UNIVERSITY OF CALIFORNIA FROM -THE- LIBRARY-OF KONRAD-BURDACH* M. Opitz, P. Ronsard und D. Heinsius. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doctorwiirde der philosophischen Fakultat der Albertus-Universitat zu Konigsberg in Pr. vorgelegt und mit den beigefugten Thesen Freitag den 18. Mai 1888, mittags 12 Uhr, offentlich verteidigt von Richard Beckherrn. Opponenten: Fritz Milkau, cand. pbil. Eduard Loch, stud. phil. Konigsberg in Pr. Buchdruckerei von R. Leupold. 1S88. pr 63? JMachst der Einfiilirung des Christen turns hat wohl kein Ereignis grossere Veranderungen und Neugestaltungen im Leben und Denken der Volker Europas bewirkt als die Wiederherstellung der klassischen Studien. Yon Italien ausgehend, wo niemals ganz das Bewusstsein des Zusammen- hanges mit dem Altertum zerstort war, sondern gleichsam verpuppt eines warmen Sonnenstrahls harrte, um wieder, wenn freilich auch in veranderter Gestalt, zu neuem ver- jungtem Leben zu erwachen, hielt die Renaissance ihren siegreichen Einzug in alle Lander, zunachst des westlichen und mittleren Europas. Nirgends fand sie erheblichen Widerstand, denn die Kulturen und Sprachen fast aller Volker, insonderheit der westlichen, waren bereits mit antiken Elementen gehorig versetzt; nur in Deutschland zeigte sich zunachst, wie einstmals dem Christentum gegen- tiber, misstrauischeZuruckhaltung, die aber, einmal gebrochen, sich in begeisterungsvolle Hingabe an die Sache ver wandelte ; nirgends hat das Christentum glaubigere, hingebendere Bekenner, nirgends das Altertum mehr begeisterte, tief- sinnigere und zahlreichere Anhanger und Ausleger gefunden. Wahrend sich aber in Italien die Reformen mehr auf asthe- tischem Gebiete vollzogen und nur einem kleinen , aus- erlesenen Kreise hervorragender Manner und Frauen zu gute kamen, wahrend inFrankreich der praktische Sinn seiner Bewohner zunachst darauf ftihrte, sich der mehr materiellen Errungenschaften der Alten auf dem Gebiete der Mathe- 1 310914 mathik, .Astronomie und Medizin zu bemachtigen, bereitete sich das gemtitstiefe Deutschland durch umfassende, scharf- sinnige, melir auf den Gedankengehalt als die Form ge- richtete, vorsichtig priifende Studien vor, eine griindliche Reinigung auf sittlichem und kirchlichem Gebiet zu unter- nehmen. Dieser gewaltige, arbeitsvolle Kampf beanspruchte freilich alle besten Kopfe und verschlang fast die ganze Geisteskraft des Volkes , so dass lange Zeit von einer Forderung der Kiinste von seiten der Manner der Wissen- schaft nichts zu bemerken war. Vornehmlicherlitt die deutsche Poesie grossen Schaden, weil die Gelehrten, zu denen ja die besten aus dem Volke gehorten, sich in ibren Dichtungen immer allgemeiner der lateinischen Spracbe bedienten und das Deutsche einer immer weiter um sich greifenden Ver- wilderung in bezug auf Inhalt und Form tiberliessen. Erst nach langer Zeit kamen patriotische Manner zu besserer Einsicht und versuchten eine Besserung anzubahnen; aber da sie die vorhandene deutsche Poesie nicht mehr einer Veredelung fahig glaubten, hielten sie sich meist an aus- landische Yorbilder. Einen durchschlagenden Erfolg errang aber erst der Schlesier Martin Opitz, an dessen Namen sich jene poetische Reform kmipft, die die ,,Gelehrtenpoesie" hervorrief und die der deutschen Poesie fur immer ein unaustilgbares Geprage verliehen hat. Martin Opitz war Gelehrter, Kenner und begeisterter Verehrer der Alten, aber er verstand auch mehrere der modernen Sprachen und war in ihren Littera- turen wohl bewandert. Er benutzte mit zielbewusster Sicherheit die Alten und Modernen als Muster, was er zu wiederholten Malen unverhohlen ausspricht, um eine neue deutsche, mit der auslandischen rivalisierende Poesie zu begrilnden. Zwei Manner werden vornehmlich genannt, denen Opitz sich angeschlossen hat: der Franzose P. Ronsard und der Niederlander D. Heinsius; doch sind nicht alle, die sich mit dieser Periode der Litteraturgeschichte beschaftigt haben, unter sich. einig, in welch em Verhaltnis diese drei Manner zu einander gestanden haben. Hat Opitz beide gleich- massig beachtet, oder hat er sich den einen von ihnen ganz besonders zum Vorbilde genommen und den andern nur ge- legentlich herangezogen , oder ist hier eine successive Be- einflussung anzunehmen, die von Ronsard ausgehend durch Heinsius zu Opitz gelangte? Einige Litterarhistoriker, wie Koberstein, Weinhold, lassen Opitz unmittelbar auf Ronsard zuriickgehen, andere raumen Heinsius eine vermittelnde Stellung ein, so dass nach ihnen ,,von einer eigentlicheii Nachahmung der Franzosen gar nicht die Rede ist." Horen wir zunachst Gervinus. Wiewohl er sich der auffallenden Ubereinstimmung Opitzens mit Ronsard nicht verschliessen kann und selbst hervorhebt, 1 ) dass sie zum Vergleich heraus- fordern, dass von dem einen nichts auszusagen sei, was nicht auch von dem andern gelte, dass sie auch in ihren Lebensschicksalen , in ihrer Gesinnung Parallelen bieten, kommt er dennoch (p. 182) mit dem Resultat zum Vor- scheih, dass, sowie die niederlandische Poesie,eine Tochter der franzosischen geworden war, so die neue deutsche ein Kind der niederlandischen ware. Die Griinde, mit denen diese Ansicht gesttitzt wird, bieten freilich manchen An- griffspunkt. Zuerst wird die Sprachverwandtschaft der Deutschen und Hollander ins Feld geftihrt, die in der That beiden Volkern noch so im Bewusstsein lag, dass Heinsius seine Gedichte nicht ,,hollandisch", sondern ,,nederduitsch" betitelte, wie ja auch sonst die Hollander als der deutschen Nation noch zugehorig aufgefasst werden. Nun hat sich aber weder die hollandische noch die opitzische Sprache 1) Gervinus, Geschichte der deutschen Diclitung. 4. ganzlich umgearbeitete Ausgabe. Bd. Ill p. 181. 1* in den 2*/2 Jahrhunderten wesentlich verandert, so dass derselbe Unterschied zwischen ihnen, wie er damals statt- fand, auch heute besteht. Findet man heute selbst im ostlichen Niederdeutschland kaum Leute, die der hollan- dischen Sprache ohne Vorstudien machtig sind, so wird es damals deren noch weniger, zumal in Mittel- und Ober- deutschland, gegeben haben. Bedenkt man noch, dass neben den beiden alten Sprachen gerade den beiden roma- nischen, dem Italienischen und vorzugsweise dem Franzo- sischen besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde, so wird man behaupten diirfen, dass damals franzosische Schriften einer grosseren Zahl von Lesern zuganglich und verstandlich waren, als hollandisclie. Ins Gewicht fallen durfte vielleicht auch noch jene Meinung Strehlkes, dass wegen der Ahnlichkeit des Hollandischen mit dem Platt- deutschen den Hochdeutschsprechenden ,,der Sinn fur das Pathos und den Affekt, oder vielmehr der Eindruck fehlt, der dadurch hervorgerufen wird. u Besser eignet sich das Plattdeutsche zur humoristischen Dichtung. Noch weniger verfangt die Behauptung Gervinus, dass religiose Grtinde auf die Hollander gefuhrt hatten, J ) ( w man suchte noch all- zuviel nach der Gesinnung, man brauchte protestantische Vorbilder, und daher erlaubte man sich erst spater An- naherungen zu offen katholischen Mustern: Jakob Balde nachzuahmen wurde Opitz sich schwerlich getraut haben.") Nun zeigt sich Opitz in seinen Schriften in konfessio- neller Beziehung als ein vorurteilsfreier Mann, der iiberall, wo es tunlich, auf Glaubensfreiheit dringt: ...... Was macht doch ihr Tyrannen, Was hilfft, was nutzet euch das Martern, das Verbannen. Schwerd, Feuer, Galgen, Radt? Gezwungen Werck zerbricht: Gewalt macht keinen fromm, macht keinen Christen nicht. J) Gervi'nus a. a. 0. p. 182. Es ist ja nicht so frey, nichts also ungedrungeu, Als wol der Gottesdienst: so bald er wird gezwungen, So ist es nur ein Schein, ein holier falscher Thon: Gut von sich selber thun das heist Religion, Das ist Gott angenehm. Lasst Ketzer Ketzer bleiben, Und glaubet ihr fiir eucli: begehrt sie nicht zu treiben." (Trostgedicht : Bresslau 1690 III, p. 276.) Ja, sein Verhaltnis zu dem katholischen Grafen Dohna lasst ihn nicht nur ausserst tolerant erscheinen, sondern rechtfertigt beinahe den Vorwurf religiosen Indifferentis- mus, den man iiim nocli bei Lebzeiten machte. Wenn zuletzt der deutschen Ehrbarkeit der Ernst und die strengere Sittlichkeit der hollandischen Dichtung mehr zugesagt haben soil, so kann das docli nur fur eine spatere Zeit gelten, denn vor dem Auftreten Opitzens war von einer bedeutenderen Poesie in den Niederlanden nocli niclit die E-ede; auch muss man die Sittsamkeit der hollandischen Muse nicht gar zu hoch anschlagen. Brederoo in seinen Dramen, z. B. in Moortje, Vondel in vielen seiner Gedichte 1 ), Jakob Cats 2 ), selbst Hooft in einigen Liebes- liedern haben mindestens ebenso viel Gewagtes wie Ronsard, dem man eigentlich nur in einigen seiner Sonette und einzelnen Chansons Schliipfrigkeit vorwerfen kann, die aber zugleich durch ihr antikes Gewand, das sie tragen, viel von ihrer Anstossigkeit verlieren; die Mehrzahl schlagt einen ernsten und wiirdigen Ton an. Heinsius selbst ist nicht ganz von einem Stich ins Sinnlich- Erotische freizusprechen. Ftihrt Gervinus Bartas als den einzigen franzosischen Vertreter der geistlichen Dichtung an, der deswegen inDeutschland 3 ) sogleich zu ungemessenem Ansehen gelangte, so dtirfte dies vielmehr ein Beweis ftir die grossere Hinneigung Deutschlands zu Frankreich sein, 1) Jonckbloet Bd. II. p. 217. 2) Jonckbloet Bd. II. p. 340. 3) G. a. a. 0. 182. das mit Begierde alles Franzosische aufhahm, was sich nur irgendwie mit dem Nationalgeschmack vereinigen liess. Opitz selbst fuhlt sich bei seinem Auftreten ver- pflichtet, die wenigen Liebeslieder zu entschuldigen , die in seiner Ausgabe von 1625 vorkommen; das scheint aber wohl mehr konventionell zu sein, denn es hinderfc ihn nicht, auch spater recht weitgehende und unverhiillte Hochzeitscarmina erscheinen zu lassen. Am scharfsten verficht Strehlke in seiner Monographic die Meinung, dass Opitz nur ein Nachahmer D. Heinsius sei! ,,Bei Opitz ist von einer eigentlichen Nachahmung der Franzosen gar nicht die Rede", sagt er an einer Stelle, kann aber nicht umhin, an einem andern Orte 1 ) zuzugeben, ,,dass Ronsard ihm in vieler Beziehung vorgeschwebt habe", und wiederholt seine Behauptung fast noch entschiedener in seiner Kritik einer Programmschrift von Micus: 2 ) ,,Seite 17 lasst sich die Bemerkung nicht rechtfertigen, dass die gelehrten deutschen Dichter die Alten nicht unmittelbar, sondern erst durch Vermittelung der Franzosen und Hol- lander nachgeahmt hatten. Bei Opitz ist von einer eigent- lichen Nachahmung der Franzosen nicht die Rede." Man muss Fritsch 3 ) recht geben, wenn er sagt, dass Strehlke' s Monographic in ihrer Beurteilung des franzosischen Ein- flusses von Parteilichkeit nicht freizusprechen sei. ,,Hie und da gewinnt man den Eindruck, als ob es dem Verfasser (Strehlke) eine Art Herzenssache sei, die Originalitat seines Dichters zu Ungunsten des Franzosen Ronsard zu retten, und ein Freudegeftihl schiinmert darob aus seinen Worten." Dass Opitz und Ronsard in Behandlung des rein sprach- 1) Fr. StreWke, M. Opitz p. 26. 2) Fr. Strehlke, a. a. 0. p. 156. 3) Fritsch, Mai-tin Opitzeu Buch von der deutschen Poeterei. 10 und 11. 7 lichen Materials oft auseinander gehen, worauf Strehlke hauptsachlich seine Beweisfiihrung stiitzt , ist bei der Ver- schiedenheit beider Idiome nur begreiflich; wenn hier Ron- sard im Stich liess, dann musste der stamm- und sprach- verwandte Heinsius eintreten. Andere, die einen ahnlichen Standpunkt einnehmen, bringen nichts Abweichendes und konneu billig tibergangen werden. Es macht aber den Eindruck, als ob alle Ge- nannten ohne geniigende Priifung des Sachverhalts sich durch die bekannten und oft citierten Worte Opitzens am Schluss seines Gedichts ,,Auf Danielis Heinsii deutsche Poemata" : l ) Will meinem Vaterland' eroffnen rund und frei, Dass eure Poesie der meinen Mutter sei haben von vornherein einnehmen lassen und das Ubrige nur zur weiteren Begrtindung herbeizogen. Man wird aber dem eben citierten Ausspruch wohl kaum ein so grosses Gewicht beilegen konnen, wenn man sich des ungemessenen Lobes erinnert, das Gelehrte und Dichter an einander zu verschwenden liebten, um in den Einleitungen ihrer Werke damit zu prunken, namentlich aber den Umstand im Auge behalt, dass es von jeher ein. eifriges Bemtihen unsers Dichters war, sich tiberall bedeutende und einflussreiche Manner durch schmeichelhafte Komplimente zu verbinden. Da jenes Gedicht sich schon in der Sammlung von 1625 be- findet, so ist anzunehmen, dass es in Holland abgefasst ist, also in einer Zeit, wo vor dem frischen, unmittelbaren Eindruck des noch lebenden Heinsius das Bild des langst ver- storbenen Ronsard mehr in den Hintergrund gedrangt war. Diese Vermutung gewinnt noch an Kraft, wenn man eine andere Stelle dagegen halt, wo der Dichter verspricht zu bewirken: 1) M. Opitii Weltliche Poemata. BreBlau 1690 II, p. 45. Dass mein Vaterland Den Volkern gleich moge werden, Die ilire Sprachen dieser Zeit Durch schone Worte weit und breit Beriihmbt gemacht auf Erden. (Italien ich meine dich Und Frankreich). Hier wird Italien genannt, ebenso Frankreich; der Niederlande aber thut Opitz gar keine Erwahnung, was doch zum mindesten zu erwarten ware, wenn er ausschliesslicli von daher seine Muster geholt hatte. Ferner im vierten Buch der poetischen "Walder heisst es in einem Gedicht n an Niissler": *) Den edlen Ariost hat die Begier im lieben Durch Schreiben sein Ferrar zu ziehren angetrieben: Pontanus Aretin, Secundus, Sannazar, Mein Ronsard, Scaliger, Lotig .... Heinsius fehlt wiederum, obgleich doch auch er eiue Anzahl von Liebesliedern hervorgebracht hat. Noch mehr fallt die Vernachlassigung der Niederlander in einer an Ludwig Fiirsten von Anhalt, den Griinder des Palmen'- ordens, gerichteten Vorrede oder vielmehr Widmungsschrift auf, worin gewissermassen eine kurze Ubersicht tiber den Gang der modernen, unter klassischem Einfluss stehenden Dichtung von Volk zu Yolk gegeben wird. Auch hier wird man vergebens nach Heinsius und den Niederlandern suchen. Der "Wahrheit am nachsten scheint B. Muth in seinem Schriftchen ,,Uber das Yerhaltnis von M. Opitz und D. Heinsius" gekommen zu sein, der Ronsard zwar eiiien bedeutenden Anteil an dem Entwicklungsgange M. Opitz zuerkennt, aber, da er nur einseitig das Verhaltnis Opitzens zu Heinsius untersucht, geneigt ist, dem niederlandischen Einfluss eine tibertrieben grosse Bedeutung einzuraumen. 1) M. Op. a. a. 0. p. 178. Es wird nun die Aufgabe vorliegenden Versuchs sein, moglichst grtindlich und erschopfend das vorhandene Material zu priifen und zu sichten, um sowohl Ronsard als Heinsius zu ihrem Recht kommen zu lassen und jedem den ihm gebiihrenden Platz im Leben Opitzens nach Billig- keit anzuweisen. Sei es aus praktischen Griinden gestattet, das ge- fundene Resultat gleich hier in einem Bilde vorzufuhren. Ronsard ist stets der glanzende Leitstern, dem Opitz un- verwandten Blicks zum Tempel des Ruhmes zu folgen bemiiht ist; nur wenn sich kreuzende Pfade den richtigen "Weg zweifelhaft werden lassen, wenn Abgrtinde den "Wanderer hemmen, oder ragende Klippen den Stern zeit- weise verschwinden lassen, dann sielit sich der Ratlose angstlich nach den Fussspuren desjenigen um, der diese Reise schon vor ihm gemacht hat und angelangt ist, Heinsius. Diese Ansicht lasst sich aus aussern und innern Griinden erweisen; wenden wir uns zunachst zu den ersteren. ,,So gewaltig 1 ) wie in der zweiten Halffce des 16. Jahr- hunderts war Deutschland niemals friiher und ist niemals spater von Frankreich beeinflusst worden. Noch im Jahre 1556 schrieben die vielen deutschen Fiirsten, welche mit Franz I. in Verbindung standen, an diesen jeder in dem Deutsch seines Landes, und der Konig hatte an seinem Hofe einen sprachgewandten Mann, Peter Kammerer aus Solothurh, anstellen mussen, der die eingehenden Schrifben in gemeines Deutsch umschrieb und sie dann ins Fran- zosische iibersetzte. Welch eine Veranderung 2 ) musste in dieser Zeit in Deutschland vor sich gegangen sein, als 1613 tiber den Reichstag zu Regensburg pfalzische Diplo- maten eine Denkschrift in franzosischer Sprache verbrei- 1) Hopfner, Refornibestrebungen etc. Programm des konigl. Wilhelms-Gymnasiums zu Berlin 1866. p. 22 u. f. 2) Hausser, Geschichte der Pfalz. Bd. VI. p. 274. 10 teten." Sehen wir vom politischen Einfluss ab und tiber- blicken nur das Eindringeii des Franzosentums, soweit es von unmittelbarer Bedeutung fiir die Litteratur 1st. n Unter Franz I. 1 ), dem Vater der Wissenschafteii, war eine Glanzperiode der franzosischen Uiiiversitaten, be- sonders fur die elegante" Jurisprudenz und fiir die schonen Redekunste der Alten eingetreten; so richtete sich bald der Strom der Wissbegierigen und Abenteuerlustigen nach Paris, um Franzosisch, galante adlige Sitten und Fertig- keiten und das romische Recht zu den Ftissen der grossen Juristen, vornehmlich auch des einer deutschen Familie entstammten Franz Rottmann zu erlerneu. Was aber die Befestigung des Fremden in Sprache, Sitte mid Denkart entschied, war die Bekanntschaft mit dem Calvinismus, die man in Frankreich machte 2 ). Mit seiner ersten Einfubrung in der Kurpfalz durch Friedrich III. war im Jahre 1562 der Anstoss einer kirchlichen Bewegung gegeben, wahrend welch er der Calvinismus bis zum Jahre 1613 von den bliihendsten Landern vom S."W. bis zum N.O. hin Besitz ergriiF. Unter gewaltthatigen 20jahrigen Volksbewegungen hatte er in Bremen, durch ein rasch wirkendes Machtwort der Landesfursten in der Pfalz, in Nassau, in Hessen, in Anhalt, in Brandenburg den Sieg gewonnen. Uberall aber richtete er das geistige Leben auf den "Westen hin; in frz. Stadten wurden nun die Fiirstensohne erzogen, nicht bloss um in der Lehre Calvins befestigt zu warden." Kann man sich da wundern, dass auch die Heroen des franzosischen Parnass bis in die entlegensten "Winkel bekannt, gelesen und verehrt wurden. nicht am wenigsten in dem wegen seiner Gelehrten hochberuhmten. Schlesien? Niemand aber kann sich unter ihnen auch nur im entferntesten mit dem 1) Hopfner a. a. 0. p. 23. 2) Hausser, Geschichte der Pfalz. - 11 - Haupt der Plejade, Ronsard, messen, dem ^Adler" unter den Poeten, der in der Mitte des 16. Jahrhunderts, indem er einem schon lange gehegten, immer dringender werdenden Bediirfnis nach der neuen Bildung mehr entsprechender geistiger Nahrung abhalf, mit einem Schlage zum Gipfel des Ruhmes gelangte, den er bis zu seinem Tode und noch einige Jahrzehnte langer behauptete. Konige, Fiirsten, Gelehrte, Kfinstler, ja selbst der Papst huldigten ihm und iiberhauffcen ihn mit Ehren und Geschenken. An" seinem Ruhm berauschte sich auch der junge Opitz und gelangte dadurch sicher schon frith zum klaren Bewusstsein der Jammerlichkeit der heimatlichen Dichtung; dammernde Gedanken kiihnen Unterfangens mogen damals wohl schon schemenhaft in seinem jungen Herzen aufgestiegen sein, es dem Herrlichen gleichzuthun. Da kamen dem Jtingling ganz unerwartet aus dem fernsten Nordwesten Dichtungen eines Mannes unter die Hande, der mit raschem Griff das kaum Gehoffte zur Wirklichkeit gemacht und einen gleichen Erfolg auch fur ihn selbst in das Bereich des Moglichen geriickt hatte. Die nederduitschen Gedichte Danieli Heinsii sind im Jahre 1616 1 ) durch Scriverius herausgegeben ; ob Opitz sie sofort zu Gesicht bekommen hat oder erst spater, ob er sie von Scultetus, seinem Breslauer Gonner, oder seinem Vetter Kirchner, der auch hollandisch sprach und dichtete, erhielt, ist gleichgultig ; jedenfalls lagen sie ihm bei Abfassung des Aristarchus vor, der ihrem Erscheinen vielleicht nicht zum geringsten seine Entstehung verdankt. Unter den hollandischen Dichtern nimmt Heinsius frei- lich eine ziemlich untergeordnete Stellung ein, er sucht seinen Ruhm mehr in der Gelehrsamkeit, fur welche er noch heute als Herausgeber und Kommentator, aber auch als eleganter lateinischer und griechischer Dichter von 1) Joncjdbloet nennt das Jahr 1618 p. 50. 19 La Bedeutung ist. Seine n Nederduytsche Poemata" sind nur durcli einen ,,liebenswtirdigen Yertrauensbruch" seines Freundes Scriverius ans Tageslicht gekommen. Mit Recht wundert sich nun Gervinus, warum Opitz, da er doch die Walil unter vie] grosseren Namen hatte, gerade dieser kleinen poetischen Leuchte so grosse Beachtung schenkte; aber wir mochten ihm nicht beistimmen, wenn er den Grand darin sieht, dass Heinsius ein Gelehrter war. Ge- lehrte waren die hollandischen Dichter alle mehr oder weniger, mit Ausnahme etwa Brederoos und der Tochter Romer Yischers, die nicht Latein verstanden; was Opitz zu Heinsius hinzog, war sicher die Bemerkung, dass er alles, was er bei Ronsard gefunden, gelesen und bewundert und woran er sein begeisterungsfahiges Herz entztindet hatte, bei ihm wiederfand. Daher der plotzliche Gefuhls- erguss im Aristarch, als er Heinsius Namen nennt: ,,extant praeter cetera Danielis Heinsii, hominis ad miraculum eruditi, Poemata vernacula, quibus ille latinorum suorum carminum elegantiam non aequavit modo, sed quadamtenus ilia et se ipsum fere exsuperavit", wahrend er Ronsard ein- fach nennt als bekannt und tiber jedes Lob erhaben. Im Aristarch zeigt sich uns der Theoretiker Opitz bereits im Keime; er bewegt sich beinahe in denselben Ideen, die Scriverius in seiner Yorrede (namentlich in der poetischen) unter dem Einfluss des Du Bellayschen Manifestos ausfiihrt: er spricht von den Heldenthaten der alten Ger- manen, von Arminius und Civilis, nennt die Italiener, Spanier und Franzosen und tadelt es, dass die Deutschen ihre Sprache hatten geringschatzen und verderben lassen. Seine als Proben eingefiigten Yerse sind plump und unbe- holfen, selbst holzern, und zeigen weder in Form noch Inhalt, noch ausserem Schmuck irgend welche Anlehnung an Ronsard oder Heinsius. Hellere Einsicht in die Theorie der Dichtkunst und 13 reifere Friichte seiner poetischen Bestrebungen sollten erst in der 1624 erschienenen Poeterey und in der ersten von ihm selbst herausgegebenen Sanimlung zu sehen sein. Innerhalb dieses Zeitraums von 6 bis 7 Jahren liegen Opitzens ,,akademische und poetische Wanderjalire", in denen er eine ausserordentliche Fruchtbarkeit zeigt und denen fast alle diejenigen Schopfungen angehoren, auf die sich hauptsachlich sein poetischer Ruhm griindet. Von besonders grossem Einfluss auf seine Entwicklung und entscheidend fur die Bestimmtheit seines dichterischen Charakters ist sein fast zweijahriger Aufenthalt in Heidel- berg gewesen. Von seiner Wirksamkeit zeugt die von seinem Freunde Zinkgref 1624 herausgegebene Sammlung Opitzischer Gedichte, die, wenn man von der Vernach- lassigung des erst spater gefundenen Accentuationsgesetzes absieht, alle eigentiimlichen Merkmale seiner Dichtweise an sich tragen. Nirgends war um die Wende des 16. Jahrhunderts franzosischer Einfluss machtiger als in der Pfalz. J ) Seit 1562 der fromme Kurfurst Friedrich III. sich dem Calvi- nismus zugewandt hatte, lag der Schwerpunkt des Inter- esses fur das Kurfurstentum mehr westlich vom Ehein als im Osten. Pfalzische "Waffen entschieden oft in den Kampfen zwischen Hugenotten und der Guisenpartei unter der Fiihrung pfalzischer Prinzen. Fiir die Stromungen am Heidelberger Hofe hatte man an der Seine ein sehr feines Ohr, und ein koniglicher Prinz, der spater selbst Konig in Polen wurde, musste sich vom Kurfursten Friedrich III. eine derbe Zurechtweisung gefallen lassen. Nach der Bartholomausnacht war die Pfalz der gesuchteste Zufluchtsort der vertriebenen Hugenotten, . ganze Dorfer wurden angesiedelt, 2 ) Gottesdienst in franzosischer Sprache 1) Hausser, Geschichte der Pfalz. Heidelberg 1845. Bd. H. 2) Hausser p. B9, Schonau, St. Lamprecht, Frankenthal, 14 gehalten und em franzosischer Geistlicher angestellt. Ja, selbst eine franzosische Prinzessin 1 ) suchte und fand Schutz vor ihrem Vater bei dem gastlichen pfalzischen Hofe. Auch franzosische Gelehrte wurden herbeigezogen, als man an der Grundlage heimischer Bildung, wie sie im Zeitalter des Humanismus und der Reformation befestigt worden war, zu riitteln begann. Zu eng und streng war schon Friedrich III. von der Pfalz das deutsche Gymnasium er- scliienen, als er zur Heranbildung von hoheren Beamten im politischen und diplomatischen Fach 1575 die Ritter- akademie zu Selz am Rhein mit calvinischen Lehrern griindete. Es erscheinen unter den akademischen Lehrern der Franzose Boquinus, der beruhmte Hugo Donellus, der der Bluthochzeit entronnen war, der vielgewaiiderte Franz Baudouin (Balduinus), auch Petrus Ramus hat eine kurze Zeit Vorlesungen gehalten. Der Ruhm der Heidelberger Universitat zog viele Auslander herbei, besonders Franzosen, manchmal zeigt das Matrikelbuch tiber 200 Ankommlinge. Vollstandige Verwalschung der Pfalz trat aber mit dem Beginn des 17. Jahrhunderts ein, als Friedrich V. zur Regierung kam. Derselbe war von 1605 6 und 1608 12 am Hofe des reformierten Herzogs von Bouillon zu Sedan erzogen worden, um den Nachteilen der grossen Hofe zu entgehen. Die franzosische Bildung 2 ) des jungen Prinzen erhielt noch einen Haltpunkt durch seine Vermahlung mit einer englischen Prinzessin aus dem Hause Stuart, Elisabeth. ,,Fur ihn und seine Umgebung, namentlich Christian v. Anhalt, war die franzosische Sprache und der feinere Konversations- ton schon friihe das Mittel diplomatischer Verhandlungen gewesen; jetzt durch das Herankommen der englischen Fiirstin und ihres Gefolges erhielt die franzosische Sprache auch im Hofleben Platz. Die Naherstehenden mussten 1) Hausser a. a. 0. p. 59. 2) Hausser a. a. O. p. 274. 15 sich ohnehin bequemen, ein Idiom, was der fremden Prin- zessin gelaufig war, zu erlernen; aber auch das Volk war gezwungen, die kahlen und glatten Formen der auslandi- scheii Konversation gegen seine kraftige und ehrliche Sprache umzutauschen. Als Elisabeth nach Frankenthal kam, wurde sie mit franzosischen Worten begrlisst; auch die Heidelberger Universitat legte dem Knaben, der ihr Frtichte tiberreichte, ein paar duffcende und gezierte fran- zosische Phrasen in den Mund." In diesen vom Franzosen- tum vollig durchdrungenen Kreis trat Opitz in den Jahren grosster Empfanglichkeit ein, indem er in ein intimes Ver- haltnis zum Rat Ingelsheim und durch diesen in Beziehung zum Hof trat. Dass das Franzosische hier eifrig studiert wurde, steht zu erwarten; aber wir wissen es auch ganz genau, dass unter den Dichtern, mit denen Opitz zum Teil in engern Verkehr trat, mehrere besondere Verehrer Ron- sards waren; vor allem P. Melissus und "Weckherlin. Beide hatten franzosische Bildung erhalten und grosse Reisen im Auslande, vornehmlich in Frankreich, gemacht. Weckherlin, dessen Oden 1618 erschienen, war nicht nur ein Nach- ahmer Ronsards, sondern hat bezeichnend genug Ronsards Gedichte wie spater Opitz zum Teil einfach iibertragen, und zwar ohne Quellenangabe; jene Ode z. B., welche im Lesebuch von W. "Wackernagel als Muster gegeben 1st, ist nichts weiter als eine freie Ubersetzung einer Ron- sardschen Ode. "Was "Wunder, wenn Opitz als junger Anfanger dieselben Bahnen einschlug! Opitz gilt als der Begriinder der Gelehrtenpoesie in Deutschland, d. h. er ist durch die alten Klassiker belehrt und in ihrer Nachahmung befangen. Seine Poesie ist nicht der unmittelbare Ausdruck seiner Innerlichkeit, sie stromt nicht mit elementarer Gewalt aus der Tiefe seines Herzens, ist nicht ein treuer Spiegel einer lebendigen Dichterphan- tasie, sich selbstschopferisch eine angemessene Form nach 16 eigenen Gesetzen auf der Basis unmittelbarer, unbefangener Anschauung des Schonen gebend, sie 1st vielmehr an- empfunden, angstlich nach fremden Mustern ausspahend, bemiiht, jeden Schritt durch eine Autoritat zu rechtfertigen. Sie bedurfte daher der Eegeln, die der Dichter entweder selbst durch analytische Behandlung seiner Muster, oder durcli das Studium der Theoretiker, der alten sowohl, als auch der schon auftauchenden modernen erlangen konnte. In der That haben wir auch von Opitz em Bfichlein, ,,in welchem alle jhre (der Poesie) eigenschafft und zuegehor griindtlich erzehlet und mit exempeln ausgefuhret wird," und das eine unabsehbare Reihe immer flacher und seichter werdender Poetiken hervorrief, die fiir das 17. Jahrhundert so charakteristisch sind. Es wird sich daher empfehlen, wenn wir uns in unsern weitern Ausfuhrungen an das ,,Buch von der Deutschen Poeterey" halten und der darin gegebenen Anordnung folgen ; dasselbe wird uns am besten nicht nur in die Natur Opitzscher Dichtweise einweihen, sondern auch den Ort zeigen, wo er seine Schatze ge- hoben hat. Bei Abfassung dieser kleinen Schrift hat Opitz nur geringe Muhe aufgewendet; nach seinem Eingestandnis hat sie ihm nur 5 Tage Arbeit gekostet, aber man muss sie doch als das Resultat mehrjahriger Beobachtungen und Studien betrachten. Er nennt seine Gewahrsmanner selbst: Aristoteles, obgleich er nach den Ausfuhrungen Fritsch's 1 ) kaum das griechische Original selbst benutzt haben diirfte, des Horaz Epistel an die Pisonen, jene in anmutiger Form vorgetrageneu und an geistreichen Aper9us so reichen Plaudereien des feinsinnigen E-omers, 2 ) die man aber bis weit in das 18. Jahrhundert nicht fiir das, was sie sein 1) Fritsch, Martin Opitzens Buch v. d. dtsch. Poeterey. p. 8 u. 9. 2) Borinski, Kunstlelire der [Renaissance in M. Opitz Buch von der deutschen Poeterey. p. 4 u. 5. 17 wollten, eine witzspnihende, anregende Lektiire fur Ge- bildete, sondern fur eine ernstgemeinte wissenschaftliche und den Gegenstand erschopfen wollende Poetik hielt; ferner den einer spatern Zeit angehorenden Quintilian; dann lag ihm wohl auch Vida vor, sicher aber das um- fassende Werk des merkwiirdigen und wunderlichen Vaters aller modernen Poetiken, Julius Caesar Scaliger, dessen massenhafb zusammengetragener Stoff alien spateren eine erwiinschte Fundgrube darbot. Unter seinen Vorlaufern, die sich bereits um die lingua vernacula beiniiht hatten, kannte Opitz den Italiener Trissino, wusste auch von dem Streit Tassos mit der Crusca und verrat manchmal auch. Bekanntschaft mit der ,,Apologie for poetrie" des englischen Eitters Sidney. Besonders eng schloss er sich an die Ausfuhrungen Eonsards in seinem Abrege, in seiner Caprice a Nicolas und in den beiden Vorreden zur Franciade. Wenn Koberstein II 46 u. 47 sagt, ,,dass er auch Eonsards abrege de 1'art poetique vor sich gehabt, wird man nach der Bemerkung Koenigs 1 ) wohl annehmen diirfen," und Strehlke nur ,,von einzelnen entlehnten Stellen" spricht, so kommen beide der Wahrheit bei weitem nicht nahe. Es findet sich vielmehr eine ganze Menge von Stellen, und gerade die wichtigsten, die wortlich tibersetzt und heriiber genommen sind. Dennoch kann man Opitz eine gewisse Selbstandigkeit 2 ) nicht absprechen, indem er zwar nichts Neues aufstellt, aber in der Auswahl, ohne sich durch Autoritaten blenden zu lassen, nur dem seiner Ansicht entsprechenden seine Aufmerksamkeit zuwendet. Gehen wir nun zur Poeterey selbst iiber, so begegnen wir gleich zu Anfang den Spuren Eonsards 3 ). Die aus 1) Bessers Schriften H. p. 899. 2) Borinski a. a. 0. p. 6. 3) Fritsch a. a. O. p. 11 und Borinski a. a. 0. p. 6. 18 - Horaz entlehnten Verse , welch e Eonsard an das Ende seiner Preface gesetzt hat, finden wir von Opitz gleichfalls ohne Angabe der Fundstelle als Motto an die Spitze seiner Poeterey gestellt: Hor. ad. Pis. V. 8688. Descriptas servare vices, operumque colores Cur ego, si nequeo ignoroque, Poeta salutor? Cur nescire, pudens prave, quam discere malo? Im Cap. I., welches ,,Vorrede" iiberschrieben ist, lasst sich Opitz tiber Zweck und Umfang des Buches aus und gibt eine Einteilung in einen allgemeinen Teil (cap. 1 3) und in einen besonderen (cap. 4 8). Gleich zu Anfang stossen wir auf Anklange an Ronsard , ein Satz stimmt wort- lich, nur ist die Stellung der Satzglieder eine umgekehrte: jjWiewol 1 ) ich mir von der Deutschen Poeterey, auff Ersuchung vorneluner Leute, und dann zu besserer Fort- pflantzung unserer Sprachen, etwas auffzusetzen vorge- nonimen; bin ich doch solcher Gedancken keines weges, dass ich vermeyne, man konne jemanden durch gewisse Eegeln und Gesetze zu einem Poeten machen. Es ist auch die Poeterey eher getrieben worden, als man je von der- selben Art, Ampte und Zugehor geschrieben: und haben die Gelehrten, was sie in den Poeten (welcher Schrifften aus einem gottlichen Antriebe, und von Natur herkommen, wie Plato hin und wieder hiervon redet) auffgemercket, nachmals durch richtige Verfassungen zusammen geschlossen, und aus vielen Tugenden eine Kunst gemacht." Aus Eonsards Abriss entspricht folgende Stelle clem soeben Angefiihrten: ,,Combien 2 ) que 1'art de Poesie ne se puisse par pre- 1) M. Opitz, Ausgabe 1690. 2) Ronsard, Oeuvres completes, Nouvelle edition publiee par Prosper Blanchemain. Paris 1864. Bd. 7 p. 317. 1Q At/ ceptes comprendre ny enseigner pour estre plus mental que traditif, toutesfois d'autant que 1'artifice humain, experi- ence et labeur le peuvent permettre, j'ay bien voulu t'en donner quelques reigles icy, a fin qu'un jour tu puisses estre des premiers en la cognoissance d'un si aggreable mestier, a 1'exemple de moy qui confesse y estre assez passable- ment verse." Beide Schriftsteller geben zunachst in ubereinstimmen- der Weise an, dass sie ihre Arbeiten nicht aus einem inneren Antriebe ans Licht gebracht hatten, sondern der eine, Opitz, ,,auf ersuchen vornehmer Leute", der andere, wie wir an anderer Stelle erfahren, auf die Bitte eines befreundeten Abbe; zugleich verwahren sich beide, fast mit denselben Worten, gegen die Annahme, als ob die Poesie durch theoretische Anleitung erlernbar sei. Daneben sind kleine Abweichungen , welche die oben behauptete Selbst- standigkeit Opitzens bestatigen, nicht zu tibersehen. Der- selbe sucht die Aufgabe seiner Poeterey in der ,,besseren Fortpflanzung der Sprache", und wir werden uns iiber diese etwas sehr aufs Praktische zielende Auffassung nicht wundern, wenn wir uns der ktirzlich aufgekommenen und in alien Volksschichten aussert popularen Bestrebungen des Palmenordens unter der Protektion der anhaltini^chen Fiirsten erinnern, denen sich auch der junge aufstrebende Kiinstler mit ganzer Seele anschloss. Ronsard wtinscht durch seinen Abriss seinem Schiller zu einem bewussteren und daher hoheren Genuss poetischer Darstellung zu ver- helfen; doch auch er steht in seinem Eifer fur die Pflege der Muttersprache dem Deutschen wenig nach. Zu wieder- holten Malen legt er seinen Zeitgenossen die Sorge um sie mit warmen, eindringlichen Worten ans Herz. ,, mais aujourd' huy pource que nostre France n'obeist qu' a un seul Roy, nous sommes contraints, si nous voulons parvenir a quelque honneur, de parler son lan- Ott 20 gage; autrement nostre labeur, tant fust-il honnorable et parfait, seroit estime peu de chose, ou (peut-estre) totale- meiit mesprise. (p. 322; dazu noch andere Stellen p. 323, 321.) Auch die Schlussworte des sehr kurzen 1. Kapitels fordern zu einer Parallele heraus. Im Anschluss an Ron- sard, der nur einige erlauternde und erweiternde Worte zu dem geben will, was Horaz und Aristoteles bereits hin- reichend ausfiihrlich behandelt haben, (Je te dirois icy particulierement les propres sujets d'un chacun Poeme, si tu n'avois desja veu 1'Art Poetique d'Horace et d'Aristote, ausquels je te cognois assez mediocrement verse) halt auch Opitz das von denselben Gewahrsmannern (neben Vida und Scaliger) Gesagte fur ausreichend und beabsichtigt, sich auch nur auf einige Zusatze, speciell fur das Deutsche, zu beschranken. ?5 Bey den Griechen hat es Aristoteles vornemblich gethan; bey den Lateinern Horatius; und zu unserer Voreltern Zeiten Vida und Scaliger so ausfiihrlich, dass weiter etwas darbey zu thun vergebens ist. Derent- wegen ich nur etwas, so ich in gemeine von aller Poeterey zu erinnern von nothen zu seyn erachte, hiervor setzen will, nachmals das, was unsere Deutsche Sprache vornem- lich angehet, etwas umbstandlicher vor Augen stellen". Im II. Capitel wird mit wenigen Worten, aber mit einem grossen Aufwand von Gelehrsamkeit die Losung mancher wichtiger Probleme versucht, was in sofern unser Interesse in hohem Grade auf sich ziehen muss, als wir von vornherein mit dem Grad der wissenschaftlichen Er- kenntnis Opitzens auf dem Gebiet der Poesie bekannt ge- macht werden, mit seinen und seiner Zeit wirren Ansichten uber Ursprung und Zweck der Poesie. Opitz beginnt mit einer Entlehnung aus Ronsard, indem er nach der "Weise der Frtihrenaissance die Poesie mit der Theologie aus einem Stamm erwachsen lasst. Opitz: n Die Poeterey ist anfangs nichts anders ge- 21 wesen, als eine verborgene Theologie, und Unterricht von Gottlichen Sachen. Dann well die erste und rawe Welt grober und ungeschlachter war, als dass sie batten die Lehren von "Weissheit und Himmlischen Dingen recht fassen und verstehen konnen, so baben weise Manner, was sie zu Erbawung der Gottesfurcbt, guter Sitten und Wandels er- funden, in R-eime und Fabeln, welcbe insonderheit der ge- meine Pofel zu horen geneiget ist. verstecken und verbergen miissen. Denn dass man iederzeit bey alien Volckern vor gewiss geglaubethabe, es sey ein einiger und ewiger Gott, von dem alle Ding erscbaffen worden und erhalten werden, baben andere, die icb bier nicbt mag ausscbreiben, gnugsam er- wiesen. Weil aber Gott ein unbegreiflicbes Wesen und tiber menschlicbe Vernunfft ist, baben sie vorgegeben, die scbonen Corper tiber uns, Sonne, Monde und Sternen, Item allerley gute Geister des Himmels waren Gottes Sobne und Mitgesellen, welcbe wir Menscben vieler grossen Wol- tbaten balber billicb ebren solten." Ronsard: n Sur toutes cboses tu auras les Muses en reverence, voire en singuliere veneration, et ne les feras jamais servir a cboses des-honnestes, a risees, ny a libelles injurieux; mais les tiendras cberes et sacrees, comme les filles de Jupiter, c'est a dire, de Dieu, qui de sa saincte grace a premierement par elles fait cognoistre aux peuples ignorans les excellences de sa majeste. Car la Poesie n'estoit au premier age qu'une tbeologie allegorique, pour faire entrer au cerveau des bommes grossiers les secrets qu'ils ne pouvoient comprendre, quand trop ouvertement ou leur descouvroit la verite .... ,,Car les Muses, Apollon, Mercure, Pallas et autres telles De'itez ne nous representent autre cbose que les puissances de Dieu, auquel les premiers bommes avoient donne plusieurs noms pour les divers effects de son incomprehen- sible Majeste." 22 Aus diesen beiden iibereinstimmenden Zitaten, die in Scaliger *) ihren Urgrund finden, erhellt, wie sehr man damals noch in den Banden theologischer Anschauungsweise verstrickt war; es kommt den Theoretikern garnicht bei, dass die Poesie auch selbstandige Bedeutung haben und, auch von der Theologie vollig losgelost, Daseinsberechtigung besitzen konne. Unabweisbar drangt sich uns die Uber- zeugung auf, dass die damaligen Theoretiker sich. auch nicht im entferntesten tiber Wesen und "Wert der Poesie klar gewesen seien. Damit hangt das angstliche Wesen zusammen, die heidnischen Gotter durch allegorische Deu- tung der Mythologie zu rechtfertigen und fur die Poesie zu retten, ein Punkt, den sich seit Boccaccios ,,Geiiealogia Deorum" kaum einer entgehen lasst. Entfernte, aber un- verkennbare Ubereinstimmung zeigen ferner die beiden folgenden Stellen. Opitz: ,,Neben diesem haben Euraolpus, Museus, Orpheus, Homerus, Hesiodus und andere, als die ersten Vater der "Weissheit, wie sie Plato nennet, und aller guten Ordnung, die baurischen und fast viehischeii Menschen zu einem hofflichern und bessern Leben angewiesen. Dann indem sie so viel herrliche Spriiche erzehleten, und die "Worte in gewisse Reimen und Mass verbunden, so dass sie weder zu weit ausschritten, noch zu wenig in sich hatten, sondern wie eine gleiche Wage im Reden hielten, und viel Sachen vorbrachten, welche einen Schein sonderlicher Pro- phezeiungen und Geheimniisse von sich gaben, vermeinten die einfaltigen Leute, es mtiste etwas gottliches in ihnen stecken, und liessen sich durch die Anmutigkeit der schonen Gedichte zu aller Tugend und gutem Wandel anfiihren." Ronsard: n On dit qu'Eumolpe Cecropien, Line maistre d'Hercule, Orphee, Homere, Hesiode inventerent un si doux 1) Fiitscli a. a. 0. p. 20. Anin. 1 u. 2. 23 allechement. Pour ceste cause ils sont appelez Poetes divins, non tant pour leur divin esprit qui les rendoit sur tous admirables et excellent, que pour la conservation qu'ils avoient avecques les Oracles, Prophetes, Devins, Sibylles, interpretes de songes, desquels ils avoient appris la meilleure part de ce qu'ils S9avoient. Das III. Capitel, an das wir nun herantreten und das wir das polemische nennen konnten, wirft eigenttimliche Schlaglichter tiber den Zustand der Poesie im Anfang des 17. Jahrhunderts und iiber die Art, wie sie bes/mders im engern Vaterlande unsers Dichters, in Schlesien, getibt wurde. Wenn die Dichtkunst gut gedeihen soil, so muss eine lebendige Wechselwirkung zwischen dem Dichter und seinem Pubikum bestelien, beide miissen sich gegenseitig verstehen und anregend, nb'tigenfalls auch bessernd auf einander einwirken. Ronsard fand fur seine Bestrebungen bereits ein fertiges ' Publikum in dem Pariser Hofe unter der medice'ischen Konigin, dem mit italienischer Bildung bekannten Adel und den Gelehrten vor, wenn man auch einige wenige ausnehmen muss, die sich ihres reformierten Bekenntnisses wegen fiir verpflichtet hielten, den streng- glaubigen Ronsard auch als Dichter zu verabscheuen ; mochte dieser Kreis auch ziemlich eng sein, so war er doch auch erlesen und befriedigte den Dichter vollig, der sich am horazischen ,,odi profanum vulgus" hielt. Opitz dagegen musste sich erst eine Gemeinde unter seinen Deutschen schaffen, derengeistigesLeben geradedamalsdurch mancherlei unvermittelte Gegensatze zu zerrissen war, als dass irgend eine Gemeinsamkeit im Denken und Fiihlen erreichbar gewesen ware : dem echt deutsch-nationalgesinntenMittelstande gegen- iiber finden wir einerseits einen sich unaufhaltsam romanisieren- den Adel ; der bereits, von grosseren Aufgaben zurucktretend, anfangt, seine Lebensaufgabe im Hofleben und Etikette- wesen zu finden, andrerseits einen gelehrten Stand, der sich 24 bemtibt, eine langst verschollene Welt wieder ins Leben zu rufen; althergebrachte Recbtsanscbauungen steben im ofFenen Kampf mit der aus den italienischen Universitaten importierten romiscbenRecbtspraxis, die auf alleVerbaltnisse, aucb die deutscbesten Anwendung finden soil; neben bfirger- licber, fast pbilistroser Ehrbarkeit zeigt sich in der hoberen Gesellscbaft aus dem Auslande beriibergebrachte, berzlose, aber unter glatten, gewinnenden Formen verdeckte Frivolitat, auf den Universitaten brutale und robe Vollerei, verbunden mit dem a). 33 fur die triiben, schattenhaften Vorstellungen, die man da- mals tiber die schopferische Thatigkeit des Dichters hatte; sie verleiten notwendig zu der Ansicht, als ob der Dichter willkurlich seinen Stoff durch Suclien finden konne. Die Moglichkeit des Entstehens einer poetischen Idee aber beruht vielmehr auf der eigenttimlichen Organisation der Dichterseele und ist von Willen und Laune vollig unab- hangig. Die grossere Kraftigkeit und Dauerhaftigkeit, welche den Seeleneindrticken eines Dichtergemiits eigen sind , gewahren ihm die Fahigkeit einer massenhaften Aufnahme und andauernder Behauptung eingegangenen Vor- stellungs- und Gedankenstoffs ; die grossere Erregbarkeit erinogiicht , dass durch irgend einen aussern Reiz mit grosser Schnelligkeit grosse Komplexe und lange Reihen nicht nur einzelner Vorstellungen, sondern auch fertiger Seelengebilde ins Bewusstsein gerufen werden, die nach dem Gesetz der Verwandtschaft oder Verschiedenheit in eine grosse Mannigfaltigkeit neuer Kombinationen eingehen konnen; ein solches Seelengebilde kann auch die kiinstlerische, hier im besondern die poetische Idee sein, wenn es der- artig beschafifen ist, dass in ihm die Gesetze des Schonen verkorpert sind. Nicht von dem Willen des Individuums, sondern von den besondern vorhandenen Vorstellungs- und Gefuhlsstoffen und von dem zu gliicklicher Stunde hinzu- tretenden aussern Anstoss wird das Zustandekommen einer poetischen Idee abhangig sein. Erst nebelhaft, verschwommen und in ihren Umrissen fluktuierend, wenn auch ein Ganzes, gewinnt sie, wenn es dem Dichter gelingt, sie festzuhalten, immer mehr an Gestalt, Bestimmtheit der Contouren, bis sie in materielle Stoffe gekleidet, als Kunstwerk aus ihrer ideellen Jenseitigkeit in konkretes Dasein heriibertritt. Die Form, in der sie auftritt, kann nicht zufallig sein, denn als ein nach natiirlichen, notwendigen Gesetzen Ge- wordenes muss sie die Gestalt angenommen haben, in der 3 34 sich ihr Wesen am deutliclisten ausdriickt. Es haben da- lier Opitz und sein Gewahrsmann Ronsard recht, wenn sie die Disposition, d. h. die Gattungen der Gedichte ein Er- gebnis der Invention, d. h. der poetischen Idee sein lassen. Opitz: An dieser Erfinduiig henget stracks die Ab- teilung, welche bestehet in einer fiiglichen und artigen Ordnung der erfundenen Sachen. Ronsard: Et ne faut point douter, apres avoir bien et hautement invente, que la belle disposition de vers s'ensuive, d'autant'que la disposition suit I'invention mere de toutes choses, comme 1'ombre fait le corps. Ronsard (De la disposition): Ainsi la disposition des- pend de la belle invention, laquelle consiste en une elegante et parfaicte collation et ordre des choses invente es. Nun geht Opitz unmittelbar auf die Besprechung der einzelnen Gattungen, aber seine Definitionen sind meist nicht zutreffend. Er beginnt ganz richtig mit dem Epos oder wie er es nennt, ,,Heroisclien Gedichte". Man wtirde aber sehr irren, wenn man glaubte, dass er sich durch historische Riicksichten zu einer solchen Anordnung habe fuhren lassen; ebensowenig ist im ferneren Verlauf die Form als Einteilungsprinzip angenommen; er liebte es vielmehr nach dem Inhalt zu ordnen (z. B. stellt er die Satire neben die Komodie); erst in viel spaterer Zeit ge- langte die schon von Aristoteles, wenn auch nicht mit der gewohnten Bestimmtheit *) ausgesprochene , natiirliche Dreiteilung der Poesie: Epik, Lyrik, Dramatik, wieder zur Geltung. Das ,,Heroisch Gedichte (das gemeiniglich weit- lauftig ist, und von hohem "Wesen redet)" eroffnet also wie billig die Aufzahlung, denn die Renaissance hielt es fiir die hochste poetische Leistung, wie denn auch Opitz ,,sehr im Zweiffel steht, ob bey uns Deutschen so bald jemand 1) Borinski a. a. 0. 21. 35 kommen mochte, der sich eines vollkommenen Heroischen "Werckes unterstehen werde, und 1st nur der G-edancken, es sey leichtlicher zu wiindschen als zu hoffen." Diese An- sicht ist aber weniger eine Frucht tieferen Eindringens in die Geschichte und das Wesen des Epos auf Grund vergleichender Studien der fremden Litteraturen, als eine tiberkommene Meinung aus dem Mittelalter, bei dem Virgil in ungemessenem Ansehen stand. Seine "Werke galten als uniibertrefflich, waren die gelesensten Biicher und befanden sich sowohl in den Handen der Schiller, die daraus ihr Latein erlernten, als auch der neulateinischen Poeten, denen sie Gedanken und Form fur ihre Dichtungen lieferten. Der Person Virgils aber bemachtigte sich die Sage und schuf aus dem kranklichen, zu einem zurtickgezogenen und beschaulichen Leben neigenden Dichter aus Andes ein ge- heimnisvolles, halbdamonisches Wesen, das sich im Besitz tiefer Kenntnisse, ja sogar im Geruch der Zauberei befande. In dieser Umbildung zeigt ihn uns Dante in seiner Divina Comedia. In der Friih renaissance erlitt diese Ansicht in- sofern eine Anderung, als man ihn neben Moses, Jesaias, Ezechiel, Daniel 1 ) etc. einen unchristlichen Christen nannte, weil seine Schriften den ganzen christlichen Glauben vor- ausverkiindigen sollen (Nostra fides sancto tota est prae- dicta Maroni), was unter andern auch durch den Virgilcento einer Dichterin Proba 2 ) als erwiesen erachtet wurde. Ausser- dem giebt es noch einen Virgilcento ,,De Incarnatione Verbi Dei." Noch lange Jahre erhielt sich dieser Virgilkultus, so class das Urteil des R. P. Rapin de la Compagnie de Jesus in seinem Discours academique sur la comparaison entre Virgile et Homere, recite le XIX. aout 1667 dans 1'Assemblee qui se fait chez Monseigneur le premier President 1) Korting, Geschichte der Litteratur Italiens, p. 309 14. 2) Teuffel, Geschichte der romischen Litteratur 4 436, 7 und 473, 5. 3* 36 ganz zu Gunsten des ersteren ausfiel. Es dtirfte dem eben Ausgefiihrten gegeniiber niclit ohne Bedeutung sein, wenn wir die Bemerkung machen, dass sich in Opitz und Bon- sard 1 ) auch eine Ubereinstimmung in ihrer gtinstigen Be- urteilung Homers zeigt, die angenehm gegen die gehassige Voreingenommenheit Scaligers und seiner Nachtreter ab- sticht; freilich beschranken auch sie sich nur auf eine hohe Achtung vor dem ehrwtirdigen und erfindungsreichen Greise ; in kiinstlerischer, formaler Beziehung erkennen auch sie Virgil die Palme zu. Um so auffallender ist die Abweichung Opitzens von Ronsard in seinen Aufstellungen iiber den Umfang des G-ebiets des ,,Heroischen Gedichtes", das er so erweitert, dass nicht nur der Panegyrikus, sondern auch das Lehrgedicht, kurz alles, was im heroischen Versmass, d. h. in den dasselbe vertretenden unstrophischen Alexan- drinern verfasst ist, darinnen unterkommen kann, wahrend noch Scaliger in seiner Poetik und Ronsard in der Praxis an der ratio epica streng festhalten. Man darf die Erklarung dieser auffallenden Thatsache von Borinski 2 ) fur richtig halten, der meint, dass man in jener Zeit noch zu unsystematisch war, um fur diese Dinge eine neue Rubrik zu finden, sondern sie unterbrachte, wo sich nur irgend Gelegenheit bot. Im ferneren Verlauf des Kapitels giebt Opitz dann gleichsam ein Rezept fur die Anfertigung eines Heldengedichts nach den Beobachtungen, die er bei Lesung alter und neuer Dichter gemacht hat, wobei Ron- sard oft herangezogen und citiert wird. Zuerst kommt die Vorschrift, sogleich mit ,,einem Inhalte und der Proposition" zu beginnen nach Ron sards na'iver Auffassung: ,,les bons ouvriers le commencent par le milieu"; als Beispiel werden Virgils Georgica und sein Trostgedicht in den "Wider- wartigkeiten des Krieges angezogen. Dann folgt die invo- 1) Borinski a. a. 0. p. 25. 2) Borinski a. a. 0. p. 21. 37 catio: , ; Nachmals haben die Hey den ihre Gotter angeruffen, dass sie ihnen zu Vollbringung des Werckes beystehen wollen: denen wir Christen nicht allein folgen, sondern auch an Frommigkeit billig sollen iiberlegen seyn." Ronsard: ,,Et si tu entreprens quelque grand oeuvre, tu te monstreras religieux et craignant Dieu, le commencant ou par son nom, ou par un autre qui representera quelque effect de sa Majeste, a 1'exemple des Poetes Grecs .... et nos Remains: Aeneadum genitrix, Musa mini causas memora. Oder Preface: Tu n'oublieras jamais de rendre le devoir, qu'on doit a la Divinite : oraisons, prieres et sacrifices, com- men9ant et finissant toutes les actions par Dieu, auquel les homines attribuent autant de noms qu'il a de puissances et de vertus, imitateur d'Homere et de Virgile qui n'y ont jamais failli. Andere stellen, fahrt Opitz fort, ,,auch stracks zu erste die Anruffung" wie Lukrez und "W. von Sallust. Dann folgt die ,,dedicatio", Widmung; zuletzt, um einen zwangslosen Ubergang zum Thema zu gewinnen eine ,,ex- planatio", ,,warum man "eben dieses Werck vor sich ge- nommen". Der folgende Abschnitt ist wieder aus Ronsard. Opitz: ,,Das Gedichte und die Erzehlung selber be- langend, nimpt sie es nicht so genawe, wie die Historien, die sich an die Zeit und alle Umstande nothwendig binden miissen, und wiederholet auch nicht, wie Horatius erwehnet, den Trojanischen Krieg von der Helenen und ihrer Briider Geburt an: last viel aussen was sich nicht hinschicken will, und setzet viel das zwar hingehoret, aber neue und unverhoffet ist, untermenget allerley Fabeln, Historien, Kriegskiinste , Schlachten, Rathschlage, Sturm, "Wetter, und was sonsten zu Erweckung der Yerwunderung in den Gemuthern von nothen ist; alles mit solcher Ordnung, als wann sich eines auff das andere selber also gebe, und 310914 38 ungesucht in das Buch kame. Grleichwol soil man sich in dieser Freyheit zu dichten vorsehen, dass man nicht der Zeiten vergesse, und in ihrer Warheit irre. "Wiewol es Virgilius, da er vorgegeben, Eneas und Dido hatten zu einer Zeit gelebt, da doch Dido hundert Jahr zuvor ge- wesen, dem Keyser und Roniischen Volcke, durch welches die Stadt Carthago bezwungen worden, zu Liebe gethan, damit er gleichsam von den bosen Fliichen der Dido einen Anfang der Feindschafft zwischen diesen zweyen machtigen Volckern machte." Ronsard, Preface: ,,Plusieurs croyent que le poe'te et 1'historien soient d'un mesme mestier: mais ils se trompenfc beaucoup, car ce sont divers artisans qui n'ont rien de commun 1'un avecques 1'autre, sinon les descriptions des choses, comme batailles, assauts, de montaignes, forests et rivieres, villes, assietes de camp, stratagem.es, nombres des morts, conseils et pratiques de guerre; en cela il ne faut, point que le poe'te faille, non plus que 1'historien. Au reste, ils n'ont rien de commun (comme j'ay dit) sinon que 1'un ne 1'autre ne doit jamais mentir contre la verite de la chose, comme a failli Virgile au temps, c'est a dire en la chronique, le quel a faict Didon, fille de Belus, estre du temps d'Aenee, encore qu'elle fust cent ans devant pour le moins; mais il inventa telle ruse pour gratifier Auguste et le peuple remain, vainqueur de Carthage, donnant par les imprecations de Didon commencement de haine et de discorde mortelle entre ces deux florissantes nations." Nachdem Opitz so viel Raum fiir das heroische Gedicht gebraucht hat, verfahrt er mit dem Drama um so summa- rischer. Da Ronsard weder Vorschriften fur das Drama noch Musterstiicke hinterlassen hatte (mit Ausnahme einer kurzen Notiz in ,,Au lecteur", am Eingang seiner Oden, die aber keine besondere Bedeutuug hat, da sie zweifellos 39 aus Scaliger 1 ) entlehnt isfc (Tu dois S9avoir, que toute sorte de poesie a 1'argument propre et convenable a son subject; 1'Heroique armes, assaults de ville, batailles, escar- mouches, conseils et discours de Capitaines; la Satyrique brocards et reprehensions de vices; la Tragique morts ex miserables accidens des Princes; la Comique, la licence effrenee de la jeunesse, les ruses des Courtizannes, avarice de vieillards, tromperie de valets . . .), so war unser Theoretiker auf Aristoteles, der aber noch nicht eines solchen Ansehns genoss wie spater, und namentlich an D. Heinsius gewiesen, dessen Buch de tragoediae constitutione (Lugduni Bata- vorum 1611) er jedenfalls gut kannte. Leider begntigt er sich nur mit einem Hinweis darauf, und wir sind daher auf Annahmen, einige Ausserungen und seine praktische Thatigkeit als Dramatiker angewiesen, um uns eine Vor- stellung von des Niederlanders Einwirkung zu machen. Opitz besass kein dramatisches Talent und hatte auch keine Gelegenheit, wie spater Lessing, sich durch eigene Anschauung zu bilden. Eine Schaubiihne, die zu eigenen Versuchen hatte anregen konnen, gab es nicht; das Volks- schauspiel, wie die Schulkomodie konnten seinem Greschmack nicht zusagen ; denn das erstere war nach einigen Anlaufen 2 ) zum innern Ausbau durch weg verroht; die andere war nichts als Phrasendrescherei in lateinischer Sprache; die Auf- fiihrungen der Englander, die er durch sein Verhaltnis zu Schtitz in Dresden kennen gelernt haben wird, befriedigten ihn sicher auch nicht: sie wichen zu sehr vom Muster der Alten ab und standen fur ihn schon durch ihre prosaische Form ausserhalb des Rahmens der Poesie. Von den vier dramatischen Arbeiten, die uns von Opitz erhalten sind, ist nicht eine, die seiner Erfmdung entsprossen; es sind Ubersetzungen, teils um Pausen, die in seinem dichterischen 1) Fritsch a. a. 0. p. 41. 2) Tittmann, Martin Opitz, Einleitung. 40 Schaffen notwendigerweise eintraten, auszufullen, wie die Trojanerinnen , teils Arbeiteii , urn sich Gunst bei den Grossen zu erwerben, wie die Antigone, oder auf Be- stellung fur die Hoffestlichkeiten verfertigt, wie die Judith, die nach seiner Aussage aus dem Italienischen stammt und meist als ,, Drama mit Musik" angefuhrt wird. Dafhe, auch eine Bearbeitung eines italienischen Vorbildes, ist ein Libretto, geschrieben auf die Bitte seines Freundes Schfitz und bei der Vermahlung des Landgrafen von Hessen mit einer sachsischen Prinzessin als ein sogenanntes Entremet aufgefiihrt. Durch dieses Stuck ist die Oper, welehe erst kiirzlich in Italien durch das Bestreben dortiger Theoretiker, dem Drama nach dem Muster der Alten die Melopoie wiederzugewinnen, aufgekommen war, in Deutschland ein- gefuhrt worden. Opitz zeigt einiges Hisstrauen gegen diese neue Gattung und fuhlt sich darum gemiissigt, einiges zu seiner, des Autors, Entschuldigung zu sagen, ,,dem sonst nicht unbekannt ist, was die Alten wegen der Trauer- spiele und Comedien zu befehlen pflegen." "Wie wenig Verstandnis Opitz auch fur das "Wesen des Dramas hat, zeigen seine Definitionen der Tragodie und Komodie. Er sieht den Unterschied der beiden Gattungen ganz ausser- lich nur in der verschiedenen Lebensstellung der handeln- den Personen und in den Ereignissen und Verhaltnissen, die fur ihre Kreise passen. Das Tragische erblickt er in ,,Koniglichen~Willen, Todschlagen, VerzweifFelungen, Kinder- und Vattermorden, Brande, Blutschanden, Kriege und AufF- ruhr" u. s. w. Das Komische besteht fur ihn in ,,schlechtem "Wesen und Personen, wo es sich um Hochzeiten, Gast- gebote, Spiele, Betrug und Schalkheit der Knechte u. s. w. handelt." Dennoch hat Opitz fur das deutsche Drama anregend gewirkt; denn bald nach ihm tritt eine grosse Riihrigkeit auf dem Gebiete der dramatischen Dichtung ein, aber er war auch bestimmend fur den ganzen Charakter 41 der Gattung, indem er auf Heinsius hinwies. Bei den Niederlandern lierrsclite im allgemeinen eine grosse Be- wunderung fur Seneca (wie spater noch in Frankreich) im Gegensatz zu den weit hoher stehenden griechischen Tragoden, was in den besonderen Eigentumlichkeiten dieses Dichter-Philosophen zu suchen isfc. Im allgemeinen er- scheinen seine Stiicke 1 ) als Dichtungen, die nicht zur Auf- fiilirung, sondern zu deklamatorischen Vortragen bestimmt waren ; daher der haufige Mangel an dramatischer Kunst, die mit Absicht herbeigezogenen Veranlassungen zu weit- laufigen Schilderungen voll unzeitiger Gelehrsamkeit, die kurzen Streitreden in witzigen, antithetischen Schlagwortern, die haufigen moralischen Betrachtungen und Sentenzen im Geiste der Stoiker, die mit besonderer Vorliebe gewahlten Sujets , welche Gelegenheit geben , Tyrannen mit den schwarzesten Farben zu malen. Das Masslose und Phan- tastische, der oft sichtbare Mangel an praktischer Menschen- kenntniss und die damit verbundene Art, die Charaktere statt sie zu individualisieren in allgemeine moralische Typen zu verwandeln, zeigen das Streben des Dichters, durch aussere starke Effekte die innere Armut und Obnmaclit zu verdecken. Die Manier ist rhetorisch, die mehr durcn Geist und Witz blenden, als durch Wahrheit der Em- pfindung ergreifen und rtihren will. Einzelne Situationen sind vortrefflich erfunden und ausgefiihrt und verfehlen ihre Wirkung nicht; manche Ausserungen und Sentenzen tiberraschen durch treffende Pointen in epigrammatischer Kiirze. Diese Eigenschaften machten Seneca 2 ) den philo- sophisch geschulten und durch angestrengte Studien dem pulsierenden Leben entfremdeten hollandischen Ge- 1) Munk, Ed. in, p. 65. 2) D. Heinsius versah Seneca mit kritischen Noten: Lucian Miiller, Geschichte der klassischen Philologie in den Niederlanden. Leipzig 1860, p. 39. 42 lehrten lieb. Daher erklart sich auch der unwahre Bombast und Schwulst der spateren deutschen Dramen 1 ). Auch in einer andern Eigentiimlichkeit der schlesischen Haupt- und Staatsaktionen lasst sich Heinsius Einfluss vielleicht er- kennen, namlich wie er den aristotelisclien Begriff der Katharsis erklart. Nach seiner Ansicht soil durch haufiges Sehen des Schaudererregenden unsere Empfindung dafur abgestumpft werden: Talem 2 ) (sc. habitum) e Tragoediae re- presentatione nasci. Nam ut artem quandam perficit quemad- modum oportet, qui illius usum longa sibi actione comparavit : ita objectorum quibus excitari in animo affectus solent, assuetudine quadam mediocritatem eorum induci. Hominem in bello crudeliter vulneratum qui videt, horret, miseret, sui vix est compos . . . Ita qui miserias frequenter spectat, recte miseratur et quemadmodum oportet, (d. h. also non commovetur). Bei Opitz finden wir eine ahnliche, aber sehr ge- massigte Auffassung, deutsch im Vorwort zu den Trojane- rinnen, lateinisch vor der Antigone, indem er nicht Gleich- giltigkeit und Abgestumpftheit gegen fremdes Leid, sondern nur Ergebenheit und stoischen Gleichmut gegen eigene Unglticksfalle hervorgerufen wissen will: ,,Dann eine Tragodie, wie Epictetus soil gesagt liaben, ist nichts anders, als ein Spiegel derer, die in allem ihrem thun und lassen auff das blosse Gliick fussen. Welches wir Menschen ins gemeine zum Gebrauche haben; wenig aussgenommen , die eine und andere unverhoffte Zufalle voransehen, und sich also wider dieselbigen verwahren, das sie ihnen weiter nicht schaden mogen als an eusserlichen Wesen, und an denen Sachen, die deii Menschen eigentlich nicht angehen. Solche Bestandigkeit aber wird uns durch Be- schauung der Missligkeit des Menschlichen Lebens in den 1) Borinski a. a. O. p. 27. 2) Ed. auct, 1643 p. 12, 43 Tragodien zuforderst eingepflantzet: dann in dem wir grosser Leute, gantzer Stadte und Lander eussersten Untergang zum offtern schauen und betrachten, tragen wir zwar, wie es sich gebiihret, erbarmen mit ihnen, konnen auch noch- mals auss "Wehmuth die Thranen kaum zurtiok halten; wir lernen aber darneben auch durch stetige Besichtigung so vielen Creutzes und Ubels, das andern begegnet ist, das unserige, welches uns begegnen mochte, weniger furchten und besser erdulden." In der Vorrede zur Antigone heisst es: ,,Et huic fini Tragicorum scripta imprimis producuntur, ut ex contemplatione nimirum fortunae, qualiscunque ea est, alienae, nostram sive florentem bonis artibus retinere dili- gentius, sive adversam ac jacentem moderatius erectoque animo ferre discamus." Wenn solche Grundsatze von den tonangebenden Theoretikern aufgestellt wurden, so kann man sich nichfc wundern, wenn die Dichter in der Praxis einander in Schrecknissen zu tiberbieten trachteten und solange Greuel auf Greuel hauften, bis endlich das gequalte Gemiit, miide und tiberreizt, stiirmisch nach gesunderer, wenn auch haus- backener Nahrung verlangte; so musste auf einen Lohen- stein mit Notwendigkeit ein Weise folgen. In der oben angedeuteten "Weise geht Opitz nun von der Komodie zur Satire tiber, indem ihm die Verwandschaft des Inhalts als Briicke dient; derni beide handeln ,,von guten Sitten und ehrbarem Wandel und hoflichen Eeden und Schertzworten". Man sieht, class 1 ) die Zeit der oft geiiialen, frechen, schonungslosen und zur personlichen Satire neigenden Pasquillanten der Reformationszeit voriiber ist. An Stelle Juvenalschen Geistes mit seiner Strenge und seinem bittern Ernst tritt das graziose Scherzwort der Horaz- schen Muse, die sich nur in ,, hoflichen" Redensarten er- 1) Borinski a. a. 0. 8B, 44 geht. Opitz hat hier weder E-onsard nocli Heinsius etwas zu verclanken, ebensowenig fur das Epigramm, das er erne ,,kurze Satire" nennt. Die Eklogen oder Hirtenlieder, die aber auch von andern einfachen Berufsarten handeln konnen, die Elegien und das Echo werden kurz abgefertigt, letzteres verdankt seine besondere Erwahnung nur dem Umstande, ,,weil ich sehe, dass sie bey den Frantzosen gleichfals im Gebrauche seyn." Die Hymni oder Lobgesange , zu denen wir nun kommen, verweisen auf Heinsius und Ronsard. Opitz giebt folgende Definition: ,, Hymni oder Lobgesange waren vor- zeiten, die sie ihren Gottern vor dem Altare zu singen pflagen, und wir unserem GOTT singen sollen. Dergleichen ist der Lobgesang, den Heinsius unserem Erloser, und der, den ich auff die Christnacht geschrieben habe. Wiewol sie auch zu Zeiten was anders loben; wie bey dem Ron- sard ist der Hymnus der Gerechtigkeit, der Geister, des Himmels, der Sternen, der Philosophic, der vier Jahres- zeiten, des Goldes, etc." Diese Gattung 1 ) gedieh im 16. und 17. Jahrhundert zu einer ganz besonderen Bliite, nach- dem der Grieche Michael Marullos ({* 1511) sie zuerst auf christliche Stoffe angewandt hatte, besonders in den Nieder- landen durch Heinsius; aber auch Ronsard kultivierte sie in seinen vorgeriickten Jahren, als Kranklichkeit, Erfahrung und der Ernst der Zeiten ihn vom heitern und mutwilligen Spiel mit der gegenwartigen Stunde zu wiirdigeren Ob- jekten und zu forschendem Hintiberblicken in das geheim- nisvolle Jenseits abgerufen hatten. Opitz ergriff diese dichterische Form mit Eifer, nicht allein, weil sie durch das Beispiel seiner Meister sanktioniert war, sondern auch weil sie ihm ein ausnehmend passendes Gefass zur Auf- nahme seines eigenartigen Denkens und Baum fiir die 1) Borinski a. a. 0. p. 38. 45 Fulle seines reichen "Wissens darbot. Wenn die angstliche Religiositat jener Zeiten, die Vorurteile einer iibertriebenen Frommigkeit und biirgerlichen Ehrbarkeit die Dichter zwangen, zu religiosen Stoffen zu greifen, so kamen letztere dieser Anforderung schon auf halbem "Wege entgegen; derm in jenem Zeitalter, wo sich die Phantasie 1 ) mit ihrer Bildlichkeit in die "Wissenschaft gefliichtet zu haben schien, als fur allerhand wissenschaftliche Untersuchungen die Formen der Vision und Allegorie gewahlt und fur Be- weise Bilder, fur Uberzeugungen Traume gegeben wurden, der Poesie dagegen nur der berechnende, messende, ver- gleichende Yerstand verblieb, waren die Dichter wegen ge- eigneter Sujets oft in Verlegenheit und griffen daher gem in den reichen Inhalt religioser Stoffe, freudig, sich jetzt bloss noch mit der Form und dem poetischen Beiwerk plagen zu diirfen. Das lockere Gefiige des Hymnus lud zu weiten Abschweifungen auf ferae Gebiete des Wissens ein, die bequeme Form des tiblichen Alexandriners ertrug eine schwere Btirde klassischer und mythologischer Gelehr- samkeit, seine Zweiteiligkeit verlockte zu einer Flut von Antithesen; den Schein der Begeisterung glaubte man durch kiihne oder vielmehr geschraubte "Wortbildungen hervorrufen zu konnen, wahrend sonst die schonste logische Planheit, selbst Plattheit, die springende, phantasiereiche Darstellungsart desVolkes verdrangt, undzahlreicheZwischen- satze oder andere Einschiebsel, ja recht klare, wasserhelle Deutlichkeit befordern helfen. Der kraftvolle Genius des feurigen Franzosen versteht trotz der schweren Ausriistung sich dennoch zu manchem ktihnen Aufschwung empor- zuraffen, der feingebildete Hollander weiss sich noch mit einigem Geschmack und Anmut zu bewegen, aber Opitz schleicht meist schwerfallig und tra'ge am Bodeu. 1) Gervinus a. a. 0. p. 224. 46 Wie wenig auch Opitz auf dem Gebiet der Lyrik Selbstandiges nach Abzug des nur Uebersetzten oder Para- phrasierten hervorgebracht hat, sei es infolge des Drucks der offentlichen Meimmg oder, wie Tittmann will, aus Mangel des wahren Gefuhls der Liebe (ein Grand, wes- wegen er auch unbeweibt geblieben, obwohl er nachweislich zweirnal Anlaufe machte, sich zu vermahlen), so war er sich doch der Bedeutung der lyrischen Gattung wohl bewusst (,,weil die Liebe gleichsam der Wetzstein ist, an dem sie (sc. die Dichter) ihren subtilen Verstand scharffen, und nie- mahls mehr sinnreiche Gedancken und Einfalle haben, als wann sie von ihrer Buhlschafften Himmlischen schone . . . reden"); hatten doch Petrarca und Ronsard den besten Teil ihres Weltruhms den farbenprachtigen Schilderungen von der Liebe Lust und Leid zu verdanken, Grund genug fiir ihn zu dem Versuch, auf diesem Gebiete gleichfalls Lorbeeren zu pfliicken. Opitz unterscheidet zwei Gruppenlyrischer Gedichte : n Sylven," zur Lektiire oder Recitation bestimmt, und n Ge- dichte, die man zur Music sonderlich gebrauchen kail". Die ersteren, teils ein unfreiwilliger Tribut den An- forderungen der Sitte gegeniiber, teils hervorgegangen aus dem Mangel an grossen Ereignissen, die das Gemut hatten erheben, den Bildungstrieb wecken, die Phantasie befltigeln konnen, werden offenbar infolge einer missverstandenen Stelle aus Scaliger in solche zerlegt, n die aus geschwinder Anregung und Hitze,. ohne Arbeit, von der Hand weg ge- macht werden/' und solche, die, n wie ihr Nahme selber an- zeiget, der vom Gleichntiss eines "Waldes, in dem vieler Art und Sorten Baume zu finden sind, genommen ist, auch allerley Geistliche und Weltliche Gedichte begreiffen, als da sind Hochzeit- und Geburtlieder" etc. Was die andern, die eigentlichen Lyrica' betrifft, so steht Opitz in Theorie und Praxis vollstandig auf dem Boden Ronsards. Opitz: ^Die Lyrica oder Gedichte, die man zur Music 47 sonderlich gebrauchen kan, erfordern zuforderst ein freyes lustiges Gemiithe, und wollen mit schonen Sprtichen und Lehren hauffig gezieret seyn, wieder der andern Carminum Gebrauch, da man sonderliche Masse wegen der Sententze halten muss; damit nicht der gantze Corper unserer Rede nur lauter Augen zu haben scheine, well er auch der an- dern G-lieder nicht entbehren kan. Ihren Inhalt betreffend, saget Horatius: Musa dedit fidibus divos . . . . . . . et libera vina referre. Er will so viel zu verstehen geben, dass sie alles, was in ein kurtz Gedichte kan gebracht werden, beschreiben konnen; Buhlerey, Tantze, Banckete, schone Menschen, Garte, Weinberge, Lob der Massigkeit, Nichtigkeit des Todes, etc. Sonderlich aber Vermahnung zu der Froligkeit: welchen Inhalts ich meiner Oden eine, zu Beschliessung dieses Capi- tels, setzen wil". Bonsard, Preface: ,,Tu dois davantage, lecteur, illustrer ton oeuvre de paroles recherchees, et choisies et d'argumens renforcez, tantost par fables, tantost par quelques vieilles histoires . . . et par excellentes, et toutefois rares, sentences; car si les sentences sont trop frequentes en ton oeuvre hero'ique, tu le rendras monstrueux, comme si tout ton corps n'estoit compose que d'yeux et non d'autres membres, qui servent beaucoup au commerce de notre vie " Ferner au Lecteur: n Tu dois S9avoir que toute sorte de Poesie a 1'argament propre et convenable a son suject . . . La Lyrique, 1'amour, le vin, les banquets dissolus, les danses, masques, cheveaux victorieux, escrime, joustes et tournois et peu souvent quelque argument de Philosophic: Pource, lecteur, si tu vois telles matieres librement escrites, et plusieurs fois redites en ces Odes, tu ne t'en dois es- 48 merveiller, mais toujours te souvenier des vers d'Horace en son Art Poetique: Musa dedit fidibus divos, puerosque Deorum, Et pugilem victorem, et equum certamine primum Et iuvenum. curas, et libera vina referre. Je mehr wir uns dem VI. Kapitel dem rein Aeusser- lichen der poetischen Darstellung nahern, mit desto grosserer Genauigkeit und Ausfithrlichkeit sehen wir Opitz zu "Werk gehen. Seine Nachfolger, die sich die Errungenschaften ihres Meisters immer wieder von neuem aufzutischen ver- pflichtet glaubten, beschranken sich durchgangig auf die beiden vorletzten Kapitel, ohne aber etwas Wesentlich.es hinzuzufiigen, bis es erst den Theoretikern der Neuzeit ge- lang, ganz neue Gesichtspunkte zu finden. Schon die Ein- teilung und Anordnung des VI. Kapitels, das eine Lehre vom poetischen Stil enthalt, liefern den deutlichen Beweis, dass Opitz, sowie seine Zeitgenossen noch eine zu un- klare Vorstellung von der Organisation der menschlichen Seele mit ihrem geheimnissvollen Arbeiten und "Wirken und vom Wesen der Sprache, noch weniger aber von den intimen Beziehungen beider hatten, als dass sie die Lehren vom Stil, hier im besondern vom poetischen, aus einem philo- sophischen Prinzip und in organischem Zusammenhang hatten herleiten konnen. Was Opitz uns gibt, ist weiter nichts als eine Reihe zusammenhangloser, durch eigene oder fremde Beobachtung gewonnener Vorschriften, die fiir den produ- zierenden Dichter etwa denselben Wert haben, wie fur den bildenden Ktinstler eine Lehre vom Faltenwurf, die keine Eiicksicht auf den unter der Gewandung verborgenen menschlichen KGrper nimmt. W. Wackernagel 1 ) sagt in seiner Poetik: ,,Stil ist 1) W. Wackernagel, Poetik, Rhetorik und Stilistik. Auch was weiter liin bei den Figuren und Tropen gesagt ist, grundet sich auf dieses Buch. 49 die Art mid Weise der Darstellung durch die Sprache, wie sie bedingt ist teils durch die geistige Eigentumlich- keit des Darstellenden, teils durch Inhalt und Zweck des Dargestellten". Danach sind zwei Seiten zu unterscheiden: eine objektive, konstante, welche diejenigen Gesetze um- fasst, denen die sprachliche Darstellung aller Schriftsteller, Volker und Zeiten unterliegt , und eine subjektive, wechselnde, die von der Natur des jedesmaligen Schrift- stellers abhangt. Ein Abhangigkeitsverhaltnis eines Schrift- stellers vom andern wird demnach als erwiesen zu erachten sein, wenn sich alle, oder doch die hervorstechendsten Eigen- tumlichkeiten des einen auch beim andern vorfinden. Sehen wir uns darauf hin die "Werke Ronsards und Opitzens an, so werden wir bemerken, dass der letztere auch in Ansehung des Stils dem ersteren in alien Punkten folgt, wo ihn nicht starkere, seien es aussere oder innere Griinde daran hindern. Nach der verbreitetsten 1 ) Meinung versuchten Ronsard und seine Freunde, verfiihrt durch die Schonheit der an- tiken Werke, lateinische und griechische Ausdriicke und Wendungen plotzlich in die franzosische Sprache ein- zufuhren. Dieser Versuch sei natiirlich elend missgltickt, und die Urheber dieser Thorheit seieu verdientermaassen der Missachtung und Vergessenheit anheimgefallen. Dieses Urteil beruht hauptsachlich auf den verdammenden Versen Boileaus : Ronsard qui le suivit (Marot) par une autre methods Reglant tout, brouilla tout, fit un art a sa mode, II toutefois longtemps eut un heureux destin. Mais sa muse, en fran9ais parlant grec et latin, Yit dans 1'age suivant, par un retour grotesque, Tomber de ses grands mots le faste pedantesque. Diese Behauptung ist ungenau. Gewiss wollte Ron- sard, aufmerksam gemacht durch die Beobachtung, wie 1) Darmstetter und Hatzfeldt, Tableau de la litterature fr. 50 verschieden der Wortschatz der griechischen und lateinischen Spraclie bei Dichtern und Prosaisten sei, auch fur sein Land eine reichere, ausdrucksvollere und erhabenere Dichter- sprache schaffen. Aber man klagt ihn mit Unrecht an, dass er zu diesem Zweck Worte dem Griechischen und Lateinischen entnommen habe. Man lese nur seine "Werke, und man wird erstaunen, wie wenig seine Muse lateinisch und griechisch sprach, man findet nicht mehr fremde Elemente bei ihm als bei den Zeitgenossen: Amyot, Pas- quier, Etienne etc., ja, sie sind so wenig zahlreich, dass man sie zahlen kann und auch gezahlt hat. 1 ) Er bedauert vielmehr, viele Worter wie Oxymoron, Oligochronien nicht franzosisch wiedergeben zu konnen, auch seine Verse: Les Frar^ais qui mes vers liront S'ils ne sont Grecs et Remains Au lieu de ce livre ils n'auront Qu'un pesant i'aix entre le mains. bezieht sich nicht auf die Sprache, sondern auf die Ideen, welche darin entwickelt sind. Auch sonst tritt er als echter Patriot mit Lehre und Beispiel fur seine vernachlassigte Muttersprache ein: ,,Cest un crime de leze-majeste d'aban- donner le langage de son pays, vivant et fleurissant, pour vouloir deterrer je ne Sais quell e cendre des anciens". Ver- anlasst ist diese irrige Meinung jedenfalls durch das Miss- verstehen einiger ungenau formulierter Ausdriicke des kiihnen Manifests der Plejade von Joachim Du Bellay. Diese Begeisterung Ronsards fiir das heimatliche Idiom fand lauten Wiederhall in dem Herzen Opitzens, der das seinige eine Heldensprache nennt und schon im Aristarch riihmend von ihr spricht, dass sie sich in ihrer ganzen Beinheit und Ursprunglichkeit erhalten habe, wahrend die romanischen Sprachen nur eine Entartung der lateinischen waren. Dass er sich frei von Fremdwortern hielt, ist 1) Griinther, Herrigs Archiv 1846, Ronsard und sein Verhaltnis zur Entwicklung der franzosischen Sprache. 51 nattirlicli; denn woran der Franzose, bei dem das Bewusst- sein des Zusammenhangs mit dem Lateinischen noch nicht ganz erloschen war und durch das Studium der Alten von neuem erweckt sein konnte, noch allenfalls hatte denken diirfen, das musste fur den Deutschen, dem die lateinische Sprache eine ganz fremde war, vollige Unmoglichkeit sein ; dazu kam dann noch das allgemeine, oft tibertriebene Streben der Zeifc nach Sprachreinheit, dem sich jeder beugen musste. Wenn sich Opitz gegen eine besondere sprachliche Unsitte der Zeit wandte, die aus den Kreisen der Gelehrten in das Leben und in die Poesie gekommen war, namlich das I)eklinieren fremder Eigennamen, so spricht er es mit den Worten Ronsards aus, das Beispiel aber entlehnt er von seinem hollandischen Gonner Heinsius, der gleich ihm Fremdworter angstlich meidet. Opitz: ,,Was aber die nomina propria oder eigendlichen Namen der Gotter, Manner und Weiber und dergleichen betrifft, diirffen wir nach Art der Lateiner und Griechen ihre Casus nicht in acht nehmen, sondern sollen sie, so viel moglich, auff unsere Endung bringen." Ronsard: ,,Tu tourneras les noms propres des ancieiis a la terminaison de ta langue, autant qu'il se peut faire, a 1'imitation des Romains, qui ont approprie ce qu'ils ont peu des Grecs a leur langue Latine comme .... Les autres sont demeurez en leur premiere terminaison". Heinsius : Von daei 1 is zij gegaen By Thetis haer vrindin en sprak Neptunus aen. "Wenn Opitz aber Bedenken tragt, dieses Prinzip bis in alle Konsequenzen durchzufiihren, so hat ihn gewiss nicht nur die Riicksicht auf die anfangliche ,,Seltsamkeit des Klanges", sondern vielleicht noch mehr auf den Ge- brauch Heinsius dazu veranlasst, der in demselben Gedicht v. 75 ,,Neptuni stroom" sagt. 4* 52 Wenn sich Ronsard und Opitz jeder fiir seine Mutter- sprache begeistert zeigen, so muss man sich hiiten, die letztere nach deni Maass zu beurteilen, welches ihr heutiger Entwickelungsstand uns an die Hand gibt. Beide sind noch nicht fest, sie wechseln mit den Provinzen und mit den Schriftstellern. Wahrend sich aber in Frankreich be- reits eine starke Neigung zur Zentralisation geltend macht, hervorgerufen durch die Vereinigung der Regierungsgewalt in einer Hand, durch das wachsende Ansehn des Hofs und endlich durch das langsame Aufgehen des Calvinismus in den KatholizismuSj lost sich in Deutschland das schwache Band immer mehr, das die einzelnen Stamme als ein ganzes zusammenfasst. Der ganze Norden reprasentierte wegen seines alterttimlichen Lautstandes beinahe eine Sprache fur sich ; den Stiden hinderten noch lange religioser Partei- hass, die lutherische Sprache als Hauptsprache anzuerkennen. ; auch innerhalb Mitteldeutschlands zeigen sich noch je nach den Landschaften mancherlei Farbungen. Ronsard nahm nun ganz richtig das Recht des Dichters fur sich in An- spruch, aus den Dialekten zu schopfen, um den Sprach- korper zu erfrischen und zu bereichern. Er empfiehlt aufzunehmen ,,les mots Gascons, Poitevins, Normans, Lyon- iiais et d'autres pa'is, pourveu qu'ils soient bons et que propre- ment ils signifient ce que tu veux dire." Ob und welche Worte auf diesem Wege durch Ronsard in die Sprache gelangt sind, kann man nicht mit Sicherheit angeben, wenn man nicht den allgemeinen Gebrauch aller Dichter jener Zeit zur Vergleichung zieht oder durch direkte Zeugnisse der zeitgenossischen Kommentatoren dartiber belehrt wird; dauernde Bereicherungen der Sprache sind sie jedenfalls nicht geworden, die in der klassischen Zeit durch die Be- mtihungen Malherbes und Boileaus auf einen sehr knappen Vorrat beschrankt wurde. Opitz driickt sich in der Poeterey tiber diesen Punkt sehr allgemein aus: n wir sollen uns be- 53 fleissen deme , welches wir Hochdeutsch nennen, besten Vermogens nachzukomm-en," wahrscheinlich, well er sich seiner zahlreichen Silesiacismen nur zu gut bewusst war; erst spater empfiehlt er einem Freunde 1 ) in Strassburg in bestimmten Ausdriicken den lutherschen, also Meissner Dialekt, als den dem Schriffctum angemessensten. Das Unternehmen Ronsards, alte oder veraltete "Worte wieder hervorzuholen und zu beleben, fand bei Opitz wenig Anklang; im G-egenteil warnt er dringend vor dem Ge- brauch archaistischer "Worter und Formen, etwa wie ,,ge- schach" anstatt n geschah." Um so eifriger ist er bemtiht, es Ronsard gleich zu thun in dem, was dieser ,,provignement des mots" nennt. Freilich weiss er sich hier im Schutz der Autoritat Hein- sius, der es ihm vorgemacht hatte und dessen Gebrauch, das nomen verbale dem Substantif nachzustellen, er aus- drttcklich zur Regel erhebt. Opitz: ,,Neue Worter, welches gemeiniglich epitheta, derer wir bald gedencken werden, und von andern Wortern zusammen gesetzt sind, zu erdencken, ist Poeten nicht allein erlaubt, sondern macht auch den Gedichten, wenn es massig geschiehet, eine sonderliche Anmuthigkeit. Als wenn ich dieNacht oder die Music eine Arbeit Trosterinn, eine Kummer- Wenderinn, die Bellona mit einem dreyfachen "Wort Kriegs- Blut-diirstig, und so fortan, nenne. Item den Nordwind einen "Wolckentreiber, einen Felsensttirmer, und Meerauff- reitzer: wie ihn Ronsard, (denn die Frantzosen nechst den Griechen hierinnen Meister sind) im 202. Sonnet seines andern Buches der Buhlersachen heisset: Fier Aquilon, horreur de la Scythie, Le chasse-nue, et 1'esbransle-roclier, L'irrite-mer. 1) Venator, Privatbrief aus dem Jahre 1628. cf. Borinski Poetik d. R. p. 99. 54 "Welches aus dem Ovidio genommen 1st: Apta mihi vis est robora verto." Ronsard: . . . . ,,tu composeras hardiment des mots a 1'imitation des Grecs et Latins, pourveu qu'ils soient gracienx et plaisans a 1'aureille" ,,Tu dois davan- tage, Lecteur, illustrer ton oeuvre de . . ., 1'eurichissant d'Epithetes significatifs et non oisifs, c'est a dire qui ser- vent a la substance des vers". Die letzten "Worte seiner Ausfuhrung verdankt Opitz einem Ausleger Ronsards: ,,Ces trois chasse-nue, eobranle-rocher, et irrite-mer sont heureuse- ment composez a la maniere Grecque, pour signifier les effects du vent Boree, desquels il se vante luy mesmes en Ovide disant ainsi: 1 ) Apta milii robora verto." Die Worte Opitzens: ,,Solches stehet auch an seinem Orthe bey den Lateinern nicht iibel; als da Catullus saget in seinem iiberausz schonen Gedichte vom Atys: Ubi cerva sylvicultrix, ubi aper nemorivagus?" erinnern an eine Stelle bei Ronsard, wo auch des Catull Erwahnung gethan wird: ,,Au reste les autres Poetes Latins ne sont que naquets de ce brave Virgile, premier Capitaine des Muses, non pas Horace mesmes, si ce n'est en quelques- unes de ses Odes, ny Catulle, Tibulle, Properce, encore qu'ils soient tres-excellens en leur mestiers: si ce n'est Ca- tulle en son Atys et aux Nopces de Peleus". Zur Stiitze seiner Ansicht fiigt dann Opitz noch eine Probe aus dem Lobgedicht Bacchi aus D. Heinsius, welche dieser zum Teil entlehnt Ronsard hat: Nacht-looper, Heupe-soon, Hooch-schreuwer, Groote-springer, Goet-gever, Minne-vrient, Hoeft-breker, Lenwen-twinger, Hert-vanger, Hersens-dief, Tong-binder, Schudde-bql Geest-roerder, "Waggel-voet, Straet-kriiisser, Altit-vol. 1) Fritsch a. a. 0. p. 51. 55 Unter den Neubildungen empfiehlt Opitz noch eine Art, die er Ronsard abgelauscht hat und die mit n Be- scheidenheit gebraucht, nicht unartig" ist, namlich Verb- bildungen auf -ieren ; das "Wort aber, dessen Erfindung Opitz sich beilegt, Pindarisiren-pindariser, kommt nicht nur bei Ronsard, sondern schon bei Rabelais (Pant. II.) vor. Mit Recht weist aber Opitz solche Verben zuriick, die ganz aus dem Franzosischen entnommen sind , obgleich merkwiirdiger- weise zwei von den angefuhrten in der deutschen Sprache fast das Btirgerrecht erhalten haben: ,,marschieren" und ,,servieren." In einem Punkte zeigt sich aber ein auffallendes Auseinandergehen Opitzens und Ronsards, das freilich diesmal dem ersteren nicht zu besonderm Lobe gereicht. Ronsard hatte bemerkt, dass die Inversion in den alten Sprachen treffliche poetische 1 ) Wirkungen hervorgerufen hatte und glaubte sie um so eher fur seine eignen Zwecke nutzen zu konnen, als sie ja noch dem Altfranzosischen, dank der Deklination zu zwei Fallen, verblieben war. Spater hatte sie freilich mit dieser triimmerhaften Dekli- nation seit dem 14. Jhd. angefangen zu verschwinden. Im 15. Jhd. hatte der Gebrauch, wenn er nicht ganz ab- gekommen war, doch viel von seiner Kraft und Aus- dehnung verloren. Nun versuchte es Ronsard, gegen diese Tendenz der Sprache anzukampfen und sie bis zu einem gewissen Grade zur freieren lateinischen Konstruktion zuruckzufuhren. Ode a Henri deux: Tous les ans a sa feste en Libye honnoree, Ne luy tombe un taureau & la come doree, Mais souvent un agneau. 1) Wackernagel, Geschichte des deutschen Hexameters. 66 Mais si ce harpeur fameux (Oi-phee) Oyoit le luth des Serenes . . . Son luth payen il fendroit Et disciple se rendroit Dessous leur chanson. Das waren zum Teil die Satzungeheuer, die Malherbe ihm vorwarf, und doch strebte Ronsard diese Neuerung in dem richtigen Gefuhl an, dass ein streng logisch auf- gebautes Satzgefuge dem lebhaften Gange der poetischen Eede, iiamentlich wenn es sich um den Ausdruck lyrischen Schwunges handelt, wenig angemessen ist; Malherbe selbst verfiel seinem Gesetz vom Enjambement und der Casur zu Liebe in noch gewagtere Satzverrenkungen. Wie ganz aiiders Opitz ! ihm. stand eine biegsame, sich alien Schattirun- gen des Gedankens leicht und fligsam anschmiegende Sprache zu Gebot; er aber zwangte sie mit aller Gewalt in ein Prokrustesbett und verbot Fiigungen. deren poetische Wirk- samkeit sich schon lange bewahrt hatte, wie ,,Mundlein roth, u ebenso tadelt er Versetzung des Objekts: n den Sieg die Venus kriegt", oder Versetzung des Pradikats: ,,Sich seelig dieser schatzen mag". Solche Veranderungen der regelmassigen grammatischen Wortfolge sind ja das eigent- liche Wesen der Figuren, die doch so wesentlich zur Steigerung des Gefuhls beitragen. Die ganze Stelle in dem Gedicht ,,An Ntisslern" z. B.: ,, . . . doch ist mit diesem Wesen Nicht alles noch gethan: wann du mit Biicher lesen, Wirfet gantz vertieffet sein, zu wissen was die Stadt Der Homer und Athen uns hinterlassen hat, Wirst auch der Poesie zuweilen nicht vergessen, Und schreiben gleich wie ich, so wird dein Weib indesseii Nicht minder embsig seyn, wird denken, wie sie dir, Wann du studieret hast, begegne mit Gebiihr, Bestelle Kuch und Tisch, und, kommen etwan Gaste, Sie erstlich gerne seh', alsdann auch auf das beste Bewirte, wie sie weiss, und einig und allein Sich muhen deine Freud und hochster Trost zu seyn, 57 1st plane Prosa nicht nur inhaltlich, sondern auch in Wort- stellung und Satzbau; man gebe nur die Einteilung nach Versen auf, so konnen die Worte ebenso gut eine Stelle aus einem Privatbrief sein. Diese von Opitz eingeschlagene Richtung wurde von Weise bis zu vollig prosaischer Niichternheit weiterverfolgt. wahrend Opitzens Bilderfreudig- keit andrerseits von der sogenannten zweiten schlesischen Schule bis zum Schwulst und Bombast tibertrieben wurde. Es ist schon oben 1 ) gefunden worden, dass der poetische Stil auf Anschaulichkeit zielt und daher der Sinnlichkeit des Ausdrucks bedarf. Sinnlichkeit allein macht aber einen Ausdruck noch nicht poetisch, wenn nicht noch das Attribut der Schonheit hinzukommt. Unschon sind nun, abgesehen von schmutzigen und unsittlichen alle diejenigeii, deren Sinnlichkeit auf den niedern Sinnen: Gefiihl, Geruch, Ge- schmack beruht, n weil sie immer mit unfreiwilligen sub- jektiven Empfindungen verkntipft sind"; sie sind darum untauglich fur die Poesie. Ronsard und Opitz haben aber dagegen gefehlt, wenn der eine von ,,arbres succrees", von einer ,,langue miellee", der andere von ^tiberzuckerten Bau- men" spricht. Dagegen sind alle Sinnlichkeiten, die wir durch das Gehor oder Gesicht erhalten, verwendbar. Jedoch zeigt sich auch hier eine Abstufung, indem es eine Sinnlich- keit fur das Ohr streng genommen nur insofern giebt, als der aussere Klang die Einbildung in Anspruch nimmt; sobald man aber auf dessen innern geistigen Gehalt Rucksicht nimmt, giebt es nur Vorstellungen furs Gesicht. Sinnlich- keiten furs Ohr sind also malerische Nachahmungen der Naturlaute. Dieselben sind oft schon in einzelnen Worten gegeben, werden aber von den Dichtern manchmal kiinstlich hergestellt." Wie auf alles Ausserliche bedacht, so hat es sich Opitz auch nicht nehmen lassen, einiges iiber die Onomatopoie 1) W. Wackernagel Poetik. 68 zu sagen. Da er neben Virgil ntir Heinsius citiert, so wird er wohl von diesem besondere Anregung erhalten haben. Er selbst zeigt auch Vorliebe dafiir. ,,Die Kliifften, dieser Kiess, des Berges Mark und Bein." oder: ,,Und aus dem Rachen wirft er Steine, Pech und Brandt." Im Anschluss daran kommt er mit dem Ronsardschen Verbot, den Vers mit lauter einsilbigen Wortern zu fallen. Opitz: n Es siehet nicht wol aus, wenn ein Versz in lauter einsilbigen Worternbestehet. DessenExempelRonsard giebet : Je vy le ciel si beau, si pur et net. Ronsard: n Tu eviteras aussi 1'abondance des mono- syllabes en tes vers, pour estre rudes et mal-plaisans a ouir. Exemple: Je vy le ciel si beau, si pur et net." Den Grand dafiir anzugeben, bleiben uns aber beide schuldig, demur darin zusuchenist, dassdurchdasZusammen- fallen der "Wort- und Versfusse jeder Rhythmus verloren geht. r Viel wichtiger 1 ) sind die Bildlichkeiten, zu derenAn- schauung ein in der Einbildung ruhendes Sehen erfordert wird. Da giebt es eine unendliche Mannigfaltigkeit, die schon von den griechischen Rhetoren in einzelne Gruppen geteilt und mit besondern Namen belegt word en sind." Ron sard und Opitz unterlassen eine besondere Aufzahlung, doch legen beide ein nicht geringes Gewicht auf diesen Schmuck. Opitz: n Das Ansehen und die Dignitat der Poetischen Rede anlangt, bestehet dieselbe in den tropis und schema- tibus, wenn wir nemlich ein Wort von seiner eigentlichen Bedeutung auff eine andere ziehen. Dieser Figuren Abthei- lung, Eigenschafft und Zugehor allhier zu beschreiben, achte ich darum unvonnothen, weil wir im deutschen hiervon mehr nicht, als wie die Lateiner, zu mercken haben, 1) "Wackernagel a. a. 0. 69 und also gnugsamen Unterricht hiervon neben den Exempeln aus Scaligero und anderer gelehrten Leute Biichern nehmen konnen." Ronsard: n Au reste, ils ont trop de caquet (les vers Alexandrins), s'ils ne sont bastis ... les ornant et enrichis- sant de Figures, schemes, tropes, metaphores, phrases et periphrases eslongees presque du tout, ou pour le moins separees de la prose triviale, et vulgaire et les illustrant de comparaisons bien adapt^es, de discriptions florides, c'est a dire enrichies de passemens, broderies, tapisseries et entrelassemens de fleur poetiques." In ihrem Ubereifer und in dem Mangel an tieferer Erkenntnis des "Wesens der poetischen Bildlichkeit konnten sie nicht verfehlen, des Guten zu viel zu thun und manche Verstosse zu machen, die bei beiden eine merkwtirdige Ubereinstimmung zeigen. Der erste Fehler, der schon beim ersten Einblick so- fort in die Augen springt, ist der Umstand, dass die Bilder zum grossen Teil von Gelehrsamkeit eingegeben sind und nur von Gelehrten verstanden werden konrieii. Das ent- spricht aber ganz der Bildung unserer beiden Dichter und ihrer Ansicht, dass die Poesie auch belehren solle. Indessen wird dadurch genau das Gegenteil von dem erreicht, was die Bilder bezwecken. Sollen namlich die Bilder dazu dienen, Entfernteres durch Beziehung auf ein Gegenwartiges der Einbildung nahe zu bringen, so wird hier Entfernteres an noch Entfernteres angekniipft. Nahe verwandt, insofern als die Wirkung dieselbe wird, ist mit diesem Fehler die Sucht, die Bilder weit herzuholen. Dadurch wird nicht nur nichts fur die An- schaulichkeit gewonnen, sondern es wird oft sogar dem Yerstande schwer, die ihm gestellten Batsel zu losen, z. B. Ny 1 ) la fleur qui porte le nom D'un mois et d'un dieu. 1) Konsard Bd. II. p. 167. 60 Gemeint 1st damit die ,,violette de mars", wie der Kom- mentator die Vorsicht braucht, in der Note zu bemerken. Ebenso ratselhaft sind bei Opitz die Umschreibungen ,,der Erde Gast 1 )" fur Seemann oder ,,des Volkes Lenz 2 )" fur junges Volk. Daneben macht sich nicht selten eine unangenehme Uberhaufung des Stils mit bildlichen und uneigentlichen "Wendungen bemerkbar. Dieselbe hat wohl ihren Grund in dem stilistischen Bewusstsein beider Dichter. Wie es ihnen 4 ) bei der Auslegung der Klassiker Freude machte, die Figuren zu erkennen, so gewahrte es ihnen nicht ge- ringeres Vergnugen, mit Bewusstsein hier eine Metapher, da eine Metonymie zu setzen. Die Anschaulichkeit gewinnt aber nichts dabei. n Drangt sich Figur auf Figur, Tropus auf Tropus, so wird der Geist des Lesers unverhaltnis- massig in Anspruch genommen bios fur die Darstellung, ohne dass ihm Zeit und Kraft bleibt, auf den eigentlichen Inhalt einzugehen. Dabei kann sich zweierlei ereignen. Entweder wird eine Gedankenreihe in einer ebenso langen parallellaufenden Kette zusammenhangender Bildlichkeiteii durchgefuhrt; dann ermattet die Einbildungskraft bald in der Anschauung und dem Verstande wird zuletzt unklar, was gemeint ist." La vertu 3 ) ne se pent a Geneve enfermer Elle a le dos aile, elle passe la mer, Elle s' en- vole au ciel, elle marche sur terre Viste comme un esclair, messager du tonnerre, Ou comme un tourbillon, qui soudain s'eslevant Erre de fleuve en fleuve et annonce le vent . . . Tantost elle se loge on le peuple brusle Ne void loin de son chef le soleil recule, Dessous le pied duquel craque la chaude arene, 1) Opitz. Frankfurt, 1690 p. 77. 2) Opitz a. a. O. p. 94 3) Ronsard Discours: Oeuvres VII p. 120. 4) Wackemagel a. a. O. 61 On Phebus se veid pris des beaux yeux de Gyrene; Tantost elle s'en-vole ou les champs tapissez De neige ont les cheveux de glacons herissez, Non gueres loin de 1'antre en horreur effroyable, Que le froid Aquilon a choisi pour estable. Opitz: 1 ) Wie Phebus Tag fur Tag pflegt mit den leichten Strahlen Der Allmacht weises Buch den Erdenklosz zu mahlen Wie Cynthia nach ihm, wenn Hesperus der Welt Den schwarzen Mantel gibt, der Wolken blawes Feldt Gehornert iiberscheint, wie Perseus fliichtig stehet Kassiopea sitzt, Bootes langsam gehet. Oder man wechselt mit den Bildlichkeiten und bringt mit jedem Gedanken eine neue von der fruhereii ganz verschiedene ; n dann 4 ) wird die Einbildungskraft zerstreut und zersplittert, und der Verstand kommt erst recht nicht zu seinem Kecht. In dem unablassigen Hin- und Her- werfen vernichtet eine Bildlichkeit die andere, und es kann keine ruhige, feste und sichere Auffassung weder des Einzelnen, noch des Ganzen erreicht werden." Je scay 2 ) que nos pasteurs ont souhaite la peau Plus qu'ils n'ont la sante de leur pauvre troupeau; Je spay que des abbez la cuisine trop riche A laisse du Seigneur tomber la vigne en friche; Je voy bien que 1'yvraye estouffe le bon ble, Et si n'ay pas 1' esprit si gros ne si trouble Que je ne sente bien que 1'Eglise premiere Par le temps a perdu beaucoup de sa lumiere. Oder: Elizabeth 3 ) sa soeur, que d'une estroitte foy Son pere avait conjoin te au magnanime Roy Qui du peuple Espagnol les brides lasche et serre, A vingt ans se couvrit d'un sepulchre de terre, Dans un mesme batteau passant a 1'autre bord Sa beaute, sa jeunesse, et sa vie et sa mort. 1) Opitz a. a. O. p. 75. 2) Eonsard Bd. VII. p. 110. 3) Bd. Vn. p. 185. 4) Wackernagel a. a. 0. 62 Die Liebe 1 ) die Euch ruhrt ist durch den Wahn gebohren Der sein nie Meister wird, sie ist ein Witz der Thoren Der Weisen Unvernunft, ein angenehme Noth Ein wohlgeschmacktes Gifft, ein eigenwillig Tod Und siisse Bitterkeit, ein Henker der Gewissen. Oder: da lesen 2 ) sie zusammen Das Gold, den reinen Koth, der bleichen Sorgen Kindt Des Gliickes Ausgespey, den Ranch, den theweru Windt Der in die Tugend stiirmt. Mit dem eben besprochenen Fehler isfc meist ein anderer verbunden, die Katachrese, d. h. die Anwendung verschiedener Bildlichkeiten innerhalb desselben Gedankens. Man kann sich wohl denken dass Ronsard und Opitz sie um so weniger vermieden haben, als es ihnen mehr darauf ankam, an die Stelle eines jeden gewohnlichen Ausdrucks einen uneigentlichen zu setzen, als der Vorstellung in ihrer Totalitat mehr Anschaulichkeit zu geben. So ver- meidet Opitz an einer Stelle den gelaufigen. Ausdruck ,,Gott" und setzt dafur den ungewohnlichen ,,"Wagen Israels", fahrt aber fort ,,sitzt iiber uns und lacht", ohne zu bedenken, dass in der Poesie unter Wagen ein wirk- licher Wagen verstanden wird und dass daher auch Ent- sprechendes davon ausgesagt werden muss. "Weder Ron- sard noch Opitz meidet die Katachrese; letzterem ware es wohl zuzutrauen, dass er manche seinem Vorbild ,,nach- gethan" habe. Einige mogen hier als Beispiel dienen: Ronsard (Bd. VII. p. 12): Ainsi par le travail s'endurcit le Francois; Lequel n'ayant trouve qui par armes le donte, De son propre couteau soi-mesme se surmonte. Je suis 3 ) esmerveill^ que les -grands de la court Ne s'arment les costez d'hommes. 1) Opitz a. a. 0. p. 76. 2) Opitz a. a. 0. 89. 3) Bd. VII. p. 39. 63 Atropos 1 ) est trop lente a couper mon fouseau oder: Der Kerker 2 ), den der Mensch muss an dem Halse tragen oder: Den Lowen 3 ) aussen tragt, den Hasen im Gemiithe oder: ... So pflegst 4 ) du aucli zu zahmen Zu beugen Fuss fur Fuss der starken Volker Last. Sind alle Arten von Bildern bei beiden Dichtern im Ubermaass vorhanden, so kann es uns doch nicht entgehen, dass einige davon besonders bevorzugt sind. Schon bei oberflachlicher Lekttire fallt die unverkennbare Vorliebe fur das Epitheton ornans sofort auf. Es ist das die ein- fachste aller Figuren und liilft insofern zur Beforderung der sinnlichen Anschauung, als es den Gegenstand von einer bestimmten Seite ganz besonders beleuchtet. Aber es darf nicht miissig, ein Pleonasmus sein, wie etwa ,, alter Greis" bei Opitz und muss, was namentlich zu beobachten ist, immer diejenige Seite hervorheben, auf die es unter den obwaltenden Umstanden am meisten ankommt. Da Ronsard und Opitz es nun fur erforderlich hielten, fast jedes Substaiitivum mit Attributen zu bekleiden, wozu sie auch wobl durch die Lange des Verses gezwungen wurden, so darf man sich nicht wundern, sie bei beiden haufig genug als blosse Flickworter zu empfinden und als solche, die mit der gegebenen Situation nur in sehr entferiitem Zusammenhang stehen. Dieses gleichmassige 5 ) und wiederholte Zusammenfallen von Substantiv und Ad- jektiv giebt aber ihrer Sprache oft eine unertragliche Ein- tonigkeit und ermtidet den vorwarts strebenden Geist durch ein unablassiges Zuriickfuhren auf bereits durcheilte Ge- 1) Bd. vn. p. 176. 2) Opitz a. a. O. p. 78. 3) Opitz a. a. 0. p. 139. 4) Opitz a. a. O. p. 148. 5) Wackernagel a. a. 0. 64 i biete und durch zahes Festhalten an nebensachlichen Vor- stellungen. Beispiele giebt es bei beiden in Menge, so dass wir von Citaten absehen dtirfen. Auf die Anwendung der Epitheta in der angedeuteten Weise ist Opitz fraglos durch das Beispiel Ronsards gefuhrt worden, an den er sich auch in seinen theoretischen Ausfuhrungen anlehnt. Opitz: ,,Sie (die Epitheta) mtissen auch wahrhafftig sein, und etwas nicht anders beschreiben, als es ist." Ronsard: ,,Je te veux advertir de fair les epithetes naturels, qui ne servent de rien a la sentence de ce que tu veux dire." Opitz: ,,Letzlich haben wir in unserer Sprache dieses auch zu mercken, dass wir nicht vier oder fiinff epitheta zu einem "Worte setzen, wie die Italianer thun, die wohl sagen diirffen: Alma, bella, angelica, et fortunata donna; Du schemes, weisses, englisch.es, gliickhafftes edles Bild, denn solches bloss zu Ausfullung des Verses dienet." Ronsard: ,,Tu fu'iras aussi la maniere de composer des Italiens, en ta langue, qui mettent ordinairement quatre ou cinq Epithetes les uns apres les autres en un mesme vers, comme alma, bella, angelica et fortunata donna. Tu vois que tels Epithetes sont plus pour ampouller et farder les vers que pour besoin qu' il en soit. Bref, tu te contenteras d'un Epithete, ou pour le moins de deux". Warum aber den Italienern eine solche Freiheit andern Nationen gegeniiber eingeraumt werden soil, das wird hier aus dem Gesagten nicht klar. Gleichfalls sehr gerne verwenden beide das Oxymoron, was sich leicht aus ihrer verstandesmassigen Art zu dichteii erklart. Das Oxymoron 1 ) hat es namlich vorzugsweise mit dem Verstande zu thun, indem es ihn nothigt, den schein- 1) Wackernagel a. a. O. 65 bar in zwei verbundenen Begriffen verschiedenartigen Inhalts gegebenen Widerspruch zu losen. ,,In z welter Reihe befordert es jedoch auch die Sinnliclikeit der Rede, indem der Leser veranlasst wird, langer bei dem Gegenstand zu ver- weilen und das Gesagte von mehreren Seiten zu betrachten." Da Opitz dem Verstande ein weiteres Feld eingeraumt hat wie Ronsard, so sind selbstverstandlich auch bei ihm die Beispiele vom Oxymoron zahlreicher. Ronsard: 1 ) le grand Frar^ais qui vifc encores en cerculeil oder: d'un libre contrainte Opitz: 2 ) Viel wiindschen ihnen auch auO Todesangst den Todt oder: 3 ) Da noch kein Gold nicht war, da war die guldne Zeit. Wie sehr es beiden oft lediglich nur darauf ankam, ihre Verse mit poetischen Bildern vollzustopfen, lehren am besten ihre ausgefuhrten Gleichnisse. Beide begntigen sich nicht, das TJbereinstimmende des abstrakten Begriffs oder Gedankens mit dem konkreten Bilde hervortreten zu lassen, sondern sie fugen oft noch eine Menge nebensachlicher und zufalliger Dinge bei, ohne zu bedenken, dass sie ihreii Zweck dabei ganzlich verfehlen, dass sie ihren Gedanken eher verdunkeln als beleuchten und den Fortschritt un- gebiihrlich verzogem. Ronsard z. B. hatte sich fuglich mit dem Vergleich .... il 4 ) rend desja sa gorge Lorge comme un soufHet, le paumon d'un forge begniigen koniien, aber er will noch einige Verse gewinnen, denn ihm gefallt das Bild, darum fugt er hinzu: 1) Bd. Ill p. 123. 2) Opera Brefilau 1690 I, p. 35. 3) a. a. 0. p. 54. 4) Bd. Ill p. 107. 66 Qu'un boiteux marechal evente quand il fait Frapper a tour de bras sur 1'enclume un fer chaad. Ebenfalls Opitz. 1 ) In den Versen: . . . . Wie wenn im Wettelauffen Sich einer gantz bemiilit vor dem gemeinen Hauffen, Zu treffen auff den Zweck, sticht seinen Klepper an, Der Sieges-Hoffnung voll, nicht minder, als der Mann Den Wind scbier uberholt, und wenn er unterweilen Ihni auff den Fersen noch ein andres Pferd hort eilen, Da gischt er, schaumbt und schnaubt, gibt auff den Staub nicht viel Reisst seinen Reuter fort und bringt ihn an das Ziel: So sollte mir auch seyn," stellt sich der Dichter mit einem Reiter in Vergleich, mengt aber sogleicli das Ross mit hinein, fur das jede Parallele fehlt. Lasst das bis jetzt in formeller Beziehung Grefundene schon den Schluss zu, dass Opitz Ronsards Schriften zur Besserung und Belebung seines Stils griindlich studiert hat, wobei auch Heinsius, der viele derselben Eigentumlich- keiten zeigt, durch seine Autoritat einen bestarkenden Einfluss ausgetibt haben wird, so muss die Beobachtung, dass Opitz mit Vorliebe Ronsard auch materiell stark aus- beutet, auf einen sehr engen Anschluss an Ronsard weisen ; zwar hat Opitz, wie wir sehen werden, auch eine Anzahl Gedichte aus Heinsius iibersetzt, aber eben ganze Gedichte, die auch als Ubersetzungen mit Angabe des Fundortes und des Autors genannt werden; die Entlehnungen aus Ronsard dagegen sind nur zum geringsten Teil als solche bezeichnet, nur eins ist mit der Ueberschrift ,,aus Ronsards Erfin- dung'', zwei bis drei hochstens mit der Bemerkung ,,aus dem Franzosischen" versehen; neben diesen grossern Stiicken lassen sich aber, und das ist viel wichtiger, eine Unmenge eingeflochtener Stellen bei Opitz nachweisen, die ihren ronsardischen Ursprung nicht verleugnen konnen und den 1) Opitz, Lobgesang auf den freudenreichen Geburtstag Jesu Christi. Ausg. 1690. Ill p. 193. 67 meisten Werken Opitzens ein unverkennbar ronsardisches Geprage verleihen. Zunachst fallt die haufige Wiederkelir solcher Themen auf, die sich aucli bei Ronsard besonderer Beliebtheit erfreuen. Der Einwand, dass Ronsard selbst diese Gedanken zum grossten. Teil den Alten verdankt, die doch auch Opitz unmittelbar zuganglich waren, ist hinfallig; denn die Alten sind so reich an dichterischen Motiven, und Dichter aller Zeiten und Volker haben sich so oft Bats bei ihnen geholt, ohne immer auf dasselbe zu verfallen, dass auch Ronsard und Opitz jeder seine Domane hatten finden konnen. Sehr haufig tritt bei ihnen z. B. der Gedanke auf, dass die Poesie unsterblich mache, nicht nur den Dichter, sondern auch den Gefeierten - - also man ehre den Dichter und erhalte ihn bei guter Laune. Helene 1 ) seule .... N'a pas eu la poitrine cuite Par un amour premieremeiit. Hector le premier des gendarmes, Et Teucre n'a vetu les armes, Maint prince a fait mainte entreprise Devant le camp des deux roys grecs Aber keiner von ihnen hat seinen Sanger gefunden, darum sind sie der Vergessenheit anheimgefallen : Mais leur prouesse n'est cogneue, Et une oblivieuse nue Les tient sous un silence estraints; Engloutie est leur vertu haute Sans renom, pour avoir eu faute Du secours des poetes saincts. A Calliope: 2 ) Heureux celuy que ta folie affole! Heureux qui peut par tes traces errer; Celuy-la doit, par sa douce parole, Hors du tombeau tout vif se deterrer. 1) Bd. II p. 115. 2) Bd. II p. 134. 5* 68 Ebenso Opitz 1 ) . . . . ich will euch edlen Printzen Gross machen und bekand bey aller Welt Provintzen; Die Teutsche Poesie, so ich in Schwang gebracht, Soil bloss und einig seyn auff euer Lob bedacht. Schau, 2 ) o Asterie, die Meisterinn der Zeiten, Das ewige Geschrey, die Hand nach dir aufibreiten. Schliesslich haben beide die Horazisohe Ode ,,exegi monumentum" paraphrasiert. Ein anderer ebenfalls Horaz entlehnter Gedanke 1st der Preis der Niedrigkeit und des Glficks eines bescheidenen und zufriedenen Lebens, wie es etwa der Landmann im engen Kreise der Seinigen geniesst. .... certes 3 ) je voudrois estre Sans bruit et sans renom, comme un pasteur champestre, Ou comme un laboureur Femer: Mais 4 ) bien celuy qui se contente Comme toy De celuy le bruit du tonnerre Ny les nouvelles de la guerre N'ont fait chanceler la vertu oder: De peu 5 ) de bien on vit honnestement; L'homme qui peut trouver contentement N'entrompt point son sommeil par la crainte Des bles menteurs ne par la vigne atteinte. Bei Opitz: 6 ) Nicht den, der viel besitzt, den soil man selig nennen, Der das was Gott ihm schenckt recht mit Vernunfft erkennen, Und Armut tragen kan. wol 7 ) und mehr als wol, deni welcher weit vom Kriegen, 1) Opera BreClau 1690 II, 13. 2) a. a. 0. 172. 3) Ronsard (Bd. VII p. 125). 4) Bd. H p. 116. 5) Bd. II p. 140. 6) Lob des Kriegsgottes: 1690 I, 106. 7) Lob des Feldlebens: I, 154. 69 Von Sorgen, Miih und Angst, sein Vatergut kan pfliigen, Lebt sicher und in Run, noch wie die alte Welt Zu zeiten des Saturns und pflugt sein kleines Feld. oder: Wol 1 ) dem der weit von hohen Dingen Den Fuss stellt auff der Einfalt Bahn. Beiden ist es aber wenig Ernst mit dieser Bescheiden- heit, viel ofter finden wir sie als Herolde des eignen Ruhms. Ronsard 2 ) Par toy (lyre) je plais, et par toy je suis leu; C'est toy qui fais que Ronsard soit esleu Harpeur f'ran9ois, et, quand on le rencontre, Qu' avec le doigt par la rue on le monstre. Ferner jene stolzen Worte, die er seinen Angreifern entgegenschleudert. Et (je) mis 3 ) la poe'sie en tel ordre, qu' apres Le Francois fut egal aux Romains et aux Grecs. und Vous estes 4 ) mes sujects, je suis seul vostre roy. Opitz ist mcht viel bescheidener: Ihr Helden, denen hier Ihr Lob gepriesen wird, erkennet ewre Ziehr, Lacht ewre Graber auss. "Weit wahrer erscheinen uns j edoch die vielfachen Auf- forderungen zum heitern Lebensgenuss: ,,Auf, lasst uns lieben und trinken, so lange wir noch leben und Jung sind!" Und doch stammen sie von dem Epikuraer Horaz her, dessen eigne "Worte oft unverandert wiedergegeben werden. Pourquoy 5 ) te vas-tu meurtrissant, Et pourquoy gennes-tu ta vie Tandis que tu es fleurissant? Et pourquoy n'est-elle suivie 1) 1690 II, 190: Ode HI. 2) Bd. II p. 129. 8) Bd. VH 127. 4) p. 128. 5) Bd. II p. 151. . 70 D'esbat et d'amoureuse en vie? Pauvre ch^tif, ne spais-tu pas Qu'il ne faut qu'une maladie Pour te mener jouer la-bas? Ferner: Done 1 ), si vous me croyez, mignonne, Tandis que vostre age fleuronne En sa plus verte nouveaute", Cueillez, cueillez vostre jeuiiesse. Und Opitz: 2 ) Wir woll'n die bose Zeit Begraben in dei: Wein mit Muth und Frohligkeit. Wir wollen unser Fass nur reoht und redlich leeren, So lang' es lauffen wil, und fur der Faust uns wehren; Die Zeit und wir vergehn: der Mann so Rechnung macht Auff vieler Jahre Frucht, stirbt offt dieselbe Nacht. Es tritt zuweilen im Leben der Volker, besonders nach bedeutenden Kraftanstrengungen, eine Erschlaffung der poetischen Produktivitat ein, dann zeliren die schwacheren, kraftloseren Epigonen von dem ererbten Gut, ohne durcli selbstandig Erworbenes den poetischen Nationalbesitz zu vermehren. Daneben pflegt sich dann zum Ersatz eine regsame, oft bedeutende, philologische Thatigkeit zu ent- wickeln, die entweder die poetischen Vermachtnisse des eigenen Volkes bearbeitet, oder bei andern Volkern Be- lehrung und Unterweisung sucht. Dann wird mit grossem Eifer komrnentiert, kollationiert, excerpiert, schematisiert, Beispielsammlungen angelegt, memoriert, bis sich endlich der Wunsch rege macht, Selbstandiges zu produzieren, zu- nachst nur, um die grammatischen und metrischen Eegeln einzuiiben, dann auch, um dem unzerstorbaren, jedem Men- schen innewohnenden Gestaltungstriebe zu geniigen. Als Baumaterial dienen die Triimmer der durch das philologische Seziermesser zerstiickelten Kunstwerke, und so entsteht das 1) Bd. II 117. 2) 1690 H, 71. 71 Cento, ein Wort, das dem Lateinischen entstammt und dem Begriff sehr entsprechend ,,Flickwerk" bedeutet. Diese Spielerei fand zuerst nach dem Verfall der echten Poesie bei den Griechen Eingang, wie die Homerocentones d. h. die aus den homerischen Gedichten zusammengestoppelten Ge- dichte beweisen. Noch mehr nahmen diese fiberhand in der spateren romischen Zeit, wo vorzugsweise Virgil fur diesen Zweck gebraucht wurde, wie dies bei dem Cento Nuptialis" des Ausonius, ganz besonders aber aus dem Cento Virgilianus" der Proba Faltonia der Fall ist, der am Schluss des 4. Jhd. verfertigt wurde und die biblische Geschichte zum Gegenstand hat. Auch aus dem Mittelalter und der neuern Zeit sind zahlreiche Centonen vorhanden. So setzte ein Monch in Tegernsee, namens Metellus, im 12. Jhd. aus Virgil und Horaz geistliche Lieder zusammen, spater blieb Virgil die Hauptfundgrube der Verfasser von Centonen. Auch die zahlreichen lateinischen Dicbtungen der Renaissance nahern sich mehr oder weniger dem Cento. Erasmus v. Rotterdam hatte sich grosse Sammlungen von Stellen aus den Alten angelegt und empfahl solche Phrasen- hefte seinen Zeitgenossen sehr angelegentlich zur Nach- ahmung; dieselben wurden dann die Vorratskammern, aus denen sich die Dichter ihr poetisches Rtistzeug holten. Als man spater in der lingua vernacula zu dichten begann, wurde diese Ubung, von der man sich bei der herrschenden Phantasiearmut und Gemtitsleere nicht los machen konnte, auch auf diese tibertragen. Die Kommentatoren Ronsards haben zahllose Stellen angezeigt, die das Eigentum der Alten, besonders Petrarcas, des ersten bedeutenden Dichters der Renaissance, sind. In dem Kreise, dem Opitz in Heidel- berg angehorte, borgte man wieder von Ronsard, wofur die Oden "Weckherlins einen unwiderleglichen Beweis liefern (eine von denjenigen, die "W. Wackernagel im Leseb. giebt, ist aus Ronsard). Das Urteil der Zeit war durch das Be- 72 tonen der aussern Form zum Nachteil des poetischen Ge- halts so getriibt, dass man sich nur so das unmassige Lob erklaren kann, das den "Werken des Anhaltiners Hiibner, der Argenisiibersetzung von Opitz und der Tassoiibersetzung des v. d. "Werder gezollt wurde, die doch eben nichts welter waren, als Ubersetzungeii. Auch Opitz verdankt Ronsard viel. Eine Ubereinstimmung in der Form, aber ebenso oft mehr oder weniger genau auch im Inhalt zeigen bei Ron- sard und Opitz die auffallend zahlreichen Aufzahlungen : Ihr 1 ) Oerter voller Freud', ihr Auffenthalt der Hirten, Ihr Bach', ihr Ahornbaum', ihr Quell, ihr zarten Myrten, Ihr Thaler, ihr Gebirg', ihr Blumen und ihr Stein, Ihr WohnhauB aller Rhu, bey euch wiintsch ich zu seyn. oder: Vor 2 ) hab ich zu den kiihleii Fliissen, Und klaren Brunnen mich gesellt; Die Rosen, Lilien und Narcissen Liebt' ich fur alles auff der Welt. Ihr Bircken und ihr hohen Linden, Ihr Wiisten und du stiller Waldt, Lebt wol mit euren tieffen Griinden. Bonsard 3 :) Je ne voy pre, fleur, antre ny rivage, Champ, roc, ny bois, ny flots dedans le Loir. Nicht minder zahlreich sind die Zeitangaben durch Zahlen oder verschiedene Zahlenkombinationen, sei es Multi- plikation oder Addition; manchmal wird die Jahreszahl genannt, um den Eintritt eines Ereignisses zu bestimmen, sehr liaufig wird die Zeitdauer an dem periodischen Er- 1) Opitz Ausg. Brefilau 1690 II. p. 177. 2) Opitz a. a. O. p. 205. 8) Ronsard I. p. 18. 73 scheinen und Verschwinden des Tagesgestirus und des Mondes oder der Jahreszeiten versinnlicht. Dreymal 1 ) sind ietzund gleich sechs Jahre Weg verlohren oder: Seid 3 ) daB wir geschieden seyn, Sang er, hat des Mondes Schein Viermal ab und zugenommen. oder: Viermal 3 ) 1st der Friihling kommen, Viermal hat die Winterszeit etc. oder: Es 1st vorbey 4 ) gegangen Fast jetzt ein voiles Jahr, Dass Phyllis mich gefangen. Ronsard : L'an 5 ) mil cinq cens, contant quarante six, une dame cruelle Lia mon coeur oder: Bien que) six aiis soient ja coulez arriere Depuis oder: Trois ans 7 ) soiit ja passez que . . . Sehr beliebt 1st das Bild der stiirmisclien See zum Malen der aufgeregten Leidenschaften. Gleich wie 8 ) die griine See, im fall sie durch Gewalt DeB Nordens wird gezwengt, bald ihre triiben Wellen 1) Opitz BreBlau 1690 II. p. 153. 2) Opitz a. a. O. p. 184. 8) Opitz a. a. 0. p. 196. 4) Opitz a. a. 0. 189. 5) Ronsard, I. p. 71. 6) Ronsard p. 68. 7) Ronsard p. 290. 8) Opitz a. a. 0. p. 180. 74 BiC an die Wolcken tuhrt, bald an den Schlund der Hollen Das Hoffnung-blosse Schiff mit Sturm' und Prausen schlagt; So wird auch mein Gemiit' jetzt hin jetzt her bewegt. Oy 1 ) ton Ronsard, qui sanglote et lamente, Pale, agite des flots de la tourmente, Croizant en vain ses mains devers les cieux, En fraile nef, et sans voile et sans rame, Et loin du bord ou, pour astre, sa dame Le conduisoit du phare de ses yeux. Beide vergleichen die Eeize ihrer Schonen sehr weit- lauftig mit allerlei Kostbarkeiten. dafi 2 ) ihr mit euren Blicken Ein barter Hertz als Stein vermoget zu entziicken, Dafi aufi America die beste Specerey Mit eurem Athem weit nicht zu vergleichen sey; Dafi solche Hande nicht gemahlet werden kiindten, Dafi gegen ihnen Schnee zu gleichen sey der Tinten, Dafi jedes Zahnlein sey ein kostlicher Demant, An welches die Natur all' ihre Kunst gewandt, Und dafi die Lippen auch, so mehr als Rosen bluhen, Weit weit den edelsten Corallen vorzuziehen: Das Haar Ein jeglicher vor Gold und beste Perleii nimpt. Ce beau coral 3 ), ce marbre qui soupire, Et cest ebene ornement d'un sourci, Et cest albatre en voute racourci, Et ces saphyrs, ce jaspe et ce porphyre; Ces diamans, ces rubis, qu'un zephyre Tient anime'z d'un soupir adouci, Et ces ffiillets et ces roses aussi, Et ce fin or Ferner verfechten beide die Ansicht, dass gegen die Liebe, die ein ,,susses Gift" (douce poison), eine ,,Krankheit" (un mal) sei, kein Trank, keine Arzenei, kein Kraut helfe. 1) I. p. 34. 2) Opitz a. a. 0. p. 162. 3) Ronsard I. p. 14. 76 Ich 1 ) ward immer arger kranck: Thjrsis gab mir einen Tranck, Ob ich konte so genesen; Aber alle Krauterkunst War vergebens und umbsunst. Tu distilles 2 ) ma vie en si pauvre mechef, Qu'herbes, drogues, ny jus, ny puissance de pierres, Ne pourroient m'alleger .... Darum verwandeln sich die Augen des Liebenden in Quellen, die Thranen in Bache. Ihr 3 ) meiner Augen Bach, ihr angenehme Zehren, Die ihr in Traurigkeit mir alle Freude bringt, Last eure Briinnelein ja fliefien f'iir und fiir, BiB mein Lieb sieht, dafi ihr mehr quellen konnet nicht. Fils 4 ) de Venus, enfant ingenieux, Je te supply, pour alleger ma peiiie, Que tout mon corps ne soit qu'une fontaine Et que mon sang je verse par les yeux. Alles 5 ) ist schliesslich doch dem Wechsel unter worfen : Der helle Vesperstern gieng auff kaum vor sechs stunden, Jetzt hat sich Mitternacht in seinen Ort gefunden, Und in sechs Stunden kompt die klare Morgenroth, Hernach wird dann die Sonn' am weitesten erhoht. Wie lang' jetzt ist es wol, dafi in des Herbstes Tagen Schon' Apffel und viel Obst bei ihren Baumen lagen? Heint' hat die winterlufft ihr kaltes weisses Kleydt Mit Frost' und scharffen Reiff umbhiillet weit und breit. Hernach soil wiederumb mit schbnen tireliren Der Vogel Conipagnie durch Wald und Feld spatzieren, So bald der schone Lentz wird Blumen ohne Zahl Durch seinen "Westenwind aufiseen iiberall. 1) Opitz a. a. O. p. 185. 2) Ronsard I. p. 328. 3) Opitz, a. a. 0. p. 221. 4) Ronsard I. p. 263. 5) Opitz a. a. 0. p. 164, 76 Le jour 1 ) pousse la nuit, Et la nuit sombre Pousse le jour qui luit D'une obscure ombre. L'automne suit 1'este, Et 1'aspre rage Des vents n'a point este Apres 1'orage. AuchspruchwortlicheRedensarten nimmtOpitz auf, z.B. Dein Lieben 2 ) ist ein halbes hassen Hat wenig Glut, Rauch desto mehr. Et vostre 3 ) amitie' semble a celle de la Court, Ou peu de feu se trouve et beaucoup de fum6e. Auch grossere Stiicke eignet sich. Opitz aus Ronsard an: Darauff 4 ) dann stehen soil mit ihrer Hand geschrieben: Hie liegt der zugebracht sein Leben hat mit lieben, Mit lieben dieses Mensch, das allzeit ihn geplagt, Und ist noch endlich doch gestorben unbeklagt. Puisse 5 ) advenir qu'un poe'te amoureux, Ayant pitie de mon sort malheureux, Dans un cypres note cette epigramme: ,,Cy dessous gist un amant Vendomois, Que la douleur tua dedans ce bois, Pour aimer trop les beaux yeux de sa dame." In einem Sonnet lasst Ronsard seine Greliebte von den Gottern mit Vorziigen aller Art ausstatten: Lors Apollon 6 ) richement la decore, Or' de ses rais luy facounant les yeux, Or' luy donnant son chant melodieux, Or' son oracle et ses beaux vers encore. Mars luy donna sa fiere cruaute, 1) Eonsard, Odes: II. p. 219. 2) Opitz a. a. 0. II, 194 3) Ronsard I. p. 293. 4) Op. a. a. 0. p. 153. 5) Bd. I, p. 37. 6) Bd. I, p. 20. 77 Venus son ris, Diane sa beaute", Pithon sa voix, Ceres son abondance, L'Aube ses doigts et ses crins delies, Amours son arc, Thetis donna ses pies, Clion sa gloire, et Pallas sa prudence. DeB Jupiters 1 ) Gemahl und Schwester wolf ihr geben Viel Reichthumb, Gut und Geld, die Parcen langes Leben; Die zarten Charites verehrten Freundligkeit, Die Suada Witz und List, Minerva Kunst und Tugend, Die Venus machte sie den Spiegel aller Jugend, Natura gab mich ihr zum Sclaven iederzeit. Ronsard will sich in die Einsamkeit begraben: Seul 2 ) et pensif, aux rochers plus secrets, D'un coeur muet, je conte mes regrets Et par les bois je vay celant ma playe. .... Die Einsambkeit 3 ) der Wiisten, Ein melancholscher Berg, ein Thai, da Eulen nisten, Ein triiber Fluss, ein Ort da nichts als trauren ist, Difi hab ich einig mir zu lieben aufierkiest. Ferner ruffc Ronsard: Je veux 4 ) muer mes deux yeux en fontaine, Mon coeur en feu, ma teste en un rocher, Mes pies en tronc, pour jamais je n'approcher De sa beaute si fierement humaine. .... Soil ich 5 ) auB Hafi der Pein Mein Hertz in heisse Glut, mein Haupt in harten Stein, Die Seuftzer in den Wind, die Augen voller Zehren In einen Flufi, die FiiB in einen Stock verkehren, Und nicht mehr zu ihr gehn? Ferner: He! Scylle! 6 ) Scylle! las! ceste dolente rive, Voire son flot piteux, qui grommelant arrive Des salees campagnes, Me plaint et me lamente, et ces rochers, oyans Mon dueil continuel, de moy sont larmoyans Seule tu me desdaignes. 1) Opitz a. a. 0. p. 153. 2) Bd. I. p. 90. 3) Opitz a. a. 0. p. 179. 4) Bd. I. p. 11. 5) Opitz p. 182. 6) Bd. II. p. 221. 78 Stein, 1 ) Walder, Wiesen, Feld und Thai Hor' ich beklagen ineinen Fall; Sie fiihlen ineine Pein, Die Schafe wollen gar nichts weiden. Du, Delia, allein Wirst nicht beweget durch mein Leiden. Dann noch einige kiirzere Anklange: Verray je point que ces astres jumeaux En ma faveur, encore par les eaux Monstrent leur flame a ma carene lasse? Ihrer Augen Glut das sternenlichte Fewer Kompt wie der schone Nord den Schiffern mir zu steuer. Que le ciel pour son avantage Trop soudain a voulu ravoir Et jaloux Berufft Gott euch zu sich und gonnt der Welt euch nicht. Ce que Tethys serre en son onde. Was Tethys weit und breit mit ihrem Annen halt. Die Zahl der angefiihrten mehr oder weniger tiber- emstimmeiiden Stellen, die nocli ins Unendliclie vermehrt werden konnten, diirfte die Abhangigkeit Opitzens von Ronsard schon zu erweisen imstande sein; zur vollen Evidenz und zur unleugbaren Thatsache muss diese Meinung werden, wenn wir sehen, dass Opitz nach der oben an- gedeuteten Manier der neulateinischen Dichter ein Gedicht, das man fast ein Cento nennen konnte, zum grossten Teil aus ronsardiscken Bildern und Gedanken zusammengesetzt hat. Jedenfalls hat Opitz die Gewohnheit gehabt, sich, bevor er an die Arbeit ging, durch Lektiire der Gedichte seines Vorbildes in Stimmung zu bringen und seine Phantasie zu beflugeln; sein enormes, von Colerus ge- riihmtes Gedachtnis machte ihn fahig, einen grosseii Teil des Gelesenen zu gelegentlichem Gebrauch aufzubewahren. Opitz schildert in dem Gedicht n An Niifllern" das Gliick 1) Opitz BreClau 1690 II, 201 : Ode XIII. 79 seines soeben verehelichten Freundes, indem er sich zu- gleich wegen seiner erfolglosen Liebeswerbung bei einer Flavia beklagt: Die wilde Flavia, mit ihren schwartzen Augen, So mir das Hertze selbst sampt Marck und Bein aussaugen. Je 1 ) meurs pour la rigueur d'une fiere beaute Qui me succe le sang comme un tigre sauvage oder: mais 2 ) hors de chaque veine Succez-moy toute Tame. ach! ach! dass kein Vergiessen Der Thranen und kein Wort, kein Seufftzen nicht erschieBen. Maistresse, 3 ) croyez-moy, je ne fay que pleurer, Lamenter, souspirer et me desesperer; Je desire la mort, et rien ne me console. Wie koinpt es, dass sie nur sich mir so frembde stellt, Da der und jener doch fiir nicht ertichtet halt, Sie liebe sonst zu viel! Arrivant 4 ) un mortel de plus fresche jeunesse, Tu me laissas tout seul pour luy faire caresse. oder: Mourant dessous vos yeux, lors, pour me despiter Vous fuyez de mon col pour baiser un jeune homme. Die Biicher stincken mir . . . Puis, 5 ) du livre enny, je regardois les fleurs. ich fieng schon an zu melden AuB Fiirstlichem Befehl, deB unverzagten Helden Von Promnitz hohes Lob; das schlafft nun gantz und gar. Nagueres 6 ) chanter je voulois Comme Francus au bord gaulois Avec sa troupe vint descendre; Mais mon luth pince de mon doy Ne vouloit en despit de moy Que chanter amour .... 1) Ronsard, Sonnets: I p. 365. 2) p. 196. 8) p. 319. 4) p. 289. 5) p. 362. 6) Odes: II, p. 273. 80 .... mir graut vor alien Dingen Die sonst die Jugend liebt: der Tantz. das Spiel, der Wein Der Freunde Gegenwart, die sonst pflegt lieb zu seyn, 1st lauter Gall' und Gifft. Die Einsambkeit der "Wusten, Ein melanchol'scher Berg, ein Thai, da Eulen nisten, Ein triiber FluB, ein Ort da nichts als trauren ist, Difi hab ich einig mir zu lieben aufierkiest. Hier ist mein Auffenthalt; hier irr' ich hin und wieder, Und rede mit mir selbst: dann: setz' ich bald mich nieder, Bald steh' ich wieder auff; und wann ich miide bin Vom Klagen und vom Gehn, so streck ich mich dann hin Bey einem dicken Baum Depuis 1 ) que je suis amoureux, Nul past, tant soit-il savoureux, Ne vin, tant soit-il delectable, Au coeur ne m'est point agreable: Car depuis 1'heure je ne sceu Rien boire on manger qui m'ait pleu; Une tristesse en Tame close Me nourrit, et non autre chose. Tous les plaisirs que j'estimois Alors que libre je n'aimois, Maintenant je les desestime: Plus ne m'est plaisante 1'escrime, La paume, la chasse et le bal, Mais comme un farouche animal Je me pers dans un bois sauvage, Loing des gens, pour celer ma rage. Ferner: Les villes 2 ) et les bourgs me sont si odieux Que je meurs si je voy quelque tracette humaine. Seulet dedans les bois pensif je me promeine, Et rien ne m'est plaisant que les sauvages lieux. II n'y a dans ces bois sangliers si furieux, Ny roc si endurcy, ny ruisseau, ny fontaine, Ny arbre, tant soit sourd, qui ne S9ache ma peine Et qui ne soit marry 1) I, p. 131. 8) p. 170. 81 Tantost 1 ) j'errois seulet par les forests sauvages, Sur les bords enjonchez des peinturez rivages, Tantost par les rochers reculez et deserts, Tantost par les taillis, verte maison des cerfs. Ich forcht' und hoffe hoch, ich bitt' und schweig' auch stille Ich bin wie kaltes EiC, und fiihle Glut die fiille. D'une 2 ) extreme froideur tout mon corps se compose oder : Ore 3 ) froid comme neige, ore chaud comme braise oder: Quoy! en glace et en feu voirras-tu consommer Toujours mon pauvre coeur sans luy etre piteuse. Ich Ids' und binde inich, ich wiindsche frey zu seyn, Und wann ich dann frey bin, so geh' ich wieder ein. Een-moy 4 ) Mon coeur, que tu m'as emmene Mais non, j'aime trop mieux qu'il meure Dedans la prison de tes mains. Ferner: Tant 5 ) de fois se monstrer, tant de fois se cacher, Tantost se mettre au joug, tantost le secouer, sont signes que 1'Amour de pres nous vient toucher, oder: J'avois 6 ) cent fois jure de ne les voir jamais, Mais parjurant autant qu'autant je le promets: Car soudain je retourne a r'engluer mon aile. Wie einer dem der Trunck den Kopff gantz eingenommen Et comme yvre 7 ) d'amour tout le corps me chancelle. 1) I, p. 362. 2) p. 419. 3) p. 319. 4) p. 170. 5) p. 293. G) p. 327. 7) p. 282. 82 Die Leute sehn mir nach Chacun 1 ) qui void ma couleur .... Jetzt eile wie der Wind, jetzt wieder stille stehe Je cours 2 ), je vais, je viens .... Der Leib geht nur allhier . . . .... un doux 3 ) regard qui, me navrant le coeur, Desrobe loin de moy mon ame prisonniere. man sol mich viermal fragen, Ich werde kaum ein Wort, und doch nicht recht noch, sagen, Im waclien traumet mir: tobt das Gewissen sehr, Bey welchen es sich regt, die Liebe plagt mich mehr. Ma langue 4 ) s'engourdit, un petit feu me court Fretillant sous la peau; je suis rnuet et sourd, Et une obscure nuit dessus mes yeux demeure. Ich kan nicht seyii ohn sie, und wann ich zu ihr komme, Mit reden wol gefafit, so stock' ich und verstumme, Die Zunge steht gehemmt, das Hertze ganz verzagt, Bebt wie der Espen Laub Voyez 5 ), parlant a vous, comme le coeur me faut . . . oder: Si bien 6 ) ta cruaute me reserre la voix Que je n'ose parler, tant tes yeux me font craindre oder: Bien mille fois et mille j'ay tente De fredonner Mais tout soudain je suis epouvante Je suis semblable a la pretresse folle Qui begue, perd la voix et la parolle Desous le Dieu, qu'elle fuit pour ne'ant. oder: Je veux 7 ) souvent, pour rompre ton esmoy, Te saluer; mais ma voix offensee De trop de peur se retient amasse"e Dedans la bouche, et me laisse tout coy. 1) 1, p. 199. 2) p. 171. 3) p. 299. 4) p. 210. 5) p. 299. 6) p. 282. 7) p. 120. 83 so leb' ich meiner Sinnen Beraubt und meiner selbst, und werde fast nicht innen, Was in der Welt geschieht? Ha! je vous *) aime tant que je suis fol pour vous! J'ai perdu ma raison in dem der strenge Streit, Mit welchem Deutschland sich nun plagt so lange Zeit, Mit solcher Tyranney und Blutvergiessen wahret, So schreib' ich wie die Pein der Liebe mich verzehret, Wie Venus init mir haust. Au milieu 2 ) de la guerre, en un siecle sans foy, Entre rnille procez, est-ce pas grand'folie D'escrire de 1'amour? De manotes on lie Des fols qui ne sont pas si furieux que moy. diB treib ich wann die Nacht Der Sternen Heer auffuhrt, und wann die Sonn erwacht. En ma douleur, 3 ) las ! chetif, je me plais, Soit quand la nuict les feux du ciel augmente, Ou quand 1'Aurore en-jonche d'amaranthe Le jour mesle d'un long fleurage espais. In dem deiu Alter noch wie eine Rose bliiht Mais servage 4 ) si doux que la fleur de mon age. soil ich auB Hafi der Pein Mein Hertz in heisse Glut, mein Haupt in harten stein, Die Seufftzer in den Wind, die Augen voller Zehren In einen FluB, die FuB in einen Stock verkehren, Und nicht mehr zu ihr gehn? Que ne voy-je, 5 ) pour languir mieux, Et pour vivre en plus longue peine, Mon coeur en souspirs et mes yeux Se changer en une fontaine, Mon corps en voix se transformer . . . oder: Et 6 ) je ne suis plus rien (6 estrange meschef!) Qu' un terme qni ne peut voir, n'ouir, comprendre 1) I, p. 177. 2) p. 331. 3) p. 89. 4) p. 179. 5) p. 430. 6) p. 201. 6* 84 oder: Qu'ainsi 1 ) que toy je veux changer ma vie En source d'eau oder: que 2 ) je n'ay veu muer Mon coeur en vent et mes yeux en riviere oder: Je voudrais etre un rocher. ich will mein Gliicke tragen, So lang' ich kan und mag . . . Si suis-je 3 ) heureux . . . d'endurer le mal dont je me deulx. an statt der Musen Gunst 1st ihrer Augen Glut, das sternen-lichte Feuer Konipt wie der schone Nord den Schiffern mir zu steuer. Vueilles 4 ) du ciel en ma faveur reluire : H appartient aux astres, mon Astree, Luire, sauver, fortuner et conduire. Auff, Flavia, auff, auff erwecke meinen Geist C'est 5 ) mon soleil, vous estes mes estoiles; C'est luy (roi Charles) qui rompt les tenebreuses voiles De mon esprit oder: Par ce doux mal j'adoroy la beaut^ Qui Me desnoua des liens d'ignorance. laB bose Mauler sagen Was ihnen auch geliebt; zwar mir soil diB behagen Kein Mensch auff dieser Welt, man spricht gleich was man spricht, AuB meinem Hertzen thun, der Todt auch selber nicht. Ny voir 6 ) escrite en ma face la mort, Ny les erreurs d'une longue complainte, Ne briseront mon coeur de diamant Que sa beaute" n'y soit tousjours emprainte. 1) I, p. 263. 2) p. 118. 3) p. 99. 4) p. 266. 5) p. 374. 6) p. 98. 85 Diese teilweisen Entlehnungen fuhren uns auf andere, die man Paraphrasen oder vielmehr Ubersetzungen nennen kann. Strehlke schon zeigt eine nach Eonsard gearbeitete Ode an: r lch empfinde fast ein Grawen etc."; Tittmann in seiner Vorrede zur Auswahl deutscher Gedichte gibt auch einige an. Ebenso Weinhold in einer Note zu seinem Vortrag tiber Martin Opitz; doch sind alle noch weit ent- fernt, den wahren Umfang der Entlehnungen zu ahnen. Schon das Lied n Vom Abwesen der Geliebten" ist, was den Gedankengehalt betrifft, ganz aus den Sonnetten Eon- sards zusammengeschweisst, die denselben Gegenstand behandeln, nur drfickt er sich etwas umstandlicher und schwerfalliger aus. Direkt entlehnt oder paraphrasiert sind folgende Gedichte: (Ausg. 1690 II, p. 219.) Wann ich mit frieden kan in deinen Armen liegen, So hab' ich schon genung: niehr ehre wuntsch ich nicht Auff dieser weiten Welt, alC dir, mein Trost und Liecht, In deiner weissen SchoB zu ruhen nach genugen. Difi ist mein bester Zweck; es mag ein andrer kriegen, Dem Mars im Hertzen steckt, das auC ihm selber bricht, Nach Helm' und Waffen greifft den kiihnen Feind bespricht. Und wanckt nicht umb ein Haar, will sterben oder siegen. So wilde bin ich nicht: Clorinde, wann du dich Umb meine Schultem whist das ist eiii Krieg fur mich: Hiervon soil meinen Sinn kein Ruhni und Gut bewegen. Das Gliicke deiner Gunst hat bey mir grossern schein (Eonsard I, p. 46.) Si je trespasse entre tes bras, Madame, II me suffit : car je ne veux avoir Plus grand honneur si non que de me voir, En tebaisant dans ton sein rendre 1'ame. Celuy que Mars horriblement ren- flame, Aille a la guerre, et, d'ans et de pouvoir Tout furieux, s'esbate a recevoir En sa poitrine une espagnole lame. Mais inoy, plus froid, je ne requiers sinon, Apres cent ans, sans gloire et sans renom Mourir oisif en ton giron, Cassandre: Car je me trompe, ou c'est plus de bon-heur D'ainsi mourir, que d'avoir tout 1'honneur, Pour vivre peu, d'un monarqne Alexandra. 86 Als etwan Casar selbst und Alexander seyn, Und diese gantze Welt zu Fiissen konnen legen. (Trostschrifft an D. Mtillern: 1690 II, p. 299.) Ich bin nur Haut und Bein, bin durch defi Todes Klauen Geadert, abgefleuscht, verdorrt und anBgewacht ; Die Sieche Lagerstadt hat gantz mich hingebracht; Ich furchte meine Hand' und Armen anzuschauen. Apollo, und sein Sohn, ich habe das vertrauen Umbsonst gehabt auff euch und eure Krauter Macht: Die Fenster brechen mir O Sonne, gute Nacht: Mein Leib der taug nicht mehr zu flicken und zu bauen. Kan jemand welcher mir mit seiner treuen Hand Die toden Augen wischt niich sehen unverwand, (Ode: II, p. 442.) Ah! fievreuse maladie, Comment es-tu si hardie D'assaillir mon pauvre corps, Qu' Amour dedans et dehors De nuit et de jour enflame Jusques au profond de 1'ame, Et sans pitie prend a jeu De le mettre tout en feu? Ne crains-tu point, vieille blesine, Qu'il ne te brule toy-mesme? Mais que cherches-tu chez-moy? Sonde-moy par tout, et voy Que je ne suis plus au nombre Des vivant, mais bien un ombre De ceux qu' Amour et la Mort Ont conduit dela le port, Compagnon des troupes vaines. Je n'ay plus ny sang, ny veines, Ny flanc, ny poumons, ny coeur; Long-temps a que la rigueur De ma trop fiere Cassandre Me les a tournez en cendre. Done, si tu veux m' offenser, II te faut aller blesser Le tendre corps de m'amie, Car en elle gist ma vie, Et non en moy, qui mort suis, Et qui sans ame ne puis Sentir chose qu'on me face, Non plus qu' une froide masse De rocher ou de metal, Qui ne sent ne bien ne mal. 87 Behertzt zu Ha use gehn, und unbe- sorgter Sachen Gedencken an den Leib der jetzt ver- wesen soil: Ihr Freunde, grufi' euch Gott, gehabt euch alle wol: Ich reise zuvoran, euch oben Raum zu machen. (An difi Buch: 1690 II, p. 214.) So wiltu dennoch ietzt auB meinen Handen scheiden Du kleines Buch und auch mit andern seyn veracht? GewiB du weissest nicht, wie honisch man ietzt lacht, Wie schwerlich sey der Welt Spitz- findigkeit zu meiden. Es muB ein ieglich DiugderMenschen Urtheil leiden, Und, ob es taglich sey, steht nicht in seiner Macht; Der meiste Theil ist doch auffschmahen nur bedacht, Und denckt, was er nicht kan, dasselbe muB' er neiden. Noch dennoch (daB du nicht so offt' und viel von mir Auffs neue dulden diirffst, daB ich dir nehme fiir) Mufi ich dir loB zu sein und aufizu- gehn erleuben. So ziehe nun nur bin, weils ja dir so gefallt, Und nim dein Urtheil an, zieh' nun hin in die Welt; Du hattest aber wol zu Hause konnen bleiben. 1690 II, 216: Uber den Queckbrunnen zum Buntzlau in Schlesien. Du unerschopffte Lust, du Wohn- hauB aller Freuden (Ed. I p. XXX.) Va, livre, va, desboucle la carriere, Lasche la bride et asseure ta peur; En cependant que le chemin est seur D'un pied venteux empoudre la carriere. Vole bien tost; j'entends dej'a" derriere De mes suivans 1'envieuse roideur, Opiniastre a devancer 1'ardeur Qui m' esperonne en ma course premiere, Mais non, demeure et n'avance en ton rang, Bien que je sois eschauffe d'un beau sang, Fort de genoux, d'haleine encore bonne. Livre, cessons d'acquerir plus de bien, Sans nous fascher si la belle couronne De laurier serre autre front que le mien. Odes: II, p. 148. A la Fontaine Bellerie. fontaine Bellerie! Belle deesse cherie De nos nymphes, quand ton eati Du Bad der Najaden, du kostliche Fonteyn, So lieblicli als von dir entspringe Milch und Wein, Bey dessen griiner Lust die Schafe sicher weiden, Lafi mich, den Uberflufi der Eitel- keit zu nieiden, Bey deinem Quell' allhier von Sorgen ledig seyn, DaB dich ja nimmermehr der Sonnen heisser Schein, Noch deine klare Bach was trubes thu beleiden. Bey dir wiintsch ich zu seyn, bey dir mein Vaterland, Hieher nun hab' ich gantz den Muth und Sinn gewandt, Mir ist die gantze Welt bey deinen schonen Flussen; Drumb sol ich auch hinfort erheben meine Hand: So weit der grosse Rein und Donau sich ergiessen, Wirst du, du edler Quail, in gleichen seyn bekandt. 1690 II, 217. An die Bienen. Ihr Honigvogelein, die ihr von den Violen Und Rosen abgemeyt den wunder- siissen Safft, Die ihr dem griinen Klee entzogen seine Krafft, Die ihr das schone Feld so offt und viel bestohlen, Les cache au fond de ta source, Fuyantes le satyreau Qui les pourchasse a la course Jusqu'au bord de ton ruisseau, Tu es la nymphe eternelle De ma terre paternelle. Pource, en ce pre verdelet, Voy ton poe'te qui t'orne D'un petit chevreau de lait, A qui 1'une et 1'autre corne Sortent du front nouvelet. Toujours 1'este je repose Pres ton onde, ou je compose, Cache sous les saules vers, Je ue sc"ay quoy qui ta gloire Envoira par 1'univers, Commandant a la memoire Que tu vives par mes vers. L'ardeur de la canicule Jamais tes rives ne brule, Tellement qu'en toutes pars Ton ombre et espaisse et drue Aux pasteurs venans des pares, Aux boeufs las de la charrue Et au bestial espars. 16, tu seras sans cesse Des fontaines la princesse, Moy celebrant le conduit Du rocher perce qui darde Avec un enroue bruit L'eau de ta source jazarde Qui trepillant* se suit. (Odes: II, p. 419.) Aux mouches a miel. Ou allez-vous, filles du ciel, Grand miracle de la nature? Oii allez-vous, mouches a miel, Chercher aux champs vostre pasture? Si vous voulez cueillir les fleurs D'odeur diverse et de couleurs, Ne volez plus a Favauture. 89 Ihr Feldeiuwohnerinnen, was wollet ihr doch holen, Dafi so euch noch zur Zeit hat wenig Nutz geschafft, Weil ihr mitDienstbarkeitdesMenschen seyd behafft, Von ihuen mehrentheils das Honig miisset hohlen? Kompt, kompt zu meinem Lieb' auff ihren Rosenmund, Der rnir mein krankes Herz hat innig- lich verwund, Da solt ihr Himmelspeis' auch iiber- fliissig brechen: Wann aber iemand sie wil setzen in Gefahr, Und ihr ein Leid anthun, dem solt du starke Schaar Flir Honig Galle seyn, und ihn zu Tode stechen. 1690 H, 228. Ihr kalten Wasserbach', ihr Holen und ihr Steine, Ihr griinen Eichenbaum', ihr schonsten in dem Wald, Ach horet, horet doch, wie seufftz' ich mannigfalt; Schreibt auff mein Testament ihr un- bewohnten Haine; Seyd Secretarien, wie hefftiglich ich weine, Grabt's in die Rinden ein, auff das es der Gestalt Wachs' immer fort wie ihr: ich aber sterbe bald, Beraubet meiner selbst, und ahnlich einem Scheine. Ich sterb' aus Tyranney der schonen Grausamkeit, Der Liebe die ohn sich und mich ist jederzeit, Autour de Cassandre talenee De mes baisers tant bien donnez Vous trouverez la rose nee, Et les oeillets environnez Des florettes ensanglantees D'Hyacinthe et d'Ajax, plantees Pres des lys sur sa bouche nez. Les marjolaines y fleurissent, L'amone y est continuel. Et les lauriers, qui ne perissent Pour 1'hyver, tant soit-il cruel; L'anis, le chevrefueil, qui porte La manne qui vous reconforte, Y verdoye perpetuel. Mais, je vous pri', gardez-vous bien, Gardez-vous qu' ou ne 1'eguillone : Vous apprendrez bien tost combien Sa pointure est trop plus felonne, Et de ses fleurs ne vous soulez Sans m'en garder, si ne voulez Que mon ame ne m' abandonne. (Bd. I, p. 364.) Vous ruisseaux, vous rochers, vous antres solitaires, Vous chesnes, heritiers du silence des bois, Entendez les souspirs de ma derniere vois, Et de mon testament soyez presents notaires. Soyez de mon mal-heur fideles secretaires, Gravez-le en vostre escorce, a fin que tous les mois H croisse comme vous; cependant je m'en- vois La bas prive de sens, de veines et d'arteres. Je meurs pour la rigueur d'une fiere beaute Qui vit sans foy, sans loy, amour ne loyaute, 90 Die als ein Tigerthier mein Blut hat saugeu konnen. Ihr Walder, gute Nacht, und du, du ! griine Lust, Ihr, denen Venus Sohn uud sie nicht ist bewufit, Die auch die Weisesten berauben ihrer Sinnen. 1690 n, 228. Au weh! ich bin in tausend tausend Schmertzen Und tausend noch! die Seufftzer sind umbsonst Herauff geholt; kein Anschlag, List noch Kunst Verfengt bey jhr, wie wann im kiihlen Mertzen Der Schnee zugeht durch Krafft der Himmelkertzen, Und netzt das Feld; so seuffzet meine Brunst Der Zehren Bach, die noch die minste Gunst Nicht auCgebracht, mein' Augen sind dem Hertzen Ein schadlichs Gifft: das Dencken an mein Liecht Macht dafi ich irr', und weifi mich selber nicht, Macht dass ich bin gleich einem blossen Scheme, DaC kein Gelenk und GliedmaC weder Kraift Noch Starke hat, die andern keinen Safft Noch Blut nicht mehr, kein Marck nicht die Gebeine. 1690 n, 229. Ich mufi bekennen nur, wol tausend wiindschen mir, Und tausend noch darzu, ich mochte die doch meiden, Qui me succe la sang comme un tigre sauvage. Adieu, forests, adieu! Adieu le verd sejour De vos arbres, heureux pour ne cognoistre Amour Ny sa mere, qui tourne en fureur le plus sage. (Bd. I, p. 21.) Las! je me plains de mile et mile et mile Soupirs, qu'en vain des flancs je vay tirant, Heureusement mon plaisir martyrant Au fond d'une eau qui de mes pleurs distile. Plus je me plains d'un portrait inutile, Ombre du vray que je suis adorant, Et de ces yeux qui me vont devorant, Le coeur brusle d'une flamme gentile. Mais, par sus tout, je me plains d'un penser Qui trop souvent dans mon coeur fait passer Le souvenir d'une beaute cruelle; Et d'un regret qui me pallist si blanc Que je n'ay plus en mes veines de sang, Auxnerfsde force, en mes os de mouelle. (Bd. I, p. 30.) Mille, vrayment, et mille voudroient fort bien, Et mille encor, ma guerriere Cas- sandre. 91 Die mein Ergetzung 1st, mein Trost, mein Weh' und Leiden. Doch macht mein starckes Hertz, und und ihre grosse Zier, An welcher ich sie selbst dir, Venus, setze fur, Dafi ich, so lang' ein Hirscli wird lieben Ptisch und heiden, So lange sich dein Sohn mit Thranen wird beweiden, "Will ohne wancken stehn, und halten iiber ihr. Kein Menschlichs Weib hat nicht solch gehn, solch stehn, solch lachen, Solch Reden, solche Tracht, solch Schlaf- fen und solch Wachen; Kein Waldt, kein heller Flufi, kein hoher Berg, kein Grund Beherbricht eine Nymph', an welcher solche Gaben Zu schauen mogen seyn; die solches Haar kan haben, Solch Augen als ein Stern, so einen roten Mund. 1690 II, 229. Ihr, Himmel, Lufft und Wind, ihr Hugel voll von Schatten Ihr Hainen, ihr Gepusch', und du, du edler Wein, Ihr frischen Brunnen ihr so reich an Wasser seyn, Ihr Wusten die ihr stets miifit an der Sonnen braten, Ihr durch den weissen Thau bereiff- ten schoneii Saaten, Ihr Holen voller Mofi', ihr auffgeritz- ten Stein, Ihr Felder, welche ziert der zarten Blumen Schein, Ihr Felsen wo die Reim' am besten mir gerathen, Qu'en te laissant je me voulusse rendre Franc de ton ret pour vivre en leur lien. Las! mais mon coeur, aincois, qui n'est plus mien, Comme un vrai serf ne scauroit plus entendre A qui 1'appelle, et mieux voudroit at- tendre Dix mille morts, qu'il fust autre que tien. Tant que la rose en 1'espine naistra, Tant que sons 1'eau la baleine paistra, Tant que les cerfs aimeront les ra- mees, Et tant qu' Amour se nourrira de pleurs, Toujours au coeur ton nom et tes valeurs Et tes beautez me seront imprimees. (Bd. I, p. 39.) Ciel, air et vents, plaine et monts descouvers, Tertres fourchus et forests verdoyantes, Rivages tors et sources ondoyantes, Taillis rasez, et vous, bocages vers; Antres moussus a demy front ouvers, Prez, boutons, fleurs et herbes rouso- yantes, Couteaux vineux et plages blondoyantes, Gastine, Loir, et vous, mes tristes vers, Puis qu'au partir, ronge de soin et d'ire, A ce bel oeil 1'adieu je n'ay sceu dire, Qui pres et loin me detient en esmoy, 92 Weil ich ja Flavien, dafi ich nocli nie thun konnen, Mufi geben gute Nacht, und gleichwohl Muth und Sinnen Sie forchten allezeit, und weichen hinter sich, So bitt' ich Himmel, Lufft, Wind, Hiigel, Hainen, Walder Wein, Brunnen, Wiisteney, Saat, Hole Steine, Felder Und Felsen sagt es ihr, sagt, sagt es ihr vor mich. 1690 II, 230. Ich will difi halbe mich, was wir den Corper nennen, Difi mein geringstes Theil, verzehren durch die Glut, Wil wie Alcmenen Sohn mit unver- wandtem Muth' Hier diese meine Last, den schonen Leib, verbrennen, Den Himmel auff zugehn : mein Geist beginnt zu rennen AufF etwas bessers zu, difi Fleisch, die Hand voll Blut, Mufi aufigetauschet seyn vor ein viel besser Gut, Dafi sterbliche VernunfFt und Fleisch und Blut nicht kennen. Mein Liecht entziinde mich mit deiner Augen Brunst, AufF dafi ich dieser Haut, defi finstern Leibes Dunst, Defi Kerckers voller Wust und Grau- ens, werd entnommen, Und ledig, frey und lofi der Schwach- heit abgethan, Weit liber alle LufFt und Himmel fliegen kan Die Schonheit an zusehn von der die deine kommen. Je vous soupply, ciel, air, vents, monts et plaines, Taillis, forests, rivages et fontaines, Antres, prez, fleurs, dites-le luy pour moy. (Bd. I, p. 96.) Je veux brusler, pour m'en voler aux Cieux, Tout 1'imparfait de ceste escorce humaine, M'eternisant comme le fils d'Alcmeine, Qui tout en feu s'assit entre les Dieux. Ja mon esprit, chatouille de son mieux, Dedans ma chair rebelle se promeine, Et ja le bois de sa victime ameine Pour s'enflammer aux rayons de tes yeux. saint brasier! 6 feu chastement beau! Las ! brule moi d'un si chaste flambeau! Qu' abandonnant ma depouille connue, Net, Hbre et nud, je vole d'un plein saut Jusques au Ciel, pour adorer la haut L'autre beaute dont la tienne est venue! 93 1690 n, 230. In mitten Weh und Angst, in solchen schweren ziigen, Dergleichen nie gehort, in einer solchen Zeit, Da Treu und Glauben stirbt, da Zwie- tracht, Grimm und Neid Voll blutiger Begier gehaufft zu Felde liegen, Da unverfanglich ist Gericht und Recht zu biegen, Da Laster Tugend sind, wie bin ich doch so weit In Thorheit eingesenckt? der Liebsten Freundligkeit Ihr bliiendes Gesicht, ihr angenehmes Kriegen, Ihr Wesen, Thun und Art, das ist es was ich mir Blofi eingebildet hab', und riihme fur und fur DiB Leid, diC Jammer sehn, und dennoch nichts als lieben? Die kliiger sind als ich schleust man in Clausen ein. Ihr Mussen last mich gehn es muC doch endlich seyn Was anders oder ja gar nichts nicht mehr geschrieben. 1690 n, 230. Ich gleiche nicht mit dir des weissen Mondens Liecht: Der Monde fallt und steigt ; du bleibst in einem Scheine, Ja nicht die Sonne selbst : die Sonn' ist gantz gemeine, Gemein' auch ist ihr Glantz; du bist gemeine nicht. Du zwingst durch Zucht den Neid, wie sehr er auff dich sticht. Ich mach kein Heuchler seyn, der bey mir selbst verneine (Ed. I, p. 331.) Au milieu de la guerre, en un siecle sans foy, Entre mille procez, est-ce par grand' folie D'escrire de 1'amour? De manotes on He Des fols qui ne sont pas si furieux que moy. Grison et maladif r'entrer dessous la loy D' amour, 6 quelle erreur! Dieux, merci je vous crie; Tu ne m'est plus Amour, tu m'es une furie, Qui me rends fol, enfant, et sans yeux coinme toy. Voir perdre mon pays, proye des adversaires , Voir en nos estendards les fleurs de liz contraires, Voir une Thebaide, etfaire 1'amoureux! Je m'en vais au palais; adieu, vieilles sorcieres. Muses, je prends mon sac: je seray plus heureux En gaignant mes procez qu'en suivant vos rivieres. (Bd. I, p. 325.) Je ne veux comparer tes beautez a la lune: La lune est inconstante, et ton vouloir n'est qu'un; Encor nioins au soleil: le soleil est commun, Commune est sa lumiere, et tu n'es pas commune. Tu forces par vertu 1'envie et la rancune ; Je ne suis, te louant, un flateur importun; 94 Das was ich ietzt gesagt: es gleichet sich dir keine, Du bist dir ahnlich selbst; ein ander Bild gebricht Das dir dich zeigen kann; du bist dein eigen Glucke, Dein eigenes Gestirn, der Schonheit Meisterstiicke, Du hattest sollen seyn wie noch die Tugend war Geehret als ein Gott, in der Welt ersten Jngend, So ware wol gewifi gewesen deine Tugend Du Kirch und Opfferung, der Weyrauch und Altar. 1690 II, 231. Du giildne Freyheit du, mein wiind- schen und begehren, Wiewol doch ware mir, im fall ich iederzeit Mein selber mochte seyn, und ware gantz befreyt Der Liebe die noch nie sich wollen von mir kehren, Wiewol ich offte mich bedacht bin zn erwehren. Doch, lieb" ich gleichwol nicht, so bin ich wie ein Scheit, Ein Stock, und raues Bley die freye Dienstbarkeit, Die sichere Gefahr das trostliche Beschweren, Ermuntert meinen Geist, daft er sich hoher schwingt Als wo der Pofel kreucht, und durch die Wolcken dringt, Gefliigelt mit Vernunfft und muthigeu Gedanken. Drumb geh' es wie es wil, und mufi ich gleich darvon, Tu sembles a toy-mesme, et n'as pour- trait aucun; Tu es toute ton Dieu, ton astre et ta fortune. Ceux qui font de leur dame a toy comparaison Sont ou presomptueux, ou perclus de raison ; D'esprit et de S9avoir de bien loin ta les passes. Ou bien quelque demon de ton corps s'est vestu, Ou bien tu es pourtrait de la mesrae vertu, Ou bien tu es Pallas, ou bien 1'une des Graces. (Ed. I, p. 354.) Ah! belle liberte, qui me servois d'escorte, Quand le pied me portoit ou libre je voulois ! Ah! que je te regrette! Helas! combien de fois Ay-je roinpu le Jong que malgre'-moy je porte! Puis je 1'ay rattache 1 , estant nay de la sorte Que sans aimer je suis du plomb et du bois. Quand je suis amoureux, j'ay 1'esprit et la vois, L'invention meilleure et la Muse plus forte. II me faut done aimer pour avoir bon esprit, Ann de concevoir des enfans par escrit, Pour allonger mon nom aux depens de ma peine. Quel sujet plus fertil S9auray-je mieux choisir. 95 So iiberschreit' ich doch defi Lebens enge Schranken: Der Name der mir folgt ist meiner Sorgeii Lohn. 1690 H, 531. Ein ieder spricht zu mir, dein Lieb ist nicht dergleichen Wie du sie zwar beschreibst: ich weifi es warlich nicht, Ich bin fast nicht mehr klug; der scharffen Sinnen Liecht Vermag gar kanm was weifi und Schwartz ist zu erreichen. Der so im lieben noch was weifi heraufi zustreichen, Durch Urtheil und Verstand, und kennt auch was gebricht, Der liebet noch nicht recht. Wo war ist was man spricht, So hat der welcher liebt der Sinnen gar kein Zeichen, Und ist ein lauter Kind. Wer Schon- heit wehlen kan, Und redet recht darvon der ist ein weiser Mann. Ich weifi nicht wie ich doch die Fan- tasie gelose, Und was die susse Sucht noch endlich aufi mir macht: Mein wissen ist dahin, der Tag der ist mir Nacht, Und eine Distelbliit' ist eine schone Hose. 1690 II, 232. Ich machte diese Verfi in meiner Pie- rionen Begriinten "Wusteney, wie Deutschland empsig war Sein Morder selbst zu seyn, da Herd und auch Altar In Asche ward gelegt durch trauriges beginnen Que le sujet qui fut d'Homere le plaisir Cette toute divine et vertueuse Helene? (Ed. I, p. 381.) Chacun me dit: Bonsard, ta maitresse n'est telle Comme tu la descris. Certes je n'en s$ay rien: Je suis devenu fol, mon esprit n'est plus mien, Je ne puis discerner la laide de la belle. Ceux qui ont en amour et prudence et cervelle, Et jugent des beautes, ne peuvent aimer bien: Le vray amant est fol et ne peut estre sien, S'il est vray que 1'amour une fureur s'apelle. Sonhaiter la beaute que chacun veut avoir, Ce n'est humeur de sot, mais d'homme de S9avoii, Qui, prudent et ruse 1 , cherche la belle chose. Je ne spaurois juger, tant la fureur me suit; Je suis aveugle et fol, un jour m'est une nuit, Et la fleur d'un chardon m'est une belle rose. (Ed. I, p. 386.) Je faisois ces sonnets en 1'antre Pieride, Quand on vid les Franfois sous les armes suer, Quand on vid tout un peuple en fureur se ruer, Quand Bellone sanglante alloit devant pour guide; 96 Der blutigen Begier, da gantzer Volker Sinnen Und Tichten ward verkebrt, da aller Laster Schaar, Mord, Unzucht, Schwelgerey, und triegen gantz und gar Den Platz der alten Ehr' und Tugend hielten innen. Damit die bose Zeit nun wiirde hin- gebracht, Hab' ich sie wollen hier an leichte Reime wenden. Mars thuts der Liebe nach, dafi er der Thranen lacht: Mein Krieg ist lobenswerth, und seiner 1st zu schanden; Denn meiner wird gestillt, durch zweyer Leute Schlacht, Den andern konnen auch viel tausend noch nicht enden. 1690 n, 233. Die Erde trinckt fiir sich, die Baurae trincken Erden, Vom Meere pflegt die Lufft auch zu getruncken werden, Die Sonne trinckt das Meer, der Monde trinckt die Sonnen, Wolt dann, ihr Freunde, mir das Trincken nicht vergonnen? 1690 H, 195. Als ich nechst war aufi spatzieret Zu den Hirten in den Wald, Und mit ihnen musiciret Dafi der gantze Pusch erschallt, Kam die Venus selbst zu mir, Bracht' auch ihren Sohn mit ihr, Der bey mir verbleiben solte, Wo ich ihn was lehren wolte, Alles was d\\ wilt bedingen Sagte sie, ist dir vergonnt, Quand, en lieu de la loy, le vice, 1'homicide, L'impudence, le meurtre, et se S9avoir muer En Glauque et en Prote"e et 1'Estat remuer, Etoient tiltres d'honneur, nouvelle Thebaide. Pour tromper les soucis d'un temps si vicieux, J'escrivois en ces vers ma complain te inutile. Mars aussi bien qu' Amour de larmes est joyeux. L'autre guerre est cruelle, et la mienne est gentille La mienne finiroit par un combat de de deux, Et 1'autre ne pourroit par un camp de centmille. (Ed. II, p. 286.) Le soleil est beu de la lune; Tout boit, soit en haut ou en bas: Suivant cestereigle commune, Pourquoi done ne boirons - nous pas ? La terre les eaux va boivant, L'arbre la boit par sa racine, La mer Sparse boit le vent, Et le soleil boit la (Bd. II, p 360.). La belle Venus un jour M'amena son fils Amour; En 1'amenant me vint dire:s ,,Escoute, mon cher Ronsard, Enseigne a nioii enfant 1'art De bien jouer de la lyre". Incontinent jee Ipris Et soigneux je luy appris Comme Mercure eut la peine De premier la faconner, 97 Wo du deine Kunst zu singen Lehren wirst inein kleines Kind; Wol, ich weis' ih.m gantz bereit, Was man noch hat dieser Zeit Von den Gottern auffgeschrieben, Und im Hirtenbuch' ist blieben. Wie das Pan auff sieben Rohren Anzustimmen hat erdacht, Und gantz lieblich anzuhoren Einen neuen Ton auffbracht: Wie das Aristeus weit Mit dem Bacchus kam in Streit, Ob die Siissigkeit der Bienen Mehr als Wein uns konndte dienen. Aber nein der lose Knabe Machte was er vor gethan; Wann ich ihm was anders gabe So hub er von buh'len an; Allzeit ward von ihm gehort; Wie die Lieb' uns so bethort; Wie nach seiner Mutter Sinnen Jedermann mufi lieb gewinnen. Solt' er Lection auffsagen, Wust' er lauter nichts darvon, Brachte selbst mir vorgetragen Eine schwere Lection : Jetzt ich also nichts mehr weiB, Denn von Lieb' und ihrem PreiB: Jetzt ist gantzlich mir entfallen, Was ich konte vor fur alien. Nun ade ihr Feld-Gotinnen, Nun ade du griine Lust; Corydon mufi jetzt beginnen, Was er vorhin nie gewust: Es ist wo ich geh' und steh' Alles nichts denn Galathee: In den strengen Liebes-Orden Bin ich durch ein Kind bracht worden. 1690 II, 203. Mein NiiBler, und ist diB dein Rath. Ich soil die schnode Wollust hassen, Und die so mich bethoret hat, Die schoiie Flavia, verlassen? Et de permier en sonner Dessus le mont de Cyllene; Comme Minerve inventa Le baut-bois, qu'elle jetta Dedans 1'eau toute marrie; Comme Pan le chalumeau, Qu'il pertuisa du roseau Forme du corps de s'amie. Ainsi, pauvre que j'etois, Tout mon art je recordois A cet enfant pour 1'apprendre; Mais luy, comme un faux garson, Se moquoit de ma chanson, Et ne la vouloit entendre. ,. Pauvre sot, ce me dit-il, Tu te penses bien subtil! Mais tu as la teste fole D'oser t'egaler a moy, Qui jeune en s$ay plus que toy, Ny que ceux de ton escole." Et alors il me sou rit, Et en me flatant m'apprit Tous les oeuvres de sa mere, Et comme pour trop aimer II avoit fait transformer En cent figures son pere. II me dit tous ses attraits, Tous ses jeux, et de quels traits II blesse les fantaisies Et des hommes et des Dieux, Tous ses tourmens gracieux, Et toutes ses jalousies, Et me les disant, alors J'oubliay tous les accors De ma lyre desdaignee, Pour retenir en leur lieu L'autre chanson que ce Dieu M'avoit par coeur enseignee. (Bd. II. p. 356.) 98 Sprich, sagst du, deine Musen an, Setz' an die Feder, das zu schreiben, Durch welches dein Geriichte kan In ewigkeit hernach bekleiben. LaC fahren, die zu wenig ist, DaB sie die viel gewuntschten Sachen. Die du zu tichten auCerkiest, Soil gantz und gar zu Wasser machen. Denck' an den Rhum den du nunmehr Bey grossen Leuten hast erworben: Seit dafi du liebst, ist schier die Ehr' In ihrer ersten Bliit' erstorben. War ist es, ich bin ietzund fast Der Biicher argster Todfeind worden. Nun Venus du gewiintschte Last Mich wieder hat in ihrem Orden'. Doch bin ich sehr im Zweifel noch, Ob auch deC blossen Lobes wegen Das Joch, das angenehme Joch, Sey gantz und gar hinweg zulegen. Dieweil ich kurzlich soil hernach Die lange Nacht vergraben liegen, Was hilfft michs durch viel Ungemach Und muh ein Handvoll Ehre kriegen? Kein Vers, wie kunstlich er mag seyn, Der kan mir ietzund Biirge werden, Man werde dieses mein Gebein Bedecken mit fein leichter Erden. Doch wol, lafl meine Poesie, Und was ich sonsten mochte schreiben, Als zu Ergetzung meiner Miih, Ein hundert Jahr' und langer bleiben : Bin ich mehr als Anacreon? Als Stesichor, und Simonides, Als Antimachus, und Bion, Als Philet, oder Bacchylides? Ist aber dir dann nicht bekant Der Griechen schone Ziehr im Tichten? Was soil nun diese meine Hand In Teutscher Sprache konnen richten? Puis que tost je doy reposer Outre 1'infemale riviere, He! que me sert de composer Autant de vers qu'a fait Homere? Les vers ne me sauveront pas Qu' ombre poudreuse, je ne sente Le faix de la toinbe la bas, S'elle est bien legere ou pesante. Je pose le cas que mes vers, De mon labeur en contr'eschange, Dix ou vingt ans, par 1'univers, M'apportent un peu de louange [Que faut-il pour la consumer, Et pour mon livre oter de terre, Qu'un feu qui le vienne allmner, Ou qu'une esclandre de la guerre?) Suis-je meilleur qu' Anacreon, Que Stesichore ou Simonide, Ou qu'Antimache ou que Bion, Que Philete ou que Bacchylide? Toutefois, bien qu'ils fussent Grecs, Que leur servit leur beau langage, Puis que les ans venus apres Ont mis en poudre leur ouvrage? 99 Nein, nein, ich lobe meinen Sinn, Und hofF es soil mir auch gelingen, DaB das, worauff ich kommen bin, Noch moglich sey mir zu vollbringen. Das dtinckt mich gar viel besser seyn, Als derer Fleifl die nichts erwerben Durch ibre Keim' als leicbten Schein, Und doch fur Hunger kaum nicht sterben. 1690 II, 206. Ich empfinde fast ein Grauen, DaB ich, Plato, fur und fur Bin gesessen iiber dir; Es ist Zeit hinaufi zu schauen, Und sich bey den frischen Quellen In dem griinen zu ergehn, "Wo die schonen Blumen stehn, Und die Fischer Netze stellen. Wozu dienet das studieren Als zu lauter Ungemach? Unterdessen laufft die Bach Unsers Leben das wir fuhren, Ehe wir es inne werden, Auff ihr letztes Ende hin, Dann kompt ohne Geist und Sinn Dieses alles in die Erden. Hola, Junger. geh' und frage, Wo der beste Trunck mag seyn, Nimb den Krug, und fiille Wein. Alles Trauern, Leid und Klage, Wie wir Menschen taglich haben, Eh' uns Clotho fort gerafft, Will ich in den siissen Safft Den die Traube gibt vergraben. Kauffe gleichfals auch Melonen, Und vergiB deB Zuckers nicht; Schaue nur daB nichts gebricht. Jener mag der Heller schonen, Donque moy, qui suis nay Francois, Composeur de rimes barbares, He! doy-je esperer que ma vois Surmonte les siecles avares? Non-non, il vaut mieux, Rubampre', Son age en trafiques despendre, Ou devant un senat pourpre Pour de 1'argent sa langue vendre, Que de suivre 1'ocieux train De ceste pauvre Calliope, Qui toujours fait mourir de faim Le meilleurs chantres de sa trope. (Bd. II. p. 162.) J'ay 1'esprit tout ennuye D'avoir trop estudie Le Phenomenes d'Arate : Us est temps que je m'esbate Et que j'aille aux champs jouer. Bons dieux! qui voudroit louer Ceux qui, collez sur un livre, N'ont jamais soucy de vivre? Que nous sert 1'estudier, Sinon de nous ennuyer Et soing dessus soing accrestre, A nous qui serons peut-estre, Ou ce matin, ou ce soir, Victime de Torque noir, De Torque qui ne pardonne, Tant il est fier, a personne? Corydon, marche devant; S9ache ou le bon vin se vend. Fais apres a ma bouteille, Des feuilles de quelque treille, Un tapon pour la boucher. Ne m'achete point de chair, Car, tant soit-elle friande, L'este je hay la viande. Achete des abricos, Des pompons, des artichos, De fraises et de la creme: C'est en este ce que j'aime, 7* 100 - Der bey seinem Gold' und Schatzen Tolle sich zu krancken pflegt, Und nicht satt zu Bette legt: Ich wil weil ich kan mich letzen. Bitte meine gute Briider Auff die Music und ein GlaC: Keindingschickt sich, diincktmich, bafi. Als ein Trunck und gute Lieder. Lafi' ich sclion nicht viel zu erben, Ey so hab ich edlen Wein. Wil mit andern lustig seyn, Wenn ich gleich allein mufi sterben. 1690 n, 207. Derselbe welcher diese Nacht Erst hat sein Leben hingebracht, 1st eben auch, wie die gestorben, Die langst zuvor verblichen seyn, Und derer Leichnam und Gebein Vor tausend Jahren sind verdorben. Der Mensch stirbt zeitlich oder spat, So bald er nur gesegnet hat, So wird er in den Sand versencket, Und legt sich zu der langen Rhu. Wann Ohr und Auge ist schon zu, Wer ist der an die Welt gedencket? Die Seele doch allein und bloB Fleugt, wenn sie wird des Corpers loB. Zum Himmel da sie hergefuhret. Was diesen schnoden Leib betrifft, Wird nichts an ihm als Stanck und Gifft, Wie schon er vormals war gespiihret. Es ist in ihm kein Geist mehr nicht, Das Fleisch fallt weg die Haut ver- bricht, Ein jeglich Haar das mufi verstieben; Und, was ich achte mehr zu seyn, Diejenige kompt keinem ein, Die er fur alien pflag zu lieben. Der Tod begehrt nichts umb und an : Drumb, weil ich jetzt noch wiintschen kan, So wil ich mir nur einig wehlen Gesunden Leib, und rechten Sinn: Quand, sur le bord d'un ruisseau, Je les mange au bruit de 1'eau, Estendu sur le rivage Ou dans un antre sauvage. Ores que se suis despos, Je veux rire sans repos, De peur que la maladie Un de ces jours ne me die, Me happant a 1'improveu: ,,Meurs, gallant: c'est assez beu!" (Bd. II, p. 236.) Celuy qui est aujourd'huy Est aussi bien mort que celuy Qui mourut au jour du deluge. Autant vaut aller le premier Que de sejourner le dernier Devant le parquet du grand juge. Incontinent que 1'homme est mort, Pour jamais ou long temps il dort Au creux d'une tombe enfouie, Sans plus parler, ouir ne voir; He, quel bien S9auroit-on avoir En perdant les yeux et 1'ouie? Or. Tame selon le bien-fait Qu'hostesse du corps elle a fait, Monte au ciel, sa maison natale; Mais le corps, nourriture a vers, Dissoult de veines et de nerfs, N'est plus qu'une ombre sepulcrale. II n'a plus esprit ny raison, Emboiture ne liaison, Artere, poux, ny veine tendre, Cheveul en teste ne luy tient, Et, qui plus est, ne luy souvient D'avoir jadis aime Cassandre. Le mort ne desire plus rien; Done, cependant que j'ly le bien De desirer, vif, je demande Estre toujours sain et dispos; Puis, quand je n'auray que les os, Le reste a Dieu je recommande. 101 Hernaclimals wann ich kalt schon bin, Da will ich Gott den Rest befehlen. Homerus, Sappho, Pindarus, Aiiacreon, Hesiodus, Und andre seyn ohne Sorgen, Man red' jetzt auff sie was man wil: So, sagt man nun gleich von mir viel, Wer weiC geschieht es iibermorgen. Wo dient das Wiintschen aber zu, Als das ein Mensch ohn alle Ruh Sich Tag und Nacht nur selbst ver- zehret? "Wer wiindschet, kranckt sich jederzeit ; Wer todt ist ist ohn alles Leid. wol dem der nichts mehr begehret! 1690 n, 194. Ach liebste, lafi uns eilen, Wir haben Zeit, Es schadet uns verweilen Uns beyderseit. Der Edlen Schonheit Gaben Fliehen Fufi fur Fufi: Das alles was wir haben Verschwinden mufi. Der Wangen Zier verbleichet, Das Haar wird greifi, Der Augen Feuer weichet, Die Brust wird EiC. Das Mundlein von Corallen Wird ungestalt, Die Hand' als Schnee verf alien, Und du wirst alt. Drumb lafi uns jetzt geniessen Der Jugend Frucht, Eh' als wir folgen miissen Der Jahre Flucht. Wo du dich selber liebest, So Hebe mich, Gieb mir das wann du giebest Verlier auch ich. Homere est rnort, Anacreon, Pindare, Hesiode et Bion, Et plus n'ont soucide, s'enquerre Du bien et du mal qu'ou dit d'eux; Ainsi, aptes un siecle ou deux, Plus ne sentiray rien sous terre. Mais de quoy sert le desirer Sinon pour 1'homme martirer? Le desir n'est rien que martire; Content ne vit le desireux, Et 1'homme mort est bien-heureux. Heureux qui plus rien ne desire! (Ed. II p. 365.) Cependant que ce beau mois dure, Mignonne, allon sur la verdure, Ne laisson perdre en vain le temps ; L'age glissant qui ne s'arreste, Meslant le poil de nostre teste, S'enfuit ainsi que le printemps. Donq, cependant que nostre vie Et le temps d'aimer nous convie, Aimon, moissonon nos desirs, Passon 1'amour de veine en veine; Incontinent la mort prochaine Viendra desrober nos plaisirs. 102 Im Gegensatz zu der Fiille von Anklangen aus Ronsard sind die Anlehnungen an Heinsius weit seltener, auch sind es meist nur solche "Wendungen, die auch Bon- sard braucht; es liegt dies zum Teil auch an dem im ganzen knappen Raum, den Heinsius der Liebespoesie einraumt. Dagegen hat Opitz eine Reihe von vollstandigen Gedichten aus Heinsius genommen, die alle einen zu betracht- lichen Umfang haben, als dass sie hier wiedergegeben werden konnten; wie schon oben gesagt, vergisst bei ihnen Opitz nie seine Quelle anzugeben, so dass sie eben nur als Uber- setzungen gelten wollen. Es sind folgende: *) 1. An die Jungfrauen in Deutschland. Ihr liebliches Geschlecht, dem Venus hat gegeben Den SchliiCel in die Hand, zu aller Manner Leben etc. Dies ist: n Aus dem Hollandischen des Dan. Heinsii: Aen de Junckvrouwen van Hollandt. Ghy liefelick geshlaclit, dat Venus heeft gegeven Te voeren in haer handt den sleutel van ons leven etc. 2. Hochzeitsgedicht. Aus dem Niederlandischen Danielis Heinsii. Die Schiller, so ihr Haus auff blofies Meer hinbauen etc. Trouw-Dicht. De shippers die de zee met Kielen scherp doorsnyden. 3. Theokriti und Heinsii A'ites. Bist du gekommen dann, nachdem ich nun gewacht, Nach dir mein liebstes Kind, den dritten Tag und Nacht etc. Bei Heinsius: Oversettinge van het XII. Idyllium Theocriti, van welck he beginsel is, "JZfa>#eg to fplhe KOUQE: Syt ghy gekomen dan, naer dat ick heb gewacht Naer U myn liefste kint den derden dach en iiacht." 4. Die Nachtklage, zu dem Opitz nur bemerkt: ,,Aus eines Anderen Erfindung", ist Bearbeitung von ,,Elegie ofte Nacht-Klachte." 1) Muth., a. a. O. p. 19. 103 Die 100 Alexandriner des hollandischen Gedichts hat Opitz in 19 Strophen zusammengezogen , die aus 4 vier- fiissigen, jambischen, paarweise reimenden Versen bestehen. Itzt blicken in des Himmels Saal Die giildnen Sterne allznmal, Icli bin ohn' Hoffnung gantz allein Ich wach' und andre schlaffeii ein. Dewyle dat de nacht op alderhande dieren Verspreyt haer droevich kleet, op velden en rivieren En dat de wilde zee vermindert haeren stroom, En dat de werrelt gants ligt als in eenen droom: 5. Freier verfahrt Opitz mit seinem Vorbild in der Ode: 1st irgend zu erfragen ein Schafer etc. eine Ubertragung des Heinsius Pastorael. Die deutschen Verse sind jambisch und nach der Zinkgrefschen Uber- schrift der franzosischen Melodie: ,,Aupres du bord de la Seine" angepasst. Zum Schluss des VI. 1 ) giebt Opitz noch einige Lehren tiber die drei Arten des poetischen Stils : die hohe (altiloqua) die mittlere oder gleiche (media) und die ,,niedrige Art zue reden" (infima forma). Dieser Unterscheidung legte man in jener Zeit eine ungemeine "Wichtigkeit bei, obgleich man bei einigem Nachdenken hatte finden mtissen, dass eine strenge Durchftihrung derselben bare Unmoglichkeit ist; Opitz nahm diese gleichfalls in sein Buchlein auf und hat dadurch viel Unheil angerichtet. Der Grund davon lag wohl in der argen Verwechselung, die man mit den Aus- driicken dictio, genus dicendi vornahm: einmal sollte danach jede im Dichtungswerk auftretende Person nach ihrem Stande, ihrer Bildung und ihrer sonstigen Bestimmtheit reden gemass der Forderung des Horaz, dass es ein Unter- schied sei, n Davusne loquatur an hero." Das ist rich tig, und man kann dagegen nichts einwenden. Aber dann verlangte 1) Borinski a. a. 0. p. 42. 104 man auch, dass in dem ganzen Gedicht eiii gewisser Ton festgehalten werde, indem n man zue niedrigen Sachen schlechte, zue hohen ansehnliche, zue mittelmafiigen auch mafiige und weder zue grofie noch zue gemeine Worte brauche." Das Resultat davon war, ,,dass *) man mit Ab- sicht lappisch im Hirtengedicht, farblos in der Epistel, schmutzig im Epigramm schrieb, sich in gemachtem trunkenen Taumel in bacchischen Oden und Hymnen tiber- bot, an hochgeschraubten, sentenziosen Stelzen und pathe- tischem Donnern, Rasen und Wtiten; man wimmerte in der Elegie und trompetete im Panegyrikus." Um ein Beispiel des n niedrigen Charakters" vor Augen zu stellen, fiihrt er Theocriti A'ites an, welcher des Heinsius besondern n gefallen" gefunden habe, n der dieses Idyllion Lateinisch vnd Hollandisch gegeben;" die Definition des hohen Stils liefert ihm Ronsard. Opitz: ,,Hergegen in wichtigen Sachen, da von Gottern, Helden, Konigen, Fiirsten, Stadten, und dergleichen ge- handelt wird, mufi man ansehnliche, voile und hefftige Reden vorbringen, und ein Ding nicht nur blofi nennen, sondem mit prachtigen "Worten umschreiben. Virgilius sagt nicht: die oder luce sequenti; sondern: .... ubi primos crastinus ortus Extulerit Titan, radiisque retexerit orbem." Ronsard: ,,Les excellens poetes nomment peu souvent les choses par leur nom propre. Virgile voulant descrire le jour ou la nuict, ne dit point simplement et en paroles nues. II estoit jour, il estoit nuict; mais par belles circonlocutions." Am beachtenswertesten und dankenswertesten sind Opitzens Bemuhungen um die deutsche Metrik, die, wie er sie fest gestellt, im ganzen noch heute in Geltung steht. Mancherlei Grunde hatten die deutsche Verskunst von der hochsten Ausbildung und Feinheit zur aussersten Barbarei 1) Borinski a. a. 0. 105 geftthrt. n Die deutsche 1 ) Verskunst hat, soweit man sie in den poetischen Werken der Vorzeit zuriickverfolgen kann, immer das Gesetz der Betonung als oberste Regel anerkannt, d. h. der deutsche Vers besteht aus einer bestimmten An- zahl stark betonter Silben oder Hebungen, zwischen welchen sich andere minder betonte oder Senkungen einschieben konnen, nicht mtissen." n Zu Hebungen dienen urspriinglich nicht bios Stammsilben, die den Hauptton des "Wortes tragen, sondern auch nicht wurzelhafte Silben mit bedeutend hervor- tretendem Nebenton. Die Starke des auf eine Silbe fallenden Nebentons wurde aber durch die Lange und Ktirze der zu- nachst vorangehenden Silbe bedingt, und insofern war auch der ahd. Versbau an das Gesetz der Quantitat gebunden. So gait die Regel, dass in Wortern von drei Silben nur dann auf die zweite ein zur Hebung hinreichender Nebenton fiel, wenn die erste lang, auf die dritte jedoch, wenn sie kurz war. Hieraus ergiebt sich, dass die alte Sprache, welche nicht nur lange und kurze Wurzelsilben nebeneinander besass, sondern auch in volltonenden, fast die ganze Vokal- leiter durchlaufenden Endungen Langen und Kurzen unter- schied, eine grosseMannigfaltigkeit von Versgliedern in einem metrischen Bau hat entwickeln konnen, der auf Wechsel- wirkung des Accents und der Quantitat beruhte." ,,Das allmahlige Verdtinnen und Abschleifen der "Wortendungen" fuhrte im 11. und 12. Jhd. zu einer voriibergehenden Ver- wilderung der deutschen Verskunst; denn durch das fort- schreitende Verklingen der farbigen Vokale zu farblosem e mussten die alten Gesetze der Betonung ins Schwanken geraten, ^indem die Zahl tieftoniger, zur Vershebung und zu Reimen tauglicher Silben sich minderte, ohne dass die abgeschwachteren unter ihnen den Anspruch auf hohere 1) Koberstein, Geschichte dei* deutschen Nationalliteratur. 5, umgearbeitete Auflage von Karl Bartsch. p. 33. u. p. 103, 106 Betonung im Vers sofort aufgaben." ,,Erst mit dem Ende des 12. Jhd., als die Tonlosigkeit oder Yerstummung der Flexionen vollig durchgedrungen und der Silbenwert der Bildungen und Vorsatzpartikeln nach einer bestimmten Ab- stufung festgesetzt war, konnte die Unsicherheit erst auf- horen." Im mhd. wurde die Yerstechnik von den hofischen Dichtern nach den in Volksliedern giiltigen und in der Sprache begriindeten Gesetzen mit grosser Feinheit bis ins Einzelne ausgebildet. Im allgemeinen 1 ) gelten dieselben Regeln wie im ahd., n nur sind bei der sehr verminderten Zahl der Nebentone auf den Endungen die Hebungen des Verses vorzugsweise an die Stammsilben gebunden;" doch ertragt unter gewissen Bedingungen auch das tonlose e noch den Versaccent. Die Senkung durfte wie in ahd. nur einsilbig, oder durch Verschleifung und Elision sich auf eine Silbe bringen lassen konnen. Nur in. einer Richtung wich der mhd. Yers vom ahd. ab, namlich in der Art der Yerteilung von Hebung und Senkung. Man erkennt aber einen Unterschied in dem Yerfahren erzahlender und lyri- scher Dichter. Die ersteren lassen zunachst noch sehr haufig die Senkung aus; aber alle Senkungen fehlen zu lassen, war schon im Anfang des 13. Jhd. nicht mehr ublich, wie tiberhaupt in spaterer Zeit ein immer starker werdendes Streben hervortritt, Hebung und Senkung regelmassig wech- seln zu lassen. In dem lyrischen Yerse, der iiberhaupt eine strengere Architektonik zeigt (wegen der Musik) ist das ununterbrochene Steigen und Fallen der Silben Kegel, von der nur selten abgewichen wird, so dass mit der Anzahl der Hebungen auch die Zahl der Silben gegeben war. Das sollte dem deutschen Yerse in der Folge verhangnissvoll werden. Durch die barbarische 2 ) Schreibung, die allmahlich, 1) Koberstein. a. a. 0. p. 106. 2) Koberstein, a a. 0. p. 274. 107 einriss, durch das Hervortreten der einzelnen Mimdarten, zumeist aber wolil n infolge des einseitigen Druckes, den der Ton auf die Stammsilben seit der Zeit ausiibte, dass ihm in vollklingenden Endungen kein Gegengewicht gehalten. wurde, dann auch durch die Nachlassigkeit der Dichter im Reimen," verier sich nach und nach die noch im 13. Jhd. durchgehends streng beobachtete Unterscheidung organischer Kiirzen und Langen in den Wortstammen, r indem nun er- stere zum allergrossten Teil entweder durch Dehnung des Vokals oder durch Verdoppelung des folgenden Konsonanten verschwanden." Die Veranderung 1 ) bewirkte auch ,,eine Um- gestaltung in dem Verhaltnis zwischen tonlosen und stum- men Silben und in der damit zusammenhangenden Be- stimmung der Nebenaccente in mehrsilbigen Wortern;" es trat rasch eine rohe Willkur in der Veranschlagung des Silbenwertes im Versbau ein. Da man aber beobachtet hatte, dass die Zahl der Silben sich im Verse immer gleich blieb, so wurde Abzahlen der Silben das oberste Gesetz des Versbaus. Dabei beherrschte mit Beginn des 15. Jhd. der viermal gehobene und paarweise gereimte Vers die ganze Poesie, dessen Herrschaft sich selbst Manner wie Hans Sachs nicht entziehen konnten. Die Silbenzahlung 2 ) aber war noch nicht unbedingt eine Gefahr fur die Form, aber sie wurde nicht so getibt, dass die Verlegung der Accente dem Belieben iiberlassen blieb, sondern vielmehr so, dass die Hebung auf jede der gradzahligen Silben gelegt wurde, gleichviel ob dieselbe einen Ton trug oder nicht. Nicht dass Silbenzahlen, sondern die in aller Unbefangenheit sprach- widrige Betonung ist das Brandmal jener Verskunst." r Der Versuch, die regelmassige "Wiederkehr der He- bung ganz aufzugeben, charakterisiert nicht sowohl unsere 1) Koberstein a. a. O. p. 280. 2) Hopfuer, Reformbestrebungen p. 5. 108 Dichtung des 16. Jhd., als er vielmehr aus derselben heraus- fiihrt. Im 16. Jhd. ,,aber betonte und sang man an der Stelle der Scansion die Silben, und zwar senkte man in Versen oft die Silben, die in der gewohnlichen Rede be- tont wurden und umgekehrt;" und r so mussten die Verse skandiert oder gesungen werden, dass die ungerade Silbe immer Senkung war, der Akut aber auf die gerade zu liegen kam." (1. Loco scansionis rythmorum efferimus seu cani- mus syllabas . . . De quantitate syllabarum in hac nostra lingua nihil certi praescribere possumus, nam saepe syllabae in rythmis corripiuntur, quae in prosa oratione producuntur et e contra." Unterricht in der Hocli-Teutschen Spraah: Albertus Oelingerus 1573. Sic autem scandi vel cani debent rythmi, ut impar syllaba semper raptim legatur et sonus acutus paribus incumbat. a. a. 0.: Laurentius Albertus Ostrofrancus.) Mit dem letzten Gesetz war zugleich ein unveranderliches Festhalten am jambischen Rhythmus ge- geben. Der verwilderte Vers des Zeitalters entbehrte sogar des Reizes der Mannigfaltigkeit, den Willkiir in der Ver- teilung der 4 Hebungen hatte geben konnen." Es konnte nicht fehlen, dass Manner, welche den harmonischen Klang antiker und romanischer Verse gekostet hatten, diesen Jammer einsahen und sich nach Mitteln zu einer Reform umthaten. Nachahmung fremder Meister schien das rat- samste; dass dieselben entweder lateinische oder franzosische waren, ist einleuchtend. Man hat in der That schon friih angefangen, antike quantitierende Masse in der deutschen Poesie anzuwenden, aber nicht zu einer Zeit, als es noch moglich gewesen ware, im friihen ahd., als unsere Sprache noch kurze Vokale in den Stammsilben kannte und lang- vokalige mehrsilbige Flexionsendungen besass; selbst im mhd. 1 ), trotz seiner abgeschliffenen und verblichenen En- 1) W. Wackernagel, Geschichte des deutschen Hexameters. 109 dungen waren Verse, nach den Regeln der antiken Prosodie gebildet, noch ertraglich gewesen. Dem 16. Jhd. aber war Korreption jeder Art fremd geworden, jede Stammsilbe war nunmehr lang, mithin hatte auch die Produktion durch Position ihre Bedeutung verloren: wer jetzt, wo Accent und Lange zusammenfielen, etwa Hexameter machen wollte, dnrfte die Ftisse nur nach accentuierten und nicht accen- tuierten Silben maclien. Einige unternahmen es aber trotz- dessen noch lateinische Messung einzufiihren, und darum rnussten ihre Versuche notwendigerweise scheitern. Der andere Weg, die romanischen, speziell die franzosischen Masse nachzubilden, entsprach den Erwartungen mehr, ohne sie jedoch in ihrem ganzen Umfang erfiillen zu konnen. Der franzosische Vers erhalt seine rythmische Bewegung durch den Wechsel betonter und unbetonter Silben, so dass auch er, wie der deutsche Vers zu den Tonsilbenversen gehort; daneben zeigt er wiederum auch grosse Eigen- tumlichkeiten, die in der Natur der franzosischen Sprache begriindet liegen. ,,Die Bildung 1 ) der franzosischen Sprache aus der lateinischen hat sich nach einem Verfahren voll- zogen, das durch G-esetzmassigkeit und Einfachheit auf- fallend ist." ,,Die betonte Silbe des lateinischen "Wortes wurde erhalten, die auf sie folgenden unbetonten Silben wurden abgeworfen oder in einen stummen Endlaut ver- wandelt, und in den ihr vorhergehenden Silben wurde der konsonautische Inlaut vernichtet. So wurde aus amare aimer, aut porticus porche, aus ligare Her." n Die Folge 2 ) da- von war, dass die franzosische Sprache eine Eigentumlich- keit erhielt, welche ohne Kenntnis des historischen Grundes wunderbar erscheinen kann, namlich die, dass alle fran- zosischen Worter den Wortton auf der letzten lautenden 1) Brachet, Graminaire historique Preface p. VII. 2) Lubarsch, Franzosische Verslehre, p. 25 u. if. 110 Silbe tragen." n Der Wortton 1 ) a,ber oder Wortaccent 1st die- jenige Betonung, durch welche aus der Vereinigung meh- rerer Silben das Einzelwort als geschlossenes und unter- schiedenes Ganze hervorgeht ; er macht die Silbenvereinigung zum "Wort und 1st daher die Seele des Worts." ,,Dem Wort- tone stehfc der Satzaccent entgegen. Er fasst eine Reihe von Wortern, welche ein Ganzes fin* die Vorstellung ausmachen, dadurch als Einheit fur das Ohr zusammen, dass er einem dieser Worter eine hohere Betonung als den iibrigen ver- leiht. Im Franzosischen triift der Satzton das letzte Glied der Worterreihe. Er ist in dieser Sprache besonders stark entwickelt worden, weil die strenge Beobachtung des Ge- setzes, welches alle Worter auf der letzten lautenden Silbe betonen lasst, eine unertragliche Einformigkeit der Aus- sprache befordert hatte. Die Folge dieser starken Aus- bildung des Satztones ist nun die, dass der Accent des franzosischen Einzelwortes sehr geschwacht wird, so dass die Tonsilben der iibrigen Worter eines Satzgliedes gegen die Tonsilbe desjenigen Wortes, welches den Satzton er- halt, merklich zuriicktreten." Es geniigt daher fur ein fran- zosisches Ohr, wenn eine oder mehrere bestimmte Stellen im Verse immer vom Satzaccent betroffen und hervor- gehoben werden. Die iibrigen Silben werden sich so zu Versfiissen gruppieren, wie es der Wortton in grosster Mannigfaltigkeit erfordert, ohne dass der Lesende in der Betonung zwischen ihnen einen sonderlichen Unterschied macht. Andreas Lobwasser und Paulus Melissus waren es, die diese Versmessung fur die deutsche Dichtung in ihren Psalmeniibersetzungen in Anwendung bringen; und nun stellte sich sehr bald die merkwiirdige Thatsache heraus, dass die Psalmen des letzteren, obgleich in ihnen r die Weihe der Psalmendichtung besser gewahrt war, man mit 1) Lubarsch a. a. 0. p. 27 u. 28. Ill recht gesagt hat, dafi er den majestatischen G-eist der hebraischen Poesie nicht selten gliicklich ausdriickt," von der Arbeit Lobwassers, 1 ) die weit tiefer an innerm "Wert steht, verdrangt win-den. Der Grund ist in der Form zu suclien: Melissus beobachtet das franzosische Versgesetz ganz genau, indem er immer starkbeconte Silben an Vers- eiide und Casur setzt, Lobwasser dagegen hilffc mit gutem Takt, wenn auch Casur und Versendung mitunter viel zu wiinschen tibrig lassen, tiber die rythmisch unbestimmten Teile des Verses durch teilweisen Ubergang in trochaischen oder jambischen Rythmus hinweg, und das war dem Bau der deutschen Sprache gemass. Es gibt namlich noch ein metrisches Moment, das zwar alien Sprachen gemeinsam, dennoch zwischen dem Franzosischen und Deutschen einen tiefgehenden Unterschied begrtindet. Es liegt 2 ) in der Natur der tonerzeugenden und tonempfindenden Organe, dass auf eine Tonhebung eine Tonsenkung gefordert wird und um- gekehrt ; denn mehrere gleichartige Senkungen und Hebun- gen hintereinander kann man in zusainmenhangender Rede und in schneller Folge ohne Missklang nicht aussprechen und das Ohr nicht auf einen Rhythmus zuriickfuhren. Daraus folgt ,,eine natiirliche Neigung der rhythmisch gebundenen Rede zu uumittelbarer Abwechslung zwischen betonten und unbetonten Silben;" der Nachdruck, den gewisse Silben auf diese Weise erhalten, heisst Iktus. Fur Sprachen, in denen die Tonsilbe des Einzelwortes so gut wie unumschrankt herrscht, wie im Deutschen, wird sich die unabweisbare Notwendigkeit herausstellen, die "Worte immer im Verse so zu ordnen, dass die betontesten Silben unter den Iktus kommen. In der franzosischen Sprache dagegen ist durch das Ubergewicht des Satzaccents die Bedeutung der Ton- silben das Einzelwort so herabgemindert, dass der Iktus nur 1) Hopfner, a. a. 0. p. 25. 2) Lubarsch, a. a. O. p. 46. 112 sekundare Bedeutung behalt und oft ohne Schaden ver- nachlassigt wird. Diese Bichtung befordert zudem auch noch der Vokalreiclitum, der der Sprache grosse Schmiegsam- keit verleiht. Man kann somit im Franzosischen von Jamben und Trochaen nicht reden, welche man meist nur durch naturwidrige Aussprache der unter dem Iktus stehenden Silben erlangen konnte; die Silbenzahlung 1st dem fran- zosischen Versbau unter gewissen Beschraiikungen allein angemessen. Es gebiihrt Opitz der Ruhm, eine der Sprache an- gemessene Versmessung eingefuhrt zu haben. Er lasst sich dariiber folgendermaassen vernehmen: ,,Nachmals 1st auch jeder VerB entweder ein jambicus oder trochaic us; nicht zwar dafi wir auff Art der Griechen und Lateiner eine ge- wisse Grosse der Sylben konnen in acht nehmen ; sondern das wir aus den Accenten und dem Thone erkennen, welche Sylbe hoch, und welche niedrig gesetzt soil werden. Ein Jambus ist dieser: Erhalt uns Herr bey deinem Wort, der folgende ein Trochaus Mitten wir im leben sind. Dann in dem ersten Verse die erste Sylbe niedrig, die andere hoch, die dritte niedrig, die vierdte hoch, und so fortan : In dem andern Verse die erste Sylbe hoch, die andere niedrig, die dritte hoch, etc. ausgesprochen werden. Wiewohl nun meines Wissens noch niemand, ich auch vor der Zeit selber nicht, dieses genawe in acht genommen, scheinet es doch so von nothen zu seyn, als hoch von nothen ist, dafi die Lateiner nach den quantitatibus oder grossen der Sylben ihre Verse richten und reguliren." Die Gewalt, mit welcher diese Regel auf die Gemuter wirkte, war erstaunlich. 1 ) n Opitzische Verskunst" hiess von nun an die dichterische Technik der Deutschen; ,,0pitzischer Vers." ein Vers, der 1) Borinski, Poetik der Renaissance, p. 108. 113 richtig gebaut war; der trochaische Tetrameter, ein von Opitz besonders in der Judith viel gebrauchter Vers, wurde spater geradezu ,,versus Opitianus" genannt. Woher hatte er dieses Gesetz? Von den Franzosen selbstverstandlich nicht; ob er selbst vielleicht als der Erfmder gelten wollte, dariiber drtickt er sich nicht bestimmt genug aus; denn er sagt nur, dass es vor ihm noch n niemand genawe in acht genommen habe," nicht, dass er es gefunden habe. Nach G-ervinus ,,war Opitz nicht der erste Erfinder dieser Regel weder in Europa, noch in Deutschland. Ernst Schwabe hat zuerst bei der Nachbildung einiger franzosischer Hauptmaasse das deutsche Betonungsgesetz mit Bewusstsein angewandt, und er ist in seinen iiberh'eferten Versen nur noch selten in eigentlich unerlaubter Weise abgewichen." Nun ruhmt Opitz diesen Dichter im Aristarch gar sehr, von einer besondern Kunst im Ban der Verse erwahnt er aber gar nichts, wie er auch in der Praxis zunachst bei der iiblichen Art verbleibt, so dass einEinflussSchwabes 1 ) in dieser Riehtung ausgeschlossen erscheint. Koberstein stellt zwei Vermutungen auf, ent- weder habe Opitz die Regel aus des J. Clajus vielgelesener Grammatik, wo sie zu fiiiden ware, oder D. Heinsius habe sie ihm tiberliefert. Dass Opitz das Buch des Clajus ge- kannt habe, ist sehr wahrscheinlich, aber die Art wie die Regel aufgestellt ist, lasst kaum annehmen, dass sie auf Opitz Eindrack gemacht habe; denn nachdem Clajus ganz deutlich gesagt hat 2 ): ,,Versus non quatitate, se numero syllabarum mensurantur, sic tamen ut CCQGIS et ^taig obser- vetur, juxta quam pedes censentur aut jambi aut trochaei. Syllabae enim quae communi pronuntiatione non elevantur, sed raptim, tanquam schwa apud Ebraeos prdnunciantur, in compositione versus nequaquam elevandae sunt; et contra 1) Fritsche a. a. 0. p. 61. 2) Borinski. Poetik d. R. p. 44. 114 syllabae accenttim sustinentes nequaquam deprimendae, sed elevandae sunt, ut Im Gesetze steht geschrieben Du solt Gott den Herren lieben, wirft er plotzlich den ganzen Kram als etwas Veraltetes bei Seite und geht mit einem Sprunge mit seinen 19 B,e- geln zur Quantitatstechnik iiber. Die andere Vermutung wird fast zur Gewisslieit, wenn man beobachtet, dass die Regelung des Versbaues nach dem Betonungsgesetz genau von Opitzens Aufenthalt in Holland datiert. Hier ward das Gesetz zuerst von Abraham v. Myle im Jahre 1612 mit klaren Worten ausgesprochen und dann von D. Heinsius angewandt, an dem Opitz ein gutes Muster fand. Heinsius Verse sind mit sehr wenigen Ausnahmen (wie etwa Elegie v. 101: den rijkdom en licht niet in landen ende steden) richtig nach dem neuen Gesetz gemessen und fliessend; freilich muss man die hollandischen Betonungsgesetze be- riicksichtigen, vornehmlich: 1) dass in Compositis 1 ) der zweite Teil den Hochton hat, z. B. jonckvrou, uytsteekt, altijt, 2) dass in abgeleiteten Adjektiven wie waarachtig, manhaftig, der Ton die Stammsilbe verlasst, 3) dass die weibliche Endung n in" immer den Hochton hat; z. B. godin, wolvin. Beispiele hierfur sind: Lofs. J. Chr. 761 of als u Phdrao sach in slagh-orden vechten; L. Bacch. 126 veel Nymphen hebben 11 'manhaftig hert doen breken; L. B. 33 van daer sijt ghy terstont gegeven de Godinnen Den letzten Vers tibersetzt Opitz: Von dannen wiirdest dii den Gottinn^n gegeben. 1) Muth a. a. 0. p. 27. 115 ,,Manchmal betont er nach hollandischer "Weise, z. B. Lofz. J. Chr. 293 noch Romulus Wolfin; Soph. Antig.: Es lauern auf dich schon die hollischen Gottinnen. Dafne 479: um sein sieghaftes Haar." TJberliaupt hat Opitzens Vers manches Abweichende vom mhd; indem durch seine Forde- rung einer strengen Abwechselung betonter und unbetonter Silben in den allein iiblichen Rhythmen, dem jambisclien und trochaischen, manchen Worten Gewalt 1 ) angethan und eine von der fruheren abweichende Betonung eingefuhrt wurde, an die sich das Ohr allmahlich gewohnt hat. Nach altgermanischem Gesetz miisste etwa das "Wort eiteler so betont werden, dass auf der Stammsilbe der Hochton ruht ; weil diese nun lang ist, so kame der nachstfolgenden der nachsthohere Ton zu; da man aber nun eine Senkung brauchte, so wurde der Tiefton auf die 3. Silbe gewaltsam verschoben und so stark betont, dass man sie auch in die Casur des Alexandriners stellte. Das Ubel war um so schlimmer, als alle Stammsilben lang geworden waren, und man stets zu diesem Auskunftsmittel greifen oder alle Worte dieser Art aus der Poesie verbannen miisste. Fur den Daktylus und Anapast war ein solcher Zwang dem Ohre Opitzens noch zu stark, deshalb sah er von diesem Rhythmus ab. Dass Opitz aber auch bei den soeben beschriebenen Neuerungen, die doch nur Forderungen des deutschen Sprach- baus waren, immer auch die Franzosen (Ronsard) iin Auge be- hielt, beweist der Schlusssatz des Abschnitts: ,,Wiewol die Frantzosen und andere, in den eigentlichen Namen sonder- lich die Accente so genawe nicht in acht nehmen, wie ich dann auch auf Art des Rohsards in einer Ode geschrieben: Bin ich mehr, als Anacreon, Als Stesischor und Semonides, etc." "Was die innere Okonomie des Verses betrifft, z. B. Elision, so steht Opitz im Prinzip auf dem Boden Ronsards, im 1) Koberstein a. a. O. H p. 89. 116 Einzelnen erforderte jede Sprache ihre besondere Behand- lung. Die franzosische Sprache kann verschiedene Vokale (e, a, i), die deutsche nur tonloses e elidieren. Opitz: ,,DaB e, wenn es vor einem selblautenden Buch- staben zu Ende des "Wortes vorhergehet, es sey in wasserley Versen es wolle, wird nicht geschrieben und ausgesprochen, sondern an seine Stadt ein solches Zeichen. J dafiir gesetzt. Ronsard: ^Nous 1 ) avons aussi une certaine cesure de la voylle, e, laquelle se mange toutes les fois qu'elle est ren- contree d'une autre voyelle ou diphtongue, pourveu que la voyelle qui suit, e, n'ait point la force de cousone." Aus- genommen sind bei beiden monosillabische Worter und fremde Eigennamen. Im ganzen ist Opitz stronger als Ronsard, nur selten findet man aber bei ihnen Harten wie bei Melissus, die durch Synkope oder Apokope des e ent- standen sind. Verstiimmlungen wie folgende: Sonst wird sie Venus auff den Wagn So hoch als Sonn' und Monde tragn finden ihre Erklarung in dem Streben Opitzens, die hollan- dischen Reimworte beizubehalten: Of Venus sal myn Ziel in haeren gouden \vagen Veel hooger als de Maen en als de Sonne dragen. Haufiger stort die Kontraktion der Endsilben von Verben in der Prasensform, die er ohne alle Einschrankung zu- lasst; die angefiihrten Beispiele n trinckt, pfegt, wolt" sind wohlklingend, aber der Vers: ,,das siiBe Gift, so mich ver- wundt," in dem zwei Dentale zusammenstossen, ist unschon. Merkwiirdig, aber jedenfalls Ronsard entlehnt, ist die Er- laubnis, dass e vor h, das doch im Deutschen seine voile kon- sonantische Geltung besitzt, nach Beliebeii elidieren zu diirfen. Vom Hiatus, der in der franzosischen Metrik seit Ronsard und Malherbe bis Victor Hugo eine so grosse Rolle gespielt hat, finden wir bei Opitz kein Wort, entweder weil 1) Fritsche a. a. 0. p. 58. 117 -L-L I er die deutsche Kunst fiir solche Kunstlichkeiten noch nicht fiir reif hielt, oder well er im Deutschen wegen des Kon- sonantenreichtums der Sprache nicht oft vorkommt und das Ohr nicht beleidigt. Bedeutende Sorgfalt wendet Opitz dem Reiine zu, den er nach Ronsard folgendermaassen definiert: ,,Ein Reim ist eine Lbereinstimmung des Lautes der Syllaben und "Worter zu Ende zweyer oder mehrer Verse, welche wir nach der Art, die wir uns fiirgeschrieben haben, zusammen setzen. Da- mit aber die Sylben und "Worte in die Reimen recht ge- bracht werden, sind folgende Lehren in acht zu nehmen." Ronsard, de la Ryme: ,,La Ryme n'est autre chose qu' une consonance et cadance de syllabes, tombantes sur la fin des vers, laquelle je veux que tu observes. Die Hauptforderung, die Opitz stellt, ist die Ver- meiduug des identischen Reimes, der im Franzosischeii ofter zulassig ist, weil haufig auftretende Endsilben wie ent, ant, nicht reimbildende Kraft mehr fur sich allein besitzen, der Reim wird dann in der voraufgehenden Silbe ruhen. Der Reim mufi rein sein, d. h. er muss in Vokalen und Konsonanten vollige Ubereinstimmung haben, aber nicht fiirs Auge, sondern fiir das Ohr. Der Zusatz Opitzens: ,,Denn es eine andere Gelegenheit mit derFrantzosischen Sprache hat, da zwar zweene consonantes geschrieben, aber gemeiniglich nur einer ausgesprochen wird," bezeugt wieder seine Ab- hangigkeit von Ronsard. Weinhold 1 ) behauptet zwar Opitzens Reime seien alle rein, freilich vom Standpunkt des Schle- siers aus, wie ja schon die Beispiele, die Opitz giebt, nur in der schlesischen Mundart als reine Reime gelten konnen, indessen finden sich doch auch manche, die auch dem Schlesier unrein klingen miissen, z. B. umbsonst: kunst; 1) Weinhold, Die Laut- und Wortbildungen und Formen der schlesischen Mundart. Ferner von demselben, M. Opitz, ein Vortrag in Kiel 1862. 118 ruffen: hoffen; gebrochen: suchen etc. Ronsard und die Plejade vernachlassigen den Reim zwar nicht ganz, be- handeln ihn aber mehr nebensachlich, Du Bellay wollte sogar nur vers libres, d. h. reimlose im Franzosischen ge- macht wissen, was aber dem "Wesen der franzosischen Dicht- kunst ganz zuwider sein wiirde. Wahrend Opitz nach Aufstellung der Regel fur den Reim ausruft: n "Welchem die Reime nicht besser, als so, von statten gehen, mag es kiihnlich bleiben lassen: Denn er nur die unschuldigen "Worter, den Leser und sich selbst dazu martert und qualet" sagt Ronsard vornehm: ,,Les vers sont seulement le but de 1'ignorant versificateur, lequel pense avoir fait un grand chef-d'oeuvre quand il a compose beaucoup de carmes ry- mez, qui sentent tellement la prose. . . ." Die Unterschei- dung mannlicher und weiblicher Versausgange ist auch ronsardisch. Opitz: n Das wir nun weiter fortfahren, so ist erstlich ein jeglicher VerB, wie sie die Frantzosen auch ab- theilen, entweder ein foemininus, welcher zu En.de ab- schiessig ist, und den Accent in der letzten Sylben ohne eine hat. . . . Oder masculinus, das ist, Mannlicher VerB, da der Thon auff der letzten Sylben in die Hohe steiget." Ronsard : ,,Apres a 1'imitation de quelqu' un de ce temps, tu feras tes vers masculins et foeminins tant qu'il te sera possible " ferner: ,,laquelle je veux que tu observes tant aux masculins qu'aux foeminns, de deux entieres et parfaites syllabes, ou pour le moins d'une aux masculins, pourveu qu'elle soit reson- nante, et d'un son entier et parfait." Ferner: ,,Les vers com- muns sont de dix a onze syllabes, les masculins de dix, les foeminins d' onze." Opitz hat zwar den gebrauchlichsten franzosischen Vers, den Alexandriner nicht in die deutsche Poesie ein- gefuhrt; denn schon Ernst Schwabe, der Anhaltiner Hubner und Paul Melissus haben sich seiner schon vor ihm bedient; durch seinen Einfluss jedoch hat er ihn bei uns zur Herr- 119 schaft gebracht, daneben auch den vers commun. Beide Verse, aus dem eigensten Wesen der franzosischen Sprache erwachsen und derselben daher erklarlicher Weise auch sehr angemessen, sind, wenn sie auch als eine dankenswerte Neuerung ihr Gutes gewirkt haben, dennoch im Grande dem Geiste der deutschen Sprache sehr zuwider und mussten daher nach ISOjahriger Herrschaft wieder aufgegeben werden. Die franzosischen Worter 1 ) sind nach der Anzahl ihrer Silben ein- zwei- oder dreisilbige; viersilbige befinden sich sehr in der Minderheit; funf- und mehrsilbige zahlen zu den Ausnahmen. Da der Rhythmus der franzosischen Sprache nach dem Ende der Worter und Satzglieder drangt, und weil eine einzelne Silbe kein rhythmisches Glied abgeben kann, so wird man unter einem franzosischen Versfufle eine Verbindung von 2, 3 oder 4 Silben verstehen konnen, von denen die letzte stark betont ist. In diesem Sinne wird ^ als Schema des Jambus '-*> ^ des Anapast ^ *--/> des Paon aufgefasst werden konnen. Obwohl die Zahl zweisilbiger Wortformen im Franzosischen sehr gross ist, so lasst sich von ihnen in den wenigsten Fallen ein Jambus bilden, wegen der meist dabeistehenden einsilbigerf Formworter, (Artikel, Proposition, Pronomen) wodurch sie zu Anapasten werden. Der Jambus fiigt siuh somit meist aus 2 ein- silbigen Wortern zusammen. Die Paonen sind entweder viersilbige Worter oder zusammengehorige Wortkomplexe, die hauptsachlich in Konjugationsformen des Verbs be- stehen. Es geht daraus hervor, dass der franzosische Ton- silbenvers ohne grosse Verluste an Sprachmaterial aus lauter gleichen Versfussen in umfangreicher Dichtung nicht ge- bildet werden kann, sondern zu Mischungen der oben be- zeichneten Versfusse genotigt sein wird (am besten wiirden 1) Lubarsch, a. a. 0. p. 54 u. ff. 120 sich Verse aus lauter Anagasten bilden lassen, well diese FiiBe sich am zahlreichsten darbieten, aber der Vers wtirde immer in lauter kleine dreisilbige Verslein auseinander- fallen); seine Einheit aber wird begriindet durch die vor- geschriebene Silbenzahl und den Reim, der die Tonsilbe am Ende des Verses ganz besonders hervorhebt und daher fur die franzosische Dichtung ein unerlasslichesErfordernis bleibt. Wenn 1 ) der franzosische Vers der dichterischen Sprache freie Beherrschung des Sprachmaterials gestatten soil, so muss er die gleichzeitige Verwendung eines jeden der 3 Versfusse erlauben; ein wohlklingender verlangt auch noch, dass die drei verschiedenen Versfusse in nicht zu bunter Weise durcheinandergeworfen werden, sondern dass der Vers auch im stande sei, einen moglichst gleichmassigen Ehythmus aufrechtzuerhalten. Nun schliesst der viersilbige die Verwendung des Anapast und der funfsilbige die Verwendung des Paon aus, der sechssilbige dagegen lasst nicht nur alle 3 Versmaasse zu, sondern er lasst sich auch aus lauter Jainben oder Anapasten bilden, erwirddarum unter denkiirzernVersen nicht nur der bequemste, sondern auch der harmonischte sein. Der sieben- und elfsilbige Vers lasst sich weder aus lauter Versfussen gerader Silbenzahl (Jamben und Paonen) noch aus lauter Anapasten bilden. Der neunsilbige laflt sich zwar aus lauter Anapasten, aber nicht aus lauter Versfussen gerader Silbenzahl bauen. Dem acht- und zehnsilbigen sind wieder die Anapaste fremd. Erst der zwolfsilbige Vers besitzt dieselben harmo- nischen Eigenschaften wie der sechssilbige. Dazu kommt noch, dass der ebengenannte Vers noch eine andere Forderung am vollkommensten erftillt, welche die Sprache an jeden Vers von grofierer Dimension stellt. Wollte man namlich den langern Versen die ganze 1) Lubarsch, a. a. 0. p, 65. 121 Freiheit in der Wahl ihrer Versfiisse lassen, so wiirde der Reim nicht mehr ausreichen, ihre rhytlimische Einheit aufrecht zu erhalten. Darum bestimmte man, dass ausser der Schlusssilbe am Ende des Verses noch eine bestimmte Silbe im Innern Tonsilbe sein solle, und diese ist die vor der Casur. Dieselbe ist um so vollkommener, je grossere syntaktische Selbstandigkeit sie den Satzgliedern gestattet, und je grosser die Mannigfaltigkeit der Versfiisse ist, die sie zulasst. Diese Bedingungen erfullen am besten der zehnsilbige mit der Casur nach der vierten und besonders der zwolfsilbige mit der Casur nach der sechsten. Nun wird uns die Thatsache 1 ) ganz natiirlich erscheinen, dass die franzosische Sprache seit den altesten Zeiten un- bewusst mit Vorliebe den zehnsilbigen Vers brauchte, ihn aber sofort aufgab, als sich ihr der zwolfsilbige darbot, der bis heute der herrschende geblieben ist. Von dem ge- wonnenen Standpunkt aus mtissen wir es auch als einen Fehler und als einen Riickschritt Ronsards ansehen, als er fiir grossere epische Dichtungen dem vers commun den Vorzug gab. Opitz hatte bei den Hollandern die Vorliebe fiir den Alexandriner eingesogen und bezeugt dadurch zwar wiederum eine Art Selbstandigkeit Ron sard gegentiber, aber wenig Verstandnis fiir die Forderungen seiner Mutter- sprache. Zunachst ist die Betonung der deutschen Worter eine sehr mannigfaltige, so dass sich alle denkbaren metri- schen Gebilde, nicht niir steigende, sondern auch fallende, leicht zusammenstellen lassen; das gibt der Sprache die Moglichkeit, langere Dichtungen aus lauter gleichen Vers- fiissen abzufassen. "Wird dadurch schon das sofortige Er- fassen des Rhythmus dem Ohre sehr erleichtert, so geschieht das noch mehr dadurch, dass der Iktus immer auf eine betonte Wortsilbe fallen muss; der deutsche Vers erhalt infolgedessen eine so feste Struktur ? dass man ihn fast dem 1) Lubarscli a. a, 0. p. 73, 122 quantitierenden antiken an die Seite stellen konnte. Die Folge davon ist, dass der Reim, obgleich er die musikalische Wirkung des Verses sehr untersttitzt, der deutschen Sprache nicht unentbebrlich ist, ferner dass die Casur gleichfalls nicht unabweisbares Erfordernis ist, jedenfalls aber den Vers nicht in zwei Halften teilen darf, weil derselbe bei dem strengen Einhalten derselben Versfusse fur das Ohr in zwei kleine Verse zerfallen wtirde. (Der franzosische Alexandriner bleibt bei der Mannigfaltigkeit von Versfuss- Kombinationen, die jede Vershalfte zeigen kann und wodurch der im Ohre haftende Rhythmus der ersten von der zweiten bis auf die Silbe vor der Casur und die Reimsilbe zerstort wird, immer fur das Ohr eine Einheit.) Wir lassen die betreffenden Auslassungen der beiden Dichter betreffs des zehn7 und zwolfsilbigen Verses folgen. Opitz: ,,Unter den Jambischen Versen sind die zu forderst zu setzen, welche man Alexandrinische, von ihrem ersten Erfinder, der ein Italiener soil gewesen seyn, zu nennen pfleget, und werden an statt der Griechen und Rorner heroische Verse gebraucht: ob gleich Ronsard Vers communs der gemeine Verse, von denen wir stracks sagen werden, hierzu ttichtiger zu seyn vermeinet; weil die Alexandrinischen, wegen ihrer Weitlaufftigkeit der unge- bundenen und freyen Rede zu sehr ahnlich sind, wenn sie nicht ihren Mann finden, der sie mit lebendigen Farben herauszustreichen weifi. "Weil aber dieses einem Poeten zustehet, und die, iiber welcher Vermogen es ist, nicht gezwungen sind, sich damit zu argern, unsere Sprache auch ohne diB in solche Enge der Worter, wie die Fantzo- sische, nicht kan gebracht werden, miissen und konnen wir sie an statt der heroischen Verse gar wohl behalten: inmassen dann auch die Niederlander zu thun pflegen." Ronsard, Des vers Alexandrins: ,,Les Alexandrins tiennent la place, en notre langue, telle que les vers hero'iques 123 entre les Grecs et les Latins, lesquels sont composez de douze a treize syllabes: les masculins de douze, les foeminins de treize; et ont tousjours leur repos sur la sixiesme syllabe, comme les vers communs sur la quatriesme. dont nous par- lerons apres." ,,11 ne faut t'esmerveiller, lecteur, dequoy je n'ay compose ma Franciade en vers Alexandrins, qu' autrefois en ma jeunesse, par ignorance, je pensois teiiir en nostre langue le rang des carmes hero'iques, encores qu'ils respon- dent plus aux senaires des tragiques qu' aux magiianimes vers d' Homere et de Virgile, les estimant pour lors plus convenables aux magnifiques argumens et aux plus excellentes conceptions de 1'esprit que les autres vers communs. Depuis, j'ay veu, cogneu et pratique par longue experience que je m'estois abuse; car ils sentent trop la prose tresfacile, et sont trop enervez et flaques, si ce n'est pour les traductions, aus- quelles, a cause de leur longueur, ils servent de beaucoup pour interpreter les sens de 1'autheur qu'on entreprend. Au reste, ils ont trop de caquet, s'ils ne sont bastis de la main d'un bon artisan, qui les face autant qu'il luy sera possible hausser comme les peintures relevees, et quasi separer du langage commun ..." Die Bestimmungen tiber den zehnsilbler sind auch fast wortlich aus Ronsard entlehnt. Opitz: ,,Die Reimen, deren "Weibliche VerB eilff Sylben, und die mannlichen zehen haben, nennen die Frantzosen Yers communs oder gemeine Verse, weil sie bey ihnen sehr im Branch sind. "Wie aber die Alexandrinischen Verse auff der sechsten Sylben, so haben diese auff der vierdten ihren Abschritt." Ronsard, Des vers communs: ,,Les vers communs sont de dix a onze syllabes, les masculins de dix, les fosminins d' onze, et ont sur la quatriesme syllabe leur repos ou reprise d'haleine, ainsi que les vers Alexandrins sur la fin des six. premieres syllabes." 124 Wie schon vorhin bemerkt worden, bediirfen langere franzosische Verse zur Wahrnng ihrer Einheit ausser der durcli den Reim und Ton hervorgehobenen Endsilbe noch einer andern im Innern des Verses an bestimmter Stelle, die immer stark bestont 1st; man nennt den Einschnitt, der notwendigerweise entstehen muss, Casur, obgleich die Bezeichnung Diarese besser ware, weil ja hier kein Wort zerschnitten wird, sondern "Wortfuss und Versfuss, wie im franzosischen immer, zusammenfallen. Die stets gehobene Silbe im 12silbigen Verse ist die sechste, im zehnsilbigen die vierte. Das Streben, die beiden Silben recht energisch hervorzuheben, hat in der franzosischen Dichtung schon sehr fruh die Tendenz erzeugt, ,,an Stelle der rhythmischen Gliederung 1 ) der gebundenen Rede eine vom Inhalt ab- hangige syntaktische oder grammatische zu setzen", da- durch das man ein System grammatischer Pausen an den hervorragendsten Stellen (Casur und Versende) des Verses obligatorisch machte. Mit Recht widersetzte sich Ronsard dieser Willkiir, welche nachmals, bis zur aussersten Kon- sequenz gebracht, dem franzosischen Verse verhangnisvoll werden sollte; denn zunachst wurde die Eindrucksfahigkeit des Rhythmus, der sich auf wechselnde betonte und unbetonte Silben griindet, gemindert, indem das rhythmische Gewebe den Inhalt kreuzen und durchsetzen, sich aber nicht mit dem grammatischen decken darf ; ferner wurde dem Schwung des Gedankens Gewalt angethan, indem der Satz, zu kurzen, einander stets gleichen syntaktischen Gliedem zusammen- gefasst, sehr oft einerseits zu den gewagtesten und un- natiirlichsten Wortstellungen gedrangt wurde, die unter dem Namen ,,Inversionen" der dichterischen Sprache des 17. Jahrhunderts anhaften, andrerseits durch die Notwendig- keit, den Vers zu fiillen, zur Einfiihrung von Flickwortern 1) Lubarsch, a. a. 0. p. 432 u. ff. 125 verleitet wurde; endlich wurden gewisse "Worter haufig gegen das Ende des Satzes und Verses gedrangt, wo sie oft als Reim wiederkehrten und ihn dadurch trivial machten. Das Gebot der syntaktischen Casur wurde zuerst von Malherbe zum Gresetz erhoben und durch Boileaus Einfluss befestigt. Er wurde jedenfalls durch solche Verse seiner Vorganger darauf gebracht, die nicht deshalb fehlerhaft waren, weil die Casur dem Sinne nach zusammengehorige "Worte trennte, sondern weil die Tonsilbe der "Worter vor der Casur fur diese wichtige Stelle zu schwach war; wenigstens zeigen die von ihm beanstandeten Verse fast immer diesen Fehler. Ronsard zeigt in der Behandlung der Casur vollige Freiheit; ihm folgen Daniel Heinsius mid M. Opitz. Ebenso tibereinstimmend ist ihr G-ebrauch in der ganzlicheii Vernachlassigung des spater zu so grosser Wichtigkeit aufgebauschten Verbots des Emjambements. Opitz sagt dariiher nur weniges; ,,So ist auch nicht von- nothen, daB der periodus oder sententz allezeit mit dem Verse oder der strophe sich ende: ja es stehet zierlich, wenn er zum wenigsten bifi zu des andern, dritten, vierdten Verses, auch des ersten in der folgenden strophe caesur behalten wird." Ronsard, Franciade: ,,J'ay este d'opinion, en ma jeunesse, que les vers enjambant 1'un sur 1'autre n'estoient pas bons en nostre poesie; toutesfois j'ay cognu depuis le coiitraire par la lecture des autheurs grecs et romains, comme Lavinia venit littera. Die Vorschrift Opitzens, r dafi die sechste Sylbe eine caesur oder Abschnitt haben mufi, u und zwar masculinae terminationis, n dafi sie entweder ein einsylbig Wort seyn, oder den Accent auf der letzten Sylben haben" soil, ist auch ronsardisch und war schon von Jean le Maire de Beiges vorbereitet und von Clement Marot in reiferen Jahren in 126 die Praxis zu tibertragen versucht worden. Ronsard be- miiht sich ernstlich ihr gerecht zu werden, sei es auch durch das etwas gewaltsame Mittel der Apokope. Opitz halt in dieser Beziehung die Casur gleichfalls sehr sauber. Vorztiglich auffallig ist die Anlehnung Opitzens an Ronsard in der Art und Weise, wie er seine Verse zu Reihen, Strophen oder andern Gesatzen ordnet. Hier ver- lasst er vollstandig die nationale Uberlieferung und begiebt sich auf ein ganz fremdes Gebiet; denn nicht nur die all- gemeinen Gesichtspunkte hat er adoptiert, um seine Strophen zu bauen, sondern er bleibt seinem Meister auch in alien Kleinigkeiten ein treuer Nachahmer. D. Heinsius war wenig fruchtbar in der Erfindung eigener Gesatze; Son- nette und Madrigale kommen neben den unstrophischen Lehrgedichten am haufigsten bei ihm vor. Eigentiimlich sind eine Anzahl kiirzerer Gedichte, die eine franzosische oder lateinische Seiitenz als Motto tragen und des brei- teren ausfiihren. Sie sind unter dem Namen w Amours" zusammengefasst. Opitz ist ihm in dieser Beziehung nicht gefolgt. Dagegen war Ronsard ausserst erfinderisch im Strophenbau und ist eigentlich als der Schopfer der neufranzosischen Strophe anzusehen. Malherbe, sein er- bitterter Kritiker, hat nichts weiter zu thun gehabt, als aus dem tiberkommenen Reichtum einiges herauszuschalen, besser zu gliedern, zu glatten und in feste Regeln zu bringen. Opitz erreicht seines Vorbildes Mannigfaltigkeit nicht, hat aber seinerseits einige neue Kombinationen hinzugefugt. Unstrophisch sind bei beiden Dichtern das Heldengedicht, das Idyll, die Elegie, Gedichte didaktischen Inhalts, die meisten Gelegenheitsgedichte, bei Ronsard auch einige Oden und Chansons. Dass dafur beliebteste Mass ist der Alexan- driner, dann auch der gemeine Vers mit paarweise gereimten, regelmassig abwechselnden mannlichen und weiblichen Reimen. Dass Ronsard in seiner Franciade den Zehn- 127 silbler gebrauchte, geschah nur auf Wunsch seines konig- liclien Gonners Karls IX., der fur diesen Vers eine besondere Vorliebe hegte. Im Abrege 1 ) spricht er die Absicht aus, sein Gedicht in ein anderes Mass umzusetzen, und so stimmt er im Grunde auch hierin mit Opitz tiberein, der den Alexandriner fur den passendsten epischen Vers hielt. Fur den Strophenbau lassen sich gewisse gemeinsame leitende Gesichtspunkte bei Ronsard und Opitz, wenn sie in ihren Anleitungen zur Uebung der Poesie auch nicht ausdriicklich dargelegt sind, doch sofort erkennen. Zu- nachst werden in. Stroplien aus gleichlangen Versen niemals kiirzere als zu sechs Silben gebraucht, und zwar sind die- selben am beliebtesten in vielzeiligen Strophen, damit der Wortgehalt nicht zu gross werde und die Wirkung des Reimes dariiber nicht veiioren gehe. Bei Mischungen von verschiedenen Versen meiden es die beiden Dichter, sehr lange auf sehr kurze folgen zu lassen. Das alte Gesetz der Dreiteiligkeit, das in der altfranzosischen Strophe zum grossten Teil, in der mittelhochdeutschen fast immer beob- achtet, ja noch zu Opitzens Zeit von den Meistersingern mit Strenge aufrecht erhalten wurde, ist aufgegeben; die Strophe ist entweder zweiteilig oder sie lasst sich gar nicht zerlegen. Ebensowenig wird das spater aufkommende Gesetz beachtet, dass mit jeder Strophe ein Abschluss des Sinnes eintreten muss. Die Lange der Strophen variiert zwischen 4 14 Versen, doch findet sich bei Ronsard eine Strophe zu 17 Versen und bei Opitz in der ,,Schaferei u eimal ein Gedicht in Terzinen- und eins in Sestinenform. Dieselbe Strophe geht bei Opitz immer durch das ganze Gedicht, bei Ronsard zeigt sich daneben ein paarmal auch ein regelmassiger Wechsel von zwei verschiedenen. Weder Ronsard noch Opitz kennen die Vorschrifb, dass jede Strophe 1) in einer jedenfalls spiiteren hinzugefiigten Notiz. 128 mit einem Reime entgegengesetzten Geschlechts beginnen musse. Wenn Strophen aus verschiedenen Versen zusammen- gesetzt sind, so wird durchgehends daran festgehalten, nicht mehr als zwei Metren zu verbinden; bei Ronsard finden sich nur zwei Ausnahmen (Bd. II. p. 144 und p. 430), bei Opitz eine Ausnahme (Pss. Frkf. p. 190). Die Richtigkeit des soeben Ausgefiihrten wird jedoch besser hervortreten, wenn wir die bei Ronsard vorkommenden Strophengebaude neben die stellen, deren sich Opitz bedient hat. Die kleinste Strophe besteht mit Ausnahme der schon angefiihrten Terzine bei Opitz aus vier Versen. Entweder sind a) die Verse gleich lang, dann sind es 1. Verse zu 12 Silben. Ronsard: x ) Ainsi que ceste eau coule et s'enfuit parmy 1'herbe, Ainsi puisse couler en ceste eau le souci Que ma belle maistresse, a mon rnal trop superbe, Engrave dans mon coeur sans avoir mercy. Opitz: 2 ) 1st scbon dein roter Mund den edlen Rosen gleiche, Wird er sich andere zu kiissen unterfangen, So wiintsch' ich daC er doch dir also sehr verbleiche, Als mir durch Liebespein sind worden meine Wangen. 2. Verse zu 10 Silben. Ronsard: 3 ) Je veux chanter en ces vers ma tristesse, Car autrement chanter je ne pourrois, Veu que je suis absent de ma maistresse; Si je chantois autrement je mourrois. Opitz: 4 ) Wann man dir sagt, solt du zum besten wenden, Und wie du kanst defi Nechsten seine Schuld Beiseite thun, und tragen mit Gedult; Zum loben schnell', und langsam seyn zum schenden. 1) Bd. I, p. 357. 2) Opitz 1690 II, p. 235. XIII. Epigramm. 3) Bd. I, 153. 4) Opitz 1090 II, p. 233. 129 Eonsard: Opitz: 2 ) Eonsard: 3 ) Opitz: 4 ) 3. Verse zu 8 Silben. ) Ny la fleur qui porte le nom D'un mois et d'un dieu, ny la rose, Qui dessus la cuisse d'Adon D'une playe se vit esclose; Di Ort mit Baumen gantz umgeben, Da nicbts als Frucht' und Schatten schweben, Da Traurigkeit sicb bin verfiigt, Da alles wlist' und ode liegt .... 4. Verse zu 7 Silben. Si jaime depuis naguiere Une belle chambriere, Je ne suis a blasmer De si bassement aimer. Jetzund kompt die Nacbt herbey, Vieh und Menschen werden frey, Die gewuntscbte Rub gebt an; Meine Sorge kompt heran. Eonsard : 5 ) Opitz: 6 ) 5. Verse zu 6 Silben. Des-Autels, qui redore Le langage francois, Oy ce ce vers qui honore Mon terroir vendomois. Die Sonn' hat sicb verkrocben, Der Tag ist gantz dahin, Der Mond' ist angebrocben, Die Arbeit, Trosterin. 1) Bd. II, p. 167. 2) 1690 II, p. 163. 3) Bd. II, p. 166. 4) 1690 II, p. 192. 5) Bd. II, p. 154. 6) 1690 H, p. 87. 130 b) oder die Verse sind von verschiedener Lange ; dann treten zusammen bei Ronsard: 1. Verse von 12 und 6 Silben; Opitz bietet kein Beispiel. 2. Verse von 10 und 8 Silben; solche Strophen giebt es bei Opitz ebenfalls nicht. 3. Verse zu 10 und 6 Silben. Ronsard: x ) O grand' beaute, mais trop outrecuidee Des presens de Venus, Quand tn voirras ta face estre ridee Et tes flocons chenus. Bei Ronsard ist die Anordnung entweder 6. 10. 10. 6 oder 10. 6. 10. 6. a b~ b~ a a~ b a"" b Opitz: 2 ) Nachdem ich aber lag in meinem oden Bette, Sucht' ich mein edles Licht, Und sucht' ob ich den Liebsten bei mir hatte, Ich fand ihn aber nicht. Opitz kennt nur die Ordnung 10. 6. 10. 6. a 1 " b a"" b. 4. Zu 8 und 7 Silben: Bei Opitz Liicke. 5. Zu 8 und 6 Silben: Ebenso. 6. Zu 6 und 4 Silben. Ronsard: 3 ) Le jour pousse la nuit, Et la nuit sombre Pousse le jour qui luit D'une obscure ombre. 1) Bd. II, p. 213. 2) 1690, IK, Hohes Lied, p. 14. 3) Bd. II, p. 219. 131 Ron sard hat zwei Kombinationen 6. 4. 6. 4 und 6. 6. 6. 4. a b~ a b~ a~ a" b b. Opitz: J ) Ach liebste, lafi uns eilen Wir haben Ze ; t, Es schadefc uns verweilen Uns beyderseit. Opitz hat nur die Kombination 6. 4. 6. 4. a" b a"" b. In Bezug auf die Reime ist das Verfahren beider hier ganz tibereiiistimmend. Es giebt keine Verschrankung bei Opitz, die sich nicht auch bei Ronsard findet. Meist wenden beide die rimes croisees an: a b~ a b~ oder a~ b a"" b oder a b" b" a oder a~ b b a". Indessen giebt es auch Strophen mit rimes plates mit rein mannlichen oder rein weiblichen Ausgaiigen: a a b b oder a b a b oder a" a~ b~ b~. Schliesslich gibt es auch eine betrachtliche Anzahl von Strophen, die in alien Stiicken, Silbezahl der Verse, Reimverschlingungen und in der Anordnung mann- licher und weiblicher Reime ubereinstimmen. Die Oden Bd. II, p. 483 und die Chanson Bd. I, p. 357 sind voll- kommen den Epigrammen 2 ) I, XV, XVII, XVIH, XX, XXIV, XXVIII, XXXIII, XXXIV, XXXVIII, XL und dem 104. Psalm gleichgebaut (Alex. a~ b a~ b). Die Chansons Bd. I, p. 212 und 263 mit den Sonntags- episteln p. 96 und Psalm 85 (vers communs a b~ b"" a). Die Oden Bd. II, p. 197, 356, 439, 450, 470 mit Ode P. W. p. 203 (Vers zu 8 Silben a b~ a b~); die Oden Bd. II, p. 289, 486, 487 und die Chanson Bd. I, p. 172 mit P.W. p. 163 und 259 (a~ a~ b b). 1) 1690 II, p. 194. 2) 1690 Bresl. 9* 132 Vergleicht man die Strophen zu 5 Versen, so fiiidet man a) bei Versen gleicher Lange bei Ronsard Gebinde 1. zu 12 Silben; Bei Opitz Liicke. 2. zu 8 Silben. Ronsard : *) Mais que me vaut d'entretenir Si cherement un souvenir Qui, hoste de mon coeur, le ronge, Et tousjours me fait devenir Reveur comme un homme qui songe? Opitz: 2 ) Ihr durffet euch gar nicht betriiben, Weil wir das thun der Welt nicht uben, Dafi euch die Welt auch haCt und krenckt : Das Leben wird uns jetzt geschenckt, Weil wir die Briider wollen lieben. 3. zu 7 Silben: Bei Opitz Liicke b) Von Versen ungleicher Lange sind bei Ronsard vereint: 1. der zu 10 mit dem zu 8 Silben; Opitz Lticke. 2. der zu 8 mit dem zu 4 Silben. Ronsard : 3 ) Quiconques ait mon livre pris, D'oresnavant soit-il epris D'une fureur, tant qu'il luy semble Voir au ciel deux soleils ensemble, Comme Penth^e ! Opitz: 4 ) Ich muC mit Dancke Gott erheben, Umb dafi er seine Giitigkeit Euch mitgetheilet dieser Zeit, Und hat in Christo recht zu leben, Den Geist gegeben. 1) Bd. II, p. 258. 2) 1690 III, p. 129. 3) Bd. II, p. 459. 4) 1690 Episteln, p. 142. 133 Gemeinhin haben beide Dichter in diesen Strophen nur zwei Reime, die meist in derselben "Weise verschrankt sind. Zweimal hat Ronsard drei Reime; danii reimt aber der dritte mit einer Zeile der folgenden Strophe. Auch hier zeigen zwei Strophen genaue Ubereinstimmung: Ode Bd. II, p. 258 mit Epistel p. 143 u., doch ist das Geschlecht der Reime entgegengesetzt. Die sechszeiligen Gesatze scheinen bei beiden Dichtern ausserst beliebt zu sein; denn aus ihnen besteht nicht nur die tiberwiegende Mehrzahl der Gedichte, sondern sie bieten auch die grosste Mannigfaltigkeit in der Zusammensetzung dar. Opitz hat in einer Epistel p. 146 drei verschiedene Verse verwandt. a) Strophen aus Versen gleicher Lange. Es werden dazu verwandt: 1. Verse zu 12 Silben. Ronsard: *) Escoute, du Bellay, ou les Muses ont peur De 1'enfant de Venus, ou 1'aiment de bon coeur, Et toujours pas a pas accompagnent sa trace ; Car, si quel qu'un ne veut les Amours desdaigner, Toutes a qui mieux-mieux le viennent enseigner, Et sa bouche mielleuse emplissent de leur grace. Opitz: 2 ) Als durch das schone Liecht der Sonnen ward gebracht Der Pfingsten grofier Tag, kam eines Sturmes Macht Hoch aus den Wolcken ber mit einem grossen Sausen, Das Haufi, das gantze HauB ward zitternd vor dem Prausen, In dem der Jiinger Volck, die aufierwahlten Scbaren, In Hoffnung, in Gedult und Trost besammen waren. 2. Verse zu 10 Silben; Ronsard zeigt Lticke. 1) Bd. II, p. 170. 2) 1690, Episteln, p. 126. Eonsard: Opitz: 2 ) Eonsard : 3 ) Opitz: 4 ) Eonsard: 5 ) 134 3. Verse zu 8 Silben. La mercerie que je porte, Bertrand, est bien d'une autre sorte Que celle que 1'usurier vend Dedans ses boutiques avares, Ou celles des Indes barbares Qui enflent 1'orgueil du Levant. "Wol dem der weit von hohen Dingen Den FuB stellt auff der Einfalt Bahn ; Wer seinen Muth zu hoch wil schwingen, Der stost gar leichtlich oben an. Ein jeder lobe seinen Sinn, Ich liebe meine Schafferin. 4. Verse zu 7 Silben. Cassandre ne donne pas Des baisers, mais des appas Qui seuls nourissent mon ame, Les biens dont les dieux sont fous, Du nectar, du sucre dous, De la cannelle et du bame. Venus, komm und freue dich, Der so lange Jahre sich Deinen Krafften hat erwehret, Lernet itzt bestandig seyn, Willigt deinem Willen ein, Der ihm seinen umbgekehret. 5. Verse zu 6 Silben. La lune coustumiere, Renaistre tous les mois ; 1) Bd. II, p. 114. 2) 1690, P. W., 190. 3) Bd. II, p. 145. 4) 1690, P. W., p. 74. 5) Bd. II, p. 141. 135 Mais, quand nostre lumiere Sera morte une ibis, Longtemps sans reveiller Nous foudra sommeiller. Opitz: J ) Wenn jetzt dieselbe Tugend Sich regte noch bey mir, Da ich nicht sender ziehr In meiner ersten Jugend Zuweilen also sang DaB Feld und Wald erklang. bj Sind die Verse von verschiedener Lange, so treteu folgende Kombinationen ein: 1. 12 und Gsilbige Verse. Ronsard: 2 ) Amour, dy-moy, de grace (ainsi des bas humains Et des Dieux soit tousjours 1'empire entre les mains) Qui te fournist de fleches, Yeu que tousjours colere en mille et mille lieux Tu pers tes traits es coeurs des hommes et des dieux Empennez de flameches? Versstellung 12. 12. 6. 12. 12. 6. Opitz: 3 ) Die Thranen voller Angst die Seufftzer mannigfalt, Die Augen roth als Blut, die traurige Gestalt, Ihr Eltern, und die klagen Vor euer treues Kind MuB jedermann nur sagen, DaB sie nicht unrecht sind. Versstellung: 12. 12. 6. 6. 6. 6. 2. 10 und Ssilbige. Ronsard : 4 ) Tableau, que 1'eternelle gloire D'uri Apelle avourait pour sieii, 1) 1690, P. W., 75. 2) Bd. I, p. 175. 3) 1690, P. W., p. 116. 4) Bd. II, p. 410. 136 Ou de quelqu' autre dont 1'histoire Celebre le nom ancien, Tant ta couleur heureusement parfaite A la nature en son mort contrefaite; Versstellung: 8. 8. 8. 8. 10. 10. Opitz: 1 ) Das, was ihr solt einander schuldig seyn, Sey lieben ohne falschen Schein: Wer Liebesgunst mit Liebesgunst vergilt, Der hat schon 'das Gesetz erfiil.lt. Die Liebe bleibt, sie ist es die der Welt Und auch dem Himmel selbst gefallt. Versstellung: 10. 8. 10. 8. 10. 8. 3. 10 und 6 silbige. Ron sard: a ) Quand j'estois libre ains que 1'amour cruelle Ne fust esprise encore en ma mouelle, Je vivois bien-heureux; Comme a 1'envy, les plus accortes filles Se travailloient, par leurs flames gentilles, De me rendre amoureux! Opitz: 3 ) Meint nicht ihr habt der Klugheit gar zu viel, Auch dencket nicht den der euch ubel will, Mit Vbel zu belohnen LaBt Ehrbarkeit sehn gegen jedermann : Schaut alle Welt, so viel es nur seyn kan, Mit Zancke zu verschonen. Ronsard und Opitz haben hier dieselbe Kombination 10. 10. 6. 10. 10. 6. 4. 8 und 7 silbige; Bei Opitz Liicke. 1) 1690, Episteln, p. 102. 2) Bd. I, p. 214. 3) 1690, Episteln, p. 102. 137 5. 8 und 6 silbige. Ronsard: *) L'inimitie qne je te porte Passe celle, tant elle est forte, Des agneaux et des loups, Vieille sorciere des-hontee, Que les bourreaux ont foiiettee, Te decoupant de coups. Versstellung: 8. 8. 6. 8. 8. 6. Opitz: 2 ) Cunrad, den Apollo liebt! Als Artzt und als Poeten, Bestiinde Kunst die er dir gibt Und Witz fur Todesnothen, So lebte deines Hertzen Ziehr, Dein bester Trost, wol stets bey dir. Versstellung: 8. 6. 8. 6. 8. 6. 6. 8 und 3 silbige: Opitz hat Liicke. 7. 7 und 3 silbige. Ronsard: 3 ) Prince, tu portes le nom De renom Du prince qui fut raon maistre, De Charles, en qui les Dieux Tout leur mieux Pour chef-d'oeuvre firent maistre. Versstellung: 7. 3. 7. 7. 3. 7 oder 3. 3. 7. 3. 3. 7. Opitz: 4 ) Es sind unterschied'ne Gaben Die wir haben, Nach der Gnade die Gott giebt: Der, dem er zu Propheceyen Will verleyhen, Schawen dafi er es recht iibt : Versstellung: 7. 3. 7. 7. 3. 7. 1) Bd. H, p. 157. 2) 1690, P. W. p. 122. 8) Bd. II, p. 190. 4) 1690, Episteln, p. 100. 138 Von Reimen gibt es bei beiden durchweg nur 3, die bei Opitz meist nach der Art Ronsards gestellt sind, einige andere Kombinationen sind von ihm erdacht. Auch hier giebt es eine Reihe vollig gleicher Strophensysteme, die wir ihrer grossen Zabl wegen hier nicht namhaft machen konnen. Entweder sind es Gebinde aus Versen zu acht Silben mit der Reimstellung a a b" c c b", oder a"" b a~" b c c, oder zu sieben Silben mit der Reimstellung a~ a~ b" a~ a"" b"", oder zu 6 Silben mit der Reimstellung a" a" b a^ a" b, oder a a b" c c b". Von Strophen, die aus ver- schiedenen Versen gebildet sind, stimmen die Lied Bd. I, p. 214 mit den Episteln, p. 102 und 128 (Verse zu 10 und 6 Silben) und die Ode Bd. II, p. 190 mit der Epistel p. 100 (Verse zu 8, 7 und 3 Silben), doch ist das Geschlecht der Reime entgegengesetzt. Strophen zu sieben Zeilen sind bei Ronsard sehr selten und finden sich bei Opitz nur dreimal in Kombi- nationen, fur die sich bei Ronsard kein Muster findet. "Was die achtzeilige Strophe betrifft, so findet man a) bei Versen gleicher Lange 1. JOsilbige verwandt. Ronsard: J ) Lyre doree ou Phebus seulement Et les neuf Soeurs ont part egalement Le seul confort qui mes tristesses tue, Que la danse oit. et toute s'evertue De t'obeyr et mesurer ses pas Sous tes fredcms mignardes par compas, Lors qu'en bruyant tu marques la cadance D'un avant-jeu le guide de la danse. Opitz: 2 ) Erzehle mir, ihr, derer Rede geht, DaB ihr wol kennt was im Gesetze steht, 1) Bd. II, p. 127. 2) 1690, Episteln, p. 112. 139 Und pfleget euch allzeit darmit zu iiben: Wifit ihr was sey von Abraham geschrieben ? Die Magd bracht' ihm den einen an das Liecht, Den andern Sohn der freyen Ehepflicht, Der von der Magd 1st fleischlich nur geboren, Den andern hat ihm Gottes Gunst erkohren. 2. Ssilbige Ronsard: *) Mon Dieu! que malheureux nous sommes! Mon Dieu! que de maux en un temps Offensent la race des hommes, Semblable aux fueilles du printemps, Qui vertes dedans 1'arbre croissent, Puis, dessous 1'automiie suivant, Seiches, a terre, n'apparoissent Qu' un jouet remoque du vent. Opitz: 2 ) Auff, auff, wer Teutsche Freyheit liebet, "Wer Lust fur Gott zu fechten hat; Der Schein den mancher von sich giebet Yerbringet keine Bitter-that. Wann fug und Ursach ist zu brechen, Wann Feind nicht Freund mehr bleiben kan, Da muB man nur von sehen sprechen, Da zeigt das Hertze seinen Mann. 3. 7silbige Ronsard : 3 ) J'ay 1'esprit tout ennye D'avoir trop estudie Les Phenomenes d'Arate : II est temps que je m'esbate Et que j'aille aux champs jouer. Boiis dieux! qui voudroit louer Ceux qui, collez sur un libre, N'ont jamais soucy de vivre ? 1) Bd. II, p. 152. 2) 1690, P. W., p. 210. 3) Bd. II, p. 162. 140 Opitz: 1 ) Liebster Freund, nacu dem ich mir Sehr gewiinschet fiir and fur, Seit dir an des Neckers Strande Auch gefiel ein hiibsches Bild, Und die Sylvia mich hielt In gewiindschtem Liebesbande, Ehe Mars zu Felde bliefi, Und das arme wandern hieC. 4. 6 silbige. Eonsard : 2 ) Quand la Guyenne errante S'arma centre son roy, Le dieu de la Charente, Fasche de tel desroy, Aresta son flot coy, Puis, d'une bouche ouverte, A ce peuple sans loy Prophetisa sa perte: Opitz: 3 ) Was wolt' ich lieber schreiben Als euch ein Eh r en-Lied, Und solches einverleiben Der Zeit die immer bliiht? Ihr kennet mein Gemuthe, O Vater gar zu wol! Mein Kindliches Gebliitne 1st aller Treue voll. b) Sind die Strophen aus verschiedenen Versen zu- sammengesetzt so werden (mit Ausnahme der Ode Bd. II p. 444: 10. 10. 10. 4. 4. 6. 10. 6) nur zwei Metren ange- wandt und zwar folgende Kombinationen : 1. 12 und 6 silbige Zeilen; Bei Opitz Liicke. 2. 10 und 6 silbige; Ronsard zeigt Lticke. 1) 1690, P. W., p. 61. 2) Bd. n, p. 143. 3) 1690, P. W., p. 78. 141 3. 8 und 6silbige. Ronsard: *) Loir dont le cours heureux distille Au sein d'un pays si fertile, Fay bruire mon renom D'un grand son en tes rives, Qui se doivent voir vives Par 1'honneur de mon nom. Ainsi Tethys le puisse aimer Plus que nul entre en la mer! Versstellung: 8. 8. 6. 6. 6. 6. 8. 8. Opitz: 2 ) wol dem der die rechte Zeit In alien Dingen siehet, Und nicht nachdem was allbereit Hinweg ist sich bemuhet, Der kennet was er lieben soil, Und was er soil verlassen ; Er lebet frey und allzeit wohl, Und darff sich selbst nicht hassen. Verstellung: 8. 6. 8. 6. 8. 6. 8. 6 oder 6. 8. 8. 6. 6. 8. 8. 6. 4. 7 und lOsilbige; Bei Opitz Liicke. Stroplien zu neun Zeilen sind bei Ronsard selten und fehlen bei Opitz ganzlich. Strophen zu zehn Zeilen kommen ein- zeln bei beiden Dichtern vor; bestehen sie aus Versen gleicher Lange, so wird der sechssilbige verwandt, bei ge- mischten Metren sind auch langere Verse gestattet. Ganz einzeln sind die Strophen zu zwolf Zeilen. Sie sind immer aus Versen gleicher Lange gebaut, und zwar sind die kur- zern beliebter. Strophen zu dreizehn Zeilen fehlen ganz, die Strophe zu vierzehn Zeilen ist dagegen sehr haufig und ist das im 16. und 17. Jahrhundert so sehr beliebte Sonett; entweder besteht es aus lauter zwolfsilbigen, oder aus drei- zehnsilbigen Versen mit der bekannten feststehenden Eeim- 1) Bd. II, p. 425. 2) 1690, P. W., p. 208. 142 stellung. Opitz schliesst sich bei der Abfassung seiner Sonnette ganz eng an Ronsard an, was um so weniger Wunder nehmen darf, als ja eine betrachtliche Anzahl ei- gentlich nur aus Ronsard iibersetzt ist, wie oben gezeigt worden. Die Sonnette bestehen aus zwei Quatrains mit der Reimstellung a. b. b. a. und a. b. b. a. und zwei Ter- zetten mit beliebiger Verschrankung; die iiblichste ist: c. c. d. e. e. d. Nach dem Vorgange Ronsards hat sich Opitz auch an die sogenannte pindarische Ode herangewagt; aber mit noch weniger Gliick als sein Meister. Beide haben es darum auch in der Folge aufgegeben, in dieser Form zu dichten. Die Gestalt der Ode ist bei Ronsard und Opitz dieselbe: sie besteht aus Strophe und Antistrophe, die im Bau genau stimmen miissen und der Epode, die gewohnlich kiirzer ist und auch im Bau abweicht. Bei weiterer Fortsetzung des Gedichts miissen sich alle andere Strophen und Antistrophen nach der ersten Strophe und alle weiteren Epoden nach der ersten Epode richten. Die Ode P. W., p. 89 stimmt genau mit der Ode Bd. II., No. 11 bei Ronsard uberein. Opitz: ,,In den Pindarischen Oden, im Fall es jemanden sich daran zu machen geliebet, ist die argocpi] frey, und mag ich so viel Verse und Reimen darzu nehmen, als ich will, sie auch nach meinem Gefallen eintheilen und schrencken: avTtGiQocpr ( aber mufi auf die oi^ofp^ sehen, und keine andere Ordnung der Reimen machen, (-rrydos ist wieder un- gebunden." Ronsard: ,, Quant aux vers Lyriques, tu feras le premier couplet a ta volonte, pourveu que les autres suivent la trace du premier." tlber die sapphischen Oden, mit denen sich Antoine de Ba'if so ausserordentliche, aber vergebliche Mtihe gegeben hat, aussert sich Opitz wie folgt; er selbst hat uns keine 143 hinterlassen, dagegen bei Ronsard zwei bis drei als solche ausdriicklich bezeichnet. Opitz: ,,Die Sapphischen Gesange belangend, bin ich des Ronsards Meynung, dass sie, in unserer Sprachen son- derlich, nimmermehr konnen angenehme seyn, wann sie nicht mit lebendigen Stimmen, und in musicalische Instrumente eingesungen werden, welch e das Leben und die Seele der Peterey sind. Denn ohne Zweifel wann Sappho hat diese Verse gantz verzucket, mit ungeflochtenen fliegenden Haaren und lieblichen Anblicke der verbuhlten Augen, in ihre Cither, oder was es gewesen ist, gesungen, hat sie ihnen mehr Anmiitigkeit gegeben, als eine Trompeten und Paucken den mannhafftigen und kuhnenVersen,die ihrLands- mann Alcaeus, als er ein Kriegs-Oberster gewesen, erdichtet hat. Zum Exempel gleichwohl will ich zwey Strophen des Ronsards herschreiben. u Ronsard: ,,Les vers sapphiques ne sont, ny ne furent ny ne seront jamais agreables, s'ils ne sont chantez de voix vive, ou pour le moins accordez aux instrumens, qui sont la vie et 1'ame de la poe'sie. Car Sapphon chantant ces vers ou accomodez a son cystre, ou a quelque rebec, estant toute rabuffee, a cheveux mal-agencez et negligez, avec un contour d'yeux languissants et putaciers, leur donnoit plus de grace que toutes les trompettes, fifres et tambourins n'en donnoient aux vers masles et hardis d'Alcee, son ci- toyen et comptemporain , faisant la guerre aux Tyrans." Opitz hat, wie ersichtlich, das Ganze aus Ronsard entlehnt; und dabei ist ihm ein kleiner Irrtum mit untergelaufen. Er tibersetzt ,,Alcee, son citoyen et comtemporain faisant la guerre au Tyrans" ganz naiv mit: ,,ihr Landsmann Alcaeus, als er ein Kriegsoberster gewesen'', wahrend diese partizipiale Apposition grammatisch nicht anders bezogen werden kann, als auf eine bleibende Eigenschaft von Alcaus, und zwar auf die Tendenz seiner Poesie. (cf. Fritsche a. a. 0.) Beriehtigungen. Durch ein Missverstandnis sind die 3 ersten Bogen vor der letzten Durchsicht abgedruckt worden, es sind daher nachtraglich folgende Beriehtigungen zu machen: p. 2 15 in Bezug statt in bezug. p. 438 thunlich st. tunlich. p. 633 Strehlkes st. Strehlke's. p. 8 2 gleiche p. 8 4 Verse st. Worte. p. 8 5 auf aller Erden. p. 8 unten P. W. p. 89. p. 12 26 ,,er . . . bis 2 9 lassen" in Anfiihrungsstriche. p. 12^ vor ,,Hellere Anfgst. p. 12 unten Muth a. a. 0. p. 8. p. 17^ ,,Die 18 4 gestellt" in Anfrgst. p. 19 10 zu Antriebe unten : Fritsche a. a. O. p. 12 u. 13. p. 22 t Citaten st. Zituten. p. 23 6 Anfrgst. oben. p. 24^ Oppianus. p. 25 25 ,,denn erreichen". p. 26 9 in Anfrgst. p. 27 3 ,,Genuss Weiber." p. 27 9 ,,um n die", p. 30 27 30 in Anfrgst. p. 32j ,,Aus 8 ist". p. 33 2 g Konturen statt Contouren. p. 34 Abschnitt 2, 3. 4 in Anfrgst. p. 36 13 M dass 16 ist u . p. 37 10 mernora". p. 37 Abschnitt 3 in Anfrgst. p. 38 15 montagnes st. de m., 16 nombre st. nombres. p. 39i 9 ,,Eine 29 Poesie". p. 41 6 ,,Im 28 Kiirze". p. 43 2 7 ,,dass 29 ^ u - P- ^5 6 ,,wo 10 warden", p. 4623 wahrend 2 7 helfen". p. 47 15 Panckete st. Banckete, 28 poe'sie st. P., 29 lyrique st. L.. 31 pbilosophie st. Ph. p. 48 2 poetique st. Poetique. p. 664 wann st. wenn. p. 70 12 Frolig- keit st. Frohligkeit. Tliesen. 1. Die Schuld, dass die Hiatusregel lieute viele Ungereimt- heiten enthalt, trifft nicht Malherbe, sondern die starren Anhanger des Klassizismus. 2. M. Opitz ist unmittelbarer Nachahmer Eonsards; nicht nimmt D. Heinsius eine vermittelnde Stellung em. VITA. ^Natus sum Ricardus Henricus Ludovicus Conradus Bechlierrn in vico cui nomen est Stermvalde hand procul db urbe Sensburg sito, a. d. VII Id. Aug. MDCCCLII1, a patre Ludovico, matre Bertha e gente Schulz, quos adhuc vivos esse laetor. Tidei addictus sum evangelicae. Loetzae litterarum initiis imbutus in puerorum ludo, mense Oct. a MDCCCLXXI in I. classem gymnasii Rastenburgensis, quod turn fiorebat directors Jahn elegantissimi ingenii viro, receptus sum, unde auctumno anni MDCCCLXXIV testimonium maturitatis adeptus Regimontium me contuli, ut in studiis litterarum tempus operamque collocarem. Audivi per quinque annos non continuos nam complures annos inopia omnium rerum coactus litterarum studium intermiseram viros illustrissimos hos: Fried lander, Jordan f, Kissner, Lehrs f, Qnd- bicker f, Schade, quibus omnibus gratias ago agamque quam maximas. Denique anno MDCCCLXXXIII facilitate docendi instructus Dirsoviam in oppidulum Prussiae occidentalis missus sum, ut duce rectore Killmanno annum tirocinii dbsolverem. Deinde per breve tempus in puerorum ludis, qui sunt Mariae Insulae et Qollnaviae, in Pommeroniae oppidulo, magistri munere functus a civitate Thorunensi accitus sum, ut in scliola puellarum publica litteras et res divinas legis christianae docerem. UNIVERSITY OF CALIFORNIA, LOS ANGELES THE UNIVERSITY LIBRARY This book is DUE on the last date stamped below AW* 13 1951 NOV 2 MAIN APR 1 1 A.M. 7I8 9 110111132 ED tN DESK WCw OF C AT WS ANGELK* UC SOUTHERN REGIONAL LIBRARY FACILITY PLEASE DO NOT REMOVE BOOK CARD 1 University Research Library