenschaften leicht erkannt werden kann. Wir haben auf diese Weise versucht, die Zusammen- setzung des Wassers auf dem Wege der Analyse zu ermitteln. Indem wir einerseits mittelst des elektrischen Stromes gleich- zeitig den Wasserstoff und Sauerstoff, andererseits aber durch die Einwirkung des Natriums den Wasserstoff, durch die Ein- wirkung des Chlors den Sauerstoff aus dem Wasser in Frei- heit setzten, haben wir analytisch den Wasserstoff und Sauer- stoff als Bestandtheile des Wassers nachgewiesen. Um den Beweis zu liefern, dass Wasserstoff und Sauer- stoff die einzigen Bestandtheile des Wassers sind, bedarf es noch eines synthetischen Versuchs; wir miissen das Wasser aus dem Wasserstoff und Sauerstoff wieder zuriickbilden , in derselben Weise wie wir den Chlorwasserstoff aus dem Wasser- stoff und Chlor wieder zusammengesetzt haben. Fur diesen Zweck bedienen wir uns einer zweihalsigen Flasche, in deren einen fials eine Trichterrohre einpasst, wah- rend der andere eine mit schwefelsaure-getranktem Bimsstein gefullte Trockenrohre tragt; an dem weiten Ende der letzte- ren ist mittelst eines Korkes eine zu einer engen Spitze ausge- zogene Entbindungsrohre befestigt. Man giebt nunmehr Zink in die Flasche und giesst durch die Trichterrohre verdiinnte Schwefelsaure zu; sogleich entwickelt sich Wasserstoffgas, welches beim Durchgang durch die Trockenrohre seine Feuchtigkeit verliert und vollkommen getrocknet aus der Entbindungsrohre ausstroint. Nachdem das Gas einige Zeit lang sich entwickelt hat, ziindet man es an und fiihrt die Wasserstoffflamme in eine mit trocknem Sauerstoff ge- 3* 36 Elektrolyse fiillte Glasglocke (Fig. 38). Sogleich beschlagen sich die Wande des Gefasses mit einem Anfluge von Feuchtig- Fig. 38. keit, welche sich allmalig zu kleinen Wassertropfchen ver- einigt. Nach den Aufschliissen, welche wir diesen Versuchen iiher den Chlorwasserstoff und iiber das Wasser verdanken , fuhlen wir nns natiirlich veranlasst, dieselbe Untersuchungsweise auf das Ammoniak, die dritte unserer Wasserstoff liefernden Sub- stanzen, auszudehnen. Wie der Chlorwasserstoff, wie das Wasser lasst sich auch das Ammoniak durch die Elektricitat zerlegen, nur geht die Einwirkung des Strom es in diesem Falle etwas langsamer von Statten. Der starken Ammoniaklosung, welche wir fur diesen Versuch anwenden, setzen wir ein paar Tropfen jSchwefelsaure oder besser noch etwas JKochsalz zu; beide beschleunigen die Wirkung. Beim Eiritauchen der Elektroden (Fig. 39) in die Fliissigkeit beobachten wir alsbald, wie dieselbe aufperlt. Wenn sich die Einwirkung in einem geschlossenen Gefasse vollendet, so entwickelt sich aus der Entbindungsrohre (Fig. 40) ein farblos-durchsichtiges entziindliches Gas, wel- ches wir geneigt sind, fur Wasserstoff zu halten. Allein der des Ammoniaks. 37 Ergebnisse eingedenk, welche die gleichartige Untersuchung des Chlorwasserstoffs und des Wassers uns lieferten, fiihlen Fig. 39. wir uns berechtigt, die Gegenwart eines zweiten Gases fur wahrscheinlich zu halten und nehmen daher nochmals unsere Fig. 40. Zuflucht zu der bereits mehrfach erprobten V-Rohre, welche uns in friiheren Versuchen die Trenuung der an den beiden Polen entwickelten Gase erlaubte. Audi jetzt verbinden wir zunachst wieder den negativen Pol mit dem geschlossenen Schenkel (Fig. 41, a. f. S.); das rasch sich ansammelnde Gas wird ohue Weiteres als Wasserstoff erkannt (Fig. 42, a. f. S.). Wir zogern daher nicht, den Versuch mit umgekehrten Polen zu wiederholen (Fig. 43, a. S. 39) und es fallt uns sogleich die sparsame Gasentwicklung auf, welche an dem positiven Pole stattfindet und uns nothigt, die Einwirkung mindestens 38 Das Ammoniak enthalt Wasserstoff mid Stickstoff. eine jvierteL Stunde andauern zu lassen, um ein zur Unter- suchung hinreichendes Gasvolum zu erhalten. Fig. 41. Das so erhaltene Gas ist farblos-durchsichtig wie der Wasserstoff, von dem es sich aber wesentlich unterscheidet ; Fig. 42. denn bei Annaherung einer Flamme finden wir es unentziind- lich. Auch mit dem Chlor und dem Sauerstoff kann dieses Gas nicht verwechselt werden. Abwesenheit von Geruch und Farbe unterscheiden es von dem ersteren, sein Verhalten zu brennenden Korpern von dem letzteren. Eine Kerzenflamme, welche man in das Gas einsenkt (Fig. 44), erlischt augenblick- lich. Dieses neue Gas, dem die Chemiker den Namen Stick- stoff gegeben haben, ist inehr durch die Abwesenheit beson- derer, in die Augen fallender Kennzeichen, als durch den Be- Eigenschaften des Stickstoffs. 39 sitz irgend welcher hervortretender Eigenschaften ausgezeich- net. Dieser Charakter 1st selbst in dem Yolumgewichte dieses Fig. 43. Gases ausgesprochen. Wahrend der Wasserstoff so viel leich- ter, das Chlor so viel schwerer ist als atmospharische Luft, wahrend selbst der Sauerstoff noch merklich schwerer wiegt, zeigt der Stickstoff nahezu dasselbe Yolumgewicht wie die Fig. 44. Luft. Auf den Wasserstoff als Einheit bezogen, hat sich das Volumgewicht des Stickstoffs zu 14 ergeben, wahrend das Voluragewicht der Luft, wie bereits angefuhrt, zu 14,438 ge- funden worden ist. Diese grosse Annaherung wird uns nicht mehr befremden, wenn wir in der Folge den Stickstoff als 40 Zersetzung des Ammoniaks durch Chlor. vorherrschenden Bestandtheil der atmospharischen Luft ken- nen lernen werden. Der Stickstoff lasst sich aus dem Ammoniak auch mittelst des Verfahrens abscheiden, welches uns erlaubte, den Sauer- stoff aus dem Wasser zu entwickeln , namlich durch die Ein- wirkung des Chlors. Schon bei gewohnlicher Temperatur verbindet sich das Chlor mit dem Wasserstoff des Ammoniaks und macht den Stickstoff frei. Zu dem Ende behandeln wir die starkste Ammoniakflussigkeit des Handels in einer gerau- migen mehrhalsigen Flasche mit Chlorgas (Fig. 45), indem wir Sorge tragen, dass die Menge des angewendeten Ammo- niaks im Verhaltniss zu dem entwickelten Chlorstrome eine moglichst jyrosse_ sei. Heftige Einwirkung giebt sich alsbald durch die Bildung weisser Dampfe zu erkennen, welche den oberen Theil der Flasche erfullen; die Flussigkeit perlt von aufsteigendem Gase und ein eigenthuniliches , blitzartiges Leuchten bezeichnet den Eintritt jeder Chlorblase. Die weissen Dampfe gehoren einem festen Korper an, den wir jedoch fur den Augenblick nur deshalb beachten miissen, weil seine Bildung die Wahl waiter Verbindungsrohren Wasserst. u. Stickst. d. einz. Bestandth. d. Ammoniaks. 41 bedingt, da enge sich durch die Verdichtung dieser Dampfe in kiirzester Frist verstopfen wiirden. Das entwickelte Gas wird durch eine Waschflasche geleitet und iiber Wasser auf- gefangen; es zeigt sich, dass es weder Wasserstoff, noch Chlor, noch Sauerstoff ist, sondern dasselbe eigenthiimliche Gas, Stickstoff, welches wir bei der Elektrolyse des Ammo- niaks erhielten. Durch den elektrischen Strom haben wir analytisch den Wasserstoff und Stickstoff als Bestandtheile des Ammoniaks dargethan; die Gegenwart dieser beiden Gase in dem Am- moniak bewiesen wir iiberdies, die des Wasserstoffs durch die Einwirkung des Natriums, die des Stickstoffs durch die Ein- wirkung des Chlors auf das Ammoniak. Es ware jetzt, um den bei der Untersuchung des Chlor- wasserstoffs und des Wassers befolgten Gang einzuhalten, noch uothig, durch die Synthese festzustellen, dass der Wasser- stoff und der Stickstoff die einzigen Bestandtheile des Ammo- niaks sind. Leider ist indessen bis jetzt ^e^n^Mittel^bekannt^ die Riickbildung des Ammoniaks aus dem Wasserstoff und Stickstoff auf einfache Weise zu bewerkstelligen , und wir miissen uns daher fur den Augenblick mit der Bemerkung begniigen, dass man den Wasserstoff und Stickstoff aus einein bekannten Gewichte Ammoniak abgeschieden und gewogen hat, und dass sich die Gewichte der beiden Gase zu dem Ge- wichte des zerlegten Ammoniaks erganzen, eine Thatsache, welche den unwiderleglichen Beweis liefert, dass das Ammo- niak neben Wasserstoff und Stickstoff keine anderen wag- baren Bestandtheile enthalt. Das Studium der drei Verbindungen , Chlorwasserstoff, Wasser, Ammoniak, hat uns in den Besitz einer Reihe von Thatsachen gesetzt, deren voile Bedeutung sich uns erst spater enthiillen wird. Wir haben gleichwohl bereits einen Einblick in das Gebiet gewonnen, welches sie wie eben so viele Schliissel uns eroffnen sollen. Eine fliichtige Riickschau auf die bereits durchmessene Bahn scheint am besten geeiguet, 42 Verbindungen und einfache Korper. Elemente. weiteres Eindringen in dieses Gebiet zu erleichtern und zu beschleunigen. Unter dem Einflusse der Elektricitat, der Warme und gewisser chemischer Agentien, haben wir eine kleine Anzahl wohlbekannter Korper eine Reihe der seltsamsten Verwand- lungen durchlaufen sehen. Durch geeignete Behandlung ge- lang es, den Chlorwasserstoff in Wasserstoff und Chlor, das Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff, das Ammoniak in Was- serstoff und Stickstoff zu spalten. Diese ausgeschiedenen Be- standtheile vermochten wir, fur den Fall des Chlor wasserstoffs und des Wassers wenigstens, direct wieder mit einander zu verbinden und auf diese Weise die zerlegten Korper zuriick- zubilden ; die directe Synthese des Ammoniaks wollte uns bis jetzt allerdings nicht gelingen , allein wir sahen, dass die Chemiker die Aufgabe in diesem Falle in anderer Form mit Hiilfe der Wage gelost haben. Eine Beweisfiihrung , wie sie nicht scharfer gedacht werden kann, ermachtigt uns also, Wasserstoff und Chlor, Wasserstoff und Sauerstoff, endlich Wasserstoff und Stickstoff, als die wahren und einzigen Be- standtheile, beziehungsweise des Chlorwasserstoffs, des Wassers und des Ammoniaks zu betrachten. Diese Erkenntniss fiihrt aber unvermeidlich auf die Frage nach der Natur, nach der Zusammensetzung dieser Bestandtheile selbst. Sind wir im Stande, Wasserstoff, Chlor, Sauerstoff, Stick- stoff in einfachere Formen der Materie zu zerlegen ? Auf diese Frage, welche die Forscher der Gegenwart so- wohl wie der Vergangenheit mit Vorliebe an die Natur ge- stellt haben, ist bis jetzt nur eine Antwort erfolgt: Der Wasserstoff, das Chlor, der Sauerstoff, der Stickstoff sind kei- ner weiteren Zerlegung fahig durch irgend welche Mittel, die uns gegenwartig zu Gebote stehen. Den machtigen Einfliis- sen der Elektricitat und der Warme, selbst wenn ihre Wir- kung bis zur aussersten Hohe gesteigert ward, haben diese Gase bisher siegreich widerstanden ; aus alien chemischen Reactionen, wie mannigfaltig sie, fur die Zwecke weiterer Zerlegung in einfachere Stoffformen, der Scharfsinn der Classification der Elemente. 43 Chemiker ersann und combinirte, sind diese Gase stets un- verandert hervorgegangen. Wir sind daher berechtigt, den Wasserstoff, das Chlor, den Sauerstoff, den Stickstoff als un- zerlegbare oder einfache Korper, als Elemente zu be- trachten, im Gegensatz zu zerlegbaren oder zusammen- gesetzten Korpern, zu Verbindungen, wie wir sie in dem Chlorwasserstoff, in dem Wasser, in dem Ammoniak ken- nen gelernt haben. Wie viele solcher einfachen und zusammengesetzten Kor- per giebt es? Die zusammengesetzten finden wir zu Tausen- den in der unorganischen Natur vertreten, in den ver- schiedenartigen Gesteinen und Mineralsubstanzen , welche die Rinde unseres Erdballs bilden; wir finden sie ferner unge- zahlt und in unbegrenzter Mannigfaltigkeit in der orga- nischen Natur, in den endlosen Gebilden der Pflanzenwelt und der Thierwelt. Und doch gestaltet sich dieser unend- liche Reichthum der verschiedenartigsten Stoffformen, soweit dieselben im Augenblicke (Januar 1869) erforscht sind, durch die Vereinigung von nur 63 einfachen Korpern oder Elementen. Selbst die Himmelskorper scheinen aus denselben einfachen Stoffen zusammengesetzt wie die Erde. In den Meteoriten, welche von Zeit zu Zeit unseren Planeten erreichen, hat man keine anderen Bestandtheile gefunden, und die Forschungen der allerneuesten Zeit haben zu dem kiihnen, aber wohl- berechtigten Schlusse gefuhrt, dass viele der irdischen Ele- mente auch in der Sonne und in den iibrigen Fixsternen ent- halten sind. Die Nameu dieser 63 Elemente, alphabetisch geordnet, sind in der folgenden Tabelle verzeichnet, in welcher sie sich in drei durch verschiedene Typen erkennbare Gruppen ordnen. Die erste dieser Gruppen, durch grossen Druck ausgezeichnet, enthalt ausser jden vier uns aus der Einleitung bereits be- kannten Elementen noch 14 andere, welche man als die an der Oberflache unseres Planeten am weitesten verbreiteten Korper betrachten darf. Diese Klasse umfasst die Haupt- bestandtheile des Meeres (Sauerstoff und Wasserstoff), der 44 Classification der Elemeute. Luft (Sauerstoff und Stickstoff), der Erdrinde (Sauerstoff in Verbindung mit Silicium, Kohlenstoff und den metallischen Elementen der Erden und Alkalien). Neben diesen stehen andere Elemente, welche, wie das Brom und das Jod z. B., obwohl viel weniger massig auftretend, dcch kaum minder weit in der Natur verbreitet sind. In einer zweiteu Gruppe, typographisch weniger hervor- tretend, finden wir die Namen von 23 Elementen vereinigt, welche nicht in gleichem Maasse verbreitet sind, wie die Glieder der ersten, aber alle in den Kiinsten und Gewerben mehr oder weniger ausgedehnte Anwendung gefunden haben, wie uns denn viele der hier aufgefiihrten Korper, Gold, Kupfer. Silber, Zink, Zinn u. s. w., aus dem Alltagsleben zur Geniige bekannt sind. Eine dritte Reihe endlich, typographisch noch unterge- ordneter, umfasst 22 weitere Elemente, welche man als Natur- seltenheiten bezeichnen konnte, Korper , welche entweder so vereinzelt oder in so geringer Menge gefunden worden sind, dass man sich bisher vergebens bemiiht hat, ihre Rolle im Haushalte der Natur zu ergriinden, oder sie fur die Zwecke der Industrie dienstbar zu machen. Die Seltenheit ihres Vor- kommens ist Ursache gewesen, dass inehrere Glieder dieser Gruppe erst in neuester Zeit entdeckt worden sind , nachdem der Fortschritt der Wissenschaf't die Forschung mit neuen, den bisher angewendeten iiberlegenen Methoden bereichert hatte. Dieser letzten Gruppe wiirde man die Namen einiger angeb- lichen Elemente, des Terbiums und Noriums, einzureihen haben, wenn nicht die Existenz dieser Korper durch neuere Versuche so zweifelhaft geworden ware, dass wir Anstand nehmen muss- ten, sie in einem Verzeichnisse von Elementen, deren Natur mit Sicherheit ermittelt ist, mit aufzufiihren. Gruppirung der Elemente. 45 Alphabetische Tabelle der Elemente. Aluminium. Iridium. Sauerstoff. Antimon. Kalium. Schwefel. Arsen. Kobalt. Selen. Barium. Kohlenstoff. Silber. Beryllium. Kupfer. Silicium. Blei. Lanthan. Stickstoff. Bor. Lithium. Strontium. Brom. Magnesium. Tantal. Cadmium. Mangan. Tellur. Caesium. Molybdan. Thallium. Calcium. Natrium. Thorium. Cerium. Nickel. Titan. Chlor. Niob. Uran. Chrom. Osmium. Vanadin. Didym. Palladium. Wasserstoff. Eisen. Phosphor. Wismuth. Ei'bium. Platin. Wolfram. Fluor. Quecksilber. Yttrium. Gold. Rhodium. Zink. Indium. Rubidium. Zinn. Jod. Ruthenium. Zirkonium. Es braucht kaum bemerkt zu werden , dass die Grup- pirung der Elemente, welche wir in der vorstehenden Tabelle versucht haben, keiner scharfen Begriindung fahig ist, sondern lediglich den Zweck hat, zu zeigen, wie ungleiche Wichtig- keit verschiedene Elemente fiir uns haben konnen. Zwischen diesen Gruppen finden in unmerkbarer Stufenfolge Ueber- gange statt, und nicht selten konnten die auf der Grenze stehenden Glieder fast mit gleichem Rechte in die eine oder die andere Gruppe eingereiht werden. Die Tabelle zeigt gleichwohl auf einen Blick, dass weniger als ein Drittel der Elemente von erster und eine etwas grossere Anzahl von 46 Mogliche Zerlegung der Elemente. zweiter Bedeutung sind. Auf diese beiden Klassen muss sich unsere Aufmerksamkeit fast ausschliesslich beschranken. Die seltenen Korper konnen nur ganz niichtige Beachtung finden. Aus der Art und Weise, wie wir zu dem Begriffe des Elementes gelangt sind, ergiebt es sich schon, dass dieser Ausdruck mit gewisser Einschrankung zu gebrauchen ist. Die in der vorstehenden Liste verzeichneten Korper sind Elemente fur uns, weil wir die Mittel nicht besitzen, sie wei- ter zu zerlegen. Moglich, dass der Fortschritt der Wissen- schaft einer kiinftigen Generation diese Mittel enthiillen wird, und dass manche der jetzt fur Elemente geltenden Korper aufhoren werden, unseren Nachfolgern Elemente zu sein. Von dem Zeitalter der ,,Klassischen Elemente" , welche alle aufgehort haben, fiir uns Elemente zu sein, ab warts bis auf verhaltnissmassig neue Zeit finden wir zahlreiche Beispiele solcher fortschreitenden Vereinfachung in den Annalen der Wissenschaft verzeichnet, und es ware Anmaassung, an der Moglichkeit der Wiederkehr solcher Vereinfachungen zweifeln zu wollen. 47 m. Zusammengesetzte Kb'rper. Volumverhaltniss und Verdichtung der Be- standtheile in denselben , veranschaulicht durch die volumetrische Analyse des Chlorwasserstoffs , des Wassers und des Ammoniaks. Chemische Verbindung im Gegensatze zu mechanischer Mischung. Unterscheidende Kennzeichen derselben durch Versuche nachgewiesen. Zersetzung des Chlorwasserstoffs durch Natriumamalgam. Trennung der elektrolytisch entwickelten Bestandtheile des Chlorwasserstoffs durch Jodkalium. Wiedervereinigung derselben durch Belichtung. 2 Vol. Chlorwasserstoffgas enthalten 1 Vol. Wasserstoff und 1 Vol. Chlor. Trennung der Bestandtheile des Wassers durch Elektrolyse. Wiedervereinigung derselben durch den elektrischen Funken. 2 Vol. Wassergas enthalten 2 Vol. Wasserstoff und 1 Vol. Sauerstoff. Zer- legung des Ammoniaks durch Chlor. Bestimmung des durch ein ge- gebenes Chlorvolum aus dem Ammoniak entwickelten Stickstoffvolums. Zerlegung des Ammoniaks in seine Bestandtheile durch den Funken- strom der Inductionsmaschine. 2 Vol. Ammoniakgas enthalten 3 Vol. Wasserstoff und 1 Vol. Stickstoff. Gleichzeitige Zerlegung des Chlor- wasserstoffs , des Wassers , des Ammoniaks durch den elektrischen Strom. Mischung und Verbindung der elementaren Bestandtheile des Chlorwasserstoffs und des Wassers. Constanz der chemischen Zu- sammensetzung. Verschiedenheit der Eigenschaften einer chemischen Verbindung von den Eigenschaften ihrer Bestandtheile. Bedingungen, unter denen mechanische Mischungen in chemische Verbindungen iibergehen. Zur Gewinnung weiterer Gesichtspunkte nehmen wir das Studium der Verbindungen Chlorwasserstoff, Wasser und Ammoniak, mit denen wir unsere Betrachtungen eroffneten, wieder auf, und wollen jetzt die Volumverhaltnisse unter- suchen, in denen sich die Elernente Wasserstoff, Chlor, Sauer- stoff und Stickstoff an der Bildung dieser Verbindungen be- theiligen. 48 Volumverhaltnisse d. Elemente in d. Chlorwasserstoff. Erforschen wir zunachst, in welchem Volumverhaltnisse sich Wasserstoff und Chlor zu Chlorwasserstoff vereinigen. Dies gelingt leicht, indem wir die Zersetzung des Chlorwas- serstoffgases durch Natrium unter Bedingungen wiederholen, welche uus die Messung des entwickelten Wasserstoffgases gestatten. Zu dem Ende bedienen wir uns einer etwa 50 Centi- meter langen und 1,5 Centim. weiten, U-formig gebogenen, auf einem Stativ in geeigneter Weise befestigten Glasrohre, deren einer Schenkel offen, der andere durch einen Glashahn geschlossen ist. Etwas oberhalb des Bugs ist der offene Schen- kel mit einem diinnen, vor der Lampe angeblasenen Auslass- rohrchen versehen. Dieses Rohrchen tragt einen kleinen Kaut- schukschlauch , welcher durch einen elastischen Metallbogen (Quetschhahn) oder eine Schraube zusammengeklemmt ist, wodurch die Rohre nach Belieben geschlossen oder geoffnet werden kann. Der Quetschhahn lasst sich auch zweckmassig durch einen wohleingeschliffenen Glashahn ersetzen. Im vorliegenden Falle erleichtert die mit einem Quetsch- oder Glashahn geschlossene Ansatzrohre wesentlich das Ein- bringen des Gases in den Apparat. Zu dem Ende wird die U-Rohre zuerst vollkommen mit Quecksilber gefiillt und das Metall alsdann durch den Hahn aus dem offen en Schenkel abgelassen. Hierauf senkt man die Entbindungsrohre eines Apparates fur die Entwicklung trocknen Chlorwasserstoffs (vergl. S. 8), an deren Ende man zweckmassig ein kurzes Kautschukrohrchen befestigt, durch den offenen Schenkel in den Bug der Rohre, so dass die Gasblasen in dem ge- schlossenen Schenkel aufsteigen, aus dem das Quecksilber, Volum fiir Volum, austritt, um durch den geoffneten Hahn ab- zufliessen. Nachdem auf diese Weise eine hinreichende Menge trocknen Gases in den Apparat eingefiillt ist, wird der Hahn geschlossen und wieder Quecksilber in den Apparat einge- gossen , bis es sich in beiden Schenkeln ins Niveau gestellt hat. Der gaserfiillte Raum in der Rohre wird alsdann in passender Weise, z. B. durch einen iibergeschobenen Kaut- Elektrolyse des Chlorwasserstoffs. 49 schukring, bezeichnet (Fig. 46). Nunmehr wird der leere Raum des offenen Schenkels rait Natriumamalgam (vergl. S. 11) gefiillt und die Miindung mittelst eines Glasstopsels geschlossen. Man lasst alsdann das Gas durch geschicktes Neigen des Apparates in diesen Schenkel iibertreten und voll- endet die beim Durchgang durch das Natriumamalgam einge- leitete Zersetzung durch mehrmaliges Schiitteln, welches alle Gastheilchen mit dem Natrium in Beriihrung bringt. Schliess- lich tragt man Sorge, das ganze Gasvolum wieder in den ge- schlossenen Schenkel zuriicksteigen zu lassen. Beim Weg- nehmen des Stopsels sinkt das Quecksilber, und sobald man es durch Oeffneu des Hahns in beiden Schenkeln wieder ins Niveau gebracht hat, zeigt es sich, dass die Rohre nur noch Fig. 46. Fig. 47. halb so viel Gas enthalt, als am Anfang des Yersuches (Fig. 47). Dieses Gas, wie kaum bemerkt zu werden braucht, ist reines Wasserstoffgas ; indem wir Quecksilber in den offenen Schenkel eingiessen, tritt das Gas aus dein geoffneten Glashahn aus und lasst sich an seiner Entziindlichkeit ohne Schwierigkeit er- kennen. Wir lernen aus diesem Versuche, dass 1 Volum Chlor- \vasserstoff l /. 2 Volum Wasserstoffgas enthalt. Wieviel Chlor ist nun aber mit diesem l - 2 Vol. Wasserstoff verbunden ? Auf Einleitung in die moderne Chemie. 50 Elektrolyse des Chlorwasserstoffs. den ersten Blick scheint dies fast eine iiberfliissige Frage. Man konnte sich zu der Annahme berechtigt halten, dass eine aus Wasserstoff und Chlor bestehende Verbindung, welche, wie der Versuch nachgewiesen hat, in 1 Vol. 1 / 2 Vol. Wasser- stoff enthalt, nothwendiger Weise auch V 2 Vol. Chlor enthalten miisse. Allein in 1 Vol. Chlorwasserstoff konnte gleichwohl l /2 Vol. Wasserstoff mit mehr oder weniger als */2 Vol. Chlor verbunden sein, wenn sich die Bestandtheile bei der Vereini- gung zu der Verbindung entweder verdichtet oder ausgedehnt haben. Es ist also keineswegs uberflussig, dass wir die Frage aufwerfen: wie viel Chlor ist in 1 Vol. Chlorwasserstoff mit l / 2 Vol. Wasserstoff verbunden? Die Antwort auf diese Frage wird durch einen zweiten Versuch gegeben. Eine Losung von Chlorwasserstoff in Wasser wird von Neuem in dem bereits friiher angewendeten Apparate unter den angegebenen Vorsichtsmaassregeln und mit bekanntem Erfolge der Elektrolyse unterworfen (vergl. S. 20 und 27). Der Wasserstoff tritt reichlich an dem negativen Pole auf, wahrend sich gleichzeitig Chlor an dem positiven Pole ent- wickelt, welches aber im Anfang des Versuches beinahe voll- kommen von der Fliissigkeit verschluckt wird. Erst wenn diese Fliissigkeit gesattigt ist, beobachtet man an dem posi- tiven ebenso reichliche Gasentwicklung wie an dem nega- tiven Pole. In diesem Stadium des Versuches wird die Ent- bindungsrohre des Apparates durch einen Kautschukschlauch mit einer horizontal liegenden 40 bis 50 Centimeter langen und 1,5 Centimeter weiten Glasrohre in Verbindung gesetzt, deren Enden in enge, mit gut schliessenden Glashahnen ver- sehene Rohren ausmiinden (Fig. 48). Die Rohre fiillt sich auf diese Weise langsam mit der Mischung von Wasserstoff und Chlor, welche bei der Elektrolyse des Chlorwasserstoffs frei wird. Damit jede Spur Luft ausgetrieben werde, muss man das Gasgemisch eine geraume Zeit lang durch die Rohre streichen lassen. Urn die Verbreitung des unertraglichen Chlorgases zu verhindern, leiten wir die Gase bei ihrem Aus- tritte aus der Rohre in den Fuss eines Glasthurmes, in welchem Fiillen der Absorptionsrohre. 51 sie aufwarts durch eine mit Natronlauge getrankte Bimsstein- saule streichen miissen. Nach Verlauf von etwa l_bis_2_Stun- den 1st die Operation vollendet und die Rohre kann abge- nommen werden, nachdem die Glashahne sorgfaltig geschlossen worden sind. Wir haben nunmehr den gasformigen Inhalt der Rohre zu untersuchen. Zu dem Ende bringen wir das Gasgemenge mit einer Fliissigkeit in Beriihrung, welche fahig ist, das Chlor, aber nicht den Wasserstoff zu absorbiren. Dies konnte mittelst Wasser^ geschehen ; wir finden es aber zweckmassig, statt reinen Wassers eine Losung von Jo^kalium_anzuwenden, welche, wie wir bereits wissen (vergl. S. 26), das Chlor mit Begierde verschluckt und zugleich den Vortheil bietet, dass sich die Gegenwart des Chlors durch die tiefbraune Farbe, Fig. 48. welche die Fliissigkeit alsbald annimmt, dem Auge sichtbar macht. Um das Volumverhaltniss der beiden in der Rohre befindlichen Gase zu ermitteln, fiillen wir eine der Spitzeu, in welche sie auslauft, mit ziemlich starker Jodkaliumlosung und setzen einen diinnen^ork auf, den wir nach dem Oeffnen des Hahns in das Ende einpressen. Sogleich treten ein paar Tropfen der Fliissigkeit in die Rohre, und wenn wir nunmehr den Hahn schliessen, so ist eine kleine Menge Jodkaliumlosung in dem Gasvolurn abgefangeii. Durch geeiguetes Neigen ver- 4* 52 Absorption des Chlors. breiten wir die Fliissigkeit iiber die Wande der Rohre, so dass dem Gasgemenge eine ausgedehnte Oberflache geboten ist. Die Absorption voll- endet sich auf diese Weise mit ausserordentlicher Schnelligkeit. Wenn die Rohre nunmehr in eine verdiinnte Jodkaliumlo- sung, welche einen nach oben sich erweiternden Cylinder erfiillt, eingesenkt und der Hahn geoffnet wird, sosteigt die Fliissig- keit, und wir beobachten, sobald dieselbe Aussen und Innen ins Niveau getreten ist, dass sie die Rohre ge- nau bis zur halben Hohe erfiillt (Fig. 49). Es ist also die Halfte des ur- spriinglichen Gasvolums absorbirt worden, und dass das absorbirte Gas Chlor war, ergiebt sich unzwei- deutig aus der braunen Farbung der Jodkaliumlosung. Die Natur des ruckstandigen Gases wird nicht weniger leicht erkannt. Man braucht nur die Rohre noch etwas tie- fer in die Fliissigkeit des Cylinders einzusenken und alsdann auch den oberen Hahn zu offnen. Das unter dem Druck der Fliissigkeitssaule aus der Spitze austretende Gas entziindet sich an einem brennenden Wachsfaden (Fig. 50) und verbrennt mit der charakteristischen farblosen Flamrne des Wasserstoffs. Diese Erscheinungen beantworten in befriedigender Weise die Frage, welche uns der vorhergehende Versuch auf- gedraugt hatte. Die Einwirkung des Natriums auf den Chlorwasserstoff Volumverhaltniss d. Elemente in d. Chlorwasserstoff. 53 hatte uns gelehrt, dass 2 Vol. Chlorwasserstoff 1 Vol. Wasser- stoff enthalten ; die Elektrolyse der Chlorwasserstoffsaure zeigt Fig. 50. uns, dass sich bei der Bildung des Chlorwasserstoffs 1 Vol. Wasserstoff mit 1 Vol. Chlor verbindet, Beide Versuche zusammengenoramen liefern uiis gerade diejenigen Aufschliisse iiber die Natur des Chlorwasserstoffs, welche uns noch fehlten, und die friiheren Ergebnisse mit den jetzt gewonnenen zusammenfassend, besitzen wir die Beweise dafur, erstens, dass der Chlorwasserstoff aus Wasser- stoff und Chlor zusammengesetzt ist; zweitens, dass diese beiden Elemente seine einzigen Bestandtheile sind; drittens, dass sie sich in gleichen Volumen vereinigt haben; und endlich viertens, dass die beiden Bestandtheile ohne Verdieh- tung in dem Chlorwasserstoff enthalten sind, indem das Volum der gebildeten gasformigen Verbindung gleich ist der Sumnie der Volume seiner elementaren Bestandtheile. Pie zuletzt erwahnte Thatsache, die Vereinigung des 54 Synthese des Chlorwasserstoffs Wasserstoffs mit dem Chlor ohne Verdichtung, lasst sich noch durch einen anderen, nicht minder schlagenden Versuch zur Anschauung bringen. Wahrend der elektrolytische Apparat, dessen wir uns in dem vorhergehenden Versuche bedienten, noch immer Wasserstoff und Chlor in dem Verhaltnisse ent- wickelt, in welchem die beiden Gase in dem Chlorwasserstoff vorhanden sind, wollen wir statt der eben angewendeten weiten Glasrohre eine andere von gleicher Lange anhangen, allein dicker im Glase und von geringerem, einen halben Centi- meter nicht iibersteigendem Durchmesser. Die beiden Enden der Rohre sind aber diesmal nicht mit Glashahnen versehen, sondern vor der Lampe in feine Spitzen ausgezogen, auch streichen die Gase, welche fur diesen Versuch vollkommen trocken sein miissen, ehe sie sich in der Rohre sammeln, durch ein U-Rohrchen, welches schwefelsauregetrankten Bimsstein enthalt. Sobald man annehmen darf, dass jede Spur von Luft ausgetrieben ist, und die Rohre ausschliesslich die gasformi- gen Bestandtheile des Chlorwasserstoffs enthalt, werden die ausgezogenen Spitzen vor dem Lothrohre zugeschmolzen. Bei explosiven Mischungen, wie diejenige, mit der wir es hier zu thun haben, erheischt das Zuschmelzen der Spitzen ganz besondere Vorsicht. Worauf es ankommt, ist, zu ver- hindern, dass das Gasgemenge mit der Flamme selbst in Beriihrung komme. Um diese Beriihrung zu vermeiden, in anderen Worten, um eine Glasschicht zwischen Gas und Flamme zu behalten, muss letztere nicht auf die Spitzcj, son- dern auf den Ian gen zwischen der JRohre_ und ihrer Mtin- dung sich erstreckenden Jlals gerichtet werden. Der diinne Hals erweicht, seine Wande fliessen zusammen, verstopfen den feinen Canal und schliessen die Rohre. Die jenseits des Schlusses liegenden Endstiicke werden alsdann abgeschmolzen und lassen eine abgerundete, nette Spitze zuriick. Auf diese Weise ausgefiihrt, bietet das Zuschmelzen von Rohren, zumal wenn die Enden hinreichend ausgezogen sind, kaum irgend Gefahr; gleichwohl sollte man es niemals unterlassen, durch Sonnenlicht. 55 durch Einhiillen der Rohre in ein Tuch das Umherschleudern von G]assplittern unmoglich zu machen, falls sie dennoch durch Ueberhitzen des Glases explodirte. Es bleibt jetzt noch iibrig, das in der Rohre einge- schmolzene Gemenge von Wasserstoff und Chlor durch Belich- tung in die cheniische Verbindung Chlorwasserstoff zu ver- wandeln. Dies lasst sich entweder durch naturliches oder durch kiinstliches Licht erzielen. Directe Sonnenstrahlen be- wirken augenblickliche Yerbindung. Solche Strahlen sind aber nicht aller Zeit und allerwarts zu unserer Verfugung; die Londoner Novembersonne versagt in der Regel ihren Dienst, und es ist desbalb von Interesse, mit einem kunstlichen Lichte bekannt zu werden, welches hinreichend intensiv ist, um die- selbe Wirkung hervorzubringen. Ein solches Licht besitzen wir in der blauen Flamme, welche sich bei der Verbrennung des Schwefelkohlenstoffs in Stickstoffoxid^ entwickelt. Diese beiden Korper werden uns spater genauer bekannt werden; hier wol- len wir nur kurz anfiihren, wie man den Versuch anstellt. Zu dem Ende werden 8 bis 10_ Cubikcentimeter Schwefelkohlenstofi 7 in einen hohen, mit Stickstpfioxid_ gefiillten Cylinder gebracht. Dies geschieht recht zweckmassig in diin- nen Glaskugeln, welche von passen- der Grosse vor der Lampe ausge- blasen (Fig. 51), mit Schwefelkohlen- stofi" gefiillt und zugeschmolzen wer- den. Man schiebt die Glasplatte, welche den mit Stickstoffoxid ge- fiillten Cylinder deckt, ein wenig zur Seite, lasst eine solche Kugel hineinfallen und schliesst den Cylin- wieder. Man braucht alsdann den Cylinder nur einige 56 Synthese des Chlorwasserstotfs Male auf- und abzuschwenken, um die Glaskugel zu zer- brechen und sofort eine innige Mischung von Stickstoffoxid und Schwefelkohlenstoff zu erhalten. Diese Mischung ent- ziindet sich an einer der offenen Mundung des Cylinders ge- naherten Kerze und verbrennt mit glanzender, intensiv blauer, in den Cylinder niedersteigender Flamme. Die Strahlen dieses Lichtes bewirken die augenblickliche Vereinigung des Wasserstoffs mit dem Chlor, welche durch einen leichten Schlag in der Rohre angedeutet wird. DieAnordnung des Apparates erhellthinreichend aus der Zeichnung (Fig. 52). Zur Linken steht der Glascylinder nait Fig. 52. der lichtgebenden Mischung, zur Kechten befindet sich ein zweiter hoherer, an der Miindung sich schalenartig erweitern- der Glascylinder, der bis zur halben Hohe der Erweiterung mit durch kunstliches Licht. 57 Quecksilber gefiillt 1st. Ueber letzterem, der lichtgebenden Mischurig moglichst nahe, ist die Glasrohre, welche das zu explodirende Gasgemenge enthalt, mittelst eines Halters in der Art befestigt, dass eine der ^ohrenspitzen unter den Spiegel des Quecksilbers taucht. Will man ganz sicher gehen, so ist es rathlich, zwei Rohren auf einmal anzuwenden, da aus kaum hinreichend ermittelten Griinden der Versuch bisweilen fehlschlagt. Statt der blauen Schwefelkohlenstoffflamme kann man sich, um die Verbindung der beiden Gase zu bewirken, auch des intensiv weissglanzenden Lichtes bedienen, welches sich bei der Verbrennung des Metalles Magnesium entwickelt. Das im Handel vorkommende Magnesiumband wird zweckmassig zu diesem Versuch e verwendet. Das Magnesiumlicht ist leichter zu handhaben und lasst sich iiberdies dem zu be- leuchtenden Gasgemenge moglichst nahe bringen. Zur Untersuchung des durch die Yereinigung der bei- den Gase gebildeten Productes wird eine der beiden Spitzen der Rohre unter Quecksilber abgebrochen. Wir sehen weder Gas aus der Rohre entweichen, noch Quecksilber in die- selbe eintreten; mithin ist es klar, dass die Verbindung der Gase ohne Zusammenziehung oder Ausdehnung ihres Vo- lums erfolgt ist. Es bleibt jetzt nur noch iibrig nachzuwei- sen, dass die Verbindung auch wirklich vor sich gegangen ist. Zu dem Ende giessen wir Wasser, welches durch einige Tropfen Lackmustinctur blau gefarbt ist, auf das Quecksil- ber und heben die Rohre, bis ihre offene Miindung statt in Quecksilber in Wasser taucht. Alsbald. beobachten wir eine auffallende Erscheinung : kaum mit dem Wasser in Beriihrung, wird das Gas gelost, das Wasser steigt und erfullt die Rohre beinahe augenblicklich. Die so erhaltene Fliissigkeitssaule ist nichts anderes, als verdiinnte Chlorwasserstoffsaure, welche wir an den bereits mehrfach beobachteten Eigenschaften und zumal an deni Umstande wieder erkennen, dass die blaue Farbung der Losung in Roth iibergegangen ist. Dieser Ver- such liefert eine neue Bestatigung der schou friiher erwor- 58 Wasserstoff und Chlor sind in dem Chlorwasserstoff benen Erfahrung, dass sich 1 Vol. Wasserstoff und 1 Vol. Chlor zu 2 Vol. Chlorwasserstoff mit einander ver- einigen. Bei Anstellung des Versuches, ob man sich des Son- nenlichtes oder des Schwefelkohlenstoffiichtes bediene, diirfen einige Vorsichtsmaassregeln nicht ausser Acht gelassen wer- den. Die Verbindung der beiden Gase ist von betrachtlicher Warmeentwicklung begleitet und der gebildete Chlorwasser- stoff wird daher so stark ausgedehnt, dass die Glasrohren bis- weilen zerschmettert werden. Man versaume deshalb nicht, wenigstens dasAuge zuschiitzen; eine Scheibe starken Spiegel- glases mit einem Holzgriffe eignet sich trefflich fur solchen Zweck. Auf diese Weise ist jede Gefahr beseitigt, auch wenn die ganze Rohre explodirte. Dies ist indessen nur selten der Fall; in der Regel wird, wenn iiberhaupt ein Unfall statt- findet, nur eine der Spitzen abgeschlagen, wodurch allerdings der Versuch verloren geht. Um solchem Verluste zu begeg- nen, kann man der oberen Spitze durch Umhullung mit Siegellack grossere Festigkeit geben. Der Siegel]ack wird in einem Glasrohrchen geschmolzen und die zu schiitzende Spitze in die Fliissigkeit eingetaucht, welche beim Abkiihlen erstarrend das Rohrchen auf der Spitze festkittet (siehe Fig. 52). Die untere Spitze taucht in einen hohen Quecksilber- cylinder, so dass selbst im Fall des Abbrechens ein Gasverlust kaum zu befiirchten steht. Vorbereitung und Anstellung des Versuchs in der be- schriebenen Weise sind nicht ganz einfach; man bedient sich deshalb auch wohl mit Vortheil einer gleichfalls 1 / 2 Centi- meter weiten, etwa 75 Centimeter langen Rohre aus dickem Glas, welche an beiden En den mit gut schliessenden Glas- hahnen versehen und in geringer Entfernung von dem einen Ende zu einer dickwandigen Glaskugel von etwa 2 Centimeter Durchmesser aufgeblasen ist. Die Fiillung mit den durch die Elektrolyse des Chlorwasserstoffs erhaltenen Gasen erfolgt wie vorher, allein wir sind nunmehr des schwierigen und nicht ganz ungefahrlichen Zuschmelzens der Rohrenspitzen iiber- ohne Verdichtung vereinigt. 59 hoben. Die Belichtung geschieht ebenfalls, wie friiher, mit- telst der im Stickstoffoxide brennenden Schwefelkohlenstoff- flamme, oder mittelst eines brennenden Magnesiumbandes. Die Rohre braucht aber jetzt nicht mehr in Quecksilber zu tau- chen, sondern wird einfach in der Nahe des mit der Mischung von Stickstoffoxid und Schwefelkohlenstoff erfiillten Cylinders, oder des brennenden Magnesiumbandes, an einem Bindfaden Fig. 53, aufgehangt (Fig. 53). Die Vereinigung des Wasserstoffs mit dem ChJor erfolgt unter Feuererscheinung mit eineni gelinden Schlag. Ueber die Untersuchung des gebildeten Chlorwasser- 60 Volumverhaltniss des Wasserstoffs stoffs braucht nach der eingehenden Besehreibung des vorher- gehenden Versuches kein Wort mehr hinzugefiigt zu werden. Das Volumverhaltniss, in welchem die beiden elementaren Gase im Wasser enthalten sind, ergiebt sich am einfachsten und anschaulicbsten aus der Elektrolyse dieser Yerbindung. Wir haben uns bereits des elektrischen Stromes bedient, um die Natur der Bestandtheile des Wassers kennen zu ler- nen (vergl. S. 29), und wir beobachteten schon bei dieser Ge- legenheit, dass sich der Wasserstoff reichlicher entwickelte, als der Sauerstoff. Eine geeignete Abanderung des damals angewendeten Apparates gestattet uns jetzt, das Verhaltniss der Volume zu ermitteln, in dem die beiden Gase bei der Elektrolyse des Wassers frei werden. Zu diesem Zwecke haben wir zwei Glasrohren von glei- chem Durchmesser, das eine Ende geschlossen, das andere offen, mit schwefelsaurehaltigem Wasser gefullt, und iiber einer gleichfalls mit angesauertem Wasser gefiillten Glasschale in der Weise aufgehangt, dass die Miindungen der Rohren unter den Spiegel der Fliissigkeit tauchen. Der Versuch hat gezeigt, dass Wasser, dessen Volumgewicht durch Schwefel- saurezusatz von 1,0 auf 1,1 erhoht worden ist, fiir diesen Zweck sich am besten eignet. Die Leitungsdrahte der Bat- terie liegen in einem Guttapercha-Streifen, aus dem die Pol- enden unterhalb der Rohren hervortreten. Beide Polenden tragen kleine Platinplatten, deren oberer Theil in die Miin- dung der umgestiilpten Rohren hineinragt (Fig. 54). Die Leitungsdrahte werden nunmehr mit einer Saule verbunden, und alsbald beginnt der zwischen den Platinplat- ten durch die Fliissigkeit gehende Strom das Wasser zu zer- setzen, dessen Bestandtheile als Gasblaschen emporsteigen. Auch jetzt beobachten wir wieder, dass sich das Gas an dem negativen Pole unverkennbar in reichlicherer Menge entbindet. Da sich die beiden Gase in den iiber den Platinplatten hangenden Rohren sammeln, so zeigt es sich bald, dass fiir jedes Volum des sparlicher entbundenen Bestandtheils zwei und Sauerstoffs ira Wasser. 61 Volume des reichlicher auftretenden entwickelt werden. Nun wissen wir aber aus fruheren Versuchen, dass der vorwaltende Fig. 54. Bestandtheil, (welcher an dein negativen Pole entbunden wird), Wasserstoff, der in geringerer Menge vorhandene, (welcher an dem positiven Pole auftritt), Sauerstoff 1st. Nichts hin- dert uns indessen, diese Erfahrtmg nochmals durch den Ver- such zu bestatigen; wir brauchen nur eine Rohre nach der anderen aus der Schale zu entfernen und ihren Inhalt nach der uns bereits bekannten Methode zu priifen. Es ist auf diese Weise festgestellt, dass im Wasser 2 Vol. Wasserstoff mit 1 Vol. Sauerstoff verbunden sind. In Fig. 55 (a. f. S.) ist ein fiir den Nachweis dieser wichtigen Thatsache noch geeigneterer Apparat abgebildet. Statt der beiden einzeln in der Glasschale umgestiilpten Rohren haben wir eshier mit einer einzigen dreischenkligen Rohre zu thun. Der langere oben kugelformig sich erweiternde Schenkel ist am unteren Ende umgebogen und rniindet in eine etwas kiir- zere U- Rohre, deren beide Schenkel am oberen Ende durch Glas- oder Kautschukhahue geschlossen sind; diese Schenkel dienen zur Aufsammlung der Gase, welche sich an in das Glas eingeschmolzenen Elektroden entwickeln. Der Apparat wird 62 Volumverhaltniss des Wasserstoffs mit angesauertem Wasser gefiillt, und die Fliissigkeit der Einwirkung des elektrischen Stromes ausgesetzt. Die in den Fig. 55. Schenkeln der U- Rob re aufsteigenden Gase verdrangen das Wasser, welches, in dem langeren Rohre emporsteigend und in der Kugel sich ansammelnd, eine Drucksaule liefert, deren Gewicht uns die entwickelten Gase, sobald die Hahne geoff- net werden, zur genaueren Untersuchung aus den Spitzen austreibt. Ein besonderer Vortheil dieses Apparates besteht darin, dass man die Gase einige Zeit lang aus den geoffneten Hah- nen ausstromen lassen kann, ehe man sie aufsammelt. Die Gase, welche sich bei der Elektrolyse des Wassers entwickeln, sind nichtganz unloslich in Wasser; namentlich wird, wie wir spater genauer kennen lernen werden, im Anfange des Ver- suches eine kleine Menge Sauerstoff von dem Wasser aufge- nommen. In dem zuerst beschriebenen Apparate beobachtet man daher haufig etwas rnehr als 2 Vol Wassersioff auf 1 Vol. und Sauerstoffs im Wasser. 63 Fig. 56. Sauerstoff, wahrend in dem zuletzt erwahnten das Verhaltniss scharfzuTage tritt, wenn man, zur Sattigung derFliissigkeiten, die Gase langere Zeit hat entweichen lassen, ehe man sie auf- sammelt. Noch miissen wir untersuchen, ob die Verbindung des Wasserstoffs und Sauerstoffs, gerade so wie die Verbindung des Wasserstoffs und Chlors, dasselbe Volum einnimmt wie die zusammentreffenden Gase, oder ob eine Volum ver an derung stattfindet. Um diese Frage zu entscheiden, ist es nothwendig, das Vo- lum der elementaren Wasserbestandtheile mit dem des gebil- deten Wassers bei einer Temperatur zu vergleichen, welche hoch genug ist, um letzteres im gasformigen Zustande zu erhalten. Zu dem Versuche dient eine U-Rohre, derjenigen ahnlich, welche wir zur Analyse des Chlorwasserstoffs angewendet haben (S. 48). Das geschlossene Ende ist aber diesmal nicht mit einem Hahn versehen; auch sind dicht am Ende des geschlossenen Schen- kels zwei Platindrahte in das Glas eingeschmol- zen, deren innere Spitzen sich in einer Entfer- nung von einigen Millimetern gegeniiber stehen, wahrend die ausseren Enden zu Oesen umgebo- gen sind, in welche man die Leitungsdrahte der Saule einhangen kann. Derartige fur das Ueber- schlagen des elektrischen Funkens bestimmte Vorrichtungen sind in Fig. 56 besonders gege- ben; in der zweiten abgebildeten Rohre schmie- gen sich die inneren Platindrahte der Rundung des Glases an, wodurch das Reinigen der Rohre erleichtert wird. Fig. 57 (a. f. S.) zeigt die Zusammenstellung des ganzen Apparates, und zwar ist die Inductionsmaschine mit der Saule auf der linken, die U-Rohre mit Zubehor auf der rechten Seite aufgestellt. Die Platindrahte der letzteren sind mit der Inductionsmaschine in Verbindung, so dass bei geeignetem Spiele derselben der elektrische Funken zwischen den Metall- spitzen iiberschlagt. Wir beginnen den Versuch in der 64 Verdichtung der Elementargase. Weise, dass wir in den mil Quecksilber gefiillten geschlos- senen Schenkel der U-Rohre eine etwa 25 bis 30 Centimeter hohe Saule der Elementargase des Wassers eintreten lassen, und zwar genau in dem Yerhaltnisse, in dem sie Wasser bil- den. Man kann sich zu dem Ende eine kiinstliche Mischung beider Gase in dem bekannten Verhaltnisse bereiten, allein man erhalt die Gase, vollkommen rein und genau in dem erforderlichen Volumverhaltniss, weit leichter durch Elektro- lyse des Wassers in dem bereits beschriebenen Apparat (S. 30, Fig. 57. Fig. 30), indem man auch hier Sorge tragt, die Gase sich kurze Zeit entwickeln zu lassen, ehe man sie auffangt. Der gaserfiillte Schenkel der U-Rohre ist mit einem hohen Glas- cylinder umgeben, dessen untere Miindung mittelst eines Korkes urn die Rohre befestigt ist, wahrend die obere, gleich- falls mit einem Kork versehene Miindung sich etwa 5 Centi- meter iiber das geschlossene Ende der U-Rohre erhebt. Der zwisohen beiden Glaswanden gebildete Raum steht durch eine gebogene, in das obere Ende einmundende Glasrohre mit einer Flasche in Verbindung, in welcher eine Fliissigkeit von be- trachtlich hoherem Siedepunkte als dem des Wassers zuin Sie- den erhitzt wird; Amylalkoh_olj der bei 132siedet, eiguet sich vortrefflich fur diesen Zweck. Bei langere Zeit fortgesetztem Sieden erfiillt der aus der Flasche entweichende Dampf den Raum zwischen Cylinder und Rohre, welche auf diese Weise in kiirzester Frist eine gleichformige Temperatur von 132 annimmt. Um die Verbreitung der starkriechenden Amyl- alkoholdampfe in der Luft zu verhindern, werden dieselben aus dem unteren Theile des Cylinders in eine mit kaltem Wasser im Wasser. 65 umgebene glaserne Kiihlschlange geleitet, in welcher sie sich verdichten. Unter dem Einfluss der Hitze dehnt sich die Fig. 57. - U R A R xiv - TY (aus Wasserstoff und Sauerstoff bestehende) Gassaule in der U-Rohre aus; sobald keine weitere Volumvergrosserung mehr eintritt, wird die Hohe der Saule in geeigneter Weise, am einfachsten durch einen Kautschukring bezeichnet, indem man Sorge tragt, entweder durcli Eingiessen oder durch Ablassen von Quecksilber den Spiegel des Metalles in beiden Rohren vor- her ins Niveau zu bringen. Man giesst alsdann noch etwas mehr Quecksilber in den offenen Schenkel, in welchen schliess- lich ein gut ^assender Kork, eingepresst wird. Zwischen die- sem Kork und dem Quecksilberspiegel ist eine 8 bis 10 Cen- timeter hohe Luftsaule abgesperrt, deren Elasticitat beim Schlusse des Versuchs in Anspruch genommen wird. Es bleibt jetzt nur noch iibrig, das in dem geschlossenen Schenkel be- findliche Gemenge von Wasserstoff und Sauerstoff zu entziin- den, indem man den Funken der Inductionsmaschine zwischen den Platinspitzen iiberspringen lasst. Die beiden Gase ver- einigen sich mit einer ziemlich heftigen Explosion, deren Stoss indessen durch die Federkraft der abgesperrten Luftsaule ge- brochen wird. Bei der hohen Temperatur (132) bleibt das Einleituug in die moderne Chemie. 5 66 Verdichtung der Elementargase gebildete Wasser gasforinig, und wenn man nach Entfernung des Korks das Quecksilber aus dein Quetschhahn ausfliessen lasst, bis es wieder in beiden Schenkeln der U -Rohre ins Niveau getreten ist, so beobachtet man, dass sich das urspriing- liche Volum der gemischten Gase um ein Dritttheil vermin- dert bat. Die iibrig gebliebenen zwei Dritttheile sind Wasser- gas, welches sich beim Erkalten der Rohre zu tropfbarfliissi- gem Wasser verdichtet. Es kommt bei diesem Yersuche wesentlich darauf an, das Volum der Mischung von Wasserstoff und Sauerstoff mit dem Yolum des gebildeten Wasserdampfes unter Bedingungen zu vergleichen, unter welchen sich der Wasserdampf wie ein wah- res Gas verhalt. Wir erreichten diesen Zweck, indem wir die unter dem Druck der Atmosphare befindlichen Gas volume auf den Siedepunkt des Amylalkohols, also weit iiber die Temperatur erhitzten, bei welcher das Wasser unter gewohn- lichem Luftdruck siedet. Dasselbe Ergebniss hatte sich auch bei der Temperatur des siedenden Wassers erzielen las- sen, wenn man Sorge getragen hatte, bei einem njjMlrigerjm als dem Atmospharendrucke zu arbeiten. In diesem Sinne losen wir unsere Aufgabe mit Hulfe des in Fig. 58 abgebil- deten Apparates. Eine etwa 1 Meter lange und 12 bis 15 Millimeter weite Glasrohre ist oben geschlossen und mit Funkendrahten ver- sehen. Von oben nach unten sind drei gleich grosse Volume Fig. 58. (von etwa 20 Centimeter Lange) auf der Rohre abgemessen, und durch in das Glas eingebrannte schwarze Streifen be- im Wasser. 67 zeichDet. Urn den grosseren Theil dieser Rohre ist mittelst eines Korkes eine zweite etwas weitere in der Weise befestigt, Fig. 58. dass die freien Platinenden zuganglich bleiben. Durch den zwischen beiden Rohren gebildeten Zwischeuraum kann der 68 Volumetrische Zusammensetzung Dampf siedenden Wassers stromen, welchen man aus einem Metallgefasse mittelst eines Kautschukschlauchs einleitet. Die Rohre wird nunmehr mit Quecksilber gefiillt, in einer vollkommen mit Quecksilber gefiillten Cylinderwanne umge- stiilpt, und durch einen an einem Stative auf- und nieder- beweglichen Schraubenarm in verticaler Stellung befestigt. Damit der Schraubenarm sich moglichst leicht und sicher auf- und niederbewege, ist er mit einem Triebrade versehen, wel- ches in eine an dem Stative angebrachte Zahnstange eingreift. Nach einigen Schwankungen ist das Quecksilber auf der Baro- meterhohe zur Ruhe gekommen. Nun lassen wir, wahrend ein starker Strom von Wasserdampf die Rohre umspult , die elek- trolytisch entwickelten (vergl. Fig. 30, S. 30) Elementargase des Wassers in die Barometerleere steigen, bis die drei abge- messenen Volume von dem Gase erfullt sind und bezeichnen den Stand des Quecksilbers durch einen die aussere Rohre federnd umspannenden Metallring, welcher von einem gleich- falls an dem Stative auf- und abbeweglichen Arm gehalten wird. Das auf diese Weise aufgesammelte Gasvolum ist dem- nach bei 100 und unter einem Drucke gemessen, welcher um die noch immer in der Rohre schwebende Quecksilbersaule geringer ist als der Druck der Atmosphare. Nunmehr lassen wir den elektrischen Funken durch das Gemenge von Wasser- stoff und Sauerstoff schlagen, indem wir gleichzeitig sorgen, auf der ausseren Kuppe der Rohre eine Verdichtun_von Was- ser zu vermeiden, welche der Elektricitat einen unwillkomme- nen Uebergang bieten konnte. Die beiden Gase verwandeln sich in Wassergas, ein Uebergang, welcher trotz des betracht- lichen Gasvolums ohne alle Gefahr erfolgt, da dasselbe einer- seits verdiinnt ist, andererseits aber sich nur wenig zusam- menzieht. Unter den gegebenen Bedingungen behauptet das gebildete Wasser den gasformigen Zustand, allein das Volum des entstandenen Wassergases ist mit dem urspriinglichen Volume der Elementargase des Wassers nicht mehr vergleich- bar, da wohl die Temperatur dieselbe geblieben ist, der Druck aber um die iiber dem Metallringe aufgestiegene Quecksilber- des Wassergases. 69 saule sich vermindert hat. Nichts 1st aber leichter, als auch den urspriingliclien Druck wieder herzustellen. Zu dem Ende senken wir die Rohre in die Cylinderwanne , wobei etwas Quecksilber iiberfliesst, bis die Kuppe der Quecksilbersaule wieder wie zu Anfang des Versuches mit dem unverriickt gebliebenen Metallringe gleichsteht. Wir beobachten jetzt, class sich die Elementargase bei der Wasserbildung von drei Volumen genau auf zwei Volume zusammengezogen haben. Das Ergebniss des Versuchs ist in hohem Grade befriedigend, obwohl ein sehr kleiner Fehler durch den Umstand herbei- gefuhrt wird, dass am Schlusse des Versuchs ein grosserer Theil der schwebenden Quecksilbersaule der Teinperatur des siedenden Wassers ausgesetzt ist, als am Anfange desselben. Wir haben auf diese Art durch den Versuch nachge- wiesen, zuuachst dass Wasserstoff und Sauerstoff bei ihrem Uebergang in Wasser eine Verdichtung erleiden ; dann dass Fig. 59. das Volum des gebildeten Wassergases in einer hochst einfachen Beziehung steht zu dem Volum der gas- R formigen Bestandtheile : 2 Vol. Wasserstoff und 1 Vol. Sauerstoff verdichten sich bei ihrer Vereinigung zu 2 Vol. Wassergas. Die Ermittlung des Volum verhaltnisses , in wel- chem Wasserstoff und Stickstoff sich zu Ammoniak vereinigen, ist weniger einfach als die entsprechende Untersuchung des Chlorwasserstoffs und des Wassers. Wir bedienen uns zu diesem Ende des Chlors, wel- ches, wie wir bereits wissen (vergl. S. 40), den Stick- stoff aus dein Ammoniak inFreiheit setzt; es handelt sich nur darum, den Versuch unter Bedingungen an- zustellen, welche gestatten, gleichzeitig das Volum des entwickelten Stickstoffs und des mit ihm verbun- den gewesenen Wasserstoffs zu bestimmen. Der Versuch wird in einer Glasrohre von 1 bis 1,5 Meter Lange angestellt, deren eines Ende geschlossen, wahrend das andere offen und in einer Entfernung von etwa 5 Centimetern von der Miindung mit einem 70 Volumverhaltniss des Wasserstoffs gut eingeschliffenen Glashahn versehen ist (Fig. 59 a.v.S). Das durch den Hahn abgeschlossene Volum ist in drei gleiche Theile getheilt, welche durch iibergeschlungene Kautschuk- ringe angedeutet sind. Zur Anstellung des Versuchs wird die Chlorrohre mit kaltem Wasser gefiillt, in der Wasserwanne umgestiilpt, durch einen Halter befestigt und auf die ge- wohnliche Weise mit rein em Chlor (vergl. S. 24) gefiillt (Fig. 60). Nach dem Fiillen lasst man sie noch einige Mi- Fig. 60. nuten iiber der Chlorentwicklungsrohre stehen, damit die an der inneren Wand anhaftende Schicht von Chlorwasser moglichst abtropfe. Der Hahn wird nunmehr geschlossen, wodurch das Chlorgas von der Luft abgesperrt ist, und die Chlorrohre aus der Wanne entfernt und umgedreht, so dass die Miindung nach oben gekehrt ist. Das iiber dem Hahn befindliche Miiudungsrohr wird jetzt etwa zu zwei Drittthei- und Stickstoffs in dem Ammoniak. 71 len mit starkster Ammoniakfliissigkeit gefullt, welche man, nachdem der Stopsel aufgesetzt worden ist, durch momentanes Oeffnen des Hahns (Fig. 61) tropfenweise in das Chlorgas ein- Fitr 61 treteu lasst. Eine kleine leckende, gelblich-griine Flamme unmittelbar un- ter dem Hahn bezeich- V \ net das Zusammeutreffen des Chlors mit dem Am- moniak. Bei geeigneter Stellung des Hahns tritt dieAmmoniaklosungTro- pfen um Tropfen in Zwi- schenraumen von einigen Secunden oder selbst als feiner Strahl in die Chlor- ro'hre, und wird alsbald unterblitzartigemLeuch- ten und Bildung dicker weisser Wolken in Chlor- wasserstoff und Stickbtoff verwandelt. Der Eintritt von Ammoniak in die Rohre muss natiirlich fortdauern bis die ganze vorhandene Chlormenge auf Kosten des Ammoniaks mit Wasserstoff versehen ist. Man lasst zweck- massig einen kleinen Ueberschuss einfliessen; eine Saule von _6_bis _8 Centimetern ist vollkommen ausreichend. Der ge- bildete ChlorwasserstojGf vereinigt sich alsdann mit dem iiber- schiissigen Ammoniak zu einer Yerbindung, welche wir spa- ter ausfuhrlicher zu betrachten haben; hier geniigt es zu bemerken , dass diese Yerbindung in Gestalt eines weissen Anflugs auftritt , welcher das Innere der Chlorrohre be- kleidet. Dieser Anflug lost sich mit Leichtigkeit im Was- ser, durch gelindes Auf- und Abschwenken wird er von den Wanden der Rohre entfernt, welche nunmehr den 72 Volumverhaltniss des Wasserstoifs von dem Chlor in Freiheit gesetzten Stickstoff als Gas ent- hali Dieser Stickstoff braucht jetzt nur noch auf mittlere Temperatur- und Druckverhaltnisse gebracht und von beige- mengten Ammoniakdampfen befreit zu werden, um messbar zu sein. Die Temperatur, welche in Folge der Handhabung der Rohre eine etwas erhohte ist, wird durch Eintaucben in Wasser auf die mittlere herabgestimmt. Um den Druck im Inneren der Rohre mit dem Drucke der Atmosphare ins Gleichgewicht zu bringen und gleicbzeitig die Ammoniakdampfe zu ent- fernen, lassen wir durch den Habn stark verdunnte Schwe- j^saure in die Rohre treten, welche das Ammoniak in eine im Wasser losliche, keine Dampfe mehr bildende Verbindung verwandelt. Dies geschieht zweckmassig auf die Weise, dass wir das Miindungsstiick der Rohre mit verdiinnter Schwefel- saure fiillen, in die Miindung selbst aber den kiirzeren Schen- kel eines zweimal knieformig gebogenen Rohrs befestigen. Der langere Schenkel dieses Rohrs taucht in ein Becherglas, welches gleichfalls verdunnte Schwefelsaure enthalt, deren Oberflache dem Atmospharendrucke zuganglich ist (Fig. 62). Dass der Atmospharendruck ein grosserer ist als der Druck in der Rohre, zeigt sich alsbald, wenn man den Hahn derselben offnet. Sogleich tritt die Fliissigkeit in feinem Strahle in dieselbe ein und das Einstromen dauert fort, bis der Druck innen und aussen ins Gleichgewicht getreten ist. Nachdem auf diese Weise die anfanglichen Temperatur- und Druckverhalt- nisse wieder hergestellt sind, ist es nur noch nothig, das Vo- lum des Stickstoffs zu messen. Die Beobachtung zeigt, dass der entwickelte Stickstoff genau eine der im Begin n des Ver- suches auf der Rohre angemerkten drei Abtheilungen erfiillt. Erinnern wir uns nun, dass diese drei Abtheilungen mit Chlor erfiillt waren, und dass wir dieses Chlor durch den Wasserstoff des Ammoniaks in Chlorwasserstoff verwandelt haben; erinnern wir uns ferner, dass sich Wasserstoff und Chlor Volum furVolurn verbinden, so erhellt, dass das in der und Stickstoffs in dem Ammoniak. 73 Rohre zuriickgebliebene Volum Stickstoff von einer Quantitat Ammoniak geliefert worden ist, welche das dreifache Volum Wasserstoff enthielt. Fig. 62. \ Es ist somit durch den Versuch festgestellt, dass sich bei der Bildung des Ammoniaks 3 Vol. Wasserstoff uiit 1 Vol. Stickstoff verbunden haben. Es bleibt jetzt nur noch iibrig, zu ermitteln, ob das Vo- luin der Bestandtheile bei ihrem Uebergang in Ammoniak 74 Verdichtung der Elementargase eine Verdichtung erlitten hat, und, wenn dem so ist, das Maass dieser Verdichtung zu bestimmen. Ein einfacher Versuch beantwortet diese Fragen. Wir konnen allerdings in diesem Falle nicht denselben Weg ein- schlagen, welcher bei der Erforschung des Chlorwasserstoffs und des Wassers zum Ziele fuhrte. Vergeblich wiirden wir es versuchen, die im geeigneten Volumverhaltnisse gemisch- ten Bestandtheile zu vereinigen, um das Volum des gebildeten Productes zu messen. Es ist, wie bereits beraerkt, den Che- mikern bis jetzt nicht gelungen, das Ammoniak durch directe Syn these der Elemente zu erhalten. Wir sind demnach auf die Analyse hingewiesen und miissen das Volum der elemen- taren Bestandtheile ermitteln, welches ein gewisses Volum Fig. 63. Ammoniak bei seiner Zersetzung liefert. Dieser Weg bietet keine Schwierigkeit, da sich das Ammoniak schon bei mas- siger Temperaturerhohung in seine Elemente spaltet. Zur Aufnahme des Ammoniaks dient wieder die schon ofters in Anspruch genommene U-Rohre; als Warmequelle benutzen wir den Funkenstrom der Inductionsmaschine (Fig. 63). Der geschlossene Schenkel der U-Rohre ist etwa bis zu einem Dritttheile mit Ammoniak gefullt, dessen Volum, nach- dem das Quecksilber in beiden Schenkeln insNiveau getreten ist, durch einen Kautschukring angemerkt wird. Nun lasst man den Funkenstrom zwischen den Platinspitzen iiberspringen, und alsbald beobachtet man, wie sich das abgesperrte Grasvolum ausdehnt. Diese Ausdehnung dauert, je nach der dem Versuche in dem Ammoniak. 75 Fig. 63. unterworfenen Ammoniakmenge, etwa 5 bisJUCLMinuten lang fort. Sobald keine weitere Volumvergrosserung mehr be- merkbar ist, wird das Quecksilber, welches durch die Aus- dehnung des Gases in dem offenen Schenkel gestiegen ist, ins Niveau gebracbt; man beobacbtet nunmebr, dass sich das urspriingliche Volum des Gases verdoppelt hat. Lasst man jetzt eine kleine Menge Gas aus dem fur diesen Zweck ange- brachten Hahne austre- ten, so gewahrt man, dass der stechende Ge- ruch des Ammoniaks ver- schwunden ist, wahrend sich die Gegenwart von Wasserstoff in dem aus- stromenden Gase durch seine Entziindung an einer genaherten Ker- zenflamme zu erkennen giebt. Aus diesem Versuche erfahren wir, dass Was- serstoff und Stickstoff, zu Ammoniak vereinigt, nur halb so viel Raum einnehmen, als sie im freien Zustande erfiillen; mit anderen Worten: 4 Vo- lume der gemischten elementaren Ammoniakbestand- theile (wie wir bereits wissen, 3 Vol. Wasserstoff und 1 Vol. Stickstoff enthaltend) verdichten sich in dem Acte der Verbindung zu 2 Vol. Ammoniak. Die Ergebnisse unserer Untersuchungen iiber die Zusam- mensetzung des Chlorwasserstoffs, des Wassers, des Ammo- niaks lassen sich in folgender Weise zusammenfassen : 1 Vol. Wasserstoff -f 1 Vol. Chlor = 2 Vol. Chlorwasserstoff. 2 Vol. -f 1 Vol. Sauerst, = 2 Vol. Wassergas. 3 Vol. -|- 1 Vol. Stickst. = 2 Vol. Ammoniak. Wir erfahren somit, dass sich Chlorwasserstoff, Wasser und Ammoniak nicht nur durch die Volumverhaltnisse von 76 Volumetrische Elektrolyse einander unterscheiden, in denen die Elemente zusammentre- ten, sondern auch durch das Verhaltniss des Volums der fer- tigen Verbindung zu dem Yolum der unverbundenen Elemen- targase. Dieses Verhaltniss steigt von 2 / 2 = 1 bei dem Chlorwasserstoff (Verbindung ohne Verdichtung), durch 3 / 2 bei dem Wasser (Verdichtung auf 2 / 3 ), auf 4 / 2 = 2 bei dem Am- moniak (Verdichtung auf 1 / 2 ), und es wachst somit der Grad der Verdichtung in diesen Fallen pari passu mit der corn- plexen Zusammensetzung der Verbindung. Wenn wir die Versuche, durch welche diese bemerkens- werthen Thatsachen ermittelt wurden, nochmals fliichtig an unserem Geiste voriiberziehen lassen, so muss uns die Ver- schiedenartigkeit der Methode, durch welche wir bei der Erforschung unserer drei Wasserstoffverbindungen analoge Fragen zu losen suchten, einigermaassen befremden. Die Ver- schiedenartigkeit tritt zumal hervor bei der Feststellung der Volumverhaltnisse, in denen sich Wasserstoff mit Chlor, mit Sauerstoff, mit Stickstoff vereinigt. Warum verschmahten wir es diese Frage drangt sich uns unabweislich auf , die einfache elektrolytische Volumanalyse , welche uns die Zusam- mensetzung desWassers so anschaulich vor Augen fiihrt, auch fur die Erforschung des Chlorwasserstoffs und des Ammoniaks zu verwerthen, obwohl uns friihere Versuche bereits gelehrt batten, dass diese beiden Verbindungen unter dem Ein- flusse des elektrischen Stromes, die eine in Wasserstoff und Chlor, die andere in Wasserstoff und Stickstoff, gespalten werden, gerade so wie wir unter denselben Bedingungen Was- ser in Wasserstoff und Sauerstoff hatten zerfallen sehen. Der Vorzug, den wir in diesen Fallen anderen als elektrischen Methoden gaben, wurde durch den Umstand bestimmt, dass sich der Elektrolyse der genannten Verbindungen grossere Schwie- rigkeiten in den Weg stellen, als der des Wassers. Nebenum- stande, deren Beseitigung viel Miihe und Zeit beansprucht, wurden uns verhindert haben, die Erscheinungen alsbald in ihrer ganzen Reinheit zu beobachten. Jetzt, nachdem uns des Chlorwasserstoffs. 77 dieselben bereits auf anderem Wege zur Anschauung gekommen sind, wollen wir nicht zb'gern, sie nochmals unter erschwerten, aber gerade deshalb um so lehrreicheren Bedingungen zu betrachten. Schon bei der volumetrischen Erforschung des Wassers (vergl. S. 60 u. 6SJ) waren besondere Vorsichtsmaassregeln erfor- derlich, um die beiden Gase im richtigen Volumverhaltnisse zu erhalten, da leicht eine kleine Menge Sauerstoff yon dem Wasser zuriickgehalten wird. Ungleich schwieriger 1st es, die beiden Element e in ihrem wahren Volumverhaltnisse elektrolytisch aus dem Chlorwasserstoffe zu entwickeln. Wir wissen bereits, dass sich dasChlorgas in etwa einem Dritttheil seines Yolums Wasser auflost (vergl. S. 24). Versucht man es, den Chlorwasserstoff in dem fur die Elektrolyse des Wassers verwendeten Apparate (vergl. Fig. 55) durch den elektrischen Strom zu zersetzen, so lasst sich in dem ersten Stadium der Operation an dem positiven Pole gar kein Chlor beobachten; es wird in der That von der Fliissigkeit vollkommen absorbirt. Erst nachdem man die Gase bei geoffneten Hahnen so lange hat entweichen lassen, bis die Fliissigkeit in dem Chlorschen- kel mit Gas gesattigt ist, beginnen Blasen von Chlor in der Rohre aufzusteigen. Aber auch jetzt erhalt man nicht gleiche Volume der beiden Elementargase, sondern in der Regel rnehr Wasserstoff; einestheils weil sich ein Theil des Chlors mit der Platinelektrode verbindet, anderentheils aber weil sich die chlorgesattigte Fliissigkeit des Chlorschenkels allmalig in den W^asserstoffschenkel verbreitet, wodurch dem entwickelten Was- serstoffe leicht eine kleine Menge Chlor beigemengt wird. Es empfiehlt sich daher statt Platinpolen Kohle-Elektroden anzu- wenden. Als solche dienen zweckmassig die prismatischen oder cylindrischen Kohlespitzen , aus Gaskohle geschnitten, wie sie zur Erzeugung des Flammenbogens beim elektrischen Lichte angewendet werden. Solche Gaskohlestabchen von O m ,005 Dicke und O m ,050 Lauge werden mit Platindraht umwickelt, und nachdem man den unteren Theil, um die Poren auszufiillen, mit geschmolzenem Wachs getrankt hat, zur Halfte in etwas 78 Volumetrische Elektrolyse weitere, an beiden Enden offene Glasrohrchen eingeschoben. Der Zwischenraum zwischen Kohle und Glas wird mit Wachs oder Schellack verkittet. Diese Glasrohren, aus deren oberen Fig. 64. Enden die Kohlecylinder hervorragen, wahrend an den unteren die Platin- drahte heraushaugen, .werden nun mit durchbohrten Korken umfangen, mit- telst deren sie, wie aus der in Fig. 64 gegebenen grosseren Abbildung ersicht- lich, in die unten offenen Schenkel des Zersetzungsapparates eingefiihrt wer- den. Der Zersetzungsapparat besteht in diesem Falle aus zwei Rohren von O m ,45 Lange und O m ,015 Durchmesser, oben Glashahne tragend, unten off'en zur Auf- nahme der Elektroden; beide Rohren sind endlich etwa O m ,03 iiber den Miin- dungen durch ein kurzes Verbindungsstiick mit einander ver- einigt, an welchem ein kugelformig endigendes Steigrohr an- geblasen ist. Der ganze Apparat ist auf einem geeigneten Stativ befestigt und man hat Sorge getragen, die Glasrohren so hoch in die Rohren einzuschieben, dass die Gaskohle- Elektroden zieinlich betrachtlich iiber dem Verbindungsrohre der beiden Schenkel stehen. In so construirtem Apparate ist die Absorption des Chlors durch das Material der Elektrode vollkominen be- seitigt. Um auch die Absorptionsfahigkeit der Fliissigkeit fur Chlor zu vermindern, wendet man statt reinen Chlorwasser- stoffs eine gesattigte ^ochsalzlosung an, welche man mit nicht mehr als etwa einem Zehntel Volum concentrirter Chlor- wasserstoffsaure versetzt, und um schliesslich die Verbrei- tung des gelosten Chlors bis in den Wasserstoffschenkel zu vermeiden, schiebt man in das zwischen beiden Schenkel- rohren angeblasene Verbindungsstiick einen Pfropf von Baum- wolle ein, welcher allerdings dem Strome einen nicht ganz unbetrachtlichen Widerstand entgegenstellt, aber auch die unregelmassigen Bewegungen in der Fliissigkeit fast vollstan- des Ammoniaks. 79 dig aufhebt. Lasst man durch einen so hergerichteten Appa- rat bei geoffneten Hahnen den von sechs^ bis acht Zink-Kohle- Elementen erregten Strom etwa eine Stunde_lang circuliren, so beobachtet man nach dem Schluss der Hahne, dass sich Wasserstoff und Chlor zu gleichen Yolumen entwickeln. Man braucht nach Beendigung des Versuches die Gase nur an den Hahnen austreten zu lassen, urn sie alsbald an ihren Eigen- schaften zu erkennen. In ganz ahnlicher Weise lasst sich nun unter Beobachtung der geeigneten Vorsichtsmaassregeln auch die volumetrische Elektrolyse des Ammoniaks bewerkstelligen. Es wurde bereits friiher darauf hingewiesen, dass die Losung des Ammoniaks in Wasser nur langsam durch den elektrischen Strom zerlegt wird (vergl. S. 36), dass man aber die WirkuDg durch Zusatz von etwas_Kochsalz^ beschleunigen kann. Die Erfahrung hat gelehrt, dass eine Mischung von reiner gesattigter Koch- salzlosung mit nicht mehr als etwa einem zehntel Volum starkster Ammoniakniissigkeit sich am besten zu diesem Ver- suche eignet. Bei Anwendung von Kochsalz wird aber, in Folge von secundaren Reaction en, deren eingehendes Studium uns im Augenblick von dem eigentlichen Ziele unserer Unter- suchung allzuweit ablenken wurde, die positive Platinelektrode ebenfalls stark angegriffen, und es empfiehlt sich daher fur die elektrische Zersetzung des Ammoniaks, denselben Apparat mit Gaskohle-Elektroden anzuwenden, dessen wir uns fur die Zerlegung des Chlorwasserstoffs bedient haben. Damit der Ver- such gelinge, lassen wir auch jetzt wieder den Strom etwa eine halbe Stunde lang bei geofifneten Hahnen durch den Apparat gehen. Die in den beiden Schenkeln befindlichen Fliissig- keitssaulen haben alsdann soviel Gas absorbirt, als sie aufneh- men konnen; werden jetzt die Hahne geschlossen, so erschei- nen fur je 1 Volum Stickstoff, welches an dem elektropositiven Pole auftritt, 3 Volume Wasserstofl 7 an dem elektronegativen Pole. Beim Austreten aus den geoffneten Hahnen werden die beiden Gase schliesslich ohne Schwierigkeit an ihren Eigenschaften erkannt. 80 Elektrolyse des Chlorwasserstoffs, Wassers und Wir sind auf diese Weise elektrolytisch zu demselben Ergebniss gelangt, welches wir fruher auf anderem Wege gewonnen hatten, und es konnte scheinen, dass wir iiber die Natur des Chlorwasserstoffs, des Wassers und des Ammoniaks zur Geniige unterrichtet seien. Wir konnen uns gleichwohl das Vergniigen nicht versagen, die Elektrolyse der drei Ver- bin^ungen nochmals gleichzeitig, und zwar durch denselben Strom zu bewerkstelligen. Zu dem Ende sind drei Apparate neben einander aufgepflanzt (Fig. 65); diese sind, die beiden ausseren, Gaskohle-Elektroden fiihrenden, mit Chlorwasser- stoff und Ammoniak, der mittlere, in dessen Wande Platin- Elektroden eingeschmolzen sind, mit Wasser unter den ange- gebenen Vorsichtsniaassregeln beschickt. Nun wird der von f dem Kohle-Ende der Batterie ausgehende positive Pol mit dem Chlorwasserstoffapparate, der von dem Zink-Ende ausgehende ; -negative Pol mit dem Ammoniakapparat verbunden und weiter Leitungsdrahte zwischen den Chlorwasserstoff- und Wasser- apparat einerseits, sowie zwischen diesen letzteren und den Ammoniakapparat andererseits eingeschaltet , indem man die Drahte entweder direct Fig. 65. oder der grosseren Be- quemlichkeit halber mit- telst in dem Fuss des Sta- tivs eingesetzter isolirter Klemmschrauben mit ein- ander in Beriihrung bringt. Alsbald setzt sich der Strom in Bewegung, den wir dies- mal, um die zahlreichen im Wege liegenden Widerstande zu uberwinden, durch eine Batterie von mindestens 12^ bis^lG^ Zink - Kohle - Elementen erregen. Fur die Erscheinungen, welche sich nunmehr dem Auge bieten, sind wir durch die bereits angesammelten Erfahrungen hinreichend vorbereitet; wir konnten indessen gleichwohl im Zweifel sein, ob wir in den drei Apparaten am positiven Pole gleiche Volume Chlor, Sauerstoff und Stickstoff und an dem negativen Pole das Ammoniaks durch denselben Strom. 81 einfache, zweifache und dreifache Volum W^asserstoff zu er- warten haben, oder ob sich an sammtlichen negativen Po- len dasselbe Volum Wasserstoff, an den positiven Polen da- gegen das gleiche Volum Chlor, J / 2 Vol. Sauerstoff und % Vol. Stickstoff entwickeln werde. Der Versuch zeigt, dass in alien Apparaten dasselbe Volum Wasserstoff an dem negativen Pole auftritt, und dass sich in dem ersten Apparat ein gleiches Fig. 65. : Volum Chlor, in dem zweiten das halbe Volum Sauerstoff, in dem dritten endlich ein drittel Volum Stickstoff entbindet. Mit Interesse registriren wir fur spatere Verwerthung diese Thatsache, fiir deren Wichtigkeit wir schon jetzt ein klares Vorgefuhl haben, ohne dass wir bereits im Stande waren, die Nothwendigkeit dieser Erscheinung zu erfassen, oder die Trag- weite der aus ihr fliessenden Folgerungen zu iiberschauen. Einleitung in die moderne Chemie. 82 Allgemeine Charaktere chemischer Verbindungen. Die eingehende Experimental-Untersuchung, welche wir dem Chlorwasserstoff, dem Wasser und dem Ammoniak "ge- widmet habeu, kann iiber die bemerkenswerthe Verschieden- heit der chemischen Construction der drei Yerbindungen kei- nen Zweifel lassen. Trotz dieser grossen Verschiedenheit veranschaulichen uns aber diese drei Yerbindungen in gleicher Weise gewisse allgemeine Gesetze von grosser Wichtigkeit, welche unser be- sonderes Interesse beanspruchen. Sie zeigen uns 1) die Unveranderlichkeit der Verhaltnisse, in denen sich die Elemente, wenn sie Verbindungen eingehen, mit einander gesellen, und 2) die vollige Einbusse ihrer charakteristischen Eigen- schaften, welche die Elemente bei dem Uebergange in Yer- bindungen erleiden. Wasserstoff und Chlor, Wasserstoff und Sauerstoff, Was- serstoff und Stickstoff lassen sich in jedem beliebigen Yerhalt- nisse mit einander mischen, olme dass die jedem Elemente zugehorigen Eigenschaften aufhorten erkennbar zu sein; in den Verbindungen dagegen, welche wir beziehungsweise Chlorwasserstoff, Wasser und Ammoniak nennen, sind die Elemente in ganz bestimmten, unter alien Bedingungeu sich gleichbleibenden Verhaltnissen verbunden und haben , was ihre Eigenschaften anlangt, Veranderungen erlitteu, welche, wie uns der Versuch gelehrt hat, nicht grosser gedacht wer- clen konnen. Diese Bestandigkeit der Zusammensetzung cheatischer Verbindungen, diese Yerschiedenheit ihrer Eigenschaften von den Eigenschaften ihrer Elemente, hat sich uns bis jetzt olme Ausnahme in alien Fallen bewahrheitet. Was zunachst die Unveranderlichkeit der Yerhaltnisse anlangt, in denen die Elemente bei ihrer Yereinigung zu Yerbindungen zusam- mentreten, so findet dieselbe in der Bildung des Chlorwas- serstoffs und des Wassers die schlagendste Veranschanlichung. Zu ihrer Bethatigung bedienen wir uns, fur den Fall des Chlorwasserstoffs, einer Rohre, welche durch eineu Glashahu Unveranderlichkeit der Zusammensetzung. 83 in zwei Abtheilungen von ungleichem Inhalt getheilt ist (Fig. 66). Mit diesem Apparate, dessen beide Enden durch Pig QQ Glasstopsel geschlossen sind, wollen wir zwei Versuche anstellen. In dem ersten Yer- such fiillen wir die kur- zere Abtheilung, welche nur etwa den halben Rauminhalt der langeren hat, mit trockenem Was- serstoffgas , die langere mit trockenem Chlorgas. Nun wird der Hahn ge- offnet und der Apparat der Einwirkung des zer- streuten Tagesli elates aus- gesetzt. Die beiden Gase mischen sich nach und nach und beginnen sich zu verbinden. Zur Yoll- endung der Reaction lasst man die Rohre einige Minuten lang vom directen Sonnenlichtebestrahlen. Wird jetzt die Rohre unter Wasser geoffnet, so steigt die Fliissigkeit und erfullt genau den doppelten Raum der kiirzeren Abtheilung. Das riickstandige Gas ist Chlor, dessen Volum sich jedoch in Folge der Loslichkeit dieses Gases in Wasser schnell vermindert. In dem zweiten Yersuche fiillen wir die kiirzere Abtheilung mit Chlor, die langere mit Wasserstoff und lassen die Gase gerade vie vorher unter dem Einflusse des Lichtes aufeinander wirken. Das Wasservolum, welches, nachdem sich die Gase mit einander verbunden habeu, in den Apparat eindringt, ist dem vorher beobachteten vollkommen gleicli. Das riickstan- dige Gas ist aber diesmal Wasserstoff. In diesen eutgegengesetzten Versuchen haben sich Was- 84 Allgemeine Charaktere chemischer Verbindungen. serstoff und Chlor, obwohl nach ganz verschiedenen Verhalt- nissen gemischt, dennoch stets in demselben Verhaltniss mit einander vereinigt; der Ueberschuss, ob des einen, ob des an- deren Gases, hat sich an der Verbindung nicht betheiligt. Ganz ahnliche Erscheinungen beobachtet man bei der Bildung des Wassers aus Wasserstoff und Sauerstoff. In diesem Falle dienen uns drei U-Rohren, welche mit Funkendrahten und Ablassrohren und theilweise wenigstens auch mit Glashahnen versehen, im Uebrigen aber den frii- her angewendeten ganz ahnlich sind. Sie sind mit Queck- silber gefiillt und an geeigneten Stativen befestigt (Fig. 67). Durch Elektrolyse des Wassers in dem bereits beschriebenen Apparate (vergl. S. 30) erhalten wir eine Mischung von Was- serstoff und Sauerstoff in dem Verhaltnisse, wie die beiden Gase im Wasser vorhanden sind. Von dieser Mischung lassen wir, nach dem aus fruheren ahnlichen Versuchen bereits be- kannten Verfahren, in den geschlossenen Schenkel einer jeden der drei U-Rohren eine etwa j^J)is_9jCJentimeter hohe Saule Fig. 67. steigen, deren Volum, wenn das Quecksilber nach gewohnter Art in beiden Schenkeln ins Niveau gebracht worden ist, durch Kautschukringe bezeichnet wird. In die eine der U-Rohren leiten wir iiberdies noch etwas Wasserstoff, in die andere noch etwas Sauerstoff; die zugefiigten Volume werden alsdann gleich- falls durch Kautschukringe angemerkt. Von den drei U-Rohren euthalt jetzt die eine in unse- rem Versuche die mittlere eine Mischung von Wasserstoff und Sauerstoff, wie sie die Elektrolyse des Wassers liefert, Unveranderlichkeit der Zusammensetzung. 85 die zweite dieselbe Mischung mit einem Zusatz von Wasserstoff, die dritte endlich dieselbe Miscbung nochmals, aber mit einem Zusatz von Sauerstoff. Nunmehr lassen wir, um die Wasserbil- dung zu bewerkstelligeu, den elektrischen Funken nacheinan- der oder gleichzeitig durch die drei Rohren springen, deren Miindungen wir zur Verminderung der Erschiitterung zuvor durch Korke verschlossen haben. Nach Entfernung dieser Korke Fig. 67. zeigt es sich, dass in der mittleren Rohre jede Spur von Gas verschwunden ist; das Quecksilber erfullt die Rohre bis* in die ausserste Kuppe hinauf. In der zweiten und dritten Rohre dagegen sind Gasvolume zuriickgeblieben , welche sich nach geeigneter Einstellung des Quecksilberniveaus als den nach- traglich zugesetzten Volumen gleich erweisen, und welche man beim Ausstromen aus den fiir diesen Zweck angebrachteu Glas- hahnen mittelst der oft erprobten Methoden beziehungsweise als Wasserstoff und Sauerstoff erkennt. 86 Veranderung der Eigenschaften der Elemente Man sieht also, dass sich in den drei Versuchen Wasser- stoff und Sauerstoff ausschliesslich in dem Verhaltnisse ver- bunden haben, in welchem sie urspriinglich aus dem "Wasser entwickelt wurden. Der nachtraglich zugefiihrte Ueberschuss von Wasserstoff oder SauerstofF ist bei der Wasserbildtmg uu- betheiligt geblieben. Bei Anstellung dieser Versuche sind einige kleine Vor- sichtsmaassregeln nicht ausser Acbt zu lassen. Um die Er- schiitterung der Apparate bei der Verpuffung zu vermiri- dern, sperren wir in den Rohren, in denen der eine oder der andere elementare Bestandtheil des Wassers im Ueber- schuss vorhanden ist, mittelst in die offenen Schenkel ein- gesetzter Korke eine Luftsaule iiber dem Quecksilber ab, deren Elasticitat, wie in einem friiheren Versuche (vergl. S. 65), die Heftigkeit des Stosses bricht. In dem mittle- ren Apparate, der Wasserstoff und Sauerstoff in dem Ver- haltnisse enthalt, in welchem sie iin Wasser existiren, konnte trotz dieser Vorsicht das Quecksilber bei der Verdichtung des Wassers an das Gewolbe der Rohre anschlagen und das Instrument zertrummern. Man vermeidet indessen leicht jeden Unfall, indem man den offenen Schenkel bis zur Miindiujg mit Quecksilber fiillt, einen Kork aufsetzt und alsdann das Metall aus der Abzugsrohre ausstromen lasst, bis sein Niveau in dem geschlossenen Schenkel nur noch etwaJJ)bis 1 2 meter iiber dem Bug der U- Rohre steht. Die abgesperrte Gassaule ist auf diese Weise betrachtlich ausgedehnt und ihre Spannung so wesentlich vermindert worden, dass sie selbst durch die momentane Temperaturerhohung wahrend der Ver- puffung den Druck der Atmosphare kaum betrachtlich iiber- schreiten diirfte. Die Moglichkeit eines Anpralls der Queck- silliersaule an das Gewolbe der Rohre ist aber vollstandig beseitigt, insofern derselbe nur unter gleichzeitiger Bildung eines leereu Raumes zwischen dem Quecksilber und dem Korke gedacht werden kann. Nach der Explosion wird der Kork langsam und sorgfaltig abgenommen, damit die Luft nur allmalig eindringe, weil auch jetzt ein zu rasches Steigen beim Uebergang in chemische Verbindungen. 87 des Quecksilbers in dem gesehlossenen Schenkel den Apparat noch zerschmettern konnte. Die wesentliche Veranderung, welche die Eigenschaf- ten der Elemente bei ihrem Uebergange in chemische Ver- bindungen erleiden, hat sich schon zur Geniige aus unseren friiberen Yersuchen ergeben. Es wiirde scbwer sein, ein lebrreicheres Beispiel solcher Veranderungen anzufiihren, als uns in der Umwandlung einer Miscbung von Wasserstoff und Cblor in Cblorwasserstoff bereits bekannt geworden ist. In der Miscbung der beideu Gase, wie sie die Elektrolyse liefert, lasst sich der Charakter einer jeden der beiden elementaren Bestandtheile mit Leichtig- keit erkennen. Die Mischung zeigt die Fundamentaleigen- schaft des Wasserstoffs, sie ist entziindlich. Die gelbe Farbe des Chlors, sein Geruch, seine Bleichkraft sind nicht weniger wahrnehmbar. Behandelt man die Mischung mit Wasser, so wird der losliche Bestandtheil verschluckt, Farbe, Geruch und Bleichkraft werden schwacher und schwacher, bis zuletzt der farblose, geruch- und geschmacklos^ Wasserstoff zuriickge- blieben ist. Nun werde die Mischung nach einer der uns bereits gelaufigen Methoden in eine chemische Verbindung ver- wandelt, und statt des gelblich-griinen, bleichenden, erstickend riecheuden, in Wasser nur wenig loslichen Chlors, statt des geruch- und geschmacklosen , brennbaren Wasserstoffs, haben wir eiu farbloses Gas, welches nicht die geringste Bleich- kraft mehr besitzt, von Wasser mit Begierde verschluckt wird, stechenden Geruchs und Geschmacks und vollkommen unent- ziindlich. In ganz ahnlicher Weise bieten sich uns bei fliichtiger Vergleichung der Eigenschaften des Wasserstoffs und Sauer- stoffs mit denen des aus ihnen entstandenen fliissigen Was- sers Verschiedenheiten, welche uicht auffallender gedacht wer- den konnen ; aber selbst in dem Wasser gas sind die Fuucla- inentaleigenschaften des Wasserstoffs (Entziindlichkeit) und des Sauerstoffs (Fahigkeit, die Verbrennung zu unterhalten) ganz- lich verloren gegangen. 88 Unterschied mechanischer Mischungen Nicht weniger bemerkenswerth 1st die Umwandlung in den Eigenschaften des Wasserstoffs und Stickstoffs, wenn sich diese Gase zu Ammoniak vereinigen. Zwei elementare Gase, geruch- und geschmacklos , unloslich in Wasser, ohne irgend welche Einwirkung auf Pflanzenfarben , liefern bei ihrer Ver- einigung eine gasformige Verbindung von stechendem Ge- ruch und Geschmack, fahig, gerothetem Lackmuspapier die ursprungliche blaue Farbe wiederzugeben , und so ausser- ordentlich loslich in Wasser, dass dieee Fliissigkeit in ein mit Atnmoniak erfulltes Gefass wie in einen luftleeren Raum hineinstiirzt. Die vorstehend erwahnten Thatsachen charakterisiren rait hinreichender Scharfe den Unterschied zwischen mechani- scher Mischung und chemischer Verbindung. In mechanischer Mischung konnen die Elemente nach alien Verhaltnissen zusammentreten , in chemischer Verbindung sind sie in be- stimmten, unwandelbaren Verhaltnissen dem Volum und Ge- wicht nach miteinander vereinigt. Eine mechanische Mi- schung zeigt die rnittleren Eigenschaften der Bestandtheile, in der chemischen Verbindung sind die Eigenschaften der Elemente erloschen, ihre Individuality ist in der Bil- dung eines neuen Korpers mit neuen Eigenschaften unter- gegangen. Die Erkenntniss der Unterschiede zwischen mechanischer Mischung und chemischer Verbindung fiihrt uns naturgemass zur Untersuchung der Bedingungen, unter denen sich erstere in letztere verwandelt. Auch in diesem Falle bietet uns die Bildung des Chlorwasserstoffs und des Wassers willkommene Anhaltspunkte. Eine mechanische Mischung von Wasserstoff und Chlor, wie sie die Elektrolyse des Chlorwasserstofife liefert, lasst sich bei sorgfaltigem Ausschluss des Lichtes beliebig lange aufbewahren, ohne die geringste Veranderung zu erleiden. Unter dem Einflusse des gewohnlichen zerstreuten Tageslich- tes vollendet sich der Uebergang der mechanischen Mischung in die chemische Verbindung im Verlauf von wenigen Stun- tmd chemischer Verbindungen. 89 den. Directes Sonnenlicht sowie gewisse kiinstliche Licht- quellen bewirken die Umwandlung augenblicklich (vergl. S. 55); die Verbindung erfolgt alsdann unter heftiger Explosion, welche nicht selten die Gefasse zertriimmert. Endlich lasst sich die augenblickliche Vereinigung auch noch durch Annahe- rung eines brennenden Korpers oder durch das Ueberspringen des elektrischen Funkens bewerkstelligen. Auch in diesen Fallen findet sie unter heftiger Explosion statt. Die Verwandlung einer mechanischen Mischung von Was- serstoff und Sauerstoff in die chemische Verbindung Wasser erfolgt nicht ganz so leicht. Es ist bis jetzt nicht gelungen, die Vereinigung der beiden Gase durch die Einwirkung des Sonnenlichtes zu bewerkstelligen. Allein bei Annaherung eines brennenden Korpers, oder beim Durchschlagen eines elek- trischen Funkens wird die Mischung alsbald unter Verpuffung in Wasser verwandelt. Hiernach scheint es, dass sich mechanische Mischungen haufig durch die Einwirkung des Lichtes, noch haufiger durch die der Warme in chemische Verbindungen verwandeln. Die beim Studium des Chlorwasserstoffs und des Wassers erworbe- nen Erfahrungen lassen sich leider nicht durch eine ahnliche Priifung des Aminoniaks erweitern, da wir, wie bereits be- merkt, kein Mittel besitzen, um eine Mischung von Wasser- stoff und Stickstoff in die chemische Verbindung Ammoniak uberzufiihren. Allein gerade dieses ausnahmsweisen Verhal- tens wegen verdient hier ausdriicklich hervorgehoben zu wer- den, dass die Bedingungen, welche die Bildung des Chlorwas- serstoffs und des Wassers aus einer mechanischen Mischung ihrer Elementarbestandtheile veranlassen, in einer zahllosen Reihe von Fallen zu almlichen Ergebnissen fiihren, und dass es zumal die Warme ist, welche bei der Bildung chemischer Verbindungen eine Hauptrolle spielt. Wenn wirspater zudem speciellen Studium dereinzelnen Elemente iibergehen, werden wir haufig auf die Bedingungen zuriickkommen miissen, unter denen sich die Bildung chemischer Verbindungen vollendet. Es wird sich uns alsdann auch 90 Bedingungen der Bildung chemischer Verbindungen. Gelegenheit bieten, die merkwiirdigen Erscheinungen in den Kreis unserer Betrachtung zu ziehen, welche, wie die in ver- schiedenen unserer Versuche bereits beobachtete Entwicklung von Warme und Licht, die Bildung chemischer Verbindungen begleiten. I B K 91 DIVERSITY 0| A. Cheinische Sytnbole. Wesen und Bedeutung derselben. Graphische Symbole, buchstaben- und zahlenfiihrende. Zusammenstellung der- selben in Gleichungen. Daraus abgeleitete Formeln. Uebersicht der in chemischen Formeln enthaltenen Erfahrungen. Uebergang von den Symbolen und Formeln zu absoluten Volum- und Gewichtswertben. Nothwendigkeit der Wahl eines Maass- und Gewichtssystems fiir die Ein- heit der auszudriickenden absoluten Werthe. Schwierigkeit dieser Wahl wegen Mangels eines allgemein angenommenen Maass- und Gewichts- systems. Dieser Mangel ein Hemmniss fiir den Fortsclmtt der Wis- senschaft im Allgemeinen. Das metrische System. Griinde fiir des- sen Annahme. Darlegung seiner Ableitung und seines Nomenclatur- princips. Yergleichung mit dem Preussischen und Englischen Maasse. Wasserstoff-Liter-Gewicht oder Krith. Die Gasvolunigewichte der Elemente uud ihrer Verbindungen , in Krith en gelesen, driicken die absoluten Gewichte von 1 Liter Gas bei C. uud O m ,76 Druck aus. Die Thatsachen, welche wir beziiglich der Zusaminen- setzung des Chlorwasserstoffs , des Wassers und des Amino- niaks durch den Versuch ermittelt haben, lasseu sich klar und bundig in wenigen gliicklich gewahlten Symbolen zu- sammenfassen, und es ist aus dieser symbolischen Darstellung ein so unsckatzbares Hiilfsmittel der cbemischen Forschung, eine so unentbehrliche Stiitze der chemischen Nomenclatur hervorgegangen , dass wir unter den mannigfaltigen Gegeri- standen, die schon jetzt unsere Aufmerksamkeit dringend beanspruchen, der chemischen Zeichensprache mit Fug und Recht den Vorrang einraumen. Wir wollen zu dem Ende gleiche Volume Wasserstoff, Chlor, Sauerstoff und Stickstoff (unter denselben Bediugungen der Temperatur und des Drucks gemessen) durch gleiche Quadrate darstellen, in welche wir die Anfangsbuchstaben der lateinischen Namen dieser Elemente, also EC fiir Wasserstoff (Hydrogenmm), Cl fiir Chlor, O fiir Sauerstoff (Oxygcnium) und If fiir Stickstoff (Nitrogeniwn) einschreiben, indem wir 92 Chemische Symbole, aus Griinden, welche der Verlauf unserer Betrachtungen ent- hiillen wird, fiir diesen Zweck die von den gewohnlicheu Ty- pen leicht unterscheidbare luftige Umrissschrift wahlen. Es lasst sich alsdann die volumetrische Zusammensetzung des Chlorwasserstoffs , des Wassers und des Ammoiiiaks in fol- gender Weise ausdriieken: Chlorwasserstoff. Wasser. Ammoniak. H Verzeichnen wir nun in diesen Quadraten, statt der An- fangsbuchstaben der Elemente, ihre Volumgewichte, so erhal- ten wir eine Reihe zahlenfiihrender Symbole, welche, den buchstabenfiihrenden gegeniibergestellt, die folgenden lehr- reichen Gleichungen liefern, einerseits die Volume, anderer- seits die Gewichte bezeichnend, nach denen sich die Elemente in den drei vielgenannten Verbiudungen miteinander ver- einigen. Chlorwasserstoff. Wasser. 1 35,5 10 Ammoniak. H U buchstabenfiihrende, zahlenfuhrende. 93 Hiermit ist der Uebergang von der Zusammensetzung dem Volum nach zur Zusammensetzung dem Gewichte nach gegeben; wir brauchen nur die Zahlen in jeder der drei Qua- dratgruppen zu addiren: 1 4- 35,5 = 36,5 1 4. l -f 16 = 18 1 _|_ i _|_ i 4. u =17 um die Zusammensetzung dem Gewichte nach beziehungs- weise von 36,5 Theilen Chlorwasserstoff, 18 Theilen Wasser und 17 Theilen Ammoniak zu erfahren. Aus diesen Zahlen folgt dann die procentische Zusammensetzung der drei ge- nannten Verbindungen ohne Weiteres durch einfachste Rech- nung. Fiir den Chlorwasserstoff hat man: 36,5 : 1 = 100 : x x = ^ = 2,74 Gew.-Thle Wasserstoff, OO,5 und 100 2,74 = 97,26 Gew.-Thle Chlor, enthalten in idb.OO Gew.-Thln Chlorwasserstoff. Fiir das Wasser: 200 = - r = 11,11 Gew.-Thle Wasserstoff, 18 18 : 2 = 100 : y 200 * = -w : und 100 -- 11,11 = 88,89 Gew.-Thle Sauerstoff, enthalten in 100,00 Gew.-Thln Wasser. Und endlich fiir das Ammoniak: 17 : 3 = 100 : e z = = 17,64 Gew.-Thle Wasserstoff, und 100 -- 17,64 82,36 Gew.-Thle Stickstoff, enthalten in 100,00 Gew.-Thln Ammoniak. 94 Chemische Symbole. Gewohnen wir uns daran, im Gedachtnisse das Volu ra- ge wicht der genannten Elemente mit den Anfangsbuch- staben ilirer Namen zu verkniipfen, so tritt uns Alles, was wir iiber die Vereinigung der Elemente, dem Volum und Gewicht nach, zu Chlorwasserstoff, Wasser und Aramoniak ermittelt haben, aus den einfachen Symbolen B entgegen, welche wir an die Spitze dieses Vortrags gestellt haben. Allein es lasst sicb in diese symbolische Darstellung un- serer Wasserstoffverbindungen noch eine weitere Erfahrung mit einflechten, welche das Bild derselben in willkomruener Weise vervollstandigt. Zu dem Ende erinnern wir uns einiger versuchlich fest- gestellten Thatsachen, und zwar dass 1) Wasserstoff und Chlor sich ohne Verdichtung vereinigen , 1 Vol. Wasserstoff und 1 Vol. Chlor mithin 2 Vol. Chlorwasserstoff liefern, dass 2) bei der Verbindung des Wasserstoffs und Sauerstoffs das Ge- sammtvolum der zusammentretenden Gase sich auf zwei Dritt- theile verdichtet, mithin 2 Vol. Wasserstoff und 1 Vol. Sauer- stoff (zusammen 3 Volume) nur 2 Vol. Wassergas bilden, dass 3) endlich Wasserstoff und Stickstoff bei ihrer Vereinigung sich noch starker, namlich auf die Halfte des urspriinglicheu Volums verdichten, dass also 3 Vol. Wasserstoff und 1 Vol. Stickstoff (zusammen 4 Volume) nur 2 Vol. Ammoniak liefern. Diese Erfahrungen fmden in folgenden weiteren Glei- chungen einen ubersichtlichen Ausdruck: Chemische Formeln. Chlorwasserstoff. 95 1 Vol. + -f 1 16 1 Vol. = 2 Vol. Wasser. 2 Vol. 1 Vol. = 2 Vol. Ammoniak. 'EL 1 3 Vol. ! 1 Vol. = 2 Vol. Diese symboliscben Gleicbungen zeigen uns auf einen Blick, wie verschiedene Gewichte dieser Verbindungen unter denselben Bedingungen der Temperatur und des Drucks in gleichen Ran in en enthalten sind; sie zeigen uns ferner das Verhaltniss dieser Gewichte zu den Gewichten gleicher Volume der elementaren Bestandtheile. In anderen Worten: Wenn wir das Volumgewicht des WasseTstofPgases = 1 setzen, so ist das doppelte Volumgew. des Chlorwasserstoffgases 36,5 Wassergases 18 Ammoniakgases 17 nnd wir haben offenbar diese doppelten Volumgewicbte nnr zu halbiren, um die einfachen Volumgewicbte, die specifischen 96 Berechmmg der Volumgewichte. Gewichte der drei Verbindungen, auf den Wasserstoff als Ein- heit bezogen, zu erhalten: O /J t - = 18,25 = Vol.-Gew. des ChlorwasserstofFgases, 2i 18 - =9 = Vol.-Gew. des Wassergases, 17 - == 8,5 = Vol.-Gew. des Ammoniakgases. 2 Nichts ist einfacher, als diese berechneten Volumge- wichte, wenigstens bis zu einem gewissen Grade, durch den Versuch zu bethatigen, insofern wir uns leicht iiberzeu- gen, dass der Chlorwasserstoff schwerer, das Wassergas so- wojil wie das Ammoniak leichter ist als Luft. Der Chlor- wasserstofF lasst sich, obwohl weniger leicht als das Chlor, aus einem Gefasse in ein anderes iibergiessen, Fig. 68; dass Fig. 68. der Wasserdampf, d. i. Wassergas, dem schon verdichtetes Wasser beigemischt ist, in der Luft aufsteigt, weiss Jeder- mann; das Ammoniak endlich kann, wie der Wasserstoff, aus einem Cylinder in einen anderen umgekehrt dariiber gehalte- nen ubergefullt werden (Fig. 69). Bedeutung der chemischen Formeln. 97 Es braucht kaum erwahnt zu werden, dass die unsere Symbole umrahmenden Quadrate uns nur als Geruste dienten, an welches sich unsere werdenden Vorstellungen anlehnen konnten. Jetzt, da sich diese Vorstellungen bereits gebildet und befestigt haben und die Bedeutung dieser Symbole unserm Gedachtniss eingepragt ist, diirfen wir die graphische Darstel- lung getrost fallen lassen, und die Summe unserer auf dein Wege des Versuchs beziiglich des Chlorwasserstoffs, des Was- sers und des Ammoniaks erworbeuen Erfahrungen spiegelt sich in folgenden knappen Formeln: Hi H BCC1, JJfO und H die wir selbst noch einfacher schreiben konnen, namlich: HC1, H 2 O und H 3 1T. Wenn wir die Bedeutung der Elementarsymbole im Gedachtniss haben, wenn wir uns ferner erinnern, dass die Fig. 69. Formeln der Yerbindungen die Gewichte gleicher Volume darstellen und zwar gleicher Volume von dem doppelten Raum- inhalt der durch die Symbole bezeichneten Volume der Ele- mente, so lehren uns obige Formeln: 1. Nam en und Zahl der Elemente, welche sich an der Zusammensetzung des Chlorwasserstoffs, des Wassers und des Ammoniaks betheiligen. 2. Die Verhaltnisse, in denen die Elemente in diesen Verbindungen dem Volum nach vereinigt sind- Einleitung in die moderne Cliemie. n 98 Einfiihrung absoluter Maasse in d. chem. Forsckung. 3. Die Verhaltnisse, in denen die Elemente darin dem Gewichte nach verbunden sind. 4. Die Verhaltnisse der Volume der drei Verbindungen nach ihrer Bildung zu den Volumen ihrer beziiglichen Bestandtheile vor der Vereinigung. 5. Die Volumgewichte oder specifischen Gewichte der drei Verbindungen im Gas- oder Dampfzustande auf Was- serstoff als Einheit bezogen. Bei Erforschung der Voluin- und Gewichtsverhaltnisse, in denen wir den Wasserstoff mit dem Chlor, mit dem Sauer- stoff, mit dem Stickstoff beziehungsweise zu Chlorwasserstoff, Wasser und Ammoniak sich vereinigen sahen, haben wir die numerischen Ergebnisse unserer Beobachtung auf den Was- serstoff als Volumeinheit und als Gewichtseinheit bezogen, ohne uns rnit der Wahl eines Volums von bestimmter Ab- messung zu befassen, dessen Gewicht als Maass der Verglei- chung bei den verschiedenen Korpern hatte dienen konnen. Diese Wahl , welche unseren Symbolen und Formeln die Bedeutung absoluter Werthe und mithin erhohte praktische Anwendbarkeit verleihen wiirde, darf gleichwohl nicht langer hinausgeschoben werden, und es wirft sich die Frage auf, welches von den zahlreichen in Anwendung gekorninenen Maass- und Gewichtssystemen sich fur den Ausdruck der er- forderlichen Einheiten vorzugsweise eigne? Angesichts dieser Frage fuhlen wir uns versucht, den Gegenstand, um den es sich zunachst handelt, einen Augenblick zu verlassen, um moglichst gedrangt eine Parenthese einzuschieben. Es tritt uns namlich bei dieser Frage die ganze Wucht der Hinder- nisse entgegen, welche der Mangel eines allgemeinen, von sammtlichen civilisirten Nationen angenommenen Maass- und Gewichtssystems der Pflege der Wissenschaft und derVerbrei- tung ihres Erwerbs in den Weg stellt. Statt eines solchen einheitlichen Systemes gilt noch immer eine^ zahllose und ver- worrene Mannigfaltigkeit besonderer Maasse und Gewichte. verschieden in jedem Lande und in jedern Zweige der Ge- werbthatigkeit, verschieden sogar in einzelnen Provinzen, in Zahllose Maass- und Gewichtssjsteme. 99 kleinen Stadten und Landgemeinden. Die Maasseinheiten haben sich auf diese Weise dergestalt vermehrt, dass ihre Aufzahlung allein dickleibige Bande fiillt, und die Verwir- rung wird noch durch den Umstand gesteigert, dass Gewichte und Maasse, welche wie Pfund, Fuss, Scheffel in vielen Landern denselben Namen fiihren, nichtsdestoweniger in ver- schiedenen Localitaten ganz ungleiche Werthe haben, deren Zahl sich auf Hunderte belauft und konnte man sammt- liche Werthe zusamrnenstellen sicherlich nach Tausenden zu bemessen sein wiirde. Man kann sich kaum einer Uebertreibung schuldig ma- chen. wenn man von den Hemnmissen spricht, welche diese Maass verwirrung dem Sammeln und Vergleichen der von ver- schiedenen Nationen gewonnenen Erfahrungen oder verschie- dene Lander betreffenden statistischen Nachrichten entgegen- stellt. Die ernstesten Bestrebungen scheitern an dieser rein ausserlichen Schwierigkeit, und die wichtigsten Schlussfolge- ruugen unterbleiben, weil ihnen die hinreichend breite Grund- lage des Thatsachlichen fehlt, auf welcher alle wahre Wissen- schaft beruht. Die vergleichbare Zusammenstellung der Forschungen in nur zwei oder drei Landern wie Deutschland, England und Frankreich, welche sich verschiedener Maass- und Gewichts- systeme bedienen, erheischt Opfer an Zeit und Kraft, bekla- genswerth, wenn sie gebracht werden, aber noch mehr zu be- klagen, wenn sie nicht gebracht werden und wie dies nur zu haufig der Fall ist die Erfahrungen der einen Nation ein versiegeltes Buch bleiben fiir die Forscher der andern. Allein es muss geniigen, an Uebelstande erinnert zu ha- ben, deren fluchtige Erwahnung bereits eine Abschweifung von dem eigentlichen Gegenstande unserer Untersuchung ist. Wir durften uns aber dieser Gelegenheit nicht begeben, von Xeuem auf die Xothwendigkeit hinzuweisen, der bestehenden YerwiiTung ein Ende zu machen und die Annahme eines all- gemeinen, einheitlichen Maass- uud Gewichtssystems, fiir welche 100 Metrisches Maass- und Gewichtssystem. die Gemiither durch die gewaltigen Ereignisse unserer Zeit ganz eigentlich vorbereitet sind, nicht langer hinauszuschieben. Wir gelangen auf diese Weise zu der Frage: Welches von den zahllosen Systemen empfiehlt sich als das zur all- gemeinen Annahme am besten geeignete? In anderen Worten und um den Faden unserer Betrachtung wieder aufzu- nehmen in welchem Systeme sollen wir unsere Maass- und Gewichts-Einheiten suchen, damit die bisher gebrauch- ten Symbole und Formeln zugleich die Bedeutung absoluter Werthe erhalten? Bei Beantwortung dieser Frage, iiber welche es kann nicht gelaugnet werden grosse Meinungsverschiedenheit herrscht, entscheiden wir uns ohne das geringste Bedenken fur das franzosische Metersystem. Seine Einfachheit bei all- umfassender Vollstandigkeit hat ihm bereits die Anerkennung der wissenschaftlichen Welt gesichert, und schon ist dasselbe in verschiedenen Landern das gesetzliche Maasssystem fur den gewohnlichen Lebensverkehr geworden. Es lasst sich nicht verkennen, dass sich bei fast alien Volkern Europas ein entschiedener Zug nach dem metrischen Systeme kund giebt, und diese Stimmung kann nicht ohne Einfluss auf die Beur- theilung einer Frage bleiben, bei deren Entscheidung Ein- heit des Wollens und Allgenieinheit des Handelns die eigent- lichen Zwecke sind, deren Erreichtmg wir anstreben. Wir haben bis jetzt nur selten Gelegenheit gehabt, abso- lute Maass- oder Gewichtsangaben zu machen; mit der Er- weiterung des bearbeiteten Gebietes werden sich diese Falle vielfach bieten. Wie bisher, werden wir auch fernerhin unter alien Umstanden uns des metrischen Systems bedienen. Es scheint daher nicht unpassend, eine kurze Skizze dieses Sy- stems, welches das gemeinsame Maass der Welt zu werden be- stimmt ist, an dieser Stelle einzuflechten. Das franzosische Metersystem, in alien seinen Anwen- dungen als Maass der Lange, der Flache, des Raumes, als Maass endlich des erfullten Eaumes, als Gewicht, griindet sich auf eine einzige lineare Einheit, welche man der einfachsten und Das Meter. 101 erhabensten aller Wissenschaften , der Astronomic, entnehmen zu miissen geglaubt hat. Diese Lineareinheit ist der vierzig- millionste Theil des Umfangs unseres Planeten, wie er durch einen Giirtel, welcher eine durch die Axe gelegte Flache um- spannt, gemessen wird. ' Der vierzigmillionste Theil dieses Erdgiirtels oder Meridians hat den einfachen aber gliicklich ge- wahlten Namen Meter (von ftrrpov, Maass) erhalten. Dieser einzigen Grosse, wie einer gemeinsamen Wurzel, entstammt mit alien seinen Verzweigungen das franzosische Maass- und Ge- wichtssystem, mit vollem Rechte das metrische genannt. Durch decimale Division sich verkiirzend, durch decimale Multiplication sich verlangernd, in anderen Worten mit 10, mit 100, mit 1000 u. s. w. dividirt oder multiplicirt, liefert das Meter alle Grade linearer Messung, von der Scala, in welcher die Ergebnisse der feinsten mikroskopischen Forschung ihren Ausdruck finden, bis zu dem Maasse, in welchem der Astronom das Firmament um- spannt und die machtigen Bahnen der Sterne verzeichnet. Es war gewiss ein eben so gliicklicher wie grossartiger Gedanke, wel- cher dem neuen Systeme gleich in seiner ersten Anlage einen so encyclopadischen Charakter lieh, dass sich aus ihm nach einfach- stem Gesetze eine ganze Reihe von Maasseinheiten entwickeln liessen, scharf gesondert in Werth und Bezeichnung, all ein wieder aufs Innigste verbunden durch ihre directe Vergleich- barkeit, und fur alle Grade des Messens, in der Richtung des Kleinen wie des Grossen, den geeigneten Ausdruck lief em d. Wie man aus dem linearen Meter, durch decimale Ver- langerung und Verkiirzung, die allgemeinen Langenmaasse bil- det, gerade so hat man auch auf das Quadrat- Meter decimale Division und Multiplication angewendet, urn alle Abstufungen des Flachenmaasses zu erhalten, von der kaum sichtbaren Ein- theilung auf dem Netzmikrometer des Physikers bis zu den Quadraten , welche auf der Karte des Feldmessers verzeichnet sind, und dem noch weit grosseren Quadratmaass, in welchem der Geograph den Flacheninhalt von Continenten bemisst. In gleicher Weise endlich erhalten wir von dem auf dem Quadratmeter erhobenen Wiirfel, durch decimale Division oder 102 Metrisches Maass- und Gewichtssystem. Multiplication, die ganze Stufenleiter der verwandten Hohl- und Korpermaasse, in anderen Worten die verschiedenen Ein- heiten fur die Messung des Raumes, ob leer, ob erfiillt. Wir multipliciren das Cubikmeter mit einer Million und erhalten eine Maasseinheit, in der sich die Capacitat des Oceans und das in ihm enthaltene Wasservolum ausdrucken Hesse. Wir dividiren mit einer Million und gelangen zu einer raum- lichen Maasseinheit, nicht grosser als der Wurfel, wie ihn der Spieler handhabt. Es ist eben dieser kleine Wurfel, ein Milliontheil des Cubikmeters, welcher, niit destillirtem Wasser gefiillt, uns die metrischeEinheitdes Gewichts, dasGramm, liefert ein Uebergang, wie bewundernswiirdig in seiner Einfachheit und wie niitzlich in seinen Anwendungen! Die volumetrische und die ponderale Messung der Materie gehen Hand in Hand, und die Darstellung dieser verschiedenen Werthe in verwandten Zahlenausdrticken erlaubt die directe Vergleichung beider und erleichtert auf diese Weise die Losung einer Unzahl von theoretischen und praktischen Aufgaben, welche die Wis- senschaft und das Leben uns stellt. Die decimale Division und Multiplication des Gramms liefert uns in diesem einfachen und grossartigen Systeme die Scala der Gewichtseinheiten. Der millionste Theil des Gramms ist nicht mehr fahig, die feinste Wage in Bewegung zu setzen, das millionfache Gramm ist die Gewichtseinheit fur schwere Giiter; mit Tausendteln des Gramms arbeitet der Chemiker, das tausendfache Gramm ist das Gewicht fiir die Kleingeschafte des Handels und der Gewerbe. Der Astronom, wenn es sich darum handelte, diesenoder jenen Himmelskorper zu wagen, brauchte nur das millionfache Gramm auf decimalem Wege von Neuem zu vergrossern, um eine Gewichtseinheit zu erhalten, welche sich fiir seine Zwecke eignen wiirde. Mit derAnnahme dieser einheitlichen Scala sind die Bewegungen der Gestirne in directe Vergleichung gesetzt mit den Schwingungen der Wage, auf welcher der Chemiker seine Substanz zur Analyse abwagt. Noch einen Augenblick mussen wir bei den Einzel- Nomenclatur. Langemnaasse. 103 heiten und zumal bei dem Xomenclaturprincipe des metrischen Systems verweilen. Es ist in seiner Art einfach und bewundernswerth wie das System selbst. Wir brauchen nur den Namen der Lan- gen-, Flachen-, Raum- und Gewichtseinheit dem Gedachtniss einzupragen, und iiberdies zu behalten, dass Vorsetzung der griechisehen Zahlworter die decimale Multiplication, Vorsetzung der lateinischen Zahlworter die decimale Division dieser Ein- heiten andeutet, und aus diesen einfachen Elementen ist das ganze System in wenigen Minuten aufgebaut. Die griechischen Vorsatzzahlworter fiir 10, 100 und 1000 sind beziehungsweise Deka-, Hekto- und Kilo-. Die lateinischen Vorsatzzahlworter fiir 10, 100 und 1000 sind beziehungsweise Deci-, Centi- und Mi Hi-. Multipliciren und dividiren wir die Langeneinheit, das Meter, mit 10, 100 und 1000, und construiren wir fiir die so erhaltenen Maasse die Namen nach diesem Nomenclatur- princip. Durch Multiplication erhalten wir die erste, durch Division die zweite der folgenden Reihen: Langen-Maass. Einheit 1 Meter. 1. Mehrfache des Meters. 2. Theile des Meters. Meter. Meter. Meter = 1 Meter = 1 Dekameter = 10 Decimeter = 0,1 od. y io Meter. Hektometer = 100 Centimeter = 0,01 l / wo Kilometer = 1000 Millimeter = 0,001 V 1000 In der griechisehen Reihe bieten sich anf diese "Weise geeignete Xamen fiir das Zehnfache, Hundertfache und Tau- sendfache der Einheit, wahrend die lateinische Reihe uns pas- sende Benennungen fiir den zehnten, hundertsten und tau- sendsten Theil derselben liefert. Von der griechisehen Reihe ist es zunial das erste und 104 Metrisches Maass- und Gewichtssystem. das letzte Glied (das Meter und Kilometer), welche vielfach gebraucht werden, ersteres fiir die Zwecke, fur welche sonst wohl die Elle dient, letzteres als Wegmaass statt der (engli- schen) Meile. Die Zwischenglieder werden verhaltnissmassig selten angewendet. Dagegen sind sammtliche Einheiten der lateinischen Reihe in fortwahrendem Gebrauch, als Ersatz fiir Fuss und Zoll mit ihren Unterabtheilungen. Die iibrigen Maasse, Flachenmaass (gross und klein), Korpermaass, Hohlmaass und Gewicht sind in ganz ahn- licher Weise ausgebildet, indem man in jedem einzelnen Falle von einem geeignet gewahlten Ausgangspunkt auf- und niedersteigt. Fiir die Messung grosserer Landparcellen ware das Quadratmeter eine zu kleine Einheit ; man gehtdaher von dem Quadratdekameter aus, d. h. einem Quadrat, dessen jede Seite 10 Meter, dessen Flacheninhalt mithin 10 X 10 = 100 Qua- dratmeter ist, und welches den Namen Are (area) erhalt. Es ergeben sich alsdann unter Anwendung der griechischen und lateinischen Zahlworter zwei Reihen abgeleiteter Maasse. Flachen -Maass (grosse Scala). Einheit 1 Are. 1. Mehrfache des Are. 2. Theile des Are. Are. Quadratmeter. Are. Quadratmeter. Are = 1 = 100 Are =1 = 100 Dekare = 10 = 1000 Declare =0,1 =10 Hektare = 100 = 10000 Centiare = 0,01 = 1 Kilare = 1000 = 100000 Milliare = 0,001 = 0,1 Von diesen Maassen sind Are und Hektare die gebrauch- lichsten. Der Centiare dieser Reihe fallt mit dem Quadratmeter zusammen, und dieses rnit seinen decimalen Unterabtheilun- gen wird zur Messung kleiner Flachen benutzt. Flachenmaasse. Korpermaasse. 105 Flach en-Ma ass (kleine Scala). Einheit 1 Quadratmeter. Theile des Quadratmeters. Quadratmeter. Quadratmeter = 1 Qnadratdeciiueter = 0,01 Quadratcentimeter = 0,0001 Quadratmillimeter = 0,000001 Als Einheit der raumlichen Maasse, Hohl- und Korper- maasse, dient, je nach den Messungen, urn die es sich handelt, der Wiirfel , welchen man auf dem Quadratdecimeter oder auf dem Quadratmeter erhebt. Ersterer, also der Cubikdecimeter, erhalt den Namen Liter (von dem Worte Atrga, einer grie- chischen Maassbenennung). Von dem Liter leiten sich folgende Reihen ab: Hohl- und Korper-Maasse (kleine Scala). Einheit 1 Liter. 1. Mehrfache des Liters. 2. Theile des Liters. Liter. Liter, later = 1 Liter = 1 Dekaliter = 10 Deciliter =0,1 oder l / 10 Liter. Hektoliter = 100 Centiliter =0,01 y ioo Kiloliter = 1000 Milliliter = 0,001 l / 100fl Die in diesen beiden Reihen aufgefuhrten Maasse gelten vorzugsweise als Hohlmaasse, und werden sowohl fur fliissige als feste Korper angewendet. Sie sind ziemlich alle im Ge- brauch. Das hochste Glied der Reihe (das Kiloliter) fallt mit dem Cubikmeter, der Einheit des grossen Korpermaasses, zusammen. Das kleinste Glied andererseits, das Milliliter, stimmt mit dem Cubikcentimeter iiberein, welcher Name in der That der gebrauchlichere ist. 106 Metrisches Maass- und Gewichtssystem. Hohl- und Korper-Maasse (grosse Scala). Einheit 1 Cubikmeter. 1. Mehrfache des Cubikmeter s. 2. Theile des Cubikmeters. Cubikmeter. Cubikmeter. Cubikmeter = 1 Cubikmeter 1 Cubikdekameter = 1,000 Cubikdecimeter = 0,001 Cubikhektometer = 1,000,000 Cubikcentimeter = 0,000,001 Cubikkilometer = 1,000,000,000 Cubikmillimeter = 0,000,000,001 Das Cubikmeter ist das gewohnliche Maass fur feste Korper z. B. fur Brennholz, in welcher Eigenschaft es den Namen Stere (von Gregsog, fest, korperlich) annimmt. Diese Bezeichnung lasst sich mit Hiilfe der griechischen Zahlworter multipliciren, der lateinischen dividiren ; allein nurein einziges Glied der auf diese Weise gebildeten Reihen, namlich dasDe- cistere oder Zehntel eines Steres ist niitzlich gefunden wor- den und in Anwendung gekommen. Es bleibt uns jetzt noch iibrig, einen Blick auf die Ge- wichte zu werfen. * Als Ausgangspunkt fiir die Gewichte haben die Franzo- sen, wiebereits erwahnt, den mit destillirtem Wasser von 4C. (der Temperatur, bei welcher das Wasser die grosste Dichtigkeit besitzt) erfiillten Wiirfel genommen, welchen man erhalt, wenii das Cubikmeter in Milliontel getheilt wird. Es ist dieser Wiirfel das Milliliter, besser bekannt unter dem Namen Cubik- centimeter. Das im hiftleeren^ Raume bestimmte Gewicht des mit Wasser von 4 erfiillten Cubikcentimeters hat die Bezeich- nung Gramm erhalten von y^a^tftw, dem Namen eines kleinen in Griechenland gebrauchlichen Gewichtes. Das Wort yQK^a ist ein Abkommling von y(>ag)C5, ich schreibe, und verdankte seine Anwendung fur den gedachten Zweck vielleicht dem Umstand, dass der Werth auf dem Gewichte selbst aufge- schrieben war. Mit Hiilfe der griechischen und lateinischen Zahlworter gestalten sich fiir die Gewichte folgende zwei Reihen : Gewichte. Das Grainm. 107 Gewichte. Einheit 1 Gramm. 1. Mehrfache des Gramms. 2. Theile des Gramms. Grainm. Gramm. Gramm = 1 Gramm = 1 Dekagramm =10 Decigramm = 0,1 oder 1 / IQ Grm. Hektogramm = 100 Centigrarnrn 0,01 Vioo n Kilogramm = 1000 Milligramm = 0,001 V 10 oo n Sammtliche Glieder der letzten Reihe sind in taglichem Gebrauch, zumal fur die Zwecke des Chemikers; in der ersten Reihe ist ausser der Einheit selbst nur noch das Kilogramm oder Tausendgramm-Gewicht in Anwendung gekommen. Es ist dieses das Gewicht ernes Wasserwiirfels, der sich auf dem Quadratdecimeter als Grundflache erhebt, mit anderen Wor- ten, das Gewicht eines Liters Wasser von 4 C. Die hochsten Glieder in unseren multiplen Reihen haben die Bezeichnung Kilo-. Sie lassen sich nochrnals verzehn- fachen, indem wir fiirKilo- das Zahl wort Myria- setzen. Das Myriameter hat eine Lange von zehn Kilometern, das Myria- liter den Rauminhalt von zehn Kilolitern u. s. w. Diese hohen Maasse sind jedoch nur ausserst selten nothwendig, und es schien daher kaum wiinschenswerth, sie in unsere Tafeln einzufuhren. Es bleibt jetzt nur noch iibrig, die Hauptmaasseinheiten des metrischen Systems mit den in Preussen und England gebrauchlichen Maassen zu vergleichen, um vorkommenden Falles nothwendig werdende Reductionen auszufiihren. Denn obwohl der norddeutsche Reichstag in der denkwiirdigen Sitzung vom 15. Juni 1868 die Einfiihrung des metrischen Maass- und Gewichtssystems in den Staaten des norddeutschen Bundes zum Gesetz *) erhoben hat , obwohl in England die *) Der Art. 22 des Gesetzes bestimmt, dass die neue Maass- und Gewichtsordnung mit dem 1. Januar 1872 in Kraft tritt, und Art. 23, dass ihre Anwendung bereits vom 1. Januar 1870 an gestattet ist, sofern die Betheiligten hieriiber einig sind. 108 Metrisches Maass- und Gewichtssystem. Anwendung desselben durch einen Parlamentsbeschluss bereits legalisirt 1st, so diirfte doch wohl noch ein Vierteljahrhundert verstreichen, ehe die jetzt iiblichen Maasse aus dem Verkehr verschwunden sein werden. Meter = 1 Are = 1 Liter = 1 Stere = Gramm = Preuss. Maass: 1,499387 Elle = 3,186199 Fuss = 38,234388 Zoll. Engl. Maass: 1,093633 Yard = 3,280899 Fuss = 39,37079 Zoll. Preuss. Maass: 7,049905 Quadrat-Ruthen = 0,039166 Morgen. Engl. Maass: 3,957388 Perches = 119,603326 Square Yards = 0,02471 Acre. Preuss. Maass: 0,87336 Quart = 55,893542 -Cubik- Zolle. Engl. Maass: 1,760773 Pinten = 0,220096 Gallonen = 61,027051 Cubik-Zoll. Preuss. Maass: 32,34585914 Cubik-Fuss 3,370869 Cubik-Ellen. Engl. Maass: 1,308020 Cubik- Yards = 35,316580 Cubik-Fuss. Preuss. Maass: 0,06 Loth = 0,002 Zoll-Pfund. Engl. Maass: 15,434 Grains = 0,002204 Pfund. Fiir die Zwecke unserer Betrachtungen sind es zumal die Volum- und Gewichtseinheiten, das Liter und das Gramm, welche uns interessiren. Auch die Langeneinheit (das Meter) kommt vielfach in Anwendung, insofern wir die mittlere Hohe des Barometers (O m ,76) in ihr ausdriicken. Nach dieser Abschweifung kehren wir zu der Frage zu- riick, die sie veranlasste, zu der Frage namlich, welche Ein- heiten wir am besten wahlen, wenn es sich darum handelt, die absoluten Gewichte concreter Gasvolume miteinander zu vergleichen. Fiir diese Zwecke scheint sich vor Allem das Cubikdeci- meter oder Liter als Volumeinheit zu eignen. In der anliegen- den perspectivischen Zeichnung ist die Vorderansicht des Cubik- Linear-Centimeter. 1 Cubik - Decimeter = 1 Liter, = 1000 Cubik- Centimeter, = j^o eines Cubik -Meters; fasst bei 4" C. Temp. 1 Kilogr. = 1000 Grm. Wasser; und lei 0C. f und O m ? 76 Druck, 1 Krith = 0,0896 Grm. Wasserstoff' ^*S?' v^Ua*- Das Wasserstofflitergewicht, das Kritk 109 decimeters in natiirlicher Grosse gegeben. Als Gewiehtsein- heit nehmen wir die das Cubikdecimeter, das Liter, unter den Normalbedingungen der Temperatur und des Druckes, also bei 0C. und O m ,76 Bar., fullende Gewichtsmenge Wasserstoff, auf welches Element wir ja bereits gewohnt sind sammtliche, andere Elemente betreffende, Maassangaben zu beziehen. Das Gewicht eines Liters Wasserstoff unter den angege- benen Bedingungen betragt nach genauen Wagungen 0,0896 Gramm. Diese Zahl, welche wir dem Gedachtnisse nicht sorg- faltig genug einpragen konnen, lasst das Gewicht des Liters irgend eines anderen einfachen oder zusammengesetzten Ga- ses, vorausgesetzt , dass wir sein Yolumgewicht kennen, mit Leichtigkeit berechnen. Man braucht nur das Voluingewicht mit dem Coefficienten 0,0896 zu multipliciren. Es gewinnt daher dieser Coefficient, dieses Normaleinheitsgewicht, fur un- sere Betrachtungen eine solche Wichtigkeit, dass es wiinschens- werth erscheint, einen besonderen Xamen dafur gelten zu lassen. Da Kiirze jedenfalls ein Haupterforderniss ist, sowollen wir das Wasserstofflitergewicht mit dem Namen n Krith" be- zeichnen, ein Ausdruck, nach der Analogic der Gewichtsbe- nennung Gran (von granum), von dem griechischen Worte XQi&r] abgeleitet, welches ein Gerstenkorn und alsdann in ab- geleiteter Bedeutung ein kleines Gewicht bezeichnet. Nennen wir also das Gewicht eines Liters Wasserstoff 1 Krith, so driicken die Yolumgewichte anderer Gase, in Krithen gelesen, die absoluten Gewichte vonje 1 Liter der betreffenden Gase aus. Die Yolumgewichte der Elemente Chlor, Sauerstoff, Stickstoff haben wir beziehungsweise zu 35,5, zu 16, zu 14 gefunden. 1 Liter dieser Gase bei ,0C. und O m ,76 Bar., das Normalliter derselben, wiegt also 35,5 Krithe, 16 Krithe und 14 Krithe. Die Yolumgewichte der Yerbindungen Chlorwasser- stoff, Wassergas, Ammoniak wurden beziehungsweise zu 18,25, zu 9 und zu 8,5 ermittelt (vergl. S. 82). 1 Liter dieser Gase bei 0C. und O m ,76 Bar., das Normalliter dersel- ben, wiegt also 18,25 Krithe, 9 Krithe, 8,5 Krithe. 110 Litergewichte gasformiger Korper. Hieraus ergeben sich ohne Schwierigkeit die Gewichte der Normalliter der genannten Elements und Verbindungen in Grammen. E 1 e m e n t e. Volum- Gewicht d< js Liters bei C. und O m ,76 Bar. Gewicht. in Krithen. in Grammen. Wasserstoff .... Chlor 1 35 5 1 35 5 1 X 0,0896=0,0896 35 5 X 0896 3 1808 16 16 16 v o 0896 1 4336 Stickstoff .... 14 14 14 v o 08 Q 6 1 544 Verbindungen. Gewicht des Liters bei C. und Volum- O m ,76 Bar. Gewicht. in Krithen. in Grammen. Chlorwasserstoff . . 18,25 18,25 18,25X0,0896 = 1,6352 Wassergas .... 9 9 9 X 0.0896 = 0,8064 Ammoniak .... 8,5 8,5 8,5 X 0,0896 = 0,7616 In der vorstehenden Tabelle Jst das Gewicht eines Liters Wassergas bei und O m ,76 Bar. Druck verzeichnet, wahrend doch Jedermann weiss, dass das Wassergas unter diesen Be- dinguugen nicht exietirt. Es lasst sich daher nicht verken- nen, dass die in der Tabelle verzeichneten 9 Kth nur das Ge- wicht eines gedachten Normalliters Wassergas ausdrucken konnen. Was der Versuch unzweifelhaft festgestellt hat, ist dieses : 1 Lit. Wassergas, bei irgend welcher Temperatur, bei der es als solches zu existiren vermag , ist 9 mal so schwer, Litergewicht des Wassergases. Ill als ein bei derselben Temperatur gewogenes Liter Wasser- stoff. Konnte man das Wassergas bis auf abkuhlen, ohne es zu verfliissigen , so wurde es auch bei dieser Normaltem- peratur 9mal so schwer sein als der Wasserstoff und da 1 Lit. Wasserstoff bei 1 Kth wiegt, so miisste 1 Lit. Was- sergas bei dieser Temperatur 9 Kth wiegen. Zu diesem Schlusse berechtigen uns die Erfahrungen, welche iiber das Verhalten gasformiger Korper vorliegen. Die Physik lehrt uns, dass sich bei unverandert bleiben- dem Drucke die permanenten Gase unter dem Einflusse der Warme fiir einenTemperaturgrad um l /^ s ihres bei beob- achteten Yolums ausdehnen. 1 Lit. Wasserstoff oder Sauer- stoff oder Stickstoff, bei gemessen wird daher bei 273 zu 1 4~ 273 273 = 1 + 1 = 2 Litern anwachsen, mithin sein Yolum verdoppeln. Ein bei 273 C. beobachtetes Gasvolum rnuss also durch Abkiiblung bis zu auf die Halfte zusam- menschrumpfen, und das bei 273 gemessene Lit. Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff kann bei nicht mehr als ' / 2 Lit. erfullen. Gesetzt die Gewichte von 1 Lit. Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff waren bei 273 bestimmt und unter dem Xormal- barometerdruck von O m ,76, beziehungsweise zu 0,5 Kth, 8 Kth und 7 Kth gefunden worden, so wiirden wir aus dem bekannten Verhaltniss des Volums bei 273 zu dem Yolum bei 0, fiir die Gewichte von 1 Lit. Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff, immer unter dem Normalbarometerdruck , bei beziehungsweise die Werthe 2 X 0,5 = 1 Kth, 2 X 8 = 16 Kth und 2 X 7 = 14 Kth berechnen durfen, welche Zahleu mit den durch den Yersuch fur ermittelten iiberein- stimmen. Wenn in ganz ahnlicher Weise unter dem Normal- barometerdruck das Gewicht von 1 Lit. Wassergas bei 273 zu 4,5 Kth gefunden worden ware, so wurde sich unter der Yoraussetzung, dass es sich bei der Abkiihlung, dem Wasser- stoff, dem Sauerstoff, dem Stickstoff, also den permanenten Gasen gleich verhalten hatte, das Gewicht von 1 Lit. Wasser- gas bei zu 2 X 4,5 = 9 Kth berechnen. Auf den ersten Blick durfte es scheinen, als ob das Ge- 114 V. Chlorwasserstoff, Wasser und Ammoniak als Typen chemischer Verbindun- gen. Brom und Jod, dem Chlor analoge Elemente. BromwasserstofF und Jodwasserstoff. Ableitung derselben von dem Chlorwasserstoff-Typus. Schwefel und Selen, dem Sauerstoff analoge Elemente. Schwefelwasser- stofF und Selenwasserstoff. Ableitung derselben vom Wasser -Typus. Phosphor und Arsen, dem StickstofF analoge Elemente. Phosphorwasser- stoff und ArsenwasserstofF. Vergleichung dieser Verbindungen mit dem Ammoniak. Weitere Entwicklung der chemischen Formelsprache. Che- mische Formeln als Mittel der Classification. Veranschaulichung chemi- scher Vorgange durch Formeln. .Chemische Gleichungen. Uebertragung der chemischen Formelgleichungen in Gewichts- und Yolumgleichungen. Die Volum- u. Gewdchts-Verhaltnisse, weiche in den For- meln des Chlorwasserstoffs, des "Wassers und des Ammoniaks HG1, H 2 O und H 3 H ihren Ausdruck finden, gewinnen, wie gross immer das ihnen eigenthumliche Interesse sein moge, eine ungleich hohere Be- deutung, wenn wir diese Formeln als Typen, als Yorbilder eben so vieler Gruppen von Verbindungen kennen lernen, sammtliche Glieder einer jeden Gruppe, man konnte sagen, in derselben Form gegossen, und desshalb die Eigenthumlichkeiten der Mo- delle in getreuer Nachbildung wiedergebend. Es sind diese ana- logen Yerbindungen, welche jetzt unsere Betrachtung fordern. Im Laufe unserer bisherigen Studien, welche der Erfor- schung der Modelle gewidmet waren, liessen wir es uns ange- legen sein, eine jede der sich entwickelnden Anschauungeu durch den Yersuch zu bethatigen. In ganz ahnlicher Weise konnten wir nun auch die Structur der analogen Verbindungen, welche uns zunachst interessiren, experimentell zu begriinden suchen; allein unsere Bewegung wiirde schwerfallig werden, und wir liefen Gefahr, das eigentliche Ziel unserer Aufgabe aus dem Auge zu verlieren, wollten wir auch jetzt noch jede neue That- Brom und Jod, dem Chlor analoge Elemente. 115 sache, welche sich dem Kreise unserer Betrachtung einfiigt, im Versuche an uns herantreten lassen. Beim Erwerbe wissen- schaftlicher Erfahrung hat man jederzeit Vieles auf das glaub- wiirdige Zeugniss Anderer hinzunehmen und wir, wie die Jiinger anderer Naturwissenschaften, miissen uns fiir den Au- genblick bei dem Studium vieler uns interessirenden That- sachen auf die anerkannten Archive der Wissenschaft verlas- sen, indem es uns vorbehalten bleibt, spater an geeigneter Stelle einige der mittlerweile auf Treu und Glauben ange- nommenen Resultate durch den Versuch zu bethatigen. Unter den spater zu betrachtenden Elementen werden wir mit zweien bekannt werden, mit dem Brom und dem Jod, welche sich ihrem ganzen Verhalten nach unzweideutig neben das Chlor stellen. Wie das Chlor vereinigen sich das Brom und das Jod mit dem Wasserstoff: die gebildeten Ver- bindungen, der Bromwasserstoff und der Jodwasserstoff, sind farblos-durchsichtige, in Wasser losliche Gase, welche in ihren Eigenschaften die grosste Aehnlichkeit mit dem Chlorwasserstoff zeigen und, wie der Yersuch gelehrt hat, auch eine ganz analoge Zusammensetzung besitzen. Das Brom ist bei gewohnlicher Temperatur eine schwarzrothe, erstickend riechende Fliissigkeit, welche schon bei 58 unter Entwicklung tief braunrother Dampfe siedet. Das Jod stellt sich als ein dunkelgrauer starrer Korper dar, kry- stallinisch und von eigenthiimlichem Metallglanz, bei 107 schmelzend und bei 175 unter Entwicklung eines prachtvoll violetten Dampfes siedend. Beide Elemente unterscheiden sich also in dieser Beziehung wesentlich von dem Chlor, wel- ches unter gewohnlichen Bedingungen gasformig ist. Allein nichts hindert uns, die Volumgewichte derselben im gasfor- migen Zustande zu bestimmen und mit dem bei derselben Temperatur bestimmten Yolumgewichte des Wasserstoffs zu vergleichen. Bei Temperaturen bestimmt, bei welchen Brom und Jod Gase sind, verhalten sich in der That die Gewichte gleicher Volume Wasserstoff, Brom- und Jodgas wie 1 : 80 : 127. 8* 116 Analoge Construction d. Chlor-, Broin-, Jodwasserst. Nehmen wir an, dass sich das Brom- und Jodgas unter einem Druck von O m ,76 auf C. abkiihlen konnten, ohne beziehungsweise zu einer Flussigkeit und zu einem starren Korper verdichtet zu werden, gerade wie wir dies schon friiher fur das Wassergas gelten liessen, so wiirde das Normalliter Bromgas 80 Krith, das Normalliter Jodgas 127 Krith wiegen. Setzen wir fur die Gewichte des Liters Bromgas (80) und Jodgas (127) die Anfangsbuchstaben ihrer Namen, also Br und I, gerade so wie wir das Gewicht eines Liters Chlor- gas (35,5) mit Cl bezeichneten, so wird sich, vorausgesetzt dass Bfom- und Jodwasserstoff nach dem Vorbilde des Chlor- wasserstoffs construirt sind, die Zusammensetzung der drei Verbindungen durch folgende Diagramme darstellen lassen : Zusammensetzung des Chlorwasserstoffs. Zusammensetzung des Bromwasserstoffs. Zusammensetzung des Jodwasserstoffs. welche sich, der Umrahmungen entkleidet, zu folgenden knap- pen Formeln vereinfachen : Chlorwasserstoff . . . . H -J- Cl = HCL Bromwasserstoff . . . . H + Er = HBr. Jodwasserstoff . . . . H -j- I = H I. Aus diesen Diagrammen und Formeln lernen wir, dass 1 Lit. Wasserstoff (1 Kth = H), welches bei dem Uebergange in Chlorwasserstoff 1 Lit. Chlor (35,5 Kth CI) fixirt, bei dem Uebergange in Brom- und Jodwasserstoff, beziehungsweise 1 Lit. Bromgas (80 Kth = Br) und 1 Lit. Jodgas (127 Kth = I) aufnehmen muss. Diese Thatsache ist denn auch durch genaue Versuche festgestellt worden. Unsere Formeln sagen uns ferner, dass sich der Wasserstoff mit dem Brom- und Jodgas ohne Yer- Schwefel u. Selen, dem Sauerstoff analoge Elemente. 117 dichtung verbindet, dass also 1 Lit. Wasserstoff (1 Kth = H), welches mit 1 Lit. Chlor (35,5 Kth = Ci) 2 Lit Chlorwasser- stoffgas (36,5Kth=:HCl) liefert, durch Aufnahme von 1 Lit. Bromgas (80 Kth = Br) und 1 Lit. Jodgas (127 Kth = I), beziehungsweise in 2 Lit. Bromwasserstoff (8.1 Kth = HBr) und 2 Lit. Jodwasserstoff (128 Kth = HI) iibergehen miissen. Dass dem in der That so sei, ergiebt sich aus der Bestim- mung der Volumgewichte des Brom- und Jodwasserstoffs, welche durch den Versuch beziehungsweise zu 40,5 und 64 gefunden worden sind. Diese Zahlen, in Krithen gelesen, driicken die Gewichte von 1 Lit. Bromwasserstoff und 1 Lit. Jodwasserstoff aus, und es ergeben sich somit die Gewichte von 2 Lit. Bromwasserstoff zu 2 X 40,5 = 81 Kth. und von 2 Lit. Jodwasserstoff zu 2 X 64 = 128 Kth. Dieses sind aber genau die Werthe, welche sich unter der Voraus- setzung berechnen, dass sich gleiche Volume ihrer Bestand- theile ohne Verdichtung mit einander vereinigen. Gerade so wie wir mit dem Chlor die Elemente Brom und Jod zusammengestellt haben, reihen sich an den Sauer- stoff zwei weitere Elemente, der Schwefel und das Selen. Die Eigenschaften dieser beiden Elemente, mit denen des Sauer- stoffs verglichen, zeigen noch grossere Abweichungen, als das Brom und das Jod dem Chlor gegeniiber darboten. Der Schwe- fel, durch seine zahlreichen Anwendungen hinreichend bekannt, ist bei gewohnlicher Temperatur starr, und vergast sich, ob- wohl schon bei 115 schmelzend, erst bei einer Temperatur von 490. Das Selen, welches in der Natur nur sparlich vor- kommt, ist ein starrer Korper von bleigrauer Farbe, der bei 217 schmilzt, sich aber erst bei einer der Rothgluth nahen Temperatur in Gas verwandelt. Der Sauerstoff andererseits ist bis jetzt nur im gasformigen Zustande beobachtet worden. In ihren Verbindungen tritt indessen die Artverwandtschaft der drei Elemente schon deutlicher hervor, und es sind zumal die gasformigen Verbindungen des Schwefels und Selens mit dem Wasserstoff, der Schwefelwasserstoff und der Selen- wasserstoff, welche, obwohl immer noch in vieler Beziehung 118 Analogic des Schwefel- und Selenwasserstoffs von dem Sauerstoffwasserstoff, dem Wasser, verschie- den, dennoch unverkennbar den chemischen Charakter der letztgenannten Verbindung tragen. Obwohl nun Schwefel sowbhl als Selen erst bei sehr hohen Temperaturen den gasformigen Zustand annehmen, so 1st es* doch neuerdings gelungen, die Gasvolumgewichte dieser beiden Elemente zu bestimmen. Bei Temperaturen, bei welchen die- selben wahre Gase sind, stehen die Gewichte gleicher Yolume Wasserstoff, Schwefelgas und Selengas in dem Yerhaltniss von 1 : 32 : 79. Nehmen wir nun auch fiir den Schwefel und das Selen wieder an, dass sie sich unter einem Druck von O m ,76 Bar. bei C. gasformig erhalten konnten, so wird das Normalliter Schwefel- gas 32 Kth, das Normalliter Selengas 79 Kth wiegen, welche Gewichte wir beziehungsweise mit den Anfangsbuchstaben der fraglichen Elemente, also 32 = 8 und 79 = Se, bezeichnen. Sind Schwefel- und Selenwasserstoff in der That dem Wasser analog construirt, so stellt sich die Zusammensetzung der drei Verbindungen in folgenden Diagrammen dar: Zusammensetzung des Wassergases. Zusammensetzung des Schwefelwasserstoffs. Zusammensetzung des Selenwasserstoffs. mit dem Wassergase. 119 Oder in Formeln : Wassergas . . . . 2H -f O = HaO. Schwefelwasserstoff . 2H + S =H 2 S. Selenwasserstoff . . 2 EC + Se = H 2 Se. Auch in diesem Falle ist, was sich in diesen Formeln ausspricht, durch den Versuch bethatigt worden. Gerade so wie sich 1 Liter Sauerstoff (O) mit 2 Liter Wasserstoff (2 H) zu Wasser verbindet, so vereinigen sich auch 1 Lit. Schwefelgas (S) und 1 Lit. Selengas (Se) mit 2 Lit. Was- serstoff zu Schwefel- und Selenwasserstoff. Gerade so wie sich bei der Wasserbildung die 3 Liter der Bestandtheile (H -f- H + O) zu 2 Lit. Wassergas (H 2 O) verdichten, so ziehen sich auch die 3 Liter der gasformigen Bestandtheile des Schwefelwasserstoffs (H -f- H -f- S) und des Selenwasser- stoffs (H -|- H -j- Se) beim Uebergange in die chemischen Yerbindungen auf 2 Liter zusammen, eine Thatsache, welche sich in den Formeln derselben (H-?S und H^Se) ausspricht. Das Verdichtungsverhaltniss erhellt auch hier wieder aus der Volumgewichtsbestimmung des Schwefelwasserstoffs und Se- lenwasserstoffs. Wenn 2 Lit. Wasserstoff (2 H = 2 Kth) mit 1 Lit, Schwefelgas (S = 32 Kth) und 1 Lit. Selengas (Se = 79 Kth), beziehungsweise 2 Lit. Schwefelwasserstoff (H 2 S = 34 Kth) und 2 Lit. Selenwasserstoff (H 2 Se = 81 Kth) 9 A Hefern , so muss 1 Lit. Schwefelwasserstoff - =17 Kth, QI 1 Lit. Selenwasserstoff = 40,5 Kth wiegen. Die Volum- 2 gewichte des Schwefelwasserstoffs und Selenwasserstoffs sind in der That zu 17 und 40,5 gefunden worden. Es giebt endlich verschiedene Elemente, welche eine ge- wisse Analogic mit dem Stickstoff zeigen. In dem Phos- phor und Arsen werden wir zwei einfache Korper kennen lernen, welche, bei gewohnlicher Temperatur starr, erst bei 120 Phosphor u. Arsen, dem Stickstoff analoge Elemente. hohen Warmegraden den gasformigen Zustand annehmen. Der wachsartige, fast durchsichtige Phosphor scbmilzt bei 44 und vergast sich hei 290, wahrend das stahlgraue Arsen, ohne _zu_schmej[zen, erst hei anfangender Rothgluth in Gas verwan- delt wird. Wir begegnen hier also dem Stickstoff gegen- iiber derselben Verschiedenheit in den Eigenschaften , welche wir bereits bei dem Sauerstoff, Schwefel und Selen zu beob- achten Gelegenheit batten , und es sind auch hier wieder die gasformigen Wasserstoffverbindungen dieser Elemente, der Phosphorwasserstoff und Arsenwasserstoff, deren Analogic mit dem Stickstoffwasserstoff, dem Ammo- niak, am bestimmtesten zu Tage tritt. Phosphor- und Arsen- wasserstoff sind im Wasser unlosliche Gase , ersterer iiberdies noch durch seinen eigenthumlichen Geruch und durch die Eigenschaft ausgezeichnet , sich an der Luft zu entziinden und unter Bildung sehr regelmassiger, langsam aufwirbelnder, weisser Dampfringe zu verbrennen. Es sind dies allerdings Eigenschaften, welche von denen des Ammoniaks nicht wohl starker abweichen konnten. Allein so verschieden sich auch die drei Verbindungen in ihren Eigenschaften darstellen, so giebt sich doch bei genauerer Betrachtung eine Aehnlich- keit in ihrem chemischen Verhalten zu erkennen, welche auf nahe Uebereinstimmung in ihrer Zusammensetzung hindeutet. Die Yolumgewichte des Phosphor- und Arsengases sind erst in jiingster Zeit mit hinrcichender Schilrfe ermittelt wor- den. Bei sehr hoher Temperatur, bei welcher man annehmen darf, dass beide Elemente den vollkommen gasformigen Zustand angenommen haben,stehen die Gewichte gleicher Volume Was- serstoff, Phosphorgas und Arsengas in dem Verhaltniss von 1 : 62 : 150. Es wiirde also, unter der Annahme , dass Phosphor und Arsen bei O m ,76 Bar. und C. gasformig bleiben konnten, das Normalliter Phosphorgas 62 Kth, das Normalliter Arsen- gas 150 Kth wiegen, welche Gewichte wir auch in diesem Falle mit den Anfangsbuchstaben der Namen der Elemente, also 64 = P und 150 = As, bezeichnen wollen. Nun er- Volumgewicht des Phosphor- und Arsengases. 121 innern wir uns, dass in 2 Lit. Ammoniakgas (17 Kth^ 3 Lit. Wasserstoff (3 Kth = 3 H) mit 1 Lit. Stickstoff (14 Kth = IT) vereinigt sind. Unter Voraussetzung analoger Zu- sammensetzung mit dem Ammoniak miissten also 2 Lit. Phos- phorwasserstoff und 2 Lit. Arsenwasserstoff ebenfalls 3 Lit. "VVasserstoff enthalten, verbunden beziehungsweise mit 1 Lit. Phosphorgas und 1 Lit. Arsengas. Der Versuch hat die angedeutete Annahme einer Ueber- einstimmung in der Zusammensetzung des Phosphor- und Arsenwasserstoffs mit der des Ammoniaks nicht bestatigt. 2 Lit. Phosphorwasserstofi enthalten allerdings 3 Lit. Was- serstoff, aber nicht 1 Liter , sondern nur 1 ^ Lit. Phosphor- gas; in ahnlicher Weise sind in 2 Lit. Arsenwasserstoff 3 Lit. Wasserstoff nicht mit 1 Liter, sondern nur mit Y 2 Lit, Arsengas verbunden. Bei der Volumgewichtsbestim- mung des Phosphor- und Arsenwasserstoffs sind namlich be- ziehungsweise dieZahlen 17 und 39 gefunden worden, welche' in Krithen die Gewichte von 1 Lit. Phosphorwasserstoff und 1 Lit. Arsenwasserstoff ausdriicken. In 2 Lit. Phosphor- wasserstoff (2 X 17 = 34 Kth) und 2 Lit. Arsenwasserstoff (2 X 39 =78 Kth) hat der Versuch 3 Liter Wasserstoff (3 Kth) nachgewiesen. 2 Lit. Phosphorwasserstoff enthalten mithin 34 3 = 31 Kth Phosphor und 2 Lit. Arsenwasser- stoff 78 3 = 75 Kth Arsen. Nun wiegt aber, wie bereits bemerkt, 1 Lit. Phosphorgas 62 = 2 X 31 Kth, 1 Lit. Ar- sengas 150 = 2 X 75 Kth. Bemiihen wir uns, das Ergeb- niss der Versuche symbolisch zu fassen, so zeigft es sich als- bald, dass die Zusammensetzung des Phosphor- und Arsen- wasserstoffs sich in Formeln, welche den uns bereits bekann- ten analog construirt sind, gar nicht ausdriicken lasst. Wollen wir einerseits die Gewichtsrnengen formuliren, welche in 2 Litern dieser Wasserstoffverbindungen enthalten sind, damit ihre Formeln dasselbe Volum darstellen wie die Formeln der iibrigen Verbindungen, so gelangen wir, dem Ammoniak ge- geniiber, fur den Phosphor- und Arsenwasserstoff zu folgen- den Ausdriicken : 122 Vergleichung der Construction des Ammoniaks Zusammensetzung des Ammoniaks. J NJ Zusammensetzung des Phosphorwasserstoffs. Zusammensetzung des Arsenwasserstoffs. In Formeln: Ammoniak. . . , Phosphorwasserstoff Arsenwasserstoff . 3H -f N = 4- -f Formuliren wir andererseits die Gewichtsmengen Phos- phor- und Arsenwasserstoff, in welchen beziehungsweise 1 Lit. Phosphorgas und 1 Lit. Arsengas enthalten sind, so nehmen die Ausdrucke folgende Gestalt an: mit der des Phosphor- und Arsenwasserstoffs. 123 Zusammensetzung des Ammoniaks. N Zusammensetzung des Phosphorwasserstoffs. Zusammensetzung des Arsenwasserstoffs. In Formeln : Ammoniak . . . Phosphorwasserstoff Arsenwasserstoff . 3H + IT 6EE -(- P 6EC As = = H 6 P. In den Ausdriicken, welche 2 Lit Phosphorwasserstoff und Arsenwasserstoff in der ersten Reihe von Diagramnien darstel- len, finden wir nur l /o Lit. Phosphorgas und 1 / 2 Lit. Arsengas, wahrend in keiner der uns bekannten Formeln weniger als 1 Liter eines Elements auftritt; in den in der zweiten Reihe 124 Wahl gleichvolumiger Formeln. von Diagrammen gegebenen Ausdriicken figuriren allerdings 1 Lit. Phosphorgas und 1 Lit. Arsengas, allein diese Aus- drucke stellen nicht 2 Liter der Wasserstoffverbindungen dar, wie die Formeln der iibrigen Verbindungen, sondern 4 Liter; denn 1 Lit. Phosphorgas -|- 6 Lit. Wasserstoff wiegen 62 -|- 6 = 68 Kth, 1 Lit. Arsengas -f 6 Lit, Wasserstoff 150 -f 6 = 156 Kth. Dies sind aber die Gewichte beziehungsweise von 4 Lit. Phosphor- und Arsenwasserstoff, denn da die Ein- litergewichte dieser beiden Gase , wie bereits bemerkt , zu 17 Kth und 39 Kth gefunden worden sind, so hat man 68 156 17 39 : Wir haben also von zwei Schwierigkeiten die kleinere zu wahlen. Entweder wir halten das Princip fest, dass die Formeln der Verbindungen stets das Gewicht von 2 Li- tern darstellen, und bequemen uns, in unseren Formeln halbe Volumgewichte, d. h. Halblitergewichte der Elemente aufzunehmen , oder aber wir vermeiden es , Bruchtheile von elementaren Volumgewichten oder Einlitergewichten auftreten zu lassen, begeben uns alsdann aber des grossen Vortheils der Gleichvolumigkeit der Verbindungsformeln. Die Wahl ist nicht schwer; wir entscheiden uns ohne Bedenken fur die gleichvolumigen Formeln. Ein Blick auf die beiden einander gegeniiberstehenden Diagramme zeigt uns, wie ungleich sprechender diese Formeln die Aehnlich- keit sowohl, als die Verschiedenheit der Zusammensetzung des Ammoniaks auf der einen und des Phosphor- und Arsen- wasserstoffs auf der anderen Seite zur Geltung bringen. Die gleichvolumigen Formeln enthiillen uns alsbald, worin die Aehnlichkeit in der Zusammensetzung der drei Verbindun- gen, worin ihre Verschiedenheit besteht. Die Aehnlichkeit wir sehen es ist diese, dass 2 Lit. Phosphorwasser- stoff und 2 Lit. Arsenwasserstoff, gerade so wie 2 Lit Ammo- niakgas, 3 Lit. Wasserstoff enthalten. Die Verschiedenheit besteht darin, dass diese 3 Lit. Wasserstoff im Phosphor- Chenrische Formelsprache. 125 und Arsenwasserstoff beziehungsweise mit */% Lit. Phosphor- gas und 1 /-j Lit. Arsengas verbunden sind, wahrend sie sich in dem Ammoniak mit 1 Lit. Stickstoff vereinigt haben. Die ungleiche Volume darstellenden Formeln lassen kaum irgend welche Beziehungen des Phosphor- und Arsenwasserstoffs zu dem Ammoniak durchblicken. Die wenigen im Vorstehenden gegebenen Beispiele che- mischer Formeln durften iiber den praktischen Werth und die wissenschaftliche Bedeutung dieser bewundernswerthenZeichen- sprache, welche man nicht unpassend die Algebra der Chemie nennen konnte, keinen Zweifel lassen. Wareu die chemischen Formeln keiner hoheren Leistung fahig, als in gedrangter Form die elementare Structur einer Verbindung wiederzugeben, wir mussten sie zu den werthvoll- sten Forschungsmitteln zahlen, welche der Chemiker besitzt. Allein wie belehrend die einzelnen Formeln immer sind, wie scharf die Umrisse, in denen sie uns das Bild einer Ver- bindung skizziren, und wie lebhaft sie die Hauptziige des- selben dem Geiste einpragen, so tritt ihre Bedeutung doch noch viel klarer zu Tage, wenn wir eine Reihe von For- meln nebeneinander studiren, wenn wir uns ihrer als Clas- sificationsmittel bedienen. Indem wir die Formel einer ge- gebenen Verbindung nach einander mit einer jeden unserer typischen Formeln vergleichen, enthiillt sich uns schnell die Gruppe, welcher wir die Verbindung zuzuzahlen haben, und aus den chemischen Charakteren dieser Gruppe, die uns be- kannt sind , erschliessen wir die wahrscheinlichen Eigen- schaften des neu eingereihten Gliedes und die geeignete Me- thode seiner Untersuehung , deren Ergebniss wir nicht selten im Voraus zu bestimmen vermogen. Es ist gleichwohl als Sprache, als Ueberlieferungs- mittel, schnell zu schreiben, wie zu lesen, und fahig, dem Geiste in iibersichtlichem Bilde vereint eine ganze Reihen- folge von Thatsachen vorzufiihren , welche sich in Worten nur einzeln und stuckweise hatten darstellen lassen, dass 126 Anwendungen der uns der Werth der chemischen Formeln im glanzendsten Lichte erscheint. In der Hand des chemischen Forschers gestalten sie sich zu ebenso biindigern wie umfassendem Aus- drucke der von ihm beobachteten Gesetzmassigkeiten , werden sie endlich die Reprasentanten gewisser Grossenverhaltnisse, fiir welche man nur die absoluten Werthe zu substituiren hat, um in jedem Falle ein klares Bild des Thatsachlichen zu gewinnen. Fiir alle diese Zwecke lassen sich die chemischen For- meln wie gewohnliche algebraische Ausdriicke handhaben. Die Symbole der Elemente, die Formeln der zusammengesetz- ten Korper setzen wir durch die gewohnlichen algebraischen Zeichen mit einander in Beziehung; durch das Additionszei- chen -j- , das Multiplicatiouszeichen X das Subtractionszei- chen und endlich das Gleichheitszeichen = . Auf diese Weise gelangen wir zu chemischen Glei- chungen, mit deren Hiilfe sich die verwickeltesten Vorgange der Chemie eben so sicher als schnell durch ihre verschiedenen Phasen verfolgen lassen. Der Nutzen, welchen die chemische Forschung aus dieser Darstellungsweise zu ziehen vermag, ist nicht hoch genug anzuschlagen. Wir werden in der Folge sehen, wie die chemischen Gleichungen ganz eigentlich der Priifstein unseres Verstandnisses sind, wie sich oft" die "Werth- losigkeit einer ganzen Auffassung alsbald ergiebt, wenn wir es versuchen, dieselbe in eiiier chemischen Gleichung zu fixiren, und wie andererseits eine gliicklich hingeworfene Gleichung nicht selten zur Anstellung von Versuchen fiihrt, denen wir die werthvollsten Erfahrungen verdanken. Dem angehenden Chemiker kann daher das Studium der chemischen Formelsprache nicht friih und ernstlich genug empfohlen werden. Lange ehe seine Studien weit genug ge- diehen sind, um ihm ihre hohere wissenschaftliche Bedeu- tung zu enthiillen, sollten ihm die Formeln bereits ein un- entbehrliches Hiilfsmittel geworden sein, an denen er die Rich- tigkeit seiner Beobachtungen, die Klarheit und Scharfe seiner Schltisse erprobt. Das Ergebniss eines Versuches lasst sich chemischen Formelsprache. 127 allerdings nicht selten in wohlgeordneter Gleichung darstellen. welche weit davon entfernt ist, den wahren Ausdruck der Er- scheinung abzugeben, allein so lange das Ergebniss unserer Be- obachtung iiberhaupt noch in einer Gleichung sich nicht fassen lasst, kann man mit Sicherheit annehmen, dass die Thatsachen entweder unvollstandig , oder gar unrichtig beobachtet sind, dass man jedenfalls den Schliissel zu ihrer wahren Interpre- tation noch nicht gefunden hat. Chemische Formeln und Gleichungen gelaufig lesen und schreiben zu lernen, ist daher eine unserer ersten Aufgaben. Ihre gliickliche Losung setzt uns in den Besitz einer Sprache, deren freie Handhabung uns in der Folge die Beantwortung theoretischer sowohl als prak- tischer Fragen aufs Wesentlichste erleichtern wird. Als Einleitung in das Studium dieser Sprache diene uns der Ruckblick auf einige der Reactionen, mit denen wir be- reits bekannt geworden sind, und von denen wir jetzt ein scharferes und umfassenderes Bild gewinnen, indein wir sie in .chemischen Gleichungen wiedergeben. Wir erinnern uns der Vortheile, welche uns fiir die Erforschung desWassers und desAmnioniaks aus der starken Anziehung des Chlors fiir den "Wasserstoff erwuchsen, wie leicht sich die genannten Verbindungen unter dem Einfluss dieser kraftigen Anziehung spalteten, indem sich ihr Wasser- stoff in Chlorwasserstoff verwandelte , wahrend beziehungs- weise Sauerstoff und Stickstoff in Freiheit gesetzt wurden. In diesen Erscheinungen war die qualitative Natur der beiden Processe gegeben. Ailein neben der qualitative!* Erkenntniss bediirfen wir der quantitativen; und zu dem Ende miissen wir einen Schritt weiter gehen und die beobachteten Umsetzungen in Gleichungen fassen. Sorgfaltig angestellte Versuche gestat- ten die Losung dieser Aufgabe. Die Chemiker haben mit Scharfe die Menge Chlor bestimmt, welche zur Zersetzuug einer gegebenen Quantitat Wasser und Ammoniak erforder- lich ist, die Menge Chlorwasserstoff, welche in beiden Fallen 128 Chemische Formelsprache. entsteht, endlich die Mengen Sauerstoff und Stickstoff, welche entbunden werden: Die Summe dieser Erfahrungen ist in folgenden Gleichun- gen niedergelegt : Zersetzung des Wassers durch Chlor. Hi -f-Ol + Ol = HOI + HOI + O; oder einfacher, H 2 O + 2 Ol = 2 HOI + O. In dieser Gleichung spiegelt sich nicht nur das Qualitative, sondern auch das Quantitative der Keaction. Auf beiden Sei- ten der Gleichung begegnen wir denselben Elementarsym- bolen, in derselben Anzahl, jedoch in verschiedener chemischer Gruppirung, welche durch die Schreibweise angedeutet ist. Um die Gleichung zu lesen, haben wir fur einen jeden Buch- staben den zugehorigen Namen, so wie das zugehorige Ge- wicht und Volum zu setzen , urn das ganze Wesen der Reac- tion alsbald zu iiberschauen. Indem wir den Symbolep die betreffenden Zahlenwerthe unterlegen, also EC = 1, O = 16, 01 = 35,5 setzen, erfahren wir: 2 + 16 = 18 Kth Wasser bediirfen zu ihrer Zersetzung 2 X 35,5 = 71 Kth Chlor; es werden gebildet 2X(1 + 35,5) = 73 Kth Chlorwasserstoff, wahrend 16 Kth Sauerstoff frei werden. Oder wir wollen die Gleichung mit Beriicksichtigung der Volum verhaltnisse lesen, welche sie darstellt. Wir lernen alsdann, dass 2 Lit. Wassergas (das Yerdichtungsproduct, wie die Formel gleichfalls andeutet, von 2 Lit. Wasserstoff und 1 Lit. Sauerstoff) zerlegt werden von 2 Lit. Chlor; es wer- den gebildet 2 X 2 - - 4 Lit. Chlorwasserstoff, wahrend 1 Lit. Sauerstoff in Freiheit gesetzt wird. Es kann uns nicht befre'mden, dass, wie im vorliegenden Falle, die Summe der Liter auf beiden Seiten eiiier Gleichung, welche eine chemi- in Beispielen erlautert. 129 sche Reaction darstellt, nicht dieselbe zu sein braucht, wissen wir ja doch, dass die Elemente im unverbundenen Zustande einen grosseren Raum einnehmen konnen, als im verbundenen. Zersetzung des Ammoniaks durch Chlor. H] H} H -f 01 + Cl -f Cl = HC1 -f HC1 + HC1 + N; Hj oder einfacher, H 3 IT + 3C1 = 3HC1 + H. Durch Substitution der betreffenden Werthe gestaltet sich diese Gleichung zu folgendem Ausdruck: 17 Kth Ammoniak + 3 X 35,5 Kth Chlor 2 Lit. ~~3 Lit. 3X (1 + 35,5) Kth Chlorwasserstoff + UKth Stickstoff "IfLit. TLit. Wir sehen, Alles was uns moglicher Weise hinsichtlich dieser Reaction interessiren konnte, ist in der Gleichung durch 11 Buchstaben und Zififern dargestellt, welche durch drei Zeichen in vier Gruppen vereinigt sind. Es wiirde schwer sein, eine biindigere und zugleich umfassendere Ausdrucks- weise zu ersinnen, und wir sind schon jetzt entschlossen, der Erlernung einer Sprache, welche uns die Erscheinungen so iibersichtlich in ihrer einfachsten Form darstellt, unsere ganze Aufmerksamkeit zuzuwenden. Einleitung in die modernc Clicmie 130 VI. Volumetrische und ponderale Auffassung der Materie. Kohlenstoff ein nicht vergasbares Element. Seine Wasserstoffverbindung, das vierte Glied in der Reihe typischer Wasserstoffverbindungen. Griinde fiir die gesonderte Betrachtung desselben. Vorkommen des Koh- lenwasserstoffs in Siimpfen , daher der Name Sumpfgas in Koh- lengruben , daher der haufigst gebrauchte Name Grubengas im Leuchtgas. Darstellung. Charakteristische Eigenschaften. Qualitative Analyse. Zersetzung des Grubengases durch Chlor un- ter Ausscheidung des Kohlenstoffs. Zersetzung desselben durch die Warme, Spaltung in die elementaren Bestandtheile. Die Synthese des Grubengases bis jetzt nicht direct ausfuhrbar. Formel des Grubengases. Symbolisirung des nicht vergasbaren Kohlenstoffs. Verbindungsgewicht des Kohlenstoffs. Silicium, ein dem Kohlenstoff analoges Element. Seine Wasserstoffverbindung, das Siliciumwas- serstoffgas. Wahrscheinliche Construction desselben nach dem Gru- bengas -Typus. Verbindungsgewicht des Siliciums. Titan und Zinn, weitere dem Kohlenstoff analoge Elemente. Vergleichung der Verbindungsgewichte mit den Volumgewichten. Verbindungsgewichte des Phosphors und Arsens. Einfiihrung der Verbindungsgewichte an Stelle der Volumgewichte in die chemische Zeichensprache. Die Elemente, an denen sich unsere chemischen Vorstel- lungen entwickelten, Wasserstoff, Chlor, Sauerstoff und Stick- stoff sind Gase; auch die Verbindungen dieser Elemente, so- weit wir sie untersuchten , sind entweder bei gewohnlicher Temperatur gasforinig, wie der Chlorwasserston und das Ammoniak, oder lassen sich doch, wie das Wasser, mit Leich- Volumetrische u. ponderale Auffassung der Materie. 131 tigkeit in Gas verwandeln. Der Weg zur Erforschung der Gesetze, nach denen sich die Elemente mit einander verbin- den, war daher durch ihre Eigenschaften vorgezeichnet ; wir batten der volumetrischen den Vorzug vor der ponderalen Untersuchung geben mussen, selbst wenn sich jene Methode nicht schon durch den Umstand empfohlen hatte, dass sich Volumverhaltnisse weit leichter als Gewichtsverhaltnisse zur Anschauung bringen lassen. Nur rait Hiilfe der volumetri- schen Methode war es moglich , fur unsere Betrachtungen einen sicheren experimentalen Grund zu erwerben, wie ihn die vorstehenden Abschnitte geliefert haben. Allein die volumetrische Auffassung der Materie im gas- formigen Zustande ist nur innerhalb enggezogner Grenzen moglich. Nur wenige Elemente sind Gase oder lassen sich mit Leichtigkeit vergasen. Die Mehrzahl verfliichtigt sich entweder erst bei den hochsten Temperaturen, welche uns zur Verfugimg stehen, oder ist selbst bei diesen feuerbestandig. Fur solche Korper reichen die bisher angewendeten Methoden nicht langer aus, und es bleibt uns nichts anderes mehr iibrig, als die Gewichtsverhaltnisse ins Auge zu fassen. Wir konnten uns in der That selbst auf dem beschrank- ten Gebiete, welches wir fur unsere Forschung abgegrenzt hatten, nicht lange fortbewegen, ohne auf die Nothwendigkeit hingewiesen zu werden, Gewichtsbeziehungen mit in Rechnung zu nehmen. Schon bei der kurzen Betrachtung des fliissigen Broms und des stafren Jods, welche sich doch bei sehr massigen Temperaturen in Gase verwandeln, fanden wir Gelegenheit, den Werth der Gewichtsanalyse kennen zu lernen. Wir wiirden mit fast uniibersteiglichen experimentalen Schwierigkeiten zu kampfen gehabt haben, hatten wir z. B. durch directe Versuche ermitteln wollen, dass 2 Lit. Brom- und Jodwasserstoff beziehungsweise 1 Lit. Bromgas und 1 Lit. Jodgas enthalten, wahrend es ein Leichtes war, mittelst der Wage festzustellen , dass in 81 Kth (dem Gewicht von 2 Lit.) Bromwasserstoff 1 Kth Wasserstoff und 80 Kth Brom, 9* 132 Der Werth der Gewichtsanalyse dass in 128 Kth (dem Gewicht von 2 Lit.) Jodwasserstoff 1 Kth Wasserstoff und 127 Kth Jod vorhanden sind. Die Volumgewichte des Brom- und Jodgases als bekanat voraus- gesetzt, war hiermit die volumetrische Construction des Brom- und Jodwasserstoffs auf das Befriedigendste ermittelt, und man wusste, dass, gerade wie 2 Lit. Chlorwasserstoff 1 Lit. Wasserstoff und 1 Lit. Chlor enthalten, auch 2 Lit. Brom- wasserstoff aus 1 Lit. Wasserstoff und 1 Lit. Bromgas, end- lich 2 Lit. Jodwasserstoff aus 1 Lit. Wasserstoff und 1 Lit. Jodgas bestehen. Dieselbe Erfahrung machten wir in noch weiterem Um- fange bei der Erforschung des Schwefel- und Selenwasser- stoffs. Schwefel und Selen bediirfen zu ihrer vollstandigen Vergasung der hochsten Temperaturen, welche dem Chemiker zur Verfiigung stehen ; man begreift daher , dass es uugleich einfacher war, die Mengen Schwefel und Selen, welche bezie- hungsweise in 2 Lit. Schwefel- und Selenwasserstoff vorhan- den sind, dem Gewicht als dem Volum nach zu bestimmen. Es war in der That langst bekannt, dass 34 Kth (das Gewicht von 2 Lit.) Schwefelwasserstoff, 32 Kth Schwefel, dass 81 Kth (das Gewicht von 2 Lit.) Selenwasserstoff, 79 Kth Selen ent- halten, ehe man durch die erst in jiingster Zeit gelungene Volumgewichtsbestimmung des Schwefel- und Selengases fest- stellen konnte, dass 32 Kth das Gewicht von 1 Lit. Schwef el- gas, dass 79 Kth das Gewicht von 1 Lit. Selengas ausdriicken, 2 Lit. Schwefel- und Selenwasserstoff also beziehungsweise 1 Lit. Schwefelgas und 1 Lit. Selengas enthalten, gerade so wie in 2 Lit. Wasserdampf 1 Lit. Sauerstoffgas vorhanden ist. In ganz ahnlicher Weise hat die Gewichtsanalyse auch bei der Erforschung des Phosphor- und Arsenwasserstoffs eine wichtige Rolle gespielt. Man wiirde sich vergebens be- muht haben, die in 2 Lit. Phosphor und Arsenwasserstoff enthaltenen Mengen Phosphor- und Arsengas dem Volum nach zu bestimmen, wahrend ihrer Ermittelung dem Gewichte nach keinerlei Schwierigkeit im Wege stand. Die Gewichts- analyse hatte in 34 Kth (dem Gewicht von 2 Lit.) Phosphor- an Beispielen erlautert. 133 wasserstoff die Gegenwart von 31 Kth Phosphor, in 78 Kth (dem Gewicht von 2 Lit.) Arsenwasserstoff die Gegenwart von 75 Kth Arsen nachgewiesen; da nun auch die Gasvolum- gewichte der beiden Elemente ermittelt sind, so wusste man hiermit, dass in dem Zweilitervolum Phosphor- und Arsen- wasserstoff nur 1 / 2 Lit. Phosphor- und Arsengas vorhanden sind, dass also diese beiden Wasserstoffverbindungen sich in ihrer Zusammensetzung wesentlich von dem Ammoniak unter- scheiden, dessen Zweilitervolum 1 Lit. Stickstoff enthalt. Die- ser fliichtige Riickblick auf einen Theil des bereits durch- messenen Weges diirfte hingereicht haben, den Werth der Gewichtsanalyse fiir die chemische Forschung in ein klares Licht zu setzen. Beim weiteren Eindringen in das noch vor uns liegende Gebiet werden wir finden, dass die volumetri- sche Methode mebr und mehr gegen die ponderale zuriick- tritt, dass in der Mehrzahl von Aufgaben, welche wir zu losen haben, die Wage unsere sicherste Fuhrerin ist, in vielen Fallen diese Losung iiberhaupt durch kein anderes Mittel erreicht wer- den kann. Die Methode der Gewichtsanalyse verdient deshalb schon jetzt unsere voile Beachtung. Es wiirde uns jedoch zu weit von dem vorgesteckten Ziele abfuhren, wollten wir es hier versuchen, wenn auch in durftigstem Umrisse, ein Bild der Gewichtsanalyse zu geben und die zahlreichen, nur sel- ten ganz einfachen, fast immer umstandlichen und haufig sehr verwickelten Wege betrachten, auf denen der Chemiker die einzelnen Bestandtheile einer Verbindung nach einander ausscheidet und auf die Wage bringt. Ueberdies gelingt es nicht, diese Methode der Forschung in rasch zum Ziele fuh- renden Versuchen zu veranschaulichen, wie sie doch fiir unsere gemeinschaftlichen Forschungen allein geeignet sind, und wie sie die bisher angewendete Volumanalyse in den meisten Fallen gestattete. Die Operationen, deren sich die Gewichts- analyse bedient, sind in der Hegel viel zu mannigfaltig und zeitraubend und beanspruchen zu viel Aufmerksamkeit , als dass sie sich in der knapp zugemessenen Zeit und mit den bescbrankten Mitteln einer Vorlesung befriedigend ausfuhren 134 Kohlenstoff liessen. Die nahere Bekanntschaft mit den Methoden der Gewichtsanalyse bleibt daher zweckmassig einer spateren Periode vorbehalten, in welcher uns die Beschaftigung im Laboratorium die geeigneten Bedingungen fur solche Studien bietet. Hier miissen wir uns begniigen, das Ergebniss der Gewichtsanalyse fur die besonderen Zwecke unsererForschung zu benutzen und zumal die wichtige Rolle kennen zu lernen, welcbe die Methode der Gewichtsanalyse als Hiilfsmittel fur die weitere Entwickelung unserer Formelsprache gespielt hat. Es ist bereits zu Anfang dieses Abschnittes darauf hin- gewiesen worden, dass die Mehrzahl der Elemente im gas- formigen Zustande nicht bekannt ist, und es wirft sich daher die berechtigte Frage auf, in welcher Weise wir solche Kor- per, bei denen von einer Gasvolumgewichtsbestimmung nicht mehr die Rede sein kann, unserer symbolischen Darstellung zuganglich machen. Wichtige Anhaltspunkte fur die Beantwortung dieser Frage wird uns die Betrachtung eines nicht fliichtigen Ele- mentes liefern , dessen Verbindung mit dem Wasserstoff sich in vieler Beziehung naturgemass an die uns bereits bekann- ten typischen Wasserstoffverbindungen anschliesst. In dieser typischen Reihe fanden wir 1 Lit. Chlor, 1 Lit. Sauerstoff, 1 Lit. Stickstoff vereinigt beziehungsweise mit 1, 2 und 3 Lit. Wasserstoff; gleichzeitig sahen wir die Ver- dichtung wachsen mit dem zunehmenden Wasserstoffgehalt, indem trotz der verschiedenen Anzahl zusammentretender Liter der Elementargase die fertige Verbindung unter alien Umstanden in 2 Litern Platz fand. Allein diese Reihe typischer Verbindungen ist hiermit nicht abgeschlossen. Ihr gehort ein viertes Glied an eine Verbindung, welche in 2 Litern 4 Lit. Wasserstoff ent- halt, vereint mit einem anderen Element, dem Kohlenstoff, welches uns die Natur in weitester Verbreitung und mannig- faltigster Form, als Diamant, als Graph it und endlich in den verschiedenen Kohlearten darbietet. Die Wasserstoff- verbindung des Kohlenstoffs ist ein leicht brennbares Gas, und seine Wasserstoffverbindung. 135 dem Bergmann als feuriger Schwaden nur allzuwohl be- kannt, von dem Chemiker mit dem Nam en Grubengas oder, seines haufigen Auftretens in Sumpf- und Moorgriinden hal- ber. wohl auch niit dem Namen Sumpf gas bezeichnet. Das Studium dieser vierten typischen Wasserstoffverbin- dung hatte mit dem der drei anderen verflochten werden konnen; allein es liegen gewichtige Griinde fiir die geson- derte Betrachtung derselben vor. Wahrend in den drei ersten Gliedern der Reihe die beiden Bestandtheile gasfor- mig sind, finden wir in dem vierten den Wasserstoff mit einem Elemente vereint, welches nicht nur bei gewohnlicher Temperatur starr ist, sondern sich auch mittelst der inten- sivsten, uns zu Gebote stehenden Hitzgrade nicht verfliich- tigen lasst. In den drei ersten Verbindungen , wenn sie vereint, aber gesondert von der vierten, betrachtet werden, spiegeln sich daher in wunderbarer Symmetric und in unge- brochen aufsteigender Linie die Gesetze der Verbindung und wachsenden Verdichtung dein Volum nach, wahrend die vierte die Verbindungs- und Verdichtungsbeziehung dem Vo- lum nach nur fur den fliichtigen Bestandtheil yeranschau- licht, insofern unsere Kenntniss, soweit sie den starren Be- standtheil betrifft, sich nothwendiger Weise auf das Gewichts- verhaltniss beschankt und alle Ansichten, welche man sich iiber das Volumverhaltniss bildeu kann, nothgedrungen dem Bereiche der Speculation angehoren. Manche Chemiker sind zwar der Meinung und nicht ohne einen gewissen Schein der Berechtigung dass die Speculation in der Analogic eine zuverlassige Stiitze finde; allein nicht eher, als bis der Kohlenstoff vergast und das Kohlenstoffgas gewogen worden ist, diirfen wir die volumetrische Auffassung des Grubengases als auf derselben sicheren Grundlage beruhend erachten, welche uns der Versuch fur den Chlorwasserstoff, das Wasser und das Ammoniak bereits erworben hat. Es sind noch andere Griinde vorhanden, welche fiir das Grubengas eine getrennte Betrachtung wiinschenswerth er- scheinen lassen. In seinem chemischen Verhalten zumal un- 136 Grubengas oder Sumpfgas. terscheidet sich dieses Gas von den anderen Gliedern der typischen Reihe durch Eigenthiimlichkeiten , welchen sich spater unsere voile Aufmerksamkeit zulenken muss, denen hier nur noch die Bemerkung gelte, dass sie fur die Unter- suchung des Grubengases Methoden bedingen, welche von den bei dem Studium der anderen typischen Wasserstoff- verbindungen mit Vortheil erprobten oft wesentlich verschie- den sind. Nach diesen Vorbemerkungen diirfen wir nicht langer saumen, mit diesem vierten Gliede unserer typischen Reihe Bekanntschaft zu machen. Den Spalten des grossen Kohlengebirges entquillt an manchen Stellen ein farbloses, durchsichtiges Gas, welches sich nicht selten in den Stollen schl^cht ventilirter Bergwerke ansammelt. Entziindet an dem nackten Grubenlichte des Bergmanns, der die ihm von der Wissenschaft gereichte Sicherheitslampe verschmaht, veranlasst dieses Gas die furcht- baren Explosionen, denen noch immer alljahrlich so viele Opfer fallen. In manchen Steinkohlen ist dieses Gas so reich- lich enthalten, dass es in Blasen aufsteigt, wenn ein Stuck frischgeforderter Kohle in Wasser getaucht wird. Dasselbe Gas, wie bereits bemerkt, entwickelt sich auch in feuchtem Moorgrunde, und haufig sieht man es in kleinen Blaschen aus Siimpfen und stehenden Wassern aufperlen, auf deren Boden Pflanzenstoffe verwesen. Wahrend des Sommers be- schleunigen sich die Verwesungsprocesse, und es ist alsdann die Entwicklung des Gases nicht selten so reichlich, dass man es in wassererf iillten , in der Sumpflache umgestiilpten Cylindern auffangen kann. Das so erhaltene Gas unterschei- det sich alsbald von der Luft, indem es mit einer Kerzen- flamme in Beriihrung gebracht, sich entzundet. Man wiirde kaum geneigt sein, das brennbare Gas aus den von der Natur gebotenen Quellen zu schopfen, selbst wenn sie dasselbe im Zustande der Reinheit boten ; all ein das natiirlich vorkommende Gas ist fast immer mit Luft und anderen Gasarten gemengt. Das gewohnliche durch Vorkommen. -- Darstellung. 137 tion der Kohle gewonnene Leuchtgas enthalt stets einen be- trachtlichen Antheil Grubengas, allein auch im letzteren Falle ist es mit anderen kaum davon trennbaren Gasen gemischt, so dass wir auch diesen reichlichen und zuganglichen Vor- rath unbenutzt lassen miissen. Es giebt aber em einfaches Verfahren, mittelst dessen man sich das Grubengas in jeder fiir die Zwecke des Versuchs erforderlichen Menge aus be- kannten und wohlfeilen Materialien mit Leichtigkeit verschaf- fen kann. Zu dem Ende erhitzen wir in einer Flasche von Glas (oder besser von Kupfer oder Eisen) , welche zur Gas- entwicklung hergericbtet ist, starken Essig mit einer Mi- schung von Kalk und kaustischem Natron, wie es im Handel vorkommt; nach kurzer Frist entbindet sich ein farbloses Gas, welches in gewohnlicher Weise iiber Wasser aufgefangen wird (Fig. 70). Es liegt nicht in unserem Interesge, die Reac- Fig. 70. tion zu verfolgen, welche die Bildung des Grubengases unter diesen Verhaltnissen bedingt. Der Essig enthalt Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff, und Alles, was wir fur den Augen- blick zu wissen brauchen, ist, dass sich unter den gegebenen 138 Eigenschaften des Grubengases. Bedingungen ein Theil des Kohlenstoffs mit dem ganzen Was- serstoffgehalte in der Form von Grubengas aus dern Essig ab- scheidet. Das auf diese Weise im reinen Zustande bereitete Gas wird haufig mit dem Namen ,,leichtes Kohlenwasserstoff- gas" bezeichnet; wir wollen der Kiirze halber den Namen Grubengas beibehalten. Von den vorher betrachteten Wasserstoffverbindungen unterscheidet sich das Grubengas sofort durch seine Brenn- barkeit. An einer Kerze entziindet, verbrennt es mit ganz schwach leuchtender Flamme; seine Verschiedeuheit von dem Chlorwasserstoff und dem Ammoniak erhellt iiberdies aus der Abwesenheit von Geschmack und Geruch und aus der Unfahigkeit, Pflanzenfarben zu verandern: negative Eigen- schaften, welche es mit dem Wassergase theilt. Nicht weniger hervortretend ist die Eigenthumlichkeit des Grubengases der Mehrzahl der Elementargase gegen- iiber, welche wir kennen gelernt haben. Mit dem Chlor, dem Sauerstoff, dem Stickstoff, lauter unentziindlichen Kor- pern, kann das brennbare Grubengas nicht verwechselt wer- den. Von dem Chlor unterscheidet es sich uberdiess noch durch die Abwesenheit von Geruch, Farbe und Bleichkraft, von dem Sauerstoff dadurch, dass ihm , wie dem Stickstoff) jede Fahigkeit, die Verbrennung zu unterhalten , abgeht. Das einzige Elementargas, mit dem man die Kohlenstoffver- bindung des Wasserstoffs auf den ersten Blick verwechseln konnte, ist der Wasserstoff selber, denn Brennbarkeit, Geruch- und Geschmacklosigkeit , sowie Unfahigkeit zu bleichen und die Verbrennung zu unterhalten sind Charaktere, welche beide Gase miteinander theilen. Die Verschiedenheit beider erhellt aber alsbald, wenn man sie nebeneinander verbrennt; die lichtlose, kaum sichtbare Flamme des Wasserstoffs kann mit der, obwohl schwach, doch unverkennbar leuchtenden Flamme des Kohlenwasserstoffs nicht verwechselt werden. Die chernische Verschiedenheit der beiden Gase lasst sich aber auch noch durch einen auderen, ebenso einfachen wie schlagenden Versuch nachweisen. Wir erinnern uns, dass Einwirkung des Chlors auf das Grubengas. 139 eine Mischung von .Wasserstoff und Chlor bei der Verbren- nung Chlorwasserstoff liefert. Verbrennt man in ahnlicher Weise eine Mischung von Grubengas mit Chlor, so ist die Chlorwasserstoffbildung von einer bemerkenswerthen Erschei- nung begleitet. Zur Anstellung des Versuchs fiillen wir einen hohen Glascylinder mit warmem Wasser, sturzen ihn in geraumi- ger Wasserwanne um und lassen Grubengas in denselben aufsteigen, bis etwas mehr als ein Drittel des Wassers ver- drangt ist ; die beiden anderen Drittel werden moglichst rasch durch Chlorgas verdrangt, indem man Sorge tragt, das Gefass wahrend des Fiillens gegen die Einwirkung des Sonnenlichtes, welch e eine Explosion verursachen konnte, zu schiitzen. Der gefiillte Cylinder wird durch Unterschieben einer Glasplatte geschlossen, aus der Wanne gehoben und zur geeigneten Mi- Fig. 71. schung der Gase auf- und abgeschwenkt. Das Gasge- menge braucht jetzt nur noch entziindet zu wer- den, und alsbald entsteht durch die Vereinigung des Wasserstoffs mit dem Chlor Chlorwasserstoff, ge- rade wie in dem friiheren Versuche mit Wasserstoff und Chlor. Allein beim Grubengas zeigt sich die Gegenwart eines zweiten Bestandtheiles in der reich- lichen Ausscheidung von Kohle, welche, wahrend die Flamme in den Cylinder hinabsteigt, als dicker, schwarzer Niederschlag auf der Wandung desselben zuriickbleibt (Fig. 71). Je mehr man Sorge getragen hat, die beiden Gase genau in den oben an- 1 40 Einwirkung des Chlors auf das Grubengas. gegebenen Volumverhaltnissen zu mischen, um so besser ge- lingt der Versuch. Die Deutung dieser Erscheinung bietet keine Schwie- rigkeit. Das Chi or wirkt auf das Grubengas, wie wir es, unter geeigneten Umstanden , auf das Wasser und auf das Ammoniak haben wirken sehen. Das Wassergas lieferte uns unter der Einwirkung des Chlors seinen Sauerstoff, das Ammo- niak seinen Stickstoff; unter denselben Bedingungen wird aus dem Grubengas der Kohlenstoff ausgeschieden ; in jedem der drei Falle vereinigt sich der Wasserstoff mit dem Chlor zu Chlorwasserstoff. Die Einwirkung des Chlors auf das Grubengas lehrt uns den Wasserstoff und den Kohlenstoff als unzweifelhafte Ele- mentarbestandtheile dieser Verbindung kennen; und es be- darf nunmehr nur noch des Nachweises, dass Wasserstoff und Kohlenstoff die einzigen Bestandtheile sind. Allein hier stossen wir auf dieselbe Schwierigkeit, welche uns nothigte von der Synthese des Ammoniaks abzustehen. Man hat bis jetzt keinen Weg gefunden, auf dem sich Wasserstoff und Kohlenstoff direct zu Grubengas vereinigen lassen. Doch auch hier, gerade wie beim Ammoniak, hilft uns die Wage aus der Verlegenheit, insofern zie zeigt , dass die Summe der Gewichte beider Bestandtheile, welche sich aus einer gegebenen Menge Grubengas abscheiden lassen, genau gleich ist dem Gewichte des Grubengases, welches dem Versuche un- terworfen wurde. Unsere nachste Aufgabe ist, die Zusaminensetzung unse- rer neuen typischen Wasserstoffverbindung, des Grubengases, durch eine Formel auszudriicken , welche mit den Formeln der uns bereits bekannten Wasserstoffverbindungen vergleich- bar ist. Wir erinnern uns zu dem Ende, dass die diesen Formeln entsprechenden Zahlenwerthe in Krithen die Gewichte darstellen von je 2 Litern der betreffenden Verbindungen, dass also z. B. die Formeln: HC1, H 2 und E^N die Gewichte von 2 Lit. Chlorwasserstoff, Wassergas und Volumgewicht des Grubengases. 141 Ammoniak ausdriicken. Wir haben also vor Allem das Ge- wicht von 2 Lit. Grubengas zu ermitteln und miissen uns zu deni Ende mit dem Volumgewicht dieses Gases bekannt machen. Dass dieses Gas weit leichter als Luft ist, zeigt sich alsbald, wenn man einen mit Grubengas gefullten Cylinder einige Augenblicke unbedeckt stehen lasst (Fig. 72) und als- dann der aufwarts gekehrten Miindung eine brennende Kerze nahert. Das Gas hat aufgehort entziindlich zu sein, und der Fig. 73. Fig. 72. Cylinder enthalt an der Stelle des Grubengases nur noch Luft, welche das leichtere Gas verdrangt hat. Hat man andererseits den grubengasgefiillten Cylinder mit der Miindung nach unten aufgehangt (Fig. 70), so kann geraume Zeit ver- streichen, ohne dass die Entziindlichkeit des Gases verloren ginge. Sorgfaltig ausgefiihrte Versuche haben nun gelehrt, dass das Grubengas genau achtmal so schwer als der Wasser- stoff ist. Ein normalgemessenes Liter Grubengas wiegt also 8 Kth, und das Gewicht von 2 Litern, d. i. des Yolums, wel- ches durch eine Formel darzustellen ist, betragt 16 Kth. Wie viel Wasserstoff und wie viel Kohlenstoff sind in diesen 2 Litern enthalten? Was zunachst den Wasserstoff an- 142 Analyse des Grubengases. langt, so lasst sich die Frage sowohl auf dem Wege der Volum- als auch der Gewichtsanalyse beantworten. Wir wah- len fur unsere Zwecke den volumetrischen Weg und be- dienen uns zu dem Ende des bei der Untersuchung des Ammoniaks mit Vortheil eigeschlagenen Verfahrens. Das Grubengas lasst sich. in der That gerade so wie das Ammo- niak durch die Einwirkung der Warme in seine Bestandtheile Fig. 74. spalten. Den Versuch stellen wir wieder in der init Funken- drahten versehenen U-Rohre an (Fig. 74), und als Warme- quelle dient uns auch jetzt wieder der Funkenstrom der Inductionsmaschine. Kaum hat das Ueberspringen der Fun- ken begonnen, so beobachtet man schon eine entschiedene Volumvergrosserung, und nach Verlauf einiger jMinuten zeigt sich ein leichter Kohlenanflug in der Nahe der Platinspitzen. Die zu Anfang des Versuches energische Zersetzung verlang- samt sich aber mit der Ausdehnung des Gases, so dass ziem- lich yiel Zeit erforderlich ist, die Operation zu Ende zu fuh- ren. Lasst man, nachdem dieser Zeitpunkt eingetreten ist, das Quecksilber aus dem Quetschhahn ausstromen, bis es in beiden Schenkeln desApparates ins Niveau getreten ist, so beobach- tet man, dass sich das urspriingliche Gasvolum nahezu ver- doppelt hat. Weiteres Durchschlagen des Funkenstroms be- wirkt alsdann keine fernere Ausdehnung des Gases, welches nunmehr alle Charaktere des Grubengases verloren hat, und sich als reines Wasserstoffgas erweist. Dieser Versuch bietet grossere Schwierigkeit als die zur Ermittelung der Zusammensetzung des Chlorwasserstoffs, Zusammensetzung des Grubengases. 143 des Wassers und des Ammoniaks angestellten. Der durch das Grubengas schlagende Funkenstrom wird nicht selten Fig. 74. durch die Bil dung einer lei- tenden Kohlenbriicke zwi- sclien den Platinspitzen unterbrochen. Diese Lei- tung muss natiirlich ent- fernt werden, damit die Elektricitat wieder in Fun- ken iiberspringe. Durch Auf- und Niederschwenken des Quecksilbers in der Rohre, bis es die Platin- spitzen erreicht, lasst sich diese Leitungsbriicke leicht zerstoren; es ist jedoch noch rathsamer, ihre Bildung ganz zu verhindern, indem man von Zeit zu Zeit die mit den Platinspitzen in Verbindung ste- henden Poldrahte wechselt, wodurch die Richtung des Stromes jimgekehrt und die Kohlenstoffausscheidung durch den veran- derten Sprung des Funkens wieder abgestossen wird. Mit Beriicksichtigung dieser Vorsichtsmaassregeln liefert der Versuch nahezu, aber doch nicht ganz genaue Resultajg. Ein kleiner Antheil Grubengas wird anderweitig verandert, und das erhaltene Volum Wasserstoff ist daher niemals ganz genau doppelt so gross als das angewendete Grubengasvolum. Allein selbst in dieser unvollendeten Form weist der Versuch unzweideutig auf die Thatsache hin, dass das Grubengas sein doppeltes Volum Wasserstoffgas enthalt. 2 Lit. Grubengas, deren Gewicht wir zu 16 Kth gefun- den haben, enthalten also 4 Lit. oder 4 Kth Wasserstoff. Wenn die volumetrische Methode in dieser Beziehung irgend einen Zweifel hatte lassen konnen, so ware derselbe durch die Gewichtsanalyse entfernt worden, welche in der That fest- gestellt hat, dass 16 Kth Grubengas (das Gewicht von 2 Li- tern) 4 Kth Wasserstoff enthalten. Es ware also jetzt noch 144 Symbol des Kohlenstoffs. die in 2 Lit. Grubengas enthaltene Menge Kohlenstoff zu er- mitteln. Da der Kohlenstoff im gasformigen Zustande nicht bekannt ist, so sind wir lediglich auf die Gewichtsanalyse beschrankt. Das Grubengas enthalt indessen ausser Wasser- stoff und Kohlenstoff kein anderes Element und es ergiebt sich daher der Kohlenstoffgehalt in 2 Litern schon in der Differenz 16 4 = 12 Kth, d. h. 2 Liter = 16 Kth Gru- bengas bestehen aus 4 Kth Wasserstoff verbunden mit 12 Kth Kohlenstoff, welche Gewichtsmenge iiberdiess durch directe Wagung bestatigt worden ist. Bezeichnen wir nun die in 2 Lit. Grubengas enthaltene Gewichtsmenge Kohlenstoff mit dem Anfangsbuchstaben des lateinischen Namens (Carbo) desselben, also 12 = C, gerade so wie wir die in 2 Lit. Chlorwasserstoff enthaltene Gewichts- menge Chlor 35,5 = Cl, die in 2 Lit. Wassergas enthaltene Gewichtsmenge Sauerstoff 16 == O, endlich die in 2 Liter Ammoniak enthaltene Gewichtsmenge Stickstoff 14 =r IT ge- nannt haben, so erhalten wir fur die Zusammensetzung des Grubengases die Formel H 4 C, welche sich den fur den Chlorwasserstoff, das Wasser und das Ammoniak aufgestellten Ausdriicken insofern anschliesst, als sie, wie letztere, das Gewicht von 2 Litern darstellt. Allein die Formel des Grubengases unterscheidet sich gleichwohl wesentlich von sammtlichen Formeln, die bisher an uns vor- iibergegangen sind. Das in dieser Formel figurirende Sym- bol des Kohlenstoffs stellt nicht mehr, wie die bisher an- gewendeten Symbole, gleichzeitig Volum und Gewicht dar, sondern driickt ausschliesslich eine Gewichtsmenge aus. Wir haben, um diesen Unterschied in hinreichender Scharfe hervor- treten zu lassen, fiir das Symbol des Kohlenstoffs gewohn- liche Schrift gewahlt und erfahren jetzt, weshalb wir frii- her die Symbole, welche die Volumgewichte der Elemente ausdriicken, in Umrissbuchstaben verzeichneten. Wollten wir die Bildung des Grnbongases aiich graphisch darstellen. Formel des Grubengases. 145 so hatten wir ein Diagramm zu bilden, in welchem der freie Kohlenstoff ohne Umrahmung erschiene 4- c da, wie bereits im Anfange des Abschnitts bemerkt wurde, alle Versuche , dieses Element zu vergasen , fehlgeschlagen sind. Mit dem Studium des Grubengases ist unserer Zeichen- sprache eine wesentliche Bereicherung zu Theil geworden. Die ersten Elemente , welche wir in derselben auszudriicken hatten, waren Gase oder leicbt vergasbare Korper, deren Sym- bole uns die Volumgewichte derselben, auf Wasserstoff als Ein- heit bezogen, oder, in Krithen gelesen, die Gewichte eines Xormalliters derselben darstellten. Allein diese Symbole be- zeichneten uns gleichzeitig die Gewicbtsmengen dieser Ele- mente, welche in 2 Normallitern ihrer Wasserstoffverbindungen enthalten sind, und als wir daher in dem Kohlenstoff auf ein Element stiessen, dessen Feuerbestandigkeit die Gasvolum- gewichtsbestimmung ausschloss, konnten wir wenigstens die in 2 Lit. Grubengas enthaltene Anzahl Krithe Kohlenstoff be- stimmen, um fur dieses Element einen Ausdruck zu gewinnen, welcher mit den friiher symbolisirten Quantitaten der Ele- mente immer noch vergleichbar ist. Die Methode, welche uns das Symbol des Kohlenstoffs lieferte , ist offenbar einer allgemeineren Anwendung fahig. Ein Element braucht nicht mehr fliichtig zu sein, so dass wir sein Gasvolumgewicht bestimmen konnen; wir bediirfen nur einer Wasserstoffverbindung desselben, welche der Analyse Einleitung in die moderae Chemie. 10 146 Silicium unterworfen werden kann. Die in 2 Normallitern derWasser- stoffverbindung aufgefundene Menge des nicht fliichtigen Ele- mentes, in Krithen gelesen, lassen wir als das Gewicht gelten, welches zu symbolisiren ist. Wenn wir uns spater dem Studium der einzelnen Ele- mente zuwenden, werden wir in dem Silicium einen star- ren Korper kennen lernen, welcher in seinem Verhalten und zumal in seiner Feuerbestandigkeit eine grosse Aehnlichkeit mit dem Kohlenstoff zeigt. Das Silicium ist eines der in der Natur am weitesten verbreiteten Elemente. Wir kennen es fast ausschliesslich in seiner Sauerstoffverbindung , welche als Quarz, Kiesel und Sand einen grossen Theil der festen Erd- rinde, soweit dieselbe erforscbt ist, ausmacht. Allein es ist nicht die Sauerstoff-, sondern die Wasserstoffverbindung des Siliciums, welche uns an dieser Stelle inter essirt. Der Sili- ciumwasserstoff ist erst in jiingster Zeit entdeckt worden; er stellt ein farblos durchsichtiges , geruchloses Gas dar, wel- ches die merkwiirdige Eigenschaft besitzt, sich wie der Phos- phorwasserstoff an der Luft zu entziinden und unter Bildung weisser Flocken mit intensivem Lichte zu verbrennen. Es handelt sich nun darum, die Zusammensetzung dieses Gases durch eine Formel auszudriicken , und wir tragen kein Bedenken, die bei dem Grubengas erprobte Methode auch in diesem Falle zur Anwendung zu bringen. Wir wiirden also zunachst das Gasvolumgewicht des Siliciumwasserstoffs zu bestimmen haben. Auf diese Weise erhielten wir das Gewicht von 2 Litern, in welchen dann noch der Gehalt an Wasserstoff und an Silicium zu ermitteln ware. Man hat sich in der That bemiiht, diese Versuche auszufiihren, und wenn dieselben bis jetzt nicht vollstandig gelungen sind, so darf man doch mit ziernlicher Sicherheit annehmen , dass das Siliciumwasser- stoffgas 16,25mal schwerer als das WasserstofFgas ist, dass mithin 2 Liter des Gases 32,5 Kth wiegen, dass in 2 Lit. Siliciumwasserstoffgas, gerade wie in 2 Lit. Grubengas, 4 Lit. Wasserstoff zusammengepresst sind, mithin die an die 4 Lit. Wasserstoff gebundene Gewichtsmenge Silicium 32,5 4 und Siliciumwasserstoffgas. 147 = 28,5 Kth betragt. Driicken wir diese Gewichtsmenge durch die Anfangsbuchstaben des Wortes Silieium aus, setzen wir also 28,5 = Si (indem wir natiirlich auch hier wieder die gewohnliche Schrift wahlen), so ist die Zusammen- setzung des Siliciumwasserstoffs durch die Formel ausgedriickt. Die Siliciumverbindung stellt sich also neben die Koh- lenstoffverbindung; wir sagen, das Siliciumwasserstoffgas ist nach dem Typus des Grubengases zusammengesetzt , und wir vergessen nicht, dass, wenn wir das neue Gas unserer Gewohn- heit gemass graphisch darstellen, das Symbol des Siliciums wie das des Kohlenstoffs der Literumrahmung entbehren muss. Auch ist es zweckmassig, die Zweifel, welche hinsichtlich sei- nes Volumgewichtes noch obwalten, in dem durchbrochenen Rahmen des Zweilitervolums durchblicken zu lassen. Der Si- licium wasserstoff erhalt somit folgenden graphischen Ausdruck: H + Si == nisi L A. J Ausser dem Siliciumwasserstoff ist keine andere Wasser- stoffverbindung bekannt, welche dem Grubengas direct zur Seite gestellt werden konnte. Es giebt allerdings einige Ele- mente, welche wahrscheinlich ahnliche Wasserstoffverbindungen zu bilden im Stande sind. In dem Titan wird ein in der Natur ziemlich sparsam verbreitetes , starres und nicht niich- tiges Element an uns herantreten , dessen Eigenschaften in so vieler Beziehung mit den en des Siliciums ubereinstimmen, dass die Entdeckung eines dem Grubengas und dem Siliciumwasser- 10* 148 Grubengas als typische Wasserstoffverbindung. stoff analog zusammengesetzten Titanwasserstoffs von Tag zu Tag erwartet werden darf. Endlich steht dieser Gruppe von Elementen auch noch ein metallisches Element, das aus dem Alltagsleben uns genugsam bekannte Zinn, in sei- nera chemischen Verhalten so nahe, dass die Chemiker der Entdeckung auch eines Zinn wassers toffs entgegensehen. Allein wenn auch der Titan- und Zinnwasserstoff unentdeckt blieben, so wiirde doch das Grubengas die Wiirde einer typi- schen Wasserstoffverbindung nicht weniger beanspruchen dur- fen. Die folgenden Abschnitte werden uns lehren, dass sich Gruppen von Verbindungen einem Typus auch noch in ganz anderer Weise unterordnen konnen, als wir dies bisher beob- achtet haben, und es wird sich alsdann zeigen, dass das Gruben- gas an der Spitze einer grosseren Reihe von Abkommlingen steht als irgend eine andere typische Wasserstoffverbindung. In dem Grubengase hat sich der Reihe von Wasserstoff- verbindungen, welche unser Interesse bereits so vielfach in An- spruch genommen, ein neues Glied zugesellt. Es ist bis jetzt keine Verbindung bekannt geworden, in deren normalem Zwei- litervolum mehr als 4 Liter Wasserstoff dem Symbole eines anderen Elementes gegeniiberstanden. Das Grubengas muss somit als die wasserstoffreichste typische Verbindung angesehen werden, ebenso wie wir den Chlorwasserstoff als die wasser- stoffarmste betrachten, wahrend Wasser und Ammoniak sich als Uebergangsglieder zwischen die beiden Extreme einschie- ben. Diese Beziehungen erhellen aus folgender Formelreihe: Chlorwasserstoff Wasser .... Ammoniak . . . Grubengas . . . Uebergang v. d. Volumgew. z. d. Verbindimgsgew. 149 Die ausfiihrlichen Erorterungen , welche wir der Sym- bolisirung der Elemente Kohlenstoff und Silicium gewidmet haben, diirften iiber die Bedeutung der sie darstellenden Symbole und ihre Verschiedenheit von den fur die friiher be- trachteten Elemente gewahlten Zeichen keinen Zweifel lassen. Wahrend uns die in Umrisslettern geschriebenen Sym- bole die Gas Volumgewichte der Elemente auf Wasserstoff als Einheit bezogen, oder, in Krithen gelesen, die Gewichte des Normalliters derselben darstellen, driicken die in gewohnli- cher Schrift verzeichneten Symbole in Krithen die in 2 Litern ihrer Wasserstoffverbindungen vorhan- denen Gewichte der Elemente aus. Wir wollen diese Gewichte, um sie von den Volumgewiohten zu unterschei- den , mit dem Namen Verbindungsgewichte belegen. Wahrend also H, Cl, Br, I, O, S, Se, W, P und As die Volumgewichte der betreffenden Elemente ausdriicken, be- zeichnen C und Si die Verbindungsgewichte beziehungs- weise des Kohlenstoffs und Siliciums. Wenn wir uns erinnern, wie gering die Anzahl der gas- formigen oder vergasbaren Elemente ist, so konnen wir die Wichtigkeit der Yerbindungsgewichte fiir die weitere Ent- wicklung unserer Zeichensprache nicht hoch genug anschla- gen. Erwagen wir in der That, dass man bis jetzt die Gas- volumgewichte von nur 13 Elementen mit Sicherheit hat ermitteln konnen, und dass nur die allerschwachste Aussicht vorhanden ist, dass sich die iibrigen 50 Elemente im gasfor- migen Zustaude werden untersuchen lassen, so wirft sich die natiirliche Frage auf, ob es nicht zweckmassig ware, unsere symbolische Sprache ausschliesslich mit Hulfe des Verbin- dungsgewichts aufzubaueu. Die Frage ist um so berech- tigter, als mit ganz wenigen Ausnahmen die ermittelten Gas- volumgewichte der Elemente mit deren Verbindungsgewichten zusainnienfallen. Wir sind in der That bis jetzt nur mit zwei gasformig erforschten Elementen bekannt geworden, von denen wir be- stimmt wissen, dass die Volumgewichte nicht auch die Ver- 150 Volumgew. u. Verbindungsgew. d. Phosphors, bindungsgewichte darstellen. Es sind dies der Phosphor und das Arsen. Die Schwierigkeiten, auf die wir bei der Formulirung des Phosphor- und Arsenwasserstoffs stiessen, sind noch frisch in unserer Erinnerung. Fiir den Phosphor und das Arsen hat der Versuch beziehungsweise die Gasvolumgewichte zu 62 und zu 150 ergeben, d. h. 1 Korrnalliter Phosphorgas wiegt 62 Kth, 1 Normalliter Arsengas 150 Kth, wahrend wir doch in 2 Lit. 62 Phosphorwasserstoff nur 31 = - Kth Phosphor, in 2 Lit. 150 Arsen wasserstoff nur 75 = Kth Arsen auffanden. Wir haben hier also keine Uebereinstimmung der Volumgewichte und der Verbindungsgewichte. Es findet aber zwischen bei- den ein sehr einfaches Verhaltniss statt. Die Verbindungs- gewichte sind halb so gross wie die Gasvolumgewichte. Schrei- ben wir die Verbindungsgewichte des Phosphors und Arsens in gewohnlicher Schrift, so hat man P = und As=-^> Die Volumgewichte des Chlors, des Broms und des Jods, des Sauerstoffs, des Schwefels und des Selens und endlich des Stickstoffs driicken in Krithen die Gewichtsmengen dieser Ele- mente aus, welche in 2 Litern ihrer Wasserstoffverbindungen enthalten sind. Hier findet also Uebereinstimmung der Volum- gewichte und Verbindungsgewichte statt, und wir haben GI Cl Br = Br 1 = 1 O = ^ = S Ce Se und endlich Schliesslich bleibt nur noch die Frage zu beantworten, was das Verbindungsgewicht des Wasserstoffs ist, dessen Volum- gewicht uns als Einheit fur die Gasvolumgewichte der Ele- mente gedient hat. Wenn wir das Verbindungsgewicht eines Elementes als die Gewichtsmenge definirt haben, wel- Arsens und Wasserstofi's. 151 che in dem Zweilitervolum seiner Wasserstoffverbindung auf- tritt, so ist natiirlich das Verbindungsgewicht des Wasser- stoffs selbst in dieser Definition nicht mit eingeschlossen , und es tritt alsbald die Aufgabe an uns heran, den Begriff des Yerbindungsgewichtes in der Weise zu erweitern, dass er auch das des Wasserstoffs umfasse. Diese Erweiterung bietet sich ungezwungen, sobald wir eine Reihe neuer Verbindungen. die uns noch nicht bekannt geworden sind, in den Kreis unserer Betrachtung gozogen haben werden. Allein wir wollen schon jetzt darauf hindeuten, dass diese erweiterte Auffassung, deren Entwicklung in kiirzester Frist unsere ganze Aufmerksamkeit beanspruchen wird, zu dem unabweisbaren Schlusse fiihrt, das Verbindungsgewicht des Wasserstoffs = 1 Kth zu setzen, dass wir also auch bei dem Wasserstoff, wie bei dem Chlor, Brom, Jod, Sauerstoff, Schwefel, Selen und Stickstoff, Volum- und Verbindungsgewicht zusammenfallen sehen werden, dass wir EC = H setzen diirfen, und dass der Wasserstoff, der uns bereits Ausgangspunkt fur die Vergleichung der Gasvolum- gewichte gewesen ist, auch als Einheit fur die Verbin- dungsgewichte der Elemente dienen wird. Indem wir die Verbindungsgewichte an die Stelle der Volumgewichte setzen, hat sich in unseren Anschauungen ein Umschwung vollendet, welcher, ohne grosse Veranderungen in die uns bereits gelaufigen Ausdriicke einzufiihren, auf die weitere Entwicklung unserer Zeichensprache einen wesentli- chen Einfluss ausubt. Mit der Symbolisirung der Verbindungsgewichte gewinnt diese Sprache eine gleichartigere Ausbildung, wahrend sie den darzustellenden Erscheinungen sich mit grosserer Sicherheit und Biegsamkeit anschmiegt. In der folgenden Tabelle sind der besseren Uebersicht halber die uns bekannt gewordenen Elemente und Verbin- dungen einerseits in Volumgewichtssymbolen, andererseits in Verbindungsgewichtssymbolen dargestellt. 152 Volumgewichts- und Verbmdungsgewichtssymbole. Element e. Volumge wichte. Verbi ndungsge wichte. Symbole. Krithe. Symbole. Krithe. Wasserstoff. H = 1 . . .-4 H = 1 Chlor . . . Cl = 35,5 .... Cl = 35,5 Brom . .. . Br= 80 .... Br = 80 Jod ... I = 127 .... I = 127 Sauerstoff . O = 16 .... = 16 Schwefel. . S = 32 ._. . V S = 32 Selen . . . Se = 79 .*: f . . -', Se = 79 Stickstoff . H = 14 . .'*,,. N = 14 Phosphor . P = 62 P = 31 Arsen ... As = 150 .... As= 75 Kohlenstoff. ? .... C = 12 Silicium . . ? .... . Si = 28,5 Verbindungen. Volum- Verbindungs- gewichtssymbole. gewichtssymbole. Formeln. Krithe. Formeln. Krithe. Chlorwasserstoff. . HC1 = 36,5 .. c . . HC1 = 36,5 Brom wasserstoff. . HBr = 81 . . . . HBr = 81 Jodwasserstoff . . HI =128 ... . HI = 128 Wassergas . . . . H 2 O = 18 ... . H 2 = 18 Schwefelwasserstoff H 2 S = 34 ... . H 2 S = 34 Selen wasserstoff . . H 2 Se = 81 ... . H 2 Se = 81 Ammoniak . . . . H 3 H = 1 7 .H 3 N = 17 p> Phosphor wasserstoff H 3 = 34 ... 2 . H 3 P = 34 Arsenwasserstoff . H 3 : =78 ... .H 3 As= 78 Grubengas .... . . . H 4 C 16 Silicium wasserstoff . . HxSi = 82.5 Gleichartigkeit der Yerbindungsgewichtsformeln. 153 Die einzige Abweichung zwischen beiden Reihen gewah- ren wir bei den Symbolen des Phosphors und Arsens. Die Verbindungsgewiehte dieser Elemente sind, wie bereits her- vorgehoben wurde, nur halb so gross als die Volumgewichte. Wir beobachten aber mit Genugthuung , dass die in Ver- bindungsgewichtssymbolen geschriebenen Formeln des Am- moniaks, des Phosphorwasserstoffs und des Arsenwasserstoffs eine vollstandige Uebereinstimmung zeigen. Grubengas und Siliciumwasserstoffgas lassen sich begreiflich gar nicht anders als in Verbindungsgewichtssymbolen ausdriicken. Es verdient daher die weitere Eutwicklung dieser neuen Form der chemi- schen Zeichensprache ohne Aufschub unsere vollste Beachtung. 154 vn. Weitere Entwicklung der chemischen Zeichensprache. Bestimmung der Verbindungsgewichte der Elemente durch Untersuchung ihrer Chlo- ride. Sauerstoffchlorid , seine Analogic mit dem Wasser. Phosphorchlorid und Arseuchlorid, ihre Analogic mit dem Phos- phor- und Arsenwasserstoff. Kohlenstoffchlorid und Siliciumchlo- rid, ihre Analogic mit dem Grubengas und Siliciumwasserstoff. Bestimmung der Verbindungsgewichte des Quecksilbers, des Wismuths, des Zinns durch Erforschung ihrer Chloride. Verbindungsgewicht des Wasserstoffs. Betheiligung des Wasserstoffs und des Chlors bei der Bildung des Zweilitervolums ihrer Verbindungen in Multiplen der Verbindungsgewichte. Bromide und Jodide; Zusammenstellung derselben mit den entsprechenden Chloriden. Viele Brom- und Jodverbindungen nicht mehr im gasformigen Zustande erforschbar. Anwendung der aus dem Studium gasformiger oder vergasbarer Kb'r- per abgeleiteten Gesetze auf die Untersuchung der feuerbestandigen Materie. Oxide und Sulfide, der Mehrzahl nach nicht mehr gas- formig erforschbar, gleichwohl nach Verbindungsgewichten oder Mul- tiplen derselben gebildet. Uebergang von der volumetrischen zur ponderalen Forschung. Wir kormten bisher von der Sprache, deren Anfangsgriinde wir in dem vorstehenden Abschnitte uns zu eigen gemacht haben und deren Wichtigkeit wir nicht langer bezweifeln, nur sehr beschrankten Gebrauch machen. Die wenigen Ver- bindungen, mit denen wir nacheinander zusammentrafen, haben allerdings in derselben befriedigenden Ausdruck gefunden, und fur einige der Erscheinungen , welche sich vor unseren Augen vollendeten, ist uns in der That das wahre Verstand- niss erst erwachsen, als wir sie in der neugewonnenen Sprache darzustellen vermochten. Allein diese Vortheile, so hoch wir sie immer anschlagen, stehen doch ganz und gar gegen den Nutzen zuriick, den uns die Kenntniss dieser Sprache gewahren wird, wenn wir aus dem beschrankten Kreise unserer bisheri- gen Erfahrung heraustreten, um die Erforschung des Gesammt- gebiets der chemischen Erscheinungen in Angriff zu nehmen. Bestimmung d. Verbindungsgewichte d. Elemente. 155 Es konnte scheinen, als ob der Zeitpunkt fiir diesen Uebergang gekommen sei, als ob wir, der bereits erworbenen Sprachkenntniss vertrauend, nunmehr die enggezogene Grenze hinter uns lassen diirften. Wenn wir gleichwohl zogern , so ist es, weil das bisher bebaute Feld immer noch eine reiche Ernte von Erfahrungen bietet, aus denen wir weitere hochst willkommene Andeutungen iiber den Ban unserer chemischen Sprache herauslesen. Was uns zunachst fiir die freiere Handhabung dieser Sprache noththut, sind weitere Aufschliisse iiber die Wortbildung der- selben. Die Kenntnisse, welche wir in dieser Beziehung bisher erworben haben, sind fragmentarisch geblieben. Unser ganzer Wortreichthum ist in der That in der am Schlusse der letzten Vorlesung gegebenen Tabelle niedergelegt, in welcher die Ver- bindungsgewichtssymbole der uns bereits bekannt gewordenen Elemente und ihre Werthe zusammengestellt sind. Es handelt sich jetzt darum, auch die Verbindungs- gewichte der iibrigen Elemente zu bestimmen. Wenn wir uns des Weges erinnern, auf welchem sich der Begriff des Verbindungsgewichtes fiir uns entwickelte, so konnte es auf den ersten Blick scheinen , als ob wir fiir die Ermittelung dieser Gewichte auf die Untersuchung der Wasser- stoffverbindungen beschrankt waren, und da wir bereits wis- sen und spater noch genauer erfahren werden, dass die Zahl derselben eine sehr beschrankte ist, so wiirden sich in diesem Falle der Symbolisirung der Elemente grosse Schwierigkeiten in den Weg stellen. Gliicklicher Weise sind die Mittel, welche uns zu Gebote stehen, viel umfassender. Wenn wir uns bisher fiir den gedachten Zweck aus- schliesslich der Wasserstoffverbindungen bedient haben, so war diese Wahl in dem Plane dieser Vortrage begriindet, welcher die Betrachtung dieser merkwiirdigen Gruppe von Verbindungen in den Vordergrund stellte. Gasformig bei gewohnlicher Temperatur, mit Ausnahme des Wassers, wel- ches sich jedoch schon bei gelindem Erhitzen in Dampf ver- wandelt, erwiesen sich diese Korper ganz besonders geeignet 156 Bestimmung der Verbindungsgewiclite cler Elemente fur die Bestimmung der Volumgewichte , aus deren Studiuui unsere ersten chemischen Anschauungen hervorwuchsen. Nun haben wir aber in dem Chlor ein Element kennen gelernt, gasformig wie der Wasserstoff und fahig eine Reihe von Verbindungen zu bilden, welche, wenn auch nur in ein- zelnen Fallen Gase, in der Regel mit Leichtigkeit verfliichtigt werden konnen. Konnen wir diese Frage tritt hier unabweisbar an uns heran konnen wir uns nicht auch der Chlorverbindungen zur Ermittelung der Verbindungsgewichte bedienen? Eine Antwort auf diese Frage bietet uns das Studium der Gruppe der Chloride. Es bedarf in der That nur der fluchtigen Betrachtung einiger Glieder dieser Gruppe, um die ganze Bedeutung dieser Korperklasse fur die Verbindungsgewichtsbestimmung in ein klares Licht zu setzen. Das Chlor vereinigt sich mit dem Sauerstoff nur auf Um- wegen, von denen wir erst spater Kenntniss nehmen konnen. Die Verbindung ist ein Gas, dessen Farbe und Geruch an das Chlor erinnert. Sie tragt den Namen Unterchlorige Saure; da man nun aber die Chlorverbindungen im Allgemeinen Chloride nennt, so wollen wir den fraglichen Korper kurz als Sauerstoffchlorid bezeichnen. Die Untersuchung des Sauerstoffchlorids hat folgende Ergebnisse geliefert: Sauerstoffchlorid. Gasvolumgewicht 43,5; Gewicht des Zweilitervolums 2 X 43,5 = 87 Kth. Zusammensetzung des Zweilitervolums: 71 Kth = 2 X 35,5 Kth 2 Verb.-Gew. Chlor 16 =1 Verb.-Gew. Sauerstoff 87 Kth 2 Lit. Sauerstoffchlorid. durch Untersuchung ihrer Chloride. Hieraus folgt fur die Verbindung die Formel: 157 Es bedarf kaum eines besonderen Hinweises, dass wir in dem Sauerstoffchlorid eine Verbindung haben, welche ihrer Zusammensetzung nach dem Sauerstoffwasserstoff, dem Wassergase, in jeder Beziehung entspricht. Wir diirfen das Sauerstoffchlorid als Wassergas betrachten, in welchem der Wasserstoff durch ein gleiches Volum Chlor ersetzt ist Sauerstoffchlorid. Als Verbindungsgewicht des Sauerstoffs wurde fruher die Gewichtsmenge bezeichnet , welche in dem Zweilitervolume seiner Wasserstoffverbindung enthalten ist. Nach den Er- fahrungen, welche wir soeben iiber das Sauerstoffchlorid ge- sammelt haben, hatten wir es auch als die Gewichtsmenge defmiren diirfen, welcher wir in dem Zweilitervolum seiner Chlorverbindung begegnen. Mit dem Stickstoff vereinigt sich das Chlor auf Umwegen zu einer durch ihre furchtbar explosiven Eigenschaften aus- gezeichneten, unter dem Namen Stickstoffchlorid bekann- ten Fliissigkeit. Bis jetzt hat man, eben dieser gewaltigen Explodirbarkeit halber, das Gasvolumgewicht dieses Korpers nicht ermitteln konnen, und es bietet derselbe daher fiir die Zwecke unserer gegenwartigen Betrachtung ein nur unter- geordnetes Interesse. Wir wollen deshalb die Chlorverbin- dungen des Phosphors und des Arsens, zweier, wie wir bereits wissen, dem Stickstoff sehr nahe stehender Elemente, ins Auge fassen. Der Phosphor und das Arsen verbinden sich 158 Analogie des Phosphor- und Arsenchlorids mit Leichtigkeit schon bei gewohnlicher Temperatur mit dem Chlor; es entstehen wasserhelle, stark riechende, an feuchter Luft heftig rauchende Fliissigkeiten, von denen die Phosphor- verhindung das Phosphorchlorid bei 78, die Arsenverbin- dung, das Arsenchlorid bei 132 siedet. Die Untersuchung dieser beiden Fliissigkeiten hat zu folgenden Ergebnissen gefuhrt: Phosphorchlorid. Gasvolumgewicht 68,75. Gewicht des Zweilitervolums 2 X 68,75 = 137,5 Kth. Zusammensetzung des Zweilitervolums: 106,5 Kth = 3 X 35,5 = 3 Verb.-Gew. Chlor 31 =1 Verb.-Gew. Phosphor 137,5 Kth = 2 Lit. Phosphorchlorid. Mithin ist die Form el der Verbindung: Arsenchlorid. Gasvolumgewicht 90,75. Gewicht des Zweilitervolums 2 X 90,75 = 181,5 Kth. Zusammensetzung des Zweilitervolums: 106,5 Kth = 3 X 35,5 = 3 Verb.-Gew. Chlor 75 =1 Verb.-Gew. Arsen 181,5 Kth 2 Lit. Arsenchlorid, daher die Formel: Ein Blick auf die folgenden Diagramme lasst uns das Phosphor- und Arsenchlorid als getreue Nachbildungen des Phosphor- und Arsen wasserstoffs erkennen. mit dem Phosphor- und Arsenwasserstoff. 159 Phosphorwasserstoff. Phosphor chlorid. Arsenwasserstoff. Arsenchlorid. Wenn wir bisher gewohnt gewesen sind, als Verbindungs- gewichte des Phosphors undArsens diejenigen Gewichte dieser Elemente zu betrachten, welche wir in den Zweilitervolumen des Phosphor- und Arsenwasserstoffs auffanden, so zeigt es sich jetzt, dass dieselben Gewichte auch in den Zweilitervo- lumen der entsprechenden Chlorverbindungen auftreten, dass wir also die Verbindungsgewichte auch des Phosphors und Arsens mit demselben Erfolge aus der Untersuchung der Chlor- wie der Wasserstoffverbindungen hatten ableiten konnen. Auch der letzten unserer typischen Wasserstoffverbin- dungen, dem Grubengas, entspricht eine analog zusammen- gesetzte Chlorverbindung, das Kohlenstoffchlorid, welches man allerdings nicht durch directe Vereinigung der beiden Elemente, wohl aber auf spater zu betrachtendem Wege durch die Einwirkung des Chlors auf das Grubengas darstellen kann. Das Kohlenstoffchlorid ist eine farblose, durchsichtige Fliissig- keit von aromatischem Geruch, welche bei 77 siedet. Ihre Untersuchung hat folgende Ergebnisse geliefert: 160 Analogic des Kohlenstoffchlorids. Kohlenstoffchlorid. Gasvolumgewicht 77. Gewicht des Zweilitervolums 2 X 77 = 154 Kth. Zusammensetzung des Zweilitervolums: 142 Kth = 4 X 35,5 Kth = 4 Verb.-Gew. Chlor, 12 = 1 Kohlenstoff, 154 Kth Hieraus ergiebt sich 2 Lit. Kohlenstoffchlorid. als Formel des Kohlenstoffchlorids , und die Analogic dieser Yerbindung mit dem Grubengase spiegelt sich in den folgen- den Diagrammen: Grubengas, Kohlenstoffchlorid. II II II H Cl Cl H 4 C Cl Cl Es ist mithin klar, dass uns die Betrachtung des Koh- lenstoffchlorids zu derselben Zahl fiir das Verbindungsgewicht des Kohlenstoffs gefiihrt haben wiirde , welche wir durch die Untersuchung des Grubengases ermittelt haben. Dem Grubengase, der Verbindung des Wasserstoffs mit dem Kohlenstoff, haben wir eine andere Wasserstoffverbindung, den Siliciumwasserstoff, an die Seite gestellt. Es wurde aber bereits erwahnt , dass dieser Korper erst vor Kurzem entdeckt, und dass seine Erforschung noch keineswegs zu mit dem Grubengas. 161 einem vollig befriedigenden Abschluss gebracht worden 1st. Gleichwohl haben wir aus der kaum hinreichend erinittelten ZusanimensetzuDg*) desselben das Yerbindungsgewicht des Sili- ciuins abgeleitet. Allein wir wiirden Bedenken getragen haben, einer auf so unsicherer Grundlage ruhenden Zahl irgend welche Geltung beizulegen, ware dieselbe nicht durch die vollkom- men zuverlassige Gasvolumgewichtsbestimmung und Gewichts- analyse einer wohlcbarakterisirten Chlorverbindung des Sili- ciums iiber alien Zweifel erhoben worden. Wir werden spater sehen, unter welcben Bedingungen sicb Cblor und Silicium mit einander vereinigen. Hier geniigt es, zu erwahnen, dass das Siliciumchlorid eine wasserhelle, rauchende Fliissigkeit ist, welche schon bei 59 siedet. Bei ihrem Studium sind folgende Beobachtungen gemacht worden: Siliciumchlorid. Gasvolumgewicht 85,25. Gewichfc des Zweilitervolums 2 X 85,25 = 170,5. Zusamniensetzung des Zweilitervolurns : 142 Kth = 4 X 35,5 4 Yerb.-Gew. Chlor, 28,5 = 1 j, Silicium, 170,5 Kth = 2 Lit. Siliciumchlorid. Es treten also in dem Zweilitervolum Siliciumchlorid 28,5 Kth Silicium auf, d. h. genau dieselbe Gewichtsmenge, welche wir fruher in dem - Zweilitervolum des Silicium wasser- stoffs angenommen hatten. Wir driicken daher die Zusam- mensetzung des Siliciumchlorids durch die Formel aus und betrachten das aus dem Studium des Siliciumwasser- stoffs abgeleitete Yerbindungsgewicht des Siliciums durch die *) Durch neue Untersuchungen , welche dem Verfasser erst zu Ge- sichte kamen, als der Satz dieses Abschnittes bereits vollendet war, scheint die Zusammensetzung des Siliciumwasserstofis iiber alien Zweifel festgestellt. Einleitung iu die modeme Cbemie. }1 162 Siliciumchlorid analog dem Untersuchung des Chlorids bestatigt. Zwischen der Wasser- stoff- und Chlorverbindung des Siliciums wurde also dasselbe Verhaltniss obwalten, welches der Versuch zwischen der Wasserstoff- und Chlorverbindung des Kohlenstoffs festgestellt hat, und wir hatten die beiden Siliciumverbindungen durch folgende Diagramme darzustellen, indem auch hier wieder die Unsicherheit, welche hinsichtlich des Volumgewichts des Sili- ciumwasserstoffs noch obwaltet, in der durchbrochenen Zwei- literumrahmung Ausdruck findet: Siliciumwasserstoff. Siliciumchlorid. + Si = j H 4 Si ..... J Si = Den einzelnen Chlorverbindungen, welche wir in raschem Fluge an uns haben voriiberziehen sehen, werden wir in der Folge mehr Zeit und Aufmerksamkeit widmen, als wir ihnen im Augenblicke schenken konnen. Hier beansprucht diese Korper- gruppe unser Interesse, weil ihre Kenntniss den Verbindungs- gewichten, welche aus der Betrachtung der Wasserstoffver- bindungen hervorgegangen waren, eine neue und viel allge- meinere Bedeutung verleiht. Denselben Gewichten einer Reihe uns bereits gelaufiger Elemente, welche wir bisher in dem Zweilitervolum ihrer Wasserstoffverbindungen haben auftreten sehen, sind wir nunmehr in den Zweilitervolumen auch ihrer Chlorverbindungen begegnet, und wir haben die Ueberzeugung gewonnen, dass sich in jedem einzelnen der betrachteten Falle das Verbindungsgewicht des Elementes mit demselben Rechte aus der Chlorverbindung wie aus der Wasserstoffverbindung Siliciumwasserstoff. Quecksilberchlorid. 163 hatte ableiten lassen. Von welcher Wichtigkeit diese Erfah- rung fiir die Bestimmung der Yerbindungsgewichte 1st, ergiebt sich schon aus dem Umstande, dass nur wenige Elemente sich rait dem Wasserstoff verbinden, dass wir in der That in den einlei- tenden Betrachtungen die Zahl der uns zur Verfiigung stehen- den Wasserstoffverbindungen nahezu erschopft haben. Das Chlor andererseits ist durch seine umfassende Verbindungs- fahigkeit ausgezeichnet ; es vereinigt sich mit fast alien Ele- menten, und eine grosseAnzahl der sich bildenden Yerbindungen ist vergasbar, so dass ihrer Gasvolumgewichtsbestimmung kein Hinderniss im "Wege steht. Wie haufig uns die Untersuchung der Chloride fiir den Zweck der Yerbindungsgewichtsbestim- mung zu statten kommt, diirfte aus ein Paar Beispielen erhel- len, fiir welche wir allerdings einige bisher noch nicht stu- dirte Elemente in den Kreis unserer Betrachtung ziehen miis- sen. Die metallischen Elemente zeigen im Allgemeinen wenig Xeigung, sich mit dem Wasserstoff zu verbinden. So hat man sich bisher vergeblich bemiiht, das Quecksilber, das Wismuth und dasZinn mit Wasserstoff zu vereinigen; dagegen gehoren die Chloride dieser Elemente zu den bekanntesten Korpern. Das Quecksilber vereinigt sich mit dem Chlor zu einem weissen, krystallinischen Korper von furchtbar giftigen Eigen- schaften, welcher unter dem Namen w Aetzsublimat" wohl bekannt ist. Die Untersuchung dieser Yerbindung hat fol- gende Zahlen geliefert: Quecksilberchlorid. Gasvolumgewicht 135,5. Gewicht des Zweilitervolums 2 X 135,5 = 271.* Zusammensetzung des Zweilitervolums: 71 Kth Chlor, 200 Quecksilber, 271 Kth Quecksilberchlorid. Wir finden also in dem Zweilitervolum Quecksilberchlo- ridgas 71 = 2 X 35,5 Kth = 2 Verb.-Gew. Chlor vereinigt 11* 1 64 Wismuthchlorid. mit 200 Kth Quecksilber, welches Gewicht wir als das Verbin- dungsgewicht des Quecksilbers betrachten und mit zwei cha- rakteristischen Buchstaben des lateinischen Namens dieses Me- talles (Hydrargyrum) Hg = 200 bezeichnen. Das Queck- silberchlorid erhalt also die Formel Auch das Wismuth bildet mit dem Chlor eine feste krystallinische Verbindung, welche den Namen Wismuth- chlorid tragt; ihre Erforschung hat zu folgenden Ergebnissen gefiihrt: Wismuthchlorid. Gasvolumgewicht 157,25. Gewicht des Zweilitervolums 2 X 157,25 = 314,5. Zusammensetzung des Zweilitervolums: 106,5 Kth Chlor, 208,0 Wismuth, 314,5 Kth Wismuthchlorid. In dem Zweilitervolum Wismuthchloridgas sind mithin 106,5 = 3 X 35,5 Kth = 3 Verb.-Gew. Chlor vereinigt mit 208 Kth Wismuth. Diese Quantitat ist fur uns das Yerbin- dungsgewicht dieses Metalles, welches wir wieder durch die Anfangsbuchstaben des lateinischen Namens (Bismuthurn), also Bi = 208, darstellen. Es gestaltet sich auf diese Weise fur das Wismuthchlorid die Formel Das Zinn endlich wird durch die Behandlung mit einem Ueberschuss von Chlor in eine wasserhelle, rauchende Fliissig- keit verwandelt, welche bei 120 siedet. Bei der Untersuchung des Zinnchlorids sind folgende Resultate gewonnen worden: Zinnchlorid. Verbindungsgewicht des Wasserstotfs. 165 Zinnchlorid. Gasvolumgewicht 130. Gewicht des Zweilitervolums 2 X 130 = 260 Kth. Zusammensetzung des Zweilitervolums: 142 Kth Chlor, 118 Zinn, 260 Kth Zinnchlorid. Hier sind es 142 = 4 X 35,5 Kth = 4 Verb.-Gew. Chlor, welche mit 118 Kth Zinn das Zweilitergewicht des Zinnchlorids bilden. Letztere Menge gilt uns als das Verbin- dungsgewicht des Metalls; wir symbolisiren sie durch zwei charakteristische Buchstaben des lateinischen Namens des Zinns (Stannum), setzen also Sn = 118 und erhalten auf diese "Weise fur das Zinnchlorid die Formel Mit der Untersuchung der Chlorverbindungen hat sich unser Gesichtskreis nach mehr als einer Richtung hin erwei- tert. Wir finden uns zunachst im Besitz einer neuen Methode der Bestimmung der Verbindungsgewichte, welche, in dem Studium der Chloride des Wasserstoffs, des Sauerstoffs, des Phosphors und Arsens und zuletzt des Kohlenstoffs wurzelnd, uns bereits zur Feststellung des zweifelhaft gebliebenen Ver- bindungsgewichts des Siliciums gedient hat, mit deren Hulfe wir endlich die Verbindungsgewichte des Quecksilbers, des Wismuths und des Zinns haben ableiten konnen. Allein wir verdanken dieser Untersuchung noch eine andere nicht minder wichtige Errungenschaft. In der erweiterten Fassung des Begriffes Verbindungsgewicht ist nunmehr auch das des Wasserstoffs mit eingeschlossen, dessen Verbindungsgewicht uns unzuganglich bleiben musste, so lange wir fur die Verbindungsgewichtsbestiinmung auf die Erforschung der 166 Verbindungsgewicht Wasserstoffverbindungen beschrankt waren. Jetzt, da wir dieselben auch aus den Chlorverbindungen ableiten diirfen, stellt sich uns die in dem Zweilitervolume der Cblorverbin- dung, d. h. des Chlorwasserstoffs, vorhandene Wasserstoff- menge als das Yerbindungsgewicht dieses Elementes dar. Dieses Verbindungsgewicht ist also 1 Kth-und es fallt so- mit, wie dies schon in einem friiheren Abschnitte (vergl. S. 151) angedeutet wurde, bei dem Wasserstoff, wie bei der Mehrzahl der iibrigen Elemente, welch e wir bisher unter- sucht haben, Verbindungsgewicht und Volumgewicht zusammen. Werthvoll wie die Aufklarungen tiber die Verbindungs- gewichte sind, welche wir aus der Betrachtung der Chloride geschopft haben, der Gegenstand unserer Forschung ist mit dieser Betrachtung noch keineswegs zu einem befriedigenden Abschluss gelangt und wir sind nicht geneigt, auf halbera Wege stehen zu bleiben. Lasst sich dem Begriffe des Ver- bindungsgewichtes nicht noch eine allgemeinere Fassung ge- ben, die uns auch von Wasserstoff- und Chlorverbindungen unabhangig mache? Eine Antwort auf diese Frage diirfen wir hoffen, indem wir nochmals auf die bereits in grosserer Zahl uns bekannt gewordenen Verbindungen zuriickblicken. Es handele sich zunachst urn weitere Anhaltspunkte fur das Verbindungsgewicht des Wasserstoffs, welches wir bisher nur aus der Untersuchung des Chlorids, des Chlorwasserstoffs abgeleitet haben. Wir erkennen alsbald mit Befriedigung, dass wir uns fur diesen Zweck auch der Brom- und Jodver- bindung hatten bedienen konnen. Brom- und Jodwasserstoff, wir wissen es (vergl. S. 116), sind dem Chlorwasserstoff voll- kommen analog zusammengesetzt. Die Zweilitervolume des Brom- und Jodwasserstoffs, wie das des Chlorwasserstoffs?, ent- halten 1 Kth Wasserstoff und das Verbindungsgewicht dieses Elementes wird also ganz gleich gefunden, ob wir dasselbe aus seiner Chlor-, Brom- oder Jodverbindung herleiten. Es bedarf kaum einer fliichtigen Betrachtung, um einzu- sehen, dass wir zu einem ganz anderen Ergebnisse gelangen des Wasserstoffs. 167 wiirden, versuchten wir das Verbindungsgewicht des Wasser- stoffs auch aus seiner Sauerstoffverbindung, also aus dem Wasser zu erraitteln. In dem Zweilitervolum des Wasser- gases sind 2 Kth Wasserstoff enthalten (vergl. S. 118), wir finden also das Verbindungsgewicht zu 2 Kth, mithin dop- pelt so gross als aus der Chlor-, Brom- und Jodverbindung. Erforschung des mit dem Wassergase analog zusammengesetz- ten Schwefel- und Selenwasserstoffs wiirden uns zu demselben Resultate gefiihrt haben. Wir iibersehen jetzt bereits, welchen Erfolg der Versuch haben wiirde, das Verbindungsgewicht des Wasserstoffs aus der Analyse seiner Stickstoffverbindung, des Ammoniaks, oder sei- ner Kohlenstoffverbindung, des Grubengases, zu ermitteln. Das Zweilitervolum des Ammoniaks und der ihm ahnlich zusam- mengesetzten Verbindungen Phosphor- und Arsenwasserstoff enthalten 3 Kth Wasserstoff (vergl. S. 120). Aus dem Ammo- niak, dem Phosphor- und Arsenwasserstoff wiirde sich also ein Verbindungsgewicht des Wasserstoffs ergeben haben drei- mal so gross als das aus dem Chlor, Brorn und Jodwasser- abgeleitete. Wir erinnern uns endlich, dass die in dem Zweiliter- volum des Grubengases und auch des Siliciumwasserstoffs auf- gefundene Wasserstoffmenge 4 Kth betragt (vergl. S. 143). Der Verbindungsgewichtsbestimmung des Wasserstoffs zu Grunde gelegt, wiirde die Analyse des Grubengases zu dem vierfachen Werthe des aus der Untersuchung der Chlor-, Brom- und Jodverbindung ermittelten Gewichtes gefiihrt haben. Auf den ersten Blick konnte es scheinen, als ob wir mit diesen Untersuchungen dem Ziele, das wir anstreben, nicht naher geriickt seien. Allerdings sind wir dem aus der Betrachtung des Chlorids, Bromids und Jodids des Wasser- stoffs gewonnenen Verbindungsgewichte dieses Elementes, in den Zweilitervolumen seiner Verbindungen mit dem Sauer- stoff, Schwefel und Selen, mit dem Stickstoff, Phosphor und Arsen, endlich mit dem Kohlenstoff und Silicium nicht wieder 168 Die Elemente verbinden sich auch begegnet, allein die aufgefundenen Werthe stehen mit dem bereits festgestellten Verbindungsgewiclite in der einfachsten Beziehung; diese Werthe sind ganze Vielfache, sind Multipla des Verbindungsgewichtes. Das Verbindungsgewicht des Chlors wurde bisher aus- schliesslich aus der Untersuchung des ChlorwasserstofFs be- stimmt. Nach den eingehenden Erorterungen iiber das Was- ser, das Ammoniak, das Grubengas und die diesen Typen sich anschmiegendenWasserstoffverbindungen, diirfen wir nicht mehr hoffen, in den Zweilitervolumen der entsprechenden Chloride auf das Verbindungsgewicht des Chlors zu stossen. Wohl aber sind wir zu der Erwartung berechtigt, Multiplen dieses Verbindungsgewichtes zu begegnen, und in der That enthalten die Zweilitervolume des Sauerstqffchlorids das zwei- fache, des Phosphor- und Arsenchlorids das dreifache, des Kohlenstoff- und Siliciumchlorids endlich das vierfache Ver- bindungsgewicht des Chlors. Unsere Untersuchungen sind also doch nicht unfruchtbar geblieben, denn zum ersten Male tritt uns hier in ihrer gan- zen Bedeutung eine Erkenntniss entgegen, fur welche jjir durch unsere voluraetrische Studien Schritt fur Schritt vor- bereitet wurden, die Erkenntniss namlich, dass die Ele- na ente Wasserstoff und Chlor nicht nur in ihren Verbin- dungsgewichten, sondern auch in Multiplen dieser Verbindungsgewichte in die Zweilitervolume ihrer Verbindungen eintreten. Diese Fahigkeit aber, sich auch in Multiplen des Ver- bindungsgewichtes an der Bildung des Zweilitervolumes der Verbindungen zu betheiligen, lasst es sich annehmen, dass sie dem Wasserstoff und dem Chlor als ausschliessliches Privileg angehore ? Wenn wir diese eigenthiimliche mannigfaltige Verbindungsfahigkeit zuerst an dem Wasserstoff und dem Chlor wahrnahmen, so war es, weil wir diese Elemente bereits in vielen ihrer Verbindungen kennen gelernt haben, wah- rend uns die iibrigen Elemente, mit denen wir bisher zusam- mentrafen, bis jetzt nur in wenigen Verbindungen durch die nacli Multipleii ihrer Verbindungsgewichte. 169 Hande gegangen sind. Wir sind daher schon jetzt darauf vorbereitet, mit der Erweiterung unserer Erfahrungen, dieser grosseren Mannigfaltigkeit in der Verbindungsfahigkeit aucb bei den iibrigen Elementen zu begegnen und in dem Zwei- litervolum ibrer verscbiedenen Verbindungen kei- neswegs ausschliesslicb die Yerbindungsgewichte selbst, sondern ebenfalls Multipla derselben auftre- ten zu seben. Mit dieser Erkenntniss aber ist die Frage, aus welcben Verbindungen wir die Verbindungsgewichte ab- leiten sollen, zu eineui zeitweiligen Abschluss gekommen. Wir miissen uns bis auf Weiteres zu diesem Bebufe ausscbliesslich der Wasserstoff-, Cblor-, Brom- und Jod Verbindungen bedie- nen, und wir betrachten die in dem Zweilitervolume dieser Verbindungen auftretenden Gewicbtsmengen der mit dem Wasserstoff, Chlor, Brom und Jod vereinigten Elemente als die Verbindungsgewicbte dieser Elemente, weil wir kleineren Gewicbtsmengen derselben in dem Zweilitervolum irgend wel- cher anderer Verbindungen bisber nicht begegnet sind. Von dem Standpunkt aus, auf den wir durcb unsere bis- herigen Forscbungen gefiibrt wurden, diirfen wir boffen, be- reits einen Einblick in die Natur der cbemischen Verbindun- gen irn Allgemeinen gewonnen zu baben ? Diirfen wir den Verbindungsgewichten, welche sicb aus der Betracbtung einer beschrankten Anzabl von Korpern entwickelten, eine umfas- sendere Bedeutung beilegen ? Giebt uns die Kenntniss dieser Gewichte Aufschluss iiber Bildung und Zusammensetzung auch der iibrigen Verbindungen? Oder, indem wir bebufs der scharferen Pracisirung unserer Fragen nochmals zu den uns gelaungen Elementen zuriickkebren : Den Gewichtsmengen Sauerstoff, Pbospbor. Arsen, Kohlenstoff und Silicium, welcbe wir in den Zweilitervolumen sowobl der Wasserstoff- als auch der Chlorverbindungen antrafen, den Gewicbtsmengen Queck- silber, Wismuth und Zinn, welcbe wir in den Zweilitervolu- men wenigstens ibrer Chlorverbindungen auffanden, werden wir diesen Gewichtsmengen oder ihren Multiplen in den Zwei- 170 Untersuchung der den Chlorverbindungen litervolumen auch der iibrigen Verbindungen dieser Elements begegnen? Die Elemente ferner, welche sich mit denselben vereinigen, werden sie, eben so wie wir dies bei dem Wasser- stoff und dem Chlor beobachteten , wiederum entweder nach ihren Verbindungsgewichten oder doch nach Multiplen der- selben in das Zweilitervolum der gebildeten Verbindungen eintreten ? Zur Beantwortung dieser Fragen miissen noch einige weitere Verbindungen, welche die oft genannten Elemente zu bilden im Stande sind, etwas naher betrachtet werden. Aller- dings erweiterte sich hiermit von Neuem und in fast bedenk- licher Weise das Gebiet unserer Forschung, allein andererseits eroffnet uns diese Erweiterung so viele neue Gesichtspunkte, dass wir es nicht verschmahen, im Interesse der allgemeinen Einblicke, welche wir zu gewinnen hoffen, das Gedachtniss mit neuen Thatsachen zu bebiirden. In dem Brom und Jod sind zwei Elemente an uns her- angetreten, welche wir uns gewohnt haben, dem Chlor an die Seite zu stellen. Die Wasserstoffverbindungen der drei Elemente, Chlor-, Brom- und Jodwasserstoff, bekunden in der That, was sowohl die Eigenschaften als auch die Zusammen- setzung angeht, eine Aehnlichkeit, die nicht grosser ge- dacht werden kann. Diese Aehnlichkeit, welche das Chlor einerseits und das Brom und Jod andererseits in ihrem Ver- halten gegen den Wasserstoff zeigen, berechtigt uns zu der Erwartung, dass sich das Brom und das Jod auch dem Sauer- stoff, dem Schwefel und dem Quecksilber, dem Phosphor, Arsen und Wismuth, endlich dem Kohlenstoff, Silicium und Zinn gegeniiber das Chlor zum Muster nehinen werden. Die folgende Tabelle verzeichnet die Bromide und Jodide der genannten Elemente, welche man bis jetzt hat darstellen konnen ; sie giebt gleichzeitig, in Formeln ausgedriickt, die Ergebnisse, welche die experimentale Erforschung ihrer Zu- sammensetzung geliefert hat. Der Uebersicht halber sind die beiden Reihen von Verbindungen den entsprechenden Chloriden gegeniibergestellt. entsprechenden Bromide und Jodide. 171 Chloride. Bromide. Jodide. Wasserstoff . . . Sauerstoff .... Quecksilber . . . Phosphor .... Arsen . ? . . . Wismuth Kohlenstoff . ; . Silicium .... Zinn , i Br 4 Si j i A J r ~i i r ~i i Br 4 Sn i I 4 Sn ....A J I . i Ein Blick auf diese Tabelle ist in mehr als einer Be- ziehung lehrreich. Die in derselben wahrnehmbaren Liicken zeigen uns zunachst, dass die Brom- und Jodverbindungen der in der ersten Spalte verzeichneten Eleraente keineswegs alle bekannt sind, dass man einige dieser Elemente bis jetzt mit Jod und selbst mit Brom nicht hat vereinigen konnen. Die bekannten Verbindungen andererseits besitzen, wie aus ihren Formeln erhellt, eine Zusammeusetzung, welche derjenigen der entsprechenden Chloride analog ist. Die Verbindungs- gewichte der Elemente (Quecksilber), welche sich mit 2 Ver- bindungsgewichten Chlor vereinigen, verbinden sich auch mit 2 Verbindungsgewichten Brom und Jod. Die Verbindungs- gewichte derjenigen Elemente (Phosphor, Arsen, Wismuth), 172 Auftreten der Verbindungsgewichte welche 3 Verbindungsgewichte Chlor aufnehmen, fixiren auch 3 Yerbindungsgewichte Brom und Jod, die Verbindungsgewichte endlich der Elemente (Silicium, Zinn), welche mit 4 Verbin- dungsgewichten Chlor zusammentreten, gesellen sich auch zu 4 Verbindungsgewichten Brom und Jod. Was also die Gewichts- verhaltnisse anlangt, in welchen sich einerseits das Chlor, an- dererseits das Brom und das Jod mit den genannten Elementen verbindet, so lasst sich eine vollkommenere Analogie nicht denken. Erstreckt sich aber diese Analogie auch auf die Vo- lumverhaltnisse? In anderen Worten: erfiillen die durch die Formeln ausgedriickten Gewichte der Bromide und Jodide im gasformigen Zustande denselben Raum, d. h. das normale Zweilitervolum, in welchem wir die Gase der entsprechenden Chloride Platz finden sahen ? Die vielen durchbrochenen Zwei- literumrahmungen, welche unsere Tabelle in den Spalten der Bromide und der Jodide aufweist, zeigen, dass wir diese Frage in einer grossen Anzahl von Fallen fur den Augenblick unent- schieden lassen miissen. Nur wenige Brom- und Jodverbindungen sind bis jetzt im gasformigen Zustande gewogen worden. Unter den Bromideu ist es ausser dem Bromwasserstoff nur noch das Quecksilber- bromid, unter den Jodverbindungen neben dem Jodwasserstoff das Quecksilber- und Arsenjodid, deren Gasvolumgewichte durch den Versuch ermittelt sind. Alle iibrigen hier aufgezahl- ten Verbindungen des Broms und Jods sind entweder nur sehr wenig fliichtig, oder sie zerlegen sich beim Erhitzen, so dass ihre Gasvolumgewichtsbestimmung bis jetzt unterblieben ist. Wir kennen also auch nicht die Gewichte ihres Zweiliter- volums. Wenn wir nichtsdestoweniger annehmen, dass auch die durchbrochen umrahmten Formeln Zweiliter volume dar- stellen, so stiitzt sich diese Annahine einzig und allein auf die Beobachtung, dass die entsprechend zusammengesetzten Chloride 2 Liter Gas liefern, und dass die Zweilitervolume der wenigen Bromide und Jodide, welche man untersucht hat, ebenfalls die durch die Formeln ausgedriickten Gewichts- mengen derselben enthalten. Moglich, dass sich spater die in feuerbestandigen \ 7 erbindungen. 173 Mittel finden werden, diese Annahme durch den Versuch zu bethatigen. so lange aber diese Hoffnung unerfiillt geblie- ben ist, diirfen wir nicht vergessen, dass die durchbrochen umrahmten Formeln nurangenommene Zweilitervolurae darstellen, welche wahrscheinlich sind, allein keineswegs endgiiltig feststehen. Kehren wir nun zu den Fragen zuruck, deren Beant- wortung wir durch die Untersuchung der Brom- und Jod- verbindungen anstrebten, so kann nicht geleugnet werden, dass wir unseren unmittelbaren Zweck nur sehr unvollkom- men erreicht haben. Die Frage, ob wir den Yerbindungs- gewichten des Sauerstoffs, des Phosphors, des Kohlenstoffs u. s. w. in den Zweilitervolumen der Bromide und Jodide be- gegnen, ob das Brom und das Jod nicht nur nach ihren Yer- bindungsgewichten, sondern auch nach einfachen Multiplen derselben in die Zweilitervolume ihrer Yerbindungen eintreten konnen, hat sich, wie wir eben gesehen haben, nur in verein- zelten Fallen beantworten lassen. Allein das Ergebniss un- serer Untersuchung hat gerade deshalb uach einer anderen Richtung hin an Wichtigkeit gewonnen. Die Verbindungs- gewichte der Elemente, deren Auffassung bisher unzertrenn- lich an die Zweilitervolume ihrer gasformigen oder vergasten Verbindungen gekniipft war, treten uns hier zum ersten Mai ganz unabhangig von der Raumerfullung entgegen, und wir erfahren mit Genugthuung , dass sich diese aus dem Stu- dium fliichtiger Verbindungen abgeleiteten Gewichte und deren Symbole mit vollendeter Scharfe und Sicherheit fur die Formulirung der Yerbindungen im Allgemeinen verwerthen lassen, einerlei ob dieselben fliichtig, ob feuerbestandig sind, oder ob sie bei der Einwirkung der Warme in ihre Bestand- theile zerfallen. Fortan ist es nicht mehr unumganglich noth- wendig, dass wir, um eine Verbindung in eine Formel zu fassen , auch jedesmal ihr Gasvolumgewicht ermitteln, wir begniigen uns, die Gewichtsverhaltnisse zu untersuchen, in welchen die Elemente bei ihrer Bildung zusammentreten und driicken diese Yerhaltnisse in Yerbindungsgewichtssyrn- 174 In alien chemischen Verbindungen sind die bolen aus. Der Versuch lehrt uns, dass die Verbindungs- gewichte des Wasserstoffs, des Sauerstoffs und Quecksilbers, des Phosphors, Arsens und Wismuths, endlich desKohlenstoffs, Siliciums und Zinns, welche wir beziehungsweise sich mit 1, 2, 3, 4 Verbindungsgewichten Chlor vereinigen sahen, gleich- falls beziehungsweise 1, 2, 3, 4 Verbindungsgewichte Brom und ferner 1, 2, 3,4 Verbindungsgewichte Jod aufnehmen. Wir lassen uns durch die Erfahrung, dass nur wenige der gebildeten Verbindungen vergast werden konnen, nicht beirren, die fer- fcigen Bromide und Jodide durch Formeln darzustellen, welche denen der entsprechenden fliichtigen Chlorverbindungen analog gestaltet sind, indem wir es als erwiesen betrachten, dass die Fahigkeit, sich nach gewissen Grewichtsverhaltnissen (den Verbindungsgewichten) oder nach Multiplen derselben zu vereinigen, eine allgemeine Eigen- schaft der elementaren Materie ist, welche mit der Natur der gebildeten Verbindungen, ihrer Fliichtig- keit oder Feuerbestandigkeit, nichts zu schaffen hat. Fur die chemischen Verbindungsgesetze der Elemente, welche uns das Studium der Bromide und Jodide von Neuem erschlossen hat, erwarten wir nun mit jeder Mehrung unserer chemischen Erfahrung weitere Bestatigung. Wir zweifeln nicht langer, dass Sauerstoff, Schwefel und Quecksilber, dass Phosphor, Arsen und Wismuth, dass endlich Kohlenstoff, Sili- cium und Zinn, welche wir nach einander in ihren Wasser- stoff-, Chlor-, Brom- und Jodverbindungen betrachtet haben, dass diese Elemente, wenn sie sich untereinander vereinigen, ebenfalls entweder nach ihren Verbindungsgewichten oder nach Multiplen derselben zusammentreten und zwar ganz un- abhangig davon, ob die gebildeten Verbindungen gasformig oder feuerbestandig sind. Wir hegen indessen auch jetzt wieder die Zuversicht, dass, falls sie sich ohne Zersetzung vergasen lassen, die durch die Formeln ausgedriickten Ge- wichte in dem normalen Zweilitervoluin Raum finden werden. Der Versuch hat diese Erwartungen in befriedigendster Weise bestatigt. Es liegt ausser unserem Plane, den Verbin- Elemente nach Verbindungsgewichten geeinigt. 175 dungen, welche die genannten Elemente unter einander erzeu- gen, mehr als eine beschrankte Aufmerksamkeit zu schenken; es tritt uns gleichwobl aus ihrem Bilde die Construction der chemiscben Verbindungen in so scbarfen Ziigen entgegen, dass wir einige der wicbtigsten Glieder dieser Korpergruppe in der folgenden Tabelle vereinigen, indem wir die Zusam- mensetzung aucb bier wieder ausscbliesslich in Symbolen wiedergeben und die im gasformigen Zustand nicbt erforscb- baren oder nicbt mit Sicberheit erforscbten Verbindungen von den iibrigen mittelst der uns bereits gelaufigen durch- brochenen Zweiliterumrahmung unterscbeiden. Verbindungen mit Sauerstoff mit Scbwefel Sauerstoff .... Schwefel Quecksilber ... HgO i_ * _J i * 1 Stickstoff . ... j N 2 3 ..* _i r Phospbor . . . . ! P 2 3 L * _i r * 1 Wismuth . . . . S Bi 2 3 i L J Koblenstoff HgS L A J r * -j P 2 S 3 I A _J I * 1 I Bi 2 S 3 Silicium .... Si0 2 j L J I * ~! j SiS 2 i J SnS 2 Aus vorstehender Tabelle erhellt zunacbst, welches unbe- grenzte Gebiet der Forscbung in diesen neuen Bildungen sich vor uns ausbreitet. Allein wie zablreich aucb die Ver- 176 Uebergang von der volumetrischen bindungen , die wir hier iibersehen , wie mannigfaltig ihre Eigenschaften , ob sie sich als fliiclitig oder feuerbestandig erweisen: die Zusammensetzung einer jeden derselben lasst sich in den Verbindungegewichten, welche sich aus unseren volumetrischen Studien entwickelten, oder in Multiplen der- selben darstellen; und zwar sind es auch hier wieder die ein- fachen Multipla, welche uns bereits aus unseren friiheren Betrachtungen gelaufig sind. Wir beobachten, dass entweder beide Elemente in ihren Verbindungsgewichten selbst zusara- mentreten, oder dass das Verbindungsgewicht des einen Ele- mentes sich mit 2 Verbindungsgewichten des anderen verei- nigt, aber wir stossen auch auf weniger einfache Verhaltnisse, insofern wir 2 Yerbindungsgewichte des einen mit 3 Verbin- dungsgewichten des anderen vereint finden. Wir beobachten ferner, dass die durch das Zusammentreten der Verbindungs- gewichte entstandenen Gewichte der Verbindungen , wenn sich letztere irn gasformigen Zustande erforschen lassen , in der That wieder das wohlbekannte Zweilitervolum erfiillen. Allein die durchbrochenen Zweiliterumrahmungen, welche bei weitem die Mehrzahl der verzeichneten Formeln umfangen, bekunden zugleich, wie wenige der Verbindungen, welche hier in unser Gesichtsfeld treten, im gasformigen Zustande bekannt sind. Einige derselben, wie z. B. die Verbindung des Queck- gilbers mit dem Sauerstoff, spalten sich beim Erhitzen in ihre Bestandtheile, allein die grossere Anzahl derselben ist feuer- bestandig und bis jetzt wenigstens nur im starren und fliis- sigen Zustande zuganglich. Wir haben in dem vorstehenden Abschnitte aus der Unzahl von chemischen Verbindungen einige wenige heraus- gegriffen, deren Studium fur die Entwicklung einer allgemei- neren Auffassung der Verbindungsgesetze uns wesentlichen Vor- schub zu leisten versprach. Auch die Ordnung, in welcher die- selben nach einander an uns herantraten, war keine zufallige, denn nur bei geeignet gewahlter Reihenfolge konnten wir hoffen Schritt fur Schritt dem vorgesteckten Ziele naher zu kommen. Von der Betrachtung gasformiger Elemente und gasfor- zur ponderalen Forschung. 177 miger Verbindungen ausgehend, deren Natur sich uns in ein- fachen voluraetrischen Versuchen enthiillte, waren wir bald auf starre, nicht niichtige Elemente gestossen, welche sich der volumetrischen Behandlung entzogen, bei deren Erfor- schung wir daher die Hiilfe der Wage nrit in Anspruch zu nehmen batten. Allein diese feuerbestandigen Elemente waren immer noch fahig, mit gasformigen Elementen gasformige oder leicht vergasbare Verbindungen zu erzeugen, und wir batten diese Fahigkeit benutzt, um aucb nichtfliichtige Ele- mente noch in den Kreis unserer volumetrischen Betrachtungen zu ziehen. Allein auch dieses Hiilfsmittel konnte nicht lange ausreichen. Mit der Erweiterung unserer Beobachtungen batten wir nachgerade auch Verbindungen kennen gelernt, welche nicht mehr im gasformigen Zustande erhalten werden konnten, und fur welche wir ausscbliesslich auf die ponderale Forschung hingewiesen waren. Wir fanden in der That, dass die Mehr- zahl auch der Verbindungen, wie der Elemente, bei den uns zuganglichen Temperaturen sich nicht verfliichtigen lassen, und sahen uns plotzlich auf ein Gebiet hingedrangt, auf wel- chem wir einzig und allein der Wage als Fiihrerin vertrauen mussten. Allein wir betraten dieses Gebiet nicht unvorberei- tet. Die Vorschule, welche wir durchlaufen batten, das Stu- dium der gasformigen Verbindungen hatte bereits die Auf- fassung der Gesetze angebahnt, welche die Zusammensetzung aller Verbindungen beherrschen, ob aus fliichtigen oder feuer- bestandigen Elementen gebildet, ob selber fliichtig oder feuer- bestandig. Die Erkenntniss, dass sich die Elemente bei der Bildung von Verbindungen nach gewissen durch den Versuch ermittelbaren Gewichten, oder nach einfachen Multiplen dieser Gewichte, mit ein- ander vereinigen, ist in der That der Schliissel, wel- cher uns das Verstandniss der ehemischen Erschei- nungen im Allgemeinen erschliesst. Emleitung in die moderne Chemie. LBRAK UNIVERSITY OF vm. Verschiedene Methoden des Studiums chemischer Erscheinungen. Be- trachtung des Besonderen im Lichte des Allgemeinen. Entwick- lung des Allgemeinen aus der Betrachtung des Besonderen. Ent- scheidung fur die letztere Methode. Ihre Vortheile, ihre Nach- theile. Riickblick auf die Entwicklung des Begriffs des Verbin- dungsgewichtes. Allgemeinere Auffassung dieses Begriffs. Man- nigfaltigkeit der Mittel fiir die Bestimmung des Verbindungsgewichtes von Elementen, welche fliichtige Verbindungen bilden. Wahr- scheinliches Verbindungsgewicht des Fluors. Die Verbinduncrs- gewichte von Elementen , deren Verbindungen feuerbestandig sind, nicht ermittelbar. Auffassung des Begriffes Ersatzgewicht. Be- stimmung der Ersatzgewichte des Natriums und Kaliums durch Unter- suchung -ihrer Chloride, Oxide und Nitride. Darstellung der Ein- wirkung des Natriums und Kaliums auf Chlorwasserstoff, Wasser und Ammoniak in chemischen Gleichungen. Beziehung der Ersatzgewichte zu den Verbindungsgewichten. Combination der Ersatzgewichts- bestimmung mit der Verbindungsgewichtsbestimmung. Ersatz- gewicht des Fluors. Gasvolumgewichte der Elemente als Anhalts- punkte fiir die Bestimmung der Verbindungsgewichte. Physikali- sche Hiilfsmittel fiir die Bestimmung der Verbindungsgewichte. Specifische Warme der Elemente. Bestimmung der specifischen Warme des Natriums und Kaliums, des Quecksilbers, Wismuths und Zinns, endlich des Silbers, Bleis, Golds und Platins fiir die Ermitte- lung der Verbindungsgewichte dieser Elemente. Krystallform der Verbindungen. Das eingehende Studium der physikalischen Hiilfs- mittel spaterer Betrachtung vorbehalten. Wenn es sich darum handelt, einem Kreise Lernender das Gebiet der chemischen Erfahrungen zu erschliessen , so stehen demjenigen, der sich an der Losung dieser Aufgabe versucht, zwei wesentlich von einander verschiedene Wege offen: Einmal konnte er die einfachen Gesetze voranstel- len, welche sich aus dem Studium der Naturerscheinungen Verschiedener Gang der chemischen Studien. 179 im Allgemeinen entwickelt haben, um alsdann die besonderen Erscheinungen selbst in ihrer Abhangigkeit von den sie beherrschenden Gesetzen dem Lernenden vorzufiihren. Oder aber er versuchte sein Ziel in der entgegengesetzten Rich- tung zu erreichen. Von der Betrachtung einer besonderen Erscheinung ausgebend , wiirde er das in ihrer Erforscbung Ermittelte in anderen besonderen Erscbeinungen wieder auf- sucben. Der Lernende erfiihre auf diese Weise, was einer Reihe von Erscbeinungen gemeinsam ist. Dem Studium einer Reihe von Erscheinungen schlosse sich die Erforscbung einer anderen an, und indem so das Gemeinsame in stets wachsen- dem Kreise ermittelt wiirde, ware allmalig die Erkenntniss der einfachen Gesetze angebabnt, denen sammtlicbe bereits betracbtete Erscheinungen gehorchen. In dem einen Fall ist das Allgemeine der Spiegel, aus dem uns, Bild um Bild, das Besondere in willkommener Klarheit entgegentritt; in dem an- deren Falle dient uns das Besondere als Leiter, auf deren Sprossen wir uns, Stufe um Stufe, zum Allgemeinen erbeben. Wir haben unsere chemischen Studien bisher in dem letzteren Sinne verfolgt. Es liegt in der Natur des menscb- lichen Geistes, dass ibm das Besondere zuganglicher ist als das Allgemeine, und wenn wir daher bemuht gewesen sind, das Verstandniss der ermittelten Naturgesetze durch das Studium einer Reihe besonderer Erscheinungen anzubahnen, so haben wir nur den Weg eingeschlagen, auf welchem die Forschung urspriinglich zur Erkenntniss dieser Naturgesetze gelangt ist. Allerdings ist auch dieser Weg bisweilen nicht ohne Schwierigkeiten. Die Erfabrungen, welche wir, um zum Ziele zu gelangen, aus den verschiedensten Gebieten zusammenzutragen haben, erscheinen, so lange sich dieses Ziel noch nicht in voller Klarheit darstellt, oft nur in losem Zusammenhange mit einander, und die Aufmerksamkeit er- mudet, wenn sie, ohne in der Anordnung einen Ruhepunkt zu finden, fur zu viele vereinzelte Thatsachen auf einmal in Anspruch genommen wird. Noch viel misslicher aber ist es, wenn sich die Thatsachen in solchem Maasse haufen, dass wir, 12* 180 Riickblick auf die Entwicklung des Begriffs am Ziele angelangt, kaum mehr im Stande sind, den Weg zu iibersehen, auf welchem wir dasselbe erreicht haben. Es kann nicht geleugnet werden, dass wir gerade bei der Entwicklung der Verbindungsgesetze, welche uns zuletzt beschaftigt haben, von diesen Schwierlgkeiten nicht unberiihrt geblieben sind. Um zu dem Begriff des Verbindungsgewichtes zu gelangen, hatten wir gauze Reihen von Thatsachen, der grossen Mehrzahl nach aus Gebieten, die uns bisher vollig unbekannt geblieben waren, an uns voriiberziehen zu lassen, und es konnte nicht fehlen, dass wir unter dem Druck der Masse und Mannigfaltigkeit des zu bewaltigenden Materials mehr als einmal in Gefahr waren , den Faden der Entwick- lung aus den Handen zu verlieren. Es ist gleichwohl von der allergrossten Wiclitigkeit, dass wir den Begriff des Verbindungsgewichtes, aus dem sich alle in der Folge zu erwartenden neuen Vorstellungen entfalten, in voller Scharfe und Klarheii/ mit auf den Weg nehmen. Wir wollen daher den Blick nochmals riickwarts lenken, um in engerem Rahmen die verschiedenen Betrachtungen zusammen- zufassen, aus denen sich dieser Begriff allmalig entwickelt hat. Erinnern wir uns zunachst, dass wir den Begriff des Verbindungsgewichtes lediglich aus der Erfahrung geschopft haben. In einein unserer ersten Versuche sahen wir 1 Lit. Wasserstoff mit 1 Lit. Chlor zu 2 Lit. Chlorwasserstoff zusam- mentreten. Spatere Versuche lehrten uns, dass sich bei der Bildung des Wassers 2 Lit. Wasserstoff zu 1 Lit. Sauerstoff, bei der des Ammoniaks 3 Lit. Wasserstoff zu 1 Lit. Stick- stoff gesellen, dass aber gleichwohl die 3 Liter der Wasserbe- standtheile und selbst die 4 Liter der Ammoniakbestandtheile in 2 Litern der fertigen Verbindungen Platz fanden. Die Idee, das Zweilitervolum bei der Vergleichung der zusammenge- setzten Gase zu Grunde zu legen, war hiermit gegeben, und als wir spater, in der Absicht, den gewonnenen Erfahrungen einen biindigeren und deshalb fasslicheren Ausdruck zu lei- hen, die Litergewichte der Elementargase, d. h. die in Krithen gelesenen Volumgewichte derselben, durch Buchstabensymbole des Verbindungsgewichtes. 181 darstellten, waren es wieder Zweilitervolume, in denen die aus jeneD Buchstabensymbolen gebildeten Formeln zum Vorschein kamen. So lange wir nur gasformige oder vergasbare Elemente in Betracht zogen, hatten sich die Volumgewichtssymbole fiir unsere Zwecke ausreichend erwiesen, als wir aber in dem Kohlenstoff und dem Silicium mit den ersten nicht fliichti- gen Elementen zusammentrafen , deren Volumgewichte nicht langer bestimmbar waren, musste sich unsere symbolische Aus- drucksweise dem neuerwachsenen Bedurfnisse anschmiegen. An die Stelle der Volumgewichte traten die Verbindungs- gewichte. Audi hier kam uns wieder das Zweilitervolum zu statten. Wir nannten Verbindungsgewichte des Kohlenstoffs die in Krithen ausgedriickte Gewichtsmenge dieses feuerbe- staudigen Elementes, welche sich mit Wasserstoff verbindet, uni 2 Lit. Grubengas zu bilden, Verbindungsgewicht des feuerbestandigen Siliciums die in 2 Lit. Siliciumwasserstoff euthaltene Gewichtsmenge Silicium. Der Gedanke lag nahe, diese Betrachtungsweise weiter auszudehnen und die Verbin- dungsgewichte auch der fliichtigen Elemente, welche wir in ihren Wasserstoffverbindungeu kennen gelernt hatten, ins Auge zu fassen. Wir fanden, dass die Verbindungsgewichte, d. h. die Gewichte dieser Elemente, welche in dem Zweiliter- voluin ihrer Wasserstoffverbindungen enthalten sind, zu den uns bereits bekannten Gasvolumgewichten in der einfachsten Beziehung stehen ; in der grossen Mehrzahl von Fallen bei dem Chlor, Brom und Jod, bei dem Sauerstoff, Schwefel und Selen, endlich bei dem Stickstoff stiinmen beide Ge- wichte miteinander uberein; bei anderen dem Phosphor und Arsen zeigen sich die Verbindungsgewichte halb so gross als die Volumgewichte. Die Verbindungsgewichte der Elemente und ihre Symbole, welche als Hiilfsmittel fiir den scharfen und biindigen Ausdruck der gesammelten Erfahrun- gen uns bereits unentbehrlich geworden waren, gewanneu eine ungleich hoheVe Bedeutung fiir uns, als wir denselben Gewich- ten der Elemente , welche wir in dem Zweilitervolum ihrer Wasserstoffverbmdungen angetroffen hatten, nunmehr auch 182 Riickblick auf die Entwicklung in dem Zweilitervolum ihrer Chlorverbindungen begegneten. Mit der Erforschung der Chloride batten wir iiberdies eine neue Methode der Verbindungsgewichtsbestimmung erworben, die wir alsbald an dem Quecksilber, dem Wismuth und dem Zinn, Metallen, deren Wasserstoffverbindungen nicht bekannt sind, mit Nutzen erproben konnten. Auch das Verbindungs- gewicht des Wasserstoffs , iiber welches wir bisher im Dun- keln geblieben waren, konnte nunmehr ermittelt werden und wir batten, indem wir auch fur den Wasserstoff Verbindungs- gewicht und Volumgewicht zusammenfallen sahen, den Vor- theil erreicht, dass beide Reihen von Gewichten, die der Ver- bindungsgewichte sowohl wie die der Volumgewichte, in einer gemeinschaftlichen Einheit, dem Litergewichte des Wasser- stoffs, zusammenliefen. Die Moglichkeit, die Verbindungs- gewichte der Elemente auch aus der Zusammensetzung der Chloride abzuleiten, liess uns, in der Hoffnung den Begriff des Verbindungsgewichtes allgemeiner zu fassen, den Versuch machen, noch andere Klassen von Verbindungen in diesem Sinne anzusprechen und wir erkannten mit Befriedigung, dass die Bromide und Jodide mit derselben Sicherheit zu dein Ende verwerthet werden konnen. Der Gedanke lag nahe, auch die Verbindungen des Sauerstoffs, Stickstoffs und Koh- lenstoffs in dieser Richtung auszubeuten. Bei diesen Unter- suchungen wurden andere Werthe erhalten, die aber immer noch mit den fruher gefundenen Verbindungsgewichten in ein- fachster Beziehung stehen; in der That wiirde sich aus der Sauerstoffverbindung, dem Wasser bestimmt, fur das Verbin- dungsgewicht des Wasserstoffs ein zweimal so grosser Werth ergeben haben; aus der Stickstoffverbindung, dem Ammoniak abgeleitet, ein dreimal so grosser; aus der Kohlenstoffverbin- dung endlich, dem Grubengas ermittelt, ein viermal so grosser als derjenige, welchen wir aus den Verbindungen rnit dem Chlor, Brom und Jod gefunden batten, und es war uns also hier zuin ersten Male die wichtige, allerdings durch unsere volu- metrischen Studien langst vorbereitete Erkenntniss erschlossen worden, dass die Elemente nicht nur nach ihren Verbindungs- des Begriffs des Verbindungsgewichtes. 183 gewichten, sondern auch nach einfachen Multiplen derselben in den Zweilitervolumen ihrer Yerbindungen auftreten. Zu ganz ahnlichen Ergebnissen gelaDgten wir, als wir das Verbindungs- gewicht auch des Clilors aus seinen Verbindungen mit dem Sauerstoff, dem Phosphor, dem Kohlenstoff zu ermitteln such- ten. An der Bildung des Zweilitervolums der Chloride dieser Elemente sahen wir das Chlor nacheinander seinem einfachen, zweifachen, drei- und vierfachen Yerbindungsgewichte nach Theil nehmen, und die bei der Erforschung des Verbindungs- gewichtes des Wasserstoffs erworbene Erfahrung trat uns hier zum zweiten Male in so bestimmter Form entgegen, dass wir nicht mehr daran zweifeln durften, der Fahigkeit nicht nur mit den Verbindungsgewichten, sondern auch nach Multiplen derselben in dem Zweilitervolume der Verbindungen zu er- scheinen, auch bei den iibrigen Elementen zu begegnen. Im Hinblick auf diese Erorterungen mussten wir aller dings zu- nachst darauf verzichten, die Verbindungen des Sauerstoffs, des Stickstoffs, des Kohlenstoffs fiir die Verbindungsgewichts- bestimmung zu verwerthen, allein mit der Erkenntniss der multiplen Verbindungsfahi^keit der Elemente hatte sich gleich- wohl der Begriff des Verbindungsgewichtes bereits wesentlich erweitert, und wir suchten daher und fanden auch .bald er- wiinschte Bestatigung der neuerworbenen Erfahrung. Dem Studium der Chloride schloss sich das der Bromide und Jodide an, in denen wir ebenfalls wieder die uns bereits gelaufigen Verbindungsgewichte der Elemente sich mit 1,2,3 und 4 Verbindungsgewichten Brom und Jod vereinigen sahen. Wenn diese Studien unsere Aufmerksamkeit schon deshalb fesselten, weil sie uns bereits Bekanntes in neuen Beispielen vorfiihrten, so beanspruchten sie doch ein ungleich hoheres Interesse, in- sofern sie uns die ersten Einblicke in ein Gebiet der For- schung erschlossen , dessen Bebauung wir bisher absichtlich vermieden hatten. Von den untersuchten Brom - und Jod- verbindungen war nur noch die Minderzahl fliichtig, und es konnte mithin nur in wenigen Fallen durch den Versuch nachgewiesen werden, dass die ihren Formeln entsprechenden 184 Allgemeinere Auffassung Gewichte im gasformigen Zustande in der That den Raum von 2 Litern einnehmen. Fiir die Bestimmung der Verbin- dungsgewichte konnte daher die Betrachtung dieser im gas- formigen Zustande nicht mehr erforschbaren Bromide und Jodide nur wenige Anhaltspunkte liefern, dagegen war uns die Bedeutung dieser Gewichte in einem neuen Lichte er- schienen. Diese aus dem Stadium gasforiniger oder vergas- barer Verbindungen hervorgegangenen Gewichte, denen wir nach einander in dem Zweilitervolum einer ganzen Reihe fliichtiger Verbindungen begegnet waren, sahen wir hier zum ersten Male an der Bildung auch von Verbindungen sich be- theiligen, welche im gasformigen Zustande unbekannt sind, welche sich wahrscheinlich niemals gasformig werden erhalten lassen. In noch weiterem Umfange sollten sich endlich diese Erfahrungen bestatigen, als wir schliesslich die Elemente, welche wir bisher in ihren Wasserstoff- , Chlor-, Brom- und Jodverbindungen betrachtet hatten, sich nunmehr auch unter- einander vereinigen liessen. Wenn wir schon bei den Bromi- den und Jodiden eine Verminderung der Fliichtigkeit wahr- genommen hatten, so zeigte sich die*elbe in noch auffallenderer Weise bei vielen Gliedern dieser neuen Klasse von Verbiudun- gen, welche nur ganz ausnahinsweise im gasformigen Zustande untersucht werden konnten ; die grosse Mehrzahl derselben er- wies sich als feuerbestandig oder nicht ohue Zersetzung fluch- tig. Aber wir hatten gerade deshalb eine neue Gelegenheit, die Anwendbarkeit unserer bei dem Studium der gasformi- gen Materie gesammelten Kenntnisse auf die Erforschung auch der feuerbestandigen Materie zu erproben, denn auch bei dieser neuen Klasse waren es wieder die Verbindungs- gewichte oder Multipla derselben, nach denen eich die Elemente gesellten, obwohl wir nicht ermitteln konnten, ob die fertigen Verbinduugen den Raum von 2 Litern erfullen. Versuchen wir es nun, die Ergebnisse der Erfahrungen, die eben nochmals in raschein Fluge an uns voriibergezogen sind, zusammenzufassen, so hat der Begriff des Verbindungs- gewichtes bereits eine allgemeinere Form angenoinmen. Wir des Begriffs des Verbindungsgewichtes. 185 diirfen jetzt Verbindungsgewicht eines Elementes die in Krithen ausgedriickte kleinste Gewichtsmenge desselben nennen, welche in dem normalen Z weiliter- voluui irgend einer seiner Verbindungen enthalten ist, die kleinste Gewichtsmenge, von der alle in dein Zweilitervolum anderer Verbindungen enthaltenen Gewichtsmengen desselben Elementes Multipla sind. In dieser allgemeineren Fassung des Begriffes ist die ganze Mannigfaltigkeit der Mittel angedeutet, welche uns fur die Bestimmung der Verbindungsgewichte zu Gebote ste- hen. Wir sind nicht mehr auf die Wasserstoffverbindungen, auf die Chloride, Bromide und Jodide beschrankt, aus deren Studium sich der Begriff des Verbindungsgewichtes zunachst entwickelt hatte: jede Verbindung von bekannter Zusammen- setzung, welche im gasformigen Zustande erforschbar ist, lasst sich fiir diesen Zweck verwerthen. Allein wir sind gleich- zeitig darauf hingewiesen, dass die Untersuchung einer ein- zigen Verbindung nicht ausreicht, denn wir wissen ja nicht sofort, ob wir gerade die Verbindung unter den Handen haben, deren Zweilitervolum die kleinste Menge des fraglichen Elementes enthalt. Die in dem Zweilitervolum der fraglichen Verbindung aufgefundene Gewichtsmenge des Elementes konnte ja auch ein Multipluin des Verbindungsgewichtes sein. Dies wiirde sich alsbald herausstellen, wenn wir in dem Zweiliter- volum einer zweiten und dritten Verbindung entweder einen kleineren Werth oder aber einen grosseren fanden , welcher kein Multiplum des zuerst errnittelten ware. Vergessen wir fiir einen Augenblick das uns gelaufige Verbindungsgewicht des Chlors, um es im Sinne obiger Auf- fassung zu bestimmen. Die Analyse des Kohlenstoff- und Phosphorchlorids wiirde uns im Zweilitervolum beziehungs- weise die Gewichte 142 und 106,5 Kth Chlor ergeben haben. Da aber die grossere dieser beiden Zahlen kein Multiplum der kleineren ist, so konnen wir die letztere als Verbin- dungsgewicht des Chlors nicht annehmen. \Vir bestimmen deshalb auch die Gewichtsmenge Chlor, welche in_ dem 186 Untersuchungen iiber das Zweilitervolume des Sauerstoffchlorids enthalten ist, und finden dieselbe zu 71 Kth. Allein auch dieseZahl konnen wir als Verbindungsgewicht des Chlors nicht gelten lassen, inso- fern zwar 142, nicht aber 106,5 ein Multiplum von 71 ist. Mit der Analyse des Wasserstoffchlorids endlich ist die Auf- gabe gelost. Die in dem Zweilitervolum des Chlorwasser- stofls enthaltene Gewichtsmenge von 35,5 Kth Chlor stimmt mit sammtlichen aufgefundenen Zahlen, denn es ist 2 X 35,5 = 71, 3 X 35,5 = 106,5, endlich 4 X 35,5 == 142. Erst wenn wir eine Reihe von Yerbindungen untersucht haben, erst wenn wir der kleinsten in dem Zweilitervolume irgend einer derselben aufgefundenen Gewichtsmenge des Elementes in dem Zweilitervolume mehrerer Verbindungen begegnet sind, erst wenn, im Falle sich mehrere Gewichtsmengen ergeben hatten, alle grosseren sich als Multipla der kleinsten erwiesen haben, diirfen wir daher diese Gewichtsmenge als das Verbindungs- gewicht des in Frage stehenden Elementes gelten lassen, in- dem wir uns gleichwohl noch immer der Moglichkeit gewar- tigen, dass weitere Forschungen die Annahme eines noch kleineren Verbindungsgewichtes erheischen konnen, welches als- dann allerdings ein aliquoter Theil des bisher angenomme- nen Verbindungsgewichtes sein miisste. Noch ein Beispiel moge hier Platz finden, in dem sich die Methode der Verbindungsgewichtsbestimmung, der Beob- achtung sowohl als auch der Discussion der Beobachtung, mit besonderer Klarheit abspiegelt. In dem Fluor werden wir spater ein Element kennen lernen, welches sich seinem allge- meinen Verhalten nach der aus den Elementen Chlor, Brom und Jod bestehenden Gruppe nahert. Das Fluor bildet nur wenige im gasformigen Zustande erforschbare Verbindungen, von denen die mit dem Silicium, das Siliciumfluorid, ein dem Siliciunichlorid ahnlicher Korper, die bekannteste ist. In dem Zweilitervolum des Siliciumfluorids sind 76 Kth Fluor aufgefunden worden, und wir wiirden, falls keine anderen Ergebnisse voiiagen, diese Zahl als das Verbindungsgewicht des Fluors zu betrachten haben. Allein es existirt auch eine gasformige Verbindung des Fluors mit dem Bor, das Bor- Verbindungsgewicht des Fiuors. 187 flu or id, in dessen Zweilitervolum die Analyse nur 57 Kth Fluor nachgewiesen hat. Die Vergleichung beider Zahlen zeigt wieder, dass weder 76 noch 57 das Verbindungsgewicht des Fiuors sein kann; andere Fluorverbindungen sind bis jetzt im gasformigen Zustande nicht erforscht worden. Ein der oben gegebenen Begriffsbestimmung geniigendes Yerbindungs- gewicht des Fiuors ist daher nicht ermittelt, wir wissen aber, dass es nur durch eine Zahl ausgedriickt sein kann, von welcher sowohl 76 als 57 ein Yielfaches ist. Diese Zahl muss also 19 oder ein aliquoter Theil von 19 sein. Wir werden spater sehen, dass Griinde vorliegen, welche den Werth 19 mit grosser Bestimmtheit als das Verbindungsgewicht des Fiuors bezeichnen, obwohl man denselben in dem Zweiliter- volum irgend einer gasformigen Fluorverbindung bis jetzt nicht aufgefunden hat. Die vorstehenden Beispiele durften iiber die Natur der Yerbindungsgewichte, iiber die Art ihrer Ermittelung, iiber die Schwierigkeiten, welche sich dieser Ermittelung entgegen- stellen und die Wege, auf denen wir diesen Schwierigkeiten begegnen, keinen Zweifel lassen. Bei aller Freiheit der Be- wegung, welche die allgemeinere Fassung des Begriffes Yer- bindungsgewicht gestattet, sind wir doch auf eine verhalt- nissmassig kleine Anzahl von Yerbindungen hingewiesen. Denn da es sich zur moglichst schnellen Erreichung unseres Zieles zunachst darum handelt, dem Yerbindungsgewichte eines Elementes selbst und nicht Multiplen desselben zu begegnen, so werden wir Angesichts der Erfahrungen, welche wir ein- zusammeln Gelegenheit gehabt haben, stets mit Yorliebe zur Untersuchung seiner Yerbindungen mit dem Wasserstoff, dem Chlor, dem Brom und dem Jod zuriickkehren , der Elemente also wir constatiren schon jetzt die Thatsache mit Inter- esse, welche sich zu gleichen Yolumen und ohne Yerdich- tung mit einander vereinigen. Besitzen wir nun diese Frage bleibt uns zu beant- worten in dem eben entwickelten Yerfahren eine allgemeine Methode fur die Bestiinmung der Yerbindungsgewichte der Elemente? Diese Frage konnten wir offenbar nur dann mit 188 Lasst sichd. Verbindungsgew. v. Element, bestimmen, ja beantworten, wenn es moglich ware, sammtliche Elemente in Verbindungen zu fassen, welche im gasformigen Zustande untersucht werden konnen. Dies ist aber keineswegs der Fall. Wir kennen eine ganze Reihe von Elementen, welche weder selber, noch auch in Verbindung mit anderen Elemen- ten bis jetzt sich haben vergasen lassen. Wir brauchen in der That aus dem uns bekannten Kreise nicht heraus- zutreten, um auf Beispiele dieser Art zu stossen, sind wir ihnen ja doch schon auf der Schwelle unserer Forschungen bereits mehrfach begegnet. Wir haben die wichtigen Dienste nicht vergessen, welche uns die beiden Metalle Natrium und Kalium gleich beim Eintritt in das Gebiet der chemischen Erscheinungen geleistet haben. Nacheinander auf die Salz- saure, das Wasser und das Ammoniak einwirkend, entwickel- ten uns diese Metalle den Wasserstoff, welcher der Ausgangs- punkt aller unserer Betrachtungen geworden ist. Die Art, wie diese Wirkung ausgeiibt ward, musste damals unerortert bleiben, da uns die Natur der drei wasserstoffliefernden Sub- stanzen noch unerschlossen war. Jetzt, nachdem wir die Zu- sammensetzung dieser Substanzen kennen gelernt haben, nachdem uns bereits die chemischen Verbiudungen in Reihen durch die Hande gegangen sind, nachdem zumal die Einwir- kung des Chlors auf das Wasser, auf das Ammoniak und auf das Grubengas Gegenstand eingehender Betrachtung gewesen ist, kann iiber die Rolle, welche das Natrium und das Kalium bei der Entwicklung des Wasserstoffs spielen, wohl kein Zweifel mehr obwalten. Gerade so, wie der Sauerstoff, der Stickstoff , der Kohlenstoff aus dem Wasser , dem Ammoniak, dem Grubengase frei wird , weil sich der Wasserstoff dieser Verbindungen mit dem Chlor vereinigt, ebenso entwickelt sich auch der Wasserstoff aus dem Chlorwasserstoff, dem Wasser, dem Ammoniak, weil das Natrium und Kalium mit den an den Wasserstoff gebundenen Elementen, dem Chlor, dem Sauerstoff, dem Stickstoff, zu chemischen Verbindungen zusarnmentritt. Allein das Verstandniss der qualitativen Erscheinung befriedigt uns schon nicht mehr; wir fragen welche keine fliichtigen Verbindungen bilden? 189 nach den quantitativen Beziehungen derselben, wir fiihlen das Bediirfniss, diese Processe in chemischen Gleichungen wiederzugeben, denen ahnlich, welcbe wir fruher fur die Ein- wirkung des Chlors auf das Wasser und das Ammoniak aufstellten (vergl. S. 114), und es liegt uns daher vor alien Dingen ob, die Verbindungsgewichte des Natriums und des Kaliums kennen zu lernen, deren Symbole wir in die zu bil- denden Gleichungen einfiihren konnen. Um diese Aufgabe nach dem uns bekannten Verfahren zu losen, miissten wir die Gasvolumgewichte einiger Verbindungen des Natriums und des Kaliums bestimmen, aus diesen Bestimmungen die Gewichte des Zweilitervolums berechnen und die in dem Zwei- litervolume enthaltenen Gewichtsmengen Natrium und Ka- li urn dnrch den Versuch ermitteln. Die Verbindung des Natriums mit dem Chlor, das Na- triumchlorid, welches sich bei der Einwirkung des Natriums auf den Chlorwasserstoff bildet, ist das aus dem Alltagsleben uns wohl bekannte Kochsalz. Wenn das Natrium auf das Wasser einwirkt, so erzeugt sich unter giinstigen Bedingungen eine weisse, feste Materie von stark atzenden Eigenschaften, welche aus Natrium und Sauerstoff besteht und den Nam en Natrium- oxid fiihrt. Bei der Zersetzung endlich desAmmoniaks durch Natrium erhalt man bei geeignet geleitetem Yersuche eine dunkelgefarbte Masse, welche eine Verbindung von Natrium und Stickstoff ist undNatriumnitrid genannt wird. Weder das Natriumchlorid, noch das Natriumoxid, oder Natriumnitrid hat man bis jetzt im gasformigen Zustande untersuchen kon- nen. Ebensowenig kennt man irgend eine andere gasformig erforschbare Verbindung dieses Metalls. Was von dem Na- trium gesagt wurde, gilt auch fur das Kalium. Die Verbin- dungsgewichte dieser beiden Metalle lassen sich also nach dem uns gelaufigen Verfahren nicht bestimmen. Es fragt sich aber, ob wir nicht durch Methoden, welche, von Volumbestim- mungen unabhangig, nur Gewichtsbestimmungen erheischen, eine Reihe von Werthen ermitteln konnen, welche sich mit demselben Vortheile, wie fruher die Volumgewichte, spater 190 Analyse d. Chlor-, Sauerstoff- u. Stickstoffverbind. die Verbindungggewichte fiir die Zwecke unserer chemischen Zeichensprache handhaben lassen. Niclats hindert uns durch die Wage zu ermitteln, wie viel Kth Natrium und Kalium erforderlich sind, um die Zwei- litervolume ChlorwasserstofF, Wassergas und Ammoniak be- ziehungsweise in die Chloride, Oxide und Nitride des Natriums und Kaliums zu verwandeln. Mit Sorgfalt fiir diesen Zweck angestellte Versuche haben gezeigt, dass diese Chloride, Oxide und Nitride zu den Wasserstoffverbindungen, aus denen wir sie sich bilden sahen, zu dem Chlorwasserstoffe, dem Wasser und dem Ammoniak, in einfachsten Beziehungen stehen. Wenn sich das Zweiliter- volum des Chlorwasserstoffs in Natrium- oder Kaliumchlorid verwandelt, so tritt 1 Kth Wasserstoff aus demselben aus, wahrend beziehungsweise 23 Kth Natrium oder 39 Kth Ka- lium eintreten; es entstehen 23 -{- 35,5 = 58,5 Kth Natrium- chlorid und 39 -f 35,5 = 74,5 Kaliumchlorid, Wenn das Zweilitervolum Wassergas in Natrium- und Kaliumoxid iiber- geht, so verliert es 2 Kth Wasserstoff unter Aufnahme bezie- hungsweise von 46 = 2 X 23 Kth Natrium und 78 = 2 X 39 Kth Kalium; es werden 2 X 23 -f 16 = 62 Kth Na- triumoxid und 2X39 -f 16 = 94 Kth Kaliumoxid gebil- det. Wird endlich das Zweilitervolum Ammoniak in Natrium- und Kaliumnitrid ubergefiihrt, so giebt es 3 Kth Wasserstoff auf, und nimmt dagegen beziehungsweise 69 = 3 X 23 Kth Natrium und 117 = 3X 39 Kth Kalium ein; indem sich 3 X 23 + 14 = 83 Kth Natriumnitrid und 3 X 39 + 14 = 131 Kth Kaliumnitrid erzeugen. Aus der folgenden tabellarischen Zusammenstellung tre- ten diese Ergebnisse der Forschung uns iibersichtlicher ent- gegen: In 1 + 35,5 Kth Chlorwasserstoff, 2 + 16 Kth Wassergas und 3 + 14 Kth Ammoniak beziehungsweise werden 1 Kth Wasserstoff ersetzt durch 23KthNatr.u. 39KthKal. 2 46 = 2X23 78 = 2X39 3 69=3X23 ,,117=3X39 des Natriums und Kaliums. Ersatzgewichte. 191 In alien diesen Fallen sehen wir unwandelbar 23 Kth Natrium und 39 Kth Kaliuin an die Stelle von 1 Kth, d. h. von einem Verbinduhgsgewicht Wasserstoff treten und wir diirfen daher 23 Kth und 39 Kth als die Ersatzgewichte beziehungsweise des Natriums und Kaliums bezeichnen. In welcher Beziehung stehen nun diese durch die Wage ermit- telten Ersatzgewichte zu den Verbindungsgewichten? Gelange es, die Chloride, Oxide und Nitride des Natriums und des Kaliums im gasformigen Zustande zu erforschen und fande man, dass 58,5 Kth Natrium- und 74,5 Kth Kalium- chlorid, dass 62 Kth Natrium- und 94 Kth Kaliumoxid, dass endlich 83 Kth Natrium- und 131 Kth Kaliumnitrid den Raum von 2 Litern erfiillen, wir wiirden mit vollem Rechte 23 Kth und 39 Kth als die Yerbindungsgewichte beziehungsweise des Natriums und Kaliums gelten lassen und es wurde somit fur diese beiden Metalle Ersatzgewicht und Verbindungsgewicht zusammenfallen . Wie dem aber auch sein moge, eine sehr nahe Beziehung zwischen den festgestellten Ersatzgewichten des Natriums und Kaliums und den noch zu ermittelnden Verbindungsgewichten dieser Metalle ergiebt sich schon aus dem Umstande, dass wir die Verbindungsgewichte des Chlors, des Sauerstoffs, des Stickstoffs, welche sich beziehungsweise mit 1, 2 und 3 Ver- bindungsgewichten Wasserstoff vereinigen , beziehungsweise auch mit 1, 2 und 3 Ersatzgewichten Natrium und Kalium zusammentreten sehen. Urn nahere Aufschliisse iiber die Beziehung zwischen Verbindungsgewicht und Ersatzgewicht zu gewinnen, wollen wir auf dem fiir die Erforschung des Natriums und Kaliums angedeuteten Wege die Ersatzgewichte einiger Elemente be- stimmen, deren Verbindungsgewichte uns bekannt sind. Das Verbindungsgewicht des Jods ist zu 127 Kth ge- funden worden. Das Jod bildet mit dem Chlor eine uns bis jetzt nicht bekannt gewordene Verbindung, in welcher 127 Kth Jod mit 35,5 Kth, d. h. der in dem Zweilitervolume Chlorwasserstoff enthaltenen Gewichtsmenge Chlor vereinigt 192 Beziehung zwischen den Ersatzgewichten sind. Denken wir uns das Jodchlorid aus Chlorwasserstoff entstanden, so ist in dem letzteren 1 Kth Wasserstoff durch 127 Kth Jod ersetzt worden. 127 Kth ist also das Ersatz- gewicht des Jods, und es ist mithin das Verbindungs- gewicht des Jods gleich dem Ersatzgewicht des- selben. Das Verbindungsgewicht des Sauerstoffs ist 16 Kth. Die Verbindung des Sauerstoffs niit dem Chlor haben wir bereits Gelegenheit gehabt kennen zu lernen (vergl. S. 156). Die Gewichtsanalyse des Sauerstoffchlorids hat gezeigt, dass 8 Kth Sauerstoff mit 35,5 Kth Chlor verbunden sind. Ware das Sauerstoffchlorid aus dem Chlorwasserstoff -entstanden, so wiirde 1 Kth Wasserstoff durch 8 Kth Sauerstoff ersetzt worden sein. Das Ersatzgewicht des Sauerstoffs ist also 8 Kth, und es ist mithin das Verbindungsgewicht gleich dem zweifachen Ersatzgewichte des Sauer- stoffs. Das Verbindungsgewicht des Stickstoffs ist 14 Kth. Audi die Verbindung des Stickstoffs mit dem Chlor ist bereits fliichtig an uns voriibergegangen (vergl. S. 157). Das furcht- bar explosive Stickstoffchlorid konnte iin gasformigen Zustande nicht untersucht werden; allein die Gewichtsanalyse desselben hat sich ausfiihren lassen. In diesem Korper sind 4,66 Kth Stickstoff mit 35,5 Kth Chlor verbunden. Um das Stick- stoffchlorid aus dem Chlorwasserstoff zu erzeugen , miissteri wir an die Stelle von 1 Kth Wasserstoff 4,66 Kth Stickstoff treten lassen, welche Zahl uns mithin das Ersatzgewicht des Stickstoffs reprasentirt. Bei dem Stickstoff ist daher das Verbindungsgewicht gleich dem dreifachen Er- satzgewichte. Das Verbindungsgewicht desKohlenstoffs endlich ist 1 2 Kth. Das Kohlenstoffchlorid ist uns bereits durch die Hande gegan- gen (vgl. S. 159). Dieser Korper enthalt 3 Kth Kohlenstoff ver- einigt mit 35,5 Kth Chlor. Liesse sich der Chlorwasserstoff in und Verbindungsgewichten. 193 Kohlenstoffchlorid verwandeln, so konnte dies nur durch den Eintritt von 3 Kth Kohlenstoff an die Stelle von 1 Kth Was- serstoff geschehen. Das Ersatzgewicht des Kohlenstoffs ist also 3 Kth und es ist mithin das Yerbindungsgewicht des Kohlenstoffs gleich dem vierfachen Ersatzgewichte. In den betraehteten Fallen stimmen also entweder Verbin- dungsgewicht und Ersatzgewicht iiberein, oder aber die Ver- bindungsgewichte sind Multipla der Ersatzgewichte. Be- stiramten wir die Ersatzgewichte auch der iibrigen Ele- mente , deren Verbindungsgewichte uns bekannt sind , wir wiirden zu ganz ahnlichen Ergebnissen gelangen. Lassen wir diese auf dem Wege der Erfahrung ermit- telte Beziehung als eine allgemeine gelten, so besitzen wir offenbar in der Ersatzgewichtsbestimmung ein Mittel, um uns auch iiber das Verbindungsgewicht eines Elementes einige Aufklarung zu verschaffen. Wenden wir diese Erfahrungen auf die Metalle Natrium und Kalium an, so ist es klar, dass das Verbindungsge- wicht des Natriums durch die Zahlen 23, 2 X 23, 3 X 23 ...n X 23, das Verbindungsgewicht des Kaliums durch die Zahlen 39, 2 X 39, 3 X 39 ... n X 39 ausgedriickt ist. Wir wiirden also je nach dem wir den einen oder den an- deren dieser "Werthe als Verbindungsgewicht gelten liessen, eine ganze Reihe von Symboleu fur die beiden Metalle erhal- ten, welche wir durch Accente von einander unterscheiden konnten. Auf diese Weiee erhielte man: fur das Natrium 23 Na'; 2 X 23 = 46 = Na"; 3 X 23 = 69 = Na'" und n X 23 = Na ra und fur das Kalium 39 = K'; 2 X 39 = 78 = K"; 3 X 39 117= K'" und n X 39 = K'' und die Chloride, Oxide und Nitride der beiden Metalle wiirden sich durch folgende Form ein darstellen: Einlcitung in die moderne Choraie. |JJ 194 Einwirk. d. Natr. u. Kal. auf d. typ. WasserstoffVerb. Natriumverbinduii gen des Chlors, des SauerstojGfs, des Stickstoffs. Na' Cl Na Na N Na" Cl, Na" NaJ' N 2 Na"'Cl :J Na"0 8 Na'" N Na- C1 B Na 0, NaJ N M . Kaliumverbindungen des Chlors, des Sauerstoffs, des Stickstoffs. K' Cl K0 KJ N K" C1 2 K" K? N 2 K'"C1 3 K5"0 8 K'"N K" CU KJ O rt KJ N Je nachdem wir das einfaclie, zweifache, dreifache . . . n- fache Ersatzgewicht als Verbindungsgewicht des Natriums und Kaliums gelten lassen, werden auch die Gleichungen, welclie die Einwirkung dieser Metallic auf den Chlorwasserstoff, das Wasser und dasAmmoniak darstellen, eine verschiedene Form annehmen. Wir begniigen uns hier die Gleichungen fiir den einfachsten Fall zu geben, wie sie sich namlich gestalten, wenn Verbindungsgewicht und Ersatzgewicht zusammenfallen. Einwirkung des Natriums auf Chlorwasserstoff . H Cl + Na = Na Cl -f- H Wasser H,0 -f 2Na = Na 2 -f 2 H Ammoniak . . . H 3 N + 3 Na = Na 3 N + 3 H. Einwirkung des Kaliums auf Chlorwasserstoff . H Cl -f- K = K Cl + H Wasser H 2 + 2 K = K,0 + 2H Ammoniak . . . H 3 N -f 3 K = K 3 N -f 3 H. Auf die Methode der Ersatzgewichtsbestimmung, die wir hier fiir das Natrium und Kalium kennen gelernt haben, sind wir fiir eine grosse Anzahl anderer metallischer Elemente hingewiesen, welche bis jetzt in gasformig erforschbare Ver- bindungen nicht haben iibergefiihrt werden konnen. Die Ersatzgewichte beanspruchen deshalb unser Interesse in eben so hohem, wenn nicht noch hoherem Grade, als friiher die Ableitung des Ersatzgew) elites aus den Chloriclen. 195 Verbindungsgewichte , und wir fragen uns zunachst gerade wie daraals, ob uns zur Ermittelung des Ersatzgewichtes eines Elementes nicht auch noch andere Wege offen stehen, als die Bestimmung derjenigen Gewichtsmenge, welche 1 Kth, d. h. das Yerbindungsgewiclit des Wasserstoffs in seinen Ver- bindungen ersetzt. Eine einfache Ueberlegung zeigt uns, dass wir zu diesein Ende niit demselben Rechte die Gewichts- menge ermitteln konnen, welche 35,5 Kth Chlor, d. h. das Verbindungsgewicht des Chlors in seinen Verbindungen ver- tritt, gerade BO wie wir fiir die Bestimmung des Verbindungs- gewichtes eines Elementes, welches wir zunachst aus der Was- serstoffverbindung abgeleitet hatten, spater auch die Chlorver- bindung in Anspruch nehmen durften. Indem wir die Gewichts- mengen Jod, SauerstoiF, Stickstoff, Kohlenstoff ermittelten, welche an die Stelle von I Kth Wasserstoff treten miissen, um den Chlorwasserstoff in die Chloride der vier genannteii Ele- mente zu verwandeln, ergaben sich die Ersatzgewichte des Jods, des SauerstofFs, des Stickstoffs, des Kohlenstoffs be- ziehungsweise zu 127 Kth, 8 Kth, 4,66 Kth und 3 Kth. Geuau dieselben Werthe finden wir aber, wenn wir die Gewichte Jod, Sauerstoff, Stickstoff und Kohlenstoff bestinimen, welche in dem Chlorwasserstoff 35,5 Kth Chlor ersetzen miissen, um densel- ben beziehungsweise in Jodwasserstoff, Wasser, Ammoniak und Grubengas uberzufiihren. Wenn wir bisher der Auffassung des Ersatzgewichtes stets den Chlorwasserstoff zu Grunde gelegt, wenn wir Ersatz- gewicht eines Elementes diejenige Gewichtsmenge desselben genannt haben, welche bei seinem Uebergang in die Chlor- verbindung das Verbindungsgewicht des Wasserstoffs, oder aber bei seinem Uebergang in die Wasserstoffverbindung, das Verbindungsgewicht des Chlors in dem Chlorwasserstoff er- setzt, so heisst dies, da ja bei der Bildung des Chlorwasser- stoffs 1 Verbindungsgewicht Wasserstoff mit 1 Verbindungs- gewicht Chlor zusammentritt, nichts anderes als die Gewichts- menge, welche sich mit 1 Verbindungsgewicht Chlor oder 1 Verbindungsgewicht Wasserstoff vereinigt. AVir diirfeu uns 13* 196 Bestimmung cles Ersatzgewichtes aus also bei der Bestimmung des Ersatzgewichtes der vollkommen berechtigten, aber immerhin etwas schwcrfalligen Betrachtung, aus welcher wir den Begriff dessclbeu zuerst schopften, ganz und gar begeben und uns begniigen, das Gewicht eines Ele- mentes zu ermitteln, welches entweder mit 1 Kth Wasserstoff oder 35,5 Kth. Chlor zusammentritt. Ein Blick auf die fol- gende Tabelle zeigt uns die Methode der Ableitung des Ersatzgewichtes in iibersichtlicher Form: Es sind verbunden im Chlorwasserstoff Cl mit H Jodchlorid Cl I Sauerstoffchlorid 2 Cl mit also Cl N StickstofFchlorid 3 Cl N Cl Kohlenstoffchlorid .... 4 Cl C Cl Oder aber im Chlorwasserstoff H mit Cl Jodwasserstoff H I Wasser 2 H mit also H - Ammoniak 3 H N H - Grubengas 4H C H Bei der Ersatzgewichtsermittelung eines Elementes sind wir also von volumetrischen Bestimmungen vollkommen un- abhiingig geworden. Die ponderale Untersuchung seiner Wasserstoff- und Chlor verbin dung geniigt fiir diesen Zweck. Allein wir sind nicht auf die Wasserstoff- und Chlorverbin- dungenbcschrankt; die Bromide, die Jodide entsprechen in ihrer Zusammensetzung den Chloriden, den Wasserstoffverbindungen (vgl. S. 1 7 1 u. 1 56). Wir erhalten also ganz allgemein das Ersatz- gewicht eines Elementes, indem wir die Gewichtsmenge er- Sauerstoff-, Stickstoff- u. Kohlenstoffverbindungen. 197 mitteln, welche rnit 1 Verbindungsgewicht Wasserstoff, Chlor, Brom und Jod zusammentritt, von Elementen also, bei denen Verbindungsgewicht und Ersatzgewicht zusanamenfallen. Aber raehr noch, wir konnten jede andere Verbindung, Sauerstoff-, Stickstoff- uud Kohlenstoffverbindung, der Ersatzgewichtsbe- stimmung zuGrunde legen, vorausgesetzt, dass die Beziehung zwischen Verbindungsgewicht und Ersatzgewicht fur das be- treffende Element ermittelt ist. Wollten wir das Ersatz- gewicht eines Elementes aus seiner Sauerstoffverbindung be- stininien, wir miissten die mit dem Verbindungsgewicht des Sauerstoffs vereinigte Gewichtsmenge mit 2 dividiren, da ja das Verbindungsgewicht des Sauerstoffs gleich dem doppelten Ersatzgewicht ist; oder aber es sollte die Stickstoff-, die Kohlenstoffverbindung der Ersatzgewichtserinittelung zu Gruncle gelegt werden: es ware alsdann die mit 1 Verbin- dungsgewicht Stickstoff oder Kohlenstoff zusammentretende Gewichtsmenge des Elementes beziehungsweise mit 3 oder 4 zu dividiren, weil das Verbindungsgewicht des Stickstoffs das Dreifache, das Verbindungsgewicht des Kohlenstoffs das Vier- fache des Ersatzgewichtes ist. Allein fur die Ermittelung auch des Ersatzgewichtes, gerade so wie friiher des Verbin- dungsgewichtes, wiirden wir den Verbindungen der Elemente, welche sich zu gleichen Volumen und ohne Verdichtung mit einander vereinigen, also des Wasserstoffs, Chlors, Broms und Jods, den Vorzug geben, weil sich aus ihrer Untersuchung die Ersatzgewichte direct ergeben. Wenn uns die Bestiinmung der Ersatzgewichte zunachst fiir diejenigen Elemente von Wichtigkeit ist, welche sich der Verbindungsgewichtsbestimmung entziehen, so wird sich doch die Erraittelung derselben auch fiir solche Falle empfehlen, in denen, sei es wegen Mangel an geeigneten Verbindungen, oder weil der Versuch besondere Schwierigkeiten geboten hatte, dem aufgefundeneii Verbindungsgewichte noch irgend welche Zweifel anhaften. In solchen Fallen Hesse sich die Be- stimmung beider Werthe nicht selten mit gliicklichstem Erfolge combiniren. Fiele das aufgefundene Verbindungsgewicht mit 198 Combin. d. Ersatzgewichts- u. Verbindurigsgcxvichtsb. dem Ersatzgewichte zusammen, oder erwiese es sich als ein Multiplum desselben, so wiirden wir dasselbe alsbald mit dop- peltem Vertrauen begriissen. Oft auch kann die Ersatzgewichtsbestiminung zur Er- mittelung von Werthen fiihren, welche wir als Verbin- dungsgewichte bezeichnen diirfen, obwohl dieselben in gas- formigen Verbindungen bisher nicht aufgefunden worden sind. Ein Beispiel moge schliesslich aucli diesen Fall veranscbau- lichen. Wir erinneru uus , class die Verbindungsgewichts- bestimmung des Fluors (vergl. S. 186) bis jetzt zu einem be- friedigenden Abschluss nicht gelangt ist. In dem Zweiliter- volum des Siliciumfluorids und des Borfluorids hatten wir bezieliungsweise 76 und 57 Kth Fluor aufgefunden. Aus diesen Zahlen hatten wir geschlossen, dass das Verbiudungs- gewicht des Fluors 19 Kth oder ein aliquoter Theil dieses Werthes sein musse. Versuchen wir nun auch noch, das Er- satzgewicht des Fluors zu bestimmen. Wie das Chlor, das Brom und das Jod, vereinigt sich das Fluor mit dem Wasser- stoff; die Verbindung ist der durch seine glasatzenden Eigen- schaften ausgezeichnete , in vieler Beziehung an den Chlor- wasserstoff erinnernde FluorwasserstofF. Die Gewichtsanalyse hat nun in der That nachgewiesen, dass in dem Fluorwasser- stoff 1 Kth "WasserstofF und 19 Kth Fluor verbunden sind. Das Ersatzgewicht des Fluors ist also unzweifelliaft 19 Kth. Da aber das Verbindungsgewicht entweder mit dem Ersatz- gewichte zusammenfallt oder ein Multiplum desselben ist, so zogern wir keinen AugeubKck, die Zahl 19 auch als das Ver- bindungsgewicht des Fluors gelten zu lassen, und wir sind iiberzeugt, dass man, wenn esgelingt*), das Volumgewicht des Fluorwasserstoffgases zu ermitteln, in dern Zweilitervolume desselben 19 Kth Fluor auffinden wird. *) Wahrend diese Blatter durch die Presse gehen, ist die mit grossen experimentalen Schwierigkeiten verbundene Gasvolumgewiditsbestimiuuiio- des FluorwasserstoiTs ausgefiihrt worden , und es hat sich aus dcrselben in der That das Verbindungsgewicht des Fluors ^^ 19 ergeben. Volumgewicht des Quecksilbergases. 199 Aus den angefiibrten Beispielen erhellt zur Geniige, in wie vielen Fallen und in wie mannigfaltiger Weise die Er- satzgewichtsbestimmung fiir den Aufbau der chemischen Zei- chensprache Verwendung findet. Wir wollen gleichwohl nicht vergesseu, dass wir die Grundpfeiler derselben gerade in den Verbindungsgewicliten besitzen und dass wir daher fiir die Elemente, bei denen wir nur das Ersatzgewicht kennen , stets bestrebt sind, auch nachtraglich noch das Verbindungsgewicht zu ermitteln. Und diese Bestrebungen sind um so dringender geboten, als sich der Ermittelung der Ersatzgewichte einige Schwierigkeiten in den Weg stellen, welche wir erst in der Folge kennen lernen werden, wenn wir besser fiir ihr Ver- standniss und somit auch fiir ihre Beseitigung vorbereitet sein werden. Im Hinblick auf diese Schwierigkeiten aber warden wir im Interesse der Verbindungsgewichtsermittelung es selbst nicht unterlassen, wo dies moglich ist, auf die Gas- volumgewichtsbestimmung der Elemente selbst zuriickzugehen, obwohl wir den Ergebnissen dieser Bestimmung keine end- giiltige Entscheidung einraumen. Die Gasvolumgewichte, wir eriunern uns, stimmen in der grossen Mehrzahl von Fallen mit den Verbindungsgewichten uberein, und wo imnier eine Abweichung stattfindet, existirt wenigstens ein sehr einfaches Verhaltniss zwischen beiden Ge- wichten. Fiir den Phosphor und das Arsen haben wir bereits ermittelt, dass die Gasvolumgewichte doppelt so gross sind wie die Verbinclungsgewichte (vergl. S. 149); in ahnlicher Weise hat es sich bei der Untersuchung des Quecksilbergases her- ausgestellt, dass sein Volumgewicht nur halb BO gross ist als sein Verbindungsgewicht. Letzteres ist uus bereits bekannt (vergl. S. 163); wir ermittelten es durch die Erforschung des Chlorids. Die in dem Zweilitervolum Quecksilberchlorid ent- haltene Gewichtsmenge Quecksilber betragt 200 Kth, und wir setzteu daher Hg=200. Bei der Volumgewichtsbestimmung zeigt es sich, dass das Quecksilbergas 100 nial schwerer als der Wasserstoff ist. Das Gewicht des Xormalliters Quecksil- bergas ist also 100 Kth, welche Gewichtsmenge wir in der fiir 200 Piiysik. Hulfsmittel f. d. Verbindungsgewichtsbest. die Volumgewichte angewendeten Urarissschrift init ETg = 1 00 symbolisiren. Wahrend wir also fiir den Phosphor und das Arsen = - and As = finden, haben wir fiir das Quecksilber Eg = 2 Hg. Hieraus folgt schon, dass uns die Gasvolumgewichte der Elemente keinen sicheren Halt fiir die Bestimmung ihrer Verbindungsgewichte bieteu. Nehmen wir an, es ware gelun- gen, die Volumgewichte des Natrium- und Kaliumgases zu ermitteln, und es hatten sich diese Gewichte beziehungsweise zu 23 und 39 ergeben, so konnten wir uns allerdings fiir berechtigt halten, in der Uebereinstimmung dieser Zahlen mit den Ersatzgewichten der beiden Metalle cine Garantie zu er- blicken, dass sich dieselben auch als die Verbindungsgewichte herausstellen werden; allein wenn wir die eben erwahnte Abweichung bei clem Quecksilber bedeuken, so ist es klar, dass die angenommener Maassen durch den Versuch bestimrn- ten Volumgewichte 23 und 39 beziehungsweise des Natrium- und Kaliumgases die Zahlen 2X23 = 46und2X39 = 78 fiir die Verbindungsgewichte der beiden Metalle nicht ausschliessen , wahrend freilich die Vermuthung, dass das Natrium und Kalium eine der des Phosphors und Arsons analoge Abweichung zeigen, d. h. die Verbindungsgewichte QO OQ - 11,5 und = 19,5 haben konnten, auf Grund des 2 2 bekannten Ersatzgewichtes abgelehnt werden muss. Bei der grossen Schwierigkeit , welclie die sorgfaltige Erforschung erst bei holier Temperatur gebildeter Gase bie- tet, darf man sich kaum der Hoffnung hingeben, dass die bis jetzt unbekaunt gebliebenen Verbindungsgewichte vieler Ele- mente durch die Gasvolumgewichtsbestimmung noch nach- traglich werden ermittelt werdeu. Es kann daher nicht auf- fallen, dass man sich bemiiht hat, weitere Anhaltspunkte fiir die Bestimmung des Verbindungsgewichtes zu gewinnen. Specifische Warme cler Elemente. 201 Diese Anhaltspunkte sind von den Chemikern auf den verschiedensten Gebieten der Wissenschaft eifrig gesucht und, f'iigen wir alsbald hinzu, theilweise wenigstens auch gefunden worden. Es sind zumal verschiedene physikalische Beobach- tungen, welche in dieser Beziehung hochst werthvolle Auf- schliisse geliefert haben. Hier verdienen vor Allem die merkwiirdigen Ergebnisse erwahnt zu werden, zu welchen die Untersucbung der speci- fiscben Warme der Elemente gefiibrt bat. DerVersuch zeigt, dass dieselben Gewicbte verscbiedener Elemente, um von einer gegebenen Temperatur auf eine andere gebracbt zu werden, sebr ungleicber Warmernengen bediirfen. Wir sagen, die specifischen Warmen der verschiedenen Elemente sind ungleicb. Vergleicbt man andererseits die Warme- mengen, welcbe erforderlich sind, um die Verbindungsgewicbte der Elemente von eiuer gegebenen Temperatur auf eine andere zu briugen, so zeigt sicb das bemerkenswertbe Resultat, dass diese Warmemengen gleich sind. Wir sagen, die specific schen Warmen der Verbindungsgewicbte verschie- dener Elemente sind gleicb. Dieses Gesetz bat leider seine nocb keineswegs hinreichend erklarten Ausnabmen, sonst waren wir mit seiner Erkenntniss im Besitz der einfachsten und allgemeinsten Methode der Verbindungsgewichtsbestim- mung. Allein obgleich wir dem erwahnten Gesetze eine un- beschrankte Geltung nicht einriiumen diirfen, so liefert uns doch die Untersuchung der specifischen Warme eines Elementes sebr haufig hochst willkommeue Bestatigung von Ergebnissen, zu denen wir auf anderem Wege gelangt sind, und es mag schon hier bemerkt werden , dass die Chemiker schoii deshalb geneigt sind, die Ersatzgewichte des Natriums undKaliums auch als die Verbindungsgewichte dieser beidenMetalle gelten zu lassen, weil die Bestimmung der specifischen Warme der genannten Metalle ebeufalls beziehungsweise zu den Zahlen 23 und 39 gefuhrt hat. Es verdient hervorgehoben zu werden, dass die Unter- suchung der specifischen Warme der Elemente uns werth- 202 Physik. Hiilfsmittel f. d. Verbindungsgewichtsbest. voile Fingerzeige fiir die Bestimmung ihrer Verbindnngs- gewichte ganz besonders gerade in denjenigen Fallen liefert, in welchen wir ihrer am meisten bedurfen, also bei der Erfor- schung von Elementen, die nicht nur selbst feuerbestandig sind, sondern auch keine fliichtigen Verbindungen bilden. Allein auch fiir die Bestimmung der Verbindungsgewichte von Elementen, welche fliichtige Verbindungen eingehen, deren Volumgewicht man bestimmen kann, ist die Erinit- telung der specifischen Warme von hohem Interesse, insofern sie uns fiir die bereits bestimmten Verbindungsgewichte eine willkommene Bestatigung bietet. Ueber die Verbindungsgewichte der Metalle Quecksil- ber, Wismuth und Zinn, welche wir in einfacher Weise aus der Gasvolumgewichtsbestimmung und Analyse ihrer Chlo- ride ermittelt haben (vergl. S. 163 bis 165), ist uns kein Zwei- fel geblieben, wir finden gleichwohl mit Genugthuung, dass die fiir die drei Metalle aufgefundenen Zahlen auch in der Bestimmung der specifischen Warme derselben eine unzwei- deutige Bestatigung gefunden hat. Die vier Metalle Silber, Blei, Gold und Platin ande- rerseits hat man bis jetzt in Verbindungen, welche sich gas- formig erforschen lassen, nicht iiberfiihren konnen. Die Ver- bindungsgewichte des Silbers, Bleis , Golds uud Platins sind daher nicht ermittelt. Nichts ist aber leichter, als die Ersatzgewichte derselben zu bestimmen. Die vier Metalle bilden leicht darstellbare wohlcharakterisirte Chlorverbin- dungen, deren Analyse zu den folgenden Ergebnissen ge- fiihrt hat: 35,5 Kth Chlor verbinden sich mit 108 Kth Silber, n 103,5 Blei, 65,56 Gold, 49,35 Platin. Diese Zahlen driicken die Ersatzgewichte der vier Me- talle aus. Wollten wir die Chloride derselben aus dem Chlor- wasserstoff darstellen, so wiirden wir 108 Kth Silber, 103,5 Krystallforin der Verbindungen. 203 Kth Blei, 65,56 Kth Gold und 49,35 KthPlatin bedurfen, urn 1 Kth Wasserstoff zu ersetzen. Man hat nun auch die spe- cifische Warme der genannten Metalle ermittelt und gefunden, dass dieselbe Warmemenge , welche 200 Kth Quecksilber, 208 Kth Wismuth, 118 Kth Zinn, d. h. die Verbindungsge- wichte clieser Metalle, z. B. von auf 100, zu erwarmen vermag, auch fiir 108 Kth Silber nothwendig ist, dass sie dagegen fur 207 2 X 103,5 Kth Blei, fur 196,7 = 3 X 65,56 Kth Gold und endlich fiir 197,4 = 4 X 49,35 Kth Platin ausreicht. Die Bestimmung der specifischen Warme wiirde also andeuten, dass bei dem Silber Verbindungsgewicht und Ersatzgewicht zusammenfallen , dass die Verbindungsgewichte des Bleis, des Golds, des Platins dagegen beziehungsweise zweimal, dreinial und vierrnal so gross sind, als die Ersatz- gewichte dieser Metalle. In ahnlicher Weise hat man die Un- tersuchung der specifischen Warme fur die Feststellung der Verbindungsgewichte einer Reihe von anderen Metallen zu verwerthen versucht. Die Betrachtung der Krystallformeu, welche den Kor- pern eigenthumlich sind, hat ebenfalls zu wichtigen Anhalts- punkten fiir die Bestimmung der Verbindungsgewichte ge- fiihrt. Man hat gefunden, dass Korper von analoger Consti- tution gewohulich isomorph sind, d. h. beim Krystallisiren dieselben oder stammverwaudte Forrnen aimehmen. Verglei- chung zweier gleichkrystallisirter Verbindungen, die eine aus Elementen von bekannten Verbindungsgewichten, die andere aus Elementen gebildet, deren Verbindungsgewichte nur unvollkornmen oder selbst gar nicht bestimnit sind, hat in einer grossen Auzahl von Fallen den Schliissel zur Ermitte- lung der wahrscheinlichen Verbindungsgewichle geliefcrt. Es liegt nicht in unserem Plane, die physikalischeu Hiilfs- mittel fiir die Verbindungsgewichtsbestimmung an dieser Stelle naher ins Auge zu fassen. Dies konnte nur gescheheu, wenn wir ihre Anwendung auf besondere Falle ins Einzelne verfolgten. Wir wiirden aber zu dem Ende das engum-. grenzte Gebiet, auf welches wir uns bisher absichtlich fast 204 Physik. Hulfsmittel spaterer Betracht. vorbehalten. ausschliesslich beschrankt haben, mehr und mehr verlassen miissen. Wir begniigen uns daher , auf diese fur den Che- miker hochst wichtigen Beziehungen schon hier in allgemei- nen Ziigen aufuierksam gemacht zu haben. Hire eingehende Betrachtung bleibt mit Vortheil einer spateren Periode vor- behalten, wenn uns Bekanntschaft mit einer grosseren Anzahl von Elementen und ihren Verbindungen fur das Verstand- niss dieser Beziehungen besser vorbereitet haben wird. Fiir den Augenblick enthalten wir uns jeder weiteren Erorterung iiber die Verbindungsgewichte und die Methoden ihrer Bestimmung. Wir nehmen aber deshalb von den Verbin- dungsgewichten, denen schon jetzt unser ganzes Interesse ge- hort, keinen Abschied. Nach welcher Richtung iinmer sich unsere Forschung lenke, iiberall begleiten uns diese Gewichte, deren Sinn und Bedeutung uns nicht langer zweifelhaft sind. Unmittelbarer Erwerb der Erfahrung, hervorgegangen aus der einfachen Beobachtung, deren Ergebniss sich in jeder neuergriindeten Erscheinung bewahrheitete , dienen uns die Verbindungsgewichte als die Landmarken , nach denen wir uns auf dem bereits durchforschten Gebiete zurechtfinden, und nach denen wir auch in der Folge uuseren Curs steuern wollen. 205 IX. Verhalten des Stickstoffs zu dem Sauerstoff. Salpetevsaure ihr Anhy- drid ihre Zusammensetzung ihre Zersetzung durch dieWarme, durch Metalle durch Zinn , unter Bildung von Untersalpetersaure durch Silber, unter Bildung von salpetriger Saure durch Kupfer, unter Bildung von Stickstoffbxid durch Zink, unter Bildung von Stickstoffoxidul. Charaktere dieser Producte. Sind dieselben che- mische Verbindungen oder niechanische Mischungen? Erweiterung des Begriftes der chemischen Verbindung. Vereinigung zweier Ele- mente in verschiedenen Verhaltnissen. Gesetzder multiplen Pro- portionen. Zweiliterformeln der Stickstoff-Sauerstoffverbindungen. Verlialtnisse der Volume fertiger Verbindungen zu den Voluraen ihrer Beslandtheile. Elemente, welche sich in verschiedenen Verhaltnissen mit einander verbinden, haben verschiedene Ersatzgewichte. Die Er- satzgewichte des Stickstoffs aus seinen Sauerstoffverbindungen abge- leitet. Ungleiche Bedeutung der verschiedenen Ersatzgewichte eines Elementes. In den vorstehenden Abschnitten sind wir bemiiht ge- wesen, den Grnnd zu einem Gebaude zu legen, in dessen luftigem Fachwerk die Resultate der chemischen Forschung in iibersichtlicher, weil geordneter Reihenfolge Platz finden sollen. Die Grundmauern, welche eben zu Tage getreten sind, ruhen in dem sicheren Boden des Versuchs, dessen Ergebnisse uns in den meisten und gerade in den wichtigsten Fallen zur unmit- telbaren Anschauung gekommen sind. Eine grosse Anzahl von Thatsachen , welcher wir nachgerade fur die Weiterfuhrung unseres Baues bedurften, hatte gleichwohl unserer eigenen Beobachtung nicht ohne viele Schwierigkeiten zuganglich gemacht werden konnen, und in der Zuversicht, welche das Zeugniss schlagender Versuche in uns begriindet hatte, trugen wir daher kein Bedenken, auch das von Anderen erworbene Material fur unsere Zwecke zu verwerthen. Es war zumal in den letzten Abschnitten, dass wir uns fast ausschliess- 206 Verbindungen dcs Chlors, Sauerstoffs, Stickstoffs lich auf fremde Erfahrungen zu verlassen hatten, und leider konnen uns aucli die wichtigen Resultate der Forschung, denen sich unsere Aufmerksamkeit nunmehr zuzulenken hat, nur noch in vereinzelten Fallen unmittelbar vor Augen treten. Unter diesen Umstanden ruht der Blick nochmals mit erneu- tem Interesse auf den einfachen aber scharfumrissenen Bil- dern, welche uns der Versuch schon auf der Scliwelle un- serer Betrachtungen vorgefuhrt hat. Auch in dem Lichte betraclitet, welches von unseren neuesten Erfahrungen aus- geht, haben diese Bilder nicht an Frische verloren , und auch heute noch wie damals erblicken wir in dem Chlorwasser- stoff, dem Wasser, dera Ammoniak und dem Grubengas die grossen Modelle, nach denen sich die Materie mit Vorliebe in ihren Verbindungen gestaltet. Wir haben gleichwohl langst erfahren, dass die Natur weit davon entfernt ist, ausschliess- lich nach diesen Mustern zu arbeiten , und sind darauf vor- bereitet, den Reichthum ihrer Schopfungen in stets mannig- faltigeren Formen sich entfalten zu sehen. Wir brauchen in der That iiber die fiinf Elemente Was- serstoff, Chlor, SauerstofF, StickstofF und Kohlenstoff, welche unsere Aufmerksamkeit bisher so oft in Anspruch genommen haben, nicht hinauszugehen , um uns solchen neuen Formen gegeniiber zu finden. Sind es ja doch bisher fast ausschliess- lich die Wasserstoffverbindungen der vier letztgenannten Ele- mente gewesen, welche wir eingehend betrachtet haben. So sehr nun aber auch unser Interesse fiir diese vier typi- schen Verbindungen gerechtfertigt erschien, in denen wir die Hauptpfeiler unseres Banes zu erkennen glaubten, so diir- fen wir darum nicht suumen, die Bekanntschaft einer zahl- reichen Reihe von Verbindungen dieser uns gelaufigen Ele- mente zu machen, an deren Zusammensetzung der Wasserstoff keinen Antheil nimmt. An der Spitze dieser neuen Classe von Korpern begegnen wir den Verbindungen, welche das Chlor, der SauerstofF, der Stickstoff, der KohlenstofF mit ein- ander bilden. Die erschopfende Betrachtung sammtlicher Glie- der der reichhaltigen Gruppe, welche aus der Vereinigung der und Kohlenstoffs unter einander. Salpetersaure. 207 genannten Elemente unter einander hervorgeht, wiirde uns von dem Ziele, welches wir im Auge behalten miissen, zu weit abfiiliren ; fiir die Zwecke der vorliegenden Einleitung, welche gewisse Schranken nicht iiberschreiten darf, raiisseu wir uns begniigen, aus der reichen Kette der in Sicht tretenden Er- scheinungen ein einzelnes Glied herauszugreifen. Wir wollen zu deni Ende das Verhalten des Stickstoffs zu dem Sauerstoff der Untersuchung unter werf en, und es lenkt sich uusere Aufnierksamkeit alsbald einem der kraftigsten und haufigst angewendeten Agentien zu, iiber welche der Che- miker gebietet. Unter dem Nam en Aqua fortis ist seit Jahrhunderten eine Fliissigkeit bekannt, welche gegenwartig fiir die Zwecke der Industrie im Grossen dargestellt und als Salpetersaure bezeichnet wird. Diese Fliissigkeit enthalt neben Wasser eine Verbindung von Stickstoff mit Sauerstoff, welche, von dem Wasser vollstandig getrennt, wasserfreie Salpetersaure oder Salpetersaure-Anhydrid genannt wird. Die Tren- nung gelingt nicht ganz so leicht wie bei der Chlorwasser- stoffsaure, welche, wie wir uns erinnern, fiir diesen Zweck nur zurn Sieden erhitzt zu werden braucht. Durch geeig- nete Mittel, deren Betrachtung einer spateren Periode vor- behalten bleiben muss, hat man gleichwohl diese vollige Ent- wasserung der Salpetersaure bewerkstelligt. Die wasserfreie Salpetersaure stellt weisse, schmelzbare Krystalle dar, in denen die Analyse auf je 2 Lit. Stickstoff 5 Lit. Sauerstoff, oder dem Gewicht nach auf 2 X 14 = 28 Kth Stickstoff 5 X 16 = 80 Kth Sauerstoff nachgewiesen hat. Die wasserfreie Salpetersaure ist eine Verbindung von hochst geringer Bestandigkeit. Schon bei gelindera Erwarrnen zerlegt sie sich unter Entwicklung rother Darnpfe, welche beim Durchleiten durch Wasser zum grossen Theil verschluckt werden; der aus dem Wasser austretende Antheil ist ein farb- loses Gas, welches man mit Leichtigkeit als Sauerstoff erkennt. Allein nicht nur im wasserfreien Zustande zeigt die Sal- petersaure diese leichte Zersetzbarkeit. Die gewohnliche 208 Zersetzung der Salpetersaure wasserhaltige Saure liefert beim Erhitzen Dampfe, welch e sich bei schwacher Rothgliihhitze in cine ahnliche Mischting von Fig. 75. in Wasser loslichen rothen Dampfen und farblosem Sauerstoff zerlegen. Wir bringen diese Erscheinung am besten in einem kleinen Platinkolben, dessen Hals mit einer Abzugsro'hre ver- sehen ist, zur Anschauung (Fig. 75). In diesen Hals ist mit- telst Gyps eine glaserne Tropfrohre eingekittet, deren Kugel durch einen Hahn abgeschlossen werden kann. Korke oder Kautschuckpfropfen miissen bei dieser Operation vermieden werden, da sie von der Salpetersaure zerstort werden. Die Abzugsrohre des Kolbens ist mit einer U-Rohre in Verbindung, welclie, mit Ausnahme der an deni Bug angeblasenen Spitze, von kaltem Wasser umgeben ist. An dem anderen Ende der U-Rohre ist ein Entbindungsrohr befestigt, welches in eine Wasserwanne miindet. Unter dem Platinkolben steht ein kraftiger Gasbrenner. Wenn das Platin rothgliihend gewor- den ist, liisst man die Salpetersaure welche, damit sie das Platin nicht angreife, chlorwasserstofFsaurefrei sein muss durch die Warme. 209 tropfenweise aus der Kugel in den Kolben fliessen; alsbald entwickeln sich rothe Dampfe, welche zu einer braunen, aus der Spitze in ein Sammelkolbchen niederrinnenden Fliissigkeit verdichtet werden. Gleichzeitig treten aus dem Entbindungs- rohr farblose Gasblasen aus, welche man iiber Wasser auf- fangt. Sie werden ohne Schwierigkeit als Sauerstoff erkannt. Man hat nicht immer ein en Platinkolben zur Hand. Der Versuch lasst sich daher wohl auch in folgender Weise an- stellen (Fig. 76). Die Salpetersaure wird in einer Glasretorte zum Sieden gebracht; der ausgezogene Hals der Retorte ist Fig. 76 mittelst eines Korkes in eine Glasrohre befestigt, welche durch Gasflammen zu einer die Salpetersauredampfe zersetzenden Temperatur erhitzt wird. Das vordere Ende dieser Rohre ist knieformig gebogen; der kalt bleibende Bug dient zur Ver- dichtung der rothen Dampfe, sowie unzersetzt verfliichtigter Salpetersaure. In die Miindung endlich ist ein Entbindungs- rohr eingepasst, welches das Gas in eine "Wasserwanne zu fiihren und den gewaschenen Sauerstoff in Cylindern aufzu- sammeln gestattet. Der Yersuch sollte nicht ohne einige Vor- sichtsmaassregeln angestellt werden. Bei rascher Abkiihlung der aus der erhitzten Rohre austretenden, in Wasser theilweise Einleitung iu die modei'ne Chemie. 14 210 Zersetzung der Salpetersaure durch Metalle, loslichen Dampfe konnte das Wasser der Wanne unter dem Drucke der Atmosphare in der Entbindungsrohre aufsteigen und, in die gliihende Rohre tretend, Veraulassung zu einer heftigen Explosion geben. Diese Gefahr ist durch eine in den Tubu- lus der Retorte eingeschliffene Sicherh eitsrohre beseitigt, deren Verschlingung durcb eine kleine Saule von Salpeter- saure gesperrt ist. Bei plotzlich durch rasche Abkiihlung be- dingter Druckverminderung im Inneren des Apparates wiirde die Luft durch das Salpetersaureventil eindringen, ehe das Wasser der Wanne zuriicksteigen konnte. Eine aus 2 Lit. Stickstoff und 5 Lit. Sauerstoff bestehonde Verbindung sehen wir in diesem Versuche einen gewissen An- theil Sauerstoff entlassen, und es erhellt daraus, dass die rothen Dampfe, was immer sonst ihre Natur sein mag, auf 2 Lit. Stickstoff weniger als 5 Lit. Sauerstoff enthalten miissen. Die Abscheidung dieser rothen Dampfe aus der Salpeter- saure lasst sich selbst bei gewohnlicher Temperatur erreichen, wenn man die Saure der Einwirkung gewisser Korper aus- setzt, welche, wie z. B. die Mehrzahl der Metalle, eine grosse Anziehung fiir den Sauerstoff besitzen. Zinn, Silber, Kupfer, Zink werden schon beim blossen Eintauchen in Salpetersaure mit Heftigkeit angegriffen ; es ent- wickeln sich, wie bei der Einwirkung der Warme, gasformige Producte, denen aber diesmal kein Sauerptoff beigemengt ist. Der friiher freigewordene Sauerstoff wird jetzt von den Metallen in Beschlag genommen, welche sich damit zu sauer- stofflialtigpn Verbindungen, zu Oxiden, vereinigen. Die Menge des so entzogenen Sauerstoffs wechselt mit der Natur des Metalls und mit den Bedingungen des Versuchs, insbe- sondere der Temperatur und der Verdiinnung der angewen- deten Saure. Das Zinn entzieht der Salpetersaure unter giinstigen Um- standen J / 5 ihres Sauerstoffs unter Entwicklung braunrother Dampfe, welche sich bei niedriger Temperatur zu einer brau- nen Fliissigkeit und, wenn vollstandig entwassert, selbst zu weissen Nadeln verdichten. Dieser Korper. welcher den (lurch Zinn, Silber, Kupfer, Zink. 211 Namen Untersalpetersaure fiihrt, enthalt 2 Lit. Stickstoff mit 4 Lit. Sauerstoff verbunden, oder 2 X 14 = 28 Kth des ersteren mit 4 X 16 =: 64 Kth des letzteren Elements. Unter geeigneten Bedingungen der Einwirkung des Sil- bers ansgesetzt, verliert die Salpetersaure 2 /. 3 ihres Sauerstoff- gehaltes und verwandelt sich in einen gelblich rothen Dampf, der beim Abkiihlen zu einer blau-griinen Fliissigkeit verdichtet wird. Diese Fliissigkeit, welche man salpetrige Saure ge- nannt hat, enthalt 2 Lit. Stickstoff mit 3 Lit. Sauerstoff ver- bunden, oder 2 X 14 = 28 Kth Stickstoff und 3 X 16 48 Kth Sauerstoff. Bringt man Kupfer mit der Salpetersaure in Beriihrung, so eignet sich das Metall 3 /s ihres Sauerstoffgehaltes an; es entwickelt sich ein farbloses Gas, welches 2 Lit. Stickstoff mit 2 Lit Sauerstoff oder 2 X 14 = 28 Kth des ersteren mit 2 X 16= 32 Kth des letzteren Elementes verbunden enthalt. Dieses Gas, welches die Chemiker Stickstoffoxid genannt haben, besitzt die merkwiirdige Eiofenschaft, in Beriihrung mit der Luft sich in gelblich-rothe Dampfe zu verwandeln, indem durch Sauerstoffaufnahme wieder die sauerstoffreichere salpetrige Saure gebildet wird. Unter dem Einflusse des Zinks endlich werden der Sal- petersaure bei wohlgeleitetem Yersuche nicht weniger als 4 /5 ihres Sauerstoffgehaltes entzogen , unter gleichzeitiger Ent- wicklung eines im Wasser etwas loslichen, farblosen Gases, welches sich auch mit der Luft in Beriihrung farblos erhalt; in diesem Gase, welches wir Stickstoffoxidul nennen, sind 2 Lit. Stickstoff mit 1 Lit. Sauerstoff, dem Gewichte nach 2 X 14 = 28 Kth Stickstoff mit 16 Kth Sauerstoff gesellt. Die beschriebenen Versuche haben uns nicht weniger als fiinf verschiedene Stickstoff und Sauerstoff enthaltende Korper kennen gelehrt, deren Zusammensetzung dem Volum und Gewicht nach in der folgenden Tabelle zusammen- gestellt ist: 14* 212 Fiinf Verbindungen von Stickstoff und Sauerstoff. Name. Zusammensetzung, dem Volum nach: Stickstoff Sauerst. Stickstoffoxidul . . 2 Lit. -|- 1 Lit. Stickstoffoxid ... 2 -f 2 Salpetrige Saure .2 +3 Untersalpetersaure 2 -f~ 4 Salpetersaure . . 2 -f- 5 dem Gewicht nach: Stickstoff Sauerstoff 2 X 14 28 Kth -f 1 X 16 = 16 Kth 2X14 = 28 -f 2X16 = 32 2X14=28 -j- 3X16 = 48 2X14 = 28 -|- 4 X16 = 64 ^ 2X14 = 28 -j-5X16 = 80 N Oder, indem wir Volume und Gewicbte symbolisiren: Stickstoffoxidul. N" 1 4- Stickstoffoxid. Salpetrige Saure. 2N -f 2N + 20 2N + 30 2N + 40 2N + 50 Was uns bei sorgfaltiger Betrachtung dieser merkwiir- digen Reihe von Korpern zunachst auffallt, ist die Mannig- faltigkeit der Verhaltnisse , in denen Stickstoff und Sauer- stoff zusammentreten, wahrend wir in fruheren Versuchen die Elemente sich nur in einem Verbal tnisse vereinigen sahen. Bisjetzt sind wir in der Tbat nur mit einer chemiscben Verbindung von Wasserstoff mit Chlor, von Wasserstoff mit Untersalpetersaure. a Salpetersaure. Erweiterung d. Begriffs d. chemischen Verbindung. 213 Sauerstoff, von Wasserstoff init Stickstoff bekannt geworden, ob- wohl wir mechanische Mischungen dieser Gase in jedemVer- haltnisse erhalten konnten. Wir waren daher innerhalb der Grenzen unserer damaligen Erfahrung, als wir die chemische Verbindung von der mechanischen Mischung in der Weise unterschieden, dass wir in der ersteren dieEleinente in einem emzigen unveranderlichen Verhaltnisse zusammentretend an- nahinen, wahrend sie sich zur Bildung mechanischer Mischun- gen in inannigfachen Verhaltnissen gesellen konnen. Angesichts der Erscheinungen, mit denen wir soeben be- kannt geworden sind, konnen wir diese Vorstellung offenbar nicht langer gelten lassen. Wenn die fiinf oben betrach- teten Korper chemische Verbindungen und nicht mechanische Mischungen sind, so muss sich unsere fruhere Auffassung der chemischen Verbindung in der Art umgestalten und erwei- tern, dass sie diese Korper rait einschliesst ; dass diese Korper aber wahre chemische Verbindungen sind, dafur besitzen wir unzweideutige Beweise, einmal in der Bestimmtheit und Un- veranderlichkeit ihrer Zusammensetzung, dann aber auch in der wesentlichen Verschiedenheit ihrer Eigenschaften von den Eigenschaften ihrer elementaren Bestandtheile. Stickstoff und Sauerstoff sind farblose, in Wasser unlos- liche Gase, welche sich nicht zu Fliissigkeiteu und noch we- niger zu starren Korpern verdichten lassen. Die wasserfreie Salpetersaure einerseits und andererseits die Untersalpetersaure erstarren bei niedriger Temperatur zu weissen, krystallinischen Korpern. Die salpetrige Saure verdichtet sich bei niedriger Temperatur zu einer blaugriinen Fliissigkeit, das Stickstoff- oxid nimmt bei Beriihrung mit Luft eine braunrothe Farbe an, das Stickstoffoxidul endlich lost sich in Wasser mit gros- serer Leichtigkeit auf als seine beiden Bestandtheile. Es ist somit erwiesen, dass diese Korper keinesweg's me- chanische Mischungen, sondern wahre chemische Verbindungen des Stickstoffs und des Sauerstoffs sind, und wir werden auf diese Art unabweisbar zu der hochst wichtigen Schlussfol- gerung gefiihrt, dass sich zwei Eleniente in mehreren Ver- 214 Verbindung zweier Elemente haltnissen zu wahren chemischen Verbindungen vereinigen konnen, von denen jede verscliieden von der anderen und alle wieder verschieden von den elementaren Bestandtheilen sind. Der Unterschied zwischen mechanischer Mischung und che- mischer Verbindung ist deshalb nicht weniger scharf ausge- sprochen. In der mechanischen Mischung gesellen sich die Elemente in den mannigfaltigsten Verhaltnissen, deren Zahl durch willkiirliche Steigerung des einen oder des anderen Bestandtheils ins Unendliche vermehrt werden kann; in der chemischen Verbindung sind die Elemente in nur wenigen unveranderlichen Verhaltnissen geeinigt. Auf der einen Seite begrenzte, auf der anderen schrankenlose Mannigfaltigkeit; auf der einen Seite scharf bestimmte, auf der anderen Seite ganz willkiirliche Verhaltnisse. Die Summe der moglichen Mischungen des Stickstoffs und des Sauerstoffs lasst sich in Zahlen nicht wiedergeben; der aufgefundenen Verbindungen sind nur ffinf: 2 Lit. Stickstoff verbinden eich chemisch, wie wir gesehen habeu, entweder mit 1,2, 3, 4 oder 5 Lit. Sauerstoff, oder indem wir von Volumen zu Gewichten iibergehen, 2 Verb.-Gew. Stickstoff vereinigen sich mit 1, 2, 3, 4 oder 5 Verb.-Gew. Sauerstoff und, so weit unsere Erfahrung reicht, in keinem anderen Verhaltnisse. Allein es ist nicht nur in der Be- schranktheit der Zahl von Verhaltnissen , in welchen zwei Elemente zusammentreten , dass sich der eigenthiimliche Cha- rakter der chemischen Verbindung kundgiebt, es ist gerade in den Verhaltnissen selbst, nach denen die Einigung stattfindet, dass sich ihr Unterschied von der mechanischen Mischung am klarsten spiegelt. Die einfachste Verbindung des Stickstoffs mit dem Sauerstoff ist das Stickstoffoxidul, in welchem 2 Lit. oder 2 Verb.-Gew. Stickstoff mit 1 Lit. oder 1 Verb.-Gew. Sauerstoff gesellt sind. Ein Blick auf die vorstehenden Tabellen zeigt uns, dass die Sauerstoffmengen, welche in dem Stickstoffoxid, in der salpetrigen Saure, in der Untersalpeter- saure, in der Salpetersaure mit 2 Lit. oder 2 Verb.-Gew. Stickstoff zusammentreten , zu dem Sauerstoff in dem Stick- iii mehreren Verhiiltnissen. 215 stoffoxidul in den einfachsten Verhaltnissen stehen, welche iiberhaupt denkbar sind. Die Stickstoffmenge, welche in der sauerstoffarinsten Verbindung mit 1 Lit. oder 1 Verb.- Gew. Sauerstoff zusammentrat, sehen wir in den sauerstoff- reicheren Verbindungen sich mit der doppelten, dreifachen, vierfachen, fiinffachen Menge Sauerstoff vereinigen. Indem wir die Quantitat des Stickstoffs in sainmtlichen Verbindungen constant setzen, sehen wir die Sauerstoffmenge in bestimmt abgemessenen Sprungen wachsen. In der Reihe der gebildeten Verbindungen herrscht keine Willkiir, wie in einer Reihe mechanischer Mischungen. Mit einem Worte: In der chemischen Verbindung einigen sich die Bestand- theile in wie immer mannigfaltigen, doch stets discreten Ver- haltnissen; in der mechanischen Mischung sind die Ver- haltnisse der Bestandtheile der Natur der Sachenach variabel. DieFahigkeit des Stickstoffs und Sauerstoffs, sich zu meh- reren scharf charakterisirten Verbindungen zu vereiuigen, findcn wir bei vielen, wir diirfen sagen bei den meisten Elemen- ten wieder. Die Verbindungen des Chlors mit dem Sauerstoff bilden eine gaiiz ahnliche Reihe, wie die Verbinduugen des Stickstoffs mit dem Sauerstoff, welche wir besprochen haben, wahrend der Wasserstoff und Sauerstoff, welche wir bisher nur zu Wasser vereint gesehen haben , sich zu einer zweiten Verbindung, dem sogenannten Wasserstoffsuperoxyd, ge- sellen, in welchem mit einer gegebenen Menge Wasserstoff zwei Mai soviel Sauerstoff als im Wasser vereinigt 1st. Deii Kohlenstoff haben wir bisher in Verbindung mit dem Wasser- stoff nur als Grubengas keunen gelernt, allein es giebt kaum zwei Elemente, welche zu einer grosseren Anznhl von Verbin- dungen zusammentreten als der Kohlenstoff und Wasserstoff. In der Folge werden wir in der That mit Fallen die- ser Art in so grosser Zahl und Mannigfaltigkeit bekannt werden, class wir die Fahigkeit in mehreren Verhaltnissen zusammenzutreten fur eine allgemeine Eigenschaft der elemen- taren Materie halten konnten, waren nicht Beispiele von Elemen- ten bekannt, welche nur eine Verbindung mit einander bilden. 216 Die Moglichkeit mehrerer Verbindungen zwischen Wasserstoff und Chlor, soweit unsere Kenntnisse reichen, vereinigen sich nur in dem einen Verhaltnisse , welches die Bildung des Chlorwasserstoffs bedingt, und in ganz ahn- licher Weise hat man bis jetzt nur eine Verbindung des Wasserstoffs und StickstofFs, namlich das Ammoniak, erzielt. Wenn uns die Fahigkeit der Elemente sich zu mehreren Verbindungen zu vereinigen, wie sie uns in der Stickstoff- sauerstoffreihe zum ersten Male und in entschieden ausge- sprochener Weise entgegentrat , bei dem Studium der typi- schen Wasserstofi ? verbindungen unenthullt blieb, so riihrt dies einerseits daher, dass mehrere der an ihrer Bildung betheiligten Elemente entweder gar nicht oder nur schwierig zu mehr als einer Verbindung sich vereinigen lassen, andererseits aber da- her dass wir bemiiht waren, den Blick auf em moglichst be- schranktes Feld der Beobachtung zu concentriren. Aber schou auf diesem beschrankten Gebiete waren wir einer grossen Anzahl von Verbindungen begeguet, in deren Zweilitervolura wir das eine der Elemente nach einander in einer ganzen Reihe von Verhaltnissen eintreten sahen , wahrend allerdings das zweite Element jedes Mai ein anderes wurde. In diesen Erfahrungen war jedoch offenbar die Existenz auch von Ver- bindungen angedeutet, in denen sich bei de^ Elemente nach einander in mehreren Verhaltnissen an der Bildung des Zwei- litervolums betheiligen. Wenn wir das Stickstoffoxidul , das Stickstoffoxid , die salpetrige Saure, die Untersalpetersaure, die Salpetersaure als Verbindungen ansprechen, in welche die Elemente. entweder in ihren Verbindungsgewichten selbst, oder in Miiltiplen derselben eintreten, befinden wir uns wieder auf bekanntem Grebiete, und die Mannigfaltigkeit in den Verbindungserscheinungen des Stickstoffs und Sauerstoffs, welche uns eben noch als neu und befremdlich erschien, schliesst sich dem Kreise altbekannter Erfahrungen an. In der That je sorgfaltiger wir die durch Vereinigung des Stickstoffs mit dem Sauerstoff entstehenden Korper unter- suchen , um so mehr finden wir, dass sie sich in jeder Be- ziehung den allgerneinen Verbindungsgesetzen unterordnen, zwei Elementen schon friiher angedeutet. 217 rait denen wir in den vorstehenden Abschnitten bekannt ge- worden sind. Wir haben bisher nur die Volumverhaltnisse , in denen die Elemente bei der Bildung der Stickstoff- Sauerstoffverbin- dungen zusammentreten, nicht aber die Volume der fertigen Verbindungen betrachtet. Wenn wir, um das regelmassige Wachsen des Sauerstoffs in der Reihe zu Tage treten zu las- sen, das Volum des an ihrer Bildung betheiligten Stickstoffs als constant setzten, so folgt hieraus nicht, dass auch sammt- liche Glieder der Stickstoff- Sauerstoffreihe in ihren Zweiliter- volumen dasselbe Volum Stickstoff enthalten, sich also nur durch die Verschiedenheit des Sauerstoffgehaltes von einander unterscheiden. Um die Zusammensetzung des Zweilitervolums, d. h. also die Formeln der Verbindungen, festzustellen , mus- sen wir die Gasvolumgewichte derselben bestimmen. Von den fiinf Verbindungen des Stickstoffs niit dem Sauerstoff hat man bisher nur drei im gasformigen Zustande erforschen konnen, das Stickstoffoxidul, das Stickstoffoxid, die Untersalpetersaure. Die Untersuchung dieser drei Verbin- dungen hat folgende Ergebnisse geliefert: Stickstoffoxidul. Gasvolumgewicht 22. Gewicht des Zweilitervolums 2 X 22 = 44 Kth. Zusammensetzung des Zweilitervolums : 28 Kth 2 X 14 = 2 Verb.-Gew. Stickstoff 16 =1 Verb.-Gew. Sauerstoff 44 Kth = 2 Lit. Stickstoffoxidul. Stickstoffoxid. Gasvolumgewicht 15. Gewicht des Zweilitervolums 2 X 15 30 Kth. Zusammensetzung des Zweilitervolums : 14 Kth = 1 Verb.-Gew. Stickstoff 16 1 Verb.-Gew. Sauerstoff 30 Kth = 2 Lit. Stickstoffoxid. 218 Zweiliterformeln Untersalpetersaure. Gasvolumgewicht 23. Gewicht des Zweilitervolums 2 X 23 = 46 Kth. Zusammensetzung des Zweilitervolums: 14 Kth = 1 Verb.-Gew. Stickstoff 32 = 2 X 16 =.- 2 Verb.-Gew. Sauerstoff 46 Kth = 2 Lit. Untersalpetersaure. Wir gelangen auf diese Weise zu den folgenden Formeln fiir die drci Verbindungen : Stickstoffoxidul. Stickstoffoxid. Untersalpetersaure. Nehmen wir fiir die salpetrige Silure und die Salpeter- saure, deren Gasvolumgewichte, weil sich diese Verbindungen ausserordentlich leicht zersetzen, bisher nicht haben bestimmt werden konnen, die eiufachsten Ausdriicke, welche sich aus dem Verhaltniss der zusammentretenden Elemental-volume er- geben, so erhalten wir fiir die Verbindungen des Stickstoffs mit dem Sauerstoff die folgende Reihe von Formeln : N 2 NO N 2 3 N0 2 Nj0 6 . Von den fiinfGliedern der Stickstoff-Sauerstoffreihe seheu wir also nicht weniger als drei in demselben Zweilitervolum zusauimengedrangt, in welchem auch die Element e unserer typischen Wasserstoffverbindungen und so vieler anderer Ver- bindungen, mit denen wir im Laufe unserer Untersuchungen bekannt geworden sind, bei ihrer Vereinigung Platz fanden, und es wirft sich die Frage auf, ob auch die Volume der Elemente, welche in den Formeln der beiden ubrigen Stick- stoff- Sauerstoffverbindungen neben einander stehen , sich zu 2 Litern verdichten. Zahlreiche Analogien sprechen ftir diese Anuahme, allein die Frage muss eine offene bleiben, bis es gelingt, die Gasvolumgewichte der salpetrigen Saure und der Salpetersaure zu ermitteln. der Stickstoff-Sauerstoffverbindungen. 219 Wir miissen also bei dem gegenwartigen Stande unserer Kenntnisse das erste, zweite und vierte Glied der Stickstoff- Sauerstoffreihe von dem dritten und fiinften Gliede unter- scheiden, insofern die Gasvolumgewichte, mithin auch die Ge- wichte der Zweiliter volume der drei erstgenannten durcli Beobachtung festgestellt sind, wahrend sie fiir die beiden letztgenannten bisher nicht haben bestiinmt werden kounen, mithin auch nur als gedachte Zweilitervolume gelten konnen. Bei der graphischen Darstellung der fiinf Verbindungen (S. 220) umrahmen wir die Zweilitervolume der salpetrigen Saure und der Salpetersaure , deren Gewicht noch naher zu bestimmen ist, wiederum mit punktirten Linien, durch welche wir ahuliche Zweifel bereits mehrfach angedeutet haben. 220 Volumetrische Construction der Stickstoff- Sauerstoff- Reihe. N N Stickstoffoxidul. Stickstoffoxid. NO Salpetrige Saure. Salpetersaure. f r T 1 I N 2 0, I A I Verdichtungsverhaltnisse. 221 Vergleichen wir die Verdichtungsverhaltnisse. welche diese Tabelle zeigt, mit den Verdichtungsverhaltnissen der Elemente unserer typischen Wasserstoffverbindungen (siehe S. 75), so ergiebt es sich, dass das erste und vierte Glied der Reihe, die Verbindungen N 2 und N0 2 , obwohl ihrer eigenen Structur nach Gegensatze. dennoch, was das Verdichtungs- verhaltniss der zusammentretenden Elemente ( 2 /s) anlangt, treue Nachbildungen des Wassers (H 2 0) sind. In dem zwei- ten Gliede (NO) sind die Elemente ohne Verdichtung (Vi), ahnlich wie in dem Chlorwasserstoff (HC1), verbunden. Das dritte und fiinfte Glied endlich, die salpetrige Saure (N 2 3 ) und die Salpetersaure (N 2 5 ), wiirden, falls sich unsere An- nahme hiusichtlich ihrer volumetrischen Construction besta- tigt, weniger einfache Verdichtungsverhaltnisse ( 2 / 5 und 2 / 7 ) darstellen, fiir welche unsere bisherigen Erfahrungen keine Vorbilder liefern. Mit dem nothigen Vorbehalte, welchen die bis jetzt nur wahrscheinlichen Volumgewichte der salpetrigen Saure und der Salpetersaure erheischen, diirfen wir unsere bisher ge- sammelten Erfahrungen iiber die Verdichtung, welche gas- formige Elemente bei ihrem Zusammentreten zu chemischen Verbindungen zeigen, in folgender Weise zusammenfassen : Volumetr. Zusammensetzung chemischer Verbindun- gen und Verdichtungsverhaltniss ihrer Elemente. Elementarbestandtheile. Verbindung. Verdichtungsverh. 1 Vol. + 1 Vol. = 2 Vol. 1 1 Vol. + 2 Vol. = 2 Vol. 2 /3 1 Vol. -f 3 Vol. = 2 Vol. 1/2 2 Vol. + 3 Vol. = 2 Vol. 2 /5 2 Vol. -f 5 Vol. = 2 Vol. 2 / 7 Mit der Erkenntniss, dass sich die Elemente in manuig- faltigen, aber doch immer discreten Verhaltnissen mit ein- ander zu chemischen Verbindungen einigen konnen , tritt eine schon friiher (vergl. S. 198) fliichtig angedeutete mehr 222 Elemente, die sich in mehreren Verhaltn. einigen, scheinbare als wirkliche Schwierigkeit an uns heran, die wir hier schliesslich noch einen Augenblick betrachten miissen. Es handelt sich um die Bestimmung der Ersatzgewichte. Wenn sicb ein Element mit einem zweiten in mehreren Ver- haltnissen verbinden kann, so muss es auch mehrere Er- satzgewichte besitzen. Wir haben friiher das Ersatzgewicht des Stickstoffs aus der Analyse des Amrnoniaks und des Chlor- stickstoffs ermittelt, indem wir die mit 1 Kth Wasserstoff oder 35T) Kth Chlor verbundene Gewichtsmenge = 4,66 Kth Stickstoff als Ersatzgewicht dieses Elementes ansprachen. Nunmehr aber soil das Ersatzgewicht aus den verschiedenen Sauerstoffverbindungen bestimmt werden. Wir ermitteln also, wie viel Stickstoff in einer jeden der uns bereits gelaufigen fiinf Verbindungen mit 1 Verbindungsgewicht Sauerstoff ver- einigt ist und dividiren, da bei dem Sauerstoff das Ersatz- gewicht gleich dem halben Verbingungsgewicht ist, die erhal- tenen Werthe mit 2. Es sind aber verbunden Dahe Sauerst. m. StickstofF. gew. d. Stickst. Im Stickstoffoxidul N 2 16 Kth 2X14 = 28 Kth y = 14 Stickstofforid NO,, 14 y=7 2 X 14 9 3'-? In der salpetr. Saure N 2 3 - = 9,33 Kth - L = 4,66 14 7 Untersalpeters. N 2 = 7 = 3,5 Snlpetersaure N 2 5 - = 5,6 ^- = 2,8 Wir sehen also den Stickstoff mit nicht weniger als fiinf verschiedenen Ersatzgewichten auftreten. Eine fliichtige Be- trachtung zeigt, dass alle diese Werthe den Charakter wahrer Ersatzgewichte tragen: sie alle sind aliquote Theile des Yer- bindungsgewichtes, denn es ist 1 X 14 = 2 X 7 = 3 X 4,66 = 4 X 3,5 = 5 . 2,8 = 14. Denken wir uns in der That die fiinf Oxide des Stickstoffs aus dem Oxide des Wasserstoffs, dem Wasser abgeleitet, so geniigt ein BHck auf die Formeln : haben mehrere Ersatzgewichte. 223 Wasser HI HI H| H) U Stickstoffoxidul NJO Sti Stickstoffoxid Salpetrige Siiure H Untersalpeters. H! O H| U H\ HJ H1 HJ N Salpetersaure um zu selien, dass bei der Bildung des Stickstoffoxiduls 2 Verb.-Gew. Wasserstoff durch 2 Verb.-Gew. Stickstoff, also 1 Kth Wasserstoff durch 14 Kth Stickstoff ersetzt werden, wahrend bei der Entstehung des Stickstoffoxids 1 Yerb.-Gew. Stickstoff an die Stelle von 2 Verb.-Gew. Wasserstoff, also 14 - 7 Kth Stickstoff an die Stelle von 1 Kth Wasserstoff tritt. Bei der Bildung der salpetrigen Saure andererseits werden 6 Verb.-Gew. Wasserstoff durch 2 Verb.-Gew. Stick- 224 Ungleiche Bedeutung verschiedener Ersatzgewichto. 2 stoff, also 1 Kth Wasserstoff durch X 14 = 4,66 Kth ver- treten. Untersalpetersaure wird erzeugt, wenn sich 1 Verb.- Gew. Stickstoff, 4 Verb.-Gew. Wasserstoff, also = 3,5 Kth 4 Stickstoff, 1 Kth Wasserstoff substituirt; bei dem Uebergang des Wassers in Salpetersaure endlich sind 2 Verb.-Gew. Stick- stoff an die Stelle von nicht weniger als 10 Verb.-Gew. Was- 2 serstoff, also 14 = 2,8 Kth Stickstoff an die Stelle von 1 Kth Wasserstoff getreten. Diirfen wir nun, diese Frage tritt schliesslich an uns heran, einem der verschiedenen Ersatzgewichte, welche wir fur ein Element aufgefunden haben, eine vorwiegende Bedeu- tung beilegen? Diese Frage wird man wohl in den meisten Fallen mit Ja beantworten diirfen. Wir hatten zu unter- suchen, mit welchem Ersatz werthe ein Element am haufigsten bei der Bildung chemischer Verbindungen, mit welchem Ersatz- werthe es bei der Bildung der wichtigsten Verbindungen, auftritt, und wiirden alsdann dem am haufigsten und in den wichtigsten Verbindungen vorkommenden unsere besondere Aufmerksamkeit schenken. Bei dem Stickstoff beansprucht das Ersatzgewicht 4,66 den iibrigen gegeniiber schon deshalb unser vorwaltendes Interesse, weil wir diesem Werthe als Ersatz von 1 Kth Wasserstoff schon in mehreren Fallen, zu- nachst bei der Ableitung des Ammoniaks, dann des Chlor- stickstoffs aus dem Chlorwasserstoff und schliesslich wieder bei der Ableitung der salpetrigen Saure aus dem Wasser be- gegnet sind. Dieses Interesse wird sich aber noch wesentlich hohen, wenn wir die Stellung des Ammoniaks als typische Verbindung ins Auge fassen, von der sich, wie uns die wei- tere Entwicklung unserer Studien zeigen wird, zahllose Ver- bindungen ableiten, in denen alien, ob wir sie auf den Chlor- wasserstoff oder das Wasser beziehen, wir den Stickstoff stets mit dem Ersatzgewichte 4,66 auftreten sehen werden. 225 X. Speculative Auffassung chemischer Erscheinungen. Hypothese und Theorie. Natur der Materie. Starrer, fliissiger und gasfbrmiger Zustand der Materie. Zusammensetzung der Materie. Mole und Molecule. Molare und moleculare Thatigkeiten in der Materie. ' Moleculare Anziehuug, moleculare Abstossung. Molare und mole- culare Theilung der Materie, erstere eine reale, letztere eine ideale Theilung. Anhaltspunkte fur die Molecularspeculation. Verwer- thung der Warmeerscheinungen im Sinne derselben. Wirkung der Warme auf die Korper. Latent\verden von Warme bei dem Ueber- gang vom starren in den fliissigen und vom fliissigen in den gasfor- migen Zustand. Ungleichmassige Ausdehnung starrer und fliissiger, gleichmassige Ausdehnung gasformiger Korper durch die Warme. - Experimental Demonstration des Verhaltens der Gase unter dem Ein- flusse gleicher Veranderungen der Temperatur und des Druckes. Begrenzte Theilbarkeit der Materie. Gleichartigkeit der Molecular- structur einfacher wie zusammengesetzter Gase. Zusammensetzung der Molecule der Elemente wie der \ T erbindungen aus Atomen. Molare, moleculare, atomistische Construction der Materie. Auf dem Wege, den wir bisher verfolgten, haben wir das Gebiet der Erfahrung nicht einen Augenblick verlassen ; un- ser Interesse hat sich lediglich auf Thatsachen beschrankt, Thatsachen, von denen wir entweder durch eigene Anschauung oder auf das glaubwiirdige Zeugniss Anderer hin Kenntniss nahmen. Wir haben uns begniigt , chemische Erscheinungen zu beobachten, die Ergebnisse unserer Beobachtung zu sam- meln , zu ordnen und mit einander zu vergleichen , ohne es jedoch bis jetzt zu versuchen, die Erscheinungen zu erklarcn. Die Ursachen der beobachteten Wirkungen sind uns bis jetzt fremd geblieben. Zu ihrer Erforschung fiihlen wir uns gleichwohl durch einen der machtigsten Impulse unserer in- Einlcitmig i'.\ Chlor Cl 35,5 35,5 35,5 _ 35,5 Sauerstoff 16 8 = 2 Stickstoff N 14 4,66 14 . 4,66 Kohlenstoff .... C 12 3 12 If Die in der dritten Spalte dieser Tabelle verzeichneten Werthe bediirfen keiner weiteren Erorterung; es sind die Ge- wichte, in denen sich die Elemente an der Bildung eines Mo- Aequivalentgewichte der Elemente. 277 leculs betheiligen. Die in der vierten Spalte gegebenen Wer- the, namlich die Ersatzgewichte, konnte man als die atoin- bindenden Aequivalente der Elemente bezeichnen; es sind die Gewichtsmengen , in denen sich die Elemente ersetzen, wenn es sich darum handelt, 1 Atom unseres Normalelementes, des Wasserstoffs, zu binden; in der fiinften Spalte endlich finden sich die Verhaltnisse der beiden Reihen von Werthen zu ein- ander, Verhaltnisse, deren Bedeutung aus der folgenden Be- trachtung erhellt. Fassen wir zunachst das letzte Element in unserer Ta- belle, den Kohlenstoff, ins Auge, so finden wir, dass seinAtom- gewicht, oder das kleinste Gewicht, welches sich an der Bil- dung eines Moleculs betheiligt, 12 ist, wahrend die kleinste Gewichtsmenge , welche zur Bindung eines Normalatoms aus- reicht, 3 betragt. In dem Grubengasmolecul ist das Kohlen- stoffatom mit nicht weniger als 4 At. Wasserstoff verbunden. Denken wir uns die Anziehung gleichmassig iiber das Koh- lenstoffatom vertheilt, so ist zur Bindung von 1 At. Wasser- stoff nicht mehr als der vierte Theil des Kohlenstoffatomes erforderlich , wenn man iiberhaupt von Theilen eines Atomes sprechen diirfte. Lesen wir statt Atomgewichte wieder Ver- bindungsgewichte , so diirfen wir mit vollem Rechte sagen: zur Bindung von 1 Kth Wasserstoff sind ^ 3 Kth Koh- lenstoff erforderlich. Ganz ahnliche Betrachtungen gelten fur den Stickstoff. Wir sehen, dass das nioleculbildende Minimalgewicht gleich 14, das atombindende , wie es sich aus der Zusammensetzung des Ammoniaks ergiebt, y = 4,66 ist. Fur den Sauerstoff sind die beiden Minimalgewichte 16 und Y = 8, wahrend fiir das Chlor, welches 1 Normalatom bindet, die beiden Werthe begreiflich zusanimenfallen. Ueber die Atombindekrafte der drei letztgenannten Ele- mente des Chlors, des Sauerstoffs, des Stickstoffs, wie sie sich aus den vorstehenden Betrachtungen ergeben, haben uns in der That bereits einige schone Versuche (vgl. S. 68), die wir schon friihzeitig bei der Erforschung des Chlor wasserstoffs, 278 Atombindekraft gemessen durch denselben des Wassers und des Ammoniaks anstellten, willkommenen Aufschluss gegeben. Indem wir diese drei Verbindungen gleichzeitig durch denselben elektrischen Strom zerlegten, beobachteten wir, dass wahrend sich am negativen Pole aus alien dreien dasselbe Volum Wasserstoff entband, an dem po- sitiven Pole nur bei der Zersetzung des Chlorwasserstoffs ein dem Wasserstoff gleiches Volum des anderen Elementes auf- trat, bei der Zersetzung des Wassers aber nur die Halfte dieses Volum s, bei der Zersetzung des Ammoniaks endlich nur ein Drittel dieses Volums in Freiheit gesetzt wurde; oder um die entwickelten Gasvoluine in ganzen Zahlen auszudriicken : fur 6 Vol. Wasserstoff, welche wir aus alien drei Verbindungen am negativen Pole frei werden sehen, entbanden sich am po- sitiven Pole aus dem Chlorwasserstoff 6 Vol. Chlor, aus dem Wasser 3 Vol. Sauerstoff, aus dem Ammoniak 2 Vol. Stick- stoff. Nun ist es aber bekannt, dass bei den vier gasformigen Elementen, um die eshier sich handelt, die Atomgewichte den Volumgewichten proportional sind , wir diirfen daher auch sagen, dass ein gegebener elektrischer Strom auf Chlorwasser- stoff wirkend 6 At. Wasserstoff und 6 At. Chlor, auf Wasser 6 At. Wasserstoff und 3 At. Sauerstoff, endlich auf Ammoniak wirkend 6 At. Wasserstoff und 2 At. Stickstoff in Freiheit setzt. Dieselbe Stromstarke, welche eine 6 At. Wasserstoff an 6 At. Chlor fesselnde Bindekraft zu losen vermag, ist auch erforderlich , um die Bindekrafte dieser 6 At. Wasserstoff fur 3 At. Sauerstoff und fur 2 At. Stickstoff aufzuheben. Mithin besitzen 6 At. Chlor, 3 At. Sauerstoff und 2 At. Stickstoff dieselbe Bindekraft, wie 6 At. Wasserstoff, oder 1 At. Chlor entspricht, was Bindekraft anlangt, 3 At. Wasserstoff, 1 At. Sauerstoff 2 At. Wasserstoff, 1 At. Stickstoff 3 At. Wasser- stoff, und wollte man schliesslich mit gleicher Bindekraft be- gabte Gewichtsmengen Chlor, Sauerstoff und Stickstoff, wie sie sich aus der Elektrolyse des Chlorwasserstoffs, des Wassers und des Ammoniaks ergeben, in Zahlen fassen, so finden wir, dass sie mit den bereits durch die Betrachtung ermittelten elektr. Strom. Coefficienten d. Atombindekrafte. 279 Q \ F\ 1 5 Quotienten = 35,5 fiir Chlor, = 8 fiir Sauerstoff 14 und endlich = 4,66 zusammenfallen. o Wir habeii also zwei ganz verschiedene Reihen von Zah- lenwerthen zu unterscheiden , die erste, welche wir friiher Yerbindungsgewichte , spater Atomgewichte genannt haben, reprasentirt UDS die inoleculbildenden Minimalgewichte der Elemente; die zweite, die der Ersatzgewichte , oder um einen noch haufiger gebrauchten Namen in Anwendung zu bringen, die der Aequivalentgewichte stellt uns die atombindenden Mini- malgewichte der Elemente dar. Wir wiirden auf nicht geringe Schwierigkeiten stossen, wollten wir jedwede dieser beiden Reihen von Werthen, durch besondere Symbole dargestellt, in Anwendung bringen. Zahl- lose Verwechselungen und unerfreuliche Verwirrungen konn- ten nicht ausbleiben. BeideWerthe lassen sich indessen leicht in einem einzigen Ausdruck zusammenfassen. Zu dem Ende geniigt es, den in der dritten Spalte der Tabelle gegebenen Atomgewichten einen die Atombindekraft ausdriickenden Coefficient en, mit anderen Worten ein Zeichen beizufiigen, welches andeutet, wie viel Normalatome das Atom des betreffenden Elementes zu fixiren im Stande ist. Hierzu eignen sich nun die in der fimften Spalte unserer Tabelle ge- gebenen Quotienten. In diesen Werthen besitzen wir in der That die fraglichen Coefficienten, und wenn wir sie in romi- schen ZifFern geschrieben wie Exponenten den Atomgewichten beifiigen, BO wissen wir alsbald die Anzahl der Normalatome, welche diese Gewichte bin den konnen. Das Atomgewicht des Chlors (35,5) schreiben wir also 35,5', das Atomgewicht des Sauerstoffs (16) schreiben wir 16", das Atomgewicht des Stickstoffs (14) wird 14 111 und das Atomgewicht des Kohlenstoffs (12) endlich wird 12 IV , oder wir setzen, noch grosserer Kiirze halber, den Coefficienten der atombindenden Kraft direct neben unsere die Atomgewichte darstellenden Zeichen und erhalten so in den Symboleu 280 Werthigkeitscoefficienten. Cl 1 , 0", N m , C lv einen Ausdruck fiir die Summe der Erfahrungen, welche das Studium der Verbindungen dieser Elemente geliefert hat. Statt der romischen Ziffern wenden einige Chemiker die entsprechende Anzahl von rechts oben dem Symbole beige- fiigten Strichen an, und fiir niedrige Atombindekrafte ist diese Bezeichnungsweise nicht minder geeignet. Wenn sich aber der Werth des Coefficienten iiber drei erhebt, so sind die romischen Ziffern vorzuziehen , denn sie sind leichter so- wohl zu lesen als zu schreiben, wie die Striche. Der Gleich- formigkeit wegen wollen wir uns fiir alle Falle der Ziffern bedienen. Es fehlt ein kurzer, bezeichnender Name fiir die atoni- bindende Kraft der Elemente; der unsichere und nichts weni- ger als schon klingende Ausdruck Atomigkeit ist offenbar nur in Ermangelung eines besseren zu einer gewissen Geltung gekommen; dieser Ausdrucksweise entsprechend sind die Ele- mente einatomig, zweiatomig, dreiatomig, vierato- mig genannt worden, je nachdem ihre Atome 1, 2, 3 oder 4 Normalatome zu fixiren vermogen. Diese Bezeichnungen sind indessen nicht zu empfehlen, insofern sie leicht zu unerquick- lichen Missverstandnissen Veranlassung geben, da wir diesel- benWorte, und offenbar mit viel grosserer Berechtigung, auch fiir die Bezeichnung der atomistischen Structur der Molecule ansprechen (vergl. S. 251 u. 256). Wir sind demnach darauf hingewiesen, einen anderen Ausdruck zu suchen, und wollen zu dem Ende fiir das Wort Atomigkeit" die auch bereits mehrfach vorgeschlagene Bezeichnung Werthigkeit" setzen, welche wir nicht ohne einiges Misstrauen in unsere klassi- schen Erinnerungen mit dem Worte Quantivalenz lati- nisiren. Wir sprechen also von der Werthigkeit, der Quantiva- lenz der Elemente, und unterscheiden einwerthige, zwei-, drei- und vierwerthige, univalente, bi-, tri- und quadri- valente Elemente, je nachdem ihreAtoine ein, zwei, drei oder vier Normalatome binden. Ein-, zwei-, drei- und vierwerthige Elemente. 281 Welche Bezeichnungen wir aber auch wahlen mogen, die beiden Reihen chemischer Werthe bleiben scharf von einan- der geschieden. Die fur die vier betrachteten Elemente festgestellte un- gleiche atombindende Kraft driickt einem jeden derselben ganz besondere Charaktere auf, welche sich, wie man dies im Vor- aus erwarten durfte, in ebenso vielen Gruppen von Elementen wiederfinden , so dass wir in der ungleichen Werthigkeit der Elementaratome den Keim zu einer in der Erfahrung begriin- deten Classification der einfachen Korper erblickeu. Dem einwerthigen Chlor (Cl 1 ) stellen sich Brom und Jod zur Seite, deren einwerthige Atome wir mit Br 1 und I 1 be- zeichnen. In ahnlicher Weise entsprechen dem zweiwerthi- geu Sauerstoffatome (0") die zweiwerthigen Atome des Schwe- fels S und Selens Se . Zu dem dreiwerthigen Stickstoffatome (N UI ) gesellen sich die dreiwerthigen Atome des Phosphors P IH und Arsens As 1 ". Das vierwerthige Kohlenstoffatom (C 1V ) end- lich steht an der Spitze einer Gruppe, der sich die vierwer- thigen Atome des Siliciums (Si IV ) und Zinns (Sn n ) einreihen. In der folgenden Tabelle, welche diese vier Gruppen gleichwerthiger Elemente enthalt, finden wir neben den uns bereits bekannten Atom- und Moleculargewichten auch noch die Werthigkeit der Atome verzeichnet. 282 Gruppen ein-, zwei-, drei- u. vierwerttiiger Elemente. Tabelle der Atom- und Moleculargewichte verschiedener Elemente, mit ihren Werthigkeits-Coefficienten. Namen der Elemente. A t o m e. Molecule. Symbole. Gewichte. Symbole. Ge- wichte. Wasserstoft' . . . H 1 HH 2 Chlor . . . . Cl 1 35,5 Cl 1 Cl 1 71 Brom Br 1 80 Br'Br 1 160 Jod ...... I 1 127 I 1 ! 1 254 Sauerstoff . . O 11 16 o"o" 32 Schwefel .... S H 32 s"s" 64 Selen Se" 79 Se"Se" 158 Stickstoff . . . N m 14 N m N m 28 Phosphor . . . pin 31 piiipiii pin pin 124 As 111 75 A s III As" I As" I As 111 oOO Kohl enst off . . . c' v 12 Silicium .... Si IV 28,5 Zinn ...... Sn lv 118 Die Ausdriicke ein-, zwei-, drei-, vierwerthig sind begreiflich durch die Natur des Elemeutes bedingt, welches wir als Maass der atombindenden Kraft gewahlt haben. Hatte man statt des "Wasserstofls den Sauerstoff als Werthigkeits- maass genommen, so wiirde das Wasserstoffatom, dem nur die halbe atombindende Kraft des Sauerstoffs beiwohut, halb- werthig, semivalent, geworden sein, das Stickstoffatom von anderthalbfacher Atombindekraft ware anderthalbwer- thig, sesquivalent, das Kohlenstoffatom endlich, mit der doppelten Kraft begabt, ware zweiwerthig oder bivalent geworden. Obwohl nun auch mit diesein doppelten Maasse gemessen, die relative Werthigkeit der Atome nicht weniger Verschiedeue Leistungsfahigkeit der Atome. 283 bestirnnit zu Tage getreten ware, so wiirden doch von den vier Ausdriicken zwei in Bruchform erschienen sein, ein Um- stand, der die leicbte Yergleicbbarkeit der Bezeichnungen wesentlicb beeintracbtigt batte. Ware die \Vabl auf ein drei- oder gar vierwertbiges Element, z. B. auf den Stickstoff oder Kohlenstoff gefallen, so wiirde die Zabl der brucbformigen Ausdriicke nocb grosser geworden sein, und die Uebersicbt- lichkeit batte noch mebr gelitten. Es war also scbon aus diesem Grunde die Wabl des Wasserstoffatoms als Wertbig- keitsmaass geboten, selbst wenn wir nicbt durcb den eigen- thiimlicben Normalcbarakter dieses Elementes auf dieselbe bingefiibrt worden waren und sicb die Erkenntniss der ver- schiedenen Wertbigkeit der Elementaratome iiberbaupt nicbt aus dem Studium der Wasserstoffverbindungen entwickelt hatte. Die Ausdriicke "Wertbigkeit, ein-, zwei-, drei- und vierwertbig, welche uns die Atombindekraft der Ele- mente und die verscbiedenen Grade, in den en sicb diese Kraft bei den einzelnen Elementen aussert, bezeichnen, entstaminen einer Betracbtung , welcbe die Leistungsfabigkeit der Atome fiir die Verricbtung einer gewissen Arbeit mit einander ver- gleicbt. Die zu verricbtende Arbeit ist in den eingebend besprocbenen Beispielen die Ueberfiibrung des Wasserstoffs in Verbindungen. Wenn wir finden, dass, wabrend uns 1 At. Cblor dieses Geschaft fiir 1 At. Wasserstoff besorgt, die Atome des Sauerstoffs , Stickstoffs und Koblenstoffs beziebungsweise 2, 3 und 4 At. Wasserstoff in Yerbindungen verwandeln, so sagen wir, die geuanuten drei Atome baben die zweifacbe, dreifacbe und vierfacbe Leistungsfabigkeit des Cbloratoms; sie haben fiir diese Arbeitsverrichtung den zweifacben, drei- und vierfachen W T ertb, eine Anschauung, welcbe in den Forrneln HC1 1 , H 2 0", H 3 N m mid H 4 C IV einen klaren Ausdruck findet. Hier ist die verschiedene Lei- stungsfabigkeit unserer vier typischen Elementaratome durcb die wacbsende Zahl der Wasserstoffatome gemessen, welcbe durcb die Elementaratome in Yerbindungen iibergefiibrt werden. Nicbt weniger deutlicb tritt uns diese ungleicbe Lei- 284 Die verschiedene Leistungsfabigkeit der Atome stungsfahigkeit verschiedener Atome entgegen, wenn wir ihre Verbindungen mit irgend einem anderen Elemente durch ein drittes Element zerlegen. Die Ungleichwerthigkeit wird als- dann gemessen durch die ungleiche Anzahl der erforderlichen Atome des zersetzenden Elementes. Erinnern wir uns an die Zerlegung des Wassers, des Ammoniaks, des Grubengases durch das Chlor, aus denen wir, unter Verwandlung des den drei Verbindungen gemeinschaft- lichen Wasserstoffs in Chlorwasserstoff, den Sauerstoff, den Stickstoff, den Kohlenstoff austreten sahen. In ganz ahnli- cher Weise hatten wir den Jodwasserstoff, der uns ja auch bereits fluchtig durch die Hande gegangen ist, durch Chlor zerlegen konnen , unter Bildung von Chlorwasserstoff und Freiwerden von Jod. Versinnlichen wir uns diese vier Zer- setzungen nochmals in Gleichungen, welche wir fur den beson- deren Zweck unserer Betrachtung im atoinistischen Style schreiben. Einwirkung des Chlors auf Jodwasserstoff .HI 1 + Cl 1 = HCl 1 + I 1 , TTT **lAH I Cl HCl , ^11 Wasser . . . . H JO + a == Ha + , H| Cl 1 HCl 1 Ammoniak. . . H N m + Cl 1 = HCl 1 + N m , H) Cl 1 HCl 1 H| cr HCIJ f-i , HI n iv i Cl H Cl . n iv Grubengas. . . H + C1 * == HC1 i + C . W Cl 1 HCl 1 Um das einwerthige Jodatom aus seiner Verbindung zu losen, bediirfen wir eines einwerthigen Chloratoms; die Zwei- werthigkeit des Sauerstoffatoms , die Drei- und Vierwerthig- keit des Stickstoff- und Kohlenstoffatoms werden durch die Anzahl der Chloratome zwei, drei, vier gemessen, welche zu ihrer Ausscheidung erforderlich sind. Oder wir konnten die Anzahl der Atome desselben Ele- an Beispielen erlautert. 285 mentes vergleichen, welche sich durch die Einwirkung ver- schiedener Elemente aus ihren Verbindungen austreibeu las- sen. Der Jodwasserstoff wird nicht nur durch das Chlor, sondern auch durch den Sauerstoff unter Ausscheidung von Jod zerlegt. Zerlegung des Jodwasserstoffs durch Chlor . . . HI 1 + Cl 1 = H Cl 1 + I 1 , Sauerstoff . ^i -f 0" = R O 11 -f j, Hier wieder, wie friiher, sehen wir das eiuwerthige Chlor- atom 1 einwerthiges Atom Jod, das zweiwerthige Sauerstoff- atom 2 einwerthige Jodatome austreiben. Das Sauerstoff- atom verrichtet wieder die doppelte Arbeit des Chloratoms. Die betrachteteu Zersetzungen zeigen uns die Werthig- keit der Atome noch in einer anderen Form. Bei der Aus- scheidung des Jods aus dem Jodwasserstoff durch Chlor und Sauerstoff ist der Wasserstoff beziehungsweise in Chlorwasser- stoff und Wasser ubergefiihrt worden. Man kann dies auch in der Weise ausdriicken, dass man sagt: Bei der Zersetzung des Jodwasserstoffs ist 1 At. Chlor an die Stelle von 1 At. Jod und 1 At. Sauerstoff an die Stelle von 2 At. Jod getre- ten; oder man sagt auch wohl: das Jodatom ist durch 1 Chlor- atom, 2 Jodatome sind durch 1 Sauerstoffatoin ersetzt wor- den. In abnlicher Weise lasst sich die Zerlegung des Was- sers, des Ammoniaks, des Grubengases durch Chlor auf ein Eintreten von 2 , 3 oder 4 einwerthigen Chloratomen an die Stelle eines zweiwerthigen Sauerstoffatomes , eines dreiwerthi- gen Stickstoffatomes , eines vierwerthigen Kohlenstoffatomes zuriickfuhren. d. h. also auf den Ersatz dieser mehrwerthi- gen Elementaratome durch die erforderliche Anzahl einwer- thiger Chloratome. Endlich diirfen wir im Sinne unserer molecularen Auffassung der Materie annehmen, die Bildung von Verbindungen aus ihren Elementen beruhe auf dem Er- satz eines Theils der Atome eines Elementarmolecules durch Atome eines anderen Elementarmolecules. Hiernach bestande 286 Ersatz der Atome in einer Verbindung der Uebergang des Wasserstoffs in Chlorwasserstoff, Wasser, Ammoniak und Grubengas in einem einfachen Austausch der Atome von Chlor-, Sauerstoff-, Stickstoff- und Kohlenstoff- moleculen gegen die Atome einer geeigneten Anzahl von Wasserstoffmoleculen. In diesem Siune sagt man wohl, fiir die Bildung des Chlorwasserstoffs muss 1 At. Wasserstoff in 1 Mol. Wasserstoff durch 1 At. Chlor, fiir die des Wassers miissen 2 At. Wasserstoff in 2 Wasserstoffmoleculen d'ureh 1 At. Sauerstoff ersetzt werden, und in ahnlicher W^eise bedarf es fiir die Bildung des Ammoniaks und Grubengases eines Ersatzes von 3 und 4 At. Wasserstoff in 3 und 4 Mol. Wasser- stoff beziehungsweise durch 1 At. Stickstoff und 1 At. Kohlenstoff. Es braucht kaum noch besonders darauf hingewiesen zu werden, dass es sich hier um altbekannte Thatsachen han- delt, die uns in verandertem Ausdruck gegenuberstehen. Wenn wir friiher das Ersatzgewicht des Chlors = 35,5, d. h. gleich seinem Verbindungs- oder Atomgewicht gefunden haben, wenn das Ersatzgewicht des Sauerstoffs = 8, d. h. gleich der Halfte seines Verbindungs- oder Atomgewichtes, das Ersatzgewicht des Stickstoffs = 4,66 , d. h. gleich einem Drittel seines Verbindungs- oder Atomgewichtes, das Ersatz- gewicht des Kohlenstoffs endlich = 3, d. h. gleich einem Viertel seines Verbindungs- oder Atomgewichtes ermittelt wurde, so heisst das doch nichts anderes als 1 Verbindungs- oder Atomgewicht Chlor hat denselben Wirkungswerth wie 1 Verbindungs- oder Atomgewicht Wasserstoff; 1 Verbindungs- oder Atomgewicht Sauerstoff (d. h. 2 Ersatzgewichte) haben den Wirkungswerth von 2 Verbindungs- oder Atomgewichten Wasserstoff, 1 Verbindungs- oder Atomgewicht Stickstoff (d. h. 3 Ersatzgewichte) ist gleichwerthig mit 3 Verbindungs- oder Atomgewichten Wasserstoff, 1 Verbindungs- oder Atom- gewicht Kohlenstoff, (d.h. 4 Ersatzgewichte), endlich, ist gleich- werthig mit 4 Verbindungs- oder Atomgewichten Wasserstoff. Die Ausdrucksweise , welche die Verschiedenwerthigkeit der Elementaratome auf die verschiedene Anzahl von Wasser- stoffatomen zuruckfuhrt, welche diese Elementaratome zu dutch die Atome anderer Elemente. 287 ersetzen im Stande sind, hat ihre vollkoinmene Berechtigung; es ist jedoch von Wichtigkeit, dass man hei den ihr zu Grunde liegenden Betrachtungen sich gewohnt, Ersatz dem Atom- werthe nach von Ersatz dem Volum nach auf das Strengste zu sondern. Wenn wir uns das Grubengas in der Weise ent- standen denken, dass in 4 Wasserstoffmoleculen 1 At. Kohlen- stoff an die Stelle von 4 Wasserstoffatomen getreten sei, so diirfen wir uns nicht etwa der Vorstellung hingeben, zu wel- cher diese Ausdrucksweise moglicherweise auf einen Augen- blick verleiten konnte, als habe hier ein Ersatz auch dem Raume nach stattgefunden, als sei der vorher von vier Wasser- stoffatomen erfiillt gewesene Raum nunniehr von Kohlenstoff eifiillt , in anderen Worten , als habe sich mit dem Eintritt von 1 At. Kohlenstoff an die Stelle von 4 At. Wasserstoff das Volum der 4 Wasserstoffrnolecule nicht geandert. Sind ja doch nach unserer Auffassung der Constitution der Materie die Molecule der einfachen Korper von derselben Grosse wie die Molecule der Verbindungen, und es muss daher das Volum von 4 Wasserstoffmoleculen bei ihrem Uebergang in 1 Mol. Grubengas durch den Eintritt von 1 At. Kohlenstoff an die Stelle von 4 At. Wasserstoff sich nothwendig auf ein Vier- theil zusammenziehen. Aehnliche nur geringere Volumver- anderungen erfolgen, wenn 1 dreiwerthiges Atom an die Stelle von 3 einwerthigen, oder 1 zweiwerthiges an die Stelle von 2 einwerthigen Atomen tritt. Nur wenn gleichwerthige Atome einander vertreten, so findet neben dem Ersatz dem Atomwerthe nach auch Ersatz dem Volume nach statt. Wir wollen hier beispielsweise die merwiirdigen Volum- veraiidertingen , welche der Wasserstoff bei seiner Verwand- lung in Verbindungen durch den Eintritt von Elementar- atomen von verschiedener Werthigkeit erleidet, noch etwas eingehender betrachten. Das folgencle Diagramm zeigt uns ein gewisses Volum Wasserstoff, welches nach einander durch Kohlenstoff, Stick- stoff, Sauerstoff, Chlor beziehungsweise in Grubengas, Arnrno- niak, Wasser und Chlorwasserstoff iibergefiihrt werden soil. 288 Volumveranderung der Elemente Volumveranderu ngen des Wasserstoffs beim Wasserstoff. Kohlenstoff. Grubengas. Stickstoff. Ammoniak. HH r ~i CO L A J H 4 C NN H 3 N HH r T ~i CO _ A _ H 4 C NN H 3 N HH 1 * 1 CO ^L A J H 4 C NN H 3 N & II II H 4 C NN H 3 N HH H 4 C H 3 N HH H 4 C H 3 N HH . H 3 N HH H 3 N HH HH HH HH bei dem UebergaDg in Verbindungen. 289 ifUebergang in Verbindungen. .] Sauerstoff. Wassergas. Chlor. Chlorwasserstoff. 00 H 2 C1C1 HC1 HC1 00 H 2 C1C1 HC1 HC1 00 H 2 C1C1 HC1 HC1 00 H 2 C1C1 HC1 HC1 00 H,0 C1C1 HC1 HC1 ~5o~| 00 H.,0 I HC1 HC1 H 2 C1C1 HC1 HC1 H 2 C1C1 HC1 HC1 H 2 C1C1 HC1 HC1 H 2 C1C1 HC1 HC1 H 2 C1C1 HC1 HC1 H,0 C1C1 . HC1 HC1 EinleStuDg in die moderne Chemie. 19 290 Beziehung des Volums einer Verbindung In der ersten Spalte des vorstehenden Diagramms ist der umzuwandelnde Wasserstoff (12 Molecule) verzeichnet; in der zweiten Spalte finden wir die fur die Verwandlung des Was- serstoffs in Grubengas erforderliche Anzahl Kohlenstoffatome (welche wir nur annahmsweise zu 3 Moleculen gruppirt haben) mit dem Volum des gebildeten Grubengases (6 Molecule); in der dritten Spalte in ahnlicher Weise die Volume des zur Ammoniakbildung nothigen Stickstoffs (4 Molecule) und des erzeugten Ammoniaks (8 Molecule) ; in der vierten Spalte das Sauerstoffvolum. (6 Molecule) und das Volum des erzeugten Wassergases (12 Molecule), in der fiinften endlich das Chlor- volum (12 Molecule) mit dem Volum des durch das Chlor ge- bildeten Chlorwasserstoffgases (24 Molecule). Ein Blick auf das Diagramm zeigt uns , dass die 24 Lit. Wasserstoff, welche der Gegenstand unserer Betrachtung sind, bei dem Uebergang in Grubengas durch Aufnahme von 6 At. Kohlenstoff auf 12 Liter zusammenschrumpfen , dass sie auch bei der Verwandlung in Ammoniak, wobei 8 Lit. Stickstoff verbraucht werden, noch immer eine betrachtliche , obwohl geringere Volumverminderung, namlichauf 16 Liter, erleiden, dass sie bei der Ueberfiihrung in Wassergas (24 Liter), unter Aneignung von 12 Lit. Sauerstoff, ihr Volum beibehalten, wahrend sich endlich unter dem Einflusse von 24 Lit. Chlor die urspriinglichen 24 Lit. Wasserstoff auf 48 Lit. Chlor was- serstoff ausdehnen. Ware es gestattet, aus den Volumveranderungen, welche der Wasserstoff bei seiner Verwandlung in eine Kohlenstoff-, Stickstoff-, Sauerstoff- und Chlorverbindung erleidet, einen allgemeinen Schluss zu ziehen, so ergaben sich folgende ein- fache Volumbeziehungen : 1 Vol. eines einwerthigen Elementes verbindet sich mit 1 Vol. eines einwerthigen Elementes u. liefert 2 Vol. Verbindung, V-2 zweiwerthigen 1 dreiwerthigen ., 2 /s 1/4 (?) vierwerthigen -2 zur Werthigkeit der Elemente. 291 Es ist also das Volum der gebildeten Verbindung gleich dem doppelten Volum des mit dem Wasserstoff zusammentre- tenden Elementes. Oder wenn man das Volum der gebildeten Verbindung auf das Gesainmtvolum der Bestandtheile beziehen will, so ist das Verhaltniss bei der Vereinigung eines einwerthigen Elementes mit .Einwerthigen Elementen 1, Zweiwerthigen 2 /3> Dreiwerthigen l /^j Vierwerthigen 2 /5 (?) Die Betrachtungen uber die ungleiche Werthigkeit der Elementaratome entsprangen, wie wir uns erinnern, aus der Vergleichung der verschiedenen, die Elemente charakterisiren- den Atombindekrafte , und es waren zumal die vielgenannten Wasserstoffverbindungen, welche uns dieersten Anhaltspunkte lieferten. Es wirft sicli nun die Frage auf, ob diese atombin- denden Krafte, mit denen wir die einzelnen Elemente begabt fanden, unter alien Umstanden bei der Bildung von Verbin- dungen zur vollen Geltung kommen. Mit anderen Worten: Muss sich ein zweiwerthiges Atom stets mit zwei einwerthi- gen Atomen oder einem zweiwerthigen Atom, also mit einer Anzahl von Atomen verbinden, denen dieselbe Summe von Bindekraften beiwohnt; ein dreiwerthiges Atom, muss es stets drei einwerthige Atome oder ein zweiwerthiges und ein ein- werthiges Atom, ein vierwerthiges Atom endlich, muss es unter alien Umstanden vier Atome eines einwerthigen Ele- mentes, allgemein eine Anzahl von Elementaratomen auf- nehmen, deren Bindekrafte seiner eigenen Bindekraft gleich- kommen. Oder lassen sich Verbindungen denken, in denen diese mehrwerthigen Atome eine geringere Anzahl von Ato- men fixiren, als ihrer Werthigkeit entspricht? Wir wollen wiederum aus dem uns wohlbekannten Gebiete nicht heraus- treten und fragen daher: Kann sich das Sanerstoffatoin mit weniger als 2 Atomen Wasserstoff, das Stickstoff-, das Kohlen- 19* 292 Einfluss d. Werthigk. d. Atome auf d. Bilcl. v. Verb. stoffatom mit weniger als 3 und 4 Atomen Wasserstoff ver- binden? In anderen Worten: Sind neben den Verbindungen H 2 0, H 3 N und H 4 C auch noch Verbindungen von der Zusammensetzung HO, H 2 N und H 3 C H N, H 2 C H C moglich? Diese Verbindungen sind bis j,etzt nicht aufgefun- den worden, und wenn man bedenkt, mit welchem Eifer man gerade die Verbindungen der fraglichen Elemente studirt hat, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass man sie auffinden wird, niclit eben gross. Es liegt aber, wenn wir ausschliesslich die bisher gewonnenen Erfahrungen ins Auge fassen, noch kein Grund vor, weshalb wir die Moglichkeit ihres Bestehens in Abrede stellen sollten. Wenn sich die Elemente einzig und allein in den Verhaltnissen mit einander verbanden, welche der Werthigkeitihrer Atome entsprechen, so Hesse sich zwischen je zwei Elementen immer nur eine einzige Verbindung denken. Wir brauchen aber in unserer Erinnerung nicht weit zuriick- zugehen, um auf Elemente zu stossen, welche sich in einergan- zen Reihe von Verhaltnissen mit einander vereinigen. Der Stickstoff bildet, wie wir gesehen haben (vergl. S. 212), mit dem Sauerstoff nicht weniger als fiinf verschiedene Verbin- dungen. Ein Blick auf die Formeln dieser Verbindungen, deren Symbole wir nunmehr mit den zugehorigen Werthig- keitscoefficienten behaften, N? ! IT , N m O n , Ni n O?, N m O, N?'0?, zeigt uns, dass unter den fiinfen nur eine einzige ist, welche den Werthigkeiten der zusammentretenden Elementaratome entspricht. Es ist dies die mittlere, welche wir als salpetrige Saure kennen gelernt haben , und in der 2 At. Stickstoff, mit einer Atombindekraft von 2 X III = VI begabt, vereinigt sind mit 3 At. Sauerstoff, denen ebenfalls eine Atombinde- kraft 3 X II 3= VI innewohnt. Auf beiden Seiten dieser Verbindung, in welcher sich die Atomhindekrafte der Stick- Gleichwertbig u. ungleichw. zusammengesetzte Verb. 293 stoffatome und die Atombindekrafte der Sauerstoffatome ge- genseitig ausgeglichen haben, stehen zwei Verbindungen , in denen eine solche Ausgleichung nicht eingetreten ist. In der sauerstoffarmsten Verbindung, dem Stickstoffoxidul, steht die Atombindekraft der Stickstoffatome 2 X III = VI der Atombindekraft des Sauerstoffs (II) entgegen, in dem Stick- stoffoxid iiberwiegt die Atombindekraft des Stickstoffatoms (III) die des Sauerstoffatoms (II) in dem Verhaltniss von 3 : 2. In ahnlicher Weise ist in der auf der andern Seite liegenden Untersalpetersaure die Atombindekraft der Sauer- stoffatome 2 X II = IV der Atombindekraft des Stickstoff- atoms (III) gegeniiber, wahrend endlich in der Salpeter- saure die Sauerstoffatome mit einer Bindekraft von 5 X II = X den Stickstoffatomen mit einer Bindekraft von 2 X III = VI entgegenstehen. Man konnte Verbindungen, in denen sich die Bindekrafte der Atome ausgeglichen haben, als gleichwerthig zusammengesetzte unterscheiden , im Gegensatz zu denen, in welchen ein solcher Ausgleich nicht stattgefunden hat, und die sich daher als ungleichwerthig zusammengesetzte bezeichnen liessen. Die salpetrige Satire ist in diesem Sinne die einzige gleichwerthig zusammengesetzte Verbindung des Stickstoffs mit dem Sauerstoff; Stickstoffoxidul und Stickstoffoxid auf der einen, Untersalpetersaure und Sal- petersaure auf der andern Seite sind ungleichwerthig zusam- mengesetzte Verbindungen. Bei der Betrachtung einer Reihe von Verbindungen, welche zwei Elemente mit einander bilden, von denen begreif- lich nur eine einzige in dem angedeuteten Sinne eine gleich- werthig zusammengesetzte sein kann, wiirden wir erwar- ten, dass sich die gleichwerthig zusammengesetzte Verbiu- dung mit Vorliebe bilden, und dass sie, einnial gebildet, die grosste Stabilitat zeigen werde; wiirden wir ferner erwarten, in den ungleichwerthig zusammengesetzten Verbindungen das Bestreben zu finden, in die gleichwerthig zusammengesetzte Verbindung iiberzugehen. Um nochmals zu unseremBeispiel, den Verbindungen des Stickstoffs mit dem Sauerstoff, zuriickzukeh- 294 Gleichwerthig und ungleichwerthig ren, so zeigt es sich in der That, dass die beiden Elemente mit einer gewissen Vorliebe zu salpetriger Saure zusammentreten. Lasst man den Funkenstrom der Inductionsmaschine eineZeit lang durch einen Luft (Stickstoff und Sauerstoff) enthaltenden Ballon schlagen, so erfiillt sich derselhe in kiirzester Frist mit rothen Dampfen, welche nichts anderes als salpetrige Saure sind. Was indessen die Stabilitat der salpetrigen Saure an- langt, so lasst sich nicht verkennen, dass sie in dieser Be- ziehung den von ihr gehegten Erwartungen, wie sie oben be- zeichnet warden, nur wenig entspricht, sind wir ja doch nicht einmal im Stande gewesen, das Gasvolumgewicht derselben zu bestimmen; dagegen haben wir in iriiheren Yersuchen be- reits einige der auf beiden Seiten der salpetrigen Saure lie- genden ungleichwerthig zusammengesetzten Verbindungen wirklich in salpetrige Saure ubergehen sehen. Wir erinnern uns, mit welcher Begierde das Stickstoffoxidgas (mit einem Ueberschuss atombindender Kraft von III II = I auf Sei- ten des Stickstoffs) den Sauerstoff der Luft aufniinmt und sich in salpetrige Saure verwandelt (vergl. S. 211), und wie die Salpetersaure mit einem Ueberschuss atombindender Kraft von X VI = IV auf Seiten des Sauerstoffs schon unter dem Ein- flusse der Warme dieses Ueberschusses von Sauerstoff sich ent- ledigt und denselben namentlich mit Leichtigkeit an gewisse Metalle, z.B. Silber, abgiebt (vgl. gleichfalls S. 211). Innerhalb gewisser Grenzen also beobachtet man in der That das Ver- halten, welches die Erkenntniss der den Atomen beiwohrien- den Bindekrafte im Voraus als das wahrscheinliche bezeichnet. Es sind uns jedoch auch manche Erscheinungen bekannt ge- worden, welche sich mit dieser Betrachtungsweise nicht ver- einigen lassen. Wenn wir die grosse Anziehung, welche das Stickstoffoxid fur den Sauerstoff zeigt, dem Umstande zu- schreiben> dass sich in diesem Korper ein Ueberschuss an Bindekraft von III II = I auf Seiten des Stickstoffatomes findet, so inusste diese Anziehung noch viel starker in dem Stickstoffoxidul hervortreten, dessen Stickstoffatome einen noch viel betrachtlicheren Ueberschuss von Bindekraft, nam- zusammeugesetzte Verbindungen. 295 lich 2 X III II = IV, besitzen. An dem Stickstoffoxidul beobachten wir aber nicht die geringste Neigung, durch Auf- nahme von Sauerstoff in salpetrige Saure iiberzugehen. Es tritt also die Frage an uns heran, woher kommt es, dass das Stickstoffoxidul , in dessen Molecul die beiden Ele- mente mit so ungleichen Bindekraften einander gegeniiber stehen, gleichwohl eine der stabilsten, wenn nicht die stabilste aller Stickstoff-Sauerstoffverbindungen ist? Man hat es versucht, die Antwort auf diese Frage aus der atomistischen Construction des Stickstoffoxidulmoleculs abzu- leiten. In einem Molecul, an dessen Bildung sich zwei Atome Stickstoff und ein Atom Sauerstoff betheiligen, inussen, so hat man angenommen, die beiden Stickstoffatome nicht nur an dem Sauerstoffatorne haften, sondern sie miissen auch mit einander ver- bunden sein, und die Bestardigkeit des Moleculs wird sich in dem Maasse erhohen, als diese Bindung eine kraftigere ist. Gesetzt, es hat-ten sich in dem Stickstoffoxidulmolecul II Binde- krafte des einen Stickstoffatomes mit II Bindekraften des an- deren ins Gleichgewicht gesetzt, so wiirde das so yereiuigte Atompaar dem Sauerstoffatome nur noch mit der Atombinde- kraft III -(- III - - IV = II gegeniibertreten, um in der Atombindekraft dieses Sauerstoffatoms = II ihren Ausgleich zu finden. In dem so gebildeten Molecul wiirden sich sammt- liche vorhandene Atombindekrafte ausgeglichen , oder, wie man sich auszudriicken pflegt, gesattigt haben, und wir konnten dasselbe als ein gesattigtes, oder, wie man auch wohl sagt, als ein geschlossenes Molecul ansprechen. Dass das Molecul der salpetrigen Saure ein gesattigtes, ein geschlossenes sei, bedarf, nach dem was iiber seine gleich- werthige Zusammensetzung gesagt worden ist, kaum mehr einer besonderen Ausfuhrung. Man kann aunehmen, dass in diesem Falle ein jedes der beiden Stickstoffatome eine Binde- kraft zur Sattigung der zwei Bindekrafte eines Sauerstoffatoms hergiebt; die beiden Stickstoffatome hangen, wie mail sich auszudriicken pflegt, durch ein zwischengeschobenes Sauer^- 296 Gesattigte und stoffatom zusammen. Die jedwedem der Stickstoffatome noch verbleibende Bindekraft II wird alsdann durch die entspre- chende Bindekraft je eines zweiten und eines dritten Atomes Sauerstoff ausgeglichen. Aber auch das Molecul der Salpetersaure ist ein gesat- tigtes, ein geschlossenes. Auch hier wieder konnen wir uns die beiden Stickstoffatome durch ein Sauerstoffatom verkettet denken. Allein die jedem der Stickstoffatome noch iibrigblei- bende Biudekraft II wird jetzt durch die Bindekraft nicht inehr eines Sauerstoffatomes, sondern zweier Sauerstoffatome gesattigt, denn wenn zwei Sauerstoffatome unter einander verbunden sind, so wird, indem ein jedes derselben eine Bin- dekraft einbiisst, dem Atompaare schliesslich nicht niehr Bin- dekraft beiwohnen, als dem Sauerstoffatome selbst. Bezeichnen wir die zwischen zwei Atomen zum Ausgleich gekommenen Bindekrafte durch einen zwischen den Buch- stabensymbolen derselben eingeschobenen Strich, den wir, um ihn von dem Minuszeichen zu unterscheiden, in der Mitte durch einen Punkt theilen, so lasst sich dem Gedanken, wel- cher den entwickelten Anschauungen zu Grunde liegt, in folgendem Bilde Ausdruck geben. Stickstoffoxidul Salpetrige Saure Salpetersaure N.IN N - 0--N N N \ / M M / \ / \ \ /' II I i / \ /* "\ 00 Ganz anders die Molecule des Stickstoffoxids und der Untersalpetersaure. In den Moleculen dieser beiden Verbin- dungen steht das Stickstoffatorn mit einer Bindekraft III in dem ersteren, einem Sauerstoffatome, mit der Bindekraft II, in dem letzteren, einem Sauerstoffatompaare, ebenfalls mit der Bindekraft II gegeniiber, es wird also ein Theil der Bindekraft des Stickstoffatoms ungesattigt bleiben ; die gebildeten Mole- cule werden ungesattigte, ungeschlossene sein, deren Structur fiich in dem folgenden Diagramm spiegelt. ungesattigte Molecule. 297 Stickstoffoxid Uutersalpetersaure N- - N- M / \ /" "\ o o-.-o Kein Wunder, dass das Stickstoffoxid den Sauerstoff auf- niinint, wo es ihn findet, und dass auch die Untersalpetersaure noch eine grosse AnziehuDg fur den Sauerstoff zeigt. Durch die Intervention eines Sauerstoffatoms vereinigen sich zwei ungesattigte Stickstoffoxidmolecule zu dem gesattigten Molecul der salpetrigen Saure, gehen zwei ungesattigte Molecule Un- tersalpetersaure in die gesattigte Salpetersaure iiber. Es liegt nicht in unserer Absicht, diesen Gegenstand hier weiter zu verfolgen; es muss geniigen, in allgemeinen Ziigen auf dieses neue, erst in jiingster Zeit angebaute Gebiet der Forschung hingewiesen zu haben, auf welchem sich gleichwohl die moderne Chemie bereits mit Vorliebe bewegt. Im Augen- blick wiirde uns fiir die eingehende Erorterung dieser Frage kaum eine hinreichende Anzahl von Thatsachen zur Seite stehen. Yergessen wir es nicht, die Vorstellungen, welche wir uns von der Natur der Elemente gebildet haben, von den Verhaltnissen , in denen sie sich dem Volum und Gewicht nach mit einander verbinden, von den Kraften molecul- bildenden und atombindenden , welche ihnen innewohnen, sind aus dem Studium einer ganz beschrankten Anzahl typi- scher Korper und ihrer nachsten Artverwandten hervorge- gangen. An die Spitze unserer Betrachtungen stellte sich der Wasserstoff als Normalelement, alle Einheiten der Yerglei- chung liefernd; dem Wasserstoff reihten sich die Elemente Chlor, Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenstoff an, einjedes mit einem kleinen Gefolge von Angehorigen, im Ganzen nicht niehr als sechzehn Korper. An ihnen entwickelten sich alle unsere Anschauungeu , an ihnen bildeten wir jene einfache Zeichen- sprache aus. welche, gleichen Schrittes mit dem wachsendeu 298 Bescbaffung neuen Materials zum Weiterbau. Bedurfnisse sich entfaltend, unserer Forschung einerseits mach- tigen Vorschub leistete, andererseits uns erlaubte, die Er- gebnisse derselben in knappen, aber gleichwohl deutlichen Umrissen zu verzeichnen. Allein das Material, welches uns zur Verfiigung stand, ist auch nahezu erschopft. Wir miissten jetzt aus dem be- schrankten Kreise der bisherigen Beobacbtung heraustreten ; wir batten zu ermitteln, wie weit unsere Metbode der Un- tersuchung, unser Classificationsprincip, unser symbolisches Notationssystem , welche wir bisher nur an secbzehn Elemeu- ten erprobten, sicb mit demselben Erfolge bei der Erforschung, Classification und Notirung auch der iibrigen Elemente be- wahren, welche unseren Planeten zusammensetzen. Zu dem Ende aber batten wir uns dem Studium der einzelnen Elemente zu widmen, und nicht nur denjenigen Ele- menten, welche wir bisher vollig zur Seite haben liegen las- sen, hatte sich unsere Aufmerksamkeit zuzuwenden, auch die Elemente, von den en wir bereits ein allgemeines Bild in uns aufgenommen haben, miissten von Neuem, in viel weiterem Unifange und nach viel mannigfaltigeren Richtungen Gegen- stand unserer Studien werden. Wir batten auf das Gebiet des Versuches zuriickzukehren, um in der Beobachtung beson- derer Erscheinungen wieder neuen Boden fur den Aufbau all- gemeiner Anschauungen zu gewinnen. Die eingehende Erfor- schung der Elemente und ihrer zahllosen Verbindungen liegt aber jenseits der engen Umgrenzung, in welche sich diese Einleitung ihrem ganzen Plane nach einzuschranken hat. Wir wollen gleichwohl in der synoptischen Uebersicht der numerischen Ergebnisse unserer Untersuchungen , welche hier schliesslich einen Platz finden soil, auch die Werthe mit aufnehmen, welche ahnliche Forschungen fur die bis jetzt noch nicht betrachteten Elemente geliefert haben. Diese Uebersicht gewinnen wir in den folgenden zwei Tabellen (auf Seite 300 bis Seite 303). Die erste der nachstehenden Tabellen entha.lt die Namen sammtlicher Elemente mit den Atomgewichten, wie sie mit Erklarung der Tabellen. 299 Beriicksichtigung aller dem Chemiker zu Gebote stehender Hiilfsmittel gefunden worden sind. Die Symbole sind mit den Werthigkeitscoefficienten behaftet, welche andeuten, dass die symbolisirten Gewichte, in gewissen Reihen von Verbindun- gen, 1, 2, 3 oder 4 At. Wasserstoff ersetzen konnen. Die zweite Tabelle enthalt nur die im gasformigen Zu- stande untersuchten Elemente, bei denen sich unsere Kennt- niss also auch auf die Moleculargewichte erstreckt. In die- ser Tabelle sind neben den in den vorhergehenden verzeich- ueten Werthen noch die Volumgewichte und Molecularge- wichte gegeben, endlich die Volume der Atome und Molecule graphisch verzeichnet. 300 Atomgewichte der Elemente. Name. Symbol des Atoms und Werthigkeits- coefficient. Atomgewicht. Wasserstoff ... . . H I (Normalelement) Aluminium Al m Sb m 27,5 122 As" 1 75 Barium .... . . Ba" 137 Be" 93 Blei Pb" 207 Bor Bo" 1 11 Brom ... . Br 1 80 Cadmium . .... Cd" 112 Caesium Cs 1 Ca" 133 40 Cer Ce" 92 Chlor ... a i 35 5 Cr 111 522 Di" 95 Fe" 56 E" 112,6 Fluor F 1 19 Gold Au" 1 197 Indium In 11 73(?) Jod p 127 Iriv 198 K 1 39 Kobalt Co" 588 Kohlenstoff' QIV 12 Kupfer Cu" 63,5 T ia II 92 Lithium . . Li 1 7 Magnesium MP-" 24 lUg Mn" 55 Molvbdan . Mo VI 96 *) Einige setzen das Atomgewicht des Antimons = 120,6, Atomgewichte der Elemente. 301 Name. Symbol des Atoms und Werthigkeits- coefficient. Atomgewicht. Na 1 23 Nickel Ni" 588 Niob Nb v 94 Osmium Os IV Pd" 199,2 106,6 Phosphor pni 31 Platin Pt IV 1974 Hg" 200 Rh" 1044 Rubidium . ... Rb 1 854 Ru IV 1044 Sauerstoff 0" 16 Schwefel S" 32 Selen**) Se" 79 Silber ... Ag 1 108 Silicium **) Si IV 285 Stickstoff ... N m 14 Sr" 87,5 Tantal Ta v 182 Tellur Te" 128 Thallium T1 . 204 Thor Th iv 231 5 Titan Ti iv 50 Uran U" 120 yin 51 3 Wasserstoff Wismuth H 1 Bi 1 " 1 208 Wolfram W IV 184 Y" 61 7 Zink Zn" fiK Sn IV 118 Zr lv 896 **) Fast noch allgemeiner wird 79,4 fur das Selen, endlich 28 fur das Silicium als Atomgewicht angenommen. 302 Atom-, Volum- und Moleculargewichte der in Name. Gasvolume. A t c, Oxide des Phosphonvasser- stoffs; in der Grubengasgruppe, Methylalkohol. Seine Wichtig- keit als Uebergangsglied. Riickblick. Es sincl bisher ausschliesslicli einfache Korper und biniire d. h. aus zwei Elementen zusammongesetzte Verbindungen gewesen , auf welche wir Formelsprache und graphische Dar- stellung angewendet haben, es braucht jedocb kaum bomerkt zu werden, dass sich dieselben auch Verbindungen hoherer Verbindungen hoherer Ordnung. 307 Ordnung anschmiegen, Yerbindungen also, an deren Bildung sich nicht nur zwei, sondern drei, vier, funf. sechs und bis- weilen sogar noch mehr Elemente betheiligen, und welche wir als ternare, quaternare , quinare, senare etc. Verbindungen unterscheiden. Solche Verbindungen hoherer Ordnung haben wir bisher absichtlich unerwahnt gelassen, obwohl sie uns im Lauf unse- rer Versuche und selbst der allerersteu, welche wir ange- stellt haben bereits mehrfach durch die Hande gegangeu sind. Die Betrachtung dieser Korper wahrend der einleiten- den Untersuchungen wiirde in der That vorzeitig und zweck- los gewesen sein , eine Ueberburdung des Gedachtnisses mit Thatsachen, welche zum Verstandniss der beobachteten Erschei- nungen nichts hatten beitragen konnen, im Gegentheil diesem Verstandnisse nur hinderlich gewesen sein wiirden. Der Zeit- punkt ist aber gekommen, die iibergangenen Glieder aufzu- nehmen und unserer Kette einzuverleiben. Das Studium dieser complicirteren Structuren wird uns in geeigneter Weise fiir die Erforschung zahlloser Gruppen von Verbindungen hoherer und hoherer Ordnung vorbereiten , welche uns beim tieferen Eindringen in das Gebiet der chemischen Erscheinungen auf alien Seiten begegnen. Es mag hier kurz darauf hingedeutet werden, dass die Bildung dieser Verbindungen hoherer Ordnung unter dem Eiuflusse derselben Krafte und derselben Gesetze stattfindet, wie die der binaren Verbindungen. Auch hier ist das Zusam- mentreten der Elemente unter geeigneten Bedingungen von Warme- und Lichterscheinung begleitet. Die Constanz der Verhaltnisse, in denen sich die Bestandtheile, sei es zu einer, sei es zu mehreren binaren Verbindungen vereinigen, das vollige Aufgehen der Eigenschaften dieser Bestandtheile in den Eigenschaften der aus ihnen gebildeten, zusammenge- setzten Korper gelten auch fiir die Verbindungen hoherer Ordnung. Die Elementaratome treten im einfachen oder mul- tiplen Verhiiltniss ihrer Gewichte unter Beibehaltung der ihnen eigenthiimlichen Atombindekraft, ihrer Werthigkeit, wie in 20* 308 Eigenschaften der Verbindungen hoherer Ordnung. binare Molecule , so in Molecule der complicirtesten Zusam- mensetzung ein. Der einzige wahre Unterschied zwischen binaren Verbin- dungen und Verbindungen hoherer Ordnung liegt also in der verschiedenen Anzahl der sie zusammensetzenden Elemente. Allerdings lassen sich gewisse Abweichungen in den physika- lischen Eigenschaften nicht verkennen, allein diese diirfen uns nicht befremden, wenn wir bedenken, wie viele Atome sich in den Moleculen, in welchen wir nach unserer bisherigeu Er- fahrung kaum mehr als ein halbes Dutzend Atome vereint fanden, bei der Bildung von Verbindungen hoherer Ordnung zusammendrangen konnen. Mit der Zunahme der in dem Molecul angehauften Elementaratome finden wir in der Regel die Fliichtigkeit der gebildeten Verbindung verringert. In vielen Fallen existiren diese complicirteren Molecule nicht im gasforniigen Zustande, weil sie entweder feuerbestitndig sind, oder sich nicht mehr ohne Zersetzung, d. h. ohne Spaltung, sei es in die elementaren Bestandtheile , sei es in einfachere Verbindungen, verfliichtigen lassen. Der Untersuchung sol- cher nichtfliichtigen Verbindungen stellen sich Schwierigkeiten in den Weg, welche uns nicht fremd geblieben sind. Wenn die Korper feuerbestandig sind, so miissen sich bei der Unmog- lichkeit, ihre Gasvolumgewichte zu ermitteln , irgend welche Vorstellungen , die wir uns hinsichtlich ihrer Moleculargrosse bilden, aus ihren Beziehungen zu anderen Verbindungen her- leiten. Sind die Korper fliichtig, aber fluchtig unter Zer- setzung, so kann der Fall eintreten, dass uns die Gasvolum- gewichtsbestimmung zu einem falschen Urtheile iiber die Moleculargrosse der Verbindung fiihrt, insofern wir statt des Volumgewichtes des vergasteu Korpers das Volumgewicht einer Mischung der in der Verbindung verdichtet gewesenen Gase beobachten. Ein ganz lehrreiches Beispiel der Bildung von Verbin- dungen hoherer Ordnung und der Schwierigkeiten, welche die Zersetzbarkeit bei erhohter Temperatur ihrer Untersu- chung in den Weg stellt, liefert uns ein Korper, dem wir Verbindung cl. Chlorwasserstoffs mit d. Ammomak. 309 Bchon friiher mehrfach begegnet sind. Als wir, um den Stick- stoff in Freiheit zu setzen, einen Chlorstrom in die wasserige Losung des Ammoniaks leiteten, batten wir uns weiter Lei- tungsrohren zu bedieuen, weil sicb enge Robren durcb einen weissen, in dieser Reaction gebildeten Korper verstopft baben wiirden (vergl. S. 40). Und als wir, in einem spateren Ver- sucbe zur Ermittlung des Volumverbaltnisses der elemen- taren Bestandtheile im Ammoniak letzteres mit eiuem gemes- senen Volum Chlorgas zusammenbracbten , bedeckten sicb die Wande der Rohre mit einem weissen, in Wasser loslichen Anfluge (vergl. S. 71). Dieser Korper, den wir damals nicht weiter untersuchten , ist fur die Erorterung der vorliegenden Frage von ganz besonderem Interesse. Stellen wir vor Allem diesen weissen Korper in etwas grosserem Maassstabe dar. Mit der Erfahrung, welcbe uns bereits zu Gubote stebt, bietet diese Aufgabe keine Scbwierig- keit. Zwei Cylinder Ton gleicher Grosse sind auf bekannte Art, der eine mit trockenem Chlorwasserstoff, der andere mit trockenem Ammoniak gefiillt worden. Um die beiden Gase zusammenzubringen , baben wir einen viel grosseren mit Quecksilber gefiillten Cylinder in der Quecksilberwanne umgestiirzt. In diesen Cylinder lassen wir nun zunacbst den Cblorwasserstoff aufsteigen, alsdann, Blase um Blase, das Ammoniak (Fig. 77 a. f. S.). Mit jeder Ammoniakblase, welcbe in den Cblorwasserstoff tritt, entstebt eine dicke weisse Wolke, welcbe sicb bald, zu feinen Krystallflocken verdicbtet, auf der Wand des Cylinders niederscblagt. Wabrend des Ueberfiillens des Ammoniaks beobacbten wir, wie das urspriinglicbe Gasvolum, statt sich zu vergrossern, mebr und mehr abnimmt. Je mebr Ammoniak wir eintreten lassen, um so boher erbebt sich das Quecksilber in dem Cylinder; mit der letzten Arnmoniakblase, welcbe auf- steigt, ist aucb die letzte Spur des Gasgemenges verscbwun- den , und der Cylinder enthalt nunmebr nur noch ausser Quecksilber eine diinne, auf der Glaswand abgelagerte Scbicbt 310 Chlorwasserstoff-Ammoniak. - - Darstellung. des weissen Korpers, zu welchem sich die beiden Gase ver- dichtet haben. Diesen Korper dtirfen wir mithin als eine Vcrbindung Fig. 77. der beiden zusammengetretenen Gase, des Chlorwasserstoffs und des Ammoniaks, zu gleichen Volumen ansehen. Zur Bestatigung dieser Ansicht haben wir die beiden Gase nur nochmals mit einander zu miscnen; jetzt aber in einem anderen Volumverhaltnisse. Der grosse Quecksilber- cylinder ist wieder in der Wanne uragestiirzt, und wir lassen von Neuem Chlorwasserstoff und Ammoniak in ihm aufstei- gen, von ersterem diesmal ein grosseres Yolum. Die Gase vereinigen sich auch jetzt wieder unter den schon friiher beobachteten Erscheinungen, allein es bleibt ein unverbun- denes Gasvolum zuriick, welches sich in Beriihrung mit einem nassen Streifen blauen Lackmuspapiers sofort als Chlorwasser- stoff erkennen lasst. Nun wird derselbe Versuch nochmals wiederholt, mit dem Unterschiede , dass wir ein grosseres Ammoniakvolum anwenden. Das riickstandige Gasvolum wird in diesem Falle durch ein rothes Lackmuspapier als Ammo- niak erkannt. Eigenschaften und Zusammensetzung. 311 Das weisse, starre Product zeigt sich bei naherer Prii- fung im Wasser ebenso leicht loslich, wie seine Bestandtheile; vergleicht man aber seine tibrigen Eigenschaften mit denen seiner beiden Bestandtheile, so findet man, dass die urspriing- lichen Eigenschaften der letzteren bei der Vereinigung voll- kommen verschwunden sind. Die erstickenden Dampfe, wel- che der Chlorwasserstoff an der Luft bildet, der stechendo Geruch des Ammoniaks sind an dem weissen Krystallpulver nicht mehr wahrzunehmen. Die Eigenschaft des Chlorwasser- stoffs, blaues Lackmuspapier zu rothen, und des Ammoniaks, die blaue Farbe des gerotheten Papiers wieder herzustellen, gehoren der Losung des weissen Korpers nicht mehr an. Aus zwei Korpern von scharf ausgesprochenem , aber entgegen- gesetztem Charakter, haben wir eine neutrale Verbindung erzeugt, deren Anblick und allgemeines Verhalten uns lebhaft an das Kochsalz erinnern. Mit Riicksicht auf seine Abstam- mung nennen wir die neue Verbindung Chlorwasserstoff- Ammoniak, bemerken indessen sogleich, dass dieselbe noch verschiedene andere Benennungen tragt und zumal im Han- del unter dem Namen Salmiak vorkommt. Ueber die Formel eines aus gleichen Volumen Chlorwas- serstoff und Ammoniak entstehenden Korpers kann kein Zweifel obwalten: HC1 + H 3 N = H 4 NC1. Es fragt sich aber, driickt diese Formel das Moleculargewicht des Salmiaks aus, mit anderen Worten, erfiillt die der Formel H 4 NC1 entsprechende Gewichtsmenge unserer ternaren Ver- bindung, vergast, den Raum von 2 Volumen? Man hat es versucht , diese Frage durch die Volumgewichtsbestimmung des Salmiakgases zu losen. Bezeichnet obige Formel die Grosse des Salmiakmoleculs, diirfen wir dieselbe in dem graphi- schen Ausdrucke wiedergeben, so muss das Volumgewicht des Salmiakgases 312 Moleculargewicht des Chlorwasserstoff-Ammoniaks. 4 + 14 + 35,5 53,50 zu - - - == zb,75 gemnden werden; der Versuch hat aber zu der Zahl 13,375 gefiihrt. Dieses uner- wartete Ergebniss liesse sich in verschiedener Weise deuten. Man konnte sagen, das Salmiakmolecul entliielte nur die Halfte der durch die Formel H 4 NC1 ausgedriickten Gewichts- menge Salmiak. Wir gelangten alsdann zu dem Ausdrucke welcher mit der Annahme unvertraglich ist, dass N und Cl die Atome des StickstofFs und Chlors darstellen, also nicht wei- ter theilbar sind. Oder man konnte annehmen, das Salmiak- molecul nehme den doppelten Raum der iibrigen, uns bereits bekannt gewordenen Gasmolecule ein und sei in deni Ausdruck dargestellt. Ein solcher Ausdruck widerstreitet aber unserer Fundamental -Hypothese, dass namlich die Molecule sammt- licher gasformiger Korper gleich gross sind. Endlich ware aber auch noch der Fall denkbar, dass sich das Salmiakmole- cul, auf eine hohe Temperatur erhitzt, in seine binaren Be- standtheile spalte, und dass diese Bestandtheile bei der Ab- kiihlung des Gemenges wiederum zu Salmiak zusammentraten. Bei der Gasvolumbestimmung wurde also das Salmiakmolecul (2 Vol.) 1 Molecul Chlorwasserstoff (2 Vol.) und 1 Molecul Ammoniak (2 Vol.), also 4 Volume, liefern, ein solches Gasgemenge aber miisste das Volumgewicht - . - = -~ = 13,375 oder genau das Resultat geben, welches man bei dem Versuche gefunden hat. Viele Chemi- ker sind in der That geneigt, eine solche Spaltung und Wie- Dissociation des Chlorwasserstoff-Ammoniaks. 313 dervereinigung man pflegt die beiden auf einander fol- genden Erscheinungen in dem einen Worte Dissociation zusammenzufassen bei dem Salmiakmolecul anzunehmen, und man hat sich mehrfach bemiiht, diese Annahme durch Versuche zu beweisen. Diese Yersuche und die an dieselben ankniipfende Contro verse sind indessen bis jetzt noch keines- wegs zu einem endgiiltigen Abschlusse gekommen, und ist es daher geboten, den hypothetischen Charakter des Salmiakmole- culs auf die gewohnliche Weise r * n : H 4 NC1 j L. durch punktirte Linien zu bezeichnen. Diese Bezeichnungs- weise ist in der That um so nothiger, als es noch eine aller- dings kleine Reihe von Korpern giebt, welche sich ahnlich verhalten wie der Salmiak und fur welche wir, zurErklarung ihrer anomalen Dampfdichten, weiterer Untersuchungen bediirfen. Wenn wir in dem Salmiak mit einer ternaren Verbindung bekannt geworden sind, deren Gasvolumgewichtsbestiminung zu Ergebnissen gefiihrt hat, welche bis jetzt in ganz befriedigender Weise nicht haben erklart werden konnen , so haben uns die friihesten unserer Versuche eine Reihe von ternaren Korpern geliefert, welche sich erst bei so hoher Temperatur vergasen, dass man bis jetzt nicht einmal den Versuch gemacht hat, ihre Gasvolumgewichte zu ermitteln. Als wir beim Beginn unserer Studien die Zusammen- setzung des Chlorwasserstoffs , des Wassers und des Am- moniaks erforschten, bedienten wir uns des Natriums, um aus diesen drei Wasserstoffverbindungen den Wasserstoff auszu- treiben, und wir lernten spater, dass sich aus den drei Was- serstoffverbindungen drei Natriumverbindtingen erzeugen, in denen das Metall beziehungsweise mit Chlor, mit Sauerstoff, mit Stickstoff verbunden ist. Wir erinnern uns, dass die Atome des Chlors, des Sauer- stoffs und des Stickstoffs beziehungsweise ein-, zwei- und drei- 314 Ternare Verbindungen gebildet durch Einwirkung werthig sind, und dass die Molecule ihrer Wasserstoffver- bindungen beziehungsweise 1 , 2 und 3 At. Wasserstoff ent- halten. Wenn das Natrium, dessen Atom wir als ein einwerthiges auffassen, wasserstoffaustreibend auf das Chlorwasserstoffmole- cul einwirkt, so muss sich offenbar alsbald der ganze Wasser- stoffgehalt desselben entwickeln. Bei dem Wasser andererseits, dessen Molecul 2 At. Was- serstoff enthalt, lasst es sich denken, dass die Wasserstoff- entwicklung in zwei auf einander folgenden Stadien , man konnte sagen, durch zwei successive Invasionen des Metalles stattfindet, in Folge deren zuerst das eine und alsdann das andere Wasserstoffatom austritt. Aus dem Ammoniakmolecul endlich mit seinen 3 At. Wasserstoff kann offenbar nach einander zuerst 1 Atom und alsdann das zweite Atom Wasserstoff entwickelt werden , ehe sich mit der Vollendung der Reaction der ganze Wasserstoff- gehalt ausgeschieden hat. Als wir die fraglichen Versuche anstellten, war unsere Aufmerksamkeit ausschliesslich dem Wasserstoff zugewendet, der sich in einem jeden derselben entwickelte, und als wir spater (vergl. S. 189) die Vorgange naher betrachteten , ver- mieden wir es absichtlich, mehr ins Auge zu fassen, als die Endproducte der Reactionen, d. h. die binaren Verbindungen des Natriums beziehungsweise mit Chlor, mit Sauerstoff, mit Stickstoff, welche durch die vollkommene Entfernung des Wasserstoffs aus den drei oft genannten Verbindungen ent- stehen; jetzt aber erfahren wir mit Inter esse, dass sich diese binaren Endproducte der Zersetzung des Wassers und des Ammoniaks keineswegs unmittelbar erzeugen, sondern dass ihnen unter alien Umstanden die Bildung ternarer Zwischen- glieder vorausgeht. In dem folgenden Diagramm , welches die durch Einwir- kung des Natriums auf unsere drei ersten typischen Wasser- stoffverbindungen gebildeten Producte- darstellt, sind die Mittelglieder, welche sich bei dem Wasser und Ammoniak des Natriums auf Wasser und Ammoniak. 315 erzeugen, zwischen die urspriinglichen Verbindungen und die Endproducte der Reaction eingeschaltet \\rorden: Zersetzung des Chlorwasserstoffs, des Wassers und des Am- raoniaks durch Natrium. Ur Ch sprungl. Verbind. Zwischenglied binar ternar Endproduc binar .orwasserstoff H Cl r n : Na 1 ; Cl L I Wasser ! ! H i 1 ; Na 1 i o" L -- J o" i i 0" i 1 H H iNa 1 : i i \etiscli) i 1 Na 1 Am nioniak (hypotf I 1 i 1 i Na 1 i ! Na 1 ; 1 i i i H H r i N" 1 H S 111 ; Na 1 : i N 111 Na 1 N m . i Na 1 i i H H Zwischen dem Chlorwasserstoff und dem Kochsalz liegt keine ternare Verbindung; der Chlorwasserstoff geht direct in Kochsalz iiber. Die ternare Verbindung, welche zwischen dem Wasser und dem Natriumoxid liegt, besteht, wie ein Blick auf das Diagramm zeigt, aus 1 At. Natrium, 1 At. Wasserstoff und 1 At. Sauerstoff ; sie lasst sich als Wasser betrachten , in wel- chem die Halfte des Wasserstoffs durch Natrium ersetzt ist. 316 Natriumderivate des Chlorwasserstoffs, Sie 1st der unter dem Namen Natronhydrat oder katisti- sches Natron in den Kiinsten und Gewerben vielfach ange- wendete Handelsartikel , welcher von den Chernikern jetzt oft Natriumhydrat, wohl auch Natriumhydroxid genannt wird. Das letzte Product der Einwirkung des Natriums auf das Wasser, das Natriumoxid, enthalt keinen Wasserstoff mehr; es wird auch wohl im Sinne alterer Anschauungen wasserfreies Natron genannt. In dem Natriumoxid ist nur noch eines der Elemente der Mutterverbindung , aus der es stammt, vorhanden, allein die Structur derselben hat sich unverandert erhalten. Was hier von dem Natrium bemerkt wurde, gilt naturlich, mutatis mutandis in gleicher Weise fur die Einwirkung des Kaliums auf das Wasser. Wahrend sich aus dem Wasser unter dem Einflusse des Natriums zwei Natriumderivate, ein tern ares und ein bina- res, bilden, konnen deren aus dem Ammoniak nicht weniger als drei entstehen, von denen die beiden zwischen den End- gliedern, dem Ammoniak und dem Natriumnitrid , liegenden ternare Verbindungen sind. In den folgenden Moleculargleichungen sind die Um- wandluugen dargestellt, welche der Chlorwasserstoff, das Wasser und das Ammoniak unter dem Einflusse des Natriums erleiden; sie veranschaulichen die verschiedenen Phasen dieser Umwandlungen und zeigen, wie in den beiden letzten Fallen mit der fortschreitenden Entwicklung von Wasserstoff die Verbindungen stets natriumreicher werden, bis zuletzt die Natrium verbindungen des Sauerstoffs und Stickstoffs zuriick- bleiben. des Wassers, des Ammoniaks. 317 1. Aufnahme des Natriums in den Chlorwasserstoff. 2 I HC1 I 1 r " 1 i Na'Na 1 \ = 2| Na'Cl ...* J .1 2. Fortschreitende Aufnahme des Natriums in das Wasser. Iste Phase. 2 H.,0 11 -Hi Na'Na 1 : ^2: Na'HO" jf I I i 1 i * 1 2te Phase . 2 i Na'HO 11 i-f! Na'Na 1 i =2; * I i * i 3. Fortschreitende Aufnahme des Natriums in das Ammoniak. Lste Phase. 2 2te Phase . 2 HoN" 1 |-H 1 i T 1 Na 1 Na' i '-' _j r T i >_ A" J HH Na'H*N'"j-Hj T -| Na'Na 1 j = 2 4 J N4HN TI ":-H ^ _i HH i r " ir ~i r Na!>HN Iu ;-H L_ a J L Na'Na 1 j=2 ....i i Na^N'" 4- HH Diese Gleichungen enthiillen uns, wenn man will, den Mechanismus dieser Reactionen; wir sehen, wie die nachein- ander eintretenden Metallatome die Stelle der Wasserstoff- atome einnehmen, welche ausgetrieben werden, um, konnte man sagen, den Metallatomen Platz zu machen. Es verdient hinsichtlich der Einwirkung des Natriums auf das Wasser und das Ammoniak noch bemerkt zu werden, dass sich die verschiedenen Metallclerivate keineswegs mit gleicher Leichtigkeit erzeugen. Sowohl bei dem Wasser als 318 Natriumderivat des Grubengases. auch bei dem Ammoniak sind es ternare Verbindungen., welche sich mit Vorliebe bilden, die binaren Endproducte entstehen stets nur bei Einhaltung besonderer Bedingungen. Von den ternaren Verbindungen der Ammoniakreihe ist bis jetzt nur die erste im reinen Zustande dargestellt worden. Die vierte unserer typischen Wasserstoffverbindungen, das Grubengas, ist in seineni Verhalten zum Natrium bis jetzt kaum untersucht worden. Es ist gleichwohl eine ternare Verbindung bekannt, welche man sich als aus dem Gruben- gase durch Eintreten eines Natriumatoms an die Stelle eines Wasserstoffatoms entstanden denken kann. Diese bis jetzt noch ganz unzureiehend studirte Verbindung, das Natrium- methyl I " -i Na'HgC": L a J lasst sich nur schwierig und auf Umwegen erhalten, welche spaterer Betrachtung vorbehalten bleiben miissen. Auch ist dieses sehr merkwiirdigen Korpers hier nur deshalb gedacht worden, um zu zeigen, dass wir berechtigt sind, die Ent- deckung einer Reihe von Natriumderivaten auch des Gruben- gases zu erwarten. Die betrachteten Beispiele fiihren uns zu einer allge- meineren Auffassung der Substitutionsverbindungen d. h. also von Korpern, gebildet (nicht selten in grossen Rei- hen) durch das Austreten eines oder mehrerer Atome der ele- mentaren Bestandtheile einer Verbindung unter gleichzeiti- ger Aufnahme der entsprechenden Anzahl von Atomen eines anderen Elementes. Wir gelangen auf diese Weise zur Er- kenntniss eines Principes, welches, in gliicklicher Weise ver- werthet, einer der machtigsten liebel far die Forderung der modernen Chemie geworden ist. Zur weiteren Veranschaulichung dieses Principes wollen wir die Betrachtung von noch einigen anderen unserer frii- hesten Versuche wiener aufnehmen, um sie in der neu er- Einwirkung d. Chlors auf d. typ. Wasserstoffverbind. 319 schlossenen Ricbtung zu verfolgen; wir erhalten auf diese Weise weitere Beispiele ternarer Verbindungen, wahrend uns gleiclizeitig der Unterschied, man konnte sagen, ge- messener und gedachter Molecule von Neuein vor Augen tritt. Aus den ersten Stadien unserer chemischen Erfahrungen erinnern wir uns der wichtigen und ausgedehnten Anwen- dungen, welche wir von der miichtigen Anziehung des Chlors fur den Wasserstoff machten. Unter geeigneten Bedingungen auf das Wasser, auf das Ammoniak , auf das Grubengas wir- kend, entzog das Chlor diesen Verbindungen den Wasserstoff, es bildete sich Chlorwasserstoff, wahrend der Sauerstoff, der Stickstoff, der Kohlenstoff in Freiheit gesetzt wurden. (Vergl. S. 34, 40 u. 139.) Fur die Beantwortung der Fragen, welche uns dainals beschaftigten , ware es ganz ohne Zweck gewesen, darauf hin- zuweisen, dass sich unter veranderten Bedingungen auch die Ergebnisse dieser Reactionen weseritlioh anders gestalten konnen, und dass wir bei langsam gesteigerter Einwirkung eine Reihe von Erscheinungen beobachten, welche uns alsbald an die bei der Einwirkung des Natriums erworbenen Erfah- rungen erinnern. Von dem neuen Gesichtspunkte aus hetrach- tet, welchen die eben jetzt an uns herantretenden Substitu- tions-Ersclieinungen eroffnen, beanspruchen diese veranderten Reactionen plotzlich unser allerlebhaftestes Interesse. Obne uns in Eiuzelnheiten zu verlieren , deren Kennt- nissnabme von dem eigentlichen Zwecke dieser Betrachtung abfiihren wiirde, mag zunachst bemerkt werden, dass sich bei geeignet gewahlten Bedingungen die Einwirkung des Chlors auf das Wasser, auf das Aramoniak, auf das Grubengas in der Weise leiten lasst, dass der Sauerstoff, der Stickstoff, der Koh- lenstoff, nach der Ueberfiihrung des mit ihnen verbunden ge- wesenen Wasserstoffs in Chlorwasserstoff, statt sich abzuschei- den , mit dem Chlor in Verbiuduiig tritt, und zwar genau mit d.T Anzahl von Chloratomen , welche der mit diesen Ele- 320 Chlorderivate des Wassers, menten urspriinglich verbundenen Anzahl von Wasserstoffato- men entspricht. Bei der Einwirkung des Chlors auf das Wasser verwandelt sich auf diese Weise H 2 in C1 2 0, bei der Einwirkung auf das Ammoniak H 3 N in C1 3 N, bei der Einwirkung auf das Grubengas endlich H 4 C in C1 4 C. Wir sind in der That diesen dem Wasser, dem Ammo- niak, dem Grubengas entsprechenden Chlorverbindungen des Sauerstoffs, des Stickstoffs, des Kohlenstoffs bereits, obwohl nur fliichtig, naher getreten, als wir uns mit der Ermittlung der Verbindungsgewichte der Elemente durch die Analyse und Volumgewichtsbestimmung ihrer fliichtigen Chlorverbin- dungen beschaftigten. (Vergl. S. 157 u. 160.) Ein Blick auf diese beiden Reihen binarer Verbindungen, von denen die zvveite die den in der ersten verzeichneten Wasserstoffverbindungen entsprechenden Chloride darstellt, zeigt uns, dass sich in jedem Falle zwischen die beiden zu- sammengehorenden Korper ein oder mehrere Zwischenglieder einschieben mussen. In dem folgenden Diagramm sind die Endglieder mit ihren Zwischengliedern graphisch darge- stellt: des Ammoniaks, des Grubengases. 321 Fortschreitende Zersetzung des Wassers, des Ammoniaks und des Grubengases durcb Chlor. Urspriingl. Verb. Zwischenglieder Endproduct. (binar) (ternar) (binar) |n H 1 L. des "VVassers. Cl Cl 2. H des Ammoniaks. Cl i rT- Cl Cl H N Cl N Cl N H H i 3. ( H j J ! i C H les Grubengases. i 1 j C i i J Cl - c r H i Cl Cl i i 1 Cl [C H ! r s n : i \j ; : (j : II L H L [^r L - j Cl H H H Cl Eiuleitung fti die moderiie Cbemie. 322 Einwirkuqg des Chi or s auf das Wasser, Zwischen das Wasser und die ihm entsprechende Chlor- verbindung, das Sauerstoffchlorid, stellt sich, wie wir sehen, nur ein einziges ternares Zwischenproduct; zwischen dem Ammoniakund der entsprechenden Chlorverbindung, dem Stick- stoffchlorid, finden wir deren zwei; zwischen dem Grubengas und seinem Chlorderivat, dem Kohlenstoffchlorid, endlich sind deren nicht weniger als drei. Es darf nicht unerwahnt blei- ben, dass die Zwischenglieder in der Ammoniakreihe, theil- weise wohl ihrer gefahrlichen explosiven Eigenschaften halber, bis jetzt im reinen Zustand nicht dargestellt worden sind, an ihrer Existenz aber fiiglich nicht gezweifelt werden kann. Alle iibrigen in dem Diagramm verzeichneten Korper sind ihrer Zusammensetzung und ihren Eigenschaften nach wohl- bekannte Verbindungen. Die zwischen dem Wasser und dem Sauerstoffchlorid existirende Verbindung ist den Chemikern als das Hydrat der unterchlorigen Saure bekannt. Von den zwischen dem Grubengas und dem Kohlenstoffchlorid liegenden Gliedern heisst die erste Methyl chlorid, die zweiteMethen- dichlorid, die dritte wird zum Oefteren mit dem Namen Me- thenyltrichlorid bezeichnet, ist aber allgemeiner unter dem Namen Chloroform bekannt. Die folgenden graphischen Moleculargleichungen zeigen die stufenweise Bildung dieser Verbindungen in einer Reihe regelmassig auf einander folgender Substitutionsprocesse. das Ammouiak und das Grubengas. 323 Bilclung der Chlor-Substitute. 1. des Wassers. H 2 4 C1C1 1 i Ammoi HC1 i r 1 -f j HC10 : L * _J HC10 -f + 4- j_ 4- + + + C1C1 i HC1 -f Cl,0 2. des C1C1 liaks. H 3 N HC1 -f HoCIN L_ J H 2 C1X A _ C1C1 HC1 -|- HC1,N i . ! HC1 2 N L J. _l C1C1 HCi . -f C1 3 N . . ! 3. des Grubengases. H 4 C C1C1 = HC1 4- H a cic H 3 C1C 01 Cl HCI -f- H>CLC H,C1 2 C C1C1 HCI -h HC1 3 C HClsC C1C1 HCI 4 C1 4 C Ein Blick auf diese Diagramme lehrt uns aber nicht nur, wie sich diese Korper durch Eintreten von Chlor und Aus- treten von Wasserstoff, Atom fur Atom, erzeugen , sonderu enthiillt uns auch die eben so wicbtige Thatsache, da&s sich 21* 324 Uebergang binarer in tern are in sammtlichen auf dem Wege der Substitution gebildeten Producteri die der Mutter verbindung eigenthiimliche Struc- tur erhalt. Wir rniissen hier auf die weitere Ausfiihrung dieses Ge- genstandes verzichten; es fehlt uns im Augenblick das nothige Material, um die Substitutionserscheinungen in ihrem ganzen Urnfange und ihrer ganzeu Wichtigkeit zu wiirdigen, allein es braucht kaum besonders hervorgehoben zu werden, welchen Vorschub die Erkenntniss des Substitutionsprincipes der Be- waltigung der sonst fast unlosbar scheinenden Aufgabe leisten muss, die taglich mehr und mehr anschwellende Fluth von chemischen Verbindungen in ein System natiirlicher Gruppen zu ordnen. Aus den im Vorhergehenden gegebenen Beispielen er- hellt, dass sich ein binares Molecul in ein tern ares verwan- deln kann , entweder durch Vereinigung mit eineni zweiten binaren Molecule (wie bei der Bildung des Chlorwasserstoff- Ammoniaks) , oder durch Aufnahme von einem Atom oder mehreren Atomen eines dritten Elementes, welche an die Stelle einer entspreclienden Anzabl ausscheidender Atome treten (wie bei der Bildung der Natrium- und Chlorsubstitute des Wassers, Ammoniaks und Grubengases). In letzterem Falle zeigt es sich, dass die Summe der Atombindekrafte, welche mit den einriickenden Atomen dem Molecul zu Gute kommen, genau der Summe gleicht, welche ihm mit den aus- tretenden Atomen verloren geht. In den angefuhrten Bei- spielen haben wir allerdings nur die einwerthigen Natrium- und Chloratome sich den einwerthigen Wasserstoffatomen sub- stituiren sehen, allein wir werden spater wahrnehmen, dass sich diese Regel in alien Fallen bewahrheitet, einerlei, ob die ein- und austretenden Atome ein-, zwei-, drei- oder vier- werthig sind, oder ob sie theilweise der einen, theilweise der anderen Classe angehoren. Es ist diese Erfahrung eine der wichtigsten Errungenschaften der modernen chemischen For- schung, deren ganze Tragweite sich uns jedoch erst im wei- teren Verlaufe unserer Studien erschliessen kann. Verbindungen. Oxide des Chlorwasserstoffs. 325 Es giebt indessen ausser den beiden genannten noch einen anderen Weg, auf welchem ein binares Molecul in ein ternares iibergehen kann, namlicb durch einfache Anlagerung ernes oder mehrerer Atome eines dritten Elementes an ein Molecul, ohne dass letzteres eines seiner eigenen Atome verlore. Sauerstoffatome werden auf diese Weise von alien unse- ren typischen Wasserstoffverbindungen und ihren Analogen aufgenommen. Der Chlorwasserstoff, die an der Spitze der ersten Gruppe stehende typische Verbindung, besitzt diese Fahigkeit in besonders hohem Grade. Ihr Molecul (HC1) ver- einigt sich mit 1, 2, 3 oder 4 Atomen Sauerstoff; es entsteht eine Reihe von vier wohlcharakterisirten ternaren Verbin- dungen, welche man als Oxide des Chlorwasserstoffs anspre- chen konnte, und deren Zusammensetzung in der folgenden Reihe von Formeln gegeben ist: Oxide des Chlorwasserstoffs: HC10, HC10 2 , HC10 3 , HC10 4 . Wir werden sie spater unter den Namen unterchlo- rige Saure, chlorige Saure, Chlorsaure und Ueber- chlorsaure naher kennen lernen. Was die Bildung dieser Korper anlangt, so kann man wiederum im Sinne der schon oben (vergl. S. 296) angefiihr- ten Auffassung gelten lassen, dass entweder 1 At. Sauerstoff oder ein Atompaar oder ein aus drei und vier Atomen beste~ bender Complex immer mit nicht mebr als 2 Bindekraften zwischen den Wasserstoff und das Cblor .tritt. Chlorwasserstoff H - Cl Unterchlorige Saure H 0- Cl Chlorige Saure H Cl Chlorsaure H Cl UebercHorsaure H Cl 326 Oxide des Schwefelwasserstoffs, des Amraoniaks, Auch die dem Chlorwasserstoff zur Seite stehenden Was- serstoffverbindungen des Broms und des Jods besitzen diese Fahigkeit, jedoch in minder hervortretender Weise. Diese Anziehung fur den Sauerstoff geht auch den Was- serstoffverbindungen unserer zweiten Gruppe nicht ab, obwohl sie hier weniger bei dem an der Spitze der Gruppe stehenden Korper, dem Wasser, als bei den letzterem untergeordneten Gliedern hervortritt. Aus dem Wassermolecul (H 2 0) entsteht durch Anlage- rung von Sauerstoff nur eine einzige Verbindung, das Wasser- stoffsuperoxyd (H 2 00), welches indessen nicht leicht darzu- stellen und iiberdies eine wenig bestandige Verbindung ist. Allein die Analogen des Wassers, die Wasserstoffverbindun- gen des Schwefels und Selens, bilden eine jede zwei wohl- bekannte Verbindungen, welche durch Anlagerung beziehungs- weise von 3 und 4 Atomen Sauerstoff an die Molecule des Schwefel- und Selenwasserstoffs entstehen. Yielleicht existiren auch noch Verbindungen mit 1 und 2 Atomen Sauerstoff, welche uns der Fortschritt der chemischen Entdeckung eines Tages enthiillen konnte, so dass wir die Reihe der Schwefel- verbindungen z.B. in folgenden Formeln wiederzugeben hatten: Oxide des Schwefelwasserstoffs: H 2 SO(?), H 2 S0 2 (?), H 2 S0 3 , H 2 S0 4 . Die beiden ersten Formeln bezeichnen die noch hypo- thetischen Glieder der Reihe. Die beiden letzteren, ande- rerseits, stellen zwei fiir Theorie und Praxis gleich wichtige Verbindungen dar, die schweflige Saure und die Schwe- fels a ure, mit denen wir uns in der Folge ausfuhrlich be- schaftigen miissen. Wenn wir in ahnlichem Sinne die dritte Gruppe unserer Wasserstoffverbindungen betrachten , so zeigt es sich , dass ihre verschiedenen Glieder eine sehr ungleiche Anziehung fiir den Sauerstoff besitzen. In der That ist es erst in allerjung- ster Zeit gelungen, den Prototypen derselben, das Ammoniak des Phosphor was serstoffs, des Grubengases. 327 (H 3 N), mit Sauerstoff zu vereinigen, und zwar bis jetzt auch mir in einem einzigen Verhaltniss. Auf Umwegen, denen wir fur den Augenblick nicht folgen diirfen, verbindet sich das Ammoniak mit einem Atom Sauerstoff zu einem sehr merk- wiirdigen Korper (H 3 NO), welcher den Namen Hydroxyl- amin erhalten hat. Dagegen ist der dem Ammoniak analoge Phosphor wasserstoff durch die Leichtigkeit ausgezeichnet, mit der sich sein Molecul (H 3 P) mit 2 , 3 und 4 Atomen Sauer- stoff zu wohlcharakterisirten Verbindungen , unterphospho- rige Saure, phosphorige Saure und Phosphorsaure genannt, vereinigt, so dass nur noch eiue Sauerstoffverbin- durtg, die erste, zu entdecken bleibt, urn die Reihe derselben vollstandig zu machen: Oxide des Phosphorwasserstoffs: H 3 PO(?), H 3 P0 2 , H 3 P0 3 , H a P0 4 . Unsere vierte und letzte Gruppe, welche sich an das Grubengas anlegt, hat bis jetzt nur eine einzige ternare Sauerstoffverbindung geliefert. Es ist dies der aus dem Gru- bengas selbst hervorgehende Korper H 4 CO, der uns spater unter dem Nam en Methylalkohol bekannt werden wird, und dessen merkwiirdige Eigenschaften und mannigfaltige Uinwandlungen uns fur die Abwesenheit ande- rer ternarer Sauerstoffverbindungen in der Grubengasgruppe reichlich schadlos halten werden. Durch den Methylalkohol, wie durch ein weit geoffnetes Thor, dringen wir namlich in eine neue Provinz ein, die reichste und schonste des Gebietes, durch welches uns unser Weg spater fiihren wii'd. Auf diesem Wege sind wir jedoch an einer Stelle ange- langt, an welcher wir unsere gemeinschaftliche Wanderung, fiir einige Zeit weuigstens, unterbrechen diirfen. Die Grenzen dieser kurzen Einleituug sind erreicht, der Zweck, soweit die Verwirklichung clesselben unter den gegebenen Bedingungen 328 Riickblick. Elemente moglich war , erfullt. Allein , ehe wir uns trennen , wollen wir, wie Wanderer zu thun pflegen, einen Augenblick an- halten, um von der gewonnenen Anhohe herab auf den durch- messenen Weg zuriickzuschauen. In anderen Worten: wir wollen die wichtigsten Thatsachen, welche der Versuch uns vorfiihrte, und die Anschauungen, welche sich aus der Unter- suchung derselben entwickelten , nochmals an uns vorbei- zieben lassen. damit sie dem Gedachtniss eingepragt bleiben. Als Ausgangspunkt unserer Forschung wahlten wir das Wasser, dessen zusammengesetzte Natur sich uns in einera der einfachsten und schonsten Versuche enthiillte. Eine Kaliumkugel sahen wir bei der Beriihrung mit Wasser ergliihen und ein brennbares Gas, den Wasserstoff, daraus entwickeln. Dieses Gas erwies sich als der leichteste aller Korper, und wir wahlten es sofort bei Vergleichung der Volumgewichte gasformiger Korper im Allgemeinen a]s Einheit. Diesen Wasserstoff gelang es uns nun durch dasselbe einfache Mittel aus zwei anderen, im reinen Zustande gasfor- migen Korpern zu entbinden, aus der Salzsaure und aus dem Ammoniak, welche, obwohl minder allgemein bekannt, gleich- wohl in den Kunsten und Gewerben die ausgedehnteste An- wendung finden. Eingehendere Betrachtung dieser drei Wasserstoffquellen lehrte uns alsdann drei weitere Gase, das Chlor, den Sauer- stofF, den Stickstoff, kennen, welche beziehungsweise in der Salzsaure , in dem Wasser , in dem Ammoniak mit dem Was- serstoff vereinigt sind. Das Studium des Chlors, des Sauerstoffs, des Stickstoffs zeigte uns in dem ersten das kraftigste aller chemischen Agentien, in dem zweiten das kaum minder energische Prin- cip der Verbrenrmng, in dem dritten endlich einen Korper, der in seinen wenig ausgesprochenen Anziehungen den eigent- lichsten Gegensatz zu den beiden anderen bildet. Die analytisch bewerkstelligte Spaltung der Salzsaure, des Wassers und des Ammoniaks hatte uns den Wasserstoff . und zusammengesetzte Korper. 329 und beziehungsweise das Chlor, den Sauerstoff und den Stick- stoff als Bestandtheile der drei vielgenannten Korper kennen gelehrt; die synthetische Riickbildung dieser Korper, soweit sich dieselbe ausfiihren liess, sowie das Ergebniss directer Wagung zeigte uns, dass Wasserstoff und Chlor, Wasserstoff und Sauerstoff, Wasserstoff und Stickstoff beziehungsweise ihre einzigen Bestandtheile sind. Die Erorterung dieser auf engumgrenztem Gebiete ge- sammelten Thatsachen fiihrte in ungezwungener Weise zur Idee des Elementes im Gegensatze zur Verbindung; und der Wasserstoff, das Chlor, der Sauerstoff und der Stickstoff, als Beispiele elementarer oder einfacher Korper, die Salzsaure, das Wasser, das Ammoniak, als Vertreter der Verbindungen oder zusammeugesetzten Korper, gewannen, von diesem neuen Gesichtspunkte aus betrachtet, ein erhohtes Interesse. Bei fortgesetztem Studium dieser Verbindungen erfuh- ren wir zunachst das Verhaltniss, dem Volum und Gewicht nach, in welchem die elementaren Bestandtheile in denselben enthalten sind. Mit der Volumeinheit des Chlors, des Sauerstoffs, des Stickstoffs, beziehungsweise durch die Gewichte 35,5, 16 und 14 ausgedriickt, sahen wir den Wasserstoff dem Yolum und Gewichte nach sich vereinigen in dem Verhaltniss von 1 mit dem ersten, von 2 mit dem zweiten und von 3 mit dem drit- ten Gase. Trotz der Ungleichheit in der Zahl der Volumeinheiten der gasformigen Bestandtheile, welche bei Bildung dieser Verbindungen zusammentreten . fanden wir das Volum der gebildeten Verbindungen im gasformigen Zustande vollkom- men gleich, in jedem Falle den Raum von 2 Volumeinheiten erfiillend, und wir lernten auf diese Weise, dass die Verdi ch- tung der Elemente in diesen drei Verbindungen gleichen Schritt halt mit der Anzahl der zusammengetretenen Volum- einheiten der elementaren Bestandtheile. Mit der Erkenntniss dieser Verhaltnisse hatte unsere experimentale Erforschung des Chlorwasserstoffs , des Wassers 330 Ruckblick. Wahl concreter Maasse u. Gewichte. und Ammoniaks ihre Grenze erreicht, allein der Werth der erworbenen Thatsachen ward schliesslich Doch durch den Urn- stand gesteigert, dass sich die drei oft genannten Korper als scharf gezeichnete Structurmodelle chemischer Verbindungen, dass sich das Chlor, der Sauerstoff, der Stickstoff als die Pro- totypen dreier Gruppen durch ahnliches chemigches Verhalten ausgezeichneter Elemente erwiesen. In dem Maasse, als unser Gesichtskreis sich erweiterte und Thatsache an Thatsache sich reihte, fiihlten wir das Be- diirfniss, den gewonnenen Erfahrungen einen biindigeren und deshalb eindringlicheren Ausdruck zu leihen, als ihn die ge- wohnliche Sprache gewahrt; es gait gleichzeitig und in gra- phischer Weise ganze Reihen von Erscheinungen zur An- schauung zu bringen, die man sonst nur schwierig in ihrem gegenseitigen Zusammenhange und in ihrer Abhangigkeit von allgemeinen Gesetzen erkannt haben wiirde. Zu dem Ende fanden wir uns veranlasst, unsere Gas- volume durch Quadrate auszudriicken , in denen wir die An- fangsbuchstaben der Namen und die Volumgewichte der Ele- merite verzeichneten, welche sie darstellen sollten. So gestal- tete sich die Gruudlage einer symbolischen Zeichensprache, welche wir ini weiteren Verlaufe unserer Studien gleichzeitig bereichern und vereinfachen durften, indem wir sie einerseits jeder neuen Thatsache, mit der wir vertraut wurden, alsbald anpassten, andererseits mancher Formen entkleideten, welche, obwohl ganz angemessen fiir die Zwecke des Unterrichts, doch fiir den lebendigen cheniischen Verkehr zu schwerfallig erschienen. Urn den aufgefundenen Volum- und Gewichtsbeziehungen eine absolute Bedeutung beizulegen, hatten wir ein bestimm- tes Maass-^und Gewichtssystem zu wahlen, dem wir Yolum- und Gewichtseinheiten fiir unsere Zwecke entnehmen konnten. Unsere^Wahl fiel, wie dies nicht anders sein konnte, auf das schone metrische Maass- und Gewichtssystem der Fran- zosen, bei dessen Betrachtung wir uns mit einiger Yorliebe uud vielleicht etwas langer aufhielten, als es fiir unsere Das Wasserstofflitergewicht. Das Krith. 331 Zwecke unbedingt nothwendig gewesen ware. Allein dieses System lieferte uns das Gramm, in dem fortan alle unsere Gewichtsbestimrnungen Ausdruck fanden, es lieferte uns das Liter, welches wir sofort als Einheit aller Volumbestim- mungen wahlten, und wir blicken daher ohne Unmuth auf diese kleine Abschweifung von unserem Wege zuriick. Diesen dem metrischen System entnommenen Maassein- heiten wagten wir fur die besonderen Zwecke unserer Be- trachtung noch eine weitere Gewichtseinheit hinzuzufiigen. Der leichte Uebergang von Gewicht zu Volum uud von Volum zu Gewicht, welcher das metrische Maasssystem aus- zeichnet, gilt nur fiir starre und fliissige Korper, deren Vo- lumgewicht wir auf das des Wassers als Einheit beziehen. Urn einen ahnlichen Uebergang auch fiir Korper im gasformi- gen Zustande, denen ja unser Interesse fast ausschliesslich zugewendet war, zu ermoglichen, entschlossen wir uns, das Gewicht eines Liters Wasserstoff, unseres Xormalementes, auf welches wir die Volumgewichte aller Gase beziehen, zur Einheit fiir die absoluten Gewichte concreter Gasvolume zu erheben. Dem Gewichte eines Liters Wasserstoff unter den Normalbedingungen des Drucks und der Temperatur (0,0896 Gramm) gaben wir den Namen Krith, und alsbald bezeich- neten uns die Volumgewichte der Gase, in Krithen gelesen, die absoluten Gewichte eines Liters derselben, unter normalen Druck- und Temperaturbedingungen gemessen. Mit dem Einflechten absoluter Werthe in die die Ele- mente und Yerbindungen darstellenden Formeln erlangte un- sere symbolische Sprache erhohte Wichtigkeit, indem sie als Mittel derErforschungbeobachteterErscheinungen anScharfe, als Mittel der Darstellung erforschter Thatsachen an Ein- dringlichkeit gewann. Dem Chlorwasserstoff, dem Wasser und dem Ammoniak schloss sich spater noch eine vierte typische Wasserstoffver- bindung an. In dem Kohlenstoff iernten wir ein wichtiges, von den friiher betrachteten wesentlich verschiedenes Element kennen, mit dessen Wasserstoffverbindung, dem Grubengas, 332 Riickblick. Kohlenstoff u. seine Wasserstoffverbind. die Reihe unserer typischen Wasserstoffverbindungen zum Schlusse kam. In 2 Volumen, oder, wie wir uns nunmehr ausdriicken durften, in 2 Litern hatten wir die drei typischen gasformigen Elemente beziehungsweise mit 1 , 2 und 3 Lit. Wasserstoff vereint gesehen. In dem Zweilitervolum des Gru- bengases endlich fanden wir den Kohlenstoff mit 4 Lit. Was- serstoff verbunden. In dem Kohlenstoff trat uns das erste nicht fliichtige Element entgegen, dessen Gasvolumgewicht sich also der Be- stimmung entzog. Daher denn die etwas gesonderte Einrei- hung dieses Elementes und seiner Wasserstoffverbindung, des Grubengases, in die Gruppe unserer typischen Elemente und Verbindungen, in der wir gleichzeitig der eigenthumlichen Natur dieses Elementes Rechnung trugen, sowie den nahen Beziehungen des Grubengases zu den drei anderen Wasser- stoffverbindungen, welche sich in der stetigen Zunahme des Wasserstoffs in den vier Verbindungen und auch in dem stetig wachsenden Verdichtungsverhaltniss der in ihnen enthaltenen Elemente aussprachen. Daher aber auch die Nothwendigkeit, fur den Kohlen- stoff auf die Methode der symbolischen Bezeichnung zu ver- zichten, welche wir fur die friiher betrachteten Elemente an- wendbar gefunden hatten, und fur diesen sowie fur andere nicht fliichtige Elemente eine neue Ausdrucksweise auszu- bilden. Wir kamen iiberein, die Gewichtsmenge Kohlenstoff zu symbolisiren , welche in 2 Litern seiner Wasserstoffverbin- dung enthalten ist, und diese Gewichtsmenge das Verbin- dungsgewicht des Kohlenstoffs zu nennen, und hatten auf diese Weise den Grund zu einer erweiterten chemischen For- melsprache gelegt, in welcher auch die nichtnuchtigen Ele- mente einen geeigneten Ausdruck fanden. An die Stelle der Volumgewichte waren die Verbindungsgewichte getre- ten, deren Bestimmung nunmehr unsere ganze Aufmerksam- keit in Anspruch nahm. Wir erkannten bald, dass wir fur die Ermittelung der- selben nicht lediglich auf die Wasserstoffverbindungen ange- Verbindungsgewichte. Ersatzgewichte. 333 wiesen sind. Wir erfuhren, dass wir die Verbindungsgewichte auch aus anderen Verbinduiigen ableiten konnen, vorausge- setzt, dass sie ihrer Zusammensetzung nach bekannt und im gasformigen Zustande erforschbar sind. Bei der eingehenden Erorterung dieserFrage sahen wir dieElemente sich aucbnach Multiplen ihrer Verbindungsgewichte an der Bildung des Zweilitervoluraens ihrer Verbindungen betheiligen und wurden auf diese Weise zu einer allgemeineren Auffassung des Begriffes Verbinduugsgewicht gefiihrt. Allein die Bestim- mung des Verbindungsgewichtes setzt immer noch die Moglich- keit voraus, eine Verbindung des in Frage stehenden Elementes im gasformigen Zustande untersuchen zu konnen. Angesichts der Xothwendigkeit, auch Elemente in den Kreis unserer Be- trachtung zu ziehen, die selber feuerbestandig auch ausschliess- lich feuerbestandige Verbindungen bilden, musste schliesslich das Bediirfniss fiihlbar werden, auch fur die Gewichtsver- haltnisse, nach denen sich die Verbindungen der feuerfesten Materie gestaltet, einen Ausdruck zu finden. Neben die Ver- binduugsgewichte traten die Ersatzgewichte. An die Erkenntniss der typischen Elemente und ihrer ty- pischen Wasserstoffverbindungen hatte sich schon friiher natur- gemass das Studium anderer, diesen Typen sich unterordnender Elemente und Verbindungen angereiht. Wir hatten auf diese Weise das Brom und das Jod als Analoge des Chlors, und die Wasserstoffverbindungen derselben als Analoge des Chlorwasserstoffs kennen gelernt. Zu dem Sauerstoff und seiner Wasserstoffverbindung, dem Wasser, hatte sich in ahn- licher Weise der Schwefel und das Selen mit ihren Wasser- stoffverbindungen gesellt. Dem Stickstoff und seiner Wasser- stoffverbindung, dem Ammoniak, hatte sich der Phosphor und das Arsen mit dem Phosphor- und Arsenwasserstoff ange- schlossen. In eine Reihe mit dem Kohlenstoff endlich hatten wir das Silicium und das Zinn gestellt, indem wir fiir die erst in neuester Zeit endgiiltig untersuchte Verbindung des Siliciums mit dem Wasserstoff die bei dem Grubengas wahrgenommenen Structurverhaltnisse gelten liessen. 334 Riickblick. Classification der Elemente. In den vier Gruppen typischer Elemente und typischer Verbindungen, welche sich auf diese Weise unter unseren Au- gen entfaltet batten, glaubten wir den Keim einer grossarti- gen Auffassung, einer natiirlichen Classification der Korper in Gattungen zu erkennen, jede Gattung, bei aller Freibeit individueller Bildung der einzelnen Glieder, durch bestimmt ausgesprochene Charaktere unverkennbar gezeichnet. Im Laufe dieser experimentalen Forschungen gestalteten sicb unsere ersten Anschauungen des Wesens chemischer Er- scbeinungen, erschloss sicb uns allmalig die Bedeutung des Nainens unserer Wissenschaft. Wir wurden mit den Bedin- gungen vertraut, unter denen sich die Elemente zu cbemiscben Verbindungen gestalten, mit den Merkmalen, welcbe chemi- sche Verbindungen von mechanischen Mischungen unterschei- den, mit der Umwandlung der Eigenscbaften der Elemente bei ihrem Uebergang in eine cbemiscbe Verbindung; wir lern- ten endlich die Unveranderlichkeit der Verhaltnisse kennen, nach denen sicb, dem Volum und Gewicht nach, die Elemente mit einander zu cbemiscben Verbindungen vereinigen. Indem sich auf diese Weise unsere Kenntniss des Gesetz- massigen in den chemiscben Erscheinungen nach alien Rich- tungen bin erweiterte, batten wir reicbliche Gelegenheit, uns mit der Anstellung der Versuche, der Ausfuhrung der Ope- rationen, dem Aufbau der chemischen Apparate zu beschaf- tigen, denen wir diese Errungenschaften verdanken, und in ibrer Handhabung Uebung und Fertigkeit zu gewinnen. Das Entwickeln, das Trocknen, das Sammeln, das Messen von Gasen nahm unsere Aufmerksamkeit ganz besonders in An- spruch, und die Erinnerung, wie grossen Einfluss Veranderung des Drucks und der Temperatur auf das Volum der Gase aus- iibt, wurde bei alien diesen Operationen aufgefriscbt. Bei unseren analytischen sowohl als synthetischen Ver- sucben fanden wir uns haufig veranlasst, neben den eigent- lichen, der Materie innewohnenden chemischen Kraften, die Mitwirkung der Elektricitat, des Licbts, der Warme zur Ein- leitung oder Vollendung gewisser Reactionen in Anspruch zu Warme- u. Lichtentwicklung b. d. chem. Yerbindung. 335 nehmen, und wir wurden alsdann nicht selten Zeugen der be- merkenswerthen Erscheinungen, welche viele dieser Processe bezeichnen. Kaum bemerkbare Warme - und Lichteffecte sahen wir in einzelnen Fallen bis zu explosionsartigen Wir- kungen gesteigert. Die Mittel zur Erweckung physikalischer Krafte, der Elektricitat z. B., und ihrer Dienstbarmachung fiir die Zwecke des Studiums chemischer Erscheinungen be- anspruchten ebenfalls, obwohl nur voriibergehend , unser In- teresse. Auf die eingehende Betrachtung der einzelnen Elemente und ihrer Verbindungen mussten wir verzichten; selbst die allgemeineren Durchblicke, welche sich von Zeit zu Zeit vor unseren Augen eroffneten, durften wir nicht weiter, als es fiir die Zwecke unserer Forschung unumganglich nothig war, ver- folgen. Mehr als einmal fuhlten wir uns versucht, in die Seiten- pfade einzubiegen, welche verfiihrerisch, aber vom Ziele ab- lenkend, sich nach alien Richtungen hin von unserem Wege abzweigten; so locken den Kletterer, der nach dem Gipfel des Baumes strebt, fruchtbeladene Aeste. welche er hinter sich lassen muss. Aber nur selten schenkten wir der Versuchung Gehor; deim obwohl wir die am Wege stehende Blume nicht ver- schmahten, blieb doch das Auge unverwandt auf das eigent- liche Ziel gerichtet. In diesem Sinne, und um aus dem absichtlich engge- zogenen Kreise unserer Forschung moglichst wenig heraus- zutreten , betrachteten wir zunachst in ihrem Verhalten zu einander die Elemente, welche wir bis dahin nur in ihren Beziehungen zu dem Wasserstoff kennen gelernt hatten; und indem wir wieder aus den mannigfaltigen Fallen, welche hier moglich sind, einen einzigen herausgriffen, lenkte sich unsere Aufmerksamkeit der Einwirkung des Sauerstoffs auf den Stick- stoff zu. In der Betrachtung des Verhaltens dieser beiden Korper zu einander erschloss sich uns ein neues Gebiet; denn wahrend wir friiher zwei Elemente in nur einem Verhaltniss 336 Riickblick. Molare, moleculare, atom. Construction batten zusammentreten sehen, wiirden wir jetzt mit den ver- schiedenen Gliedern der Stickstoff-Sauerstoffreihe bekannt, in welchen sich uns das bereits aufgefundene Gesetz der Verbin- dung nach multiplen Verhaltnissen aufsNeueund in umfassen- der Weise bewahrte. Noch batten wir den Boden der Erfabrung nicht verlassen ; wir batten Erscbeinungen beobachtet, ohne es zu versuchen, dieselben zu erklaren. Allein instinctmassig fiihlten wir uns zu der ungleich hoheren Aufgabe bingezogen, die beobachte- ten Erscbeinungen in ihrem Zusammenhange zu erkennen, sie von einem gemeinsamen Principe abzuleiten. In der Hoffnung eine Losung dieser Aufgabe zu finden, wagten wir uns auf das Gebiet der Speculation. Wir versuchten die Deutung der beobachteten Erscheinungen. Eine hypothetiscbe Auffassung der Materie versprach uns Aufscbluss iiber die merkwiirdigen Volum- und Gewichtsverhaltnisse, in denen sich die chemiscben Reactionen vollenden. Was ist Materie? Aus welchen Thei- len besteht sie? Was bedingt den starren, den fliissigen, den gasformigen Zustand derselben? Dies waren die Fragen, welche uns nacbeinander beschaftigten. Indem wir die Beantwortung dieser Fragen anstrebten, wurden wir zur Annahme einer dreifachen Theilbarkeit mo- larer, molecularer und atomistischer der Materie gefiihrt, allein nur bei den gasformigen Korpern fanden wir hinrei- chende Anhaltspunkte fur die eingehendere Betrachtung dieser Verhaltnisse. Es waren zumal die Erscheinungen, welche gasformige Korper unter dem Einflusse der Warme zeigen, an welcbe sich diese Betrachtung anlehnen konnte. Der Ver- such lehrte, dass alle Gase, ob einfach, ob zusammengesetzt, durch Veranderungen der Temperatur und des Drucks in ganz ahnlicher Weise afficirt werden, mit anderen Worten, dass sich die verschiedensten Gase unter solchen Veranderun- gen ganz ahnlich verhalten, und es lag scbliesslich die Folge- rung nahe, fiir alle diese Korper eine ahnliche Construction gelten zu lassen, alle diese Korper als aus Moleculen bestehend zu betracbten, von denen in gleichem Volum eine gleiche An- der Materie. Verbindungen hoherer Ordnung. 337 zahl vorhanden ist, welche mithin, ob einfach, ob zusammen- gesetzt, dieselbe Grosse besitzen miissen. In dem Lichte dieser Auffassung gewann unsere sym- bolische Sprache eine neue Bedeutung. Die Quadrate horten auf einfache Volume und Volumgewichte darzustellen und wurden uns zu Sinnbildern der Atome und Molecule, deren Bewegung in mannigfaltigen Processen der Verbindung und Zersetzung unserer Phantasie fast zu folgen glaubte. In den Formeln, die wir den neuen Anschauungen mit vollendeter Biegsamkeit sich anschmiegen sahen, spiegelten sich fortan, Bild um Bild, alle Ergebnisse, zu denen uns die weitere Ent- wicklung unserer Betrachtungen iiber die Natur der Materie fiihrte. Die zweiatomige Structur der Molecule der typi- schen Elemente, die mehratomige und selbst einatomige Struc- tur anderer Elementarmolecule, die verschiedene Werthigkeit der Atome, die Unterschiede einwerthiger, zweiwerthiger, drei- und vierwerthiger Atome, und die Beziehung zwischen Atoingewichten und Aequivalentgewichten fanden in unseren Formeln, geeignet geschrieben, den befriedigendsten Aus- druck. Im Besitz so wichtiger, aus dem Studium der binaren Verbindungen gewonnener Aufschliisse, verweilten wir einen Augenblick bei der Betrachtung von Verbindungen hoherer Ordnung, von ternaren, quaternaren, quinaren Verbindungen, wir sahen dieselben sich aus den binaren entwickeln durch Anlagerung von Molecul an Molecul, durch das Eintreten von Atomen an die Stelle anderer Atome, endlich durch das einfache Anlegen von Atomen an bereits fertige binare Mo- lecule. Beispiele ternarer Verbindungen, nach einem jeden der drei genannten Bildungsprocesse entstanden, sind erst heute noch an uns voriibergegangen, als wir die Korper, an denen sich unsere ersten chemischen Vorstellungen entwickelten, noch- mals von dem neu gewonnenen Standpunkte aus betrachteten. Bei den einzelnen so gebildeten Producten durften wir nicht mehr verweilen, allein wir versaumten nicht, die Charakter- Einleitung in die moderne Chemie. 22 338 Riickblick. Schlussbetrachttmg. zuge der Gruppen zu sammeln und, soweit dies bei so be- schranktein Material moglich, in anschaulichem Bilde zu ver- einen. Die Abnahme der Stabilitat, welclie vielen dieser Molecule hoherer Ordnung eigen ist, ihre Neigung, zumal unter dem Einflusse der Warme, sich in einfachere Molecule zu spalten, die Erscheinungen, welche wir in dem Worte Dissociation" zusammenfassten, die stufenweise Entwick- lung der aus binarer Verbindung durch Eintritt eines dritten Elementes entstehenden ternaren Korper in Reihen und der Abschluss dieser Reihen mit einer binaren Verbindung des eingetretenen Elementes, die Analogie der Structurver- haltnisse in den beiden binaren Endgliedern der Reihe und die Erhaltung dieses Structurtypus in sammtlichen ternaren Zwischengliedern alle diese Erfahrungen zogen in raschem Fluge an uns voruber. Allein wir strebten bereits unauf- haltsam unserem Ziele entgegen und es waren nur noch wenige leuchtende Punkte, welche unser Interesse auf Augen- blicke zu fesseln vermochten. Der Methyialkohol, dessen Umrisse noch ganz zuletzt am Horizonte sichtbar wurden, lag schon jenseits der Grenze des Gebietes, auf welches sich fur diesmal unsere Forschung zu beschranken hatte. Ist nun, so fragt sich der Verfasser, der Streifzug in so enger Umgrenzung eine nutzliche Vorschule gewesen fur die Erforschung des unermesslichen Reiches der chemischen Erscheinungen ? Es fuhren der Wege viele in ein unbekanntes Land, und die langgestreckte Grenze kann an zahllosen Punkten iiber- schritten werden. Allein nicht alle Strassen sind gleich- gebahnt, nicht alle Uebergange mit derselben Leichtigkeit zu bewerkstelligen. Von dem Fiihrer, der uns begleitet, erwarten wir, dass er uns kurze und sichere Wege zeige, auf denen wir nebenbei des Anziehenden sehen, des Niitzlichen lernen. Hat sich nun das Biichlein, das sich seinem Schlusse naht, als ein solcher weges- und landeskundiger Fiihrer er- wiesen? Wer anders konnte diese Frage beantworten, als Schluss. 339 derjenige, welcher sich seiner Fiihrung anvertraut hat? 1st ihm auf dem fliichtigen Zuge durch das schmale Grenzgebiet der Wunsch aufgestiegen, in die weiterliegenden Lande tiefer und tiefer einzudringen, hat die am Wege bereits gesammelte Erfahrung das Vertrauen in ihm befestigt, dass er auf der betretenen Bahn dem Ziele naher komme, so ist der Zweck der kurzen gemeinschaftlichen Wanderung vollkommen er- reicht. UNIVERSITY OF CALIFORNIA LIBRARY, BERKELEY THIS BOOK IS DUE ON THE LAST DATE STAMPED BELOW Books not returned on time are subject to a fine of 50c per volume after the third day overdue, increasing to $1.00 per volume after the sixth day. Books not in demand may be renewed if application is made before expiration of loan period. IN SEP 2 4 STACKS SEP24 34 KS 976 20m-ll,'20 U. C.BERKELEY LIBRARII UNIVERSITY OF CALIFORNIA LIBRARY