Sa a 2 8 i) yp — — A = > * — . ce Ss . = > De 2 Yee a . ai >>> tC | ln Hibliothek des Frohſinns. — —ů—— Auswahl von Meiſterſtücken der komiſchen Literatur. Zweile abgekürzle Auflage. Drittes Bändchen. Stuttgart 1854. Verlag von Heinrich Köhler. nz ¥ By ig cage von out. * den site 5 8 * * 1 * * P by ee 9 401 * 4 * ar * b 7 — . 0 * i Pen * ire * eo Scherzhafte Auekdoten. er Erſter Theil. 3 PEI 365003 wf, Kyau, 1. Ward geboren zu Oberſtrohwalde in der Oberlauſitz den 5. Mai 1654. Sein Vater, der wackere Kurbrandenburgiſche Oberſtwachtmeiſter, Heinrich Adolph von Kyau, war weniger begütert als bekindert; Fritz zählte in ſeinem ſiebzehnten Jahre nicht weniger als ſechzehn Ge— ſchwiſter, Veranlaſſung genug für ihn, das väterliche Haus zu ver— laſſen und ſein Glück zu verſuchen. Er wählte den Soldatenſtand, und begab ſich zu den Fahnen des großen Kurfürſten von Brandenburg, welchen bis daher ſein Vater mit Ruhm und Ehre gefolgt war. : „,, 2 Kyau wohnte allen Feldzügen des großen Kurfürſten gegen die Schweden bei, focht als Musketier in der Schlacht bei Fehrbellin 1675 und half das Jahr darauf Anclam erſtürmen. Er diente 1677 in der Belagerung von Stettin, wo ſich, während der ſechs Monate, als ſo lange die Belagerung dauerte, alle Mühſeligkeiten des gemeinen Sol— daten über ihn häuften. Die Strapazen des Dienſtes waren kaum zu ertragen, und öfters drückte ſchrecklicher Mangel die braven Krieger; doch blieb Fritz immerdar munter und geſund, denn er war nicht mit Milchbrod und Kaffee groß gefüttert, und wenn wir ſeinen Lobrednern Glauben beimeſſen dürfen, ſo zeichnete er ſich ſchon damals durch Tapferkeit ſowohl als durch Geduld vor vielen ſeiner Kameraden aus. Er ſprach in ſeinen ſpätern Jahren jederzeit mit beſonderem Ver— Bibl. d. Frohſinns. III. 1 2 gnügen von dieſer Belagerung und geſtand, daß er während derſelben mehr gelernt habe als mancher Officier in einer langen Reihe von Jahren. Das Jahr darauf befand er ſich bei dem Uebergange nach der Inſel Rügen, welcher ihm, wie er öfters ſagte, in ſeiner Art nicht minder lehrreich geweſen. * 3. Im Jahr 1681 vertauſchte Kyau die Muskete mit dem Kurzge— wehr, nachdem er, wie bereits geſagt worden iſt, zehn Jahr lang gemeiner Soldat geweſen war. Als Unteroffizier bediente man ſich ſeiner häufig, den Rekruten das Exerzitium beizubringen; er war einer der geſchickteſten Exercitienmeiſter bei der brandenburgiſchen Armee, und man ließ ihn dieſerwegen nach Berlin kommen. Hier erwarb er ſich durch ſein gutes Betragen ſowohl als durch ſeinen aufgeweckten Humor ſehr bald die Gunſt der Officiere, und vornehmlich des Oberſten von Schöning, unter deſſen Regimente er ſtand. Schon damals fing der Name Kyau bekannt zu werden an, man lud ihn ſelbſt in vornehme Geſellſchaften, um ſich an ſeinem Witze zu beluſtigen, wovon ohne dergleichen Parvenu's in vornehmen Geſellſchaften wenig verſpürt werden ſoll. Noch mehr öffneten ſich ihm die Thüren zur großen Welt, als er 1685 Fähndrich wurde. Nun durfte er ſichs auch ſchon herausnehmen, bei gnädigen Frauen und Fräuleins ſeine Späschen anzubringen, und wenn dieſe zuweilen etwas bitter oder auch wohl nicht die feinſten waren, nahm man ſolches von ihm nicht eben ſo gar hoch auf, auch war damals der Ton in Berlin nicht ſo äußerſt delikat als jetzt. Einmal aber lief Kyau doch hart an. vA 4. Er befand ſich in einer Geſellſchaft, die größtentheils aus Frauen⸗ zimmern beſtand; man war luſtig, Kyau war muthwillig luſtig, und voll dieſer Laune brachte er die heilloſe, alle Toiletten empörende 3 Frage auf's Tapet: Ob das weibliche Geſchlecht auch zu den Menſchen zu rechnen ſei. Ein Fräulein, eben ſo ſehr von der Würde ihres Geſchlechts als von ihrer eigenen überzeugt, dabei ſo männlich an Muth als männlich an Jahren, entrüſtete ſich ob dieſer tollen Frage ſo ſehr, daß ſie unſern Helden auf der Stelle auf Piſtolen herausforderte. Kyau, ein wenig ſtutzig über die ihn und alle Anweſenden befremdende Einladung, glaubte am beſten aus der Sache zu kommen, wenn er ſie als Scherz aufnähme, darüber aber gerieth dieſe Berliner d' Eon nur noch mehr in Harniſch. „Stellen Sie ſich oder ſtellen Sie ſich nicht,“ ſagte ſie, „Ich werde gewiß meinem Geſchlechte und mir Genugthuung zu ver— ſchaffen wiſſen.“ Kyau wollte ſich entſchuldigen. Da half aber alles nichts, um alſo, wenigſtens vor der Hand vor dieſem böſen Engel Ruhe zu ſchaffen, verſprach er ſich zu ſtellen. Der Fähndrich war über das ſonderbare Anmuthen des helden— müthigen Fräuleins nicht außer aller Verlegenheit, doch ihm konnte es nicht wohl fehlen, ſich mit Ehren herauszuziehen, und das bewerk— ſtelligte er denn auch auf gut Kyauiſch. Gehüllt im Mantel, begab er ſich des andern Tages an den be— ſtimmten Ort, wo das Fräulein mit zwei oder drei männlichen Beglei— tern bereits vor ihm eingetroffen war. „Wo haben Sie ihre Piſtolen, Fähndrich?“ ſagte ſie. „Laſſen Sie mich nur immerhin von ihrer ſchönen Hand ſterben, meine Gnädige,“ verſetzte er, „ich habe keine Piſtolen mitgebracht.“ „Sie haben wirklich keine mitgebracht? Allons! wir theilen die meinigen. Hier, wählen Sie!“ Sie reichte ſie ihm hin, allein ſtatt darnach zu greifen, ſchlug ſie in dem Augenblicke Kyau mit einem ungeheuren Fuchsſchwanze, den er unter dem Mantel hervorbrachte, über die Hand, daß ſie vor Schrecken beide Piſtolen fallen ließ. Ein lautes Gelächter ertönte von allen Seiten. Das Fräulein, 1 * 4 voll Wuth, wollte wieder nach den Piſtolen greifen, man kam ihr aber zuvor, und nachdem fie alles grobe Geſchütz ihrer Zunge auf ihn abge- feuert hatte, ließ ſie ſich endlich beſänftigen. 5. Schulden halber ward er zu der Garniſon eines kleinen Land⸗ ſtädtchens verſetzt; hier foppte er die Gemeinde dadurch, daß er ſich todt ſtellte, auch im Sarge bis zum Grabe bringen ließ. Da aber erhob er im Sarge einen fo argen Lärm, daß die erſchrockene Leichen— begleitung in größter Haſt davon rannte, von Kyau, welcher den Sargdeckel geſprengt hatte, im Todtenhemde verfolgt. Eigentlich hatte er bei dieſem Scherz die gute Abſicht, den dort ein⸗ geriſſenen Mißbrauch des zu frühen Beerdigens durch ein auffallendes Beiſpiel darzuthun, indeß hatte der Vorfall zu viel Aufſehen gemacht, wurde nach Berlin berichtet, und Kyau kam auf die Feſtung Spandau. Ein ſinnreicher Einfall verhalf ihm wieder zur Freiheit. Er erfuhr nämlich, die Kurfürſtin werde nächſtens nach Spandau kommen, um die Feſtung in Augenſchein zu nehmen. Jetzt oder nie⸗ mals!“ ſagte er, und ſann hin und her, wie er ſie auf ſein Gefängniß und ſeine Wünſche aufmerkſam machen könne. Er ließ ſich von einem ſeiner Leidensgenoſſen, welcher ein wenig mit dem Pinſel umzugehen wußte, ein Quodlibet von zerbrochenen Tabackspfeifen, Gläſern, Stühlen, Flaſchen, Tiſchen, zerriſſenen Kartenblättern, Halskrauſen, Kalendern u. ſ. w. malen, und hing das mit der Ueberſchrift: Alſo ſteht's um mein Geſchick, Doch hoff' ich auf beſſ'res Glück. — Kyau. zum Fenſter hinaus. Die Fürſtin kam, bemerkte das Gemälde und lachte. Sobald Kyau, welcher hinter dem Gitter auf der Lauer ge⸗ ſtanden hatte, das gewahr ward, trat er mit einem tiefen Bücklinge hervor, und bat die Durchlauchtige Beſchauerin, bei ihrem Gemahl 5 eine Fürbitte für ihn einzulegen, er wolle auch künftig fo fromm fein als ein Lamm. Die Fürſtin äußerte zwar, daß der Zuſage eines Schalks im Gefängniß nicht groß zu trauen ſei, brachte es aber doch bei ihrer Rückkunft dahin, daß der Befehl zu Kyaus Befreiung ausge— fertigt und nach Spandau geſchickt ward. 6. Die große Freude, welche unſer Ehrenmann über ſeine Befreiung empfand ſchlug der Gedanke an ſeine während der Gefangenſchaft zerrütteten Finanzen ziemlich nieder. Da fiel ihm Folgendes ein: Er verkaufte ſchnell Alles, was er noch zuſammenbringen konnte, und kaufte ſich einen Eſel, und ſetzte ſich in Schlafrock und Nachtmütze darauf, und ritt nach Berlin. Man kann leicht denken, daß es ihm und ſeinem Zelter unterwegs an Begaffern und Belachern nicht fehlte: aber er ließ ſich nicht irren, ſondern verfolgte mit aller Gravität, wie wenn er den Berlinern Lammsbrüdern das Evangelium zu predigen hätte, ſeinen Weg, ließ den Pöbel, welcher, beſonders in der Haupt— ſtadt, haufenweiſe hinter ihm herlief, Pöbel ſein, und ſtieg auf dem Schloßplatze ab. Indeſſen hatte der Kurfürſt nebſt ſeiner Gemahlin dieſen poſſier— lichen Einzug vom Altane herab bemerkt, und einem Bedienten befohlen, ſich nach dem Eſelreiter zu erkundigen. Die Antwort war: es ſei Kyau; er komme von Spandau und wünſche dem Kurfürſten ſeine Aufwartung zu machen. „Er ſoll heraufkommen,“ erwiederte der Regent. — Kyau erſchien machte einen tiefen, tiefen Bückling, ſagte aber kein einziges Wort. — „Was willſt du?“ „Eurer Durchlaucht für meine Befreiung unterthänigſt danken.“ „Und das in dem Aufzuge?“ „Es ſind in Spandau ſchlechte Zeiten. Man muß ſich nach der Decke ſtrecken!“ 6 „Ich verſtehe dich. — Da, nimm und kaufe dir ein Pferd, fo darfſt du auf keinem Eſel reiten,“ erwiederte der Kurfürſt lachend, ſchenkte ihm hundert Dukaten, und hieß ihn wieder zu ſeinem Regimente gehen und ſich künftig beſſer aufführen. Kyau verſprachs und empfahl ſich. Als er wieder auf den Schloßplatz kam, war der Pöbel noch um den Eſel verſammelt und harrte der Rückkunft des vielbegafften Reiters. „Luſtig! luſtig!“ rief Kyau. „Der Kurfürſt hat mir ein Pferd ge— ſchenkt, ich ſchenke euch einen Eſel. Nehmt ihn hin, jeder nach Stand und Würden. Adieu. — Lebe wohl, liebes Grauchen!“ und damit gab er den Langohr der lärmenden Menge Preis. — — 55 In Folge eines Duells floh er über die Grenze, und trat in ſäch— ſiſche Dienſte. Schon im Jahre 1697 ward er Kapitän, bald darauf Major, Oberſtlieutenant und 1702 General-Adjutant des Kurfürſten, damaligen Königs von Polen Auguſt des Zweiten. In dieſer Funktion mußte er beſtändig um den Regenten ſein, und denſelben verſchiedene Mal nach Warſchau begleiten. Ungeachtet nun Kyau dem König faſt nicht von der Seite kam, ſo verderbte doch die Hofluft ſeinen Charakter nicht, ſondern er blieb ſich immer gleich, immer der gerade, freimüthige Mann, welcher alle Ränke und Unredlichkeiten verabſcheuete, und ſowohl dem Windbeutel als dem Schurken, bald im Scherz bald im Ernſt, die bitterſten Wabr- heiten ſagte. Indeſſen waren es ſeine drolligen Einfälle nicht allein, die ihn zum Liebling des Königs machten, reellere Verdienſte erwarben ihm das Vertrauen des Monarchen. Dieſer bediente ſich ſeiner oft in den wichtigſten Angelegenheiten, beſonders in den Jahren 1707 und 1708, da denn Kyau jederzeit ſo viel Dienſteifer und Ergebenheit bewieß, daß ihn der König bald darauf zum General- Major der Kavallerie ernannte. a Nach Verlauf von zwei Jahren ward er General-Lieutenant. va 7 . 4 8. Der Tod des Commandanten der Feſtung Königſtein erregte in ihm den Wunſch, dieſen Poſten zu erhalten. Da er aber viele Mit— bewerber hatte, ſo erſann er folgenden ſinnreichen Streich, um zum Ziel zu kommen. Er äußerte in Gegenwart des Königs öfters, daß er einen Wunſch habe, den er aber ſich ſcheue auszuſprechen. Nach vielem Zureden von Seiten des Königs ſagte er endlich: „ich wünſche nur auf ein paar Minuten König von Polen zu ſein.“ Auguſt lachte herzlich über den närriſchen Wunſch. „Je nu,“ ſagte er, „wenn ich dich damit beruhigen kann, ſo ſei du König, ich will einmal Kyau ſein.“ ö Alsbald nahm Kyau ſeinen Thron auf dem Tiſch unterm Spiegel, ſich mit gravitätiſcher Miene an den König wendend. „Mein lieber Kyau,“ hub er an, „du haſt mir viele Jahre durch in Ernſt und Scherz treu und redlich gedienet, endlich ſeh ich mich im Stande, deine redlichen Dienſte zu belohnen, ich mache dich daher auf der Stelle zum Comman— danten meiner Feſtung Königſtein, in dem Vertrauen, du werdeſt ferner— hin mir und meinem königlichen Hauſe treu und gewärtig ſein.“ Sogleich verließ er ſeinen hölzernen Thron, den König aber freute der naive Einfall ungemein. „Wohlan,“ ſagte er lachend; „da Ew. Majeſtät als König Kyau in Gnaden geruhet haben, mich zu Dero Commandanten der Feſtung Königſtein zu ernennen, als kann ich hin— wiederum als König Auguſt nicht unterlaſſen ein Gleiches zu thun. Kyau, du biſt Commandant.“ Jetzt drängte fich Alles, dem neuen Commandanten zu gratuliren, der Tags darauf ſeine Beſtallung erhielt. * N Indeſſen artete die Ruhe, welche Kyau in ſeinem neuen Felſen— ſitze genoß, keineswegs in Unthätigkeit aus. Daß er das große, noch jetzt auf dem Königſteine vorhandene Weinfaß, (das größte unter 8 allen bekannten großen Fäſſern), erbauen ließ, wollen wir ihm eben nicht zum Verdienſte anrechnen; ſo etwas könnte man allenfalls auch von einem ſich langweilenden Prälaten erwarten. Kyau's Charakter hatte eine viel edlere Seite, als daß wir nach dergleichen Armſelig— keiten haͤſchen dürften. Der wohlthätige Eifer, womit er ſeine dürf— tigen Verwandten unterſtützte, fein leutſeliges, herablaſſendes Betra⸗ gen gegen die ihm untergeordneten Officiere und Gemeinen, die Auf⸗ opferung, womit er für den Unterricht armer Kinder forgte, die Sorg- falt, womit er das Schickſal der auf der Feſtung befindlichen Ge— fangenen, die ihn mehrmals ihren Wohlthäter, ihren Vater nannten, zu erleichtern ſuchte — das alles ſind Züge, welche ihn der Nachwelt eben ſo verehrungswürdig machen müſſen, als ihn ſeine Einfälle und Schwänke derſelben bekannt gemacht haben. — Sein Scharfſinn erhob ihn über ſein Zeitalter: mehr als ein and— rer ſah er ſchon damals die Gebrechen, an welchen die Menſchheit ſiechte und — ſuchte, ſo weit ſein Wirkungskreis reichte, eine zweckmäßigere Erziehung einzuführen, projektirte auch ein Fräuleinſtift für unbegü— terte Familien, welches aber nicht zu Stande kam. Kyau fand aber auch auf dem Königſteine ſelbſt viel weniger Ruhe als er ſich verſprochen hatte. Noch immer wollte man häufig von ſeinem Witze, häufiger wohl noch von ſeiner Gaſtfreiheit profiti- ren, kein Wunder alſo, daß mit dem Antritt ſeines Amtes die ſchon damals üblichen Wallfahrten nach der reizenden Felſenfeſte ſich mehrten. 10. In ſeinem 75ſten Jahre hatte Kyau das Unglück, ein Bein zu brechen, es ſetzten ihm überdieß die Beſchwerden des Alters ein wenig zu; das Alles that weder ſeiner Thätigkeit noch ſeiner muntern Laune Eintrag. Er fuhr vielmehr fort, den Königſtein, den er, der nie ver— heirathet geweſen war, im Scherz ſeine Frau zu nennen pflegte, noch mehr zu befeſtigen, wohnte noch im Jahre 1732 dem Carneval in 9 Dresden bei, veranſtaltete auch in demſelben Jahre ſeiner Nichte eine glänzende Hochzeit auf ſeiner Felſenburg, und würzte das Mahl mit launigen und luſtigen Einfällen. Bald nachher aber empfand er die Abnahme ſeiner Kräfte mit jedem Tage mehr und mehr. Um dieſe Zeit ſchrieb er an ſeinen Neffen: „Bald wird der Tod an meine Thüre klopfen, aber ich will getroſt rufen: herein; denn ich hoffe auf das Verdienſt meines Heilandes, und habe die Eitelkeit der Welt ſattſam kennen gelernt. Bleib ein ehrlicher Mann, wie ich glaube, daß du es jetzt biſt, und Gott wird dich ferner ſeznen. In meinem Teſtament hab ich euch alle fv bedacht, daß, wie ich wünſche und erwarte, keins das andre beneiden ſoll.“ Am neuen Jahrstage 1733 ließ er die ganze Garniſon paradiren, und nachdem er ihre Glückwünſche angenommen, redete er ſie alſo an: „Meine Kameraden und Freunde! Ein gewaltiger Feind nahet ſich in dieſen Tagen unſrer Feſtung, ſei darum Jedermann wohl auf der Hut! Ich denk indeſſen, daß er es nur auf einen unter uns abgeſehen hat, derſelbe bin ich. Ich werde mich ihm als ein rechtſchaffener Kommandant ergeben, der, treu ſeiner Pflicht, ſeine Schanze bis auf den letzten Mann behauptet hat. —“ Die Rührung ließ ihn nicht mehr ſprechen, alle Umſtehenden weinten. Von dem Tage an kam er nicht wieder von ſeinem Zimmer, blieb aber bei der gewiſſeſten Herannahung des Todes heiter, ja ſelbſt ver— gnügt. So fand ihn am 19. Januar Freund Hein, nahm ihn ſelbſt vergnügt in ſeine Arme, und trug den ſo gutmüthigen als witzigen Pilger nach den Wohnungen des Friedens. So ſtarb Kyau in ſeinem 79. Jahre in den Armen ſeiner großen ſteinernen Frau, ward in dem Sarge, den er ſich lange vor ſeinem Tode hatte machen laſſen, von der Feſtung herabgetragen, und vor dem Altare in der Kirche des am Fuße des Berges liegenden Städtchens begraben. Es folgt nun eine kleine Auswahl ſeiner Schwänke, bei denen man die Sitten ſeiner Zeit berückſichtigen muß. Ein guter Theil mußte, als nicht zum Druck geeignet, wegbleiben. 10 Kyau befa eine feltene Gabe, Betrüger zu entlarven und mit ihrer eigenen Münze zu bezahlen. Die zunächſt folgenden Anekdoten mögen uns wegen dieſer Be— hauptung in den Augen jener Menſchenfreunde rechtfertigen. 11. Einſt hatte er den Auftrag, in einer gewiſſen ſächſiſchen Stadt eine beträchtliche Geldſumme auszuzahlen, und ließ einen Juden kommen, um verſchiedene Münzſorten umzuſetzen. Das Geſchäft war bald beendigt, und Kyau wollte ſo eben einige Waaren, welche ihm der Hebräer aufgeſchwatzt hatte, bezahlen, als er bemerkte, daß an einem Häufchen Dukaten, dem er in dieſer Abſicht zuſprach, vier Stück fehlten. Sein Verdacht fiel freilich ſogleich auf den Juden, allein die Dukaten lagen ſchon ſeit mehreren Stunden auf dem Tiſche; es konnte ſich, da bereits mehr Leute da geweſen, auch ein andrer haben gelüſten laſſen. „Eine freundſchaftliche Erinnerung kann indeſſen nichts ſchaden,“ dachte Kyau, und bat den jüdiſchen Handelsmann, einmal nachzuſehen, ob die vier vermißten Gelblinge nicht etwa — verſteht ſich, aus Ver⸗ ſehen — unter ſeine Kaſſe gerathen ſeien. Allein dieſer machte darüber ſo viel Aufhebens, und betheuerte unter ſo vielen Schwüren, er ſei ein ehrlicher Jüd, daß er dadurch in den Augen des Beſtohlenen ſeiner Redlichkeit ſelbſt den größten Stoß gab. Doch was war zu thun! Gewalt zu gebrauchen — das ſchien doch immer eine bedenkliche Sache. Kyau verſicherte alſo, er habe auf ſeinen Handelsfreund im ge- ringſten keinen Verdacht. Da indeſſen die Summe vorher richtig geweſen, fie aber beide ehrliche Leute ſeien, fo müſſe der Fehler ſchlech⸗ terdings im Zählen liegen; fing darauf an, das Häuflein geharniſchter Holländer in Reih und Glied zu ſtellen, da ſich dann aber immerhin ergab, — er mochte ſie aufmarſchiren laſſen wie er wollte — daß ihrer vier fehlten; allein er ließ ſich dadurch gar nicht irre machen, ſondern 11 fing immer von neuem an zu zählen, und ſah dabei den Iſraeliten je länger je ernſthafter an. Dieſer, dem gar nicht wohl bei der Sache zu Muthe war, bat zwar, der Herr Baron möge gnädigſt verzeihen, daß er, dringender Geſchäfte wegen, dieſen Evolutionen nicht länger beiwohnen könne; allein Kyau erſuchte ihn ganz kaltblütig, nur noch ſo lange zu bleiben, bis die verlornen Schaafe ſich wieder zur Heerde gefunden hätten, und fuhr fort, ſeine Dukaten nach wie vor zu zählen. Endlich aber mochte doch dem ehrlichen Juden der Spaß zu lange dauern, und ſchrie überzeugt, daß er hier ſo unklabaſtert nicht weg— kommen würde, ſagte er: „Mein! Laſſen S' doch ſehen, ob der Jüd' nit beſſer zählen kann, als der Herr Berohn!“ — Kyau überließ ihm alſo das Geſchäft und kehrte ihm den Rücken zu. Kaum hatte der neue Kaſſenmeiſter die Dukaten einigemal die Muſterung paſſiren laſſen, ſo kreiſchte er triumphirend: „Heb' ichs doch geſogt! — Mein! Do ſieht mer's — Sollt der Herr Berohn nit gedenkt habn, er hätt mit 'n ſchlechten Mann zu thun:“ — Kyau, dem es nicht entgangen war, wie liſtig der Gauner die geſtohlnen Dukaten aus der Taſche geholt, und während des Zählens unter ihre Brüder geſchoben hatte, erwiederte lachend, er könne des Juden Genauigkeit im Zählen nicht genug bewundern, und werde dieſelbe bei jeder Gelegenheit zu rühmen wiſſen. Allein der Hebräer, der wohl verſtand, was er damit ſagen wollte, bat inſtändigſt, der Herr Baron möge ſich doch ſeinetwegen ja keine Mühe geben; Mein, was ſoll das dem ehrlichen Mann!“ Kyau lachte und ließ ihn laufe e e, a Man aren : 12. Bei Gelegenheit einer Luſtreiſe hielt fic Kyau in einer Stadt, die ihm gefiel, einige Wochen auf, und lebte herrlich und in Freuden. Doch da er am Ende die Rechnung des Gaſtwirths empfing, hätte er ſchier verblaſſen mögen, als er fand, daß ſie den dermaligen Beſtand 12 ſeiner Kaſſe weit überſtieg. Was war hier zu thun? Er bat den Wirth ihm kurze Zeit zu kreditiren. „Was! ſagte der, kreditiren? ich kreditiren? ich kreditir mein Lebtage keinem Menſchen einen Heller mehr, keinem König, keinem Fürſten, keinem Biſchoff und keinem Superintendent. — Elies (dem Hausknecht zurufend) ſchließ mal das Thor zu“ — Notabene die Pferde ſtanden bereits im Hofe geſattelt. Nun gut, ſo bleib ich, bis mein Wechſel kommt, ſagte Kyau mit der ihm eignen Gegenwart des Geiſtes und befahl ſeinem Reitknechte, die Pferde wieder in den Stall zu ziehen. Nach einer kurzen Ueberle— gung, wie dieſem Hausarreſte am beſten zu entkommen ſei, wurde mit dem ſchlauen Jakob, der ſichs allezeit angelegen ſein lies, ſich ſeines Herrn würdig zu zeigen, ein Kärtchen gemiſcht. Des Abends legte ſich unſer Held bei guter Zeit zu Bette. Indeſſen ſchmauchte ſein Reiſiger mit dem Wirkh, noch ein ver— trauliches Pfeifchen, und erzählte demſelben verſchiedene ſchauerliche Hexen und Geſpenſtergeſchichten, ſprach endlich (nachdem er vorher ſorgfältig die Thür verriegelt, und ſich in allen Winkeln nach Horchern umgeſehen hatte) mit geheimnißvollem Geſicht: „Unter uns geſagt, Herr Wirth, er hat gar nicht wohlgethan, meinem Herrn die kleine Gefälligkeit abzuſchlagen. Es iſt doch . .. .. fe „Stille, ſtille, da habe ich meinen Kopf für mich. Ich laſſe niemand ohne Bezahlung aus dem Hauſe.“ „Da handelt er nun wohl als ein vernünftiger Mann. Aber wenn man mit fo einem Schlage von Menſchen zu thun hat. ...“ „Nun! Iſt denn 85 Herr kein Menſch wie Andre?“ Ki per Es ließe ſich gar viel davon ſagen, wenn man nur. ier traukte ſich Jakob unter der Mütze. — Na, na. Was iſt ihm denn? Red er doch! Der Reitknecht ſah ſich nochmal ſchüchtern um, als ob er fürchtete behorcht zu werden. „Ach, beſter Mann was bin ich für ein unglücklicher Kerl! Jeden Abend, wenn ich mich zu Bette lege, dank ich dem Himmel für die 13 Beſchützung meines Lebens; denn ich bin keinen Augenblick ſicher, daß mir mein Herr nicht den Hals umdreht.“ . „Gott bewahre! Iſt er fo ein Wütherich? Wer ſäh' ihm das an!“ „Er giebt ſich für ein Offizier aus! aber — wenn er nur nicht bei der Garde ſteht, die Gott ſei bei uns! der Schwarze commandirt. — Ich habe Dinge von ihm geſehen — noch ſtehen mir alle Haare zu Berge.“ Dem Wirth (man verſetze ſich in das vorige Jahrhundert) ward hierbei gar übel zu Muthe: Jakob nahm davon keine Notiz und fuhr fort. „Wie manchen Gaſtwirth (denn dieſen ehrlichen Leuten iſt er vollends nicht grün) hat mein Unhold nicht ſchon in jene Welt beför— dert! So hielt er ſich, zum Exempel, vor einem Jahre auch etwas lange in einem Gaſthofe auf, und wollte bei der Abreiſe die Zeche im Contobuche ſtehen laſſen. Er hatte damals alle Taſchen voll Geld, und that es bloß, um des Wirths Höflichkeit auf die Probe zu ſtellen. Doch der war ein Grobian und macht' es uns eben ſo, wie er, Herr Wirth! Das bekam ihm aber ſehr übel; denn am andern Morgen lag er mauſetodt im Bette und die Zunge hing ihm einer Elle lang zum Munde heraus.“ — Jakobs Zuhörer biß feſt die Zähne zuſammen. „Mein Herr warf eine Hand voll Dukaten auf die Leiche und wir ſprengten von dannen.“ — Hier holte es der Wirth tief, tief. Jakob fuhr fort: „Zuweilen hat er wirklich kein Geld, wie das wohl auch heute der Fall ſein mag: aber ehe man ſich deſſen verſieht, kommt ein Rabe durchs Fenſter geflogen, oder ein kohlpechſchwarzer Kater ſetzt ſich auf ſeine Achſel, und dann iſt er auf einmal ſo reich, wohl noch reicher als der Großſultan. Wen er aber mit ſolchem Gelde bezahlt, der kommt erſt garſtig an. Denkt einer er hat Geld, ſo findet er Kohlen und Schlacken, ach, und das iſt noch das wenigſte. — Wer nur einen Groſchen von ihm annimmt, der verliert auf der Stelle ſein männliches Vermögen. — Dieſe Nacht wird er gewiß einen ſeiner ſchwarzen Zahl— meiſter kommen laſſen, denn ſchon hab ich gehört, daß er morgen die Rechnung berichtigen will; ich rathe ihm aber, als ein wahrer, guter Freund...“ ö „Gott in deinem Himmel ſteh mir bei! Ich verlange keinen Pfennig, keinen Heller, wollte, das Ungethüm wär ſchon fünfzig Meilen weit weg. Hör er, beſter Freund, thu er mir den einzigen Gefallen, weck er ihn, faq er ihm .. .. „Ei da käm er mir ſchön! Nein, Herr! Mein Genick iſt mir zu lieb; denn das bräch' er mir, wie einen Pfeifenſtiel, wenn ich ihm drein käm, wenn juſt der Rabe oder die Katze aufblattert.“ — „Was ſoll ich aber in aller Welt anfangen? Sag er mir nur einmal, geb er mir nur 'n guten Rath.“ „Einen guten Rath will ich ihm geben. Jetzt leg er ſich ganz ruhig in ſein Bett, und morgen, wenn die Rechnung wieder zur Sprache kommt, ſei er hübſch höflich. Merk er ſich das und ſchlaf er wohl! Jakob wollte ſich jetzt nach ſeiner Kammer begeben, allein der Wirth, den die Furcht auf den Stuhl genagelt hielt, bat und flehte, und verſprach ihm einen harten Thaler und Wein ſo viel er trinken wollte, wenn er dieſe Nacht über bei ihm bliebe. Der Schalksknecht ließ ſich endlich erweichen, unter der Bedin— gung, daß dieſes doppelte Verſprechen auf der Stelle erfüllt würde. Die Unterhaltung ward nun beim Glaſe fortgeſetzt, und der Wirth benahm ſich dabei ganz erträglich. Kaum aber fing der Morgen an zu grauen, ſo trieb und drängte er den Reitknecht, ſeine Pferde zu füttern, damit der furchtbare Gaſt, den er im vollen Ernſte für ein leibhaftes Stück vom Teufel hielt, fo bald als möglich von dan— nen ziehen könne. Bald nachher donnerte Kyaus Stimme die Treppe hinab: „Hehda, Jakob! Laß mal den Schlingel von Wirth 'rauf kommen, er ſoll ſein Geld haben.“ Der Wirth, dem das Wort Schlingel gar häßlich durch die Ohren fuhr, ſchnitt immer eins jämmerlicher als das andre, voll ſchrecklicher Ungewißheit hinaufzugehen. Jakob ſah's, nahm ihn beim 15 Arm und bugſirte ihn fo die Treppen hinauf bis an die Thür. Hier fiel der arme Schlucker ſobald er Kyau'n erblickte, auf die Knie. „Allergnädigſte Excellenz! ſtotterte er, haben Sie Gnade mit meiner Grobheit, ich verlange kein Geld, will auch all mein Lebtage ſolchen großen Herren keine Bezahlung mehr abfordern, und mich alle und jederzeit an der Gnade, die ſie meiner elenden Schenke erweiſen, begnügen laſſen. Kyau konnte ſich mit aller Anſtrengung des Lachens kaum ent— halten. „Nein, nein, komm er nur näher, Herr Grobian, er ſoll ſein Geld haben.“ „Ach! um Gotteswillen: Kein Geld! Ich verlange kein Geld — Leben Sie wohl! Reiſen Sie glücklich.“ Geſagt und die Treppe hin— unter verbarg er ſich in den geheimſten Winkel ſeines Hauſes, kam auch nicht eher wieder zum Vorſchein, bis Weib und Kind und Knecht ihn überzeugt hatten, daß der Geſandte Beelzebubs ſchon weit über die Gemarkung ſei. Auch ließ ſichs der Tropf nicht eher ausreden, daß er ſich in den Stricken des Pferdefüßlers befunden, bis er nach einigen Wochen ſeine Bezahlung erhielt, in lauter guten Conventionsſorten, die zwar etwas über die Gebühr legirt waren, doch aber weder zu Kohlen noch zu Schlacken werden wollten, wodurch er denn zugleich einer andern großen Sorge überhoben ward. 13. Kyau und einige andere Offiziere machten einſt einen Ausflug auf das Land, um einen Edelmann heimzuſuchen, der für ſein Leben gern Gaſt, höchſt ungern aber Wirth war. Als ſie, unangemeldet, in den Burghof dieſes filzigen Landjunkers hineinſprengten, fuhr er ſchnell mit dem Kopfe zum Fenſter heraus, aber noch ſchneller wieder zurück. Sie bemerkten das, und ſtiefelten um ſo raſcher die Treppe hinauf. Doch ſchon auf der Mitte derſelben ſtellte ſich ihnen in abgeſchabter Livree ein Bedienter in den Weg, der verſicherte, ſein Herr ſei nicht zu Hauſe. 16 „Aber doch fein Kopf?“ fagte Kyau, und ftellte fich ohne wei⸗ teres an die Spitze der andern. „Kommen Sie nur meine Herren, kommen Sie nur, ich denke, wo der Kopf iſt, kann unmöglich der Leib weit davon ſein.“ Sie rückten nun, ohne ſich durch den ausgeſchickten Plänker abhalten zu laſſen, weiter vor, und mit ſtarken Schritten nach dem Wohnzimmer, das der Edelmann, vor übergroßer Eil, zu verriegeln vergeſſen hatte. Es war leer; doch hörten ſie eine Thür, die innerhalb weiter führte, zuwerfen. Huſch, hinterdrein. — Wieder ein ödes Gemach, und wieder eine zugeſchlagene Thür. Auch hier wollten ſie durch; aber Schloß und Riegel hielten ſie auf. — „Hollah! riefen fie, und donnerten an. Niemand rührte ſich. Sie donnerten wieder. Kein ſtummer Laut. So kanonirten ſie, wohl eine Viertelſtunde lang, dieſe Feſtung vergebens, und Wine endlich, ſie mit Sturm einzunehmen. Ein paar derbe Fußſtöße eröffneten ihnen die Ausſicht in ein Speiſegewölbe, wo fie zwar allerlei todte Thiere, aber keinen leben- digen Menſchen erblickten. „Nun iſts ſchon gut, ſagte Kyau, hier giebts doch was zu leben.“ 4 Der Vorrath war auch in der That anſehnlich genug. Unter an⸗ dern zog ein friſch ausgeſchlachtetes Schwein, das ihnen aus einer Ecke den Rücken zukehrte, wegen ſeiner außerordentlichen Größe ihre Aufmerkſamkeit auf ſich. Indem ſie es aber näher in Augenſchein nahmen — man denke ſich das Gelächter — fand ſich im Bauche deſſel— ben der geſtrenge Junker. Alle ſchrieen: „Ah, guten Tag, Herr Bruder! guten Tag!“ Der aber ſchimpfte und ſchmähte vor Aerger. „Haſt Recht, Herr Bruder“, ſagte Kyau, „Teufelsgeſchmeiß die Soldaten, ſchonen ſelbſt das Kind im Mutterleibe nicht.“ 14. Kyau war zwar nicht verheirathet, aber darum nichts weniger als ein Weiberfeind. Er befand ſich vielmehr in Geſellſchaft von , r ee ee. wT ee ise TR N Damen recht wohl, war auch ſehr gern von ihnen gelitten, und es fielen häufig kleine Neckereien vor. Einſt war die Stelle einer Gouvernante der Hofdamen erledigt. „Ich muß nur ſehen, daß ich die Stelle bekomme,“ ſagte Kyau, da ſo eben mehrere der Hofdamen zugegen waren. „Das Völkchen wird jetzt ſo wild, einer Mutter folgt's nicht mehr, es muß einen Vater haben. Der Hofſtaat war damals juſt in Leipzig zur Meſſe. Tags darauf fand ſich Kyau in Auerbachs Hofe ein. Hier bekamen ihn einige von den Damen kaum zu Geſicht, ſo umringten ſie ihn. „Mein lieber Kyau,“ ſagte die munterſte von ihnen, „es iſt bei uns Herkommens, die Gouvernante kauft jeder von uns allzeit eine Meſſe. So einen alten löblichen Gebrauch läßt man nicht gern ab— kommen. Sie wollen unſer Vater ſein, laſſen Sie einmal ſehen, wie lieb Sie Ihre Kinder haben.“ „Ach, Kinderchen, laßt mich nur heute ungehudelt, ich habe noch viel, viel zu thun. Morgen, morgen um dieſe Zeit bin ich wieder hier.“ Wer nicht kam war Kyau. Hatte er's nun vergeſſen oder war's Abſicht, kurz er kam nicht. Die Damen wollten ſich nicht umſonſt gefreut haben, und ſchickten nach ihm zwei- bis dreimal. Erſt nach der dritten Sendung erſchien er von Kopf bis zu Fuß im Mantel gehüllt. „Was wollt ihr denn von mir, Kinder? hier bin ich.“ „„Garſtiger Vater, läßt ſo lange auf ſich warten, und fragt auch noch, was wir wollen. Haben Sie uns geſtern nicht eine Meſſe verſprochen?““ „Ich Euch eine Meſſe? Ich armer Mann, hätt ich erſt Geld mir ein Hemd zu kaufen.“ „„Was riefen die andern, nein, nein, er hats verſprochen. Er muß Wort halten, wir laſſen ihn nicht von der Stelle.“ „Kinder laßt mich gehen, ich bitte Euch, ſonſt ſollt ihr ſehen wie arm ich bin.“ „„Nein, nein, nein! nicht von der Stelle.“ Eine faßte ihn hier beim Mantel, die andere da und die dritte Bibl. d. Frohſinns. III. 2 ng 18 dort. Kyau that als wollte er entwiſchen, ließ auf einmal den Mantel fahren, und ſtand, o Schrecken! — — — Alle flohen, theils ſchreiend, theils lachend. 15. Eine Dame von Stande glaubte von Kyau beleidigt zu ſein, und ließ ihn daher ſcheele Geſichter ſehen. Dieſer aber, der den Zorn der Schönen allezeit ungern ertrug, ſchickte eine Ambaſſade an die zürnende Fee mit der Bitte, ihr ſeine Aufwartung machen zu dürfen, und erhielt zur Antwort, er werde ihr morgen Nachmittag um 3 Uhr willkommen ſein. Er machte ſich zur beſtimmten Zeit auf den Weg, bemerkte auch, als er zur Stelle kam, daß die Dame am Fenſter ſtand. Allein kaum trat er in das Haus, ſo ſtand auch ſchon ein Bedienter vor ihm mit der Meldung, die gnädige Frau habe eiligſt zu einer kranken Freundin fahren müſſen. Sie laſſe fic) deßwegen bei dem Herrn Baron ent- ſchuldigen, und ſich ſeinen Beſuch auf morgen ausbitten. — „Ja freilich,“ erwiederte Kyau, der wohl merkte, daß er geneckt wurde, „freilich muß die gnädige Frau ſehr eilig geweſen ſein, daß ſie ſogar den Kopf, den ich ſo eben am Fenſter ſah, mitzunehmen vergaß. — Nun, ſagt ihr nur, ich bedaure dieſen Unfall von Herzen, wolle aber von der Einladung nicht eher Gebrauch machen, als bis ſie nicht mehr ſo kopflos ſei wie heut.“ 16. Ein reiſender Barbiergeſell kam auf ſeiner Wanderſchaft auch nach dem Königſtein, und bot dem berühmten Commandanten deſſel— ben ſeine Dienſte an. Wie er ſagte hatte er ſeine Kunſt (ſo nannte er, und zwar nicht mit Unrecht, das Bartſcheeren) in Frankreich, dem Vaterlande aller galanten Künſte und Wiſſenſchaften, erlernt. Er raſirte, wie man's nur haben wollte, mit der Linken und mit der Rechten, nach dem Strich und wider den Strich; hatte auf ſeinen 19 Reiſen die berühmteſten Bärte unter Händen gehabt, und Ludwig den Vierzehnten ſelbſt einmal auf der Jagd barbiert. Kyau fragte den Windbeutel, ob er ſich wohl getraue, ihn am Fenſter zu barbieren. — . „Warum das nicht,“ erwiederte das Wichtlein mit einem ſelbſt— zufriedenen Lächeln. „Warum das nicht! Wenn euer Excellenz ja geruhen wollen, mich mit einer ſolchen Kleinigkeit auf die Probe zu ſtellen.“ — Kyau begab ſich demnach nach dem vierten Geſchoß des Hauſes, und ließ eine Leiter an ein Fenſter legen, zu welchem er hinaus ſah und den Barbier erwartete. Dieſer kam bald darauf ganz gravitätiſch die Leiter heraufgeſtiegen, und ſeifte mit aller Selbſtzufriedenheit in der Miene den Herrn General ein. Da ſich aber am Fenſter kein Plätzchen fand, wohin das Becken geſtellt werden konnte, ſo mußte der Barbier, nachdem er einigemal verſucht hatte, es mit dem Munde zu halten, die Leiter hinab, um ſich deſſelben zu entledigen. Unter— deſſen ſetzte ſich Kyau an einen Tiſch und ſchrieb. Endlich trat er wieder an das Fenſter, wo der Bartkünſtler auf der Leiter mit Schmerzen harrte. Aber nun waren dem armen Tropf — die Operation fiel in den Januar — die Finger erſtarrt, ſo daß er das Meſſer nicht zu halten vermochte. Er that daher ganz kleinlaut, und bat unterthänigſt, ſeine Excellenz möchte ſich einen Augenblick gedul— den, bis er ſich die Hände etwas wieder erwärmt habe. Kyau ging ganz gelaſſen wieder an ſeinen Tiſch und ſchrieb. Der Barbier hingegen eilte, was er konnte, die Leiter hinab, tauchte ſeine Hände einigemal in das unten befindliche warme Waſſer, und dann geſchwind wieder nach dem Fenſter hinauf. Allein hier mußte er aber— mals ſo lange auf ſeinen Kundmann warten, bis ihm die Finger von neuem total erſtarrt waren. Er blies deßwegen, als dieſer endlich wieder hervortrat, aus allen Kräften in die Hände; doch nun war die Seife eingetrocknet, und der größte Mann in der Kunſt hätte hier nicht barbieren können. „Geruhen Euer Gnaden, ſagte er, zitternd 2 * 20 vor Froſt und Angſt, daß ich dero Bart nochmals ein wenig anfeuchte, und ſtieg abermals die Leiter hinab, fein Becken zu holen. Als er. aber wieder zurückkam erblickte er hinter der Fenſterſcheibe eine Zeich— nung, welche das Müllerthier repräſentirte. Der Bartputzergeſell faßte den Sinn dieſer Hieroglyphe augen- blicklich, ſtieg eilends die Leiter hinab, ſchnürte ſein Bündlein, und zog voll Aerger und Schaam von dannen. LA 17. Auf einer Luſtreiſe durch die anmuthigen Gefilde des Meißner Kreiſes ſah ſich Kyau, der ſchlechten Witterung wegen, genöthigt, in einem von der Hauptſtraße ziemlich entlegenen Flecken zu übernach— ten. Der Wirth hätte für fein Leben gern gewußt, wer der angekom— mene Fremde wäre, unterſtand ſich doch aber nicht, darnach zu fragen. Indeſſen warf er mit Durchlauchten, Excellenzen und Eminenzen gewaltig um ſich herum. Kyau lachte in ſeinem Herzen, ließ ſich nach wie vor bedurchlauch— ten, und dachte: „Nun der wird tüchtig ankreiden,“ allein es hatte mit dem allem eine ganz andere Bewandniß. Denn kaum hatten Sr. Durchlaucht abgetafelt, ſo brachte unter gewaltigen Referenzen der Wirth ſein älteſtes Söhnlein, einen großen bausbackigen Jungen von 16 oder 17 Jahren zur Stelle. „Eure Durchlaucht, ſagte er unter andern, 's is 'n tüchtiger, derber Burſche, und er hat Kopf, er hat wirklich Kopf, und will in die Welt und die Naſe ſteht ihm hoch, nur großen Herren will er dienen, und wollten Eure durchlauchtige Hoheit die hohe Gnade haben, in Dero hohe Dienſte zu nehmen, ich ſtehe da— für, Sie werden Ehre von ihm haben.“ „Aber kannſt du auch gut ſtehen, mein Sohn?“ ſagte Kyau zu dem Burſchen. „Ein Lakai muß ſich gefallen laſſen, zwei, drei und mehrere Stunden auf einem Fleck zu ſtehen.“ „O ja, Eur’ durchlauchtigſte Excellenzen!“ nahm der Wirth ſtatt ſeines Sohnes das Wort. „Der Junge hat — Gott geb's ihm zu Gute! — ein paar kerngeſunde 0 und ſoll des Dinges bald gewohnt werden. „Wollens einmal verſuchen, und wenn der Burſche auch nur eine Stunde aushält, jo will ich ihn doch . . ..“ „Ja gewiß! Ich ſteh Euer Durchlaucht dafür. Tritt hieher David, tritt hieher.“ Der Junge unterzog ſich guten Muthes der Probe, der Vater war ſeelenvergnügt und ging hinaus, um zwanzig— mal wieder herein zu kommen. „Komm her mein Sohn, ſagte Kyau, als der Alte hinaus war, trink ein Glas Wein, daß du Kräfte bekommſt.“ Hiermit reichte er mit höchſteigenen durchlauchtigſten Händen dem armen Jungen ein Glas Wein hin, darein er eine tüchtige Purganz praktizirt hatte. Der Junge trank und ſtellte ſich wieder auf ſeinen Poſten. Allein nach einer halben Stunde fing das Mittelchen an zu wir— ken. Der Burſche winkte ſeinem Vater, welcher eben in die Stube trat, und zeigte auf den Unterleib um zu offenbaren, er müſſe das Stehen aufgeben und hinausgehen. Der Vater dagegen winkte drohend, er ſolle ſich durchaus nicht von der Stelle rühren, und machte wieder hinaus. Doch bald erſchien er abermals. Der Junge nickte und ſchüttelte, und wies auf den Leib mit Mienen und Geberden, die ganz deutlich anzeigten, was in ſeinem Innern vorging. Der Alte aber drohte ihm einmal ums andere. Während dieſer pantomimiſchen Zweiſprache kehrt beiden Kyau mit gutem Bedacht den Rücken zu, genoß aber das an- ziehende Schauſpiel in dem Spiegel und hatte Mühe, ſich des Lachens zu enthalten. Jetzt hatte der Vater kaum den Rücken gewendet, ſo jagte das Söhnchen hinterdrein. Der Wirth, ſchrecklich darüber entrüſtet, packte den armen Jungen bei den Haaren; allein Kyau legte ſich darein, und verſicherte: er fei mit des Burſchen gutem Willen vollkommen gufrie- den, und bereit, denſelben in ſeine Dienſte zu nehmen. Der Vater vergaß nun allen Aerger, machte einen Scharrfuß 22 über den andern und bedauerte nichts mehr, als daß fein Sohn, einer gewiſſen Urſache wegen, nicht im Stande fet, Dem gnädigen Herrn ſogleich ſelbſt ſeinen unterthänigſten Dank abzuſtatten. 7 18 N Ein vacirender Lakai glaubte ſich durch ſeinen Witz bei Kyau empfehlen zu können. Er meldete ſich und ward vorgelaſſen. „Seid ihr auch gewohnt morgens recht früh aufzuſtehen?“ fragte ihn Kyau. „O ja! Wenn ich bei Zeiten ſchlafen gegangen bin,“ antwortete der Witzling. „Ihr werdet doch auch wohl Abends ſpät aufbleiben können?“ „O ja! Wenn ich Vormittags ſpät aufgeſtanden bin.“ „Habt ihr eine gute Natur, das heißt, ſcheuet ihr weder Kälte noch Froſt?“ „Weder Kälte noch Froſt, wenn ich nur hinter dem Ofen ſitze.“ „Nun gut, ſo will ich nach euch ſchicken, wenn ich einmal einen Herren brauche.“ 19. Kyau bemerkte einſt, daß der König ſehr übel aufgeräumt war. Er ließ alſo die Hofkapelle beſtellen, befahl aber: ſie ſollten nur lauter Saiteninſtrumente mitbringen und dieſelben zuvor zu Hauſe ſtimmen, damit ſie, den Regenten deſto angenehmer zu überraſchen, ſobald man ſie in das Zimmer riefe, auf einen Strich anfangen könnten. Die Herren kamen, mußten ihre Inſtrumente im Vorgemache ablegen, und in einem benachbarten Saale des verabredeten Zeichens harren. Unterdeſſen ließ Kyau insgeheim ihre Bogen mit Unſchlitt beſtreichen. Kaum war das geſchehen, ſo ward die Thür des könig— lichen Zimmers geöffnet, die Muſici eilten auf das Signal herbei und fingen an mit aller Gewalt ihre Violinen zu bearbeiten. Allein es war kein einziger Ton zu hören, und wie ſehr ſie auch drückten und 23 ſägten, fo blieben doch die Saiten ſtumm. Die Virtuoſen ſahen einander voll Erſtaunen an, und wußten nicht, ob ſie, oder ihre Inſtrumente bezaubert wären. Der König merkte alſobald den Spaß. Die Kapriolen, welche ſeine Kapelle ſchnitt, zwangen ihn zum Lachen; er war auch ſo gnädig, daß er auf der Stelle jedem eine Flaſche Wein reichen ließ, ſich von dem gehabten Schrecken zu erholen. 5 20 75 Ein Kammerjunker der freilich ein wenig für Satire geeignet war, wurde eines Tages über der Tafel von unſerm Baron etwas ſtark herumgenommen. Dieſer dachte ſich an ihm zu reiben und ſchickte ihm nach einiger Zeit drei große mit Steinen beladene Kiſten durch die Poſt, wofür derſelbe ein namhaftes Poſtgeld bezahlen mußte. Kyau— erfuhr bald woher ihm das vollwichtige Präſent gekommen war und machte ihm nach Verlauf eines Vierteljahres, da dieſer bereits an nichts mehr dachte, ein dreifaches, ganz artiges Gegengeſchenk. Der Junker gab eben Aſſemblee als er einen Brief von einem ſeiner auswärtigen Verwandten erhielt, beigehend eine Schachtel, ein Kiſtchen und eine etwas größere Kiſte. Ich weiß nicht, geſchah's weil er ſo vergnügt darüber war, oder aus Eitelkeit, er ließ die ſieben Sachen nach dem Zimmer bringen, wo ſich die Geſellſchaft befand, um ſie da zu öffnen. Die Schachtel kam zuerſt dran. Aber welch ein peſtilentialiſcher Geſtank erfüllte die Luft als der Deckel weggenommen war! Ein Dutzend Rebhühner ſchmorten hier in ſchrecklicher Ver— weſung. „Wer weiß, welcher Schlingel von Poſtmeiſter die Sachen ſo lange aufgehalten hat, ſagte ärgerlich der Junker, 's iſt Jammer und Schade um die ſchönen Hühner, ſie waren gewiß von den beſten, die man haben kann, denn mein Onkel ſchickt mir nichts ſchlechtes.“ Indem öffnete Johann das Kiſtchen; augenblicks ſprangen über zwanzig lebendige Mäuſe heraus und verbreiteten ſich in dem Zimmer. Die Damen ſchrieen daß die Fenſterſcheiben klirrten, zwei davon wurden 24 fogar ohnmächtig. „Die verwünſchten Beſtien, fagte der Kammer- junker, wie ſind die dahinein gekommen! Die Kiſte muß ein Loch haben; ſieh doch mal zu, Johann. Das Ungeziefer — Kyau hatte nämlich die Kiſte halb mit verdorbenem Gries anfüllen laſſen — hat mir den vortrefflichen Gries über die Hälfte aufgefreſſen und oben— drein das übrige verdorben, das nenn ich doch Malheur!“ Endlich kam die Reihe auch an die größere Kiſte. Die Erwartung aller war natürlich geſpannt, da ſich die Geſchichte fo ſehr zum Abenteuer qual- lifizirte. Jetzt ſtelle man ſich vor, wie lang des Junkers Geſicht wurde als ihm Johann in Baumwolle eingewickelt das n Hirſchge⸗ weih präſentirte. Klug genug zwang er ſich zum Lachen. „Was will mein Vetter damit ſagen?“ ſagte er, und ging zur Thür hinaus. Den andern Tag erzählte man ſich in ganz Dresden die Poſſe. 21: Ein gewiffer angeſehener Staatsbediente fuchte bei jeder Gele— genheit unſerm Baron auszuweichen. Dieſer bemerkte es und errieth eben fo leicht die Urſache dieſes Benehmens: „Wart Burſche, ich will dich fangen,“ ſagte er zu ſich ſelbſt und ließ ſich eines Tages unter fremden Namen bei ihm anmelden. Hilf Himmel, wie erſchrack der Höfling, als er nicht nur den Mann den er am wenigſten zu ſehen wünſchte, anſichtig ward, ſondern dieſer auch mit den Worten: „Nun ſind ſie bereit, mit mir nach dem Königſtein zu reiſen?“ in das Zimmer trat! — „Ich, mit Ihnen nach dem Königsſtein reiſen? .. Iſt das Scherz oder Ernſt?“ „Mein völliger Ernſt. Es iſt auch ſchon alles zu Ihrer Aufnahme eingerichtet.“ „Um Gotteswillen was ſagen Sie! — Sollte mich der Brief— wechſel mit N“ in dies Unglück geſtürzt haben!“ „Das werden Sie am beſten wiſſen. Unterdeſſen geb ich Ihnen 25 den freundſchaftlichen Rath, höhern Orts nur ſogleich klaren Wein einzuſchenken. Auf meine Vermittelung können Sie rechnen.“ Der Ehrenmann fing alſo an zu beichten und Kyau kam auf die Art hinter ein gefährliches Geheimniß welches jenen in der That auf die Feſtung brachte. 5 22. E Kyau gab einſt einem kranken Freunde den Rath, er ſolle nur die und die Pillen einnehmen, ſo werde ſich's mit ſeinem Uebel ſchon geben. Dieſer, der mehr auf ein gutes Glas Wein, als auf Arzenei hielt, glaubte, Kyau wolle ihn nur damit foppen, und ſchrieb daher, als er hörte, daß ſein Rathgeber ſelbſt bettlägerig geworden ſei, einen Zettel, worin nichts ſtand, als dieſe Worte: „Mein lieber Kyau, nehmt nur fleißig Pillen ein!“ Der Empfänger ſchrieb darunter: „Was dieſe wirken, ſoll der Lohn des Arztes ſein“ — und ſchickte das Billet zurück. 23, Die Gräfin Koſel gerieth einſt auf den ſonderbaren Einfall, zu verlangen, daß die Soldaten ins Gewehr treten und das Spiel rühren ſollten, wenn ſie bei der Hauptwache vorüberführe. Einige erklärten dieſe Forderung für unverſchämt; Andere ſuchten ſie zu entſchuldigen, noch Andere ſie einzuſchränken, näher zu beſtimmen u. ſ. w. Endlich ward auch Kyau gefragt, was er davon halte. „Ich?“ erwiederte er. Ich ſehe gar nicht ein, warum man ſich weigert, vor der Gräfin zu trommeln, da man doch die H. . . auszu— trommeln pflegt. + ; 24, „Herr General, wie ift doch Ihr Vorname? Heißen Sie nicht Matthäus?“ fragt eine Dame, ziemlich ſpöttiſch, unſern Baron. 26 „Das ich nicht wüßte, gnädige Frau!“ erwiederte er. „Aber wie kommen Sie auf den Namen?“ „Je nun! mir dünkt, Sie ſehen ziemlich ſo aus als Matthäus, der bekannte Evangelienſchreiber.“ „Das iſt möglich; es giebt zuweilen ſolche Aehnlichkeiten. So ſehen Sie z. B. jener berüchtigten Magdalene, ihre Geſchichte kann Ihnen nicht unbekannt ſein — ſo ähnlich als ein Ei dem andern.“ 25. Ein verabſchiedeter Soldat, welcher durch eine neben ihm abge— ſchoſſene Kanone das Gehör verloren zu haben behauptete, fand, daß das Betteln ein gar bequemes Handwerk fei, und zog daher, auf Un⸗ koſten der chriſtlichen Mildthätigkeit, von einem Dorfe zum andern. Seine kosmopolitiſchen Wanderungen führten ihn denn auch nach dem Königſtein, wo er eine Geſellſchaft von Offizieren, und unter andern unſern Kyau, um ein Almoſen bat. Die Herren, welche ſich ein Gewiſſen daraus machten, ihrer gerin⸗ gern Brüder einen, der im Dienſte für's Vaterland Invalid geworden war, unbegabt hingehen zu laſſen, thaten ſämmtlich ihre milde Hand auf. Nur Kyau ſchien dießmal ſeinen Charakter zu verläugnen; denn während die Andern den Beutel zogen, unterſuchte er die Atteſtate, welche der taube Wanderer vorzeigte. Der Schnurrbart ſtand immer noch und harrte, ob der leſeſeelige Herr, der ihn noch dazu einmal ums andre ſehr ſcharf aufs Korn nahm, nicht endlich mit der Hand nach der Taſche fahren werde, als dieſer mit halbgedämpfter Stimme zu einem neben ihm ſtehenden Ofiziere ſagte: „Iſt das nicht der Kerl, der vor vier Wochen mit einem Steckbriefe verfolgt ward, weil er den großen Diebſtahl im **fchen Hauſe zu Dresden begangen haben ſollte? — Ja, bei meiner Treue! Geſicht, Haar, Statur, alles trifft aufs genaueſte zu. Schicken ſie nur gleich zum Profoß. Er ſoll ihn ſchließen, und nach der Wache... 1 „Halten S zu Gnaden, Ihr Excellenzen “gp lagte der beſtürzte 27 Bettler heraus. „Halten S zu Gnaden! Vor 4 Wochen, als der Diebſtahl in Dresden geſchah, war ich im Voigtlande, und .. . .. 8 „und hörtet damals ſchon eben ſo gut als jetzt. Nun ſo packt euch denn nur geſchwind wieder nach dem Voigtlande, wenn ihr glaubt, daß man dort dergleichen Schelme nöthig habe, und danket dem Him— mel, daß ihr für dasmal mit heiler Haut davon gekommen ſeid!“ 26. In einer luſtigen Geſellſchaft fiel das Geſpräch auf die Magie, und beſonders auf die Kunſt, ſich unſichtbar zu machen. Kyau be— hauptete er ſei im Beſitz dieſes Geheimniſſes; allein einige zweifel— ſüchtige Damen meinten, das ſei eine leere Prahlerei, und waren ſogar kühn genug, darüber mit dem angeblichen Schwarzkünſtler zu wetten. Kyau begab ſich in ein Nebenzimmer, ließ die Fenſtervorhänge dicht zuziehen, die Lichter auslöſchen, und nachdem es auf dieſe Art im Gemache ſtockfinſter geworden war, die Damen an die Thüre rufen. „Nun, meine Gnädigen, können ſie mich ſehen?“ „Weder Sie, noch ſonſt etwas.“ „Ei tauſend, ſo hab' ich ja die Wette gewonnen!“ „Mit nichten, mit nichten! Auf dieſe Art kann ſich ein jeder un— ſichtbar machen. Am hellen Tage, Herr Baron, am hellen Tage müſſen Sie ihre Kunſt zeigen, wenn Sie die Wette gewinnen wollen!“ Das heißt viel gefordert! Das Verſprechen und Halten ſteht wohl bei Jungen und Alten. Stellen Sie ſich morgen hier wieder ein, und ich halte als ein ehrlicher Mann Wort!“ Kaum konnten die Damen die Stunde erwarten, wo der kühne Schwarzkünſtler ſein Probeſtück ablegen wollte. Endlich erſchien ſie, und jede eilte dem magiſchen Schauplatze zu, halb zweifelhaft, ob ſich der neue Doktor Fauſt einſtellen werde. Allein dieſer war bereits da und bat die ungläubigen Ankömmlinge, ſich nur ein Weilchen zu ge— dulden, er werde ſich indeſſen in das Seitenzimmer begeben, daſelbſt einige Anſtalten treffen, und ſobald er ſich unſichtbar gemacht, ſie, Eine 28 nach der Andern rufen laſſen. Die Damen ſetzten ſich alſo in einen Kreis und harrten der Einladung. Endlich ward die Aelteſte gerufen. Sie eilte hin und ſah — Kyau einer Statue gleich, auf dem Tiſche ſtehen und zwar im Coſtüm des Apoll von Belvedere — — Die Dame erſchrack, ſpreitzte die Fin- ger vor das Geſicht und wollte ſchreien. — — „Schweig, ſagte das Standbild, und ſende deine Schweſtern nach der Reihe zu mir.“ Die kluge Dame, welche obendrein nicht gern allein vexirt ſein wollte, kam zurück und verſicherte, keinen Kyau geſehen zu haben. Jede der folgenden that aus gleichem Gefühl daſſelbe. Hierauf er— ſchien noch ehe man es vermuthete, der Magier in der Geſellſchaft. „Haben Sie, fragte er ſie nach der Reihe, haben Sie Kyau geſehen?“ Und alle ſagten ſchamroth: „Nein,“ und gaben ihm die Wette gewonnen. 27. Als Kyau einſt die Merkwürdigkeiten einer uralten Kirche in Augenſchein nahm, fragte er ſeinen Cicerone, den Küſter, was für einen Heiligen dieſelbe zum Schutzpatron habe. Die Antwort war, „ Re führe den Titel Allerheiligen. „Das hab ich mir wohl eingebildet, weil faſt keine Fenſterſcheibe mehr ganz iſt,“ erwiederte Kyau. „Wo viele Hirten ſind, da wird gemeiniglich übel gehütet; denn es verläßt ſich immer der Eine auf den Andern. 28. Einſt, als ihm der König gar nicht wohl zu wollen ſchien, fiel gerade eine Hoftrauer ein. Nun durfte bei einer ſolchen Gelegenheit (die wachhabenden Offiziere ausgenommen) Niemand anders als in ſchwarzer Tracht bei Hof erſcheinen. Deſſen ungeachtet kam Kyau in einem rothen Kleide angeſtiegen. 29 „Iſt dir nicht fo gut wie den Andern Trauer angeſagt worden?“ fragte der König. „O ja, Euer Majeſtät!“ erwiederte Kyau. „Da man mich in— deſſen bei Hofe ſchon ſchwarz genug gemacht hat, ſo brauche ich mich nicht erſt ſchwarz anzuziehen.“ — Der Regent lächelte und die Höflinge ſahen ihre menſchenfreund— lichen Abſichten abermals vereitelt. 29. In einem muntern Kreiſe von Frauenzimmern war vom Heirathen die Rede. „Wie wär' es,“ ſagte Kyau zu einer von den Schönen, welche, ihren vierundvierzig Jahren zum Trotze, immer noch Jungfer war, „wie wär' es, wenn Sie dem Hauptmann YP * * die Hand gäben!“ „Ich dachte gar . . .! Was ſollt' ich mit fo einem alten Hage— ſtolze!“ erwiederte die überreife Spröde mit einer höhniſchen Miene. — Einige Tage nachher traf Kyau bei einem Spaziergange mit dem Hauptmann P. auf eine Geſellſchaft von Damen, unter welchen zufäl— liger Weiſe ſich jene alternde Schönheit befand. Sie unterhielten ſich mit ihnen, der Hauptmann vorzüglich mit ſeiner Auserwählten. Nach manchen ſchmeichelhaften Complimenten überreichte er ihr einen ſeit vierundzwanzig Stunden auf ſeinem Aermel paradirenden und daher ziemlich verwelkten Blumenſtrauß, nahm ſich aber — wir wollen nicht unterſuchen, ob aus Vorſatz oder Verſehen — ſo ungeſchickt dabei, daß der Strauß auf die Erde fiel, bevor noch die Schöne ihre Hand dar— nach ausſtreckte. Sogleich ſprang Kyau herbei, als wollte er ihn aufheben, und gab der Dame, die ſich ebenfalls in dieſer Abſicht bückte, ſtatt des Straußes, eine kleine Cervelatwurſt in die Hand, worüber die Geſell— ſchaft in ein lautes Gelächter ausbrach. „Zum Henker!“ rief das Dämchen, und warf das Ding ihm vor die Füße. „Eine Wurſt zu einem Bouquet — iſt das ſchicklich!“ / 30 „Warum nicht?“ erwiederte Kyau. „Eine verwelfte Blume und eine verſchrumpfte Wurſt haben einander nichts vorzuwerfen.“ 30. In einer fröhlichen Geſellſchaft ward einſt die Frage aufgeworfen, warum doch wohl das weibliche Geſchlecht keinen Bart habe. „Das iſt leicht zu erklären!“ antwortete Kyau. „Wer in aller Welt ſollte ſie raſiren, da ſie den Mund keinen Augenblick ſtillhalten können.“ 31. „s iſt doch ein flottes Weibchen, die Weinſchenkin R* *, das wäre noch eine Eroberung, die ſich der Mühe verlohnte. Aber ſie iſt eine wahre Lucrezia und ihr Alter hat Argusaugen.“ — So dekla⸗ mirte ein junger Offizier über den ehrlichen Weinſchenken M * und deſſen Ehehälfte. Kyau, der etwas mehr Menſchenkenntniß hatte, als der junge Herr, ſchüttelte den Kopf, der Meinung, es ſei nicht alles Gold was glänze. „Wollen Sie, entgegnete er dem Heißverliebten, ſo will ich Sie ſelbſt in Gegenwart des alten Argus von den wahren Gefinnun- gen des Weibchens überzeugen.“ „Herr Hauptmann! Sie vermeſſen ſich zu viel. Darauf will ich gleich hundert Dukaten verwetten,“ erwiederte der Schwärmer. „Topp, ſagte Kyau, es gilt.“ Bald nachher gingen beide nach dem Weinkel— ler, um ein paar Flaſchen Burgunder zu trinken. Während die Gläſer einigemal ausgeleert wurden, trieb Kyau mit dem alten Herrn allerlei Spaß. Bald ſollte er nicht fünf Minu⸗ ten auf einem Fuße ſtehen, bald nicht in einem Athem fünfzig zählen und bald keine halbe Stunde lang, ohne hinter ſich in die Stube zu ſehen, den Kopf zum Fenſter hinausſtecken können. „Das letzte vol— lends, ſagte der ſchlaue Wicht, iſt der Herr gar nicht im Stande, ich wette zwölf Dukaten.“ 31 Der Weinſchenke, in der Meinung, er könnte nicht leichter zu Gelde kommen, als auf dieſe Art, ging ſogleich die Wette ein. Kyau zählte zwölf Dukaten auf den Tiſch, jener, der ſie ſchon in Gedanken einſtrich, zählte eben ſo viel dagegen, und ſteckte lachend ſeinen Kopf zum Fenſter hinaus. Kyau neckte ihn fortan, rief ihm ſogar zu meh— reren malen zu: „Herr, ſeh er ſich nur einmal 'n Bischen um: Der Herr Lieutenant thut gar häßlich ſchön mit der Frau Liebſten, und eh wirs uns verſehen, huſchen ſie ins Kabinet.“ Aber der Weinſchenke ließ ſich nichts anfechten, ſondern antwor— tete: „Ei, ich habe eine ehrliche Frau und weiß wohl, was ich ihr zutrauen kann. Der Herr Baron will mich nur um die zwölf Duka— ten bringen, allein ich werde kein Narr ſein.“ Kyau hatte, in Rückſicht des Offiziers und der ſchönen Lukretia, — deren Eheherr ſteif und feſt aus dem Fenſter ſah und Acht gab, wie viel die Uhr ſchlug — die lauterſte Wahrheit geredet. Ein kleines halbes Stündchen mochte wohl im Kabinet vergangen ſein, dann ſaßen die beiden Leutchen wieder in aller Ehrbarkeit an dem Tiſche; der alte Herr bekam nun die Erlaubniß, hereinzuſchauen; er fragte aber vorerſt ſeine Hausehre, ob die halbe Stunde wirklich vorüber ſei. Alsdann aber fuhr er mit einem Freudenſprung an den Tiſch, ſtrich die Dukaten ein, und verſicherte unter lautem Jubel, er wolle wohl dreimal ſo lange zum Fenſter hinausſehen, wenn der Herr Baron Luſt bekommen ſollte, die Wette nochmals einzugehen. 32 / Kyau kehrte, als er noch Lieutenant in preußiſchen Dienſten war, eines Tages bei einem Wirthe ein, der mehr als einer ſeiner Kollegen im Geruch der doppelten Kreide ſtand. Seine Baarſchaft war ſchon ziemlich geſchmolzen, er alſo um ſo weniger geneigt ſich prellen zu laſſen; überdies verſpürte er ſehr bald, daß der Dickwanſt gar groben Gelichters war. Die Sache ward alſo mit Musje Jakob, ſeinem Bedienten, in 32 Ueberlegung genommen, und das Refultat war, daß man hiernoch— mals das Teufelchensſpiel verſuchen müſſe. Jakob machte ſich alſo an den Schmeerbäuchigen Aubergiſten und kramte nach der Reihe eine Menge Teufelsſtückchen vor ihm aus, die ſein Herr bald da bald dort geſpielt; worauf er denn ganz richtig ſchloß, daß er entweder Satanas ſelbſt oder wenigſtens ein Stück von ihm ſein müſſe. J Der Wirth lachte einmal übers andere aus vollem Halſe und ſagte zuletzt: „Nein, für was ſieht er mich an? Solche Mährchen muß er einer alten Frau erzählen.“ „Meinethalben glaub ers, oder glaub ers nicht. Ich höre ſchon, er will ſich nicht warnen laſſen. Aber ſchreib er nur einen Heller zu viel an, es läuft, mein Seel, übel für ihn ab. ’ Jakob ſtattete Rapport ab: „Wart nur, ſagte Kyau, den Burſchen woll'n wir doch wohl kriegen! Wir haben ſie noch anders pfeifen hören.“ Des andern Morgens zeigte die Rechnung, daß ſich der Schmeer— bauch in ſeiner löblichen Gewohnheit nicht im mindeſten hat irre machen laſſen. Was that unſer Lieutenant? Er legte einen harten Thaler auf das Kohlenbecken, das da ſtand, die Tabackspfeife anzuzünden, und ließ ihn rechtſchaffen glühend werden. Unterdeſſen wurde der Wirth gerufen, ſeine Bezahlung zu holen. Er kam und Kyau mit wildledernem Handſchuh drückte ihm den heißen Thaler in die Hand. Der ſtarke Geiſt kreiſchte aus vollem Halſe: „Gott fei mir gnädig und barmherzig!“ und ſtürzte die Treppe hinab. „Lauft! ſchrie er Weib und Geſinde zu, lauft was ihr könnt! der Teufel iſt im Hauſe.“ Kyau kam herab; alles war verſtoben und verflogen. Er beſtieg ſeinen Gaul und ritt ganz gemach von dannen. 7 33. * \ Einſt ſpeiſte Kyau, zur Zeit eines Landtages, in einem Gaſthofe in Dresden. Hier traf er einen anſehnlichen Bürger in ſchwarzer Kleidung an, welcher ſehr gravitätiſch und nachdenkend in dem Zimmer auf- und 33 abging. „Wer find Sie, mein Herr?“ fragte Kyau. — „Ich bin, erwiederte jener mit erhobenem Tone, ein Landtag von Schandau“ (er meinte, ein Landſtand aus Schandau, glaubte aber ſo, ſich ſchöner und gelehrter auszudrücken) Kyau verbiß das Lachen, und ſchwieg. Kurz darauf wurde der Landtag von Schandau etwas dreiſter, ſetzte ſich zu Kyau an den Tiſch, und fragte ganz treuherzig: „wer find Sie denn aber, mein Herr?“ Kyau antwortete ſehr ernſthaft: „Ich bin der Evangeliſt Markus, ich habe den Ochſenkopf neben mir.“ Dr. Chriſt. Nau, Domherr und Profeſſor zu Leipzig. 34. Rau's Vater war Rauchhändler und hielt ihn nebſt ſeinem Bru— der fleißig zur Schule an. Nachdem die beiden Knaben, ſo wie ihre Schweſter, Unterricht von Hauslehrern erhalten, kam Rau auf die Thomasſchule, welche damals unter J. A. Erneſti's und Leisners Rek— torat ganz vorzüglich war. Hier legte Rau einen ſehr guten Grund in den Humanioribus, und zu jeder Zeit erinnerte er ſich des vor— trefflichen Unterrichts des gedachten Erneſti und des Conrektors Fiſcher überaus dankbar. Seine Mutter litt an öftern Anfällen von Melan— cholie, und dies war auch bei ſeiner Schweſter der Fall, welche er bei ſich hatte und wahrhaft brüderlich für ſie ſorgte. Sie ſtarb auch bei ihm im letzten Jahrzehend des vergangenen Jahrhunderts. Als Stu— dent, und auch als junger Doktor mußte er ſich ſpärlich behelfen, und wer ihm da Gutes erzeigt hatte, war auch noch in ſpätern Jahren oft der Gegenſtand ſeines Geſprächs. So rühmte er jederzeit ſeine Lehrer Bibl. d. Frohſinns. III. 3 34 und Gönner, namentlich den Ordinarius der Juriſten-Fakultät Hom⸗ mel, den Senior derſelben, Domherr Zoller, den Hofrath Böhme, Profeſſor der Geſchichte, den Dr. Franke, Profeſſor der Moral und Politik und den Dr. Sammet. Selbſt eine Waſchfrau, die ihn in jenen akademiſchen Hungerjahren treulich unterſtützt, und unter andern eine ſilberne Uhr geſchenkt hatte, ſtand bei ihm in dankbarſtem Anden⸗ ken, und er äußerte, wenn er auf dieſes Kapitel kam, daß der Himmel der längſt Verſtorbenen ihr dafür die ewige Ruhe und Seligkeit geben möge. Da es mit ſeinen akademiſchen Beförderungen ziemlich lang— ſam ging, ſuchte er ſich durch fleißiges Leſen, und beſonders durch Examinatoria etwas zu erwerben. In der ſchönſten Zeit ſeines Lebens zogen ihn die ſinnlichen Genüſſe mächtig an, die geiſtigen nur in ſofern, als ſie auf ſein Fach, die Jurisprudenz, Bezug hatten. Er wollte durchaus in ſeiner Vater— ſtadt, ohne Vermögen, einen Erwerb und eine Anſtellung ſuchen. Nach ſeiner Promotion zur Doktorwürde trat er als Docent der Rechte auf, als welcher er, ſo wie ſpäter als wirklicher Profeſſor, faſt fünfzig Jahre hindurch wegen ſeines deutlichen ruhigen Vortrags und ſeiner trocknen Offenheit den Beifall der Studenten erhielt, und ſelbſt im hohen Alter ſich eines zahlreichen Zuſpruchs erfreute, wenn er den Titel: de nuptiis vortrug. Alles was bei Gelegenheit der Geſetze über Verlöbniſſe, Ehe und uneheliche Kinder nur irgend derbes, zwei— deutiges geſagt werden kann, trug Rau mit kräftigen Anekdoten, maſſiven Witzen und Zügen aus dem wirklichen Leben vermiſcht, hier vor; er verſchonte keinen Stand, und theilte bisweilen tüchtige Sei— tenhiebe auf diejenigen ſeiner Leipziger Mitbürger aus, die ihm befon- ders zuwider waren. Bisweilen unterbrach er ſich auch ſelbſt, that unerwartete Fragen nach ganz fremdartigen Dingen, nach Stadtneuig⸗ keiten nach der Ankunft fremder Truppen u. ſ. w. Erhielt er dann vielleicht von einem ſeiner Zuhörer eine launige Antwort, ſo konnte man gewiß ſein, daß er dieſen durch eine Replik noch zu überbieten ſuchte. Oft war ſein Auditorium zu klein für die Menge der Zuhörer, 35 die ſich freilich nach und nach verloren, ſobald er auf ernſthaftere Ge- genſtände überging. 35. Mit dem Einrücken in ergiebigere Aemter mochte er ziemlich lange warten müſſen, und doch drängte es ihm ſo, die Welt und ihre Freuden zu genießen! Gefällige Weiber, feuriger Wein und eine wohlbeſetzte Tafel lockten ihn ſo unwiderſtehlich an, daß er den Verſuchungen nicht widerſtehen konnte und in Schulden gerieth. Die Ausſicht, daß er in die Juriſten-Fakultät einrücken werde, konnte die Gläubiger viel— leicht einige Zeitlang hinhalten; allein es verzögerte ſich damit zu ſehr, vielleicht weil einige ältere Mitglieder ihm nicht den Gefallen thun wollten, zu ſterben, als ſein Credit zu Ende war; genug, er mußte froh ſein, noch bei einem Gaſtwirth ſeine tägliche Nahrung zu finden. Allein auch hier ſtieg die Rechnung ſchnell in die Höhe, und wieder— holte dringende Mahnungen erfolgten, worauf er ruhig erwiedert haben ſoll: „wenn Sie mir jetzt nichts mehr zu freſſen geben, ſo muß ich verhungern, und Sie kriegen alſo gar nichts; wenn ſie mich aber noch eine Zeitlang füttern, ſo bleibe ich am Leben und rücke in die Facultät; dann kann ich Sie bezahlen.“ Dieſem nach that der Wirth freilich beſſer, ihm noch länger zu borgen; dies ſoll bis zu einer außer— ordentlichen Summe gegangen ſein (man ſprach von mehr als tauſend Thalern), die aber auch redlich abgezahlt wurde, ſobald er die Mittel dazu hatte. Redlichkeit und Worthalten waren Hauptzüge in Rau's Charakter. 36. In den Stand geſetzt ſeinen Neigungen Genüge zu thun, wie mochte er jetzt der Venus und dem Bacchus opfern! Mit allen lebens— luſtigen jungen Männern und galanten Weibern war er in genauem Umgange, und wenn ſich auch nicht Alle von ſeiner Perſönlichkeit an— gezogen fühlten, ſo ſuchten ihn Andere deſto mehr wegen ſeiner derben 3 * 36 und treffenden nicht ſelten beißenden Einfälle. Jedes Ding beim rechten Namen zu nennen, iſt eben keine Kunſt: allein über jeden Gegenſtand einen gemein-witzigen, plump herausfahrenden und doch belachten Gedanken zu äußern, dieſe Gabe iſt nicht Jedem eigen. Der Beifall dem Viele dem Niedrigkomiſchen ſchenken, und die Freude, die er ſelbſt daran finden mochte, erhoben ihn bald zum Virtuoſen darin; er wußte, ſo zu ſagen, jedem Ding eine ſchmutzige Seite abzugewinnen. Seine Stimme hatte einen tiefen Baß, ſein Blick war ruhig, das Geſicht voll und behaglich, die Geſtalt klein, gedrungen und fleiſchig ohne Corpulenz. Mit der Mode war er durchaus nicht fortgegangen, länger als vierzig Jahre behielt er den nämlichen Schnitt am Kleide. Alle, welche ſich, ihn geſehen zu haben noch erinnern können, werden ihn nie anders erblickt haben, als in einem hellbraunen Frack mit beſponnenen Knöpfen, liegenden Kragen, breiten Schößen, einer lang herabgehenden Weſte mit großen Taſchen, ſchwarze kurze Beinkleider und Strümpfe, Schuhe mit Schnallen, das Haar friſirt und ſtark ges pudert, einen ſtattlichen Haarbeutel vom Nacken herabhängend, das Haupt ſtets unbedeckt, den dreieckigen Hut in der einen Hand, in der andern einen Bambusſtock mit großem elfenbeinernen Knopfe; biswei⸗ len hielt er auch beide Gegenſtände in derſelben Hand und ſchleuderte ſie im Gehen hin und her, nach Gewohnheit alter Leute, die ſich damit gleichſam fortrudern. Auf der linken Bruſt ſah man das Domherrn⸗ kreuz des Hochſtifts Merſeburg, welches er, drollig genug, ſein „Bier⸗ zeichen“ nannte. Von dieſer Regel des Anzugs wurde blos bei feier— lichen Gelegenheiten eine Ausnahme gemacht, wo er ganz ſchwarz ge⸗ kleidet erſchien und eine „Froſchkieke“ trug. 37. Rau iſt niemals bei ſeinem Leben gemalt oder in Kupfer geſtochen worden, ausgenommen in Kreußlers Beſchreibung des Leipziger Univerſitäts-Jubiläums 1809. Auf den bekannten Kupferſtich des in ſeiner ſchönſten Blüthe verſtorbenen Rosmäslers, der unſtreitig ein 37 zweiter Chodowiecki geworden fein würde, die Promenade von Leipzig 1777, finden ſich unter vielen damals lebenden ſich auszeichnenden Spaziergängern wie Dr. Burſcher, Prof. Seeger, Mlls. Stock, auch Rau. Mit dem Umriſſe ſeines Geſichts in der erwähnten Schrift war er mit Recht nicht zufrieden. Im Neujahrstag-Concerte 1810 fragte er einen ſeiner genauern Bekannten: Haben Sie denn unſre Bilder geſehen? und als es verneint ward, ſagte er: da haan Sie och niſcht verloren, denn 's tft ke enziges getroffen. Ich ſehe Gott ſtraf mich aus, als wenn ich enne Hammelskeule im Maule hätte, und das kur— fürſtliche Gnadenzeechen ſitzt och uf der falſchen Seite. Erhard ſieht aus wie en Feuerriepel und Wenk wie Schinderhannes, wie vom Galgen gefallen! S'is ke eenzger ähnlich, außer Tittmann, der ſieht aus wie en Erz-Filou, der tft erſtaunlich getroffen! 38. Im hohen Alter pflegte er bei kühler Witterung, wenn er Abends ausging, einen weiten braunen Oberrock von feinem Tuche über die gewöhnliche Kleidung zu ziehen. Uebrigens ſcheint es nicht, als ob er ſich jemals anders gekleidet habe, um an beſondern Vergnügungen oder Leibesübungen Antheil zu nehmen; und zum Eſſen und Trinken, was ihm das Höchſte im menſchlichen Leben galt, war der Anzug nicht hinderlich. Die Krone von Allem mochten ihm die feierlichen Gaſtmäler ſein, und er ſagte einſt mit der Wehmuth der Erinnerung zu mir: „Hören Sie mal, es gibt doch an itzunder (sie! nach Leip— ziger Mundart) gar keene rechten Disputations-Schmäuſe mehr, der letzte war 1803, wie der Herr Doktor Schmiedel promovirte. Da gab's: — nun folgte die Aufzählung der Speiſen, für welche er ein beſonderes Gedächtniß beſaß — ich fraß von allen Gerichten, und dazu ſoff ich zwei Flaſchen Burgunder, nun hatte ich den Ranzen voll und ſchlich nach Hauſe, ja! bis an die Hausthüre bracht' ich's, paff! da lags!“ Doch gedachte er noch mit Lobe eines Schmauſes, welchen Herr H. aus Schulpforte am 16. Oktober 1813 unter dem Kanonendonner der Leipziger Schlacht gegeben hatte, vorzüglich aus dem Grunde, weil, ungeachtet der ſchlechten Zeiten, Herr Unrein zum großen Joachimsthal doch etwas ordentliches aufgeſchüſſelt hatte. „Zuletzt da kam Champagner, da kriegten's die Herren in die Köpfe und brachten Napoleon ein Pereat! da wurde mir aber doch Angſt, denn in dem Nebenzimmer lagen bleſſirte franzöſiſche Offiziere; ich wollte gern fort, es war aber in der ganzen Stadt kein Wagen zu haben, endlich ſchaffte mir der Lohnbediente eine Portechaiſe, da kam ich doch glücklich durch die Soldaten hindurch, denn ich ließ ihnen mein „Bierzeechen“ ſehen, und da dachten ſie vermuthlich, es ſäße ein bleſſirter General drinn.“ 39. Man erzählt, er habe einſt dem Disputationsſchmauſe eines jungen Doktors der Rechte beigewohnt, welcher in der Rechtsgelehr— ſamkeit eben keine beſonderen Kenntniſſe beſaß, dafür aber ſo glücklich war, eine Demoiſelle Linke mit 30,000 Thalern zu heirathen, und die Hochzeitfeier mit dem Doktorſchmauſe zu verbinden. Nach der Tafel ging Rau auf ihn zu und ſagte: „Herr Doktor, Sie ver⸗ ſtehen ſich auch beſſer auf die Linke als auf die Rechte.“ 40. Bei dem Doktorſchmauſe eines Leipzigers, des jungen Löhr, deſſen klügeren Bruder der Vater in ſeine Handlung aufgenommen, r aber in Doctorem Juris promovirt (wie Rau zuweilen ſagte provo— mirt) hatte, ſagte Rau: „Sie haben disputirt wie ein Schuft, hingegen traktirt wie ein Prinz. 41. Er hatte keine weiteren Reiſen gemacht, als zweimal nach Dres— den, um ſich, wegen der Beförderungen, den Herren Miniſtern zu empfehlen, vor denen er eine außerordentliche Ehrfurcht hatte, außer⸗ 39 dem von Zeit zu Zeit nach Merſeburg zum Stiftstage. In Dresden hatte er Anno 1772 eine ganz vortreffliche Portulakſuppe und ſehr zartes Rindfleiſch mit Klöschen gegeſſen. Ueberhaupt ſchätzte er dieſe Stadt, weil er mit großem Unrecht der Meinung war, man führe dort einen guten Tiſch. Auf den Merſeburger Stiftstagen hatte es ſtets etwas feines zu trinken gegeben; bei den Gaſtmählern eines kur— fürſtlichen Commiſſarius, welcher die Domherrn bewirthete, durften ja doch die Weine nicht ſchlecht und wenig ſein. Seine Stelle als Domherr ſchien ihm in mancher Hinſicht lieb und werth; er verdankte ihr unter andern auch den Titel: Hochwürdiger Herr, welcher ſich zu ſeinem übrigen Thun und Weſen oft ſeltſam genug ausnahm. In ſeiner Jugend mochte er vielleicht auch einige kleinere Städte um Leipzig geſehen, und bei einem ſolchen Beſuch in Grimma eine ſchlechte Mahlzeit bekommen haben, was er noch nach fünfzig Jahren nicht verſchmerzt hatte, ſondern bei jeder Erinnerung an dieſe Stadt mit erwähnte: daß es dort nichts geſcheidtes zu freſſen gäbe. 42. Eine lange Reihe von Jahren hatte er im Gaſthof zum goldnen Schiff gegeſſen, jetzt Hotel de France. Als der Oberkellner ſich in dem daneben liegenden Gaſthof zum grünen Schilde ſelbſt etablirte, ging er wohl zwanzig Jahr lang bis an ſeinen Tod nur dahin. Mittags blieb er zu Hauſe, aß eine Portion Suppe, trank zwei Taſſen ſchwarzen Kaffee und rauchte dann eine Pfeife Taback. (Nach gemeiner Leipziger Mundart ſprach er Toback ſtatt Taback, Koffee ſtatt Kaffee.) Das Verſäumte holte er Abends nach, wo ich ihn ſelbſt in hohen Jahren ziemliche Portionen zu ſich nehmen ſah. Das grüne Schild war deß— halb ſtets von Studenten fleißig beſucht, die hier begieriger auf ſeine Worte lauſchten, als ob er vom Katheder geſprochen hätte. War er bei Laune und durch die Gegenwart unbekannter Perſonen nicht genirt, ſo brachte er oft die originellſten Brocken heraus. Nur durften keine Fremden mit roth beſetzten Beinkleidern da ſein, denn dieſe hielt er für 40 preußiſche Offiziere, vor welchen er eine große Furcht hatte. Dann legte er Meſſer und Gabel hin, wurde einſylbig oder ſchwieg. Als ich ihn einſt um die Urſache fragte, antwortete er: „Merſeburg iſt an itzunder preu'ſch, wenn nun vielleicht da drüben erzählt würde, was man ſo etwa hier über Politik geſagt hätte, das könnte einem doch übel bekommen.“ Er beſorgte nämlich den Verluſt ſeiner Domherrn- pfründe. 4 Doch wäre es auch möglich, dap ſich ſeine Furcht vor den Preu— ßen noch aus dem ſiebenjährigen Kriege herſchrieb, namentlich von folgendem Vorfall. 43. Als er einſt ſehr gut gelaunt war, und der Abendgeſellſchaft ſchon einiges aus ſeinem Leben zum Beſten gegeben hatte, nahm ich mir die Freiheit, ihn zu fragen: haben Ew. Hochwürden wohl auch einmal Prügel gekriegt in Ihrem Leben? O ja! verſetzte er gravitätiſch, ein⸗ mal ſetzte es Plautze. Nun erzählte er: im ſiebenjährigen Kriege ſei der preußiſche General von Hauſen Gouverneur von Leipzig geweſen, ein barſcher, ſtrenger Soldat, dabei aber ein großer Freund und Gön⸗ ner der Studenten, übrigens dem Trinken ſehr ergeben. Die Garniſon beſtand aus ſehr unzuverläſſigen Leuten, theils Deſerteurs, theils ſolchen, die man in fremden Ländern mit Gewalt zum Dienſt gezwun⸗ gen hatte; daher die eine Hälfte die andere bewachte, und die Offiziere ſtets wegen Rebellion in Sorgen waren. Eines Abends brachten die Studenten dem General eine Fackelmuſik, und rückten vor ſeine Woh⸗ nung im Mangelsdorfiſchen Hauſe auf der Hainſtraße, dem ſogenann⸗ ten Lederhofe. Allein der tapfere Mann hatte ſich an dieſem Tage ſchwer beſoffen und noch nicht ausgeſchlafen; er fuhr erſchrocken empor, hielt das Jubeln für Empörungsgeſchrei der Studenten und mitver— ſchworenen Soldaten, unter denen faſt die Hälfte Sachſen waren, und befahl ſogleich Alles auseinander zu treiben. In dem geräumigen Hofe ſtand jederzeit eine ganze Compagnie unter Waffen, dieſe brach heraus, 41. die Offiziere und Unteroffiziere fuhren mit Rohrſtöcken bewaffnet unter die Spielenden, welche eben ein Adagio ausführten, und jetzt mit Schlägen begrüßt wurden. Von hier an erzählte Rau mit folgenden Worten: „Alle liefen in der größten Verwirrung auseinander, da unten an der goldenen Gans da erwiſchte mich auch ſo ein kleines Offi— zierchen; (hier parodirte er nun die ſchwache klare Stimme des jungen Offiziers) iſt Er auch e Studente? Ja, ſagte ich (im tiefſten Baß); plautz, plautz, ging es, aber ich fühlte nicht viel, denn ſehen Sie, dazumal war ich muſikaliſch, ich ſpielte die Bratſche und blies die Flautuſe, da war ich denn mit bei der Symphonie geweſen; wie nun die Prügelei losging, da hatte ich die Noten unter den Buckel geſteckt, da knallte es zwar ganz gewaltig, allein ich fühlte faſt gar nichts.“ 44. Als er einſt in der Dämmerung eines Sommerabends auf der Allee ſpazierte, wurde er von einem jungen hübſchen Mädchen, die Tochter des Kreisſteuer-Einnehmers Weiſe, freundlich angeredet, die er nicht ſogleich erkannte, ſondern für ein Freudenmädchen hielt; er wurde daher maſſiv, und drückte ihr einen Gulden in die Hand. Jene ſchrie laut auf und entfloh, wobei ſie in der Beſtürzung das Geldſtück in der Hand behielt. Sie war die Tochter eines ſehr bekannten Ge— lehrten, der damals Vorſteher einer der erſten Schulen, und unter andern auch Mitglied eines lateiniſchen Kränzchens war, an welchem Rau ebenfalls Antheil nahm. Der Reihe nach verſammelten ſich die Mitglieder bei Einem unter ihnen, wobei denn zum Schluſſe ein kleines Abendeſſen aufgetragen wurde. Hier glaubten die Eltern paſſende Gelegenheit zu haben, den Herrn Profeſſor wegen ſeiner Unart vor allen Gäſten tief zu beſchämen und in die größte Verlegen— heit zu verſetzen. Allerdings hatte dieſer ſchon ſeinen Irrthum aner— kannt; als er aber unter ſeinem Couvert den Gulden in dem Augen— blicke fand, wo alle Blicke auf ihn gerichtet waren, ſteckte er ihn ruhig ein, ging auf die Tochter vom Hauſe zu und ſagte gutmüthig: „Ach, 42 Julchen, Sie waren's, nehmen Sie's nicht übel, ich dachte es wäre ein Raſenwälzer.“ 8 a 45. Im Jahre 1816 wohnte ein Zittauer Fabrikant im grünen Schilde, der aus Amerika zurückkam, wo er eine Fabrik hatte anlegen wollen. Er langweilte die Tiſchgeſellſchaft durch die einfältigen Erzählungen von ſeinen Reiſen. Des Abends aber, wenn ſeine Hochwürden erſchien, hatte er einen aufmerkſamen Zuhörer, der, begierig wie ein Knabe, von fremden Ländern reden hörte. Einſt brach Rau das Stillſchwei— gen und fragte plötzlich: Hören Sie 'mal, in Amerika iſt's denn da heiß? (er ſprach heeß) — Ja und nein! Es iſt ſehr verſchieden, antwor— tete Jener, da wo ich geweſen bin, iſt das Klima ohngefähr ſo wie hier. — Nu, wie gehen denn da die Leute? — Die Kleidung iſt im Allgemeinen wie bei uns. — Aber die Wilden, die gehen wohl nackig. Ja! die, die gehen faſt ganz nackig. (Wahrſcheinlich hatte der gute Mann gar keine geſehen.) — Aber wie ſteht's denn mit den wilden Menſchern? ſieht man die zuweilen? kommen ſie manchmal in die Städte? laſſen ſie ſich anfühlen? (Das war der Punkt, auf den Rau losſteuerte, das wollte er hauptſächlich wiſſen, weiter intereſſirte ihn von ganz Amerika nichts.) — Nein, ſehr ſelten. — Ach ſo, ſie liegen gewiß draußen in den Wäldern, wie wir einmal welche hier im Rofen- thale hatten. 2 Durch dieſe Worte machte er unſere Neugier rege, und erzählte nun, man habe vor längerer Zeit einmal eine Familie von acht Per- ſonen, meiſtens Frauenzimmer, tief im Holze entdeckt, wo ſie mehrere Monate ohne Obdach gelagert und gleichſam verwildert wären. Dieſe hatte ſeine geſchäftige Phantaſie in „wilde Menſcher“ umgeſchaffen. 46. Einſt gab der in Weimar verſtorbene Capellmeiſter Müller mit einem Bruder ein Concert auf zwei Flöten, welches auch Rau und 43 fein College, der Profeſſor Dr. Stockmann, beſuchten, und hier, wie gewöhnlich, an die Thürſäulen vom kleinen Saal herein ſich an— lehnten. Das zuhörende Publikum war entzückt über die herrlichen Flötenklänge, und konnte ſich im Beifallgeben kaum mäßigen. Rau, dieſes Applaudiſſement gelaſſen und unbeweglich anhörend, beugte ſich nach deſſen Beendigung ruhig nach Stockmann hin, dem er ſeine Zufriedenheit über die beiden Brüder Müller in folgenden Worten ausdrückte: „Die Kerle pfeifen abber nich ſchlecht.“ 47. Nach einer ſolchen Concertrevue ſagte er einſt zu mir: „Es iſt doch eine ſchöne Dame, die Madame P. D., ſie conſervirt ſich zum Erſtaunen, ſie ſieht juſt aus, wie ſie hat vor dreißig Jahren geſehen. Kennen Sie ſie nicht? dort ſitzt ſie neben der alten K. — Ich wußte nur ſo viel, wen er meinte. — Sie hat mir jederzeit ausnehmend gefallen, fuhr er fort, und das ging Sie ſo weit, daß ich ſie einmal heirathen wollte. — Wie? Ew. Hochwürden haben ſie heirathen wollen? (er war nie verheirathet geweſen.) Nu, wiſſen Sie was, wenn Sie mit hinter zu Herrn Marcus kommen, da will ich Sie's erzählen. — Ich rechnete auf einen ſeltenen Ohrenſchmaus und begleitete ihn. Langſam, wie die Schildkröten, zogen wir nach der Fleiſchergaſſe. Kaum ſaßen wir am Tiſch, ſo drängte ich ihn mit der Erzählung. „Nun ſehen Sie, ſagte er, ich war dazumal noch ein junger Doktor, ich ſaß noch nicht in der Fakultät. Auch ließ ich mir ſagen, ſie könne mich nicht recht leiden, da bin ich gar nicht hingegangen und habe gar nicht um fie angehalten.“ Das iſt alſo die ganze Heirathsgeſchichte? — Ja! — Das hätten Sie mir können auf der Treppe erzählen, ſtatt mich den weiten Weg mitzuſchleppen. — Es war ihm auch wirklich blos darum zu thun geweſen, Jemand zur Geſellſchaft zu haben, denn er hatte ſich mehrmals gegen mich beklagt, daß er Abends ganz allein da geſeſſen habe. J Gu 44 48. Einſt war ein höchſt einfältiger junger Menſch nach Leipzig ge ſchickt worden, um da zu ſtudiren. Da es ihm an allen Mitteln fehlte, ſo äußerte er oft den Wunſch: wenn ich doch nur ein Stipendium erlangen könnte! Andere Studenten machten ſich den Spaß, ihm den Glauben beizubringen, es wären gegenwärtig einige Schürzen— Stipendia vacant, welche der Oberhofgerichtsrath, Profeſſor Erhard zu vergeben habe, bei dem er ſich ja baldigſt melden möge. Jener eilte hin und trug ſeine Bitte vor. Erhard, ein Mann von feinſtem Geiſte, hörte dem albernen Menſchen ruhig zu, that dann einige Fragen über Herkunft und Verhältniſſe an ihn, und fagtes es thut mir ſehr leid, daß ich ihnen nicht dienen kann, denn ich habe die Collatur dieſer Stipendien ganz kürzlich an den Herrn Domherrn Rau abgegeben; bemühen Sie ſich daher zu dieſem, er wohnt auf dem Neumarkt in Hertzogs Hauſe zwei Treppen, und machen ſie einen gehorſamſten Empfehl von mir; er iſt ein ſehr guter Mann und wird Ihnen gewiß eins verleihen. Der Student erſchien vor Seiner Hoch— würden und brachte ſeine Bitte an. Aber wie wurde er empfangen! Ih Er Flegel, Er niederträchtiger Kerl, will Er gleich machen, daß Er mir aus den Augen kommt. Jener eilte erſchrocken von dannen. Als Rau am folgenden Morgen von andern Studenten den wahren Zuſammenhang erfuhr, dauerte ihn der einfältige Junge, und er ſchickte ihm einen Speciesthaler. 49. Mit ſeinem Collegen Erhard, der ſehr witzig war, konnte ſich Rau eigentlich nicht meſſen, auch gab ihm Jener dann und wann einige Seitenhiebe, beſonders da er zu den denkenden und geiſtreichen Juriſten gehörte, während Rau bei den in der Jugend eingelernten Anfichten ſtehen geblieben war, fo daß er ungeachtet ſeiner Kenntniſſe doch nicht unter die gebildeten Gelehrten gezählt werden konnte, die ihre Wiſſenſchaft durch Forſchen und Selbſtdenken weiter zu bringen ſuchen. Als eines Tages Erhard mit einem fremden Gelehrten im 45 Geſpräch am Fenſter ſtand, ſtieg Rau auf Beide zu und fagte zu dem Fremden: glauben Sie unſerem Erhard nichts, es geht kein wahres Wort aus ſeinem Munde! Schnell wendete ſich Erhard zu Rau und ſprach: ich war eben im Begriff zu ſagen, daß ſie einer unſerer größ— ten Civiliſten ſind. Hier mußte Rau die Erwiederung ſchuldig bleiben. 50. Rau hatte keine Anverwandte als einen Bruder, welcher eine Papierhandlung in Leipzig unter dem Paulinum beſaß, und ſich in ſehr mißlichen Umſtänden befand. Beide ſahen einander ſehr ähnlich; dieſelbe kurze, rund⸗pumpeliche Figur, derſelbe dicke Kopf, auch in der Kleidung glichen ſie einander einigermaßen. Beide konnten ein— ander nicht leiden und ſahen ſich nie; der Papierhändler trieb ſeine Erbitterung ſo weit, daß er im Wechſelarreſt, nach ſeinem Bankerott, nur mit dem größten Widerwillen die Zahlung ſeines Bruders ſich annahm, in ſeiner letzten Krankheit das Eſſen verſchmähte, was ihm dieſer ſchickte, und lieber hungerte. 51. Rau's Bruder war lange in der Breitkopf'ſchen Buchhandlung zur Zufriedenheit ſeiner Principalität Diener und Buchhalter. Von Statur war er etwas länger, und hatte auch im Geſicht einige Aehn— lichkeit mit ſeinem Bruder. Als dieß Jemand einſt gegen Rau be— merkte, verſetzte er: Ja, er ſieht mir ähnlich, aber er hat keine ſo feinen Züge als ich!“ 52. Der als Miniſter verſtorbene Freiherr von Werthern gehörte zu Rau's genauen Bekannten, trank manchmal mit ihm und erlaubte ſich manchen derben Spaß. So veranlaßte er den Buchhändler S. die vielen Anekdoten, wahre und erdichtete, welche von Rau im Umlauf waren, zu ſammeln, um ſie im Druck herauszugeben. „Damit ſich 46 aber keine Unrichtigkeiten einſchleichen können, ſagte Werthern, ſo tragen Sie ihm das Manuſcript hin und bitten ihm ſelbſt um die Correctur.“ S. ließ ſich überreden und brachte es zu Rau, ſoll aber mit entſetzlichen Grobheiten empfangen worden ſein, worüber ich jedoch nichts Näheres mittheilen kann. Genug, ſeit dieſem Vorfall trug Rau einen großen Haß gegen S., ohne zu ahnden, daß eigentlich ſein Vorgeſetzter, der Oberhofrichter von Werthern, der Anſtifter geweſen ſei. 53. In ſeinen Augen mochten zwei oder vier Groſchen ſchon ein an— ſtändiges Trinkgeld ſein; nicht ſchlechterdings aus Geiz, ſondern weil er den Preiſen aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts getreu blieb. Auch konnte er es nicht leiden, wenn Jemand gar nichts gab; einer ſeiner Collegen in der Facultät und dem Oberhofgericht, der bekannte Doctor Kees, war geizig (und dabei Einer der reichſten Männer in Sachſen, denn er hinterließ 800,000 Thaler); dieſem ſagte unſer Domherr manchmal tüchtige Sottiſen. Bei einem feierlichen Schmauſe im Hotel de Saxe kam Rau neben Kees zu ſitzen, welcher den Degen angeſchnallt hatte. „So legen ſie doch den alten Bratſpieß ab, ſagte er zu ihm, das Zeterding kommt immer zwiſchen die Beine!“ — Nein, nein, ſagte Jener ängſtlich zurückend, er ſoll Sie nicht incommodiren, ich will ihn ſchon herannehmen! — „Ich weiß lange, fuhr Rau fort, Sie wollen dem armen Marqueur den Groſchen nicht geben, ich will ihn für Sie bezahlen, hier iſt er!“ Und hiermit legte er auch wirklich vor Aller Augen einen Groſchen neben den Teller ſeines Nachbars, der fortwährend abwehrte und nun, um feſt zu bleiben, den Degen durchaus nicht ablegte. 54. Einſt ſoll Einer von Rau's früheren Zuhörern und Bekannten als ruſſiſcher Officier durch Leipzig gereiſt ſein und ihn beſucht haben. Man beſchloß die Erinnerung an die Vergangenheit durch einen 47 Abendſchmaus zu feiern, wobei dem Bacchus reichliche Opfer gebracht wurden. Die Köpfe von Weindünſten erfüllt, waren Beide unfähig zu gehen und der Hausknecht erhielt Befehl die Herren nach Hauſe zu bringen. Er faßte den Einen rechts, den Anderen links unter den Arm; als er aber beim Oeffnen der Hausthür die Hand bewegen mußte, entſchlüpfte ihm der Ruſſe und fiel in den Rinnſtein. Lallend ſagte Rau: hebe Er einmal den Schweinigel da aus der Goſſe auf, und lehn' Er mich unterdeſſen an die Wand! 55. Eine Haushälterin, die er lange Jahre bei fic) hatte und die früher hübſch geweſen ſein mußte, pflegte ihn in ſeinen letzten Jahren; doch war er eigentlich nur etwa zehn Monat vor ſeinem Ende kränklich. In der letzten Zeit ſaß er in einem Hinterſtübchen, in einen Schlaf— rock gehüllt, ohne alle Beſchäftigung da und ſah es gern, wenn ihn Jemand beſuchte; doch wurde er von der Haushälterin, wegen der etwaigen Erbſchleicherei, ſorgfältig gehütet und war ſtets eingeſchloſ— ſen; wer zu ihm wollte, mußte ſich eine Treppe höher bei ihr melden. Die Erbſchaft entging ihr auch nicht, er hinterließ ohngefähr 17,000 Thaler, und hatte nur zwei Legate, jedes von 50 Thalern ausgeſetzt. Aber auch in dieſer Zeit verließ ihn ſeine Laune nicht ganz. Sechs Wochen vor ſeinem Tode beſuchte ich ihn und fragte: aber, Ihro Hochwürden, was fehlt Ihnen denn eigentlich. „Ich weeß Sie's nicht! Vorgeſtern war ich beim Oberhofgerichtsrath B. zu Tiſche.“ (Nun zählte er die genoſſenen Gerichte her). Kaum bin ich in der Hainſtraße, plautz geht Alles wieder fort. Es ſah ordentlich delicat aus, wie's ſo vor mir lag. Ich muß mich itzunter verflucht in Acht nehmen.“ Er ſtarb am 22. Januar 1818. Sein Teſtament hatte er in lateiniſcher Sprache abgefaßt und mit den Worten geſchloſſen: Corpus humo, animam Deo demando. (Den Leib befehle ich der Erde, Gott die Seele.) 48 * Dermifchte ſcherzhafte Anekdoten. 1. Eine adeliche Dame, welcher die in Frankreich geſchehene Publi- kation der Gleichheit der Menſchenrechte vermuthlich nicht zu Ohren gekommen war, ließ ſich einſt in einer Geſellſchaft verlauten, daß es eigentlich drei Menſchenraſſen gebe, den Adel, den Mittelſtand und die Dienſtboten, die weſentlich aber fo verſchieden wären, wie Por- zellan, grobes Zinn und Töpferwaare. Dem Bedienten befahl ſie bald nachher, er ſolle die Amme mit dem Kinde aus dem obern Zimmer herabrufen. Der Bediente ging bis an die Treppe und ſchrie aus vollem Halſe: „Altes Nachtgeſchirr, bringe das kleine Stück Por- cellan herunter. 2 i Die Engländer belagerten im Jahre 1702 Cadix. Da zum Angriff eines ſo wichtigen Platzes Muth erfordert wurde, ſo hielt der engliſche General für gut, die Seinigen durch eine Rede anzu— feuern. Sie war kurz und ſonderbar. Engländer, ſagte er, die ihr alle Tage ein gut Stück Rindfleiſch und eine kräftige Suppe eſſet, bedenket, daß es die höchſte Schande ſein würde, wenn ihr euch durch dieſes Lumpengeſindel, die Spanier, ſchlagen ließet, die nur Pome- ranzen und Citronen freſſen.“ Dieſe mit vielem Feuer ausgeſprochenen Worte thaten auch die gehoffte Wirkung. 3. Als einſt ein junger Römer, Namens Cäſar, ſich mit einem Mädchen, die Roma hieß, und der man eben nicht viel Feines und 49 Löbliches nachſagte, verheirathete, ſchrieb man ihm, während der Hochzeitnacht an die Thür des Schlafgemachs: Cave Caesar, ne Roma tua fiat Respublica! N 4. . Ein Eckenſteher vor Gericht. (Ein Eckenſteher iſt vor Gericht gefordert, weil er einem Andern die Naſe blutig geſchlagen hat; als ihn der Auskultator vornehmen will, erzählt er Folgendes:) Eckenſteher. Ja ſehn Se, Herr Kultater, es war jrade an einen Sonntag, unt'n war en ſtarker Nebel, ſo ſteh ich in mein Logis un denke vor mir: Kielmeyer, denk ick, wo dämelſten heute hin? Na, denk ick, Du wirſt rausdämeln vor's Oranienburjer-Dhor zu Rennebohmen. Jut. Jeſagt, jedhan! Ick ſeh aus't Fenſter raus; ick denke: ziehſt De Dir Deine bunte Kartun'ne an, oder nich? Na, denk ick, det Wetter is halweje, et fallen keene Camisbrodte vom Himmel, Du wirſcht Dir Deine Kartun'ne anziehen. Jut! — Wie ick runter komme un bin kaum ne Ecke jejangen, ſo drippelt's. Schwere— brett! denk ick, Du kannſt doch woll nich in Deine Jake jehen, Du wirſcht Dir Deinen blauen Rock anziehen — det heeßt nich den hell— blauen, ſondern den, den ick in de Rezenjaſſe von Adammen gekooft habe, det heeßt eijentlich von Eva'n, denn er war nich zu Hauſe — un ſehen Se Herr Kultater: ick kehre richtig um un ziehe mir meinen Rock an. Auskultator (unwillig). Zum Teufel, weiter! Das gehört ja nicht zur Sache! Eckenſteher. Ja woll, Herr Kultater! Ick kann doch nich ohne Rock jehen? Alſo ick jehe nu mit meinen Blauen un komme richtig raus zu Rennebohmen, un falle bei ihm rinn. Ick ſage zu mnt „Jun Bibl. d. Frohſinns. III. 50 Dag, Rennebohm!“ fag’ ick. — „Jun Dag, Kielmeyer!“ ſagt er. „Wie jeht's Dir?“ fragte ich ihm. — „Ich danke Dir!“ ſagte er, „un Dir?“ — „O ich danke Dir!“ ſagte ich. Darauf ſagte Renne⸗ bohm: „kann ich Dir vielleicht mit einem Bittern aufwarten?“ — „Ne,“ ſagt ich, ich danke Dir, ich habe mich einen Anies mitjebracht.“ Darauf jreiff ich in de Rocktaſche un hole meine Carline raus und jieße einen hinter de Binde. „Er ſchmeckt Dir woll?“ ſagt er. „Ja!“ ſagte ich. Rennebohm nimmt alſo voch einen, ich nehme voch noch einen, und Rennebohm nimmt ooch noch einen. Des is jut! — Nu jeſellte fic) da ein Menſch zu uns, der nimmt boch einije; wir unter⸗ halten uns, wir kommen in Streit, und der Menſch ſchimpft mir in der Hitze des Jeſprächs: „Fanſchon!“ Nu ſehn Se, Herr Kultater— ick bin ein Menſch wie ein Kind; wenn mir Eener ins Jeſichte ſpuckt un ſagt: et rejent! ſo jlob icktt; wenn aber Eener Fanſchon zu mir ſagt, ſo ſteigt mir die Jalle ins Jeblüte un ick werde ärjerlich; denn ſehn Se, Herr Kultater, Fanſchon des is ein Hundename; denn ick habe mal bein Commerſchenrath jearbeit't, und der hatte einen Hund, und dieſer Hund, der hieß, Fanſchon. Und ein Hund, Herr Kulta⸗ ter, das iſt eine Thöle — und ich kann doch unmöglich keine Thöle nich find! — Ick jeh alſo auf den Menſchen, der mir Fanſchon jeſchum⸗ pfen hat, druf zu, un frage ihm: „Haben Sie uf mir Fanſchon jeſagt?“ — „Wie ſo?“ ſagte er. Alſo nu werd ick unanjenehm un ſteche ihm Eine. Er ſtecht mir wieder Eine; darauf ſtecht ich ihm noch Eine, und darauf ſtecht er mir boch noch Eine, un wie wir jo im beſten Stechen ſind, ſo kommt mein Freund Rennebohm un ſtecht uns alle Beede Eine, un fuhrwerkt mit uns vor de Dhüre raus, ſo deß wir uns verheddern, un jrade in den Rennſteen turkeln. — Nu kommt der Menſch zufällig unten zu liejen und ich auf ihm druf, un wir liejen ooch jar nich lange, ſo kommt ein Gend'armerie un frägt: „Kroobzeug! was macht ihr da?“ — „Entſchuld'jen Se, Herr Gend' armerie!“ ſagte ich, „ich bin kein Kroobzeug! Des hier unten iſt mein Freund, un ich habe ihm was zu ſagen.“ Un der Gend'armerie ver⸗ 51 zieht fic) und verſchwind't. Nu wird der Menſch aber da unten un- ruhig, un nimmt ſeine Fäuſte un alkſt mir int Jeſichte. — Ick denke: warte! Ick jreife alſo in den Rennſteen un breche mir da ſon kleen Steeneken von en Pfundner ſechzehn los, un quetſche ihm des uf de Neſe. Nu muß de Neſe woll einen Springs oder eine Borſchte gekricht haben, oder fe hat voc woll ſchonſt eine jehat, det will ick unjeſagt laſſen — nu ſoll ick davor hier unſchuldije Keile kriejen. (Pauſe.) Nu will ick Ihnen mal was ſagen, Herr Kultater, ich habe einen juten Freund, der Menſch is auch Eckenſteher von Profeſchion un hat einen ſehr vernünftijen Charakter — et is No. 237. Wenn ich den ſechs Iroſchen Cou .. .. (er erſchrickt und verbeſſert ſogleich) ſieben un en halben Silberjroſchen jebe, ſo nimmt er die ganze Keile uf ſich. Nu will ich Ihnen wat im Vertrauen ſagen, Herr Kultater, ick werde Ihnen die ſieben un en halben Silberjroſchen jeben — nich etwa, als ob Sie die Keile uf ſich nehmen ſollten, nee — damit ſie den Men— ſchen die Keile davor zukommen laſſen können. Auskultator. Schon gut! ſchon gut! (er ſchreibt) Inkulpat geſteht ein, dem pp. die Naſe blutig geſchlagen zu haben. Eckenſteher (ſchnell einfallend). Na, ſehn Se woll Herr Kultater! Des ſag' ich ja: een Kulpat is es jeweſen; (unwillig) nu wollen Se mir hier keilen! AJ 5. \ U Britzke vor dem Polizei⸗Commiſſarius. Commiſſarius. Komm mal näher, Du betrunkener Kerl! Du haſt alſo ſchon wieder ſtehlen wollen, he? Wie biſt Du zu dieſem Paraplui gekommen? Britzke. Stehlen wollen? Nee, Herr Kumzarjus, da dhun Se mir unrecht. Ick bin zwarſcht nur en ſimpler Mann, aber da dhun Se mir doch unrecht. Sehn Se, Herr Kumzarjus, es war in de Mohrenſtraße, da je ich. Auf einmal fall ick rin bei Heimburjern 4 * 52 in'n Laden un fordre mich nach meiner jewöhnlichen Art vor einen Sechſer, denn mehr drink ich nie. Jut! Wie ich den runter habe, ſo will ick eben raus jehen aus den Laden; ſo fällt mich ein, deß ich noch einen drinken könnte. — Des dhu ich. Nu dauert's jar nich lange, fo lieg ich draußen vor de Dhüre an den Eeckſteen un überſinne mir, deß ich woll muß zu ville jedrunken haben und deß ich uf dieſe Weiſe da niederjekommen war. — Nu lieg' ich da an de Ecke, Herr Kum⸗ zarjus, ſo kommt ein jroßer Hund, und hält mir für den Eckſteen und will da! — So wie er alſo will — ſo nehm' ick meine Pote, die boch nich vor de Langeweile is, un ſtoße ihm vor de Seite, daß er orndtlich „Au“ ſchreit. Nu looft der Hund wech un ſieht mir immer dabei an; un nu kommt eine Köchin, die drächt einen jroßen Korb mit Jemüſe und Fleeſch un ſieht ſich nich vor, un ſtolpert über den Hund un fällt mit ſammſt den Korb hin. Des is jut! Nu mußte der Hund woll Lunte jerochen haben; denn er jung janz ſachte ran an den Korb, ſchnüffelte erſcht ſon bisken rum un — rutſch! faßt er det Stück Fleeſch un kratzt mit aus. Derweile hatte ſich die Köchin uff jerappelt und packte wieder Allens zuſammen — außer det Fleeſch, denn det hatte der Hund mitjenommen, — un ick lag noch immer da un ſah mir des bequem mit an. Mit eenmal fällt mir in: Hör mal Britzke, det Stück Fleeſch kannſt de doch den Hund unmöglich laſſen, du willſt mal en bisken ufſtehen, villeicht bejejenſte ihn in eine andere Straße wieder. Alſo jut! So wie ick aber aufſtehe, ſo fängt et an zu rejen, un det dauert ood) nich lange, fo jießt et wie mit Mollen. Ick jeh alſo fon bisken an de Häuſer lang, fo ſtoßt mit wat int Jeſichte — ick ſeh' nach, is et een Parrezoll! J! denk ick, det is doch unrecht, det der hier in ſolchen Rejen hängt; ick ſeh' mir alſo um ob Keener da is, un zieh ihn runter von de Strippe, un ſpann' ihn uf, bloß in der Meinung, deß ick vielleecht noch den Hund bejejne, damit ick ihm det Stück Fleeſch wieder abnehmen kann. Un richtig! Des dauert vod) nich lange, fo kommt ein Hund; bloß def er kein Fleeſch mehr in de Schnautze hatte un auch nich der nehmlichte Hund war. — * 53 Wie ich noch fo drüber nachdenke, fo kommt Jemand von hinten auf mir zu un bufft mich in's Jenicke. Ick dreh' mir alſo um un frage ihm: ob er mir vielleicht was zu ſagen hätte? Ja!“ ſagte er, „er niederträchtijer Kerl hat mir einen Schirm jeſtohlen! — „Was?“ ſagte ich, „jeſtohlen?“ Un ſo will ick ihm — verſtehn Se Herr Kum— zarjus — eine ochſije Bremſe ſtechen. Aber, wie man jrade ſo Unjlück hat, da wurde niſcht draus, ſondern ick krichte eine von ihm. Des is jut! Nu kommt Ihr Scherſchant vorbei, Herr Kumzarjus, un jlobt den Mann, un hält mir vor einen Spitzbuben, bloß weil er mir eine Bremſe jejeben hat; denn hätte ich ihm eine .... Commiſſarius. Ruhig! Du wirſt wieder Deine gehörige Zeit ſitzen müſſen, Britzke! Britzke. Na 't is jut, Herr Kumzarjus, ick will ſitzen; aber det ſag ick Ihnen jleich, wenn ick den Hund mal wieder zu ſehen krieje, den tret ick doot; det Bieſt is an Allens Schuld. 6. 2 Ein ſüßes Herrlein ging in Wien ſpazieren und ſchlug, was man ſagt, ſo recht burſchikos, mit der Reitgerte fortwährend an ſeine Lenden. Einige Schritte von ihm, ihm zur Seite, ging ein Schuſter— junge, und ſah mit recht ernſten, wehmüthigen Blicken dem Spiele mit der Gerte zu. Plötzlich aber hub er an, ſich an den Zierbengel wendend: „Abers Ihr Gnaden! warum ſchlagens denn allweil das arme Vieh?“ ; 15 “i Ein junger Rechtsgelehrter in Wien trat einft bei einem Balle einem Sekretär, der ſehr dünne Beine hatte, auf eines ſeiner Fuß— geſtelle. Der Sekretär wurde wüthend und fragte: „Na, Sb! glaubens etwa, daß i meine Beine geſtohlen hab?“ „„Gott bewahr'!““ war die Antwort, „„hätten's ſich doch g'wiß da a Paar beſſ're ausg'ſucht!““ ; 54 8. In Wien war ehemals ein Gaſtwirth Namens Riedel, der eine ſogenannte Schauſpieler-Herberge unterhielt, die auch dieſen Namen in der That verdiente, da ſie den Schauſpielern, welche auf ihren Wanderungen nach Wien kamen, nicht bloß zum gebräuchlichen Ein— kehr- und Aufenthaltsquartiere diente, wo fie bis zu einem ſich dar— gebotenen Engagement Eſſen und Trinken auf Rechnung bekamen, wenn ſie ſich gegen den Herbergsvater über ihre Perſönlichkeit und Leiſtungen hinlänglich ausweiſen konnten, ſondern weil auch die Unternehmer ambulanter Bühnen in Nieder-Oeſtreich zur Herbſtzeit, oder wenn ſie auch außerdem um Mitglieder verlegen waren, dorthin kamen, um Erſatzmannſchaft anzuwerben. Unter den Directoren, ſo ſich in dieſer Abſicht öfters dort einfanden, zeichnete ſich ein gewiſſer Scherzer durch die originelle Art und Weiſe bei Abſchluß der Enga⸗ gements beſonders aus, wie denn überhaupt ſein ganzes Weſen höchſt originell war. Einſt kam derſelbe nach Wien, um für das Fach des erſten Liebhaber einen Schauſpieler zu engagiren. Wie gewöhnlich wandte er ſich zuerſt mit den Worten an den Herbergswirth: „Grüß di Gott, Bruder Riedel! wie gehn die G'ſchäften? ſein Leut' da? i könnt welche g'brauchen;“ und als Riedel ihm zu ſeiner Zufrieden⸗ heit geantwortet, auch die nähern Details der künſtleriſchen und öko— nomiſchen Verhältniſſe der Engagementſuchenden mitgetheilt hatte, ging er einige Mal, gleichſam Muſterung haltend, das Zimmer auf und nieder, bis er ſich ſeinen Mann auserſehen hatte, an den er ſich nun folgendermaßen wandte: „Schön gueten Morgen, wünſch i! wie ſchaut's aus? ſchon g'fruhſtuckt? J hör' der Herr ſucht halt an En- gagement? J könnt juſt grad fo anen brauchen, wie der Herr ijt. — Sepperl, bring a Seidel Wein!“ — Der Schauſpieler, welcher Vo⸗ gel heißen mag, entgegnet: „Ja, Herr Scherzer, ich ſuche allerdings Engagement, und können wir uns über die Bedingungen einigen, ſo bin ich nicht abgeneigt, ein ſolches bei Ihnen anzunehmen.“ — Scher⸗ 55 zer. Schon recht! — Sepperl, leg' auch a Bratwürſtel eini! — Wie viel Gage verlangt denn der Herr monatlich? — Vogel. Sechzig Gulden. — Scherzer. Sechzig Gulden? Sepperl laß die Bratwür— ſtel noch weg! — Sechzig Gulden? — Kannſt a den Wein no ch fort laſſen. Weiß der Herr was? i will ihm vierzig Gulden geben. — Vogel. Nein, Herr Scherzer; doch ſoll es mir auf zehn Gulden we— niger nicht ankommen. Geben ſie alſo funfzig Gulden, ſo mag der Contract abgeſchloſſen ſein. S. Funfzig Gulden? Nu's ſoll ſein. Sepperl den Wein kannſt halt bringen, aber die Bratwürſtel noch nit. — Wie ſteht's denn mit dem Herren ſeiner Garderobe? hat der Herr das, was a Liebhaber haben ſoll? a Paar kurze ſchwarze und a Paar kurze weiße Hoſen? — V. Nein, damit bin ich gegenwärtig nicht verſehen.— S. Nit? — Sepperl kannſt den Wein noch weglaſſen. — Wann der Herr die Garderobe nit hat, da kann aus der ganzen Paſtete nix wer— den. — V. Je nun, was ich nit habe, läßt ſich ja anſchaffen. Geben Sie mir ſo viel Vorſchuß als ich zur Anſchaffung der nöthigen Garde— robeſtücke bedarf, und ziehen Sie mir monatlich fünf Gulden von der Gage ab. S. Vorſchuß geb i nit gern, weil i den Herrn noch nit kenne und weil i halt grad kein Geld hab. Indeß da mir meine Toch— ter geſagt hat, i ſollt und müßt an Liebhaber mitbringen, ſo will i den Vorſchuß geben. Hat der Herr ſonſt nichts einz'wenden? — V. Nein, vor der Hand wüßte ich weiter nichts. S. Nu Sepperl, fo bring zwei Seidel Wein und a Paar Bratwürſteln. J will a fruh— ſtucken, denn i bin beim Engagement völlig hungrig worden. — Auf dieſe und ähnliche Weiſe wurden alle Engagements-Contracte von demſelben geſchloſſen. 95 Während des Sommers hielt ſich Scherzer gewöhnlich mit ſeiner Truppe zu Baden unterm Wiener-Walde auf, wo warme Schwefel- bäder befindlich ſind, und wo ſich auch der Kaiſer von Oeſtreich wäh— rend der Saiſon zuweilen einzufinden pflegte. Da das Publikum den i . 66. * Director und die von ihm aufzuführenden Stücke (chon längſt kannte, ſo ſtand ſein Theaterlokal häufig eben ſo leer als die Schauſpielhäuſer anderer Städte während den Hundstagen, und er wußte nicht mehr, wo er das zur Zahlung der Gage nöthige Geld hernehmen ſollte. Da kam er auf folgenden Einfall, von dem er ſich eine reiche Einnahme verſprach. Er ließ eines Tags beim Kaiſer um Gehör bitten, der ihn- mit ſeiner bekannten Leutſeligkeit empfing und ſein Geſuch anbringen hieß. Nachdem Scherzer erſt im Allgemeinen über ſchlechte Zeiten ge- klagt und das Kritiſche ſeiner Lage vorgeſtellt hatte, ſetzte er hinzu: Nu ſchauen Eu'r Majeſtät, i was, wie i a gute Einnahme machen kann. Wann i morgen auf den Zedel ſetzen darf, daß Eu'r Majeſtät ſelbſt ins Theater kommen werden, um das Stuck zu ſehen, was geben wird, da laufen alle Narren z'ſammen. Der Kaiſer lächelte ob des ſonderbaren Anſinnes, wies es jedoch beſtimmt von der Hand mit der Aeußerung, daß ſein Erſcheinen durch Umſtände verhindert werde. Das thuet nix, erwiederte Scherzer, Eu'r Majeſtät dürfen juſt halt nit kommen, i bin ſchon zufrieden, wann ich's nur auf den Zedel ſetzen darf. Nun, du Hans Dideldap, ſagte lachend der Kaiſer, ſo ſetz' auf was du willſt; da hier haſt du auch mein Entrse, ſetzte er noch hinzu, indem er dem Supplicanten einen nicht unbedeutenden Beitrag einhändigte. Tauſend Mal allerunterthänigſt die Hand küſſend (eine öſterreichiſche Redensart) und äußerſt erfreut entfernte ſich dieſer. Am nächſten Morgen kündigte ein Theaterzettel, im größten Format, den erſtaunten Einwohnern und Badegäſten Badens an, daß die Jungfrau von Orleans von Schiller gegeben werden ſolle, und daß Se. Majeſtät der Kaiſer mit allerhöchſtdero Gegenwart die Vorſtellung beehren würden. Nicht minder als das Publikum waren auch die Schauſpieler erſtaunt, da ihnen bekannt war, daß gedachtes Stück gar nicht einmal in der Bibliothek des Direktors vor⸗ handen war. Indeß wußte er ihnen durch die triftigſten Argumente darzuthun, daß nur auf dieſe Weiſe das Geld zu der zu hoffenden Gage aufgebracht werden könne, wobei er ihnen bei Verluſt derſelben 57 zugleich die ſtrengſte Verſchwiegenheit empfahl, die auch alle gelobten, obgleich ihnen die Löſung des Räthfels unerklärlich blieb. Was Scherzer vorausgeſehn hatte geſchah wirklich; in vollen Haufen ſtrömte das Publikum ins Theater, wo in der vordern Bankreihe ein ausge— ſchmückter Sitz, für den Kaiſer beſtimmt, zu ſehen war. Alle wollten des Glückes theilhaftig werden, in der Nähe des allgeliebten Landes— vaters zu ſein, und Haus und Kaſſe waren ſo gefüllt als nie zuvor. Jetzt begann die Muſik im Orcheſter, deſſen Glieder ſich kaum regen konnten, und noch immer war der Platz des Kaiſers leer, von welchem eine heilige Scheu Jeden zurückhielt, ſo groß das Gedränge auch war; Alle ſahen in ehrerbietiger Stille der Ankunft des Monarchen entgegen. Da endete mit dem letzten Bogenſtriche die Symphonie, die Klingel ertönte, der Vorhang wurde mühſam emporgezogen und der Director, welcher die gefüllte Kaſſe bereits weislich in Sicherheit gebracht hatte, trat hervor und hob an: Schön gueten Abend wünſchei! Da Seine Majeſtät der Kaiſer nit kommen ſein, ſo kann i a die Jungfrau nit zum Beſten geben. J will Ihnen aber das G'ſtändniß (die Beichte) und den häuslichen Zwiſt geben; 's ſein a 'n Paar ſchöne Stucken (beide waren ſeine gewöhnlichen Nothhelfer.) Schön gueten Abend wünſch i! — Hiermit verneigte er ſich und der Vorhang fiel. Ruhig hatte das Publikum die Ankündigung noch mit angehört, allein nun löste ſich die bis dahin geherrſchte Stille in ein gewaltiges Brauſen auf. Mehrere ſprachen laut von Betrug; allein da Einige im Publikum dennoch der Meinung waren, daß wohl ein Hinderniß den geliebten Kaiſer abgehalten haben könne, daß Scherzer doch nimmer hätte wagen dürfen, dem Publikum eine ſo arge Lüge anzuheften, ſo fand man ſich endlich in ſein Schickſal, nahm geduldig ein Paar kleine Kotzebueſche Luſtſpiele, ſtatt Schiller's Jungfrau von Orleans, und — der Director lachte ins Fäuſtchen. 10. Ein anderes Mal, als er fic) mit ſeiner Geſellſchaft zu Wieneriſch— Neuſtadt befand, beabſichtigte er, das Ritterſchauſpiel Johanna 58 von Montfaucon, von Kotzebue, aufzuführen; allein da er hin⸗ ſichtlich des Perſonals etwas beſchränkt war, ſo ward es nothwendig, mehre Rollen des Stücks Einer Perſon zu übertragen, oder nach dem theatraliſchen Kunſtausdrucke, einige Acteurs doppelte Rollen ſpielen zu laſſen. Der Schauſpieler, welchem die Parthie des Cremiten zugetheilt war, hatte einige Tage zuvor mit dem Director Streitig- keiten gehabt, in Folge deren letzterer Jenem angekündigt hatte, daß der beſtehende Contract binnen ſechs Wochen als aufgehoben zu be— trachten ſei, weswegen Dieſer wieder auf eine Gelegenheit ſann, dem Director einen empfindlichen Streich zu ſpielen. Solche Gelegenheit ſchien ſich ihm denn nun an dem Tage der Aufführung des anfangs genannten Stücks darzubieten und er betonte deshalb bei der Probe die in ſeiner Rolle vorkommende Worte: „Gott du biſt gerecht und gnädig! du haſt mich eine ſchöne Stunde erleben laſ— ſen; die Stunde der Rache“ auf eine beſondere Art; woraus jedoch Niemand etwas Arges muthmaßte. Abends war das ganze Perſonal bereits in der Garderobe ver— ſammelt und angekleidet, nur der alte Montenach und der Eremit fehlten. Da dieſe im erſten Akte nicht erſchienen, ſo glaubte der Director, ſie würden ſchon noch zu rechter Zeit kommen und ließ das Stück ohne Weiteres anfangen. Allein der erſte Akt war zu Ende und noch waren fie nicht da, ſtatt ihrer aber kam ein Briefchen mit der Nachricht, daß ſie beide bereits des Nachmittags um zwei Uhr heimlich ſkiſirt hatten. Ein anderer Director hätte ſich dieſes fatalen Um⸗ ſtandes wegen vielleicht in der größten Verlegenheit befunden, Scher— zer jedoch nicht. Mit der größten Kaltblütigkeit befahl er den Vor⸗ hang aufzuziehen und kündigte dem Publiko an wie folgt: Schön gueten Abend wünſch t! Da mir ein Paar von die Spitzbueben sans fagon durchgangen fein, fo kann i heunt die Johanna von Montfaucon nit weiter geben; i will Ihnen aber das G'ſtändniß geben und den häuslichen Zwiſt; 's ſein a 'n Paar ſchöne Stucken. Schön gueten Abend wünſch' i! Ein allgemeines Gelächter beantwortete dieſe 59 originelle Anonce, und nach einer Pauſe folgten die gedachten Luſtſpiele. Ts Während der Directionsführung des bekannten und berühmten Karl Doͤbbelin kamen die beiden kleinen Luſtſpiele von Anton Wall: Die beiden Billets und der Stammbaum an die Tagesord— nung, worin Döbbelin den Dorfbarbier Schnaps unvergleichlich dar— ſtellte. Einſt meldete ſich bei ihm ein reiſender Schauſpieler, welcher in der Rolle des Schnaps zu debütiren oder wenigſtens zu gaſtiren wünſchte. Döbbelin, bei allen ſeinen ausgezeichneten Talenten dennoch frei von allem Schauſpielerdünkel, geſtand das Geſuch einer Gaſtrolle in der gewünſchten Partie zu, allein der Darſteller blieb weit hinter dem zurück, was Döbbelin und andere aus derſelben gemacht hatten. Nach beendeter Vorſtellung wollte der Gaſt aber gern wiſſen, wie ſein Spiel dem Direktor gefallen habe; als dieſer nun „nicht beſonders“ erwiederte, fragte Jener: „Warum?“ worauf Döbbelin, ohne ſich erſt in ein weitläufiges Zergliedern der Rolle und der Darſtellung des Schauſpielers einzulaſſen, nur antwortete: „Was Sie dem Publiko auftiſchten war keineswegs Schnaps, ſondern ganz gemeiner Fuſel.“ 12. Ein Berliner Nachtwächter, der ſich erſt kürzlich verheirathet hatte, trug eine viel größere Pelzmütze als früher. „Na ſag' mal,“ fragte ihn ein College, „warum drägſt'en jetzt ſo'nne fürchterliche Pelzmütze? De Leute ſollen woll jlooben, Du hätt'ſt ville drunter?“ — „Ne,“ antwortete ein Dritter, „die hat ihm ſeine Frau jeſchenkt, damit die eh lichen Jeheimniſſe verborjen bleiben. „Ach ſo, nu merk ick! Wenn mal ſein amtlichet Horn entzwee jeht, denn kann er mit ſeinen Koppl noch beſſer tuten!“ 60 fie 1 13, „Du!“ fagte ein Wächter zum Andern, der neben ihm auf einer Treppe lag, „jeh' mal vor mir nach de andre Ecke, un hole mir en halb Quart Jurjelverjnüjen! Ich bin ſo müde, ich mack mir nich rüppeln.“ — „Ne,“ antwortete der Andere, „det jeht nich; et fehlen man noch zwee Minuten an drei, und denn muß ick hier oben den Reiſenden wecken.“ — „Na, na, du biſt ja unjeheuer pünktlich! denn hol mir wenigſtens en Viertelquart; dazu wird doch woll noch Zeit ſind!“ 14. Als die Cholera in Berlin ihre Opfer forderte, fagte ein Nacht- wächter zu ſeinem Collegen: „Det is doch ſchauderhaft, det man jetzt keine hitzige Jetränke drinken derf. Nu muß man ſich den kalten Küm⸗ mel runterwürjen!“ Dabei netzte er ſeine Kehle. 15. 1 Ein Nachtwächter ſaß gewöhnlich auf der Treppe eines Hauſes, in dem viele junge Leute wohnten, die ihm des Nachts oft Beſchäfti⸗ gung und ſelten Biergelder gaben. „Na,“ fragte eines Nachts ſein College, der ihn halb träumend dort fand, „haben Dir e ſchon viele von deine Schafsköppe jeſtört?“ „Ne!“ antwortete er. „Du biſt der Erſte.“ 16. Der Nachtwächter Kalbach beſuchte einſt bei Tage ſeinen beſten Freund und Kameraden, der des Nachts mit ihm vor einem Hauſe ſchlief. Er kletterte mit Mühe die Treppe hinauf und fand ſeinen Mann. Als der Beſuch zu Ende, begleitete ihn ſein Freund noch bis zur Treppe; Kalbach aber trat fehl, ſtürzte alle Stufen hinunter und blieb unten auf dem Flur liegen. „Du!“ rief ihm Der von oben zu, „laß det jut find! Zu Oſtern zieh ick parterre!“ 61 17. Eines Nachts ſchlich leiſe ein Herr über die Straße, und man konnte deutlich bemerken, daß er Etwas unter ſeinem Mantel verberge. „Höh!“ rief der Nachtwächter, der zufällig die Runde machte und einen Dieb zu ertappen glaubte, „halte Se mal ſtille: Se haben da wat Verdächtiges unter'n Mantel! | „Ganz Recht!“ lächelte der Herr und holte eine Flaſche Wein hervor, „ich habe einen Geldkaſten geſtohlen.“ — „So?“ antwortete der Wächter, nahm ihm die Flaſche weg, trank ſie leer, und gab ſie ihm dann mit den Worten wieder: „Den Kaſten können Se behalten; det Jeld habe ick confiszirt!“ 18. Ein äußerſt pomadiger Nachtwächter ſaß im Kreiſe mehrerer Collegen, und erzählte mit der größten Ruhe eine Geſchichte, die durchaus nicht enden wollte, und ſogar die Phlegmatiſchen ungeduldig machte. Sie hielten es indeſſen noch lange aus. Endlich aber nahm Einer aus ſeiner hölzernen Doſe eine Prieſe und ſagte: Hor’ mal, Wupdich, nu ſei ſo jut und beeile Dir en bisken mit Deine Jeſchichte; ick verreiſe det and're Monat.“ 19, Ein Nachtwächter pfiff eben die eilfte Stunde, als er an der Uhr eines Gaſthofes bemerkte, daß es bereits halb zwölf war. „Die Uhr jeht doch woll vor! bemerkte er zu einem ſeiner Collegen. „Ne,“ ant⸗ wortete dieſer, „die Uhr jeht nich vor; Du jehſt nach!“ 20. Die ſorgſamſten Wächter haben die Gewohnheit, bevor ſie eine Thür ſchließen, in den Hausflur hineinzugucken, der aber leider oft ſo finſter iſt, daß ſich irgend ein nächtlicher Taſchenſpieler ſehr gut ver— 62 ſteckt halten kann. Bei ſolcher Action erblickte indeß ein Wächter hinter der Hausthür ein Dienſtmädchen mit ihrem Dragoner, die ſich in der vollkommenſten Umarmung befanden. — „Na!“ weckte der Pelzbeamte das zärtliche Liebespaar und redete den männlichen Theil deſſelben an: „Ick ſchließe zu! Wollen Senu drin bleiben, oder wollen Se' rauskommen?“ 21. 11 Ein betrunkener Kerl ſah beim Nachhauſeſchwanken auf einer Haustreppe vier Nachtwächter zuſammengekauert liegen, ſtellte ſich vor ſie hin und rief: „Na nu ſeh' een Menſch an, wat ick gefunden habe! En Neſt mit junge Nachtwächter; drei können ſchon tut en!“ In demſelben Augenblicke ſtand einer von den Pelz⸗Vögeln auf, zog dem Betrunkenen mit dem Spieſe tüchtig eins über den Rücken und ſagte: „Drei können ſchon tuten, und der vierte ſchlägt ſchon recht hübſch!“ 22. Zwei Holzhauer zankten ſich auf öffentlicher Straße ſo heftig, und warfen ſich gegenſeitig ſo viele Sünden vor, daß ſich ſchon ein großes Publikum um ſie verſammelt hatte. Einer ihrer Collegen hörte ihnen eine Weile zu, und ſagte endlich zu den Umſtehenden: „Von die Beeden is Eener ſo ſchlecht wie der Andre! Wenn man ſe zuſammenbind't, un kullert ſe den Berg runter, ſo is immer een Niederträchtjer oben.“ 23. Bärme. Sage mal, Henkel, hauſt du denn jar nicht mehr, vor den Jeheimerath in de Friedrichsſtraße? Henkel. Nee, vor den hau ick nich mehr; mit dem bin ick jeſpannt. ae". : — N 63 24. „Na wie jeht es dir denn?“ fragte ein Holzhauer ſeinen Freund, der ihm auf der Straße begegnete. „Mir? ſchlecht jeht es mir!“ „Dir jeht es ſchlecht? Na wat drückt dir denn?“ „Wat mir drückt? Mancherlei! Eerſchtens hab' ick Nahrungs— ſorjen, und zweetens en paar neue Stiebeln an.“ 25. Während der kalten und regnigten Hundstage 1851 ſagte ein Holzhauer, indem er den Pfropfen von ſeiner Flaſche zog und ſich ſchüttelte, zu ſeinem Collegen: „Nee wahrhaftig! Wer bei die Hunds— tage verrückt wird, der muß doll in'n Kopp ſind.“ ; 26. In das Büreau der Berliner Kreis-Erſatz-Commiſſion trat ein alter Holzhauer und legte mehrere kleine Stücken von einem Thaler— ſchein auf den Tiſch. „Was ſoll das?“ fragte einer der Beamten. „Wollen Se fo jut find? antwortete der Holzhauer, und zeigte mit vieler Zuverſicht auf die Geldtrümmer. „Mein kleenſter Bengel, mit Namens Lude, ſpielte jeſtern mit de Miethe un riß mir den Dhaler in dauſend Stücken, un nu wollt' ick mir von de Erſatz-Commiſſion en neuen revangiren.“ 27. Avi Charlottenburger foppten ſich mit ihren ſchlechten Pferden, „Du!“ rief der Eine, „binde doch deinem Darius vor'n Dreier Speck unter'n Schwanz, damit er doch en bisken Fett am Leibe hat!“ — „Ach, ick merke ſchonſcht, erwiederte der Andere und ſchmunzelte, „du haſt noch nich jefrühſtickt.“ . 28. Vor einer Materialhandlung ſtand einer jener ſüßen Jünglinge mit gebrannten Locken und brauner Schürze. Ein Landfuhrjunge 64 kam eilig an ihn herangelaufen, und fragte, ob hier nicht eine Apo⸗ theke ſei. „Wie ſo?“ fragte der Zuckerabſchlagende. Ruhig weiter gehend antwortete der kleine: „Nu ick globte't, weil hier en Brech— mittel vor de Dhüre ſteht.“ 29. Ein Herr wollte mit einem kleinen Kinde nach Charlottenburg fahren, und ſtand vor einem Wagen ſtill. „Muß ich für das Kind bezahlen?“ fragte er den Fuhrmann. „Det kann ick nich wiſſen!“ antwortete dieſer ſarkaſtiſch, „wenn et überjens nich mitfahren ſoll, brauchen Se mir niſcht vor zu jeben.“ 30. Ein Straßenzögling ſetzte ſich auf den hintern Tritt einer halben Kutſche, die ein Charlottenburger mit einem ſchwächlichen Roſſe beförderte. „Verfluchter Junge!“ rief dieſer, „willſte wech! Willſte runter, Ochſe verdammter! Siehſte denn nich, det ſchon drei drinn ſitzen?“ 31. Einem Droſchkiſten paſſirte ein merkwürdiges Schickſal, — ſein Pferd ging nämlich durch. Ohne den Zügel anzuziehen ſaß er erſtaunt da. Die Dame aber, welche ſich in der Droſchke befand, wurde ängſt— lich und rief: „Um Gotteswillen, laſſen ſie mich heraus!“ — „Bleiben Se ruhig ſitzen,“ entgegnete der Phlegmatiſche! „ick kenne mein Pferd beſſer! det is niſcht als Verſtellung.“ 32. An einem Nachmittage kam ein Jude zu einem Thorſchreiber, drückte ihm zwei Louisd'or in die Hand, und ſagte: ich werde morgen früh mit einem Wagen voll Bohnen kommen. Viſitir er mich, aber halt er mich nicht lange auf; denn es iſt mir daran gelegen, daß ich = * is 65 bald an Ort und Stelle komme. Der Thorſchreiber nahm das Geld, ging aber ſogleich zu ſeinen Vorgeſetzten, um ihnen die Sache anzu— zeigen. Sie waren alle überzeugt, der Jude habe den Viſitator damit beſtechen wollen, und ſchickten alſo am nächſten Morgen noch Jeman— den an das Thor hin, durch welches der Jude kommen mußte, um Alles, was er bringen würde, deſto genauer zu unterſuchen. Dieſer kam endlich wirklich. Sogleich ließ man Alles vom Wagen abladen, ſchüttete jeden Sack einzeln aus, und fand nach langem Suchen — nichts, als weiße Bohnen, ſtatt daß man Kaffee zu finden geglaubt hatte. — Der Jude bezeigte endlich ſeinen Unwillen über die außerordentliche Strenge, mit der man ſeine Sachen durchſuchte, da er doch nichts Verbotenes bei ſich hätte. „Aber, ſagte der Thorſchreiber, wenn Du nicht Willens geweſen wärſt, Contrebande einzubringen, warum hätteſt Du mir denn geſtern zwei Louisd'or gegeben?“ — Wie? erwie— derte der Jude, was hätt ich gegeben? zwei Louisd'or? „Ja, ant— wortete der Thorſchreiber, hier find ſie noch.“ Mit dieſen Worten holte er ſie aus der Taſche hervor. Au wei! rief der Jude, hab ich mich vergriffen! nahm hiermit die Goldmünzen weg, und gab zwei Zweigroſchenſtücke dafür. Man warf ihm hierauf vor, er habe den Thoͤrſchreiber nur auf die Probe ſtellen wollen, ob er auch das Geld nehmen würde, um ein andermal ſicher verbotene Waaren in die Stadt bringen zu können. Er blieb aber dabei, er habe ſich vergriffen, und fuhr mit ſeinem Wagen ruhig weiter. 38. Einige luſtige Brüder gingen auf ein benachbartes Dorf, um ſich mit Speiſe und Trank gütlich zu thun. Einer hatte auf den andern gerechnet, daß der für ihn auslegen würde. Wie ſie aber genug ge— geſſen und getrunken hatten, flüſterte einer dem andern ſeine Noth ins Geheim zu, und bat, ihm etwas Geld zu leihen. Aber es fand ſich daß auch nicht ein Einziger einen Pfennig bei ſich hatte. Was nun zu thun? Dieſe Frage löſte endlich einer unter Ihnen auf. Der Bibl. d. Frohſinns. III. 5 66 Wirth war oben in einem andern Zimmer beſchäftigt, und niemand weiter in ihrer Stube, als der Marqueur. Dieſen ſchickte er unter irgend einem Vorwand weg, und that nun ſeinen Vorſchlag wie man ſich mit Ehren aus der Sache herausziehen könnte. Sie ſollten nemlich, wenn der Marqueur wieder ins Zimmer träte, fragen: was ſie ſchuldig wären? Dann ſollte jeder bezahlen wollen, weil er ſeinem Vorgeben nach, Willens geweſen wäre, die Geſellſchaft heute zu bewirthen; für das Uebrige ſollten ſie ihn nur ſelbſt ſorgen laſſen. Kaum war der Marqueur wieder im Zimmer, fo ward auch ſchon nach der Rechnung gefragt; und nun gings: Meine Herren, heute habe ich die Ehre für Sie zu zu bezahlen. — Nein, ich! — das kann ich unmöglich zugeben! u. ſ. w. Da wir uns nicht vereinigen können, ſagte endlich jener, der die Ge— ſellſchaft aus der verdrießlichen Lage herauszuziehn verſprochen hatte, ſo will ich einen Vorſchlag thun. Marqueur, laſſe Er ſich die Augen verbinden, wir wollen Blindekuh ſpielen; wen Er dann zuerſt ergrei— fen wird, der ſoll das Vergnügen haben, die Zeche für die ganze Geſellſchaft zu bezahlen. Der Pinſel von Marqueur ließ ſich den Vorſchlag gefallen; kaum hatte er aber das Tuch vor den Augen, fo ſchlichen die Herren einer nach dem andern davon. Nun ſuchte er und ſuchte, und konnte natürlicherweiſe Keinen finden. Endlich trat der Wirth ins Zimmer; den griff der Marqueur und ſagte voll Freude: Da habe ich einen! der muß die Zeche bezahlen. Zugleich riß er das Tuch von den Augen weg; und nun denke man ſein Erſtaunen, da er Niemanden im Zimmer ſah, als ſeinen Herrn!“ 34. Ein Bäcker trug immer eine Sammetmütze, und pflegte, wenn jemand in ſeinen Laden kam, den Kopf durch ein kleines Fenſter zu ſtecken, um das zu geben was man verlangte, und das Geld dafür zu nehmen. Eines Abends kam auch ein Soldat, und klopfte an das Fenſter. Der Bäcker machte es auf, und ſteckte, wie gewöhnlich, den Kopf hindurch. „Was will er, mein Freund?“ fragte er den Soldaten 67 „Ihre Mütze,“ antwortete diefer, nahm ſie ihm vom Kopf, lief damit zum Hauſe hinaus, und entwiſchte glücklich. 35. Ein junges Frauenzimmer ſtand in dem Rufe, ſie erlaube ſich unter dem Namen Galanterie tagtäglich die größten Ausſchweifungen. Eines Tages hielt man ſich in einer Geſellſchaft über ſie auf. Unter dem Schein ſie zu vertheidigen ſagte ein witziger Kopf: ich weiß nicht was Sie wollen, meine Herren und Damen? — Sie halten doch alle den Kaiſer für einen großen und guten Regenten; — und was thut denn Mamſell anders, als der? Sie hält den Tag für verloren, an welchem ſie nicht wenigſtens einen glücklich macht. 2 36. Eine Dame in einer großen Stadt hatte das Unglück, daß in einer kurzen Zeit ihr Mann, ihre Geſchwiſter und einige von ihren Kindern ſtarben. Der Küſter brachte ihr nach der Beerdigung einen Aufſatz über die Jura Stolae und andere Leichengebühren, die ſie zu bezahlen hatte. Sie fand die Rechnung zu groß, und zog alſo einen Thaler an der Bezahlung ab. Jener ſah das aufgezählte Geld ein Weilchen an, ſtrich es aber endlich doch ein, und ſagte: Nun für dießmal mag es ſein, Madam, da Sie eine ſo gute Kunde ſind, und ich noch mehr Verdienſt von ihnen erwarte; aber wenn ihre andern Kinder ſterben, ſo kann ich es wahrhaftig nicht dafür thun. 37. Ein Bauer kam durch eine reiche Erbſchaft auf einmal zu einem anſehnlichen Vermögen. Nun ward ihm ſein voriger Stand zur Laſt, und er beſchloß, ſich einen Titel zu kaufen. Der Küſter im Dorfe mußte ihm eine Bittſchrift an ſeinen Landesherrn aufſetzen, worin er darum anhielt, doch mit dem Zuſatz: Es müſſe ſo ein Rath ſein. 5 * 68 Man nahm ſein Geld, und gab ihm den Titel: Rath. Voll Freuden lief er nun zu allen ſeinen Bekannten, und zeigte ihnen ſein Diplom. „Ja! ſagte endlich einer davon mit Kopfſchütteln: „Was iſt denn das für ein Titel? der iſt ja ſo gut, als gar keiner, da ſollte doch noch ein Wort dabei fein, z. E. wie Hofrath, Kriegsrath, oder ſonſt fo etwas ähnliches.“ Unſer Herr Rath, der ſich nun beſann, daß er noch Nie— manden mit dem ſimpeln Titel: Rath, gekannt hatte, ließ ſich von ſeinem Küſter eine neue Bittſchrift machen, in welcher er um ein oder ein paar Vorſilben zu ſeinem Titel anhielt. Er bezahlte von neuem ſein Geld, und ward nun, laut eines andern Diploms, Titularrath. „Man hat dich zum beſten, ſagten ſeine Freunde, als er ihnen ſeine Würde bekannt machte; Titularrath heißt ja nichts anders, als Du haſt den Titel: Rath, biſt es aber nicht wirklich.“ Das Ding leuch— tete endlich dem Herrn Titularrath ein; er ſchrieb daher zum dritten— mal an ſeinen Landesherrn: er bäte, daß er doch ein wirklicher, und nicht ein bloßer Titularrath werden möchte. Er mußte diesmal um ein gut Theil mehr bezahlen, als die beiden erſtenmale, und erhielt nun den Charakter: Wirklicher Titularrath. 38. Ein Knabe hatte ſich beim Kaffeetrinken die Zunge verbrannt. Als er in die Schule kam, fragte ihn ſein Lehrer unter andern auch: Was heißt der Brand auf Lateiniſch? — Er konnte fich nicht gleich auf die Antwort beſinnen. Nun, fragte der Lehrer von neuem, kann Er es nicht ſagen? — „Nur einen Augenblick Geduld! antwortete jener, es ſchwebt mir auf der Zunge. 39. Ein Schuldner hatte das Unglück, einem ſeiner Gläubiger zu begegnen, der ihn ſogleich fragte, wenn er ihn endlich einmal zahlen würde? „Das will ich Ihnen ſagen, gab dieſer zur Antwort, wenn „Sie mir nur vorher eine kleine Frage beantworten. Sie heißen 69 „Centner, das weiß ich wohl; allein ich weiß nicht, ob ihre Familie „ſich mit einem © oder Z ſchreibt.“ „Ich dächte, Sie wüßten es, er— wiederte der Gläubiger, daß wir uns mit einem Z ſchreiben.“ „Dann thut es mir herzlich leid, verſetzte der andre, daß ſie Ihr Geld ſo bald noch nicht kriegen werden, indem ich meine Schulden nach dem Alpha— bete bezahle.“ 40. Unter König Heinrich VIII. von England wurden ſechs Artikel durch das Parlament zum Geſetz gemacht, von denen der eine den eheloſen Stand der Geiſtlichen betraf. Der Herzog von Norfolk, wel— cher am meiſten im Oberhauſe beigetragen hatte, dieſe ſechs Artikel durchzutreiben, begegnete kurz darauf ſeinem Caplan, und fragte ihn: nun was dünkt euch zu dem neuen Verbot, daß die Prieſter keine Weiber haben ſollen? Der Caplan antwortete: Wenigſtens werden ſie den Weibern nicht verbieten können, Prieſter zu haben. f 41. Die Herren des Raths einer kleinen Stadt deliberirten über die an einem armen Sünder nächſtens zu vollziehende Execution und über die Einſchränkung der dabei aufzuwendenden Koſten. Mein Rath wäre, ſagte endlich der Stadtſecretarius, wir gäben dem Kerl vier oder fünf Gulden und dann könnte er ſich dafür hängen laſſen, wo er wollte. 42. Ein Bauer fuhr mit ſeinen Eltern aus der Stadt nach Hauſe und jagte, allen Ermahnungen des Vaters ohnerachtet auf eine un— ſinnige Art. Endlich fuhr er langſam. Ach, daß ſich der Himmel er— barme! ſeufzte der Vater. Das hätte ich meinen Eltern ſo machen ſollen, die würden mit mir anders umgegangen ſein! Ihr mögt auch 70 wohl ſchöne Eltern gehabt haben! rief der Sohn. Wohl beſſere, fagte der Vater, als du, Schurke. ö 43. dak Ein Candidat, der durch ſeine Predigten in einer Stadt ſehr be— kannt und beliebt war, trat, um einem unvermutheten Platzregen zu entgehen, in den Laden eines Diſtillateurs. Hier fand er einen jun— gen Menſchen, der auf den Einfall kam, ihn ein wenig zu ſchrauben. „Sagen Sie mir, redete er ihn an, ſind Sie denn auch der Meinung, „daß derjenige, den man auf den rechten Backen ſchlägt, den linken auch hinhalten müſſe?“ Kaum hatte der Candidat dieſe Frage mit ja beantwortet, als er ſchon des andern Hand auf ſeiner Backe fühlte. Ohne ſich lange zu beſinnen, hielt er die andere ganz ruhig hin, und ſein Gegner, der ſeinen Mann gefunden zu haben glaubte, ermangelte nicht, ihm auf dieſer Seite eine noch derbere Maulſchelle zu verſetzen. Bald darauf ging dieſer triumphirend zum Laden hin⸗ aus. Der Candidat aber folgte ihm, ergriff ihn, warf ihn nieder und mißhandelte ihn entſetzlich, wobei er ganz ruhig ſagte: Es ſtehet auch geſchrieben: „Mit dem Maß, womit ihr meſſet, wird man euch wie— der meſſen.“ Verſchiedene Leute, die das Geſchrei des leidenden Theils herbeigezogen hatte, konnten nicht umhin, dem Candidaten ihre Verwunderung über fein Verfahren zu bezeugen. Seid unfernt- halben nur unbekümmert, antwortete er, wir erklären uns bloß ein Paar Sprüche aus der Bibel. 44. In der Schlacht bei Roßbach holte ein grüner Huſar einen fran— zöſiſchen Fußgänger ein. Mehr todt als lebendig warf dieſer ſich vor dem Huſaren auf die Knie nieder, und ſagte mit gefaltenen Händen: Ach, Kamerad, ik oke Doktor Luther bin. 71 Ein Galanteriehändler und ein Kammmacher ſtanden auf einer Leipziger Meſſe neben einander. Nun das iſt wahr! ſagte der Ga— lanteriehändler, das iſt eine recht lauſigte Meſſe geweſen. Ich kann's eben nicht ſagen, erwiederte der Kammhändler, denn ſonſt würden meine Kämme beſſer abgegangen ſein. 46 f 4 Abu = Kafem = Trimburifort, ein reicher Kaufmann zu Bagdad hatte es unter allen Einwohnern daſelbſt in der Sparſamkeit am wei— teſten gebracht. Seine ganze Kleidung legte davon einen Beweis ab, vornehmlich aber verdienten ſeine Pantoffeln, woran die Sohlen mit großen Nägeln befeſtigt, und das Oberleder aus vielen Stücken zu— ſammengeſetzt war, bewundert zu werden. Sie waren durch ihre Schwere zum Sprichwort der ganzen Stadt geworden, fo daß ein jeder, wenn er eine recht ſchwere und plumpe Sache beſchreiben wollte, gewiß ſagte, ſie ſei ſo ſchwer, als die Pantoffeln des Kaſem. Kaſem hatte einmal einen glücklichen Handel gemacht; anſtatt daß aber ſonſt in ſolchen Fällen, die Arabiſchen Kaufleute ein Gaſtmahl zu geben pflegten, ſo begnügte er ſich mit dem Aufwande, in's Bad zu gehen, wohin er lange Zeit nicht gekommen war. Als er ſich auskleidete kam einer ſeiner Bekannten, der ſich über die alten Pantoffeln luſtig machte, und ihm rieth, doch endlich ein Paar andre zu kaufen, da ſie ſchon ſo lange das Geſpräch der ganzen Stadt geweſen wären. Kaſem vertheidigte ſich ſo gut er konnte, und meinte, ſie wären doch ſo ganz abgenutzt noch nicht, bis zuletzt ſein Freund fortging, und ihm Zeit ließ, ſich in die Badkammer zu begeben. Nach ſeiner Zurückkehr aus derſelben ſuchte er ſeine Pantoffeln vergebens, und fand an deren Stelle ein Paar neue, die er für ein Geſchenk desjenigen hielt, der ihn vorher mit den alten ſo aufgezogen hatte, und vergnügt damit nach Hauſe eilte. Noch an eben dem Tage, wurde er als ein Dieb 72 aus ſeinem Hauſe abgeholt. Die neuen Pantoffeln gehörten dem Kadi von Bagdad, der nach dem Kaſem in's Bad gekommen, und beim Wiederankleiden deſſen alte anſtatt der ſeinigen gefunden hatte. Ohne Geld kömmt man nicht aus den Händen der Gerechtigkeit, und Kaſem erfuhr die Wahrheit dieſes Satzes unerachtet der Betheurung ſeiner Unſchuld mehr als Jemand. Er war von dem Gerichte kaum zu Hauſe gekommen, als er ſeine alten Pantoffeln in den vorüberlaufen⸗ den Fluß warf. Einige Fiſcher, die ihr Netz ein paar Tage darauf in dieſer Gegend auswarfen, fanden beim Aufziehen anſtatt eines großen Fiſches, den ſie aus der Schwere vermuthet hatten, dieſe Pantoffeln, deren Eigenthümer ihnen wie der ganzen Stadt, bekannt war. Theils aus Verdruß über ihre fehlgeſchlagene Hoffnung, theils weil das Netz an vielen Orten von den Nägeln zerriſſen war, beredeten ſie ſich, die— ſelben dem Kaſem durch die eben offenſtehenden Fenſter hineinzuwer— fen. Zum Unglück trafen ſie eine Reihe von Roſenwaſſerflaſchen, mit welchen Kaſem vorher den glücklichen Handel gemacht hatte, und wo— von jetzt keine einzige unbeſchädigt blieb. Er fand dieſe Verwüſtung bald hernach, und war deſto untröſtlicher darüber, da ſeine Pantoffeln die Gelegenheit dazu waren. Er verwünſchte ſie öfter, als tauſendmal, und verſcharrte ſie in einem Loche ſeines Gartens. Ein Nachbar verklagte ihn beim Kadi, als habe er einen Schatz vergraben. Der Kadi ver— ſäumte nicht, ihn unter einem erdichteten Vorwande zu einer neuen Geldbuße zu verurtheilen, ſo wie ſie den Umſtänden ihres Mannes, der Schätze vergräbt, gemäß war. Nun hoffte Kaſem ſeine Pantof— feln gewiß loszuwerden, wenn er ſie in eine nicht weit von der Stadt entfernte Waſſerleitung würfe. Aber auch hier hörten ſie nicht auf, ihm zum Schaden zu gereichen, indem ſie einen Ausgang der Waſſer— ableitung verſtopften, wodurch das Ablaufen des Waſſers verhindert wurde. Man unterſuchte die Urſache dieſer Unordnung, und fand Kaſems Pantoffeln, die ihrem Herrn ein neues Gefängniß, und eine dritte Geldſtrafe zuzogen, übrigens ihm aber richtig zurückgegeben wurden. Jetzt wurden ſie verurtheilt, verbrannt zu werden, jedoch, um dieſes möglich zu machen, mußte Kaſem ſie erſt trocknen. Er legte ſie zu dieſem Ende auf das platte Dach ſeines Hauſes, und auch da hörten ſie nicht auf, Unglück zu ſtiften. Eines Nachbars Hund ſah ſie, und kroch von dem Dache ſeines Herrn zu ihnen hinüber. Indem er mit dem einen ſpielte, warf er ihn herunter auf die Straße, wo er einer ſchwangern Frau auf den Kopf fiel, der es darüber unrichtig ging, und deren Mann nicht eher abließ, als bis dem Kaſem von neuem eine nachdrückliche Geldſtrafe zuerkannt wurde, die ihn der Armuth ſo nahe brachte, daß er voller Verzweiflung die unglücklichen Werkzeuge ſeiner Armuth zum Kadi brachte und feierlich gegen alle Verantwortung, der ſie ihn künftig ausſetzen könnten, proteſtirte. 47. Die Sbirren fanden einſt zu Rom in einem verdächtigen Hauſe einen Prälaten in weltlicher Kleidung. Als man ihn vor dem Papſt führte, fing ein eben gegenwärtiger Kardinal an, dem Prälaten vor— zuſtellen, was das für ein großes Verbrechen wäre, daß er ſich verklei— det hätte. Hätte er denn beſſer gethan, fragte der Pabſt, wenn er in ſeiner geiſtlichen Kleidung dahin gegangen wäre? 48. Ein Edelmann war einem Juden fünfhundert Dukaten ſchuldig, die er nicht bezahlen konnte, und daher vor ſeinem Gläubiger ſich nicht gern ſehen ließ. Von ohngefähr traf der Jude dieſen Edelmann bei einem Barbier, der ihn eben eingeſeift hatte, und fing auf der Stelle an, ihn zu mahnen. Der Edelmann fragte ihn, ob er wohl ſo lange warten wollte, bis der Herr ihm den Bart abgenommen hätte. Jau, jau, ſagte der Jude, ſo lange will ich ſchon warten. Der Edel— mann rief alle Anweſenden über dieſes Verſprechen des Juden zu Zeugen, ſtand auf, ging mit ungeſchorenem Barte davon und ließ ſich ſeitdem nicht mehr raſiren. 1 49. Ein Bürger, der von einem Bauer ein Fuder Holz gekauft hatte, ſetzte demſelben ein großes Stück von einem holländiſchen Käſe vor. Als ihm der Bauer zu ſtark darauf einzuſchneiden ſchien, ſagte er, um ihn zur Mäßigkeit zu ermahnen: Es iſt Eydamer. Ich ſchmecke es wohl, erwiederte der Bauer. Man kann auch leicht davon zu viel eſſen, fuhr der Bürger fort, und gar daran ſterben. Nun, ſagte der Bauer, indem er den übrigen Reſt in ſeinen Ranzen ſteckte, ſo will ich ihn mit nehmen. f a 50. Ein ſtarker Eſſer, Namens Muſeire, ritt vor einem chriſtlichen Kloſter in der Türkei vorbei, wo einer von den Mönchen, der mit ihm bekannt war, ihn abzuſteigen nöthigte. Der Mönch trug ein Dutzend kleine Brode, wie ſie dort gewöhnlich ſind, auf, und ging zur Küche, um eine Schüſſel mit Linſen zu holen. Als er dieſe hin— einbrachte, waren die Brode ſchon verzehrt, und er mußte das zweite Dutzend herbeiſchaffen. Unterdeſſen war ein neues Linſengericht nö— thig, und ſo ging es fort, bis er fünfmal Brod und fünfmal Linſen aufgetragen hatte. Muſeire hörte endlich auf, und ſtieg auf ſeinen Mauleſel, um fortzureiten. „Wohin werden Sie Ihren Weg neh— men?“ fragte der Mönch. „Ich will nach einer benachbarten Stadt,“ antwortete er, „um einen Arzt wegen meiner Geſundheit um Rath zu fragen, „weil ich ſeit einiger Zeit beinahe gar keinen Appetit habe.“ „Wofern er Sie kurirt,“ rief der Mönch ihm nach, „ſo kommen Sie nur hier nicht vorbei; denn das Kloſter hätte eine Hungersnoth zu befürchten. 7 51 V Ein junger Wiener Stuger rühmte ſich in einer Geſellſchaft; daß er gar nicht übel ſinge. 75 „Habens recht,“ erwiederte ein Anderer, „ſchauens! Sie ſin— gen halt nicht übel, aber 's wird einem dabei übel.“ 52. , Ein Fremder, der mit Extrapoſt fuhr, ſagte auf der letzten Poſt— ſtation vor Wien zu ſeinem Poſtillon: „Die Gegend hier iſt doch recht romantiſch.“ „Verzeihen Er Gnaden, ſie iſt öſtreichiſch!“ antwortete, höf— lich den Hut abziehend der Poſtillon. 53. Ein Schuhmacher ging zur Zeit der Cholera an einem Sonn— tage Abends, in Wien, aus der Vesper nach Hauſe; ſeine beiden Lehrbuben folgten ihm. Als ſie an einem Lotteriegewölbe vorbeika— men, blieben die beiden letzteren ſtehen und der eine ſah mit ſehnſüch— tigen Blicken nach den Nummern und ſprach: a „Wann t halt nur aach amal ani Terno machte!“ „Na, was würdſt Du ſchaffen mits Geld?“ fragte der Andere. „Ei, da kauft ech mer a ſchweinernes Bratl un a Gurkenſalat.“ Bei dieſen Worten wandte ſich der Meiſter, der es gehört hatte, um, und gab ihm eine derbe Ohrfeige mit den Worten: „Devon kriegſt ja die Cholera, dummer Bue!’ „, 54. Ein Wiener war ein großer Liebhaber von zahmen Thieren, aber er pflegte ſie nicht ſorgfältig. So war ihm aus Nachläſſigkeit erſt vor ein Paar Tagen eine Meiſe, welche er vor dem Fenſter hatte ſtehen laſſen, erfroren. Ein Freund machte ihm Vorwürfe darüber und ſchloß mit den Worten: „Sö, bei Ihnen möcht i kaan Vieh ſeie!“ Der Andere fragte hierauf ganz naiv: „Bei wem denn?“ V 55. Ein Wiener Lampenputzer ſtieß mit ſeinem ſchmierigen Oelkaſten an einen ſehr hagern Mann, und als ihn dieſer darüber ausſchalt, ſagte er: „Ei ſchau, ſchau! wird wohl a dem Herrn aan wenig Fett nit ſchaden.“ 56. ee Eine empfindſame Frau, welche noch nicht thsi aus dem Aus⸗ lande nach Wien gekommen war, ſah einſt ihrer Köchin zu, wie ſie Krebſe kochte, und machte ihr Vorwürfe, daß ſie die Thiere ſo lange quäle. „Ach, Ew. Gnaden,“ erwiederte die Köchin, „das thut den Krebſen gar nix; das find d' Krebſe bei uns z' Wien ſchon g'wohnt.“ 57. Ein langer, ſehr hagerer Mann begegnete in Wien einem Trun— kenen. Der Knochenmann blieb ſtehen und ſagte: „Ei, ei Freund! ich glaube Er hat ein bischen zu viel getrunken.“ „Und i,“ verſetzte jener, „i glaube, Od hab'n z'wenig geſſen.“ 58. Ein Bäckerjunge in Wien ſtahl ſeinem Meiſter bisweilen Sem— meln. Dieſer war ein gutdenkender, rechtſchaffener Mann, der den Jungen nicht gern beſchimpfen wollte, Er ging daher zu deſſen Beicht— vater, und erzählte ihm die Sache, bat ihn auch, er möchte doch, wenn er zur Beichte käme, ihn ein wenig vornehmen. N Der Beichtvater verſprach es, und da der Junge in die Beichte kam, ſagte der Pfarrer: „Höre, mein Sohn, du nimmſt doch nicht 1777555 Meiſter Sem- 77 meln, weder zum Eſſen noch zum Verkauf? ich weiß wie es die Bäcker— jungen zuweilen machen.“ Dieſer bys ſeinen Beichtvater ſtarr an, und ſagte weiter nichts, als: „Sö, Herr Pfarrer! ſeyns g'wiß a 'n mal Bäckerjunge geweſt?“ 59. Eine ehemalige Schauſpielerin in Wien, die die Rolle eines Mannes darſtellen mußte, ſagte: „Ich glaube, daß mich die Hälfte der Zuſchauer wirklich für eine Mannsperſon hält.“ „Möglich,“ verſetzte Jemand, „aber die andere Hälfte weiß es beſſer.“ 60. Eine Wiener Hökerin nannte ein junges Mädchen eine Gaſſen— H. . . . Dieſe revangirte fic) mit zurückgegebenem Titel: Zigeu— nerin! „Na, ſchauſt?“ ſagte das Weib, „hab i Dir alſo wahr g'ſagt.“ 61. Mehrere Gäſte ließen ſich Stockfiſche bereiten und begehrten die Portionen bei dem Wirthe ſelbſt. Dieſer, um keinen der Gäſte zu vergeſſen, überzählte dieſelben noch einmal mit den Worten: „Eins, zwei, drei, vier, fünf Stockfiſche.“ 62. 4 „Wirſt Du ſchweigen, alte Vettel!“ rief ein ziemlich abgemager— ter Polizeidiener in Wien einem Fratſchelweibe zu, das mit Schim— pfen und Schreien die Luft erfüllte. Verächtlich betrachtete dieſe den Ruheſtifter von oben bis unten und ſprach: — — <= — 78 „Na, verlier er ſich, ſonſt feb i Ihn ſammt Seiner Nummer“) in's Lotto.“ f 63. Ein Fiaker. Fahr'n mer, Er Gnaden? Ein Herr. Was verlangſt du in's Thierſpital? Fiaker. Bleiben's Er Gnaden drauß, oder fahren's wieder z'rück? 64. Ein Graf ohne Grafſchaft wollte einen Abt, der keine Pfründe hatte, aufziehen, und ſagte daher zu ihm: „Herr Abt, wir kennen uns ſchon ſo lange; und doch weiß ich bis auf dieſe Stunde noch nicht, wo Ihre Abtei liegt.“ „Das nimmt mich wirklich Wunder,“ erwie— derte der Abt; „ſie liegt ja mitten in Ihrer Grafſchaft.“ 65. Als Ludwig XIV. einſt ſeine Truppen bei Verſailles kampiren ließ, kamen die Schweizer auf einen Acker zu ſtehen, den ein Bauer mit Erbſen beſäet hatte. Dieſer wollte gern wiſſen, wie es mit ſeinen Erbſen ſtände, und ging alſo hinaus in's Feld, wo er alles gänzlich verwüſtet fand. Doch anſtatt ſich zu betrüben, rief er aus: Ei! welch ein Wunder, ihr Leute, welch ein Wunder! Ich habe Erbſen geſäet, und nun ſind Schweizer daraus geworden! Dieſer Scherz kam endlich dem Könige zu Ohren, der den Bauer vor ſich kommen ließ, und ihm 30 Louisdor auszuzahlen befahl, wodurch ſeine Erbſen reichlich er— ſetzt waren. 66, Karl der fünfte war auf der Jagd von ſeinem Gefolge abgekom— men, und fand endlich am Wege im Walde eine Schenke, wo er, um *) Die öſtreichiſchen Polizeiſoldaten hatten nämlich auf ihren Patrontaſchen meſſingene Nummern. 79 ſich etwas auszuruhen, einkehrte. Als er in die Stube kam, traf er vier Kerls auf dem Stroh liegend an, deren Geſichtsbildung ihm nichts Gutes zu verſprechen ſchien. Es waren auch in der That Räu— ber. Der Kaiſer forderte zu trinken, und ſobald er den erſten Trunk gethan hatte, ſtand einer von den Räubern auf und ſagte zu ihm: Es hat mir geträumt, daß der Ueberrock, den er da anhat, mir wohl kleiden würde, und zu gleicher Zeit zog er ihm den Rock aus. Der andere ſtand auf, und ſagte: Mir hat geträumt, daß dies Kollet mir eben paſſen würde, und damit nahm er es ihm ab. Der dritte nahm auf eben dieſelbe Art den Hut, und der vierte wollte ſich ſeines Jagd— horns bemächtigen, welches der Kaiſer an einer goldenen Kette am Halſe trug. Erlaubet mir, ſagte der Kaiſer, ehe ihr es nehmet, daß ich euch zuvor den Gebrauch davon zeige, und damit blies er ſehr ſtark zu dem offenen Fenſter hinaus. Den Augenblick kamen die Leute des Kaiſers von allen Seiten herbei, welche ſich bereits im Holze zer— ſtreuet hatten, um ihn zu ſuchen. Sie erſtaunten ſehr, den Kaiſer halb ausgezogen zu finden, und die Räuber noch mehr, ſo zahlreiche Geſellſchaft zu ſehen. Seht, ſagte Karl der fünfte, dieſe Leute hier haben alles geträumt, was ſie gewollt haben, es iſt Zeit, daß die Reihe auch an mich komme. Mir hat geträumt, daß dieſe vier Buben ſämmtlich am Galgen hingen; und ich will, daß es ſogleich vor der Thüre dieſes Wirthshauſes geſchehe. 67. Ein vornehmer Kriegsgefangener ward zu Moskau krank und der Czar ſchickte einen italieniſchen Arzt, den er am Hofe hatte, zu ihm. Nachdem der erſte Beſuch geendigt war, meldete der Officier, der die Wache gehabt hatte, dem Czar, daß der Arzt und der Gefan— gene ſehr viel von den Krimmiſchen Tartarn geſprochen hätten. Zum Unglück war kurz vorher Nachricht eingegangen, daß die Tartaren eine Ruſſiſche Feſtung belagert hätten, und man zweifelte daher im geringſten nicht, daß eine Verrätherei darunter verborgen wäre, Der 80 Officier ward befragt, und leugnete, von den Tartarn ein Wort ge— ſprochen zu haben. Der Arzt ward auch vorgeführt, und dieſer be— ſann ſich endlich, daß er dem Kranken unter andern gerathen, ſich des Kremor Tartari zu bedienen, woraus der wachthabende Officier Krim— miſche Tartarn gemacht hatte. 68. Zwei Dominikaner wollten den Marquis von Aigremont auf einem ſeiner Landgüter beſuchen. Wider Vermuthen trafen ſie ihn nicht zu Hauſe, wurden aber von ſeiner Gemahlin ſehr gut aufgenom— men. Man ergötzte ſich den erſten Tag ungemein, Spiel und Spa— ziergänge wechſelten mit einander ab, und die Mahlzeiten waren vor— trefflich, Am Abend ſpürte der eine Mönch heftige Kopfſchmerzen, und begab ſich alſo nach dem Eſſen hinweg. Die Marquiſe, welche Willens war, gleich nach Endigung des Spiels zu Bette zu gehen, befahl ihrem Mädchen, daß ſie den Bettwärmer, der in einigen Ge— genden Mönch genannt, in ihr Bett legen ſollte. Allein das Mädchen war zu neu, als daß ſie mit allen Benennungen des Hausraths hätte bekannt ſein können. Sie ging alſo zu dem Pater, den ſie eben beim Gebet antraf und ſagte zu ihm: „Herr Pater! die Frau Marquiſin will, daß Sie zu Bette gehen ſollen. Haben Sie alſo die Güte, mir zu folgen, ich will Ihnen Ihr Bett zeigen.“ Der Pater, welcher ſich bereits entkleidet hatte, weil er vermuthete, er ſollte in dem Zimmer ſchlafen, wo er war, zog ſich wieder an, und folgte dem Mädchen, die ihn in das Zimmer ihrer Dame führte. Eine halbe Stunde darauf rief die Marquiſin, weil ſie glaubte, daß ihr Bett warm genug ſei, das Mädchen von neuem, und befahl ihr den Mönch in ihrer Töchter Bette zu legen. Dieſe ging zum Pater, und ſagte: „Herr Pater, Sie müſſen aufſtehen, Ihr Bette iſt im Nebenzimmer.“ Sein Kopfweh war ſo heftig, daß er ſich kaum erinnerte, ſchon einmal ſein Bette vertauſcht zu haben. Er ging alſo in das Neben— zimmer, wo die Fräuleins ſchliefen, und legte ſich nicht ganz ohne 81 Murren nieder. Kaum war er eingeſchlafen, fo ließ die Marquiſin, da ſie im Begriff war, ſich zur Ruhe zu begeben, ihr Mädchen zum drittenmal kommen, und hieß ſie den Mönch wieder aus dem Bette der Fräulein in das ihrige legen. Der Befehl wurde vollzogen, ſo ſehr auch das Mädchen erſtaunt war. „Es thut mir herzlich leid, ſagte ſie, daß Sie ſo oft aufſtehen müſſen, allein ich kann mir nicht helfen; die gnädige Frau befiehlt es, und alſo werden Sie ſo gütig ſein, und wieder in das vorige Bett gehen.“ Der Pater ward auf das Mädchen und auf die Marquiſin, die er einer großen Unhöflichkeit beſchuldigte, ſehr aufgebracht. Die Marquiſin kam mit ihren Töchtern bald darauf in das Zimmer und befahl ihnen, den Mönch aus dem Bette zu nehmen. Wie erſchraken ſie, als ſie eine Mannsperſon darin liegen ſahen, die ihnen entgegenrief: „Ich ſtehe nicht mehr auf!“ Das Erſtaunen ver— wandelte ſich bald in ein lautes Gelächter, als man den Zuſammen— hang erfuhr, und der arme Pater ward genöthigt, ſich in ein eiskaltes Bette zu legen, nachdem er die Betten im ganzen Schloſſe gewärmt hatte. 69. Ein Schulmeiſter fragte bei der Catechiſation, wie hoch der Berg Sinai geweſen ſei? Der älteſte Junge wußte es nicht, und bekam eine Maulſchelle. Der zweite wurde gefragt, wußte es nicht, und bekam eine Maulſchelle. Kurz alle Jungen konnten nicht auf die Frage antworten, und bekamen richtig ihre Maulſchellen. Antwort, ſagte endlich der Schulmeiſter ſelbſt, das kann man ſo eigentlich nicht wiſſen. Wie hoch war alſo der Berg Sinai? fragte er das älteſte Mädchen. „Das kann man ſo eigentlich nicht wiſſen, Herr Präcep— tor,“ antwortete ſie. Nun ſo habe ich es doch alle mein Lebetag ge— ſagt, rief der Schulmeiſter, und bleibe auch dabei, daß mir die Mäd— chen immer lieber ſind, als die Jungen! Bibl. d. Frohſinns. III. 6 82 70. Ein Beſenbinder fuhr mit einem Schiebkarren eine Partie Beſen nach Hamburg, um ſie dort zu verkaufen. Als er nahe an die Stadt gekommen war, ſetzte er den Karren nieder, und ſagte: Nun Ham— burg, haſt Du Geld? Hier iſt Waare. 715 Ein Edelmann hatte ſeinem Koche befohlen, ihm an einem Tage, da er einen Gaſt bei ſich hatte, zwei Rebhühner zu Tiſche zu bringen. Der Koch ſteckte die Hühner an den Spieß, und befahl dem Küchen— jungen, ſie zu wenden. Als er ſich ein wenig entfernt hatte, und wie— der in die Küche kam, fand er nur noch ein Rebhuhn am Spieße. Junge, fragte er, wo iſt denn das andere? Dies iſt das andere, ant— wortete der Junge mit vieler Freimüthigkeit. Der Koch ergriff einen Stock; allein ſo ſehr er auch auf den Jungen zuſchlug, ſo konnte er doch nichts weiter, als dieſe oft wiederholte Antwort herausbringen. Er ſah ſich alſo genöthigt, ſeinem Herrn das eine Rebhuhn hinein— zuſchicken, und da dieſer ihn rufen ließ, gab er ebenfalls zur Ant— wort: dies iſt das andere. Der Herr ereiferte ſich, und ſagte endlich: wo iſt denn aber das erſte? Ja, das erſte, das hat der Junge vom Spieß gefreſſen. 72. Einem Rath war ſeine Frau geſtorben, und weil ihm die Condo— lenzen unausſtehlich waren, ſo verkleidete er ſeinen Kutſcher in Trauer, und vermummte ihn, welches damals gewöhnlich war, ſo, daß ihn Niemand kennen konnte. Zugleich befahl er ihm, nichts zu reden, ſondern bloß zu ſeufzen. Ein Freund des Raths kam, um ſeine Condolenz abzuſtatten. Als er den Kutſcher fo ſeufzen hörte, wandte er alle mögliche Troſtgründe an, um ſeine vermeinte Traurigkeit zu vermindern. Endlich that er ſo viele Fragen, daß der Kutſcher ihm 83 durchaus etwas antworten mußte, worauf ihn der Freund an der Stimme erkannte. Ohne ſich zu verwundern, veränderte er das Ge— ſpräch und fragte: Mein Freund, wie viel gilt der Hafer? 73. g Eine Schauſpielergeſellſchaft führte in Gegenwart einer gewiſſen Fürſtin die Operette auf, wo es in einer Arie heißt: Es lebe der König, mein Mädchen und ich; der König für Alle, mein Mädchen für mich. Man wollte es alſo nach den Umſtänden ändern, und ſang jo: Es lebe die Fürſtin, mein Mädchen und ich; die Fürſtin für Alle, mein Mädchen für mich. 74. Ein Candidat der Gottesgelahrtheit meldete ſich auf einer Hoch— ſchule zur Magiſter-Promotion. Aber in der Prüfung beſtand er gar ſchlecht und wurde abgewieſen. Unbekümmert äußerte er ſich dar— über gegen einen ſeiner Freunde: „Ei, was frage ich viel darnach? Chriſtus hat zwölf Apoſtel gehabt, und keiner davon iſt Magiſter geweſen.“ vied Schwerlich gab es einen leidenſchaftlicheren Pferdeliebhaber, als den Patriarchen von Konſtantinopel, Theophylakt, geſtorben im Jahre 956. Er beſaß über zwei tauſend Pferde, von denen manche für ungeheure Summen eingekauft waren. Statt ſie mit Heu und Hafer zu füttern, gab man ihnen aller Arten edle Früchte, als Dat— teln, Mandeln, Piſtazien u. ſ. w. Als einmal dieſer Patriarch eben das Hochamt hielt, brachte ihm einer ſeiner Leute leiſe die Nachricht, daß eine ſeiner Lieblingsſtuten ein ſehr ſchönes Füllen geworfen habe. Schnell verließ er nun Altar und Kirche, und eilte im vollen Ornate in den Stall, das neugeborne Füllen zu ſehen. Seine Freude über die Schönheit deſſelben fand keine Grenzen. Und erſt, als er das 6 * 84 Thier lange genug beſehen hatte, kehrte er zur Kirche zurück und voll— endete die unterbrochene heilige Feier. 76. Der berühmte Prediger Horne ſollte eines Tages in der Johan— niskirche zu London predigen. In der Zerſtreuung ging er aber zur Paulskirche. Er trat in die Sakriſtei, ohne ſeinen Irrthum zu mer— ken. Nicht einmal, daß hier ſchon ein Prediger war, brachte ihn zur Beſinnung. Glücklicher Weiſe ſpann ſich zwiſchen beiden Predigern, die ſich perſönlich nicht kannten, folgendes Geſpräch an: „Ich werde heute wohl nicht viele Zuhörer haben!“ begann der Prediger. „Und warum das?“ fragte Horne. Der Prediger antwortete; „Weil halb London nach St. Johann ſtrömt, um den berühmten Horne zu hö— ren.“ — „So?“ erwiederte Horne ganz gelaſſen: „Ja, dann werde ich wohl auch dahin gehen müſſen! den wollte ich ebenfalls hören.“ Er hatte ſeinen Irrthum eingeſehen, empfahl ſich dem Prediger, und eilte zur Johanniskirche, wo man leicht ohne Prediger hätte bleiben können. 77. Ein Kaplan befand ſich während eines Seeſturms zu Schiffe. Aengſtlich fragte er einen von den Schiffern, ob auch Gefahr ſei? „O ja!“ antwortete der Schiffer, „hält der Wind mit dieſer Heftigkeit an, ſo werden wir noch vor Mitternacht alle in den Himmel kom— men.“ — „Gott ſoll bewahren!“ ſchrie der Geiſtliche mit dem Aus drucke der höchſten Beſtürzung. 78. Ein Dorfgeiſtlicher hatte einſt, bei ſehr dürrer Witterung, nach der Predigt ein Gebet um Regen folgen laſſen, und war kaum in der Sakriſtei, als der Küſter zu ihm trat und ſagte: es fange eben an zu regnen, als wenn es mit Mollen vom Himmel käme. „Das wolle Gott nicht!“ rief der Pfarrer aus, „ich habe meinen Re— genſchirm zu Hauſe gelaſſen.“ 12. Ein Candidat predigte eines Tages in einer Zuchthauslkirche, welche gewöhnlich nur von Züchtlingen beſucht ward. Nun hatten aber einige junge Damen von ſeiner Bekanntſchaft, welche ihn zu hören wünſchten, auch die Kirche beſucht, doch ſich einen Platz ge— wählt, wo ſie von dem Prediger nicht konnten geſehen werden. Des Abends war der Candidat mit dieſen Damen in Geſellſchaft. Das Geſpräch kam auf ſeine Predigt. „Sie haben heute eine recht erbau— liche Predigt gehalten,“ lobte ihn eine ſeiner Freundinnen. „Ach!“ erwiederte der Candidat, „leider vor einer Gemeinde von lauter Eſeln.“ — „Deßwegen,“ verſetzte das Frauenzimmer, „ſagten Sie wohl immer: Meine lieben Brüder!“ 80. Der Paſtor Flügge zu Hannover, in dem erſten Viertel des vorigen Jahrhunderts wegen ſeiner Kanzelberedtſamkeit berühmt, hatte kaum ſeine Prüfung als Candidat der Gottesgelahrtheit über— ſtanden, als man ihn bei dem damals erledigten Paſtorate an der Kreuzkirche zu Hannover um eine Gaſtpredigt bat. Flügge nahm den Antrag an, und ſeine Predigt machte einen ſehr vortheil— haften Eindruck. Indeß bedauerte Jedermann, daß ein ſo vorzüg— licher Kanzelredner ein Pietiſt ſein ſolle, was man für etwas ſehr Gefährliches hielt, und der junge Mann ſtand in dieſem Verdachte. Man wünſchte daher allgemein, dahinter zu kommen, ob Flügge wirklich ein Pietiſt fei. Da nun der Abt Molanus behauptete, ein ächter Anhänger des Pietismus rauche nie Taback, weil damals zu Halle auf dem Waiſenhauſe das Tabackrauchen als eine ſchwere Sünde verpönt war; ſo kam es darauf an, ob Flügge Taback rauche. Zwar verſicherte der Wirth, bei welchem Flügge wohnte, er ſei ein 86 rechtgläubiger Orthodox, weil er vor feinen und feiner Leute Augen immer nach Tiſche ſeine Pfeife rauche; allein in einer ſo wichtigen Sache, und da einmal der Ruf gegen Flügge war, hielt man dieſes Zeugniß nicht für hinreichend. Man wollte ſich ſelbſt durch den Augen— ſchein überzeugen. Abends ſtrömte Alles, Vornehme und Geringe, nach der Straße, wo Flügge wohnte. Sein Zimmer war im Erdge— ſchoſſe nach vorne heraus, allein die Fenſterladen waren verſchloſſen. Es wurden Tiſche und Bänke hergeſchleppt, um die Höhe zu erlangen, daß man oben durch die ausgeſchnittenen Lichtlöcher in das Zimmer ſehen könnte. Nun überzeugte man ſich, daß Flügge im Zimmer auf- und niedergehe und Taback rauche. Dies war eine große Freude für die Lauſcher, die ſeine Probepredigt mit Erbauung gehört hatten. Immer mehr vermehrte ſich die Zahl der Neugierigen und das Gedränge. Wer nur hinzukommen konnte, hängte ſich an die Laden, um den frohen Anblick ſelbſt zu genießen. Aber die Haſpen der Läden riſſen durch das Gewicht der daran Hangenden los, und das ganze Gerüſt mit ſeinen Zuſchauern ſtürzte polternd zuſammen. Flügge erſchrak nicht wenig. Nun aber ſah ihn die ganze ver— ſammelte Menge, und von dem allgemeinen Jubelgeſchrei; „Gottlob! er raucht Taback!“ ward das Heulen und Schreien der Gefallenen weit übertönt. Den Tag darauf ward Flügge zum Paſtor bei der Kreuzkirche gewählt. | 81. In einem gewiſſen Fürſtenthume mußten die Pfarrer, welche von einem Patronatsherrn präſentirt wurden, vor dem Conſiſtorium ſchwören, daß ſie daß erimen simoniae nicht begangen, das heißt die Pfarre nicht erkauft hätten. Ein Candidat ſuchte nun auf folgende Weiſe der Habſucht des Patronatsherrn und zugleich dem zu leiſtenden Eide ein Genüge zu thun. Er verlor im Spiel vorſätzlich die als Kaufpreis beſtimmte Summe an den Edelmann, der ihn zur Pfarrei 87 zu präſentiren hatte, und nun ſchwor er vor dem Conſiſtorium, daß er die Pfarrſtelle nicht erkauft habe. 82 yt Ein jüdiſcher Witzbold wurde einer Frau, die zwar ſehr ſchön, aber geiſtesarm war, vorgeſtellt, welche ſehr freundlich mit ihm ſprach. Als man ihn um ſein Urtheil über ſie befragte, antwortete er: „So lange ſie mich nicht anſprach, hat ſie mich ſehr ange— ſprochen; als ſie mich aber angeſprochen hatte, ſprach ſie mich nicht mehr an.“ 83 1 Ein verſchuldeter Kaufmann hatte öffentlich bekannt gemacht, er wolle ſeine Waaren, die er in den frühern wohlfeilen Zeiten an ſich gebracht, für den Einkaufspreis verkaufen. „Dous künn er nicht,“ ſagte ein Jude, als darüber auf der Börſe geſprochen wurde. „Warum nicht?“ fragten Mehrere. „Nü, as er ſe doch nich bezohlt hat!“ 84. he Ein naſeweiſer junger Menſch verſpottete einen Juden wegen der Größe ſeiner Ohren. „Ich kann es nicht leugnen,“ verſetzte dieſer, „daß ſie für einen Menſchen zu groß ſind; aber Sie werden auch zugeben, daß die Ihrigen für einen Eſel zu klein find.” 85. Ein armer polniſcher Jude ging durch einen Wald. Ein Wolf kam auf ihn los. Verdutzt, erſchrocken hielt der arme Jude ihm feinen Wanderſtock entgegen, und glücklicher Weiſe ſchoß ein lauernder Jäger hinter ihm nach dem Wolfe, der getroffen, todt hinfiel. „Gott's Wunder!“ ſchrie der arme Jude, der den Jäger nicht 88 i 3 a ~ ſah, und blos den Schuß hörte, „hob' jech den Stock doch ſchaun zwanzig Johr, und hob nit gewißt, douß er geladen is.“ i 86. Ein durch verſchiedene Spekulationen und Lieferungen reich ge— wordenen, ſonſt aber gemeiner Jude hatte ſich aus Ehr- und Ruhm— ſucht den Titel eines Kommerzienrathes zu verſchaffen gewußt, und ſich als ſolcher überall auf die arroganteſte Weiſe breit zu machen geſucht. Er war ungewöhnlich groß, und hielt ſich ein Reitpferd, welches bei der langen Figur des Reiters auffallend klein erſchien. Eines Tages ritt er in einen nahe der Stadt gelegenen Luſtort und wollte in einem Wirths— hauſe daſelbſt abtreten, vor deſſen Thüre mehrere Perſonen aus der Stadt ſaßen und ſich unterhielten. Als er die Geſellſchaft von ferne ſah, freuete er ſich in dem Gedanken, daß wenigſtens einige derſelben, die mit ihm vorgegangene Veränderung wiſſen, und ihn nicht mehr bei ſeinem Namen nennen würden, zumal, da er merkte, daß Aller Augen auf ihn gerichtet waren. Das Erſte traf auch wirklich zu; denn in der Geſellſchaft befand ſich ein witziger Spötter, welcher ihn kannte; von dem Letztern war aber nicht der neue Rath ſelbſt Urſache, ſondern ſein Pferd, welches bei ſeinem langen Reiter der Geſellſchaft winzig klein vorkam und für ſie ein Gegenſtand des Gelächters wurde. Während dieſer Betrachtung der Andern nahm jener See das Wort und ſprach: „Betrachten Sie, meine Herren, dieſes Thier recht; ich habe es noch als Hund gekannt, jetzt hat es ſich den Titel als pit geben laſſen.“ Ueber dieſen komiſchen Einfall brach die Geſellſchaft in ein lau— tes Lachen aus, und der Reiter machte ſich eiligſt davon, indem er dieſe wirkſame Fabel ſich ſtets gegenwärtig gehalten, und von der Titelſucht, wie man ſagt, gänzlich geheilt worden iſt. 87. In B. ſind zwei Stadtuhren; die eine bei der Univerſität, die andere beim Verſatzamte. Ein jüdiſcher Student, der ſehr flott lebte, beklagte ſich einſt bei einem Uhrmacher, daß ſeine Uhr ſchlecht gehe, mit den Worten: „Ich weiß nicht, was ich mit meiner Uhr machen ſoll; ich richte ſie immer nach der Univerſität, und fie geht meiſtens nach dem Verſatzamte.“ 88. Ein eitler Dichter fragte einen ſehr geiſtreichen Juden: „Was halten Sie von meinen im Drucke erſchienenen Ge— dichten?“ ; „Sie find ein gutes Mittel gegen den Nachdruck,“ antwor— tete dieſer.“ | 89. Im vorigen Jahrhundert wurden fünf Juden wegen Diebſtahl und Einbruch gefänglich eingezogen und nach gehöriger Unterſuchung zum Strange verurtheilt. Ein ſehr reicher Jude zu H. . . . meldete ſich darauf bei der dortigen Regierung und bat um die Erlaubniß, die fünf Verbrecher nach erfolgter Juſtifikation am Abend des Hin— richtungstages von dem Galgen abſchneiden und auf dem Judenkirch— hofe begraben laſſen zu dürfen, wogegen er ſich erbot, die Summe von 100 Friedrichsd'or an eine Armenanſtalt zu zahlen. Sein Geſuch wurde ihm bewilligt, und er zahlte die angebotene Summe gegen Ausfertigung eines Erlaubnißſcheines: die fünf De— linquenten am Abend des Hinrichtungstages vom Galgen abſchneiden laſſen zu dürfen. Mittlerweile war einer dieſer Miſſethäter auf den Gedanken ge— kommen, daß es vielleicht eine Milderung der Strafe bewirken würde, * 90 wenn er zur chriſtlichen Religion überginge; er hatte alſo einen Geiſt— lichen begehrt, und ſich im Kerker noch in aller Eile taufen laſſen. Doch zu ſeinem großen Schreck ohne den gehofften Erfolg: denn auch er wurde ohne Weiteres mit ſeinen vier jüdiſchen Kameraden auf— gehenkt. Der Jude, der vorher über die Leichname der Delinquenten den erwähnten Handel abgeſchloſſen, erfuhr ebenfalls den Uebergang des einen Erhenkten von der jüdiſchen zur chriſtlichen Religion, und da er dieſen nun, als einen Apoſtaten höchlich verabſcheuete, ſo kam er bei der Regierung in H. . . . ein und bat, ihm von den gezahlten 100 Friedrichsd'or 20 zurückzahlen zu laſſen, indem er jetzt nur die vier gehenkten Juden abſchneiden laſſen wolle, den Abtrünnigen aber um ſo mehr ſeinem Schickſale überlaſſen müſſe, da es nicht erlaubt fet, ihn als ſolchen auf dem Judenkirchhofe beerdigen zu laſſen. Die Regierung zu H. . . . ertheilte hierauf folgendes zum Beſcheid: „Der Handel iſt einmal abgeſchloſſen, und muß es dabei ſein Bewenden haben; es ſteht dem Supplikanten aber frei, alle fünf Ge— henkte abſchneiden, oder auch den getauften Juden hängen zu laſſen, in welchem letztern Falle er den nächſten Juden zu Gute behal— ten ſoll.“ 90. Ein Jude beſtellte ſich Extrapoſt. Der Beamte wollte ſich mit ihm einen Spaß machen und ſchlug ihm vor, ſtatt zwei Pferde lieber vier zu nehmen, weil er damit noch ne ſo geſchwind an den Ort ſeiner Reiſe kommen würde. „Würde ich, wenn ich acht Pferde nähme, um ſo viel geſchwin— der hinkommen?“ „Allerdings,“ verſetzte der Beamte. „Nun gut,“ erwiederte der Jude, „gebt mir gleich zwei und dreißig Pferde, ſo darf ich mich gar nicht erſt aufſetzen.“ 91. Ein junger Jude wollte ſeiner Braut fein Bildniß mit der Poft ſenden; um Porto zu ſparen, ſchrieb er auf den Umſchlag: „Einliegend ein Bildniß ohne Werth.“ 92. 8 Ein Jude fragte einen Muſiklehrer: „Wie viel zahle ich Ihnen monatlich für den Unterricht?“ Jener antwortete: „Für den erſten Monat vier, für die fol— genden Monate aber nur drei Thaler.“ „Nun,“ ſagte der Fragende, „ſo wollen wir gleich mit dem zweiten Monate anfangen.“ i. 93. Ein Jude, der oft viel von der übeln Laune ſeiner Frau zu er— dulden hatte, erwiederte nichts darauf, und ſetzte ihr blos Stillſchwei— gen entgegen. Einer ſeiner Freunde ſagte zu ihm: „Ich ſehe wohl, daß Sie ſich vor Ihrer Frau fürchten.“ „Nä! vor ihr fercht' jech mich nit, aber vor dem Lärm, den ſe macht.“ 94. Ein jüdiſcher Kaufmann, ein reicher Filz, nöthigte ſeine Freunde: ohne Umſtände mit ihm zu ſpeiſen. Niemand kam, weil Niemand hungern wollte. Endlich zwang er Einen in der Mittags— ſtunde mit ihm zu gehen. Sie ſetzten ſich zu Tiſche. Auf eine magere Suppe folgte ein mageres Gemüſe und dann der Käſe. „Freund!“ rief der Kaufmann, „wie froh haben Se mich ge— macht! wann ſpeiſen Sie wieder mit mir?“ „Wenn's ſein kann, am liebſten ſogleich,“ erwiederte der Gaſt. „Hören Se nur,“ rief ein Hebräer bei einem militatrifcen Manövre einem Nebenſtehenden zu: „Hören Se nur dous entſetzliche Plafond— Feuer!“ 96. Einſt ſtarb zu N“ ein Iſraelit von großem Reichthum und An— ſehen. Kurz vor ſeinem Tode vermachte er ſein, mehrere Tauſende betragendes Vermögen einem öffentlichen Inſtitute, das zu frommen Endzwecken errichtet war. Die Gründe, aus welchen dieſe ſeine Handlung floß, indem er doch einen Sohn, der zu den hinterlaſſenen Gütern ſeines Vaters der rechtmäßige Erbe war, hinterließ, ſind un— bekannt. In der Schenkungsurkunde oder in dem Teſtamente hatte zwar der hartherzige Vater ſeines Sohnes gedacht, doch mit der, der letzten Willensmeinung beigefügten Clauſel, war der Sohn nicht zu— frieden. Es hieß in derſelben: damit der Sohn nicht ganz und gar von dem Genuſſe des Gutes ausgeſchloſſen bliebe, fo moöͤgen ihm die Vorſteher des Inſtituts von dem geerbten oder zum Geſchenk bekom— menen Kapitale ſo viel geben, als ihnen anſtände (d. h, als ihnen ge— fiele, beliebig oder anſtändig wär). Der reiche Vater ſtarb, und der Sohn war jetzt ſehr eifrig dar— auf bedacht, wie er zu ſeinem väterlichen Erbe auf eine rechtmäßige Art leicht und ſchnell gelangen könne. Er ſuchte deßhalb hie und da Rath und Hülfe bei den Rechtsgelehrten; allein keiner wollte ſich ſeiner annehmen und ihn aus der Bedrängniß retten, weil keiner den Muth hatte, dem Inſtitute, das den letzten Willen des Teſtators ganz für ſich hatte, den Prozeß zu machen. Der bekümmerte Sohn ruhte aber dennoch nicht, ſein Ziel zu verfolgen. Es fanden ſich endlich Men- ſchenfreunde, die das ihm zugefügte Unrecht einſahen und ihm den Weg bis zur höchſten Juſtizbehörde trefflich bahnten. Hier beklagte er ſich bitter über die Unterdrückung ſeines Erbrechts, erzählte den 93 ganzen Inhalt des von ſeinem Vater abgefaßten Inſtruments, und wie das Inſtitut zu dem Beſitze ſeiner Güter gekommen war. Es wurde ein Schiedsrichter ernannt, der die Klage des verfolgten Erben unterſuchen und ihm das Recht ſprechen ſollte. Jener war ein großer Juriſt, und er machte dem Kläger alle Hoffnung, daß er das Verlorne ganz ſicher zurückerhalten würde. Die Vorſteher des Inſtitutes wur— den zu ihrer Verantwortung aufgefordert. Sie erſchienen vor dem Schiedsrichter und hier entſpann ſich zwiſchen ihm und ihnen folgen— des Geſpräch: Der Schiedsrichter. Habt Ihr von dem Vater dieſes jun— gen Menſchen hier, der ſein Sohn iſt, etwas geerbt? oder als Ver— mächtniß zum Geſchenk bekommen? Die Vorſteher. Ja. Der Schiedsrichter. Wie viel mag wohl die ganze Summe der Erbſchaft oder des frommen Vermächtniſſes betragen? Die Vorſteher. 134000 Thaler. Der Schiedsrichter. Und wie viel ſeid Ihr laut der Clauſel, die das väterliche Teſtament enthält, geſonnen davon dem Sohne zu geben? Die Vorſteher. 8000 Thaler. Der Schiedsrichter. Sehr wohl; Ihr behaltet alſo für Euch 126000 Thaler, nicht wahr? \ Die Vorſteher, Allerdings. Der Schiedsrichter. Nun denn, ſo müßt Ihr dem Sohne laut Teſtament die 126,000 Thaler auszahlen; denn Ihr ſeid ver— pflichtet, ihm ſo viel zu geben, als Euch anſtände; und Euch ſteht nun die Summe von 126,000 Thalern an, folglich müßt Ihr ihm laut Recht und Billigkeit und laut der teſtamentariſchen Verfügung, dieſe Summe verabfolgen laſſen und Euch mit den 8000 Thalern be— gnügen. Das endliche Reſultat dieſes lakoniſchen Geſprächs, das in Gegenwart noch anderer Gerichtsperſonen geführt wurde, war, daß die erſtaunten Inſtitutsvorſteher dem rechtmäßigen Erben ſtatt 8000 A * 94 Thaler, mit welchen ſie ihn zufrieden zu ſtellen anfangs für gut fan— den, 126,000 Thaler auszahlen mußten, weil ihnen der juridiſch— hermeneutiſchen Interpretation des Gerechtigkeitsliebenden Schieds— richters zu Folge, ſo viel nach dem Sinne der Teſtamental-Clauſel anſtand. 1 — 97. Ein geiziger Jude ſagte einmal einem Freunde, den er klagen hörte, daß er immer Geld verleihen ſolle, Folgendes im Vertrauen: „Machen Se's wie jech. Jech halte mir zwa Geldbeutel; den einen nenne ich Jemand, den andern: die ganze Welt. All' mein Geld ſteck ich in den erſten Beutel, und keinen Pfennig in den zweiten. Kommt dann wieder Jemand zu mir und verlangt, ich ſoll ihm borgen, ſo zeig' ich ihm den leeren Beutel, und ſpreche und ſchwöre: daß ich eben keinen Heller in der ganzen Welt beſitze und daß, wenn ich Geld brauche, ich ſelbſt zu Jemand meine Zuflucht nehmen muß. So lüge ich nicht, und behalte mein Geld und meine Freunde.“ i — 98. Man ſagte einſt, daß der Verfaſſer eines ſchlechten Melodrama's ein Iſraelit ſei. „Ich bezweifle es,“ rief ein Anderer, „es iſt ohne alles Intereſſe.“ 99. Bei Gelegenheit eines alljährigen Volksfeſtes zu D. fragte ein Iſraelit einen geſchäftig vorübereilenden Deputirten: „Um Verzeihung! wird dieſen Abend noch das Nachtſchießen gehalten?“ „So fragt man die Bauern aus,“ entgegnete dieſer protzig. Schnell und mit artiger Verbeugung widerlegte jener: „Ach! ich glaubte, Sie wären einer.“ — 95 100. Ein armer Jude hatte zwei Mal hinter einander den Verſuch ge— macht, ſich zu ertränken, war aber beide Male durch einen Glaubens— genoſſen gerettet worden. Da er aber durchaus entſchloſſen war, nicht länger zu leben, fo ergriff er flugs den nächſten Augenblick, wo er von ſeinem Retter nicht beobachtet zu ſein glaubte, und erhing ſich nun, naß, wie er noch war, an dem Thore einer nahen Scheune. Schmuel, der Andere, obgleich er es bemerkte, ließ ihn ruhig das Werk vollen— den, und that keinen Schritt, ihn abzuhalten, oder nachher wieder loszuſchneiden. Eine Weile nachher kam der Pächter herzu, fal den Erhenkten, und machte Schmuele die bitterſten Vorwürfe, daß er ſeinen Glaubensgenoſſen vor eigenen Augen habe umkommen laſſen. „Wous thou jech dermit!“ erwiederte Schmuel: „jech hob ihn {hon zwaamal nacheinander aus dem Waſſer gezogen, un do er vun Kopf bis zu de Füße fadennaß war, ſo glaubte ich, er habe ſich nur a wenig an die Sonne gehenkt, um ſich wieder zu trocknen.“ 1 101. Ein Schneider wollte einen Juden, der banquerott gemacht, my— ſtifiziren, und ſagte daher zu ihm: ; „Amſchel! ich wollt', ich hätt' Euer Geld.“ „Und ich,“ nahm der Jude das Wort, „wollt', ich hätt' Euern Verſtand, dann hätten wir beide — Nichts!“ fo 102. Ein Jude, der ein ſehr häßliches, aber reiches Mädchen zur Frau genommen hatte, wurde von einem ſeiner Freunde gefragt, wie er eine ſo abſcheuliche Wahl habe treffen können. „Will jech dous erklären,“ verſetzte der Hebräer, „jech hob de Kalle, wie eppes äaltes Silber, nach dem Gewicht genommen,“ 96 103. 5 Eine kleine Provinzialſtadt, deren Einwohner ziemlich unbemit— telt waren, machte einen, über ihre Kräfte großen Aufwand bei Ge— legenheit der Feierlichkeiten und der Illumination, welche zu Ehren des durchreiſenden Landesfürſten veranſtaltet wurden. Als dieſer ſeine Verwunderung darüber zu erkennen gab, nahm der e das Wort, indem er ſagte: „Gnädigſter Herr! unſere gute Stadt hat gethan, was ihre Schuldigkeit war.“ „Waaß Gott!“ ſprach ein anweſender reicher Jsraelit, „der Bürgermeiſter hat ä wohres, ä weiſes Wort geſprochen, de gute Stadt is dous Alles ſchuldig, wous fe gethoun, Aber 0 den Ferſten, ſondern dem Mo yſes Amſchel.“ 104. 5 Einem reiſenden Juden, der ſich, wie natürlich, ſehr vor Stra— ßenräubern fürchtete, rieth man, Piſtolen mitzunehmen. „Dous wäre klug,“ entgegnete er, „douß fe mer die aad. wegnähmen.“ te 105. Ein jüdiſcher Wittwer küßte bei dem Lelchenbegänguiſſ ſeiner Frau ein hübſches Mädchen. Als man ihm Vorwürfe über das Be— nehmen in einem ſolchen Augenblicke machte, antwortete er: „Jech bin fou desperat, douß jech nich waaß, wous jech thoue.“ 106. Zu den vorzüglichern Mitgliedern der ehemals Kurfürſtlich, nachher Königlichen Sächſiſchen Hofſchauſpielergeſellſchaft, unter Franz Se- conda's Direction, gehörte der Schauſpieler Thering, einer der beſten Komiker, der ſich auch außer dem Theater durch echt witzige 97 Einfälle und treffende Repliken auszeichnete, ohne jedoch den Schau— ſpieler in's gewöhnliche Leben hinüberzuziehen. Damals wurden von den Hofſchauſpielern den Winter über in Dresden, während der Sommermonate hingegen in Leipzig Vorſtellungen gegeben. Bei ihrem Aufenthalte in letzterer Stadt gab Iffland daſelbſt einſt einen Cyclus von Gaſtſpielen, die nach Verdienſt des trefflichen Mimen mit ungetheiltem Beifall aufgenommen wurden. Es gab aber auch zu der Zeit Mehrere, die Iffland nicht für den großen Künſtler hielten, der er wirklich war. Zu dieſen gehörte auch der bei der Hofgeſell— ſchaft engagirte Schauſpieler Henke, der, nach der Verſicherung ſeiner Zeitgenoſſen, nur ein ſehr mittelmäßiges Talent beſaß. Dieſer befand ſich eines Tages in einer Geſellſchaft, an einem öffentlichen Orte, wo viel Rühmliches über Iffland's Darſtellungen geſprochen wurde. Hiermit keineswegs einverſtanden, ſuchte er den Anweſenden begreiflich zu machen, Iffland habe nur deßhalb einen ſolchen bedeutenden Ruf erlangt, und ſein Spiel werde nur darum ſo ſehr gelobt, weil er in Berlin in einigen Rollen zu gefallen das Glück gehabt habe. „Glauben Sie mir,“ — ſchloß er ſeine Ver— ſicherung — „ich dürfte nur ein paar Mal in Berlin ſpielen, und ich würde überall eben ſo viel Glück machen als Iffland.“ Thering, der auch zugegen war „ohne von dem ſeiner Trefflichkeit ſich bewußten H. bemerkt zu ſein, wurde von Einigen aufgefordert, über jene Aeußerung ſeine Meinung zu ſagen; er gab ſein Urtheil mit den wenigen Worten: Iffland und Henke, London und Zwenke, (Zwenkau, ein klei— nes Städtchen von 218 Häuſern, unweit Leipzig). 107 * In Sachſen waren die Jagdgeſetze ſehr ſtreng. Wer es wagte, auf landesherrlichem Revier einen Haſen zu ſchießen, mußte ohne Gnade und Barmherzigkeit mit drei- bis fünfjähriger Zuchthausſtrafe dafür büßen. Thering, der die Jagd leidenſchaftlich liebte, ließ ſich je zuweilen verleiten, trotz der ihm drohenden Gefahr, gegen das Ge— Bibl. d. Frohſinns. III. 98 feb zu handeln, indem er vielleicht glaubte, an der Kurfürſtin, der er durch ſeine echte vis comica fo manches Lachen und fo vielen Beifall abgewonnen hatte, im äußerſten Nothfalle eine mächtige Beſchützerin zu haben. Einſt hatte ihn ſein Gelüſte auch verleitet, dem edlen Waidwerk obzuliegen, und es war ſo eben unweit der Landſtraße ein tüchtiger Rammler von ihm erlegt worden, als eine fürſtliche Equipage die Kurfürſtin des Weges führte. Was war zu thun? zu entkommen, ohne bemerkt zu werden, war nicht möglich, und ſich zu entfernen, ohne der Kurfürſtin ſeine Devotion bezeigt zu haben, ſchien ihm faſt noch bedenklicher, als ſich ihrer Diskretion zu überlaſſen. Er wählte daher das Letztere, ſteckte eilig ſein Gewehr auf den Rücken unter ſeine Pikeſche, die jedoch nicht lang genug war, um auch den untern Theil des Gewehres zu bedecken, und erwartete ſo die Kurfürſtin, vor der er ſich ehrerbietig verneigte, in der Meinung, ihre Equipage werde ſchnell vorbeifahren und ſie das Gewehr hinter ſeinem Rücken nicht gewahr werden. Seine Hoffnung wurde jedoch vereitelt; die Kurfürſtin hatte ihn und fein Thun ſchon von weitem bemerkt und ließ halten. „Was haben Sie denn da hinterm Rücken?“ fragte ſie ſehr leutſelig. Hierdurch ermuthigt, nahm der ſpeulirende Waidmann *) das Gewehr hervor und erwiederte: „Durchlaucht, das iſt eine Flinte, die ich ein bischen angeſchoſ— ſen habe.“ K. „Und da haben Sie wohl zufällig den dort liegenden Haſen getroffen?“ T. „Einen Haſen? Ja wahrlich, dort liegt ein Haſe.“ K. „Thering! welcher Gefahr ſetzen Sie ſich aus! Haben Sie nicht bedacht, daß, wenn Sie auf Uebertretung der Jagdgeſetze be— troffen werden, mein Gemahl ſelbſt Sie nicht ſchützen kann?“ T. „Ach, ich denke jedes Mal mit Schaudern daran, kann aber ) So nennt man Jemand, der Freund von der Jagd iſt, ohne eigentlich Jäger zu ſein. 99 meine Leidenſchaft nicht bemeiſtern, und ergebe mich demuthsvoll in mein Schickſal.“ K. „Ich will dieſes Mal nichts geſehen haben (zu ihrer Bedie— nung), ſo wie ich Euch gebiete, den Vorfall zu verſchweigen. Ich will aber auch noch mehr für Sie thun. Da Sie ein ſo ſehr paſſionirter Jäger und guter Schütze ſind, ſo will ich Ihnen ein Jagdpatent aus— wirken, damit Sie Ihrer Neigung dann und wann nachhängen kön— nen, ohne dabei zu riskiren. Bis Sie dieſes aber erhalten, geloben Sie mir, ſich keine ähnliche Handlung beikommen zu laſſen.“ Thering dankte ehrerbietigſt und der Wagen fuhr weiter. Erfreut über dieſe unerwartete Wendung trat nun auch der glückliche Wilderer ſeinen Rückweg an. Indeß waren bereits mehrere Wochen vergangen, und noch immer war der verheißene Freibrief nicht erfolgt; da traf es ſich einſt, daß in einem Luſtſpiele, deſſen Vor— ſtellung die Kurfürſtin beiwohnte, Thering ſich mit einem andern Schauſpieler in der Scene befand, wo ihm dieſer erzählte, der Guts— herr habe ihm die Ausſtattung ſeiner Tochter verſprochen. „Nun,“ ere wiederte Jener, „da wünſche ich Euch Glück! Aber, Gevatter, verlaßt Euch auf dergleichen Verſprechungen nicht zu ſehr. So etwas wird manchmal wieder vergeſſen. Ich kenne das aus Erfahrung. Seht, unſere durchlauchtigſte Landesmutter hat die höchſte Gnade gehabt, mir bereits vor einigen Monaten ein Jagdpatent zu verſprechen, und ich habe es heute noch nicht.“ Die Kurfürſtin lachte herzlich über dieſe Erinnerung, und am nächſten Tage erfolgte das verheißene Patent. 108. Einſt gab Thering im ſtändiſchen Theater zu Prag Gaſtrollen, wo ihn der Fürſt Lobkowitz ſah, der auf ſeiner Standesherrſchaft Eiſenberg ein eigenes Theater hatte, auf welchem eine von ihm be— ſoldete Geſellſchaft das ganze Jahr hindurch Vorſtellungen gab. Von dieſem wurde Thering eingeladen, auch in Eiſenberg einige Gaſtrollen 7 * « 100 zu geben, die eben fo gut honorirt werden ſollten, als die von ihm in Prag gegebenen. Der Antrag wurde angenommen, und der Gaſt— ſpieler war während ſeines Aufenthalts in Eiſenberg ein täglicher Gaſt an der fürſtlichen Tafel, wo nicht allein gegeſſen und getrunken, ſondern auch durch mancherlei Reden noch das Mahl gewürzt wurde. So war denn auch im Laufe des Geſprächs Therings Neigung zur Jagd kund geworden. Als daher ſeine Gaſtſpiele beendet waren, und er am Abende nach ſeinem letzten Auftreten an der fürſtlichen Tafel ſpeiſ'te, wurde er von dem Fürſten eingeladen, ſeinen Aufenthalt um einige Tage zu verlängern, weil eine Parforcejagd gehalten werden, und er derſelben beiwohnen ſolle. Kaum hatte der Fürſt die Anfor— derung an Thering gerichtet, als dieſer freudig zuſagte. Einer Der. anweſenden Gäſte, ein Adliger, der weiter kein Vermögen und keine Verdienſte hatte, als ſeinen alten Stammbaum, glaubte jedoch den. Gaſt daran erinnern zu müſſen, welch eine hohe Ehre ihm zu Theil würde und ſagte deßhalb: „Wiſſen Sie auch wohl, daß die Parforce- jagd in Böhmen nur wirklichen Edelleuten geſtattet iſt?“ — „Ei freilich;“ antwortete Thering, „aber ſei'n Euer Gnaden ganz unbe— ſorgt, ich werde mich ſo ungeſchickt dabei anſtellen, daß gewiß Nie— mand den Unterſchied unſerer beiderſeitigen Stände merken ſoll.“ 109. Nach dem Mordverſuche Alibauds gegen Louis Philipp fragte Je— mand ſeinen Nachbar: „Wiſſen Sie auch, worin der Unterſchied zwi— ſchen Alibaud und Wilhelm Tell beſteht?“ Auf die verneinende Antwort erfolgte die Erklärung: „Wilhelm Tell ſchoß nach einem Apfel, Alibaud aber nach einer Birne.“ 110. In Ravensburg in Oberſchwaben trug es ſich einſt zu, daß bei der erwarteten Ankunft des Königs eine Schildwache vor die Stadt mit dem Auftrag poſtirt wurde, das Gewehr abzuſchießen, ſobald der 101 König ſich nahe. Nach Verlauf mehrerer vergeblich geharrter Stun— den, ging der Poſten nach der Stadt zurück, ſchoß jedoch das Gewehr ab, um es zu entladen. Der Schuß wurde indeß für das verabredete Signal gehalten, in Folge deſſen der Bürgermeiſter an der Spitze einer Deputation an das Thor eilte. Als ſich das Mißverſtändniß aufklärte, waren die Herren, welche ſich für gefoppt hielten, nicht we— nig entrüſtet, und der Vorpoſten wurde verhaftet und ihm der Proceß gemacht. Der Spruch, der ihn zu einer Buße verurtheilte, lautete: wegen verfälſchter Majeſtätsnähe. 111. In demſelben Lande werden jährlich im Frühjahr aus dem Haupt- geſtüte die Beſchälhengſte auf die Landgeſtüte vertheilt. Jedem Hengſt wird eine genaue Geſtalts bezeichnung mitgegeben, und der— felbe der Aufſicht der darüber Angeſtellten empfohlen. Nun trug es ſich einmal zu, daß ein Copiſt, welcher dieſe Begleitſchreiben auszu— fertigen hatte, in dem Eingang derſelben ſtatt der Worte: „Der unten bezeichnete Hengſt,“ aus Nachläſſigkeit ſetzte: „der unterzeich— nete Hengſt.“ Der Direktor, dem dieſelben zur Unterſchrift vorgelegt wurden, bemerkte den Fehler nicht, ſondern unterzeichnete ſämmtlich mit ſeinem Namen. Erſt als dieſe Schreiben in den verſchiedenen Orten eintrafen, ward man darauf aufmerkſam, worauf dieſelben alsbald umgetauſcht wurden. 112. An einem Orte, in welchem ein Dragoner-Regiment garni— ſonirte, gab eine reiſende Schauſpielertruppe Agnes Bernauerin. Da aber die Garderobe der Geſellſchaft auf altdeutſche Stücke eigent— lich nicht eingerichtet war, und es namentlich an Ritterhandſchuhen fehlte, ſo erhielt der Zettelträger und Requiſiteur der Geſellſchaft, welcher zugleich die zweiten Liebhaber auf dem Theater, und außer demſelben bei der die Agnes repräſentirenden Prima Donna, zum 102 Aerger feiner Herren Collegen, den erſten Liebhaber ſpielte, den Auf⸗ trag, ein Paar Stolphandſchuhe — wie ſie vor dieſem bei der Ca— vallerie getragen wurden — für den Herzog Albrecht von Baiern zu beſorgen. Es gelang ihm auch, dieſe von einem Unteroffizier geliehen zu bekommen, der ihm jedoch einſchärfte, genau darauf zu achten, daß ſie nicht beſchädigt würden, oder wohl gar abhanden kämen, wozu er ſich auf das Gewiſſenhafteſte verpflichtete, und ſeinem Verſprechen getreu nachzukommen, den Abend, während der Vorſtellung, die Handſchuhe ſtets im Auge behielt. Seine Aufmerkſamkeit erſtreckte ſich fogar fo weit, daß, als in der Scene, wo die Höflinge das Ver— hältniß zwiſchen Agnes und dem Herzog Albrecht beſpötteln, und dieſer entrüſtet in die Worte ausbricht: „Sie iſt rein! ſie iſt eine Jungfrau! ich habe ſie nie berührt! Wer das Gegentheil behauptet, der hebe meinen Handſchuh auf!“ der beſorgte Liebbaber Agneſens nichts Eiligeres zu thun hatte, als den hingeworfenen Dragoner— handſchuh wirklich aufzunehmen, worüber das Publikum um ſo mehr jubelte, da ſein Verhältniß zu der Baderstochter allgemein be— kannt war. 113. Ein ähnlicher Vorfall, bei welchem die Prima Donna einer am— bulanten Bühne auf eine drollige Art compromittirt wurde, trug ſich un zu. Dort wurde die Zauberin Sidonia aufgeführt. Als nun Sidonia vom Abt Gregorius der Zauberei und Giftmi— ſcherei beſchuldigt, vor dem geiſtlichen Gericht ſteht, und der Präſi— dent nebſt den Mitgliedern das furchtbare: „Sie iſt ſchuldig!“ ausſprechen, befindet ſich auch ein Kuchenbäcker als Zuſchauer im Parterre, der auf einmal laut ausrief: „Ja, meine Herren, ſie iſt viel ſchuldig! Ich bekomme allein einen Thaler vier gute Groſchen für Aepfelkuchen von ihr. 103 114. Ein Bürgersmann in einer kleinen Stadt, pflegte alle Jahre ein Schwein zu ſchlachten. Da es aber die Gewohnheit mit ſich bringt, an ſeine Freunde und Nachbarn Würſte zu ſchicken, und da er von vielen Leuten mit Würſten beſchenkt worden, ſo war er in Verlegen— heit, ſie alle wieder zu beſchenken, weil er nur ein Schwein zu ſchlach— ten pflegte, und dieſes nicht hinreichte. Er fragte daher ſeinen Nach— bar um Rath, dieſer ſagte, wenn er in ſeiner Stelle wäre, würde er ſein Schwein außen vor das Fenſter hängen, ſo daß es jeder ſehen könnte, und am andern Tage würde er alsdann zu Jedermann ſagen, daß man ihm fein Schwein geſtohlen hätte. Man würde dieſes leicht glauben, und auf dieſe Weiſe würde er auf einmal von der Verbind— lichkeit, ſeine Würſte zu verſchenken, frei ſein. Der Bürger nahm dieſen Rath an, und hing ſein Schwein zum Fenſter hinaus. In der Nacht kam eben der, welcher ihm dieſen Rath gegeben hatte, und nahm das Schwein weg. Der Bürger erſchrak ſehr, als er am folgen— den Morgen fand, daß ſein Schwein geſtohlen worden. Er klagte es ſofort ſeinem Nachbar. Gut, antwortete der Nachbar, das iſt recht, ſo müſſet ihr ſagen. Ei was? erwiederte dieſer, es iſt mein wahrer Ernſt, man hat es mir wirklich geſtohlen. Ja, ja, verſetzte der an— dere, das müſſet ihr feſt behaupten, und ſo wird es euch ein Jeder gewiß glauben. Der Bürger ſchwur, und vermaß ſich, daß es wahr ſei; je mehr er es aber that, deſto öfter ſagte der andere, daß er Recht habe, und nichts anderes ſagen ſolle. 115. Ein Edelmann begegnete einem Bauer, und fragte ihn, wo er hingehe? Was weiß ich es, antwortete der Bauer. Der Edelmann, der ſich über dieſe impertinente Antwort des Bauers ärgerte, ſagte: Ich will dich gleich lehren, höflicher mit mir zu reden. Er ließ ihn durch ſeine Leute greifen, und nach dem Gefängniſſe bringen. Mein 104 Herr, ſagte hierauf der Bauer, ſehen Sie wohl, daß ich Ihnen recht geantwortet habe; denn ich kann ſchwören, ich wußte nicht, daß ich in das Gefängniß gehen würde. Dem Edelmann gefiel dieſe Antwort, und ließ ihn wieder frei. 8 116. Ein Dachdecker fiel in Flandern von dem Dache eines Hauſes auf einen Spanier, und tödtete ihn, ob er gleich ſelbſt beim Leben blieb. Ein Anverwandter des Verſtorbenen verklagte den Dachdecker bei dem Richter, und verlangte, daß der Tod gerächet würde. Da dieſer Vorfall ſich von ohngefähr zugetragen, und der Anverwandte des Verſtorbenen auf dem Wiedervergeltungsrechte beſtand, ſo ent— ſchied der Richter die Sache folgendergeſtalt: Daß der Kläger auf das Dach des Hauſes gehen, und von da auf den Beklagten herunter fallen ſollte. 117. Ein Prieſter wollte eine Catechiſation mit den Kindern in der Kirche anſtellen. An demſelben Nachmittage war er in einer Geſell— ſchaft beim Kartenſpiele. Sein Spiel, in welchem er im Vortheile war, war noch nicht zu Ende, als eben zur Catechiſation eingeläutet wurde, und er alſo aufſtehen mußte. Weil er aber beſorgte, man möchte ſeine Karten in ſeiner Abweſenheit verwechſeln, ſo ſteckte er ſie in ſeine Aermel. Als er einen Jungen fragte, wie viele Gebote wären? und derſelbe nicht ſogleich antworten konnte, focht der Prieſter mit ſeiner Hand ein wenig zu ſtark, fo daß eine Karte aus dem Wer- mel fiel. Er behielt ſo viele Gegenwart des Geiſtes, daß er rief: Da, Junge, nimm die Karte auf, wie heißt ſie? Schellen-Unter, rief der Bube. Darauf wendete ſich der Prieſter zu den Eltern dieſes Kindes, und ſagte: Solltet ihr euch nicht ſchämen, daß ihr eine ſo ſchlechte Sorgfalt für das ewige Wohl eurer Kinder habet, und ſie 105 nicht einmal die Gebote lehret? Ich hatte euch ſchon wegen dieſer Nachläſſigkeit im Verdachte, und brachte deßwegen dieſe Karte mit, um eure Gottloſigkeit zu entdecken, daß ihr die Kinder eher die Karten, als ihre Gebote, kennen lehret. 118. Wilks, der berühmte Schauſpieler in England, wurde in einer Tragödie ermordet. Da er aber einen ſtarken Huſten hatte, ſo konnte er ſich deſſelben nicht enthalten, als er todt auf dem Theater lag. Die meiſten Zuſchauer brachen hierüber in ein Gelächter aus. Er richtete den Kopf auf, und ſagte: Nun trifft ein, was meine Mutter mir prophezeihte, welche von mir ſagte, daß ich noch im Grabe huſten würde, weil ich bei der Suppe zu trinken pflegte. Dieſes erregte ein allgemeines Händeklatſchen, und machte den vorher begangenen Fehler wieder gut. 119. In Paris ritt einmal ein lahmer Menſch auf der Straße, und als er vor einer Schweizerwache vorbei kam, warf ihn das Pferd ab, und lief davon. Der arme Menſch, welcher ſich nicht ſelbſt aufrichten konnte, ſchrie um Hülfe. Die Schweizer eilten herbei, und hoben ihn auf. Da ſie ſahen, daß er hinkte, glaubten ſie, er hätte von dem Falle Schaden gelitten. Sie legten ihn daher wider ſeinen Willen lang auf die Erde, zogen ihm die Stiefeln und Strümpfe aus, um zu ſehen, wo er Schaden genommen; und da ſie keine Bleſſuren entdeck— ten, bildeten ſie ſich ein, daß das Bein verrenket worden, und zogen deswegen gewaltig an den Füßen, wodurch ſie ihm mehr Schmerzen zufügten, als er von dem Falle erlitten hatte. Er ſchrie, daß er ſich nichts beſchädigt habe, und von Natur lahm ſei. Aber das half nichts. Da die Schweizer ſeine Sprache nicht verſtanden, ſondern glaubten, daß ſein Schreien nur noch bekräftige, daß er am Beine beſchädigt ſei, ſo zogen ſie ihn immer mehr an den Füßen, und hätten ihn ganz 106 zu Schanden gemacht, wenn nicht das zugelaufene Volk ihn aus den Händen dieſer barmherzigen Peiniger befreit hätte. . 120. Zwei Pfarrer wurden von ihren Gemeinden bei dem Erzbiſchofe angeklagt, daß ſie ſich junge Mägde hielten. Dieſer ſchickte einen Offizial, der etwas alt, und von ſchwachem Verſtande war, zu ihnen, um die Sache zu unterſuchen. Als dieſer zu dem einen Pfarrer kam, ſagte er ihm frei heraus, warum er gekommen ſei. Mein Herr, ſagte dieſer Pfarrer, es ſcheint, daß Sie mich für einen Andern nehmen; denn ich verſichere Sie heilig, daß meine Magd fünfzig Jahre auf ihrem Kopfe hat. Dieſes war in ſo weit wahr, daß der Pfarrer einen Zettel, worauf fünfzig Jahre geſchrieben waren, der Magd auf den Kopf geheftet hatte. Der Offizial hielt dieſe Ausſage, ohne ſich die Magd ſelbſt zeigen zu laſſen, für die reine Wahrheit. Er reiſ'te da— her zu dem andern, welchem er ebenfalls die Urſache ſeiner Reiſe ſo— fort entdeckte. Derſelbe ſagte, daß ſeine Angabe grundfalſch ſei, und ſchwur auf ſeine Ehre, daß ſeine Magd ſo alt ſei, wie ein altes Pferd. Der Offizial kehrte nun zurück, und überbrachte dem Erzbi— ſchofe dieſe Antworten. Der Prälat merkte ſofort den Betrug, als der Offizial bekannte, daß er die Mägde ſelbſt nicht geſehen habe. Er warf ihm ſeine Unwiſſenheit vor, indem es wahrſcheinlich ſei, daß der erſte Pfarrer einen Zettel mit fünfzig Jahren ſeiner Magd an den Kopf geheftet habe; und was den andern betraf, ſo wurde der Offi— zial ſehr beſchämt, als der Erzbiſchof ihm ſagen mußte, daß ein Pferd im achtzehnten Jahre ſchon alt genannt werde, dahingegen ein Mäd— chen von ſolchem Alter noch jung genug ſei. 121. Ein Advokat machte auf ſeinem Krankenbette ein Teſtament und verſchrieb ſein ganzes Vermögen lauter Narren und unſinnigen Leu⸗ 107 ten: Denn, fagte er, von ſolchen habe ich es bekommen, und ſolchen will ich es auch wieder geben. 7 122. E in Mann hatte ein böſes Weib. Er war jedoch ſo gefällig ge— gen ſie, daß er ihr ein ſchönes Pferd kaufte, welches ſie zu haben wünſchte. Sie wurde aber einſtmals von demſelben heruntergeſchmiſ— ſen, daß ſie das Genick brach. Ein Freund, des auf ſolche Art von ſeiner Xantippe befreiten Mannes hatte auch eine Frau von gleichem Schlage, und bat ihn daher, ihm dieſes Pferd abzulaſſen, und ver— ſprach ihm, ſo viel, als er nur haben wolle, dafür zu geben. Aber der Mann gab ihm dieſe zweideutige Antwort: Nein, ich verkaufe mein Pferd nicht; denn ich weiß noch nicht, ob ich etwa wieder hei— rathen möchte. 123. Ein Dieb kam in ein Haus, wo viele junge Leute wohnten. Er fand in einer Stube drei Mäntel liegen, und nahm ſie weg. Als er die Treppe geſchwind hinunterging, begegnete ihm ein Advocat, der von einer Reiſe nach Hauſe kam, und ebenfalls im Hauſe wohnte. Dieſer hatte einen ſchönen Mantel mit ſammtenen Aufſchlägen um, und fragte den Dieb, wo er mit den Mänteln hinwollte? Dieſer ant— wortete: Sie gehören drei Herren in dieſem Hauſe, welche ſie mir gegeben haben, um die Fettflecke auszumachen. So nehmt meinen auch, ſagte der Advocat, und machet die Flecke aus; bringt ihn aber ja in drei Stunden wieder. Ganz wohl, mein Herr, antwortete der Dieb, welcher des Advocaten Mantel nahm, und ihn jo wenig, wie — die drei andern, wieder brachte. 124. Ein Cavalier, der in einem Gaſthofe wohnte, beſtellte fic) ein Abendeſſen, und verlangte, daß der Wirth mit ihm ſpeiſen ſollte. 108 Diefer kam, nachdem der Tiſch gedeckt worden, zu ihm herauf, und da er ſich bei ſeinem Gaſte recht emſig und accurat bezeigen wollte ſtellte er ſich', als wenn der Tiſch nicht recht gedeckt worden, nahm daz her Schüſſeln, Meſſer und Gabeln, und warf ſie zur Treppe hinunter. Der Cavalier wollte kein Spielverderber ſein, nahm daher die Bou— teillen und Gläſer, und warf ſie auch zur Treppe hinunter. Der Wirth wunderte ſich, und fragte um die Urſache. Weil ich ſah, ant— wortete der Cavalier, daß Ihr die Schüſſeln und Meſſer die Treppen hinunter warft, ſo dachte ich, daß wir unten ſpeiſen wollten. 125. Ein junger Menſch ritt einen gähen Hügel herunter, und da er fürchtete, daß es an dem Fuße deſſelben moraſtig ſein möchte, ſo fragte er einen Bauer, welcher arbeitete, ob es im Grunde feſt ſei? O! ja, antwortete der Bauer, es iſt feſt genug im Grunde, ich ſtehe euch dafür. Als aber der Reiter hinunter kam, ſank das Pferd bis an den Sattel in den Moraſt. Er peitſchte, ſpornte, fluchte und wetterte. Sagteſt du Schelm nicht, daß es im Grunde feſt ſei? Ei ja, antwortete der Bauer, aber ihr ſeid noch lange nicht auf dem Grund. 126. Am 13. September 1784 gebar die Erbprinzeſſin von Baden einen Sohn, der in der Taufe den Namen Carl Friedrich erhielt. Bei Hofe und in der Stadt hielt man feierliche Dank-Gottesdienſte, jenen der Kirchenrath Walz, dieſen der Hofprediger Mauritti. Der Letztere fing ſeine Feſtrede mit einem Gebet an, in welchem die Stelle vorkam: „Mit unſern Sünden hatten wir freilich dieſe Wohlthat nicht verdient“ und der Schluß lautete: „Unſere Nachläſſigkeit in Beſuchung des öffentlichen Gottesdienſtes hätte verdient, daß du, o Gott! das ganze fürſtliche Haus hätteſt ausſterben laſſen.“ - 109 127. Ein fetter Biſchof in England fag einſt neben eilf andern Geiſt— lichen an der Tafel, als man ihm einen armen Landvikar meldete. Der Biſchof ließ ihn eintreten, rief ihn an ſeinen Stuhl, fragte ihn Verſchiedenes, und wollte ihn dann beurlauben, als einer der Gäſte fragte: was es in ſeinem Dorfe Neues gebe? — Nichts, antwortete der Vikar, als daß geſtern eine Sau dreizehn Junge geworfen hat. „Das iſt nicht möglich,“ verſetzte ein Anderer, — „denn eine Sau hat nur zwölf Zitzen, wie macht es denn das dreizehnte?“ „Es macht es wie ich, Hochwürdiger Herr!“ antwortete der Gefragte, — „es ſieht zu, indeſſen die andern freſſen und ſaufen.“ — Der Biſchof fühlte den Stich, und hieß den Landgeiſtlichen Platz an der Tafel nehmen. ; 128. Grimorins Eheſtand. Seine Ehe war vielleicht die merk— würdigſte, welche je noch geführt und geſchloſſen wurde. Man könnte ſie eine Ehewoche nennen. Er erhielt am Sonnabend Diſpenſation, ſeine Nichte zu heirathen. Tags darauf wurden beide in der Kirche aufgeboten, am Montag war feierliches Verlöbniß, Dienſtag Hochzeit, Mittwoch kam die junge Frau in die Wochen und das Kind wurde getauft. Sie wird krank und erhält Donnerſtag die letzte Oelung. Freitag ſtirbt ſie und wird Tags darauf begraben. Ihr Mann ſchrieb in ſein Tagebuch: Die merkwürdigſte Woche meines Lebens. Dies geſchah zu Coudebek im Jahre 1710.) 129. Ein gar großer Hundefreund war der bekannte Jeſuit P. Mai— burg. Dieſer nahm allenthalben, ſogar in Predigten, Gelegenheit von Hunden zu ſprechen. So predigte er auch einſt über das Evan— gelium vom guten Hirten, kam auf den König David, deſſen Hund 110 den er genau beſchrieb, und endlich auf die Hunde insgemein. Dies gab ihm Veranlaſſung, ſeine Predigt in vier Theile zu ordnen, nach den vier Gattungen von Hunden. Die erſte Gattung war, die eng— liſchen Doggen; die andere, die Bauernhunde, die dritte, die kleinen zottigen Hunde mit kurzen Naſen; die vierte, die guten Hunde. Von allen machte er eine Anwendung auf verſchiedene Arten von Predigern. Die engliſchen Doggen, waren die Janſeniſten, die Bauernhunde die Prediger, welche ſich nichts zu ſagen getrauten, die zottigen Hunde, die Hofäbte, die er nach Kleidung und Geberden ganz genau beſchrieb: „Sie rühmen ſich, ſagte er, Löwen, bellen, kläffen und lärmen, und es iſt nichts dahinter. Die guten Hunde aber, waren die Jeſuiten, wie man leicht denken wird. Die Predigt war ſo erbaulich, daß die ehrwürdigen Patres, welche dieſelbe voll Verwunderung anhörten, ſich ſelbſt des lauteſten Lachens nicht enthalten konnten. 130. Ein Mönch, der eine Wallfahrt zum heiligen Grabe gemacht hatte, war unverſchämt genug, die Hörner Moſis, in einer Flaſche einen Hauch des Heilandes und einige Thränen der heiligen Magda— lena als mitgebrachte Reliquien vorzuzeigen. Da man ſie als ſolche nicht gelten laſſen wollte, ſagte er: „Nun gut, ſo werde ich auch die Milch aus den Brüſten der Mutter Gottes, die man zu Genua ver— ehrt, nicht für ächt anerkennen.“ 131. In einem Dorfe bei Hildesheim hatte ſeit dem Tode des Pfar— rers ein Mönch die Pfarrdienſte verſehen. Er erhielt die volle Zu— neigung der Bauern, aber nicht durch Lehre und Leben, ſondern durch Branntwein, womit er ſie zuweilen traktirte. Hievon begeiſtert, baten ſie den Fürſt-Biſchof, ihnen dieſen Ehrenmann zum Pfarrer zu geben und ſetzten die Drohung bei: „wenn es nicht geſchehe, ſeien ſie entſchloſſen, ſammt und ſonders lutheriſch zu werden.“ 111 132. Ein hamburgiſcher Stadtphyſikus, Paul Marquardt Schlegel, wollte einſt einen Cadaver feciren, bekam aber unverhofft von dem— ſelben eine derbe Maulſchelle, indem der Todtgeglaubte bei der erſten Verwundung zum Leben zurückkehrte. Der Phyſikus war über dies Ereigniß ſo alterirt, daß er in ein gefährliches Fieber fiel, und bald darauf ſtarb. 133. Ein Mailänder hatte ſich dem Spiele ſo leidenſchaftlich ergeben, daß er ſein ganzes Vermögen demſelben aufopferte. Nichts blieb ihm als ein Meierhof, auf welchem er aber auch nicht ruhig leben konnte. Einzeln verſpielte er die dazu gehörigen Grundſtücke, die Ziegel und Balken des Hauſes, wurde bettelarm, und verfiel in die höchſte Schwermuth. In derſelben machte er ein Teſtament, und da er über nichts mebr zu gebieten, nichts mehr der Welt zu vermachen hatte, diſponirte er über ſeinen Körper, und befahl, man ſolle nach ſeinem Tode demſelben die Haut abziehen, und mit demſelben ein Brettſpiel ſäuberlich überziehen, ſeine Knochen aber ſolle man zu Würfeln ver— arbeiten, und dieſelben an Spieler verſchenken. 134. Zwei junge Geſellen buhlten einſtmals um eine reiche Jungfrau, welche dem einen, der ein reicher Kaufmann war, zu Theil ward, und zwar wider ihren Willen. Um ein Jahr in Kindesnöthen, fällt die Frau in tödtliche Ohnmacht, wird auch wirklich für todt gehalten und innerhalb vier und zwanzig Stunden begraben. Der andere alte Liebhaber, ein Apotheker, konnte ihrer noch nicht vergeſſen, bere— dete den Leichengräber, daß er ihm das Grab öffnen möge, er wolle ſie gern noch einmal ſehen. Da küſſet er ſie mit vielen Thränen, und merkt, daß noch Athem in derſelben, beſtreichet ſie mit Balſam und 112 kräftigen Spiritibus, und fie erholt ſich. Darauf führt er ſie im Sterbehemde zu ihres Mannes Haus. Der erſchrickt über ihre Anſicht, und ſtirbt den folgenden Tag. Da bekommt ſie der Apotheker. 135. Es wollte ein Gaskonier einſt mit dem Packet-Boote nach Eng- land reiſen, er kam aber zu ſpät in Calais an, und mußte ſich durch einen Schiffer-Nachen nachfahren laſſen. Er holte es in ein paar Stunden ein, und da in der Zeit die Nacht eingebrochen war, ſo klet— terte er am Bord in die Höhe, ohne daß man den Nachen, der ſich wieder fortmachte, gewahr ward. Es hatte ſtark geregnet, und der Gaskonier war durch nnd durch naß. Er ging gerade nach der Cajüte, und als man ihn fragte, wo er herkäme und wie er ſo naß geworden wäre, ſo antwortete er: Was Teufel, ſoll ich nicht naß geworden ſein, da ich euch von Calais habe nachſchwimmen müſſen! Die Paſſagiere ſahen einander an! Ein engliſcher Herr fragte ihn endlich, ob er denn wirklich ein ſo außerordentlicher Schwimmer ſei, und ob es wahr wäre, was er ſagte? Ja freilich es iſt mir ſauer genug geworden, um Sie einzuholen, antwortete der Gaskonier. Er fragte ihn weiter, ob er wohl, wenn ſie nach London kämen, mit einem Mohren, den man in ganz England für den größten Schwimmer hielte, und mit dem ſein Herr ſchon große Summen gewonnen hätte, um die Wette ſchwim— men wollte? O ja, ſagte der Gaskonier, warum nicht, mir muß keiner gleich kommen. Sie machten darauf ihren Handel mit einander rich— tig, und als ſie nach England kamen, ſo wurde die Wette verabredet. Der Mohr und der Gaskonier erſchienen, nebſt vielen vornehmen Herren, die auf ſie gewettet hatten, am Ufer des Meeres, und ſie ſollten eben die Kleider ablegen, als der Mohr den Gaskonier immer von der Seite anſah, bei welchem er einen Kaſten gewahr wurde, und ihn daher fragte, was er denn mit dem Kaſten, den er unter dem Arm hätte, machen wollte? Mein Freund, antwortete der Gaskonier, ich habe Lebensmittel darinnen, und ich wollte dich eben fragen, ob du 113, dich nicht auch damit zur Reiſe verſehen hätteſt; denn ich ſchwimme gerade nach Gibraltar. Als der Mohr das hörte, ging er zu ſeinem Herrn und ſagte ihm, er möchte ſeine Wette nur verloren geben, denn mit dem Kerl möchte der Teufel um die Wette ſchwimmen. 136. Haben Ste ſonſt noch etwas auf Ihrem Gewiſſen, liebe Tochter? fragte einmal ein Franziskaner zu Halberffadt ein bei ihm beichten— des Frauenzimmer. „Nein, nicht das Geringſte.“ Spüren Sie nicht eine beſondere Neigung zu irgend einer Sünde, oder haben Sie ſich wohl gar eine Lieblings-Sünde vorzuwerfen?“ Das Fräulein fing an zu weinen und fagte: „Ach ja, ich bin leider ſehr ſtolz und hoch— müthig.“ — „So? — aber ſind Sie reich?“ — „Im Gegentheil, un— ſer Haus iſt ſehr arm.“ — „Nun, meine Tochter, dann ſeien Sie wegen Ihres Stolzes und Hochmuths ganz außer Sorgen, ſie werden ſich von ſelbſt geben.“ 137. Zu Neiſſe in Schleſien wurde im Jahre 1624 ein Jude wegen Falſchmünzens an beiden Beinen aufgehängt, ſo, daß der Kopf zur Erde ſah. Zur Geſellſchaft gab man ihm ein paar Hunde, die ihn tüchtig zauſ'ten. Um dieſer Plackerei ein Ende zu machen, erklärte er gegen Abend: er habe ſich entſchloſſen, ein Chriſt zu werden, und gleich waren die Jeſuiten bei der Hand, um ihn in die allein ſelig machende römiſch katholiſche Kirche aufzunehmen. Auf ihr Vorwort ließ die Obrigkeit den Gehenkten abnehmen; man führte ihn in ſein Gefängniß zurück, labte und kurirte ihn, und als er geneſen war, wurde das neue würdige Glied der chriſtlichen Kirche öffentlich und feierlich getauft. Somit hatte alle Fehde ein Ende. 138. Ganz im Geſchmacke des I7ten Jahrhunderts äußerte ſich ein Prediger damals, als an einem gewiſſen Hofe die Diener ihn baten, Bibl. d. Frohſinns. III. 8 114 N er ſolle doch ſeine Predigt kurz machen, weil es eben Faſtnacht ſei. Dieſer, als er auf die Kanzel kam, erzählte, was ihm angeſonnen ſei, und fügte hinzu: „Gehet hin, ihr Verfluchten! das iſt ja kurz genug, wollt ihr aber lange Bratwürſte dabei haben, ſo nehmet ſie hin in das ewige Feuer, da habt ihr Zeit genug, dieſelben zu braten.“ 139, Ich hörte einſt, — erzählte C. Heres bach, auf der Kanzel einen Mönch gegen die Sprachen eifern, und ſagte ganz unbefangen: „Da iſt eine neue Sprache erfunden worden, heißt die Griechiſche; vor der hütet euch! Sie iſt die Gebärerin aller Ketzereien. Es giebt in dieſer Sprache ein Buch, hie und da wird's angetroffen, das heißt das neue Teſtament. Ein Buch voll Dornen und Diſteln. Jetzt entſteht wieder eine Sprache, die Hebräiſche. Wer dieſelbe lernt, wird ein Jude. 140. Ein Bauer ſollte einem Advokaten Krebſe bringen. Der Bauer war erſchöpft und ſetzte ſich auf einem Raſenplatze nieder. Er ſchlief ein und fein Kober lag neben ihm. Wie erſchrak er, als er erwachte! Die Gefangenen hatten den Kober eröffnet und ſich frei gemacht. Mit großer Herzensangſt trug er den Brief, ohne die Krebſe, zu dem Advokaten. Dieſer las und las wieder und ſagte endlich zu dem Bauer: Aber, mein Freund, hier ſind ja Krebſe im Briefe! Ei! ſagte der Bauer, das iſt mir recht lieb, daß ſie in dem Briefe ſind! Aus dem Kober waren ſie mir auf dem Wege bei meiner armen Seele alle mit einander fortgelaufen! 141. Der berühmte Doktor St. wurde zu einem Blatterkranken geru- fen. St. tritt in das Krankenzimmer. Es ſchlägt ihm aus demſelben eine glühende Hitze entgegen, und in dieſer liegt das Blatterkind, ganz ſchwarz wie Ruß hinter dem glühenden Ofen. St., welcher ſehr 115 leicht ſatyriſch werden konnte, findet den Kranken bei diefer Behand— lung unrettbar verloren. Er ſagt: „Da kann ich Euch weiter keinen Rath geben, als dieſen: Habet Ihr das Kind auf der einen Seite hinlänglich gebraten, ſo wendet daſſelbe um und bratet es auch auf der andern Seite!“ Nach einigen Monaten ſitzt St. in L. ſehr eifrig über einer literariſchen Arbeit. Man klopfet an ſeine Zim— merthür, und es tritt ein Landmann zu derſelben herein, wel— cher dem Doktor große Dankſagungen macht, und dabei ein Geld— ſtück in ſeine Hand drückt. St. kann ſich nicht entſinnen, ihn zu ken— nen, oder für ihn etwas gethan zu haben. Da berichtet er dem Dok— tor: „Er ſei der Unterthan des Herrn von K. in S., deſſen Sohn er als Pockenkranken erſt kürzlich behandelt habe. Man habe auf ſeinen gütigen Rath das Kind herum gelegt, und immerfort tüchtig einge— heizet. Da ſei es mit jedem Augenblicke mit dem Kranken beſſer ge— worden, und jetzt ſei ſein einziges Pflänzchen friſch und geſund, und ſpringe wie ein Böckchen. Belohnen könne er freilich das nicht, was der Doktor an ihm und ſeiner Familie gethan habe; doch wolle er we— nigſtens ſeinen guten Willen zeigen.“ Freudenthränen glänzten bei dieſen Worten in den Augen des Landmannes, und der Doktor zer— borſt faſt vor Lachen. Er erzählte dieſe Anekdote oft als einen Be— weis, wie ein Arzt zuweilen auch dadurch, daß er nichts gethan habe, in einen großen Ruf kommen könne. Ve 142 Ein Arzt hatte einen Kranken zu behandeln, welcher in dem Wahne ſtand: es ſei ein Neſt von jungen Sperlingen in ſeinem Kopfe. Er bemerkte bald, daß dieſe Vorſtellung zur fixen Idee geworden ſei, und anſtatt dieſelbe zu beſtreiten, gab er ihm zu, daß dieſes aller— dings möglich ſei, und erzählte mehrere Beiſpiele, daß ganz kleine Vögel, z. B. Kolibris, ſchon oft ihre Neſter in den Schädeln leben— diger Menſchen angelegt hätten. Der Kranke war ſehr froh, endlich 8 * Coe” ThA > einen vernünftigen Arzt gefunden zu haben, welcher in feine Bor- ſtellungen einging, die immer bisher von den Aerzten verlacht worden waren. Der Arzt überzeugte ſich immer mehr von der Richtigkeit der Sache, und der junge Hypochonder triumphirte nun über ſeine nted- liche Gattin, welche ſeinen Behauptungen ſo oft widerſprochen hatte. Endlich entſchloß ſich der Arzt zu einer Operation, weil zu vermuthen ſtehe, daß die jungen Sperlinge nun flügge ſeien, und ſo den Kran— ken durch ihr Ausfliegen am ſchnellſten von ſeinen Leiden befreien könnten. Nach vielen Vorbereitungen ward ein Einſchnitt am Hinter⸗ kopfe gemacht; jetzt ließ der Arzt einen flüggen Sperling fliegen, welchen er verborgen gehalten hatte. Es folgten Mehrere, und der Kranke war nun von ſeinem Kopfweh befreit, welches denſelben in der letzten Zeit oft bis zum Wahnſinne gepeiniget hatte. 143. Ein Paar Zwillingsbrüder, Fritz und Karl, die einander ſo ähn— lich waren, daß ſie ſelbſt von ihren Eltern oft verwechſelt wurden, machten eine Reiſe durch Deutſchland, durch die Schweiz und durch Italien mit einander, In Zürich gefiel es ihnen ſo ſehr, daß ſie be— ſchloſſen, länger hier zu verweilen. Sie waren Beide ſehr heiter, und erlebten, durch ihre Aehnlichkeit, manches freundliche Abentheuer. Ihre Bärte waren zur Ungebühr lang geworden, und der Eine von den Brüdern wartete an den Fenſter des Zimmers auf einen Bartab— nehmer. Er gewahrte endlich einen Scheerer, winkte denſelben hinauf, und veranlaßte ſeinen Zwillingsbruder in die anſtoßende Schlafkam— mer zu gehen, und ſich dort ganz ruhig zu verhalten. Der Barbierer trat herein, Fritz ſetzte ſich, der Bart war ſchnell und gut abgenom- men, und nun ging Fritz mit der Serviette in die Kammer, als wenn er Geld holen wollte. Der Barbierer hatte indeſſen fein Barbierzeug zuſammengepackt, und ging dem Geſchorenen mit einer krummen Hand entgegen, um das Geld zu empfangen. Wie erſchrak er, als Fritz mit . U : a 117 e demſelben Barte, welchen er ſo eben abgenommen hatte, wieder vor ihm ſaß, und verwundernd, mit derſelben Stimme, welche ſehr aus— gezeichnet war, fragte: Nun, wollen Sie mich denn nicht barbieren? Ich habe Sie ja ſchon barbiert, (ſprach der Barbierer jetzt mit zittern— der Stimme). Sie ſind wohl nicht recht bei Sinnen, donnerte der Fremde ihn an! Aengſtlich und zagend ſeifte der arme Barbiererge— ſelle denſelben Bart mit allen den kleinen Abzeichen ein, welche ein Bartſcheerer ſo leicht zu bemerken Gelegenheit hat; es waren ohne Zweifel dieſelben Augen und Augenbrauen. Auch die etwas über den Mund herabhängende Naſe mußte, wie vorher, mit den Fingerſpitzen ein wenig in die Höhe gehoben werden. An dem Kinne war daſſelbe Wärzchen, und auf der Mitte der Stirne daſſelbe Leberfleckchen, welche ihm vorhin aufgefallen waren. Mit Angſt und Noth ward er fertig, ohne den lächelnden Karl geſchnitten zu haben. Eben dieſes ſarka— ſtiſche Lächeln war ihm ſchon vorher aufgefallen, und er fürchtete, er werde dem Hexenmeiſter heute wohl den ganzen Tag den Bart putzen müſſen, und derſelbe könne auch wohl ſogar unter ſeinem Meſſer ſo— gleich wieder wachſen. Ein ſolches ſchnelles Wachsthum der Bart— haare, wie er es eben erlebt hatte, konnte, nach ſeiner Meinung, gar nicht natürlich zugehen; er entfernte ſich ſo ſchnell als möglich, und war auf keine Weiſe dazu zu bereden, einen Heller für die Abnahme der beiden Bärte anzunehmen. 144. Ein Bauer hatte einen ſehr leichten Dukaten. Vergeblich hatte er ſchon oft geſucht, denſelben los zu werden. Einſt hatte er in der damals gerade ſehr theuern Zeit ſehr viel Geld für ſeine Frucht ge— löſet, und machte daher auch einen ſtarken Einkauf für ſeine Bedürf— niſſe in einem Kramladen. Er ſuchte dabei den leichten Dukaten los zu werden; allein der pſiffige Ladendiener erklärte dem Bauer rund heraus: dieſer Dukaten ſei ſo ſchlecht, daß er ihn gar nicht brauchen könne. Nachdem der Bauer nach vielem Druchſen mit anderem Gelde 1168 die ausgeſuchte Waare bezahlt hatte, wurde er zuletzt noch von ſeinem Söhnlein Hänschen daran erinnert, daß er ſeiner Mutter gelobet habe, den fatalen Dukaten nicht wieder in das Haus zu bringen. Dieſes Gelübdes ſich jetzt wieder erinnernd, erſuchte nun der alte Hans den Ladendiener recht freundlich, den Dukaten zu wiegen und zu wechſeln. Der Diener holte die Goldwage, legte einen Carolin in das eine und den beſchnittenen Dukaten in das andere Wagſchäl⸗ chen derſelben, und fand den Beſchnittenen ſechs und ſiebenzig Aß zu leicht; da man nun auf ein Aß Gold einen Groſchen rechne, ſo thue er ſein Möglichſtes, wenn er den Dukaten unter der Bedingung nehme, daß ihm Hans noch drei gute Groſchen zugebe. Ja, er habe eigent- lich noch einen Groſchen Schaden dabei; doch wolle er es, aus alter Bekanntſchaft, und weil Hans immer bei ihm kaufe, nicht ſo genau nehmen. Hans kratzte ſich hinter den Ohren, legte druchſend einen Groſchen, dann zwei, und endlich noch einen halben Groſchen hin, und ging. Auf dem Wege rechnete er die Sache mit dem kleinen Hans durch. „Hänschen, ſagte er kopfſchüttelnd, die Rechnung iſt richtig, ich habe dem Kerl noch einen Sechſer abgezwackt, und um einen Gro- ſchen hat er ſich ſogar Schaden gethan. 145. Ein Geiſtlicher, welcher ſehr begehrlich war, fragte einen Kna⸗ ben: Wie man denn die Leute zu nennen pflege, welche ſich Alles, es ſei recht oder unrecht, zuzueignen pflegten. Der Knabe gab keine Antwort. Der ehrwürdige Herr wollte den Knaben auf die Antwort führen, und ſagte: Nun, mein Sohn! Das ſind die Gei — Gei — Gei — „die Geiſtlichen,“ fuhr der Knabe raſch heraus. 146. In Krannichfeld, einem Städtchen des Herzogthumes Gotha, katecheſirte der geiſtliche Viſitator über das erſte Hauptſtück. Er ſprach ſehr undeutlich, und der Buchſtabe G klang bei ihm faſt wie T. Nun, 119 meine Tochter! Wie viel find denn Götter? Das Mädchen antwor— tete ſogleich: ſieben und eine Wittfrau! Sie hatte verſtanden: Wie viele Töpfer in Krannichfeld ſeien. 147. In Sonneborn, im Herzogthume Gotha, fragte der Geiſtliche des Ortes einen der Catechumenen: Wer iſt der erſte Menſch geweſen? Raſch antwortete der Knabe: Andreas Michel in Rohr. Dieſer beſaß nämlich das erſte Haus im Orte nach dem nächſten Dorfe zu. 148. Als ein ſehr berühmter Henker einen berüchtigten Mörder an dem Galgen in die Höhe ziehen wollte, riß der ganz neue und ſehr ſtarke Strick. Ein anderer Henker hatte aus Neid den Strick mit Scheide— waſſer beſtrichen: Schwere Noth, fluchte der Henker, ſo Etwas iſt mir doch in meinem Leben noch nicht paffirt! „Mir auch nicht!“ e nete ganz e der an der Erde liegende Delinquent. 149. In England geht bekanntlich Alles nach dem Buchſtaben des Ge— ſetzes. Das Geſetz über Diebſtahl war ſonſt alſo ausgedrückt: „Wer mehr entwendet, als der Strick werth iſt, an welchem der Dieb ge— hängt werden kann, ſoll gehangen werden. Man ſuchte einen Aus— weg, dieſes Geſetz zu umgehen. Man ſchnitt die Gehenkten ſogleich nach der Exekution wieder ab, und ſuchte dieſelben wieder in das Le— ben zu bringen; welches auch zuweilen gelang. Später hieß deßhalb das Geſetz ſo: Der Dieb ſoll hängen, alſo, daß er todt ſei. 150. N Bekannt iſt es, daß in England Verbrecher ihre Leichname noch bei ihrem Leben an Aerzte verkaufen, und das Geld, welches ſie für dieſelben erhalten, in den letzten Tagen ihres Erdenlebens mit ihren Freunden zu vertrinken pflegen. Einſt hatte ein junger Arzt einen ſolchen, ſo eben vom Galgen abgenommenen Leichnam in ſeinem Zim⸗ mer eingeſchloſſen, und auf einen Tiſch des Zimmers, neben Reſte vom Mittagseſſen hingelegt. Wie erſtaunte der junge Arzt, als er in der Mitternacht in ſein Zimmer trat, und nebſt dem Leichnam auch die Speiſen und Getränke vermißte, welche ſich auf dem Tiſche befunden hatten, und von welchen er jetzt noch etwas zu ſich zu neh⸗ men gedachte. Endlich fand er den Leichnam hinter dem Ofen des er⸗ wärmten Zimmers. Der Dieb war aus dem Scheintode erwacht, und hatte ſogleich Nahrungsmittel zu ſich genommen. Der ſtarke Port⸗ wein hatte ſeine Wirkung gethan; der vor wenigen Stunden Ge— henkte lag jetzt in den Armen des Schlafes und träumte von einer neuen Hinrichtung. Der Arzt weckte den Unglücklichen, brachte ihn in ein Bette, gab ihm Arzneien, und brachte ihn in eine entfernte Provinz, wo er ein ehrliches Leben anfing, und nicht aufhören konnte, den Doktor als den Retter ſeines Leibes, wie ſeiner Seele, zu loben und zu preiſen. 151. Ein Metzger ſchlachtete noch ſpät am Abend ein ſehr ſchweres fettes Schwein, uud ließ es an das Hängholz in ſeiner Scheuer han- gen, damit es gehörig erkalte, und am Morgen des künftigen Tages gewogen werden könne. Wie erſtaunte er aber, als er am frühen Morgen ſein Schwein an ſeiner hohen Gartenmauer, nach dem Hofe zu hängen ſah. Er glaubte, man habe ihn necken wollen. Schrecken geſellte ſich zum Staunen, als er ſeinen Garten aufſchloß, und in dieſem, auf der andern Seite der Mauer, dem Schweine gegenüber, einen ſehr ſtarken vierſchrötigen Kerl hängen ſah. Dieſer hatte näm⸗ lich, wie ſich aus näherer Anſicht der Sache ergab, das Schwein ſteh⸗ len und über die Mauer heben wollen, hatte ſich aber aus Verſehen den Strick, an welchem er es hielt, um den Hals geſchlungen. Beide hielten ſich ſo ziemlich das Gegengewicht. 152. In London geſchieht es ſehr oft, daß in den berühmteſten Schau— ſpielhäuſern im Gedränge Menſchen erdrückt werden. Oft wird dieſes Gedränge abſichtlich durch Schaaren von Gaunern veranſtaltet, welche hierbei im Trüben fiſchen wollen. In einem ſolchen Menſchen— gewühl ward einſt auch ein junger, ſchlanker, ſehr reich gekleideter Engländer erdrückt. Sogleich nahet ſich dem Leichnam ein gutgeklei— deter Alter, und ruft wiederholt in tiefem Schmerzgefühl: Mein Sohn! Mein Sohn! Die Umgebungen dringen zur Thür hinaus, um dem Unglücklichen Platz zu machen. Der Alte trägt den jungen Mann mit wahrem Theateranſtand hinaus, und — das Schauſpiel beginnt und endet nun. Am andern Morgen erſchien in allen Tages— zeitungen eine Aufforderung des reichen und ſehr bekannten Lords M., ihm doch den Leichnam ſeines geſtern im Drurylane-Theater er— drückten Sohnes nachzuweiſen. Schon in der Abendzeitung, welche an dieſem Tage ausgegeben wurde, erklärte der Anatom Hunter: Er habe einen Leichnam zu anatomiſchen Verſuchen gekauft, und werde denſelben gegen 6 Pfund Sterling unverſehrt zurückerſtatten, wenn ſich Lord M. gehörig legitimiren könne. Der Gauner, welcher den jungen Unglücklichen im Theater ſo ſchnell an Kindesſtatt angenommen, hatte eine volle Börſe und be— trächtliche Banknoten bei ihm gefunden. Er hatte ſogleich einen Miethwagen genommen, während des Fahrens nach der entfernten Straße, wo Hunter wohnte, den Leichnam entkleidet, und nun auch noch mit dieſem gewuchert! 133 Der berühmte engliſche Arzt D. Radeliff, war ſehr geizig, und hatte immer viel einzuwenden, wenn er etwas bezahlen ſollte. Er hatte ſeinen Hof pflaſtern laſſen, und der Steinſetzer war lange ver— geblich gegangen, um ſeine Bezahlung zu bekommen. Endlich paßte 122 er den Doktor vor einer Thüre auf, als derfelbe eben aus der Kutſche ſteigen wollte, einen Kranken zu beſuchen, und mahnte ihn. „Ihr Bärenhäuter,“ rief der Doktor, „wollt ihr noch Geld von mir haben, ihr habt mir mein Pflaſter verdorben, und dann brav Erde darauf geworfen, daß man eure Pfuſcharbeit nicht ſehen ſoll.“ „Herr Dok— tor,“ rief der Steinſetzer, „es giebt mehr Pfuſcharbeiten, die die Erde zudecken muß, und werden doch bezahlt.“ Der Doktor ſtarrte ihn an, rief ihn an die Kutſche, und bezahlte ihn den Augenblick. 154. Ein Fürſt hatte gern lange Soldaten, aber er liebte keine Franz zoſen. Einſt hatte doch ein Oberſt einen Franzoſen, der außerordent⸗ lich groß und ſehr wohl gewachſen war, angeworben. Gegen die Revüe lehrte er den Kerl drei kurze deutſche Antworten -auf die drei gewöhnlichen Fragen des Fürſten: Wie alt biſt du? Wie lange dienſt du? Wie bekommſt du deine Löhnung? Unglücklicher Weiſe fragte diesmal der Fürſt außer der Ordnung; daß alſo die Ant⸗ worten folgendermaaßen fielen: Wie lange dienſt du? Zwanzig Jahr. — Wie alt biſt du? — Ein Jahr. — Kerl plagt dich der Teufel? — Richtig! — 155 a. Ein Dorfprieſter im Erzgebirge machte es einſt mit Fleiß ſehr kurz, weil die Kälte ganz unerträglich war. Um ſich auch mit den Fürbitten nicht lange aufzuhalten, nahm er alles in eine Periode gue ſammen, und bat Gott für die gnädige Herrſchaft, die Fräulein Töch⸗ ter, die Bergwerke, und alle die ein- und ausführen. 155 b. Der durch ſeine Prachtliebe bekannte Herzog Karl von Würtem⸗ berg, welcher im vorigen Jahrhundert gleich manchen andern kleinen Fürſten mit dem Luxus des Pariſer Hofes wetteifern wollte, unter 123 hielt an ſeinem Hofe, namentlich in der Oper und im Ballett, eine ganze Schaar Italiener und Franzoſen, Ebenſo war es bei der Hof— bedienung, bei welcher auch Heiducken angeſtellt waren. Einſtmals machte der Herzog eine Reiſe nach Italien und hielt ſich auch einige Wochen an dem Hofe von Neapel auf. Hier ward auf Befehl des Königs die Dienerſchaft des Herzogs in einem Gaſthofe frei bewirthet, und unter dieſer befanden ſich auch drei Heiducken, welche als Säufer ihres Gleichen ſuchten. Nach der Abreiſe des Herzogs und ſeines Ge— folges, reichte jener Gaſtwirth die Zeche an die königliche Hofkaſſe ein, in der allein für die drei Heiducken über tauſend Flaſchen Wein auf— gerechnet waren. Der Zahlmeiſter hielt dieſe enorme Conſumtion für unmöglich, und der Wirth ward darüber zur Rede geſtellt, der jedoch ſich hoch und theuer vermaß, nur den wirklichen Verbrauch aufgerech— net zu haben. Demohngeachtet ſetzte man Zweifel in die Richtigkeit dieſer Ausſage, und man beſchloß dieſe Rechnung an den Hofmar— ſchall des Herzogs nach Stuttgart zu ſchicken, um die drei Heiducken darüber vernehmen zu laſſen. Der Herzog erfuhr jedoch den Vorfall, ließ daher zuerſt einen der Heiducken rufen, und legte ihm die Frage vor, wie viel er täglich trinken könne. Dieſer erwiederte keck: So viel man mir giebt. Daraus war nichts zu ermitteln, deshalb mußte der zweite erſcheinen, welchem der Herzog die Rechnung des neapolitani— ſchen Gaſtwirths zeigte, und ihn frug, ob hier kein Betrug obwalte. Der Heiduck rechnete nach und verſicherte hierauf, dieſe Rechnung ſei ſehr billig. Nun wurde auch der dritte gehört und dieſer gab an, ſei— ner Meinung nach müſſe ſich der Wirth zu ſeinem Nachtheil verrechnet haben. — Dieſe Antworten wurden auch pünktlich zur Rechtfertigung des Wirthes nach Neapel mitgetheilt. 155 ¢. Derſelbe Herzog Karl kam einſt nach Manheim, wo bei Hofe das Geſpräch auf große Säufer kam, wobei vielerlei Beiſpiele erzählt wurden. Als eben eine große Bowle Punſch aufgeſetzt war, behaup— aed tete der Herzog, fein Heiduck könne dieſelbe auf einen Zug leeren. Als dies bezweifelt wurde, ließ der Herzog ſeinen Heiducken rufen, und legte ihm die Frage vor, ob er eine ſolche Bowle ſich auszuleeren getraue? Dieſer maß ruhig die dampfende Bowle, und erwiederte nur: „Ew. Durchlaucht, es kommt nur darauf an, wie oft ich dies thun ſoll! Hierauf ward ihm der Beweiß erlaſſen, indem man 1 weiter an des Herzogs Verſicherung zweifelte. 155 d. Bei einer Schulviſitation ereignete ſich ganz kürzlich folgender komiſche Vorfall. Der geiſtliche Rath Sch., der einen ſehr durchdrin— genden Blick beſaß, richtete nehmlich an den ledigen katholiſchen Schulmeiſter R. die Frage: „Wie viel Kinder haben Sie?“ ler meinte die Anzahl der Schulkinder.) Der Schulmeiſter jedoch, bei dem es in puncto sexto nicht ſauber war, und der vermuthete, der geiſtliche Herr wolle ſeine Wahrhaftigkeit auf die Probe ſtellen, erwie— derte kleinlaut: „Zwei, Herr geiſtlicher Rath; ich habe aber die Strafe ſchon erſtanden!“ 155 e. Ein Marktſchreier bot ſeine Tropfen aus, und pries ihre heil— ſamen Wirkungen wider ſehr viele Krankheiten. Unter Andern rief er da mit Nachdruck: „Auch für den, der einen Fehler oder ein Ge— brechen am membro Virgilii hat, ijt in dieſem Glaſe ein treffliches Heilmittel.“ Dibliothes des Fiohſiuns Re Auswahl von Meiſterſtücken der komiſchen Literatur. Zweike abgekürzte Auflage. Viertes Bändchen. Stuttgart 1854. Verlag von Heinrich Köhler. 0 12 * N 2 1 1 . 1 * Druck von Gieſecke &? i Ae A, wre 2 * C's. * * 10 Ree 1 / hy * Pad , 73 156. Ein Chriſt ward in einer Türkiſchen Moſchee betroffen und für einen Chriſten erkannt. Man ſchleppte ihn vor Gericht und das Le— ben ward ihm abgeſprochen. Der Chriſt der die Wirkungen ſeiner Angſt in ſeinen Beinkleidern ſpürte, beſann ſich ſchnell auf ein Ret— tungsmittel und bat den Richter, ihn nur zu hören. „Ich war ſeit ganzen Wochen,“ fing er dann an, „mit der heftigſten Obſtruction geplagt, die mir den Tod drohte. Wie viel ich auch in unſern Kirchen um Oeffnung bat, ſo blieb ich doch nach wie vor obſtruirt. Endlich beſann ich mich auf die vielen Wunder, die man von dem großen Propheten Mahomed rühmt, ſchlich mich in die Moſchee, und ob nun mein Gebet erhört ſei, mögen euch eure Augen ſagen, wenn's eure Naſen nicht ſchon gethan haben.“ — Man ſtellte auf der Stelle eine Unterſuchung an, worin man die Sache wahr befand und alle ſchrieen aus einem Munde: Mirakel! Der Chriſt rettete ſein Leben durch die Beſchneidung, und der Mufti hing mit eigener hoher Hand die Bein— kleider ſamt allem was darin enthalten war, zu ewigem Andenken in der Moſchee auf. 157 Die Subſcription. Ein gewiſſer Twiß ließ 1776 eine Reiſe nach Irland drucken, in welcher er von der irländiſchen Nation viel Verächtliches geſagt hatte. Darauf ward in Dublin, eine Sub— fexiption auf tauſend Nachttöpfe von Steingut angekündigt, in dem Grunde von jedem ſollte des Verfaſſers Bildniß ſein, mit der Umſchrift: Dies iſt Herr Twiß, Auf den ich biß. Dieſe Subſcription war in acht Tagen eee Bibl. d. Frohfinns. IV. rh; Ai hee: 2 158. Einem Pachter waren ſchon oft Schaafe aus ſeinem Schaafſtalle geſtohlen worden. Er legte ein Schloß vor denſelben und lauerte, mit ſeiner Doppelflinte bewaffnet, in einer dunkeln Regennacht auf den Dieb. Nach Mitternacht kam ein Menſch auf den offenen Hof, wel— cher die Stallthür zu öffnen verſuchte; als er dieſe aber zu feſt ver— ſchloſſen fand, ein Fach des Stalles einſchlug, und nun in den Stall ſtieg. In dieſem Augenblicke ſchoß der Pachter, und traf den Dieb fo, daß er liegen blieb. Er war ſtark, aber nicht gefährlich verwun- det. Der in einem benachbarten Dorfe anſäſſige Dieb nahm einen Advokaten an, und dieſer brachte es ſo weit, daß der Spitzbube von aller Schuld losgeſprochen, und der Pachter in alle Koſten, fo wie in die Erlegung eines beträchtlichen Schmerzengeldes verdammt wurde. Der Advokat ſtellte die Sache ſo vor, als habe der Beſchuldigte in der furchtbaren Regennacht, auf dem Wege von der Stadt nach ſeinem Dorfe hier ein Unterkommen geſucht. Er habe in den, ſonſt offe- nen Schaafſtall kriegen wollen. Weil er dieſen aber verſchloſſen ge- funden habe, ſo habe er aus der Noth eine Tugend gemacht, und ein Fach eingeſchlagen; es ſei ihm aber gar nicht eingefallen, zu ſtehlen; er habe nur im Trockenen ſein wollen. Freilich werde er es ſich wohl gefallen laſſen müſſen, das eingeſchlagene Fach wieder herzuſtellen ꝛc. Die Richter bedeuteten dem Pachter: Er habe mit dem Schießen noch warten müſſen, bis der Dieb mit dem entwendeten Schaafe gekom⸗ men ſei. . 159. Als Napoleon nach dem Frieden von Tilſit in Gotha ſpeiſ'te, wa⸗ ren Stadt und Schloß köſtlich erleuchtet. Ein gewiſſer Metzger Auerbach, welcher ſehr große Geſchäfte als Schlächter machte, hatte transparent geſchrieben: Napoleon iſt in ſeinem Fach Das, was der Metzger Auerbach. 3 54160. Im Jahre 1811, am fünfzehnten Auguſt, war von der Polizei zu Mainz die Erleuchtung der Stadt befohlen. Es war dieſer Tag bekanntlich der Geburtstag Napoleons. Einer ſeiner Gegner hatte gewettet, er wolle heute an ſeinem ſehr großen und in die Augen fal— lenden Palaſte das Wort „Zwang“ erleuchten. Richtig fand man auch dieſes Wort mit großen Buchſtaben auf folgende Art ganz köſtlich erleuchtet: Z. W. A. N. G.!!! Es gab ein ungeheures Aufſehen. Die Polizei nahm die erleuchtete Tafel ab, und bedrohte den Eigenthümer des Hauſes mit namhafter Strafe. „Sonderbar,“ ſagte dieſer. „Wiſſet Ihr denn, was dieſe Buchſtaben heißen?“ Es heißt: Zlum) YW (iegenfefte) A (n) Napoleons) Gleburtstage). 161. Als der Kaiſer Alexander, nach der Flucht der Franzoſen, in Königsberg im Theater war, zeigte ſich im Transparent: Napoleon. Joseph. Hyeronimus. Jérome. Louis. Dem Kaiſer mußte dieſes mißfallen. Ehe er aber noch ſein Mißfallen äußern konnte, ver— ſchwanden alle die kleinen Buchſtaben, und es ſtand nur noch da: NIHII. Bald darauf ward die wirklich ſinnreiche Inſchrift beſtätiget. 0 8 In Frankreich ißt man nichts lieber und nichts häufiger als Fe— dervieh. Beſonders lieben die Franzoſen die Hühner. Zwei Franz— männer kamen, als Einquartirte in ein großes Bauernhaus. Die Leute waren wohlhabend, und wollten gern Alles für ihre Gäſte thun; allein zum Unglück verſtand man ſich gegenſeitig nicht. Man fragte durch Pantomimen, was die Herren zu eſſen wünſchten. Da hieß es: Bauer, brat poule! brat poule! Der Bauer wußte nicht, daß poule ein Huhn bedeute. Er kam zu ſeiner Frau und ſagte: „Die Kerle wollen unſern Pudel gebraten haben. Wir wollen den Pudel ein— ſtecken, daß ſie ihn nicht ſehen, und dagegen den dicken Spitz ſchlachten. 1* 5 — 4 Dieſer ift ohnehin fetter, als der junge Pudel. Ich habe immer gehört, daß die Franzoſen Hunde und Katzen, Fröſche und Schnecken und anderes Ungeziefer freſſen; nun gebe ich der Sache Glauben.“ Der arme Spitz ward geſchlachtet und gebraten. Die Franzmänner warfen fluchend den Hundebraten zum Fenſter hinaus, und riefen immerfort: Nichts, Bauer! Dummbart, brat poule! Ganz erſchrocken kam der Bauer in die Küche. „Denke Dir, liebe Frau, die gottloſen Spitzbuben haben es doch gemerkt, daß wir den alten Spitz gebraten haben. Sie wollen durchaus den Pudel.“ Der gute Cartouche ward nun ebenfalls geſchlachtet und gebraten, und die Bauernfamilie erhielt für ihre viele Mühe und für die großen Opfer, welche ſie ihren Gäſten gebracht hatte, eine tüchtige Prügelſuppe. 8 163. Ein ſehr wilder Franzmann kam zu einem Müller, welcher in einer abgelegnen Mühle wohnte, ins Quartier. Der Soldat plagte den Wirth gewaltig. Endlich kam es ſo weit, daß der Soldat ſich auskleidete, und hinter den Ofen legte. Nun gieng der Müller hinaus, rief einen großen Hund, einen Saufänger herein, ſchloß die Thüre zu, heitzte ſo furchtbar ein, daß der Ofen glühte, und kam nicht wieder. Rührte ſich der Soldat nur einigermaßen, ſo wieß ihm Sul— tan ſogleich die Zähne. Der Soldat durfte kaum ſprechen. Fluchte er nun vollends gar, ſo wurde der Hund wüthend. Trinken durfte der Franzmann eben ſo wenig, und doch hatte er, bei der Hitze, ſchrecklichen Durſt. Endlich kam der Offizier, welcher ſchon lange gewünſcht hatte, daß ſein wilder Soldat einmal gebändigt werden möge. Er lachte hell auf, als er den ſonſt ſo wilden Teufel jetzt ſo zahm ſah, und lobte den Müller, welcher ihm ſchon in der Hausflur Alles erzählt hatte. 164. Im ſiebenjährigen Kriege lagen lange Zeit Franzoſen unter der Armee, welch Broglio commandirte, in einem Dorfe des Herzogthums 5 Gotha, Namens Sonneborn. Ein ſehr hübſches, aber etwas einfäl— tiges Landmädchen, welches dicht neben dem Pfarrhauſe wohnte, hatte ſich zu ſehr mit ihrer Einquartirung befreundet, und nach dem Abzuge der Franzmänner zeigten ſich die Folgen dieſes zu freundlichen Ver— kehres. Die Mutter des Mädchens, welche eben nicht klüger war, als die Tochter, kam zu der Pfarrfrau, und klagte dieſer ihre Noth. „Es möchte ja noch Alles ſein, ſprach ſie: aber wer will den nun mit dem kleinen Kinde franzöſiſch ſprechen, wenn es größer wird? Da werden wir recht unſere Noth haben, wenn wir es nicht verſtehen!“ 165. Eine Franzöſin hörte einen Oeſtreicher auf ſeinem Poſten in Paris „Wer doh?“ (wer da?) rufen. Sie glaubte: er wünſche ein Glas Waſſer (verre d'eau) zu haben, und brachte ihm dieſes. Der Oeſtreicher glaubte, ſie bringe ihm Schnapps. Als er fand, daß es Waſſer ſei, warf er der Frau für ihre Höflichkeit das Glas mit dem Waſſer ins Geſicht. 166 H, Ein franzöſiſcher Soldat verlangte in dem Hauſe eines Katho— liken ein Fenſter Bier und ein Paar gebratene heilige Geiſter. Er hatte auf das Fenſterglas gezeigt und gefragt, was dieſes ſei. Man hatte ihm geantwortet: ein Fenſter. Dann hatte er auf die ſchwe— bende Taube gezeigt und gefragt: was dieſes ſei? und zur Antwort erhalten: Heiliger Geiſt! a 167. 4 Ein Franzos hatte ſich jo betrunken, daß man ihn aus der Stube in einen Schweinſtall brachte. Hier erwachte er, und glaubte unter Kameraden zu ſein. Es fiel ihm ein, daß er am Morgen um 8 Uhr auf ſeinen Poſten ſtehen müſſe. Er rief ängſtlich: quelle heure est-il? Ein großes Schwein erſchrack, fuhr zurück, und ließ fein off! öff! hören. Der Franzos verſtand neuf (neun Uhr), und widerſtritt die — 6 Sache. Ce n' est pas possible! Da rief ein anderes kleineres Schwein: wuy! wuy! oui! oui! Der Franzos war in Verzweiflung, und ſchlief in dieſer wieder ein, bis ihn die Gefährten erweckten. . 168. \/ Gin Franzmann, welder hörte, daß Jemand geſtorben fet, den er ſehr gut gekannt, und wegen ſeiner muntern Laune ſehr geliebt hatte, rief aus: Schade, unſer Erre Gott werde abe mit ihm große Spaß! 169. Ein Candidat des Predigtamtes, welcher immer zurückgeſetzt war, weil er keine Verbindungen hatte, meldete ſich beim Könige Friedrich II. Der König fand ihn eben fo gewandt als unterrichtet, und trug ihm auf, vor ihm über einen Text zu predigen, welchen er aber erſt auf der Kanzel erhalten ſolle. Der Candidat hielt ein treff- liches Gebet, ſprach das Unſer Vater, und erhielt nun durch den Kirchendiener ein verſiegeltes Blatt. Er öffnete es. Es ſtand nichts in demſelben. Jetzt hob er an: Hier iſt nichts, und da iſt nichts; ſo ſpreche ich denn über das inhaltſchwere Wort — Nichts! Und nun hielt er über die Nichtigkeit aller irdiſchen Güter, und über den Hang der Menſchen, dieſes Nichts gleichwohl immer für Etwas zu halten, eine ſo treffliche Predigt, daß der König wirklich bewegt war. Er ſchrieb an das Conſiſtorium: Er, der König nehme dieſen Candidaten zu ſeinem Vetter an, und verlange für ihn eine der beſten Pfarrer— ſtellen. Nach einigen Monaten war der Candidat ſehr gut verſorgt. 170. 5 Ein König von England bereiſte Holland. Er ließ ſich aus einer reinlichen Dorfſchenke zwei geſottene Eier an den Wagen brin- gen. Der Wirth verlangte dafür zweihundert Dukaten. Der Zabl- meiſter fand dieſe Forderung fo unverſchämt, daß er den König davon 7 benachrichtigen zu müſſen glaubte. Mein Freund, fragte der König den Wirth, ſind denn in Holland die Eier ſo ſelten? Verzeihen Ihro Majeſtät, erwiederte der Gaſtwirth ſehr ehrerbietig, die Eier ſind hier gar nicht ſelten, aber deſto ſeltener die Könige! I. In einer Stadt in Polen waren zwei Gaſthöfe. Der eine hieß: Der graue Eſel; der Andere: Die goldene Henne. Der graue Eſel war der berühmteſte. In ihm kehrten alle vornehme Herrſchaften ein, und was auch der Gaſtwirth in der goldenen Henne thun mochte, ſeine Gäſte zu befriedigen, immer nahm ihm der Wirth im grauen Eſel die beſten Kunden weg. Der General Suwarow kam einſt mit großem Gefolge in die Stadt, und wohnte mehrere Tage lang im grauen Eſel. Statt eine Zeche zu machen, bat ſich der Eſelwirth die Gnade aus, ſeinen ſplendiden Gaſthof künftig: „Zum General Su— warow“ nennen zu dürfen. Die Gnade ward ihm gewährt, und der graue Eſel machte dem General Suwarow Platz. Was that nun der Hennewirth? Er ließ ſich einen grauen Eſel malen, zog ſeine Henne ein, welche ihm nur wenig goldene Eier gelegt hatte, und hing das Eſelein mit der Umſchrift auf: Zum grauen Eſel. Weit und breit war der graue Eſel als der beſte Gaſthof der Stadt bekannt. Alles zog jetzt in den neuen grauen Eſel, und der General Suwarow ſtand ſo verlaſſen da, als einſt auf ſeinem Zuge in die Schweiz gegen die Franzoſen. Aber der Wirth wollte ſeinen General und ſich ſelbſt nicht fallen laſſen. Er machte deßhalb unter das Schild mit dem Ge— neral noch eine Nachſchrift: Dieſes iſt der eigentliche alte graue Eſel! 172. Ein Bauer wurde durch einen wilden Heerdeochſen gefährlich verwundet, und ſtarb an den Folgen dieſer Verwundung. Der Schreiner und Dichter des Dorfes bildete auf dem Kreuze, welches er 8 © für den Verſtorbenen febte, den Bauern, neben dem Ochſen, nach dem Leben ab. Aus dem Munde des Erſteren floſſen folgende Worte: Durch eines Ochſen Stoß Komm' ich in's Himmelsſchloß! Muß ich jetzt gleich erblaſſen, Und gar mein Leben laſſen; So komm ich doch zur Ruh Durch Dich! Du Rindvieh Du! 173. Ein Schneider, Namens Knopf, hatte zwei Ehefrauen begraben. Er ſelbſt ſtarb, vom Schlage gerührt, in der Blüthe ſeines Lebens, vor Schrecken über eine Fledermaus, welche ſich in ſeine Haare ver⸗ wickelt hatte. Man begrub ihn zwiſchen ſeine zwei theueren Che- hälften, und ſchrieb auf ſein Kreuz: Es blies ach! eine Fledermaus Dem Schneider Knopf das Leben aus! Der Tod hat an ihm nichts mehr zu ver knöchern; Er ruht zwiſchen zwei geliebten Knopflöchern! 174. Madame Blanchard, welche ſpäterhin bei einer Luftfahrt ver— unglückte, ſtieg im Jahre 1811 in Mailand auf. In einem unge⸗ heuern Kaſernenhofe, nicht weit von Mailand, befand ſich das Luft— ſchiff, nebſt der Luftſchifferin unter einer großen Anzahl von Italienern und Fremden. Das Luftſchiff ſtieg, erhob ſich über die Kafernen- Gebäude, und fiel jenſeits derſelben nieder. Man brachte es zurück, füllte es wieder, ließ es nochmals ſteigen, und nun verſchwand es bald aus den Augen Aller. Madame Blanchard, welche ganz weiß gekleidet war, ſah, trotz ihres Alters, noch ganz leidlich aus, und man hatte ſie, als ſie einige Meilen von Mailand wieder auf die Erde gekommen war, für die Jungfrau Maria gehalten, welche vom Him⸗ mel komme. Bei der Gelegenheit, als Madame Blanchard wieder herunter kam, nachdem ſie ſich nur wenig erhoben hatte, ſagte ein 9 Jude zu einem Andern: Weißt Du, wie mir die Frau vorkömmt?. Wie die öſterreichiſchen Papiere. Sie ſteigen und fallen. 175. Ein Jude trug Saugſchweine zu einem Chriſten. Wie kömmſt Du dazu, mir Deine Todfeinde zu bringen? fragte der Chriſt. „Mat, das iſt kein Wunder, erwiederte der Jude, die Toleranz greift überall um ſich!“ 176. Ein von der Reiſe ermüdeter Israelit bat einen vor ihm vorbei— reitenden Lieutenant, ihn doch mit auf das Pferd zu nehmen. Der Offizier gab endlich ſeinen Bitten unter der Bedingung nach, daß ſich der Jude ſo weit auf das Hintertheil des Pferdes ſetze, daß er den Chriſten nicht berühre. Es ging raſch an einem ziemlich ſteilen Berge hinauf, und der Chriſt, abſichtlich immer weiter zurückrutſchend, rief dem Juden gebieteriſch zu, ſich nicht von ihm erreichen zu laſſen! Der furchtſame Jude retirirte immerfort. Endlich ſchrie er ganz ängſtlich: Herr Offizier! Herr Offizier! „Nun was gibt es denn, Abraham?“ Der Schimmel wird alle! Der Schimmel wird alle! 177. Zwei kaiſerliche Soldaten hatten das Leben verwirkt, aus Gnade wurde es dem einen geſchenkt, ſie ſollten aber darum würfeln. Der eine warf eine ziemlich hohe Zahl, der andere aber wollte gar nicht werfen, ſondern ſagte: er würde das nimmermehr thun, weil der Kaiſer alle Hazardſpiele aufs ſchärfſte verboten hätte. Somit wurde er am Ende auch begnadigt. 178. Ein mahomedaniſcher Geiſtlicher, oder Dervis, kam auf ſeiner Reiſe in einen königlichen Palaſt, und wollte daſelbſt über Nacht herbergen, er warf auch ſeinen Bündel bereits in einen Winkel, als 10 ihn die Bedienten bedeuteten, daß es kein Wirthshaus, fondern ein Luſtſchloß des Königs in Perſien wäre. Der Dervis wollte ſich damit nicht abweiſen laſſen, ſondern zankte ſich mit den Bedienten bis der Schah ſelbſt dazu kam. Dieſer ſagte ihm ebenfalls, daß er ſich irrte, wenn er es für eine Herberge hielte, ſo wie es ſonſt im Oriente gebräuchlich iſt. Wem gehört denn dieſes Haus? fragte darauf der Dervis. Der Schah antwortete: es gehört mir. Wer hat es vorher bewohnt? fragte der Dervis weiter. Mein Vater, verſetzte der Schah. Und wer wird es nach dir bewohnen? Mein Nachfolger. Alſo, ſagte der Dervis, es iſt nur eine Herberge, und du kannſt mir die Einkehr nicht verſagen. 179. Ein Chriſt und ein Jude geriethen mit einander in einen Wort⸗ ſtreit, ob nemlich mehr heilige Juden als Chriſten im Himmel wären? Endlich wurden ſie folgender Geſtalt mit einander einig, daß ein Jeder ſeine Heiligen beſonders herzählen, und bei eines jeglichen Benen— nung dem Andern ein Haar aus dem Barte raufen ſollte. Der ungläubige Jude machte den Anfang, nannte den Abraham, und raufte den Chriſten ein Haar aus. Der Chriſt nannte den Petrus, und machte es eben ſo, und auf dieſe Art und Weiſe fuhren ſie fort. Der Chriſt wurde es in die Länge überdrüßig, faßte des Juden gan- zen Bart, und ſprach: St. Urſula mit den eilftauſend aten und riß ihm ſolchen mit Stumpf und Stiel aus. 180. Der König Heinrich der Vierte, hatte ſich einſtmals auf der Jagd verirrt, und war von allen Hofleuten getrennt worden. Als er nun wieder auf den rechten Weg kam, und ganz allein ritt, begegnete ihm ein Bauer auf eben dieſem Wege, der zum Markte ging. Der König fragte ihn: Bauer, wo willſt du hin? Er antwortete: in die Stadt. Der König fragte ihn Verſchiedenes. Endlich fing der Bauer ganz trocken an: Ich möchte doch auch gern einmal den König ſehen, 11 er iſt mir noch niemals zu Geſichte gekommen. Der König ſagte zu ihm: Komm mit, ich reite gleich jetzt zum König. Der Bauer fragte: Woran erkennt man aber den König? Er antwortete ihm: So bald wir in die Stadt kommen, ſo gib Achtung, welcher unter allen den Hut aufbehält, das iſt der König. Inzwiſchen kamen ſie an das Stadtthor, da wartete die ganze Suite auf den König, und empfingen ihn mit entblößten Häuptern. Der Bauer aber, behielt ſo, wie der König den Hut auf. Der König ſagte zu dem Bauer: Siehſt du nun wer der König iſt? Der Bauer antwortete: ich weiß nicht, was ich ſagen ſoll, aber einer von uns Beiden muß es wohl ſein. 181. 5 Ein Mann, der ſich im Reden das Sprichwort angewöhnt hatte: Wie es auch nicht anders iſt (aßt oof nich anders is), ward von ſeinem Nachbar geſchimpft, darüber verklagte er denſelben bei dem Richter, und ſagte: Mein Herr Richter! Mein Nachbar Kunz hat mich einen Dieb geſcholten, wie es auch nicht anders ijt. Schaffen Sie mir Recht und Satisfaction, wie es auch nicht anders iſt. Der Richter erwiederte: lieber Freund! bei ſo bewandten Umſtänden kann ich euch kein Recht verſchaffen. Ich rathe euch, daß ihr euch zu Ruhe begebt, und ja nur ſtille ſeid; denn dabei wird doch nichts herauskommen. — Was Herr Richter! das ſollte ich ſo ſtecken laſſen? Wie würde es Ihnen gefallen, wenn jemand käme, und ſagte: Ihre Frau ſei eine Hexe, wie es auch nicht anders iſt! Der Richter ward böſe, und ließ ihn ins Gefängniß ſtecken, bis er bedeutet wurde, daß ſolches ſein gewöhnliches Sprichwort wäre, das er allenthalben anflicke. . ö 182. Ein Prediger auf dem Lande ſchärfte einſt im Katechismus— Examen die einem Chriſten ſo würdigen Gedanken beim Aufwachen und Einſchlafen, nach Gelegenheit der Worte eines gewiſſen Pſalm, ein. Als er ſich hierüber faſt das Herz aus dem Leibe geredet hatte, ſo fragte er ein Dienſtmädchen: Nun meine Tochter, woran gedenket — 12 ihr alfo zuerſt, wenn ihr aufwachet? Das Mädchen erwiderte kurz: An unſers Junkers ſeinen Schreiber. 183. Einem Dorfprediger ſtarb ſein Buchfink, und er bat einen Jun— gen auf dem Filiale, der im Vogelfangen gut abgerichtet war, ihm einen andern zu verſchaffen. Dieſer brachte ihm auch am eilften Sonn— tage nach Trinitatis einen, als der Prediger eben in die Kirche gehen wollte, und dieſer verwahrte ihn in ſeinem Buſen. In der Predigt vergaß er den Vogel, und ſtellte unter andern die bekümmerte Ge— berde des bußfertigen Zöllners recht lebhaft vor, bei Gelegenheit der Worte: Er ſchlug an ſeine Bruſt, und ſprach: (hier fiel ihm der car ein, und er rief:) Gotts Blitz, mein Buchfink! 184. Zwei Cavaliers ſtritten mit einander darüber, ob die eheliche Pflicht eine Luſt und Vergnügen, oder eine Mühe ſei, und erwählten, im Vorbeigehen, einen Bauer zu ihrem Schiedsrichter. Dieſer ent— ſchied die Frage ſehr gründlich und zwar alſo: Wir Bauern halten es für eine Luſt, denn wenn es eine Mühe wäre, ſo würden wir ſie ſchon längſt haben zu Hofdienſt verrichten müſſen. 185. Ein Marktſchreier verkaufte geriebenes Faulholz für Pulver wi— der die Flöhe; und als er ſehr viel davon verkauft hatte, fragte ihn ein altes Weib, wie man das Pulver gebrauchen ſollte? „Ihr müßt,“ ſprach er, dem Flohe den Mund aufmachen, und etwas von dem Pul- ver hinein ſchütten, ſo ſtirbt er ganz gewiß. 186. Ein Churfürſt von Baiern kam von Nürnberg, und traf unter⸗ wegs einen Fiſcher an. Weil er nun ſich öfters mit gemeinen Leuten in ein Geſpräch, und auch wohl in Scherz einließ, ritt er auf den 13 Fiſcher zu, und fragte: was für Fiſche in derſelben Gegend gefangen würden? Der Fiſcher, der den Churfürſten nicht kannte, nannte ver— ſchiedene Gattungen von Fiſchen, die ſich in dieſem Waſſer befan— den. Da kam dem Churfürſten die Luſt zu ſcherzen an, und er fragte den Fiſcher: ob er nicht auch Stockfiſche fänge? Bei dieſer Frage lächelte der Fiſcher und verſetzte: Nein, gnädiger Herr, Stockfiſche fangen wir hier nicht, ſondern die kommen alle von Nürnberg. Weil nun der Churfürſt juſt von Nürnberg kam, ſo machte dieſe Antwort ihm und ſeinem Gefolge viel zu lachen. 187. Pharao, König in Egypten, ein Sohn des Seſoſtris, der zehn Jahr lang blind geweſen war, weil er ſich an den Göttern vergriffen hatte, wurde durch die Antwort eines Orakels benachrichtigt, daß er ſein Geſicht wieder erlangen würde, wenn er die Augen mit dem Waſſer einer Frau wüſche, die mit keinem Andern, als mit ihrem Manne zu thun gehabt hätte. Er machte den Anfang bei ſeiner Gemahlin, aber vergeblich. Er ging Stufenweis zu andern herunter, es half ihm gleichfalls nichts; bis er endlich an eines Gärtners Frau kam, wo er ſein Geſicht wieder fand. Hierauf ließ er alle Weiber, bei denen er ſeine Abſicht nicht erreicht hatte, zum Lande hinaus jagen, und nahm die Gärtnerin zur Gemahlin. 188. Bei Ingolſtadt wurde einer armen Bauersfrau ihr einziger Sohn zum Soldaten weggenommen und alles Bittens ohnerachtet nicht los— gegeben. Endlich ging ſie alle Tage in eine gewiſſe Kirche zu Ingol— ſtadt zu einem wunderthätigen Marienbilde, und bat die Mutter Gottes beſtändig um die Befreiung ihres Sohnes. Als nun auch dieſes nicht helfen wollte, nahm ſie dem Marienbilde das Jeſuskind aus den Armen und ſetzte es in einen Winkel, ging hierauf wieder zu dieſem Bilde, und ſagte zu demſelben: Nun kannſt du fühlen, wie es thut, wenn man kein Kind mehr hat. Die Begebenheit machte in der 14 N Kirche großes Aufſehen, und verurſachte, daß der Mutter alsbald 15 Sohn losgelaſſen wane 189. Der Poet Santeuil fam einſt Abends um eilf Uhr nach St. Victor nach Hauſe; der Thorwärter wollte ihm nicht aufmachen, weil man, wie er vorgab, es ihm verboten hätte. Nach vielen Unterhand- lungen und vergeblichen Vorſtellungen griff Santeuil in die Taſche und ſchob einen halben Louisd'or unter dem Thore durch, und ſogleich ward ihm aufgemacht. Kaum war er hinein, ſo that er, als habe er auf der Bank ein Buch liegen laſſen, auf welchem er geſeſſen, bis man ihm aufgemacht hätte. Der dienſtfertige Thorwärter lief alſo hin, es ihm zu holen, und Santeuil ſchloß den Augenblick die Thüre hinter ihm zu. Meiſter Peter, der halb nackend war, klopfte nun ſelbſt an die Thür, und Santeuil, der eben die Frage an ihn that, und eben die Schwierigkeiten machte, die er gemacht hatte, ſagte beſtändig, daß er ihm nicht aufmachen könne, weil es ihm der Prior verboten habe. Ei, mein Herr von Santeuil, verſetzte der Thorwärter, ich habe Ihnen doch mit ſo guter Manier aufgemacht. Ich will dir auf eben die Manier aufmachen, wenn du willſt, ſagte Santeuil, es kommt nur auf dich an, und nun that er, als wenn er fortgehen wollte; der Thorwärter rief hierauf: Ich will Ihnen lieber Ihr Geld wieder ge— ben. Santeuil ließ ſich's auch unter dem Thor durchſchieben, nahm es, ſchloß die Thür auf, und ging davon. 190. Ein Candidat predigte über das ſechſte Gebot und ſtellte daraus vor: Die Sünde wider das ſechſte Gebot. Erſtens Hurerei und Un— zucht. Zweitens Eigentlicher Ehebruch; machte aber dieſen ſeiner Meinung nach witzigen Uebergang von dem erſten zum andern Theile: Nachdem wir uns nun, Geliebte, lange genug mit der Hurerei und Unzucht beſchäftigt haben, ſo laſſet uns weiter gehen und nim auch zum Ehebruch ſchreiten. 15 , mae! eae ; Als einft in einer gewiſſen Stadt die Kleiderpracht ziemlich überhand nahm, fo ſah die Obrigkeit des Ortes ſich gendthigt, um die Polizei in guter Ordnung zu erhalten, daß ſie wegen der Kleider ein Reglement publicirte, und diejenigen ernſtlich zu beſtra— fen drohte, welche dagegen handeln, und ſich über ihren Stand kleiden würden. Nun begab es ſich, daß eine gemeine Bürgerstochter von den aufgeſtellten Kundſchaftern bei dem Richter angegeben wurde, daß ſie in einer ſeidenen Schürze einher ginge. Der Richter ließ ſie auf das Rathhaus kommen, und fragte ſie: warum ſie gegen die obrigkeit— liche Verordnung eine ſeidene Schürze triige? Das Mädchen war mit eben der Schürze erſchienen und antwortete ganz getroſt: Ei Herr Richter, es iſt mir leid, daß Sie unrecht ſind berichtet worden, ich bin keineswegs ſtrafbar, denn die Schürze, die ich vorhabe, iſt nicht ganz Seiden, ſondern es iſt noch etwas anderes darunter. 192. f Ein Reiſender erzählte einem Fuhrmanne, bei dem er unterwegs ſchlafen mußte, daß er im Gebrauche habe, im Schlafe aufzuſtehen, und in der Kammer herum zu rumoren, er ſollte ſich deßwegen nicht fürchten. Ach nein, ſagte der Fuhrmann, ich habe auch im Gebrauche, daß ich mir des Nachts einbilde, als führe und triebe ich meine Pferde, legte auch ſeine Peitſche bei ſich. Als nun der Nachtwandler aufſtand, peitſchte der Fuhrmann ſo lange, daß er heftig ſchrie, ſagte aber dabei, er ſollte ſich dadurch nicht hindern laſſen. 193. Ein Prediger katechiſirte über das erſte Hauptſtück des Kate— chismi, und rief: ein Mädchen auf: ſage mir nun, meine Tochter, iſt die Sünde etwas Böſes oder etwas Gutes? Sie antwortete: Et— was Gutes. Der Prediger war über dieſe unvermuthete Antwort böſe, und ſprach: Menſch! wie antwortet ihr fo dumm? Und fie er- wiederte: Herr! warum fragt er ſo dumm. y= ITs, 16 194. Ein Katholik beichtete dem Pater unter andern Sünden, daß er kürzlich auf einer Hochzeit geweſen wäre, und weil er etwas zu viel Wein getrunken gehabt, ſo hätte er dem Bräutigam bei der Braut etwas Eintrag gethan. Der Pater ſagte: die Sünde iſt zwar groß, doch ſoll fie dir vergeben fein. Der Beichtende fuhr fort, es blieb das bei nicht, ich traf auch einmal der Braut Schweſter allein an, und küßte ſie. Ei! Ei! das iſt zu viel, dafür mußt du Pönitenz thun. Herr Pater, ſagte der Beichtende ferner, es iſt noch nicht alles, ich weiß nicht, wie es zuging, daß ich auch mit der Braut ihrer Mutter zu thun hatte. Hier ſchrie der Pater, indem er ſein Käppchen auf die Erde warf: Das iſt ja gar was entſetzliches, warum führt mich denn der Teufel nicht einmal auf eine ſolche Hochzeit! 195. Ein Handwerksmann hatte zwei Söhne, einer war faul und ſchlief gerne, der andere war munter und arbeitete, und war ſchon mit dem Tage aus dem Bette. Wie nun dieſer einmal früh ausging, fand er eine ſeidene Geldbörſe mit etlichen Stück Dukaten. Er nahm die Geldbörſe, ging nach Hauſe, und zeigte ſolche ſeinem Vater, dieſer ging mit der Geldbörfe in die Kammer, wo der faule Sohn ſchlief, zeigte ihm die Geldbörſe, und ſagte zu ihm: Siehſt du Faullenzer, was dein Bruder gefunden hat, weil er ſo früh heraus iſt. Ich ſehe es wohl, ſagte der Faule, aber Vater, wenn der, welcher die Geld⸗ börſe verloren hat, im Bette, wie ich geblieben wäre, ſo hätte er ſie noch. 196. Ein blinder Mann ging einſt bei Nacht über die Straße, hatte aber in einer Hand eine Laterne, und in der andern einen Krug mit Waſſer. Es begegnete ihm ein junger Menſch, und ergriff den Blin⸗ den beim Arme, und ſprach zu ihm: Du biſt wohl ein rechter Narr, 17 was hilft dir doch wohl die Laterne, da doch Tag und Nacht bei dir einerlei iſt. Hierauf gab der Blinde mit lachendem Munde zur Ant— wort: Ich trage die Laterne nicht meinetwegen, ſondern für ſolche Eſel, wie du einer biſt, damit ſie mir nicht auf den Leib laufen, und meinen Waſſerkrug zerbrechen. 197. Ein Hofmann hielt ſich, ob er gleich ledig war, unter vielen an— dern Domeſtiquen, auch eine ſehr artige Kammerjungfer. Die Sache verurſachte Redens, und man zog ihn hin und wieder damit auf. Einſt bei der Cour wollte ſich auch eine der Prinzeſſinnen über ihn aufhalten, und fragte ihn, was er denn mit ſeiner Kammerjungfer machte? Eben das, antwortete der Cavalier ganz unſchuldig, was Ew. Durchlaucht mit Dero Kammerdiener machen. 198. Zwei Bauern, die ſchon längſt gern ihren Landesvater geſehen hätten, wurde endlich ihr Wunſch gewährt, und ſie ſahen noch oben drein ihre Landesmutter. Sie waren über die ſchönen Kleider, den Stern und das Gepränge des Hofſtaates ganz wie verſteinert. Nach— dem ſie lange genug gegafft hatten, ſtieß Einer den Andern in die Seite und ſagte: Du! ſollte denn auch der gnädige Herr Churfürſt wohl, wie unſer einer, bei ſeiner Frau ſchlafen? — Wo denkſt du hin, Narr? ſagte der andere. So ein vornehmer Herr, wie der Herr Chur— fürſt! Wofür hält er denn ſeine Kammerherren? 199. Der berühmte Conring water kleinſte Mann in ganz Helmſtädt; aber er bewohnte das größte Haus. Ein alter ſchon halb blinder Pre— diger des Orts hatte einen gleich alten Küſter, der eine ſehr zitternde und unleſerliche Hand ſchrieb. Einſt befand ſich unter den Fürbitten eine für einen Mann, der wahnſinnig geworden. Dies hatte der Küſter ausgedrückt: der in ſeinem Haupte verwirrt iſt. Der Prediger, Bibl. d. Frohſinns. IV. 2 18 nachdem er lange vergebens zugeſehen, brachte endlich heraus: der in ſeinem Hauſe verirrt iſt. — Er ließ das Blatt fallen und rief beſtürzt: Lieben Freunde! das iſt gewiß und wahrhaftig der kleine Conxing. Helf ihm Gott wieder zurechte! 200. Ein Schmidt in einer kleinen Stadt hatte einen großen Diebſtahl begangen, und es kam das Urtheil, daß er gehenkt werden ſollte. Die Gemeinde war darüber ſehr verlegen, und gab deßwegen höhern Orts eine Suplik ein. Wir haben, ſagten ſie, nur dieſen einen Schmidt, der uns ganz unentbehrlich iſt, aber dagegen drei Schneider, wovon wir ſchon einen miſſen könnten. Wenn es ja fein muß, henkt einen der Schneider, und ſchenkt nur dem Schmidt das Leben!“ 201. In einer Aſſemblee verſpielte ein gewiſſer Graf, der ſehr ver— ſchuldet war, große Summen. Einer der ihm zuſah, ſagte zu einem andern: Sehen Sie, wie der Graf wieder hineinreitet? — Das iſt wohl wahr, erwiederte dieſer; aber er reitet auf Wirken Die ſchont man eben nicht. 202. In einem Kriege gab ein General an allen Thoren der Stadt, wo er Commandant war, die Ordre, jeden Vagabund, der ohne Paß käme, unverzüglich zu ihm zu bringen. Das Unglück wollte, daß der erſte, den man zu ihm brachte, ein armer unſchuldiger Schneider war. Der General, der immer heftig zu poltern pflegte, und nach der Tafel insgemein einen Hieb hatte, fuhr ihm mit ſchrecklichen Flüchen auf den Leib, und gab Ordre, ihn augenblicklich zu henken. Der Schnei— der vor Angſt nicht wußte, wo er hin ſollte, bat den General ihn ge— linder zu ſtrafen, und ſchwur als ein Katholik, bei allen Heiligen, daß er ein armer unſchuldiger Schneider, und nichts weniger als ein Spion wäre. — Canaille! ſchrie ihn der General an; ſieht dir der Spitzbube nicht zu den Augen heraus? Henkt ihn! ohne Barmherzigkeit! führt ihn zum Galgen! — Der Schneider fiel vor ihm nieder und hielt ihn ſo lange am Rocke, bis er endlich ſchrie, man ſollte ihn auf die Wache bringen, und drei Tage hinter einander auf Leben und Tod Gaſſen laufen laſſen. — Heilige Mutter Gottes! rief der Schneider wieder; das iſt ja noch ärger als arg. Lieber den Strang. Ihro Gnaden! — Infamer! ſagte der General; Zeig mir den Paß her! den Paß! Aber du haſt keinen, du biſt ein Spitzbube. Alle Teufel ſollen mich holen, wo ich dich nicht morgen durch den Profoß an den Pfahl binden und zergeißeln laſſe, daß dir das Blut darnach läuft. — Um Gottes Barm— herzigkeit! bat der Schneider, ich ſteh's nicht aus; ich bin ja nur Ge— dächtniß von einem Menſchen. — Was? noch raiſonniren? ſchrie der General, o du eingemachter Hallunke von einem Spitzbuben! die Stadt willſt du verrathen? Unterofficier! daß ihm der Profoß morgen vor der Fronte einen Tritt in den W**** gebe, und dann mag er zu allen Teufeln laufen. — Der Profoß? ſagte der Schneider. Ich wäre unehrlich und fände bei keinem Meiſter mehr Arbeit. Haben doch Ihro Excellenz lieber ſelber die Gnade — — Komm her, Infamer! ſchrie der General, und indem er ihn herumkehrte, gab er ihm ſelbſt einen Tritt, daß er zur Thür hinaus flog. 203. Ein Prediger hatte ſich einen Text gewählt, worin der Apoſtel den Teufel einen Fürſten der Finſterniß nennt. Dieſer Ausdruck fiel dem Prediger auf. Es iſt hart, ihr Lieben, ſagte er, daß ein ſo ver— worfener Geiſt, der Teufel, ein Fürſt heißen ſoll: denn Fürſt iſt doch ein anſehnlicher Titel. Schicklicher hätte er ihn einen Selaven der Finſterniß, einen Kettenhund der Finſterniß u. ſ. w. geheißen. Doch ſagte er endlich — weil's der heilige Apoſtel geſagt hat, ſo mags ſo laufen! 204. Ein Friſeur und ein Barbier ſtritten mit einander, weſſen Metier das vornehmſte wäre? Herr, ſagte endlich der Friſeur, was wollen 25 . f 0 oa 0 20 Sie doch viel Redens machen? Vor Ihnen behält jeder die Mütze i dem Kopfe; vor mir nimmt ſie auch der König herunter. 205. b Ein Jude hatte in Petersburg einen wichtigen Prozeß, der ſchon viele Jahre gewährt hatte. Ein Miniſter, den er ſchon oft um Be— ſchleunigung deſſelben angegangen war, fragte ihn einſt bei Gelegen— heit, wie es denn eigentlich mit ſeinem Prozeſſe ſtände? — Ach, Ihro Excellenz, antwortete der Jude, ich wollte, der Herr Chriſtus wäre in Petersburg und nicht in Jeruſalem gerichtet worden. — Warum denn aber? fragte ihn der Miniſter. — Dann lebte er noch! ſagte der Jude. — Und wie das? — In Jeruſalem, Ihro Excellenz, gab's nur einen Pilatus und einen Herodes; aber hier — ehe man durch alle die Pilatuſſe und alle die Herodeſſe durchkommt! — 206. Eine Frau beklagte ſich über einen Diebſtahl, der in ihrem Hauſe von Soldaten begangen worden. — Haben die Diebe denn alles mit— genommen? fragte der Kapitain. — Nein, mein Herr, antwortete die Frau; etwas haben ſie da gelaſſen. — Nun, erwiederte der Kapitain, ſo können es meine Leute nicht geweſen ſein; denn die nehmen alles. 207. Ein Katholik kam an die Thüre des Himmels und wollte einge- laſſen ſein. Auf Befragen, wer er wäre? antwortete er dem heiligen Petrus: Ein Katholik. — So? erwiederte dieſer: einer von den Strohköpfen, die Heu freſſen, wenn der Pabſt es ſo haben wollte? du kannſt noch warten. — Der Candidat des Himmelreichs ſetzte ſich alſo auf die lange Expektanten Bank vor der Thüre. — Bald darauf kam ein anderer, und auf die Frage, wer er wäre, folgte die Antwort: Ein Kalviniſt. — So? ſagte Petrus, einer von den Grübelköpfen, die lieber gar nichts glaubten! Immer wart noch ein wenig! — Der Candidat ſetzte ſich auf die nämliche Erpektantenbank, dem erſten zur ‘\ 21 Seite. — Den Augenblick nachher kam ein Dritter, und antwortete dem heiligen Petrus, der abermals ſein Wer da? rief: ein Lutheraner. — So? ſagte Petrus, einer von den Dickköpfen, die weder Fiſch noch Fleiſch ſind? Faſſe dich in Geduld; du haſt ja Geſellſchaft. — Auch dieſer ſetzte ſich auf die nämliche Bank zu den beiden andern Candida— ten. — Da endlich allen dreien die Zeit lang ward, wurden ſie unter einander eins, den ſchriſtlichen Glauben zu ſingen, und ſtimmten ein— müthig an: Wir glauben all an einen Gott. In eben dem Augen— blicke eröffnete Petrus die Thüre. — O, ſagte er, wenn ihr Alle an einen Gott glaubt, ſo kommt ihr auch alle in einen Himmel. 208. Ein alter Advokat gab einem jungen ſeine Tochter zur Ehe, und ſtatt der Mitgabe trat er ihm drei einträgliche Prozeſſe ab. Der junge Doktor brachte zwei Prozeſſe nach Wunſch zu Ende, und ſah den drit— ten gleichfalls auf gutem Wege. Er glaubte Wunder, wie vortreff— lich er ſeine Sachen gemacht hätte, und wie ſehr ſein Schwiegervater ihn loben würde. Aber dieſer ward bei der Nachricht äußerſt unge— halten und rief: ich Narr! daß ich nicht meine Prozeſſe für mich be— halten. Noch zehn ganzer Jahre hätte ich meine ganze Haushaltung davon beſtellt! 209. Bei Gelegenheit der Vermählung des Grafen von Artois ſtattete die Stadt Paris, um ihre Freude zu bezeugen, zwanzig junge Mäd— chen aus. — Eine junge Wäſcherin von achtzehn Jahren meldete ſich und als ſie gefragt ward, wie ihr Bräutigam hieße, antwortete ſie: Mein Bräutigam? Ich habe geglaubt, die Stadt gäbe alles Nö— thige her. g 210. Ein Bauer ging über die Wechſelbrücke zu Paris, und ſah alle Kramladen voll Waaren; nur in einer Wechslerbude ſah er nichts. Er war ueugierig und fragte den Wechler: was hat der Herr gu ver— kaufen? — Eſelsköpfe, mein Freund! verſetzte der Wechsler, der den Bauer für einen einfältigen Tropf hielt. — Das iſt brav, ſagte der Bauer; ihr müßt vortrefflichen Abgang haben, denn ich ſehe, ihr habt nur noch einen einzigen. 211. Ja, ſagte ein Offizier, wenn ich ſo unglücklich wäre, einen dummen Sohn zu haben; nichts anders als ein Geiſtlicher ſoll' er mir werden. Ein Prediger, der in der Geſellſchaft zugegen war, ant⸗ wortete ganz kaltblütig: Sie denken da anders, mein Herr, als ihr Herr Vater dachte. 219; Eine Bürgersfrau hatte gegen Abend Beſuch von einem Nachbar; und da es ſchon finſter zu werden anfing, befahl fie ihrer Tochter, Licht zu bringen. Dieſe ſetzte das Licht ſtillſchweigend auf den Tiſch hin. Die Mutter, die nach ihrer Art eine Frau von Lebensart ſein wollte, ſchalt ſie, daß ſie nicht ein verbindliches Wort dabei ſpräche, wie etwa: Gott gebe Ihnen das ewige Licht! das Mädchen machte auf der Stelle eine Verbeugung und ſagte: Gott gebe Ihnen das ewige Licht! — Bald darauf bot die Mutter dem Herrn Nachbar eine Pfeife Taback an, die ſie ihn aber nicht an dem Lichte wollte anzünden laſſen. Sie hieß die Tochter ein Kohlenbecken bringen. Dieſe, der empfange— nen Lehre eingedenk, ſagte, da ſie das Feuer brachte, mit einer tiefen Verbeugung: Gott gebe Ihnen das ewige Feuer! 213. Ein Irländer, der bei Jemandem zur Miethe wohnte, lag bei einem erſchrecklichen Sturme ganz ruhig in ſeinem Bette und ſchlief. Man befürchtete, daß das Haus von den heftigen Windſtößen ein— ſtürzen möchte, und einer von den Hausbedienten kam zu dem Ir— länder hereingerannt, um ihn zu wecken. — Was giebts? fragte dieſer, 23 dem es gar nicht gelegen war aufzuſtehen. — Der Sturm wiithet ent- ſetzlich, rief der Bediente, und das Haus ſteht nicht ſonderlich feſt, wir befürchten ein Unglück. — Nun verſetzte der Irländer, indem er ſich wieder umkehrte und in ſein Bett wickelte, was geht das mich an? ſagts dem Hausherrn! 214. Der Pabſt Leo der Zehnte kam, nach ſeinem Tode, vor die Thür des Himmelreichs und klopfte an. — Wer iſt da? rief St Petrus. — Mach auf, verſetzte Leo, ich bin der verſtorbene Pabſt. — Ei, ſagte Petrus, wenn du der Pabſt biſt, ſo mach ſelbſt auf; du haſt ja den Schlüſſel zum Himmelreich. — Ach ja wohl! rief Leo, den Schlüſſel hab ich; aber du weißt ja, daß Luther das Schloß geändert hat. 215. Ein Arzt zu Poitiers, der etwas zerſtreut ſein mochte, ward zu einem Kranken gerufen. Die Frau erkundigte ſich nach dem Zuſtande ihres Mannes. — Er iſt ſehr krank, ſagte der Arzt. — Freilich! aber was fehlt ihm, mein Herr? — Was ſoll ihm fehlen? Er hat das Scharlachfieber. — Das Scharlachfieber? Und woran ſehen Sie das? — An ſeinen Händen. Sie ſind ja blutroth. — Ei, Herr Doktor; das kommt von ganz was anderm. Mein Mann iſt ein Schönfärber. — So? dann iſts gut! Er wäre bei meiner Ehre geſtorben, wenn er nicht Schönfärber wäre. f 216. Ein Bedienter bat ſeinen Herrn, der ein geheimer Kriegs- und Domainenrath war, ihm eine erledigte Thorſchreiberſtelle zu ver— ſchaffen. — Der Dienſt iſt ſchlecht, ſagte der Herr; du haſts beſſer, wenn du bei mir bleibſt. — Um Vergebung! antwortete der Bediente; wenn ich als Thorſchreiber die Augen des Tages nur einmal zuthue, ſo bringt mir das mehr ein, als wenn ich ſie bei ihnen die ganze Woche lang offen halte. 100 Vv 24 211. Ein Franzoſe, der eine Reiſe durch Deutſchland machte und nur wenig einzelne deutſche Wörter und Redensarten verſtand, kam einſt des Abends mit ſeinem Pferde, das ihm unterwegs plötzlich krank geworden war, bei einer Dorfſchenke an. Er ſorgte vor allen Dingen, ſobald er abgeſtiegen war, für ſein krankes Pferd und rief zu dem Ende den Hausknecht. — Der Hausknecht erſchien und fragte ihn, was er zu befehlen habe. Ausknecht! ſagte er, da mein Pferd is mir worden kanz krank. Keb ſie mire Kabinet vor die Pferd kanz allein; br fie mik? fang allein. — Der Kerl, der ſogleich den wahren Sinn des Worts Kabinet begriff, brachte wirklich das Pferd ganz allein in einen beſondern kleinen Stall und verſorgte es mit allem Noth- wendigen. Nun beſtand die ganze Krankheit des Pferdes darin, daß es trächtig war, ein Umſtand, den ſein Herr, der es erſt zu ſeiner Reiſe gekauft hatte, und ſich nicht ſonderlich auf Pferde verſtehen mochte, nicht wußte. Noch in derſelben Nacht brachte es ein junges Füllen zur Welt, daß ganz ruhig und munter neben der Alten lag, als eben der Herr des Morgens früh in den Stall trat. Er konnte ſich nicht ſogleich in dieſe unerwartete Erſcheinung finden, und glaubte, der Knecht habe ſeinem Befehle zuwider gehandelt, da er ihm doch ſo ernſtlich eingeſchärft, daß ſein Pferd einen Stall für ſich ganz allein haben ſollte. Er gerieth augenblicklich, nach der gewöhnlichen Leb— haftigkeit ſeiner Nation, in Hitze, und ſchrie dem eben hereinkom⸗ menden Hausknecht zornig entgegen: Ausknecht! was mak ſik die kleine Perſon ier bei meine kranke Pferd? Ab ik ſie nik befohlen — — Ey, mein Herr, antwortete der Hausknecht, was wollen Sie denn? Ihr Pferd war eine trächtige Stute, und Sie ſehen ja wohl, daß fie eben dieſe Nacht gefohlt hat. — Ei was kefohlt? antwortete der Franzoſe, der ihn nicht verſtand, meine Pferd aben nicks fu befeh⸗ len. — Wer ſpricht denn von Befehlen? verſetzte der Hausknecht wieder. Verſtehn ſie mich doch! das kleine Pferd da iſt das Fohlen von dem großen Pferde. — Der Franzoſe ſchrie abermals in dem 25 heftigſten Affekt: auk kleine Perſon aben ter niks fu befehlen. — Der Hausknecht war in nicht geringer Verlegenheit, wie er ſich ihm ver— ſtändlich machen ſollte; endlich ſagte er ihm: mein Herr, das kleine Thier da iſt das Kind von dem großen Pferde. Auf einmal verſtand ihn nun der Franzoſe, und ſein Zorn ging in freudiges Erſtaunen über. O, rief er aus, abe ik nik kewußt, daß meine Pferd ene Ma— dame is; da, Ausknecht — indem er in die Taſche griff, und ein Trinkgeld herauszog, — da aben ſie akt Kroſch, drink ſik davor die Keſundheit von die Madam un die kleine Kint. 218. Das ſpaniſche Theater hat, bei vielen vortrefflichen, auch viele äußerſt abgeſchmackte Situationen. Aber keine von allen iſt vielleicht ſo abgeſchmackt, als die in einem geiſtlichen Schauſpiele, die Schö— pfung betitelt, denn hier liegt Adam vor Gott dem Vater auf den Knieen und bittet, daß er ihn doch erſchaffen möge. 219. Ein gewiſſer deutſcher Fürſt ſtellte in ſeinem Lande eine gewalt— ſame Werbung an. Unter andern ward auch einer Schuſterwittwe ihr einziger Sohn genommen. Sie lief in der Angſt auf das Schloß und hatte das Glück, den Fürſten ſelbſt zu treffen, dem ſie die drin— gendſten Vorſtellungen that. Ich kann euch nicht helfen, erwiederte der Fürſt, müſſen doch meine eigenen Prinzen dienen! — Das glaub ich, verſetzte die Wittwe, Ew. Durchlaucht Prinzen haben auch nichts gelernt, aber mein Sohn iſt ein Schuſter. — Der Fürſt mußte lachen, und gab Befehl, ihren Sohn wieder auf freien Fuß zu ſtellen. > 220, 7 V Als einſtens eine Dame bei Hofe in einem Kleide erſchien, das ſo ſtark mit Gold Silber geſtickt war, daß ſie nicht darin gehen konnte, ſo fragte ſie ein Cavalier: Madame! welcher Goldſchmied hat ihr Kleid gemacht? 26 221. Zwei Dragoner von der Reichsarmee ſtanden hinter ihres Ober— ſten Zelt und zählten Geld. Einer, der ein Goldſtück hatte, fragte den andern, warum man dieſes Stück Friedrichsd'or nenne? der andere wußte es nicht, allein ein Offizier, der ihnen zugehört hatte, wollte den armen Leuten aus ihrer Ungewißheit helfen. Er ruft ihnen alſo gu; Kinder! das will ich euch ſagen, fie werden in Berlin unter dem Friedrichsthore geſchlagen, das weiß der Tauſendſte nicht. 222. Ein Pater ſuchte einen Bauern mit einem ſchlechtem Pferde zu hintergehen. Er ritt es ihm deßwegen vor, und prieß es ihm mit vieler Beredſamkeit an. Allein ſeine Bemühung war umſonſt und der Bauer zu ſchlau, welcher mit einem Kopfſchütteln den Kauf ausſchlug, und ganz gelaſſen ſagte: Herr Pater, wenn ſie mich betrügen wollen, müſſen Sie auf keinem Pferde, ſondern auf der Kanzel ſein. 223. . In einer fränkiſchen Stadt ſah der Commandant einen Bauer, der Eier zu verkaufen hatte, und handelte mit ihm aufs genaueſte darum, allein dieſer Sohn der Erde blieb bei ſeinen erſten und ziem⸗ lich theuren Preiſe. Der General bezahlte ihm endlich ſein verlangtes Geld, ließ aber an allen Thoren befehlen, ihm da, wo er hinaus paſ— ſirte, dreißig Prügel zuzuzählen. Der Landmann erhielt ſie, da er nach Hauſe wollte, ſeiner Einwendungen ungeachtet richtig, und war ſo wenig damit zufrieden, daß er wieder umkehrte, und ſich beim General beklagen wollte. Nachdem er aber hier nichts ausrichten konnte, ſo wollte er doch das erſte Thor nicht wieder paſſiren, und den Soldaten zum Gelächter dienen, ſondern durch ein anderes nach Hauſe gehen, wo man aber den nämlichen Befehl hatte. Er empfing alfo noch eine Doſe von dreißig Prügel. 27 224. Ein Vater verwies ſeinen Sohn, daß er fo lang in Tertia verbleibe. Der Sohn ſagte: ich darf mich deſſen nicht ſchämen, denn mein Präzeptor ſitzt nun bereits über zwanzig Jahre darinnen. 225. Ein Mädchen bekannte in der Beichte, daß ſie Leinwand geſtoh— len hätte. Der Pater, welcher ihre Beichte hörte, ſagte, daß ſie ſolche wieder geben müſſe. Aber, antwortete ſie, Niemand hat mich wegen des Diebſtahles in Verdacht; wenn ich ſie zurückgebe, ſo verliere ich meine Ehre. Wohlan denn, erwiederte der Geiſtliche, ſo bringe ſie mir das Geſtohlene wieder her, ich will es zurückgeben. Das Mäd— chen fand dieſes Mittel vortrefflich, und ungefähr eine halbe Stunde darnach brachte ſie ihm einen bedeckten und mit Leinwand wohl ver— deckten Korb, nebſt einer erdichteten Anweiſung; der Pater nahm den Korb an, und ſie ging eilfertig ihrer Wege. Des Mittags nahm der Pater den Korb mit in den Speiſeſaal, um ſeinen Ordensbrüdern ſeine Kraft und Geſchicklichkeit, die Gewiſſen zu rühren, zu zeigen. Sehet da, ſprach er, abermals eines von meinen Werken! Allein in demſelben Augenblick ließ ſich eine Stimme aus dem Korb hören, welche dem Weinen eines Kindes glich. Der Korb ward geöffnet, und zum großen Erſtaunen aller Mönche, und noch größrer Beſtür— zung des guten Paters, lag wirklich ein Kind darinnen, für deſſen Erhaltung das Kloſter ſorgen mußte. 226. Zur Zeit der Widerrufung des Edikts von Nantes, gab man auf den Dörfern jedem neu Bekehrten vier Thaler. Eines Tages begeg— nete der damalige Intendant von Languedoc, wie er ſpazieren ritt, einem Bauer, der unter allen der Hartnäckigſte zu bekehren geweſen war. Nun, mein Freund! redete er ihn an: glaubſt du jetzt noch, daß die Religion, die du verlaſſen haſt die beſte ſei? Ja, gnädiger Herr! antwortete der Bauer. Was Schurke! — Gnädiger Herr! 28 Sie müſſen das ja wohl ſelbſt geglaubt haben, weil Sie für billig gefunden haben uns vier Thaler auf die Unſrige heraus zu geben. 227. 5 Ein junger Herr hatte auf ſeinen Reiſen die Ehre, dem Papſte vorgeſtellt, und zum Fußkuſſe gelaſſen zu werden. Der Papſt fragte ihn, ob er ſich in Rom wohl umgeſehen habe? Er antwortete: ich habe alles geſehen, heiligſter Vater, und es bleibt mir nichts zu wünſchen übrig, als daß ich noch ein Conclave ſehen möchte. 228. Der Organiſt Kittel in Erfurt war, zu ſeiner Zeit, der größte Componiſt für die Orgel, und zugleich ein höchſt origineller Mann. Der Prediger, an deſſen Kirche Kittel mit achtzig Thalern Beſoldung angeſtellt war, war ein- ſtrenger Supernaturaliſt, und ließ oft die anſtößigſten Lieder in der Kirche ſingen. Wenn eine ſolche kraſſe Stelle kam, ſo zog Kittel immer den Tremulanten und das Glocken⸗ ſpiel der Orgel, um dieſe Stelle recht bemerkbar zu machen. Der Prediger beſchwerte ſich hierüber; allein Kittel kehrte ſich nicht dran. ; , 229. —Derſelbe- Prediger predigte oft Stunden lang. Geſchah dieſes im Winter bei großer Kälte, ſo präludirte Kittel bei jedem Geſange eine Viertelſtunde lang, und entgegnete, wenn jener ſich beſchweren wollte: Es müſſe Alles hübſch harmoniren. Zu einer langen Predigt gehöre auch ein langes Lied und ein langes Vorſpiel. 230. In Amſterdam erſchien eine Carrikatur, auf welcher Napoleon auf einem ungeheueren Krebſe rückwärts ritt. Der Kaiſer von Oeſtreich ſah aus einem Fenſter, und rief dem Kaiſer von Frankreich zu: Neh⸗ men Sie ſich in Acht, Herr Schwiegerſohn, den Fuchs habe ich leider ſchon gar oft geritten! ö 29 6 231. Als im Jahre 1813 ſehr viele Freiwillige nach Deutſchland kamen, welche hinten an ihren Röcken vier Knöpfe, und auf jedem derſelben ein N hatten, las dieſes ein Witzling jo: Nur — Nicht — Nach — Norden! N 232. Auf einem ſpaniſchen Schiffe hatte der alte kränkliche Schiffs— pater ſich ſein Amt ſehr leicht gemacht. Er ſang in jeder, zur Andacht beſtimmten Stunde, nur ein ganz kurzes Sätzchen, worauf die Schiffsgemeinde einen langen erbaulichen Geſang anſtimmte. So fang er fein gloria in excelsis Deo! Sodann: Deus vobiscum u. ſ. w. Die Gemeinde fang dann herrliche Pſalmen, z. B. den Ex profondis, das Miserere u. ſ. w. Der Geiſtliche hatte einen Papagai, mit welchem er ſich mehr beſchäftigte, als mit ſeinen Beichtkindern. Der Vogel lernte ſprechen. Nach einigen Wochen ſprach er alle Gebete faſt noch deutlicher und ausdrucksvoller, als ſein Herr. Ja, der gelehrte Vogel lernte ſogar dieſe Gebete mit der Menſchenſtimme vortragen! Als der Pater ſtarb, befand ſich kein anderer Geiſtlicher auf dem Schiffe. Da kam man in große Verlegenheit wegen des Seelenheiles der reiſenden Gläubigen. Aber gleich am andern Morgen kam gleich— ſam eine Offenbarung vom Himmel, welche dieſer Verlegenheit auf der Stelle ein Ende machte. Der Vogel ſang nämlich mit frommer Miene ſein gloria! Sogleich fiel die Gemeinde einſtimmig in das auf dieſes gloria paſſende Lied ein! Von jetzt an verſah der Pagagai, ohne die Weihe empfangen zu haben, das Prieſteramt; und da der junge Papagai eine reinere Stimme hatte, als der alte engbrüſtige Pater, ſo wollte die Schiffsgeſellſchaft auch auf ihrer Rückreiſe aus Amerika nach Spanien keinen andern haben, als den Vogel. 233. Ein Jude hatte von einem Chriſten nicht mehr als neun Procent Intereſſen genommen. Die Sache kam zur Klage, und der Richter 30 machte dem Juden Vorwürfe über die ungeheuren Procente, meinend, es fei doch das Höchſte, was erlaubt fei, feds Procent zu nehmen. Wie er es denn vor Gott verantworten könne, neun Procent zu nehmen. Verzeihen Sie, Herr Amtmann, hob jetzt der pfiffige Jude an: Vor Gott kann ich dieſes recht gut verantworten! Der ſieht vom Himmel herab! Da ſieht er eine 9 für eine 6 an! 234. Ein Student erzählte, daß einem ſeiner Freunde im vier und zwanzigſten Jahre ſeines Alters über einer heftigen Alternation in einem Momente ſeine pechſchwarzen Haare katzengrau geworden wären. Das iſt noch nichts, erwiederte ein Offizier: Mein Bruder, welcher in Baiern als Ofſizier dient, bekam die Nachricht, daß ſeine Frau plötzlich im Kindbette geſtorben ſei. Er trug eine rabenſchwarze Per— rücke. Dieſe war in derſelben Nacht auf ſeinem Kopfe ſchneeweiß geworden! 235. Ein Edelmann hatte viele Jäger bei ſich verſammelt. Man ſprach beim Mittagseſſen von Jagdangelegenheiten. Der Hauswirth erzählte: Er habe einen Sechzehnender durch das Gehör und durch einen Hinterlauf geſchoſſen. Alles lachte. Der Edelmann berief ſich auf ſeinen Jäger: „Erzähle doch, Johann, Du warſt dabei!“ Ja, ſagte Johann, der gnädige Herr ſchoß den Sechzehnender, als er ſich eben mit dem Hinterlauf hinter dem Gehöre kratzte. Jetzt ſprach Johann heimlich zu ſeinem Herrn: Lügen Sie mir künftig nicht ſo weit aus einander! Ich konnte es beinahe nicht zuſammen bringen! 236. Als Napoleon im Jahre 1812 aus Rußland retirirte, ſagte ein Witzbold: Es iſt doch eigen, daß Vater und Sohn zu gleicher Zeit das Laufen erlernt haben! Der junge König von Rom fing nämlich damals zuerſt an, ſeine kleinen Füße zu brauchen. 31 237. Ein ſpaniſcher General that eines Tages einem Ofſicier einen ſehr ſeltſamen Vorſchlag: Ich habe Sie, ſagte er, zu einer Sache auserſehen, wodurch Sie Ihr Glück machen können. Es betrifft die Ueberrumpelung von Arras, und hören Sie jetzt, wie ich mir die Sache ausgeſonnen habe: Sie ſollen ſich in einen Bauer verkleiden, und Obſt nach der Stadt zu Markte tragen; auf dem Markte müſſen Sie nachher mit Einem Händel anfangen, und ihn todt ſchlagen. Man wird Sie hierauf in Verhaft nehmen, und dieſes müſſen Sie geſchehen laſſen. Man wird den Augenblick das Urtheil über Sie ſprechen, und Sie verdammen, gehenkt zu werden. Ich weiß nicht, ob Sie wiſſen, daß man zu Arras die Miſſethäter alle außerhalb der Stadt hinrichtet, und auf dieſen Umſtand iſt mein Project hauptſäch— lich gebaut. Ich will mich mit einer Anzahl Soldaten nahe an dem Thore, durch welches man Sie herausführen wird, in einen Hinter— halt legen. Wenn nun alles auf dem Wege nach dem Gerichte ſein wird, ſollen ſich meine Leute des Thores bemeiſtern, und ich will mich nach dieſem vollends der Stadt bemächtigen; nachher will ich ſogleich zu ihren Dienſten ſein; und Sie wieder frei machen. Da ſehen Sie meinen Plan, und was ſagen Sie dazu? Er iſt ſchön, antwortete der Offizier, aber die Sache verdient einige Ueberlegung. Nun gut, erwiederte der General; überlegen Sie es, und ſagen Sie mir morgen Ihre Meinung. Dieſer kam den folgenden Tag wieder, und ſagte: Ihr Plan ſcheint mir vortrefflich, aber wenn ich bitten darf, laſſen Sie mich den Hinterhalt kommandiren, und ſeien Sie der Miſſe— thäter. i 1 238. Ein Menſch, der auf einem hohen Thurme auswendig herum klettern konnte, ließ fic) mit ſeiner Kunſt vor dem Könige Carl U. in England ſehen, und hoffte eine anſehnliche Belohnung davon zu tragen. Der König aber ſagte, daß er ihm ein Patent wolle aus— 32 fertigen laſſen, Kraft deffen ihm allein erlaubt werden folle, ‘de Kunſt zu treiben. 239. Bei einem Pater beichtete ein Mann, daß er einem Schlächter ein Schwein geſtohlen habe; das müßt Ihr ihm vergüten, ſagte der Pater. Dieſes bin ich auch Willens, antwortete das Beichtkind, und zu dem Ende habe ich das Geld zu mir geſteckt und ich will Sie er— ſuchen, ihm ſolches mit Verſchweigung meines Namens zuzuſtellen. Der Pater nahm das Geld, und verſprach es zu überliefern. Das folgende Jahr kam derſelbe Mann wieder, und bekannte abermals ein Schwein geſtohlen zu haben, wofür er ſogleich das Geld dem Pater behändigte. Ohngeachtet der an ihn geſchehenen Ermahnungen, kam er das dritte Jahr auch, und beichtete denſelben Fall. Aber, mein Gott! rief der Pater aus, iſt denn das ſchändliche Laſter, das Steh— len, bei Euch dergeſtalt zur Gewohnheit geworden, daß Ihr es gar nicht unterlaſſen könnt? Was habt Ihr davon, da Ihr doch zu Eurem Heil noch ſo gewiſſenhaft ſeid, den Diebſtahl zu vergüten, könntet Ihr denn nicht lieber das Schwein ordentlich kaufen? Nein, Herr Pater, antwortete der Beichtende, denn, wenn ich dem Fleiſcher das Schwein abkaufe, ſo macht er den Preis, wenn ich es ihm aber geſtohlen habe, ſo mache ich den Preis. 240. Eine Dame überraſchte einſtens ihren Mann, indem er ihrer Kammerjungfer einige Careſſen machte. Um nun dieſe Schäckereien ins Künftige zu verhindern, ſo gab ſie ihr den Abſchied, und ſagte zu ihr: Geht nur hin, meine Tochter, ich brauche Euch nicht mehr; denn ich will das ſchon ſelber verrichten, was Ihr hier thun wollt. 241. Ein reicher und geiziger Prieſter, welcher nicht wußte wo er ſein Geld ſicher genug verwahren ſollte, legte es in das Sakramenthäuschen, 33 und ſchrieb darüber: Dominus est in isto loco: (Der Herr iſt an dieſem Orte.) Ein anderer brach das Häuschen auf, nahm den Schatz hinweg, und ſchrieb darüber: Surrexit, non est hie. (Er iſt auf- erſtanden, und nicht mehr hier.) 0 242. Ein Mann hatte das Glück, daß ihm die Frauen mit Tode wohl abgingen. Als er nun die ſechſte wollte begraben laſſen und den Vor— ſatz hatte die ſiebente wiederum zu heirathen, gedachte er, ſolches durch einen merkwürdigen Text bei der Leichen-Predigt dieſer ſechſten Frau an den Tag zu legen. Er ging alſo zum Prediger und bat denſelben ſeiner verſtorbenen Frau zu Ehren, dieſen Spruch zu erklären: Aus ſechs Trübſalen wird dich der Herr erretten, und in der ſiebenten wird dich kein Uebel treffen. 243. 7 Zwei Kaufleute fuhren mit einem Diener zum Thor herein; der Thorſchreiber fragte den erſten: Wie heißen Sie? Mund, antwortete er. Und Sie? mein Herr? — Maul, — — O! ſagte er, ich will den dritten nur gleich beiſchreiben, der wird wohl Maulaffe heißen. 244. Ein ſpaniſcher Soldat, der lange gedient und ſeine Schuldigkeit bei allen Gelegenheiten gethan hatte, aber doch nicht weiter war be— fördert worden, kam zum König Philipp UI. und ſtellte ihm vor, daß nach ſeinen langwierigen Dienſten unter der Armee, er ſich nun genöthigt ſehe, in ſeinem Alter zu darben, indem er nichts zu eſſen hätte: Der König ſetzte ihm ein Gnadengeld von dreihundert Piaſtern aus. Kurze Zeit darnach kam derſelbe noch einmal mit einer neuen Klage. Was, ſagte der König, ſeid Ihr noch nicht zufrieden? habe ich Euch nicht vor einigen Monaten ſchon eine Penſion gegeben? Ja gnädigſter Herr, antwortete der Soldat, Ew. Majeſtät haben mir ſo viel gegeben, daß ich eſſen kann; aber ich habe vergeſſen, n um Bibl. d. Frohſinns. IV. 34 etwas zum Trinken zu bitten. Philipp konnte ſich kaum des Lachens enthalten, und der Soldat bekam noch einen Zuſchuß. 245. Der Doktor Koch und Profeſſor Taubmann, waren einſtens abgeordnet auf den Landtag nach Dresden zu reiſen; der Doktor ſtellte ſeine Reiſe etliche Stunden eher an, und ſagte in dem Gaſthauſe zu Großenhain, es würde bald der Scharfrichter aus Wittenberg kom— men, welchem man einen offnen Krug vorſetzen müßte; welches auch dem Herrn Profeſſor Taubmann bei ſeiner Ankunft wiederfuhr, und als er nach der Urſache fragte, warum man ihn ſo verdächtig tractire? ward ihm zur Antwort gegeben, er würde ja wiſſen, wer er wäre; und da Taubmann forſchte, wer denn ſolches ausgebracht? ward ihm geantwortet: Doktor Koch. Das verdroß Taubmann, und er dachte deswegen auf eine Rache, die ſich auch gut ſchickte; denn kaum war er in Dresden angekommen, fo ging er zum Churfürſten, und gab den Doktor Koch als einen Ehebrecher an, der bei ſeiner Köchin geſchla— fen; worauf der Doktor alsbald eingezogen, und nach etlichen Tagen, als ein Ehebrecher von dem Viskal angeklagt ward. Koch leugnete die Anklage mit Thränen, und berief ſich auf Taubmann, der würde wiſſen, wie er lebte. Indeſſen trat Taubmann hervor, und ſagte: Wie können Sie ſolches läugnen? Nicht einmal, ſondern wohl hun⸗ dertmal haben Sie bei Ihrer Köchin geſchlafen: denn wenn Sie Koch heißen, ſo muß ja Ihre Frau die Köchin ſein. 246. Auf einer Bauernhochzeit hatte man unter andern Speiſen einen Reißbrei aufgetragen, der ſehr ſtark mit Zucker und Zimmet beſtreut war. Dieſes war des Bräutigams Leibgericht, und recht nach ſeinem Appetit; weil er aber aus Höflichkeit nicht zuerſt zulangen wollte, ſo aßen die Gäſte allen Zucker und Zimmet herunter, daß davon nicht das Geringſte darauf übrig. Darüber ward der Bräutigam böſe, und als er auf den Abend mit der Braut zu Bette gehen ſollte, ſo wollte 35 er nicht in die Kammer. Man fragte ihn lange vergebens, endlich ſagte er aber trotzig: Wer den braunen Zucker vom Brei gegeſſen hat, der kann nun auch bei der Braut ſchlafen. ; | Psy 247. Ein Handwerksburſche reiſ'te mit einem Juden nach Frankfurt, und hatte nebſt ſeinem Bündel einen ſchweren Mantel zu tragen. Als ſie in das erſte Wirthshaus kamen, und die Zeche bezahlen ſollten, ſagte der Handwerksburſche: Ach! ich habe kein Geld bei mir, und weiß mir jetzt nicht zu helfen, bis ich nach Frankfurt komme; leihet mir doch einen Thaler, ſo bald wir dahin kommen, will ich ihn Euch wieder bezahlen. Indeſſen nehmt meinen Mantel dafür zum Pfande an. Der Jude lieh ihm einen Thaler, und nahm den Mantel zu ſich. Da ſie nun nach Frankfurt an das Thor kamen, nahm der Hand— werksburſche einen Thaler heraus, und bedankte ſich, ee er ihm fet» nen Mantel ſo weit getragen hatte. a 7 248. Der König Ludwig XI. war einſt auf einem ſeiner Luſt⸗ ſchlöſſer, und kam in die Küche, wo er einen muntern Jungen von vierzehn bis fünfzehn Jahren fand, der den Bratſpieß drehte. Dieſen Knaben fragte der König, wo er her wäre, was er ſei, und was er verdiene? Der Knabe, der ihn nicht kannte, gab ihm mit Dreiſtigkeit zur Antwort: Ich bin von Berry, und heiße Stephan; ich bin hier ein Küchenjunge, und verdiene ſo viel als der König. Wie verdient denn der König? fragte ihn Ludwig. So viel als er braucht, gab Stephan zur Antwort, und ich eben ſo viel. 249. Ein Biſchof, der nach einer benachbarten Stadt reiſen wollte, ward von der Nacht überfallen, und da er nicht wußte, ob er noch weit bis zur Stadt hätte, rief er einen Bauer, den er noch beim Pfluge auf dem Felde antraf, zu ſich und fragte: Mein Freund! 3 * 36 werde ich auch wohl noch in die Stadt kommen können? Der Bauer, der einen ſehr dicken und ſtarken Mann vor ſich ſah, gab ihm zur Ant— wort: Warum nicht mein Herr! ich habe noch dieſen Morgen ein Fuder Heu hinein geſchickt, ich glaube alſo wohl, daß Sie noch werden hinein kommen können, wenn man unterdeſſen das Thor nicht enger ge— macht hat. 5 250. 5 Einer fragte einen Andern, was er für ein Landsmann wäre. Dieſer antwortete: Ein Schleſier; Ha, ha, alſo ein Eſelsfreſſer, ver— ſetzte der Erſtere. Hierauf fragte der Andere: Sind Sie wohl jemals in Schleſien geweſen? O ja. Ei! ſo wunderts mich, daß Sie nicht gefreſſen worden ſind. 251. Es war einſt bei Voltaire Geſellſchaft, und man fing nach Tiſche an Hiſtörchen von Räubern und Dieben zu erzählen. Als jede Dame dergleichen erzählt hatte, kam die Reihe auch an den Herrn von Vol— taire. Er fing an: Mesdames, es war einmal ein Generalpächter — das Uebrige habe ich wahrlich vergeſſen. 252. Eine vornehme Dame begegnete einer Operiſtin in dem Gange hinter dem Theater. Sie redete ſie an, und ſagte: Nun, Mademoi⸗ ſelle, wie geht das Handwerk? dieſe antwortete: ſchlecht, Madame! es iſt jetzt wenig dabei zu verdienen. Wie ſo? verſetzte die Erſte. Die Operiſtin erwiederte: Es pfuſchen zu viel Damen darein. — 253. Ein alter Herzog von Braunſchweig kam an einen Sonntag in Hamburg an, und ſtieg an dem Hauſe eines Banquiers ab, der aber nicht zu Hauſe war; man ging eben in die Kirche, der Herzog ent- ſchloß ſich auch dahin gehen, und ließ ſich in den Stuhl ſeines Wirths 37 führen, den noch etliche andere Kaufleute zu benutzen hatten. Ein junger Kaufmannsſohn, der erſt kürzlich von Reiſen gekommen war, trat nach ihm hinein, und ſah den Fremden, der in ſeinen Reiſeklei— dern eben keine ſonderliche Figur machte, ziemlich über die Achſeln an; der Klingelbeutel ließ ſich hören, der Herzog legte einen Gulden vor ſich, der junge Menſch ſah es für eine Ausforderung an, und wollte einem in ſeinen Augen ſo geringen Nebenbuhler des Stolzes ſeine Macht zeigen, er zog einen Dukaten heraus, und legte ihn, ſo wie Jener den Gulden, vor ſich; der Herzog, der nun ſeinen Mann ken— nen lernte, wollte ihn weiter probieren, und legte auch einen Dukaten zu ſeinem Gulden, Jener holte zum Trotz noch einen hervor, und ſo überſtiegen ſich beide, bis jeder zwölf Dukaten vor ſich liegen hatte. Der Klingelbeutel kam, der junge Herr, dem er zuerſt präſentirt wurde, warf mit einer heldenmäßigen Großmuth ſeine zwölf Dukaten hinein, der Herzog aber, der klüger war, ſtrich die zwölf Dukaten ein, und gab nur den Gulden hin. 5 254. Ein Cavalier, der nur im Munde Herz hatte, kam einſt in Ge— ſellſchaft, wo eine Dame war, die ihre drei Töchter bei ſich hatte. Dieſer brachte verſchiedenes ungereimtes Zeug vor, und ſagte auch unter andern, daß er gerne für jede Jungfer, die man ihm zeigen könnte, einen Louisd'or geben wollte, die Mutter antwortete ihm hierauf, daß ſie ihm wenigſtens eine zeigen könne. Welche iſt es denn? fragte er weiter. Ihr Degen, mein Herr, antwortete die Dame. 255. Einem Bauer ward ein Kind geboren, welchem er, weil ſonſt Niemand gegenwärtig war, die Nothtaufe geben mußte. Bald darauf ſtarb daſſelbe. Der Bauer wickelte es in ein Tuch, und brachte es dem Prieſter, nachdem er ſeinem Sohne wieder anbefohlen hatte, das Kalb im Stalle an ein Seil zu binden, und nachzubringen. Da nun der 38 Bauer mit dem Kinde zum Priefter kam, bat er ihn, das Kind an den geweihten Ort begraben zu laſſen, weil er es getauft hätte. Der Prieſter fragte: Wie ſagteſt du, als du es taufteſt? ich will es wiſſen. Der Bauer ſprach: alſo: Ich taufe dich in dem Namen des Vaters und des heiligen Geiſtes. Amen. Der Prieſter ſagte: Wo bleibt denn der Sohn? Der Bauer erwiederte: Der kommt nach, und bringt ein Kalb, das ich Euch ſchenken will, daß Ihr mir das Kind auf den Kirchhof begraben ſollt. 256. Eine Geſellſchaft aus der Stadt, welche ſich auf dem Lande be- luſtigte, traf beim Spazierengehen einen ziemlich großen Bauern⸗ jungen an, welcher die Schaafe hütete. Ein junges munteres Frauenzimmer aus der Geſellſchaft wollte ſich mit dieſem Jungen eine Luſt machen. Sie ging alſo zu ihm, und fragte ihn: ob er ſchon eine Frau habe? Er antwortete: Nee. Deſto beſſer, ſagte ſie, ſo will ich dich heirathen. Der Junge wies die Zähne, ſchüttelte den Kopf und antwortete: Nee. Einer aus der Geſellſchaft ſtellte ihm vor, wenn er die Demoiſelle nähme, ſo bekäme er eine ſchöne Frau, käme nach der Stadt und kriegte ſchöne Kleider und gutes Eſſen und Trinken. Er lachte ſchalkhaft und ſagte: Ick mag nich. Warum willſt du mich aber nicht haben? fragte das Frauenzimmer. Ei, verſetzte der Junge, wenn ick ju nähm, da kreeg ick woll mehr to höden, als mit mynen Schaapen. 257. Ein Mönch predigte am erſten Advents Sonntage des Morgens. Nachdem er alles, was er nach Anleitung ſeines Textes zu ſagen wußte, vorgetragen hatte, ſagte er: Meine Geliebte! die Ausleger ſind nicht einig, ob der Eſel, worauf der Einzug geſchah, ein Eſel oder eine Eſelin geweſen fet. Wir wollen uns aber bei dieſen Klei⸗ nigkeiten nicht aufhalten, fondern fie dem Nachmittagsprediger über⸗ laſſen, und zur Nutzanwendung ſchreiten. Der Pater Andreas, 39 welchem dieſe verächtliche Stichelei ſogleich hinterbracht wurde, und der gar der Mann nicht war, eine Beleidigung ſtecken zu laſſen, ſagte in ſeiner Nachmittagspredigt: Geliebte Zuhörer! mir iſt nicht unbe— kannt, daß die Ausleger über das Geſchlecht des Eſels, worauf der Einzug geſchah, nicht einig ſind. Der Bruder, welcher euch heute Vormittag gepredigt hat, wußte dieſe Schwierigkeit nicht aufzulöſen, ſondern verwies die Erläuterung an mich. Nun, wohlan! ſo ſagt ihm denn in meinem Namen, daß ich und alle verſtändige Leute ihn für einen Eſel halten. . Die Eltern eines Gaskoniers hatten mit ihrem Freunde in Paris Abrede genommen, daß ihr Sohn ſeine Tochter heirathen ſollte. Das Portrait der Braut ward überſandt, und da es dem jungen Menſchen gefiel, ſo ward die Sache zwiſchen den Eltern geſchloſſen, und alles in Richtigkeit gebracht. Sie ſandten hierauf den Sohn nach Paris, um die Heirath zu vollziehen. Wie er aber ankam, fand er, daß die Braut grundhäßlich, und das Gemälde ihr gar nicht ähnlich war. Er wollte ſie alſo nicht. Der Brautvater, welcher ſich hierdurch höchlich beleidigt fand, beſtand durchaus auf die Vollziehung der Ehe, und ſagte, daß die Sache zu weit gekommen wäre, als daß er, ohne die Ehre ſeiner Tochter zu beleidigen, zurücktreten könne, und falls er ſich nicht in der Güte dazu verſtehen würde, ſo wollte er ihn ſchon durch richterliche Gewalt dazu zwingen. Nun! ſagte der Bräutigam, der Richter kann mich doch zu weiter nichts zwingen, als das Portrait zu heirathen, denn weiter hatte ich nichts geſehen, als ich Ja ſagte, und dieſes erbiete ich mich auch in der Güte zu thun. 259. Ein Prediger predigte über die bekannte Unterredung zwiſchen Jeſus und Nikodemus. Jeſus zeigt hier dem Nikodemus, daß ja nicht einmal die gewöhnlichen Naturerſcheinungen den Menſchen noch ganz klar ſeien, wie z. B. das Blaſen des Windes; geſchweige denn 40 die inneren Erſcheinungen im Menſchen — z. B. ſeine Wiedergeburt 2c. Er braucht dabei die Ausdrücke: Der Wind bläſet, wo er will, und du höreſt ſein Sauſen wohl; aber du weißt nicht, woher er komme, und wohin er gehe. Darauf ſtellte jener Prediger vor: Das Sauſen und Brauſen des Windes. Erſtlich: woher er komme; zweitens: wohin er gehe; drit⸗ tens: wie wir Beides gar nicht wiſſen. 260. Der Pfarrer Käſtner in S. war ein höchſt origineller Mann. Einſt predigte er über die wunderbare Speiſung in der Wüſte. Bei dieſer Gelegenheit kam er ſehr in Eifer über die Ketzer, welche dieſes Wunder für natürlich erklären wollten, und äußerte: er hoffe nicht, daß auch unter ſeiner Gemeinde ſolche räudige Schaafe wären, und fragte zuletzt: Nicht wahr, ihr glaubt es Alle? Da vergaß ſich der Schultheiß des Ortes, welcher ſeit einige Zeit mit dem Pfarrer ge- ſpannt war, und ſagte ganz laut: Nein, ich glaube es nicht! Der Pfarrer reichte wegen dieſes ärgerlichen Auftrittes eine Klage gegen den Schultheiß ein, und dieſer mußte fünfzig Thaler Strafe erlegen. Im folgenden Jahre predigte Käſtner über daſſelbe Evangelium, und behauptete im Laufe ſeiner Predigt: Er hoffe, daß jetzt kein Menſch mehr in ſeiner Gemeinde an dieſem Wunder zweifeln werde. Im vorigen Jahre habe der Schultheiß ſeinen Zweifel dagegen laut werden laſſen; allein es ſei ihm angeſtrichen worden! Der Schultheiß verklagte nun ſeinerſeits den Pfarrer, und dieſer mußte ebenfalls fünfzig Thaler bezahlen, weil er unbefugter Weiſe eine ſchon abge— machte Sache auf der Kanzel zur Sprache gebracht hatte. Im folgen⸗ den Jahre kamen der Pfarrer und der Schultheiß an demſelben Sonn- tage vor der Predigt auf dem Kirchwege zuſammen. Herr Schultheiß! hob jetzt Käſtner an, vor zwei Jahren hat Er die fünftauſend Mann geſpeiſet; im vorigen Jahre geſchah dies auf meine Koſten. Von nun an mag ſie künftig der Herr Jeſus ſelbſt wieder ſpeiſen. 41 261. In G. lebte cin ſehr gelehrter und dabei höchſt gutmüthiger Pre- diger, deſſen Sprachorgane von ſo fehlerhafter Beſchaffenheit waren, daß man ſelbſt in der kleinſten Entfernung nur unverſtändliche und unartikulirte Töne vernahm. Einſt kam ein Fremder in die dortige, ſehr ſchön gebaute große Kirche. Er hatte ſich auf das Chor poſtirt, verſtand aber von der Predigt kein Wort. Nach der Predigt fragte er ſeinen Nachbar, was der Prediger für ein Mann ſei? Man rühmte ſeine Herzensgüte. Der Fremde fragte weiter, ob man ihn auch gern als Prediger höre? O ja, war die Antwort, er iſt ein braver Predi— ger! Aber, erwiederte der Fremde, ich habe kein Wort verſtanden. Das glaube ich, entgegnete der Bauer, wir haben ihn nunmehr dreißig Jahre, und noch hat kein Menſch je ein Wort von ihm verſtanden, und Sie hören ihn das erſte Mal, und wollen ihn verſtehen! 262. Ein Prediger ſchloß nach der Abkündigung des Decems mit den Worten: Ich predige das Wort Gottes lauter und rein, Und ſo ſoll auch mein Decem ſein. Amen! e 263. Ein anderer ſchloß bei derſelben Gelegenheit, nachdem er über die Zerſtörung Jeruſalems gepredigt hatte, folgendermaßen: Jeruſalem hat hohe Mauern! Grobe Flegel ſind meine Bauern! Sie geben mir meinen Decem nicht, Meinen Jeſum laß ich nicht. Amen! 264. Ein katholiſcher Prediger wartete lange auf Beichtſöhne in ſeiner Sakriſtei. Endlich, da es ſchon dunkel zu werden beginnt, erſcheint ein Landſtreicher, der zu beichten begehrt. Nun, fragt der Geiſtliche, 42 welches iſt denn bisher Eure Schoosſünde geweſen? „Ich ſtehle, ehr⸗ würdiger Herr!“ In dieſem Augenblicke zieht er dem Pfarrer eben ſo künſtlich, als unbemerkt die Taſchenuhr aus der Taſche. So müßt Ihr nicht ſagen, nimmt jetzt der Geiſtliche das Wort. Ihr müßt ſa⸗ gen: Ich habe geſtohlen. „Nun, ehrwürdiger Herr, ich habe geſtoh— len!“ Wenn ich Euch aber eine Sünde vergeben ſoll, ſo müßt Ihr das Geſtohlene dem Eigenthümer wieder zurückgeben. Was habt Ihr denn geſtohlen? „Eine Taſchenuhr, ehrwürdiger Herr. Ich will die⸗ ſelbe Euch geben.“ Nein, ich mag ſie nicht! Ihr müßt die Taſchen⸗ uhr dem rechtmäßigen Beſitzer wieder zuſtellen! „Das iſt ja eben das Unglück, Ihro Ehrwürden. Der rechtmäßige Beſitzer will ſie nicht haben!“ O dann könnt Ihr ſie in Gottes Namen behalten! Ich er⸗ theile Euch nun ohne Bedenken das tröſtliche Wort der Abſolution. Der Sünder ging. Der Pfarrer wollte nach einiger Zeit nach ſeiner Uhr ſehen; bemerkte aber bald, auch ohne Uhr, wie viel es geſchla⸗ gen habe. 265. Ein katholiſcher Geiſtlicher wurde zu einem Kranken gerufen, welcher vorgeblich vom Teufel beſeſſen war. Er nahm ſeinen ſehr einfältigen Neffen mit, welcher geiſtlich ſtudirt hatte, und der ihm in Kurzem beigeſetzt werden ſollte. Der Geiſtliche ſchärfte es dem Neffen ein, ſich in ſeinen Antworten für immer nach ihm zu richten, damit er ſich nicht proſtituire. Gleich beim Eintritt, der geiſtlichen Herren zeigte der Beſeſſene auf den alten ehrwürdigen Geiſtlichen, und ſprach: „Wer iſt dieſer Heilige?“ Da antwortete der Pfarrer mit frommer Miene: Ich bin noch kein Heiliger, hoffe aber durch Gottes Beiſtand dereinſt noch ein ſolcher zu werden. Jetzt wendete ſich der Beſeſſene an den jungen Candidaten, und ſprach: „Wer iſt dieſer Eſel?“ Da ſprach der Candidat mit frommer Miene: Ich bin noch kein Eſel, hoffe aber durch Gottes Beiſtand dereinſt noch ein ſolcher zu werden. 43 266. Der berühmte Componiſt für die Orgel, Umbreit, hatte früher eine Schule in Sonneborn, im Herzogthume Gotha. In der erſten Stunde, welche er in dieſer Schule hielt, ſagten ihm die Kleinen das Reimgebetlein her: Herr, der du mir das Leben bis dieſen Tag ge— geben, ich danke dir dafür ꝛc. Umbreit wollte doch hören, ob die Kinder dieſes Reimgebetlein auch verſtänden, und fragte: Wer iſt denn der Herr? Da riefen alle freudig und einſtimmig: Der Ritt— meiſter auf dem Schieferſchloß. Dieſer wurde nämlich im ganzen Orte der Herr genannt, weil er der Einzige von den vielen Adelichen, die in dieſem Orte Güter beſitzen, war, der damals hier wohnte. 267. Ein Cantor in einer Dorfgemeinde führte eine Leichenmuſik auf. Der Sohn des Pfarrers wurde begraben, und kurz zuvor war des Cantors liebes Söhnlein, Hans Tobias, im Tode vorangegangen. Dieſes veranlaßte den Cantor, ein Recitativ zu ſingen, welches nur dieſe Worte enthielt: Wenn du kömmſt ins Paradies; Grüß mir meinen Hans Tobies! * 268. Taubmann war bekanntlich Profeffor und Hofnarr eines ſäch— ſiſchen Fürſten. Einſt wollte ihn ein läppiſcher Hofſchranze, der ihm an der fürſtlichen Tafel gegenüber ſaß, ſchrauben, und ſtellte die Frage an ihn: Wie man einen Hofnarren und einen wirklichen Narren von einander unterſcheide. Das iſt ſehr leicht gemacht, antwortete Taub— mann. Man braucht nur eine fürſtliche Tafel zwiſchen ſie zu ſetzen! 269. Ein Mann, welcher eine kleine, aber dabei ſehr böſe Frau hatte, pflegte oft zu ſagen: Er habe von allen Uebeln das Kleinſte erwählt. — f 44 270. Eine Buchdruckerfrau, welche einen ſanften und braven Mann hatte, benutzte die Güte deſſelben, um ihn ganz zu unterjochen. Es war ihr immer ſehr anſtößig, daß in der Bibel, bei deren Herausgabe ſie ihrem Manne half, die Herrſchaft des Mannes über die Frau durch Gott ſelbſt eingerichtet zu ſein ſcheint. Sie ſetzte daher immer, wenn es an die Worte kam: „Er (nämlich der Mann) ſoll dein Herr ſein;“ er ſoll dein Narr ſein. Die Exemplare dieſer Bibel haben ſich ſelten— gemacht. Eine davon iſt noch auf der Gothaiſchen Schloßbibliothek. 271. Ein armer Ehemann ward von ſeiner Kantippe ſehr gemißhandelt. Er bekam ſogar zuweilen Schläge von derſelben. Seine Freunde neckten ihn damit, und hetzten ihn auf, ſich doch herauszuſetzen. Er verſprach es ganz gewiß zu thun. Einſt war Kantippe ſo wüthend, daß ſich ihr Mann genbthigt ſah, unter einen Tiſch zu retiriren. In dieſem Augenblicke hörte ſie die Stimmen der Freunde in dem Vor— ſaale. Jetzt beſchwor ſie den Mann geſchwinde hervorzugehen: „Nein, rief er triumphirend: Ich gehe ſchlechterdings nicht hervor! Ich will doch endlich einmal zeigen, daß ich Herr im Hauſe bin.“ 272, Jemand machte von einen Herrn Seebach, welcher ſehr ein— ſylbig war, dieſe Charade: Die erſte iſt naß; Die zweite iſt naß; Das Ganze iſt — trocken. 273. In Paris ward zu Anfange dieſes Jahrhunderts Kotzebues „Menſchenhaß und Reue“ vielmal hinter einander aufgeführt. In der rührendſten Stelle dieſes Schauſpieles, welches bei ſehr großen 45 Fehlern, doch ſehr viel Ergreifendes hat, floffen immer ſehr reichliche Thränen. Eben nahte ſich das Stück einer dieſer Stellen, da gewahrte man im Parket einen jungen, ſehr elegant gekleideten Mann mit einem ungeheueren, weit ausgebreiteten, bis dahin verborgen gehal— tenen Regenſchirm. Alles lachte, und man kam für dieſes Mal durch— aus zu keiner Rührung. 274. In einer bekannten deutſchen Reichsſtadt pflegten die hochweiſen Herren vom Magiſtrate jährlich an einem beſtimmten Tage ein großes Gaſtmal zu geben. Den Beſchluß der Speiſen machte, nach herge— brachter alter Gewohnheit, jedesmal ein Ochſenbraten. Um dem Feſte einen ganz außerordentlichen Glanz zu verſchaffen, ließen die Herren ſich immer eine eigene Cantate dazu verfertigen. Einſt machte der bekannte luſtige Dichter D. den Text, und T. mußte ihn kompo— niren. Das Ende des letzten Chors hieß ohngefähr: Wenn wir dann unſre Pflicht für Stadt und Bürger thaten, Dann eſſen wir in Ruh und Frieden, Ochſenbraten. T. komponirte, von D. angeſtiftet, die Worte auf dieſe Art: Dann eſſen wir in Ruh und Frieden, wir Ochſen, wir Ochſen — Braten. 275. Ein Schuldeinforderer war über Land gegangen, um eine Geld— poſt von einem Bauer einzuziehen. Unterwegs geſellte ſich der Teufel zu ihm, und begleitete ihn. Indem ſie alſo durch ein Dorf gingen, weinte ein Kind, und die ſehr zornige Mutter ſagte: Nun ſchrei, daß dich der Teufel holen müſſe! Der Schuldbote ſprach zum Teufel: Hörſt du nicht, daß man dir da ein Kind giebt, warum nimmſt du es nicht? Der Teufel antwortete: Es iſt der Mutter ihr Ernſt nicht, ſie iſt zornig. Sie gingen weiter, und trafen eine große Heerde Säue auf dem Felde an, von welcher ſich eine Sau verlaufen hatte, welcher der Sauhirte nachlief, und die er mit den Worten wieder zur Heerde 46 trieb: daß dich der Teufel hole! Der Schuldbote ſprach abermals zum Teufel: Da giebt man Dir eine Sau, warum holſt du ſie nicht? Der Teufel erwiederte: Was ſollte ich mit der Sau thun, wenn ich ſie nähme, ſo müßte ſie der arme Hirte bezahlen. Sie kamen endlich an den Hof, wo der Schuldbote das Geld einfordern ſollte, und fan— den den Bauer in der Scheune dreſchen. Als dieſer den Schuldboten erblickte, ſprach er: Woher kommſt du in aller Teufel Namen? daß dich der Teufel hole! Hierauf ſagte der Teufel zum Schuldboten: Hörſt du, was der Bauer ſagte? Dem iſt es gewiß Ernſt; und damit packte ihn der Teufel an. 276. Ein katholiſcher Bauer pflegte immer das ſchlechteſte Geld, was er hatte, zu opfern. Nachdem der Prieſter dies gewahr worden war, ſann er auf ein Mittel, dieſes dem Bauer abzugewöhnen. Als nun am Oſterfeſte der Bauer zum Nachtmahl gehen wollte, hatte der Prie— ſter ein dergleichen Stück ſchlechtes Geld in eine Hoſtie mit einbacken laſſen. Wie nun der Bauer kam, reichte ihm der Prieſter dieſe Hoſtie, welche er beſonders dazu hingelegt hatte. Der Bauer ging davon, konnte aber dieſelbe nicht hinunter ſchlucken, und erſchrak ſehr, er winkte daher dem Prieſter, und ſagte ihm in's Ohr: O Herr, was habt Ihr mir für einen harten Herr Gott gegeben, er will nicht hinab. Der Prieſter ſprach: Schlucke nur, vielleicht geht er hinab. Nein, ſprach der Bauer, er will durchaus nicht hinab. Der Prieſter fragte ihn: Was dünkt dich denn, was er für eine Geſtalt habe? Mich dünkt, ſprach der Bauer, es ſei ein Pfennig. Beſinne dich, erwiederte der Prieſter, ob du dich an keinem Pfennig verſündigt haſt? Der Bauer ſagte: Würdiger Herr! höret meine Beichte. Er ging mit dem Prie⸗ ſter hinter den Altar, und beichtete, daß er beſtändig bös Geld ge— opfert, und Gott ihn jetzt geſtraft hätte. Darauf führte der Prieſter den Bauer wieder vor den Altar, nahm ihm das Geldſtück aus dem Munde, und gab ihm das rechte Sakrament; worauf der Bauer kein ſchlechtes Geld mehr opferte. 47 277. Taubmann ward einſt an die Churfürſtliche Tafel gezogen, und der Churfürſt machte viele Kurzweil mit ihm, befahl auch heim— lich dem Hofmeiſter, des Churfürſten Mundlöffel dem Taubmann in ſeine Taſche zu practiciren, welches der Hofmeiſter auch that; aber Taubmann merkte ſolches, verſtellte ſich jedoch, als wüßte er von nichts, ſondern ließ, ſich den Löffel einſtecken. Inzwiſchen brachte Taubmann den Löffeßgar liſtiger Weiſe unbemerkt in des Churfürſten Taſche, Wie nun die Tafel aufgehoben, und ein Nachfragen und Suchen nach dem Löffel war, fragte der Churfürſt die Churfürſtin, was hiebei zu thun ſei? Gab auch alsbald darauf dem Hofmeiſter Befehl, Anſtalt zu machen, daß Niemand aus dem Churfürſtlichen Gemache gelaſſen würde, ehe er nicht vorher viſitirt worden. Da nun die Reihe herum war, bis auf den Churfürſten und Taubmann, ſagte der Churfürſt zu Taubmann: Einer von uns beiden muß ihn haben, weil ſonſt Niemand hier geweſen iſt. Ein Schelm hat ihn geſtohlen, nicht wahr, Herr Taubmann? Meinethalben, ich bin's zufrieden, ant— wortete hierauf Taubmann. Aber, verſetzte der Churfürſt, damit iſts noch nicht ausgerichtet, unter uns muß auch Unterſuchung ge— ſchehen. Ich bin es zufrieden, antwortete Taubmann, und wies beide Taſchen, aber da war kein Löffel zu ſehen. Was iſt das? ſagte der Churfürſt, fragte auch den Hofmeiſter, wie geht das zu? Taubmann ſprach: Ihro Churfürſtliche Gnaden müſſen Ihre Taſchen auch, wie ich umkehren, und beweiſen, der Löffel kann unmöglich weg ſein. Der Churfürſt wandte geſchwind die eine Taſche um, und brachte den Löffel unvermuthet hervor. Ei! wohlan, ſprach der Churfürſt: weil du den Poſſen ſo gar künſtlich gemacht haſt, ſo ſei dir der Löffel geſchenkt. 278. Als der türkiſche Kaiſer Soliman Belgrad belagert hatte, kam eine gemeine Frau einſt zu ihm, und beſchwerte ſich, daß ſeine Soldaten ihr Vieh in einer Nacht geſtohlen hätten, worin ihr ganzes 48 Vermögen beſtände. Ihr müßt auch ſehr feſt ſchlafen, ſagte der Sul⸗ tan zu ihr, daß Ihr die Räuber nicht gehört habt. Freilich ſchlief ich, gnädigſter Kaiſer, antwortete die Alte, im Vertrauen, daß Ihro Hoheit für die allgemeine Sicherheit wachten. Der Sultan, dem es nicht an Erhabenheit des Geiſtes fehlte, billigte dieſe Antwort, ſo dreiſt ſie auch war, und erſetzte ihr den Schaden. 279. 5 Ein Candidat gab den Aufſatz einer Rede, die er öffentlich halten ſollte, einem ſeiner Freunde zu leſen, um deſſen Meinung darüber zu vernehmen. Wie er fie wieder abholte, fagte fein Freund zu ihm: er habe fie dreimal geleſen, und das erſt Mal gut, das andre Mal mit⸗ telmäßig, und das dritte Mal ſehr ſchlecht gefunden. Wenn das iſt, antwortete der Candidat, ſo iſt ſie gut, denn ich ſoll ſie nur einmal halten. 280. Drei Seeräuber hatten von ihrem Gewinnſte viertauſend Dufa- ten in eine Wechſelbank gelegt, und dem Wechsler ausdrücklich befoh— len, er ſolle davon nichts auszahlen, ſie wären denn alle drei bei einander. Einer unter ihnen, der verſchlagener, als die andern war, verſtellte ſich, als wären ihm ſchöne Landgüter nahe bei der Stadt um einen billigen Preis angetragen worden, welche er für ſie alle drei kaufen wollte, deswegen er dem Wechsler kund that, er möchte fic) gefaßt machen, weil ſie in Kurzem ihr Geld vonnöthen haben würden; zu ſeinen zwei Mitgeſellen, die mit Andern auf die Jagd ritten, ſprach er, daß er fünfzig Dukaten vonnöthen hätte, um das Haus mit eini— gen Nothwendigkeiten zu verſehen, und da die zwei bei dem Wechsler vorbei ritten, der dritte aber zu Fuß mitging, ſprachen die zwei Rei⸗ tenden zu dem Wechsler: Unſer Compagnon wird etwas von Euch fordern, das könnt Ihr ihm geben. Dieſer nahm die 4000 Dukaten von dem Wechsler, und zog damit eilends davon. Als nun die zwei von der Jagd kamen, und vernommen hatten, was vorgefallen war, 49 fingen fie einen Prozeß mit dem Wechsler an, und ſprachen: Er follte die ganze Summe des Geldes nicht heraus gegeben haben, weil ſie nicht alle drei, laut des mit ihm gemachten Vergleichs, Set einander geweſen wären, darum müſſe er ihnen die Summe noch einmal bezah— len, wie ſie denn ein ſolches Urtheil gegen ihn mit Recht erhielten. Dem Wechsler ward angſt bei der Sache, er ging aber zu einem liſti— gen Advokaten, dem er den Vorfall erzählte, und darüber Raths be— gehrte; dieſer hieß ihn den folgenden Tag wieder kommen, weil er ſich über die Sache bedenken wolle; und als er den folgenden Tag wieder kam, ſprach er: Gehet mit euren Klägern wiederum vor Ge— richt, und ſagt, daß Ihr bereit wäret, das Geld noch einmal zu be— zahlen, jedoch nicht anders, als laut des Vertrages, daß alle drei zu ihm kommen ſollten. Als die zwei dieſes hörten, ließen fie den Wechs— ler mit Frieden, denn ſie ſahen wohl, daß ſie zu lange auf ihren drit⸗ ten Mann würden warten müſſen. 281. Ein Kranker klagte einem mürriſchen Arzte in London, daß er weder liegen, noch ſtehen, noch ſitzen könne. Der Arzt antwortete ihm kurz: ein Mittel iſt noch übrig, hängt Euch auf. 282. Ein Soldat, Richard Middleton mit Namen, der zu Glasgow in Schottland im Quartier ſtand, kam in die Predigt und zog, ſtatt Bibel oder Geſangbuch, ein Kartenſpiel aus der Taſche. Er ſah mit ſo großer Andacht hinein, als ob es ein noch ſo erbauliches Buch wäre. Das gab in der Kirche Aufſehen, und der Kirchenknecht befahl ihm mit einem bittern Verweiſe, die Karten wieder zu ſich zu ſtecken. Der Soldat hörte ihn mit größter Gelaſſenheit an, aber ohne ſich an ſeine Ermahnung zu kehren. Nach der Predigt führte ihn der Kirchenknecht zu dem Major der Stadt und klagte ihn des gegebenen Aergerniſſes wegen an. Der Major fragte ihn, was er zu ſeiner Entſchuldigung vorbringen könnte? Geſtrenger Herr, ſagte der Soldat, ich bin ein Bibl. d. Frohſinns. IV. 4 50 armer Teufel, der des Tages nicht mehr, als feine fünf Stüber Sold bekömmt, und fünf Stüber, wiſſen Sie, reichen kaum zu den Noth⸗ wendigkeiten des Lebens hin, an Bücherkaufen iſt nicht zu denken. Ich behelfe mich alſo, fuhr er fort, indem er fein Kartenſpiel heraus— zog, mit dieſem kurzen Auszuge des Unentbehrlichſten, was man zu wiſſen hat. Wenn ich ſo ein As ſehe, ſo denke ich an die einige alles erſchaffende Macht; die Zwei erinnert mich an die beiden Teſtamente, die Drei an die drei Männer im feurigen Ofen, die ſo ſtandhaft aus⸗ hielten; die Vier an die vier Evangeliſten; die Fünf an die fünf Jungfrauen, die ihre Lampen zur Ankunft des Bräutigams brennend erhielten; es waren ihrer zwar freilich zehn, aber die andern fünfe, wie Ihnen bekannt ſein wird, waren Thörinnen. Bei der Sechs denke ich an die Schöpfungstage; bei der Sieben an den Sabbath; bei der Acht an die acht frommen Seelen, die in der Arche vor der Sündfluth gerettet wurden; bei der Neun an die undankbaren neun Ausſätzigen, die nach ihrer Heilung nicht wieder kamen, ſich zu bedanken. Bei der Zehn; was kann ich da beſſeres im Sinne haben, als die heiligen zehn Gebote; Die Dame hier, iſt mir ein lehrreiches Bild der Königin von Saba, die vom Ende der Welt, um Weisheit zu holen, zu Sa⸗ lomo kam; und der König ſagt mir, daß ich meinem König Georg III. als ein braver Soldat dienen ſoll. — Gut, ſagte der Major; aber warum haſt Du denn den Buben vergeſſen? — Bei dem Buben denke ich mir freilich auch etwas, wenn Ew. Geſtrengen es nicht wollten un⸗ gnädig nehmen. — Nein! Und was iſt das? fragte der Major. — Daß kein ärgerer Bube auf der ganzen Gotteswelt iſt, als der Schlingel von Kirchenknecht, der mich hier vor Euch geführt hat. — Auch gut! Und weiter? — Weiter iſt meine Karte auch mein Kalender; denn wenn ich alle Augen der ganzen Karte zuſammenzähle, ſo finde ich 365, gerade fo viel als Tage im Jahr; und der Blätter find 52, das macht ſo viel als Wochen im Jahr. Im Nothfall habe ich alſo Bibel und Almanach, Gebetbuch und Spielzeug kurz bei einander; und meine Schuld iſt es nicht, wenn der Tropf von Kirchenknecht, der den gan⸗ zen Tag über dem Spiele liegt, ein Eſelsgehirn iſt, das in ſeinem 51 ganzen Leben nicht die Hälfte von dem in einer Karte geſehen hat was ich ny ſehe. 283. Ein junges Frauenzimmer ließ ſich in völliger Lebensgröße als eine Veſtalin malen. Sie war noch unverheirathet, und Veſtalinnen, wie bekannt, mußten Jungfrauen ſein. Als das Bildniß fertig war, fand ſie allerlei zu tadeln, beſonders daß ihre Figur viel zu klein ge— rathen. Der Maler, der über dem vielen Kritiſiren ſchon verdrießlich war, fuhr heraus: Ei was? Die Figur mußte ſo klein ſein, denn man weiß ja doch, daß es keine großen Veſtalinnen giebt. 284. Ein ſehr lebhaftes deutſches Frauenzimmer redete einen Italiener italieniſch an. Dieſer machte ihr ein Compliment darüber, und wollte weiter mit ihr ſprechen. Nein, ſagte ſie, eigentlich weiß ich von Ihrer Sprache nicht mehr, als um ein paar Komplimente und ein paar Sottiſen darin zu ſagen. — Hm! ſagte einer der Gegenwärtigen, dann mag fie das Italieniſche leicht fo gut ſprechen, als ihre Mutter⸗ ſprache. 285. Eine ſehr geſchminkte Dame, die ſich hatte malen laſſen, war mit dem Kolorit nicht zufrieden. — Mein Gott, ſagte ſie zu dem Maler, wo müſſen Sie denn ihre Farben kaufen? Sie ſind ja ſo häßlich! — So häßlich? verſetzte der Maler. Das dächte ich nicht! Wir kaufen ſie ja beide an einem Orte. 286. Ein Maler malte eine Landſchaft, in derſelben ein Dorf und vor dem Dorfe einen Wegweiſer. Dieſer war eine Art von Säule, auf welcher oben das Bruſtbild eines Prieſters ſtand, der den Arm von ſich ſtreckte. Man fragte ihn, was er mit dieſer Erfindung ge— 4 * 52 wollt hätte? — Priefter und Wegweiſer, ſagte der Maler, haben die größte Aehnlichkeit mit einander; denn beide weiſen den rechten Weg, aber ſie gehen ihn ſelbſt nicht. 287. Ein junger Prediger, ein Mann von ſehr guten Anſehn, der eine ſtarke Stimme, gute Geberden und alle übrigen Eigenſchaften eines guten Redners hatte, war einmal fo unglücklich, daß in dem Augen- blick, da er ſeine Predigt anfangen wollte, ihn fein Gedächtniß ver- ließ. Er wußte erſt nicht, was er in dieſer äußerſten Noth zu thun hätte; denn herunterſteigen ſchien ihm zu ſchimpflich, und etwas zuſammenhängendes hervorzubringen war ihm unmöglich. Er ent— ſchloß ſich endlich ſtehen zu bleiben und ſich durch die außerordentliche Stärke ſeiner Stimme zu helfen, indem er nichts als unvollkommene oder abgebrochene Worte hervorbrächte, wie z. B. Ach meine Brüder! — vom Tod und Verderben erretten — das ewige Heil eurer Seelen u. ſ. w. — Niemals ſchien ein Redner mehr Feuer zu beſitzen, als er; er erhob die Stimme, ſchrie aus allen Kräften, focht mit den Händen; die Kanzel zitterte unter ihm und die Gewölbe der Kirche gaben den Ton ſeiner Stimme mit dem ſtärkſten Widerhall zurück. Alle Zu⸗ hörer geriethen in ein tiefes Stillſchweigen; jeder ſteckte den Kopf hervor und verdoppelte ſeine Aufmerkſamkeit. Die der Kanzel gegen⸗ über waren, ſagten: Wir ſitzen zu nahe, es iſt unmöglich ihn zu verſtehen; die weiter ſaßen, beneideten die andern, und beklagten ſich ſelbſt, daß ſie die beſten Stellen von der Predigt verlören. So erhielt unſer Prediger die Gemeinde drei viertel Stunden lang in Athem, und begab ſich mit dem größten Beifall der ganzen Verſammlung hinweg, die ſich vornahm, bei nächſter Gelegenheit ihre Plätze beſſer zu wählen. 5 288. Ein Hallore in Halle ging zur Communion. Ehe er ſichs verſah, ſpie ihm ein Junge von der Emporkirche auf den Kopf. Du Kanaille, 53 rief nun der Hallore im vollen Aerger, heute fluch ich nicht, aber morgen ſoll dir das zehnfache Kreuz-Donnerwetter auf den Kopf fahren! 289. Ein Bauer kam zu einem Prediger in den Beichtſtuhl ſagte ſeine Beichte her, und ward abſolvirt. Als dieß geſchehen war, ſtand er auf, und ſuchte in allen Taſchen, wahrſcheinlich nach einem Groſchen, den er eingeſteckt zu haben glaubte. Er fand aber nicht, was er wollte, und langte daher mit einem ſehr verdrießlichen Geſichte und einem merklichen Kopfſchütteln ein Zweigroſchenſtück aus der Taſche hervor. Da, ſagte er, Herr Paſtor, gebe Er mir einem Groſchen wieder. Nicht doch, mein Freund, antwortete dieſer ganz ſanft, behalte er ſein Geld ins Himmels Namen. Ne, erwiederte der Bauer, umſonſt ver— lange ich das nicht, gebe Er mir nur einen Groſchen wieder, und behalte er den andern. Kurz, ſagte der Prediger wieder, bei mir iſt keine Wechſelbank, behalte Er ſein Geld, und gehe er, wohin er will. — Der Mann beſann ſich noch ein Weilchen; endlich legte er die zwei Groſchen hin, und ſagte: Nun, Herr Paſtor, ſo behalte Er ſie nur alle beide; aber — indem er ſich wieder hinſetzte, dafür muß Er mich noch ein Mal abſolviren. 290. Der Madam N. war etwas geſtohlen. Sie hatte gar keine Muthmaßung, wer wohl der Thäter geweſen ſein möchte; daher ent— ſchloß ſie ſich, weil ſie ſehr abergläubiſch war, zu einer ſogenannten klugen Frau zu gehen, und ſich bei der Raths zu erholen. Sie zog ſich an, und Hänschen ihr Sohn von fünf oder ſechs Jahren fragte fie: Wo wollen Sie denn hingehen, Mama? Zur klugen Frau, antwor⸗ tete ſie dem Knaben. O! nehmen Sie mich mit, Mama, ſagte dieſer, ich habe noch keine kluge Frau geſehen. 291. Ein Bauer hatte durch den Tod ſeine Frau verloren. Er hatte fie eben nicht ſehr geliebt, auch nicht lieben können, denn fie hatte ihn 54 ganz unter dem Pantoffel gehalten; indeß wollte es doch der Wohl⸗ ſtand, daß er ſich ein wenig betrübt ſtellte. Bald nach der Beerdigung beſuchte ihn der Pfarrer ſeines Dorfs, um ihn über ſeinen Verluſt zu tröſten. Er bediente ſich unter andern folgendes Ausdrucks hierbei: Gebe er ſich zufrieden mein Freund, daß ſeine Frau geſtorben iſt; der liebe Gott hat ſie. So? ſagte der Bauer, hat der ſie? Nun, er wird ſeine liebe Noth mit ihr haben. N 292. Nach der Schlacht bei Roßbach verfolgte ein Chor preußiſcher Huſaren die fliehenden Franzoſen. Endlich ward es Nacht, und ſie des Nachſetzens müde. Kinder, ſagte ihr Offizier zu ihnen, Ihr habt heute genug gethan. Es iſt kalt; hier iſt ein Gehölz. Sattelt ab, macht Feuer, kocht Euch etwas, und eßt und trinkt; morgen wollen wir weiter. — Die Huſaren bedienten ſich der Erlaubniß; und kaum war eine Viertelſtunde vergangen ſo lagen ſie alle um ein Feuer. Sie hatten noch nicht lange gelegen, ſo hörten ſie mit einemmale etwas von einem Baume fallen. Sie ſprangen zum Theil auf, und zogen den Säbel; aber die Mühe war unnöthig, denn am Ende war es weiter nichts, als ein Franzoſe, der ſich auf einen Baum geflüchtet hatte, und jetzt wegen der ſchon ziemlich empfindlichen Kälte nicht länger darauf aushalten konnte. Er lag im Augenblicke auf den Knieen und bat in voller Todesangſt um ſein Leben. Die Preußen waren zu menſchlich, einen wehrloſen armen Teufel übel zu behandeln; ſie nahmen ihn alſo mit an ihr Feuer, und gaben ihm zu eſſen und zu trinken. Ein anderer Franzoſe den die Furcht ebenfalls auf einen Baum getrieben hatte, fiel bald darauf auch herunter, und ward gerade ſo aufgenommen und behandelt, wie der Erſte. Dies machte einem Offizier Luſt, auch von ſeinem Baum herunter zu kommen, zumal da er, wegen größerer Weichlichkeit, es oben noch weit weniger aushalten konnte, als ſeine Soldaten. Ihm widerfuhr eben ſo wenig etwas Böſes, als den beiden erſten. Indeſſen mußte der preußiſche 55 Offizier doch lachen, daß immer fo einer nach dem andern ankam. Er fragte den zuletzt angekommenen Franzoſen: wie in aller Welt kommen Sie denn aber alle auf die Bäume, meine Herren? Ach! laß' fie nur ſchütteln die Bäum, antwortete dieſer, mein ganzer Com- pagnie ſitz drauf. 293. Der berühmte Componiſt Benda machte einmal eine Reiſe in einer gewiſſen Gegend von Deutſchland. Unterwegs fand er in einem ſehr armſeligen Wirthshauſe einen Hund, dem er leicht den größten Hunger anſehen konnte. Er fragte den Wirth, was fehlt dem Hunde? Er frißt nichts, war die Antwort. Warum denn nicht? fragte Benda von neuem; und ſein Wirth erwiederte: wir geben ihm nichts. Warum denn aber nicht? fragte jener nochmals, und erhielt die Antwort: Wir ha'n nichts. 294. Der Generalacciſe-Inſpektor in einer großen Stadt war abge— ſetzt, weil er den Unterbedienten zu viel überſehen hatte; man erwar— tete nun alle Tage einen neuen der die Stelle bekommen hatte, jetzt aber ſich noch an dem Orte aufhielt, wo er vorher eine ähnliche beklei— dete. Während dieſer Zwiſchenzeit kam einmal des Nachts ein Herr, mit einer ſehr artigen Equipage, vor dem Thore an. Der Thor- ſchreiber durchſuchte den Wagen, und fand eine Rolle verbotenen Tabak. „Contrebande! Contrebande! ſchrie er, und ſagte der Wache, ſie ſollte den Wagen anhalten.“ „Mache Er keinen Lärm, mein Freund! flüſterte der Fremde ihm zu, hier ſind zehn Ducaten, laſſe Er mich weiter fahren.“ „Nichts, nichts!“ ſagte der Thorſchreiber; das muß angezeigt werden!“ Der Fremde bot zwanzig Ducaten, endlich dreißig; aber es half nichts. „Vortrefflich! fing er nun mit einemnale an! ich ſehe, Er iſt ein rechtſchaffener Mann, und verwal— tet ſein Amt aufmerkſam und treu. Ich bin der neue Generalinſpector, es fiel mir ein, gleich bei meiner Ankunft, da mich noch Niemand 56 kennt, eine Probe zu machen, ob man hier auch gewiſſenhaft iſt. Ich freue mich, daß Er bei dem Verſuche ſo gut beſtanden iſt. Sein Dienſteifer ſoll auch nicht unbelohnt bleiben. An dem Orte, wo ich geweſen bin, iſt ein akkurater Mann nöthig; ich werde Ihn zum Pro⸗ vinzial-Inſpektor daſelbſt machen. Komm Er nun morgen früh um zehn Uhr zu mir, ich logire im goldenen Hirſch, dann werde ich Ihm ſeine Beſtallung geben.“ Nun fuhr er ungehindert weiter. Wer war froher, als unſer Thorſchreiber! Die übergroße Freude ließ ihn die Nacht hindurch nicht ſchlafen. Kaum war es am andern Morgen um neun Uhr, ſo lief er ſchon eilig nach dem genannten Gaſthof. Aber wie erſchrack er, als er hörte: der Fremde habe nur die Pferde gewech-⸗ ſelt und ſei gleich weiter gefahren! 295. Herr N., fuhr mit feiner Frau und Tochter an einem ſchönen Sommerabend auf einem Bauerwagen von einem benachbarten Dorfe wieder nach Berlin zurück. Seine Frau hatte ein paar Gänſe gekauft, auch die lagen auf dem Wagen. Als ſie ans Thor kamen, trat der Thorſchreiber, dem Herr N.. bekannt wary an den Wagen heran, und fragte: Haben Sie etwas Accisbares bei ſich?“ „Wie Er ſieht, antwortete Herr N. ., ein Paar Gänſe.“ Der Thorſchreiber hatte die wirklichen Gänſe nicht geſehen, er glaubte alſo, es würden die beiden Frauenzimmer damit gemeint, und ſagte lächelnd: fahren Sie in Gottes Namen, ſolche Gänſe geben keine Aceiſe. 296. Einige luſtige junge Leute in einer Provinzialſtadt geriethen auf den Einfall, einem ehrlichen Pächter vom Lande einen Streich zu ſpielen. Als dieſer gerade in der Stadt ſich einen Rauſch getrunken hatte, und an einem finſtern Abend wieder zurückkehren wollte, gingen ſie voraus, und lauerten am Wege bis er käme. Sie nahmen ihn vom Pferde, thaten, als leerten ſie ihm die Taſche aus, nahmen ihm aber nichts, und ſetzten ihn dann wieder auf ſein Pferd, doch mit dem 57 Geſicht gegen den Schwanz hin. Um das Herunterfallen zu verhüten, banden ſie ihn an, gaben dem Pferde einen Peitſchenſchlag, und ließen es laufen, wohin es wollte. Das Pferd war mit dem Wege gut bekannt, und trabte alſo immer weiter, kam auch endlich glücklich vor die Thüre ſeines Herrn, Die Frau des Pächters erkannte ihren Mann bald an der Stimme und ging alſo mit einem Lichte hinaus. Als ſie ihn in der ſonderbaren Lage ſah, fragte ſie nach der Urſache. Marie,“ ſagte der Pächter mit lallender Zunge, „ich bin auf dem Wege von ein Paar Schurken geplündert. Sie haben mir alles Geld geſtohlen, und was mich noch mehr Wingeßt ſie haben meinem Pferde den Kopf abgeſchnitten. 297. Ein katholiſcher Prieſter hatte drei Haushälterinnen von 16 bis 17 Jahren. Der Biſchof ſetzte ihn deßfalls zur Rede und ſagte, die Haushälterin eine Prieſters müſſe wenigſtens 50 Jahre alt ſein. Er antwortete: Ihro Hochwürden halten zu Gnaden, ich habe ſie in drei Bände getheilt; ſie ſind zuſammen gerade fünfzig Jahre alt. 298. Auf die Amtsſtube zu Leipzig kam ein Bauer des Morgens, um ſeine Steuern zu bezahlen. Weil es noch früh war, ſo war außer einigen Schreibern, noch Niemand von den Einnehmern da. Wie nun der Bauer auf dem Vorſaale mit ſtarken Schritten auf und nieder ging, kam einer von den Schreibern heraus und ſagte: Guter Freund! Ihr habt noch lange Zeit, die Herren werden ſobald nicht kommen, ſetzt Euch derweile. Der Bauer, welcher wohl ſah, daß man ihn zum beſten haben wollte, weil weder Stuhl noch Bank in dem Saale war, antwortete: Hm! hier gemahnt michs eben, wie zu Hauſe in meiner Scheune, da ſind auch keine Stühle und Bänke aber deſto mehr Flegel. 58 299) . Ein Franziskaner, welcher an einem gewiſſen Ort predigen wollte, mußte in einer kleinen Stadt ſein Nachtlager nehmen. Da er in derz ſelben weder jemanden ſeines Ordens, noch ſonſt einen Bekannten, antreffen konnte, war er genöthigt, in das Wirthshaus einzukehren. Dafelbft war auch ein Dominikaner angekommen. Da beide am fol⸗ genden Tage Einen Weg zu nehmen hatten, ſpeiſten ſie zuſammen, und ſchliefen mit einander in einer Kammer. Es hatte in der Nacht ſtark geregnet; als aber am Morgen ziemlich gutes Wetter war, woll— ten ſie ſich auf den Weg machen. Als ſie den Wirth bezahlen ſollten, glaubte der Franziskaner, mit ſeinem Dominus retribuat, d. i. der Herr vergelte es, loszukommen. Allein, der Wirth verſtand dieſes Latein nicht. Er wollte Geld haben. Der Dominikaner bezahlte für ſich. Der Franziskaner bat dieſen, ihm Geld zu leihen, und verſprach, es richtig wiederzugeben. Der Dominikaner gab vor, daß er das wenige Geld, welches er noch bei ſich habe, zu ſeiner Reiſe ſelbſt brauche. Der Franziskaner mußte daher ſeine Bücher zum Pfande laſſen; weil ihn aber dieſes ſehr verdroß, ſo behielt er ſich die Rache bei der erſten Gelegenheit vor, welche ſich auch bald zeigte: denn da ſie zuſammen Einen Weg gingen, und das Waſſer von dem langen Regen die Felder ſehr überſchwemmt hatte, kamen ſie in einen hohlen Weg, wo das Waſſer ſehr angelaufen war. Es war ziemlich tief, und doch mußten ſie hinüber. Der Franziskaner nahm ſeine Sohlen in die Hand, hob ſich den langen Rock auf, und machte ſich fertig, durchzupaden. Der Dominikaner aber, welcher Hoſen, Strüm⸗ pfe und Schuhe anhatte, kam in große Verlegenheit. Der Franzis⸗ kaner merkte deſſen Unruhe. Was gibſt du mir, ſagte er zu ihm, wenn ich dich auf meinen Schultern über dieſes Waſſer bringe? Ach! Bru⸗ der, antwortete der Dominikaner, wenn du das thun willſt, ſo ver⸗ ſpreche ich dir, deine Bücher auszulöſen, und in dem erſten Wirthshauſe für dich zu bezahlen. Hierauf nahm ihn der Franziskaner auf ſeine Schultern und ging mit ihm durch das Waſſer; als er aber in der Mitte desſelben war, ſagte er zu ihm: Haſt du auch Geld genug, dein 59 Verſprechen zu halten? O ja, erwiederte dieſer, forge dafür nicht. Zugleich ſchlug er an ſeine Taſche, um dieſe Zuſage durch das Klingen des Geldes zu bekräftigen. Sogleich ließ ihn der Franziskaner, der vor Begierde brannte, ſich an ihm zu rächen, in das Waſſer fallen, und ſagte zu ihm: Ach! du erinnerſt mich an mein Gelübde, vermöge deſſen ich kein Geld tragen darf. Nachdem er dies geſagt hatte, machte er ſich aus dem Waſſer fort und ließ den armen Dominikaner liegen. 300. Zwei Huſaren, welche an einem Felde vorbei ritten, bemerkten einen Bauer, welcher ſäete. So, mein guter Mann, ſagte der eine zu ihm, ſäet nur immer; aber uns ſoll die Frucht Eurer Arbeit zu Nutze kommen. Ja! Ja; ſagte der Bauer, das kann wohl ſein, denn ich ſäe Hanf. 301. Ein geſchickter Rechenmeiſter war bereits lange verheirathet, jedoch kinderlos. Man ſagte einſt zu ſeiner Frau, ihr Mann ſei ein vortrefflicher Rechenmeiſter. Es iſt möglich, ſagte ſie, aber er kann nicht multipliciren. 5 302. Ein Franziskaner hielt dem heiligen Franziskus eine Lobrede. Er ging alle Heiligen durch, und fand keinen, den er mit ihm in Ver— gleichung ſetzen konnte. Sie waren alle weit unter ihm. Er konnte daher keine Stelle für ihn finden, die rühmlich genug geweſen wäre. Wo werden wir ihn hinſetzen, rief er aus, dieſen ſeraphiſchen heiligen Vater Franziskus? Sollen wir ihn unter dem Schwarme der andern Heiligen laſſen? Das wäre wenig für ihn. Setzen wir ihn unter die Propheten? O! er iſt über alle Propheten weit erhaben. Unter die Patriarchen? Das iſt auch noch nicht genug. Unter die Engel? O! er iſt vortrefflicher, als ein Engel, Erzengel, Seraphim und 60 Cherubim. Nun, wo wollen wir ihn hinſetzen? rief er noch einmal. Einer von den Gegenwärtigen wurde dieſer vielen Ausrufungen müde, ſtand daher auf, und ſchrie: Wenn ihr nicht wißt, wo ihr ihn laſſen ſollt, fo ſetzt ihn auf meinen Platz, denn ich gehe jetzt fort. 303. Michael Angelo hatte in ſeinem Gemälde vom jüngſten Gericht, in des Papſtes Capelle unter den Verdammten auch die Figur eines gewiſſen Cardinals, welcher ſein Feind war, ſo nach dem Leben abgeſchildert, daß er einem ſogleich kenntlich war. Der Cardinal beſchwerte ſich beim Papſte Clemens dem ſiebenten, über dieſen Schimpf, und bat, daß man die Figur auslöſchen dürfe. Aber der Papſt antwortete: Sie wiſſen wohl, daß ich zwar aus dem Fegfeuer, aber nicht aus der Hölle erretten kann. 304. Als dem Kaiſer Auguſtus ein junger Grieche gezeigt wurde, welcher ihm ungemein ähnlich ſah, fragte er den jungen Menſchen: ob ſeine Mutter in Rom geweſen? Nein, Herr, antwortete dieſer Jüngling, aber mein Vater oft. 305. Vor vielen Jahren ſchrieb ein Kaufmann in Hamburg, an ſeinen Freund in Liſſabon, nach andern Aufträgen, daß er ihm einen oder zwei Affen ſchicken ſolle. Nun war der Brief italiäniſch geſchrieben, in welcher Sprache o, oder, heißt; dieſes o kam zwiſchen die Zahlen 1 und 2 zu ſtehen, und daher las es ſein Correſpondent für 102. Er ſandte ihm alſo mit dem erſten Schiffe 84 Affen, und entſchuldigte ſich in ſeinem Briefe, daß er vor der Hand nicht mehr habe auftreiben können; er hoffe aber in Zeit von ein paar Monaten im Stande zu ſein, die übrigen 18 nachzuſenden. 61 306. Es wollte jemand ein Pferd kaufen; er ging alfo zu einem Roß— kamm, wo er eins fand, das ihm anſtand. Der Roßtäuſcher forderte dafür 80 Rthl. und verſicherte, daß er nichts vorgeſchlagen habe, ſondern das Pferd ihm, als ſeinen guten Freunde, für den genaueſten Preis laſſen wolle. Gut, antwortete der Käufer, ich habe nur 50 Rthl. bei mir, die will ich Ihnen gleich geben, und die übrigen 30 will ich ſchuldig bleiben. Der Roßtäuſcher verſetzte: o! daß hat gute Wege, machen Sie mit mir keine Umſtände. Nach einiger Zeit for— derte derſelbe die 30 Thaler. Mein Herr! ſagte der Käufer, wir müſſen uns an unſre Abrede halten. Ich habe Ihnen geſagt, daß ich Ihnen 30 Rthl. ſchuldig bleiben wolle; Sie waren damit zufrieden. Wenn ich ſie Ihnen nun bezahlte, ſo bliebe ich apne ja nichts ſchul⸗ dig, und das wäre gegen die Abrede. J pay Obs Ein Bauer hatte ſeinem Nachbar eine Schüſſel voll Milch in Verwahrung gegeben. Als er ſie ihm wieder abforderte, gab dieſer vor, daß die Fliegen ſie aufgegeſſen hätten. Er ward deßhalb ver— klagt, und der Richer befahl ihm, die Milch wieder zu erſetzen. Er wiederholte wohl zwanzigmal, das die Fliegen ſie aufgegeſſen hätten. Warum haſt du ſie nicht todt geſchlagen? ſagte der Richter. Aber iſt es denn erlaubt, die Fliegen todt zu ſchlagen? verſetzte dieſer. O! ja, antwortete der Richter, ſchlage fie todt, wo du fie findeſt. Sogleich gab der Bauer dem Richter eine derbe Ohrfeige mit allen Circumſtantien und Dependentien. O! Herr! ſagte er dabei, da ſitzt eine recht große Fliege, die juſt ſo ausſieht, wie diejenigen, welche die Milch aufgefreſſen haben. 308. Als Moliere geſtorben war, machten viele ſchlechte Poeten Grabſchriften auf ihn. Einer von denſelben überreichte die von ihm 62 verfertigte dem Prinzen von Conti. Derſelbe gab ihm nachdem er fie geleſen hatte, zur Antwort: Ihre Grabſchrift auf Moliere iſt recht ſchön, doch wünſchte ich lieber, Moliere brächte mir Ihre Grabſchrift. 309. Ein Kaufmann hatte einen Beutel mit achthundert Gulden ver- loren. Ein Zimmermann fand denſelben, und nahm ihn mit ſich. Als er nach Hauſe kam, zählte er das Geld, welches darinn war, nach, und verwahrte es ſorgfältig, um es dem rechten Eigenthümer wenn er ſich melde, wieder zuſtellen zu können. Am folgenden Sonn⸗ tage wurde von der Kanzel angekündigt, daß ein lederner Beutel mit Geld verloren worden, und daß derjenige, welcher das Geld gefunden habe, und es wieder herausgebe, eine Belohnung von hundert Gul— den haben ſolle. Der Zimmermann ging zu dem Prieſter, und ſagte ihm, daß er den Eigenthümer des Geldes zu ihm ins Haus ſchicken ſolle, wo er ihm ſein Geld wieder geben würde, Der Kaufmann lief ſogleich voller Freuden hin, und holte es ſich. Als er es nachgezählt hatte, warf er dem Zimmermann fünf Gulden auf den Tiſch, und ſagte: Hier gebe ich Euch fünf Gulden; denn, was die verſprochenen hundert Gulden betrifft, ſo habt Ihr Euch bezahlt gemacht, weil neunhundert Gulden in dem Beutel geweſen. Der. Zimmermann läugnete das, verklagte den Kaufmann, und gab das Geld den Ge— richten in Verwahrung. Nach vielen Verſuchen wurde endlich die Sache geſchlichtet. Der Richter befahl dem Kaufmann zu ſchwören, daß neunhundert Gulden in dem verlornen Beutel geweſen. Das that er. Der Zimmermann aber legte einen Eid ab, daß nicht mehr, als achthundert Gulden darin geweſen. Hierauf entſchied der Richter die Sache folgendergeſtalt. Da ein jeder von Beiden die Wahrheit durch einen Eid bekräftigte, ſo gehöre dies Geld nicht dem Kaufmanne weil er neunhundert Gulden verloren, der Zimmermann aber nur achthundert gefunden habe. Es ſolle deswegen der Zimmermann das Geld ſo lange bei ſich verwahren, bis der rechte Eigenthümer käme, der zuverſichtlich darthäte, achthundert Gulden verloren zu haben. 63 Jedermann lobte dieſes weiſe Urtheil des Richters, welches verur- ſachte, daß der Kaufmann ſelbſt ein Opfer ſeiner Untreue ward. / 310. Ein Wundarzt wurde zu Jemand gerufen, der in einem Ren- contre eine leichte Wunde bekommen hatte. Als er die Wund beſich— tiget, befahl er ſeinem Jungen, in größter Eile nach Hauſe zu laufen, und ein gewiſſes Pflaſter zu holen. Der Patient erſchrack hierüber, und ſagte: Ach! Gott, mein Herr, ich hoffe doch nicht, daß es Gefahr hat. Ja wohl, antwortete der Wundarzt, denn wenn der Junge nicht geſchwind genug läuft, ſo heilt die Wunde zu, ehe er wieder zurück kommt. — 311. Einem Geizigen ſchlugen einige Freunde eine Luftreife zu Pferde über Land vor, und er nahm die Partie an. Zu dem Ende beſtellte er ſich ein Pferd, und gab etwas Geld darauf. Allein es fügte ſich, daß nothwendige Geſchäfte, welche unter einigen von der Geſellſchaft vorfielen, den Vorſatz zur Reiſe vernichteten. Unſern Geizhals ver— droß es, daß er einen halben Thaler auf ſein beſtelltes Pferd voraus gegeben hatte. Er ſann alſo darauf, wie er dieſes Geld wieder erlangen möchte. Er ging daher zu dem Vermiether des Pferdes, und verlangte das Pferd zu beſehen. Als man es ihm zeigte, betrachtete er es eine lange Weile, und maß endlich mit ſeinem Stocke das Pferd vom Kopfe bis zum Schwanze, und vom Schwanze bis zum Kopfe. Der Eigenthümer des Pferdes fragte ihn, was dieſes bedeuten ſolle. O! mein Freund, antwortete er, ich ſah nur zu, ob das Pferd lange genug ſei, daß ihrer drei darauf ſitzen können. Wie? erwiederte der Pferdevermiether, glaubt ihr, daß ich mein Pferd ſo will abſ n laſſen? O nein, da habt ihr euer Geld wieder. 312. Ein holländiſcher Admiral ward einſt von dem General der 64 Landarmee in fein Zelt zur Tafel geladen. Der General hatte ihm einige Offiziere nebſt einem prächtig geſchmückten Reitpferde entgegen⸗ geſchickt, das der Admiral auch beſtieg. Aber da er des Reitens we⸗ nig gewohnt war, machte er eine ziemlich elende Figur, und als eben der General ihm entgegen kam, ward er ſogar durch den Seitenſprung, den das Pferd mit ihm machte, herabgeworfen. Niemand konnte ſich des Lachens enthalten, und der Admiral, ſo ſehr es ihn heimlich ver— drop, lachte mit. — Auf den andern Tag war der General mit den vornehmſten Offiziers der Armee auf das Admiralſchiff geladen. Die Geſundheit der Generalſtaaten wurde ausgebracht; alle ſtanden auf und es ward auf Ordre des Admirals eine ſtarke Salve gegeben: der General und die ſämmtlichen Land-Offiziers ſtürzten zu Boden, der Admiral mit ſeinen See-Offiziers blieben ſtehen, und der Erſtere ſagte zu dem General, indem er wieder an ſeiner Seite herzlich lachte: Well, So ryden wy to Water, myn Herr. 313. Ein Bauer wurde auf der Landſtraße gebeten, eine umgeworfene Kutſche wieder aufrichten zu helfen. Er fragte, wer darinnen ſäße, man antwortete: Drei Staatsräthe. O! ſagte er, damit habe ich nichts zu thun; mein Vater gab mir immer die Lehre, 990 nicht in Staatsſachen zu mengen. 314. Ein gewiſſer Biſchof wurde befragt, warum er ſo vielen ſchlechten Leuten Pfarren gebe? Es iſt beſſer, antwortete er, daß das Land von Eſeln bearbeitet wird, als daß es ganz unbebaut liegen bleibt. 315. . Es predigte einmal ein gewiſſer Geiſtlicher in Paris, machte aber ſeine Sache ſehr ſchlecht. Der Poet Santeul, welcher zugegen war, ſagte: Vorm Jahre machte er's beſſer. Ein dabei Stehender wandte “4 65 ein, daß er damals nicht gepredigt hätte. Eben deswegen, erwiederte. Santeul, indem er fortging. 316. Ein Betrüger, der ſich lange Zeit in einer gewiſſen großen Stadt aufgehalten hatte, und ſich gern wegbegeben wollte, hatte ein Paar Stiefeln nöthig aber kein Geld, um ſich ein Paar zu kaufen. Daher fiel er auf einen liſtigen Anſchlag, welcher ihm auch gelang. Er ging zu einem Schuſter, beſtellte ſich ein Paar Stiefeln von Kalbleder, ließ ſich das Maaß dazu nehmen, und ſagte, daß er ſie nothwendig morgen um ſieben Uhr haben müſſe, welches auch der Schuſter verſprach. Kurz darauf ging er zu einem andern Schuſter, und beſtellte ſich ein Paar bei ihm von derſelben Facon, und ſagte dabei, daß er fie un— fehlbar morgen um acht Uhr haben müſſe; welches auch dieſer ver— ſprach. Der Erſte kam am andern Morgen um ſieben Uhr mit ſeinen Stiefeln. Der Betrüger probirte ſie an; der eine paßte ihm gut, aber der andere war nach ſeinem Vorgeben zu enge, weil er vergeſſen hätte zu ſagen, daß dieſer Fuß ihm ſtärker ſei, als der andere. Aber, fügte er hinzu, das will nicht viel ſagen; da ich erſt Nachmittag wegreiſe, ſo ſchlagt dieſen etwas weiter auf, und unterdeſſen will ich den andern, der mir paßt, hier behalten. Kaum war dieſer Schuſter weg gegan— gen, ſo kam der andere auch mit ſeinen Stiefeln. Mit dieſem machte er es eben ſo, wie mit dem erſten. Der eine Stiefel war ihm recht, allein der andere ſollte geändert, und unfehlbar den Nachmittag wie— dergebracht werden. Als ſich nun der Betrüger auf dieſe Weiſe in den Beſitz von ein Paar Stiefeln geſetzt hatte, bezahlte er ſeinen Wirth, und reiſ'te fort. Nachmittag kamen die beiden Schuſter wieder, ein Jeder mit einem Stiefel. Sie trafen an der Thüre zuſammen, und da fie hörten, DAB der Menſch fort wäre, und ſich betrogen ſahen, würfelten ſie darum, wer beide Stiefeln behalten ſollte. 317. Eines reichen Amtmanns Sohn kam von der Univerſität, feine Eltern zu beſuchen. Als ſie an einem Abende zwei e n Eſſen Bibl. d. Frohſinns. IV. 66 hatten, fagte er zu ihnen, daß er durch die Logik und Arithmetik be weiſen könne, daß dieſe zwei Tauben drei wären. Das laßt uns hören! ſagte der Vater. Der Sohn ſagte darauf: Das iſt ein, und das iſt zwei, ein und zwei aber machen drei. Der Vater antwortete: Nun, da du dieſes ſo wohl ausgedacht haſt, ſo ſoll deine Mutter die erſte Taube haben, ich will- die zweite nehmen, und die dritte magſt du für dich und um deiner Gelehrſamkeit willen behalten. 318. Es hatte ſich Jemand in einen Garten geſchlichen, um Birnen zu ſtehlen. Als er auf dem Birnbaume ſaß, kamen ein junger Menſch und ein junges Mädchen unter denſelben. Dieſes nöthigte den Bir— nendieb, ſich auf dem Baume fo ſtille zu halten, als möglich. Als die beiden Verliebten ſich ihren Neigungen überlaſſen hatten, ſagte daß Mädchen: Nun, Hans, habe ich dir deinen Willen gelaſſen, aber wenn ich nun die Folgen empfinden ſollte, wer wird ſich meiner annehmen? Der dort oben, antwortete Hans, wird dich nicht verlaſſen. Gehor— ſamer Diener, ſchrie der Birnendieb, wie käme ich denn zu der Ehre? 319. Die Königin von Frankreich, Maria Antoinette ließ den berühmten Herrn von Beaumarchais zu ſich kommen, um ihn auf der Harfe ſpielen zu hören, auf welchem Inſtrumente er nicht ſeines Glei— chen hatte. Durch das Privilegium ſeines Inſtruments durfte er ſich vor der Monarchin niederſetzen. Dieſes Vorrecht brachte ihm auch ſo— gleich viele Neider unter den anweſenden Hofeavalieren zu Wege.“ Einer derſelben zeigte deswegen, ſobald ſich die Königin entfernt hatte, dem Herrn von Beaumarchais, um ihn durch die Erinnerung, daß er der Sohn eines Uhrmachers war, zu demüthigen, ſeine koſtbare Uhr und fragte, wie viel fle wohl werth fet? Beaumarchais fühlte die elende Anſpielung, nahm die Uhr, ſchien ſie genau unterſuchen zu wollen, und — ließ ſie fallen. Nun fuhr der Cavalier unmuthig heraus und ſagte: „Aber Sie ſind auch recht ungeſchickt.“ Beaumarchais erwie⸗ 5 67 derte: „Sie haben wohl recht, eben deswegen hat mir mein Vater auch ſeine Profeſſion nicht gelernt.“ 320. Ein General wollte ſich malen laſſen, und trug ſeinem Secretair auf, an einen berühmten Maler zu ſchreiben, daß er mit der erſten Poſt kommen, und ihn abnehmen möchte. Der Maler kam, und wurde dem General vorgeſtellt. Dieſer redete ihn mit folgenden Worten, an: „Wird Er mich auch wohl treffen können?“ „O ja, antwortete der Maler, den dieſe unhöfliche Anrede verdroß, Ew. Excellenz find ſehr gut zu treffen, Sie haben grobe Züge.“ In einem zu Amſterdam gegebenen Trauerſpiele, lagen die Köpfe zweier enthaupteten Perſonen, in einer auf dem Tiſch ſtehenden Schüſſel. Die dekollirten ſaßen unter dem Tiſche, und ſteckten durch Tiſch und Schüſſel, die beide durchlöchert waren, ihre Köpfe hervor. Einer von den übrigen Schauſpielern war fo ſchalkhaft geweſen, den Rand der Schüſſel mit ſpaniſchem Pfeffer zu beſtreuen. Dies that den tragikomiſchen Effekt, daß die beiden todten Köpfe, eben da ſie ſehr pathetiſch angeredet, und der Gegenſtand der allgemeinen Auf— merkſamkeit wurden, auf's heftigſte zu nießen anfingen, und die ſchreckliche Täuſchung drollig genug unterbrachen. 3 322 Vor einiger Zeit fanden ſich in dem Bade zu Lauchſtädt, unter andern auch einige adlige Familien aus Merſeburg ein, wo es denn nicht allein von Badegäſten ſondern auch von andern Perſonen, welche aus der Nachbarſchaft des Vergnügens wegen erſchtenen, ſehr voll war. Hier tanzte, wie gewöhnlich, eine ſehr gemiſchte Geſellſchaft, worin ſich auch ein junger Graf von Z. . mit ſeinem Hofmeiſter, einem allgemein geſchätzten und beliebten Manne aus Leipzig befand. Dieſer forderte ein Fräulein von B . aus Merſeburg, eine ſehr ſchöne und 5 * 68 geſchickte Tänzerin, zum Tanze auf. Eben als er fie in die Reihen ge- führt hatte, um den Tanz zu beginnen, fragte ihn das gnädige Frau- lein: „Um Vergebung, mein Herr, mit wem habe ich die Ehre zu tanzen? Mit dem Hofmeiſter des Grafen von Z.. — war die Ant— wort — „So ſind Sie wohl ein Bürgerlicher?“ — Ja Fräulein, das bin ich, und heiße N.. — „O ſo bitte ich ſehr um Verzeihung,“ er⸗ wiederte das Fräulein, „meine Mama hat mir geſagt, ich ſoll mit keinem Bürgerlichen tanzen,“ und zugleich kehrt ſie ihm den Rücken, und läßt ihn allein ſtehen. Beſchämt geht der beſcheidene Mann aus dem Tanzſaale weg, und ſuchte den ſtillen Schmerz ſeines empfind— ſamen Herzens durch Zerſtreuung zu unterdrücken. Der junge Graf bemerkt die üble Stimmung, geht ihm nach, und nachdem er lange vergebens in ihm gedrungen, erfährt er endlich die Urſache ſeines Mißvergnügens. „Gut,“ ſagte der Graf, „ich will ſie rächen.“ Und ſogleich geht er hin, fordert das ſtolze Fräulein zum Tanze auf, und führt ſie mit vielem Anſtande oben in die Reihe zum Vortanz. Als ſie eben anfangen wollen, redet er ſie mit folgenden Worten an: „Um Vergebung meine ſchöne Dame, erlauben Sie mir zu fragen, mit wem habe ich die Ehre zu tanzen?“ — Mit dem Fräulein von B. ... erwiederte ſie mit Erröthen. — „O ſo bitte ich ſehr um Verzeihung,“ ſagte darauf der Graf, läßt ihre Hand fahren, und ſagt ziemlich laut: „meine Mama hat mir verboten, je mit einem Fräulein zu tanzen, ich tanze nur mit Gräfinnen, dreht ſich darauf um, läßt ſie allein ſtehen, und zieht an ihrer Stelle eine bürgerliche auf. Das Beneh— men des Grafen wurde von allen vernünftig Denkenden gebilligt, nur nicht von der Familie des mit gedemüthigten Fräuleins, die ſich aber wohlbedächtig aus dem Tanzſaale entfernte, auch nicht wieder zum Vorſchein kam. 323. Als Garrick das Letztemal in Paris war, lud Preville, der für einen der vollkommenſten Schauſpieler des franzöſiſchen Theaters gehalten wurde, ihn auf fein Landgut ein. Garrick, der eben in 69 luſtiger Laune war, that ihm den Vorſchlag, in einer der Mieths— kutſchen hinzufahren, die von Paris nach Verſailles gehen, da Pre— villes Landgut an dieſem Wege lag. Als ſie ſich eingeſetzt hatten, befahl er dem Kutſcher, zuzufahren, der ihm aber antwortete, er müßte erſt ſeine Zahl von vier Perſonen haben: ſo bald er die hätte, würde er fahren. Garrick kam auf einen Einfall, wodurch er zugleich ſeinem Collegen ein Pröbchen von ſeiner Kunſt geben wollte. Unter— deſſen nämlich, daß der Kutſcher ſich nach andern Paſſagieren umſah, hüpfte er aus der Thür, ging um die Kutſche herum, verſtellte ſein Geſicht, und bot ſich dem Kutſcher als einen dritten Paſſagier an, ohne daß letzterer das Geringſte von dem Betrug merkte. Dies that er noch einmal, und wurde wieder zu Previlles Erſtaunen als ein vierter Paſſagier aufgenommen. Nun ſprang er zum drittenmal heraus, und redete den Kutſcher als Fremder an, der ihm aber mit grämlichen Tone antwortete, er habe ſeine Zahl voll. Er würde auch wirklich ohne ihn abgefahren ſein, wenn nicht Preville herausgerufen hätte: da der fremde Herr nur ein kleiner Mann wäre, ſo wollten ſie ihn noch mit einnehmen, und ſchon ſehen, wie fie Platz fänden. 324. Bei den Engländern, welche große Freunde von guten Mahl— zeiten ſind, muß bei Berathſchlagungen gewöhnlich ein Schmauß vorhergehen, oder nachfolgen. Nun war in einer Kirche an der Glocke der Strick zerriſſen. Der Glöckner fragte bei einem der Vorſteher an, ob der Strick geflickt, oder ein neuer gekauft werden ſollte? Der Vor— ſteher, bei dem dieſe Anfrage geſchehen, trug ſolches ſeinen Collegen vor, die zu dem Behuf ſich verſammelten, eine Mahlzeit hielten, welche dem Kirchenſchatze 12 Pfd. Sterl. koſtete, und dann nach Tiſch die Berathſchlagung vornahmen, die darauf hinauslief: Daß die Kirche zu arm ſei, um einen neuen Strick zu kaufen, und daß der alte geflickt werden müßte. 70 325. Lepper war der beſte Acteur in komiſchen Rollen auf dem The— ater der berühmten Neuberin. Einſtmal kam er auf den Einfall, ſein Glück in einer tragiſchen Rolle zu verſuchen. Er plagte ſeine Prin— zipalin unaufhörlich, ihn den Cato in dem bekannten Trauerſpiele gleichen Namens ſpielen zu laſſen; ſie gab ſeiner Grille nach, und ließ es geſchehen. Das Stück ward aufgeführt. Lepper als Cato ſaß über den Phädon, und philoſophirte über Tod und Unſterblichkeit. Nach einem langen Monolog ſollte ſein Sohn kommen, und ihn unterbrechen; ein Spaßvogel aber hielt den, der dieſe Rolle zu ſpielen hatte, in der Coliſſe zurück, und ſchob an ſeiner Stelle einen zottigen Pudel hinein. Lepper redete ohne aufzuſehen fort: „was willſt du mein Sohn?“ Ein allgemeines Gelächter hinderte die Ausführung des Stücks und heilte Leppern von der Grille in Trauerſpielen wieder aufzutreten. 326. Vor einigen Jahren ſtarb ein reicher Mann in Paris, der ſeine Erben in die tiefſte Trauer verſetzte, weil ſie ſeine Schätze nicht finden konnten. Der eiſerne Geldkaſten war leer. Erſtaunlich! wo iſt ſein Geld? Man nimmt die Bedienten in Verhaft, man durchbohrt die Mauern, man unterſucht alle Lehnſtühle, man hebt die Fußboden auf, man gräbt die Keller um, alles umſonſt. Die Erben beklagen ſich ſehr. Man inventirt, man taxirt alle Meubeln, alle Bijou— terien ꝛc. aber alles dieſes war keine Schadloshaltung wegen der vermißten klingenden Münze. Man geht zuletzt in die beſtäubte Bib— liothek, dasjenige Zimmer, welches am wenigſten war beſucht worden. Die oberſte Reihe war eine Sammlung großer Folianten, welche die heiligen Kirchenväter enthielt. Der Bediente nimmt einen heraus, um ihn dem Taxator zu zeigen. Der ſchwere Band fällt ihm aus der Hand auf die Erde, und ſieh da! 3000 Louisd'or ſpringen dem hei— ligen Chryſoſtomus aus dem hohlen Bauche. Seine Nachbarn, der heilige Gregorius, Auguſtinus, Hieronymus, Baſilius, geben alle , iia 7 i — 7: 71 gleichfalls das ihnen anvertraute Geld wieder her. Jetzt fingen die Erben zum erſtenmal an, bei den heiligen Kirchenvätern zu lachen, ohne ſich über die Schwere der Folianten zu beklagen. Der Reiche hatte ſein Gold zwiſchen die Blätter der Folianten geleimt, in der gewiſſen Meinung, daß es da am beſten und ſicherſten verwahrt ſein würde, und hierin hatte er ſich auch nicht geirrt. Bei den Heiligen vermuthet man keine Schätze. 327. N Herr d' Angouge, Biſchof von Vannes, der oft zerſtreut war, beſuchte die Marquiſin Descartes in ihrer Krankheit. Er ſetzte ſich in einen Lehnſtuhl vor ihrem Bette hin, ließ im Geſpräch mit ihr ſein Brevier fallen, und indem er es aufheben wollte, ergriff er an deſſen Statt einen Pantoffel der Marquiſin, den er auch einſteckte. Er gieng bald darauf weg und nach ſeiner Kirche zur Mette. Man ſchickte ihm ſein Brevier nach. Der Bediente, der es brachte, ſagte ihm zugleich, er habe in Gedanken der Frau Marquiſin Pantoffel eingeſteckt. „Das wüßte ich nicht,“ ſagte der Biſchof, indem er in ſeinen Taſchen ſuchte. Endlich zog er den Pantoffel hervor und ſetzte hinzu: „Sieht Er, - mein Sohn, das iſt alles, was ich von Pantoffeln bei mir habe.“ 328. Der Duc de Vendome, Großvater Heinrichs IV., hatte vor Franz J. außerordentlich viel Reſpect, ſo daß er darüber oft mit ſeinen Ausdrücken ins Lächerliche fiel. Als Franz und er einſtmals durch ein Waſſer ritten, ließ der König ſein Pferd ſaufen, Vendome aber hielt das ſeinige zurück. Vetter, ſagte der König, laßt doch Euer Pferd auch ſaufen. — „Sire,“ erwiederte dieſer, „wenn Ihr Herr Pferd wird getrunken haben, dann ſoll mein Thier auch ſaufen.“ ol 329, fr Einer, der die Hexameter ſehr liebte, zeigte einmal das Bildniß ſeiner Schönen einem guten Freunde, und bat ihn, ihm ein paar 72 Hexameter darunter zu ſetzen, deſſen Inhalt ſein müßte, daß er blos durch dieſe Perſon zum Poeten geworden wäre. Dieſer ſchickte ihm folgende: „Seht dieſe Augen, den Mund, ſchön wie die lächelnde Roſe, Und ihres Wuchſes entzückende Pracht; Das iſt das Mädchen, das mich aus einem Narren in Proſe, Zu einem Narren in Verſen gemacht. 0 330. Ein junger Herr vom Stande, der auf Reiſen ging, hatte von ſeinem Vater beſonders die Erinnerung erhalten, daß er hübſch auf die ökonomiſchen Vortheile achten ſollte, die er in fremden Ländern bemerken würde. Eines Tages fand er in einem Wirthshauſe, wo er einkehrte, den Wirth mit dem Einſalzen einiger ſchöͤnen Stücke Rind— fleiſch beſchäftigt, und hörte von demſelben, daß er einen Viertel— ochſen geſchlachtet habe. Dies gab ihm Gelegenheit, in ſeinem Tage— buche zu bemerken: „Hier wiſſen die Leute das Verderben des Rind— fleiſches zu verhüten. Sie ſchlachten von dem Ochſen vor der Hand nur ein Viertel und laſſen die übrigen drei Viertel ſo lange auf der Wieſe gehen, bis ſie ihrer nöthig haben.“ 331. Lord Cheſterfield fuhr wenig Tage vor ſeinem Tode im Hydepark in einer alten Kutſche mit ſechs ſchwarzen Pferden ſpazieren. Als ein anderer Lord an ſeinen Wagen kam, und ſich nach ſeinem Geſund— heitszuſtande erkundigte, gab Cheſterfield zur Antwort: „ich fühle, daß ich nur noch wenig Tage mehr zu leben habe und darum probire ich hier mein Leichenbegängniß.“ 332. Ein armer Schuſter in Spanien war dem letzten Augenblick ſeines Lebens nahe. Sein einziger Sohn und Erbe der natürlichen Dürftigkeit, fragte ihn, was er ihm auf dem Todbette für Lehren noch N 73 hinterlaſſen wollte. Mit ſinkender Stimme ſagte der Sterbende: „Vergiß nie mein Sohn, dich zu der Hoheit zu erheben, die unſerer Familie würdig iſt.“ 333. Der Lord Landsbrow war ſo ſehr für das Tanzen eingenommen, daß weder Alter noch Podogra ihn von dieſem Vergnügen abhalten konnten. Er tanzte ſogar in den heftigſten Anfällen, die er von Po— dagra litt; aber freilich bekümmerte er ſich, wie man leicht denken kann, nicht viel um den Takt. Bei dem Tode des Prinzen von Dä— nemark, des Gemals der Königin Anna, bat er ſich bei dieſer Prin— zeſſin eine beſondere Audienz aus; ſeine Abſicht war keine andere als dieſe, der Königin vorzuſtellen, daß ſie zur Erhaltung ihrer Geſund— heit und zur Linderung ihres Schmerzes, nichts beſſeres thun könnte, als tanzen. f 334. Es iſt bekannt, daß die Türken ſehr abgeneigt ſind, auf die Fragen, die man ihrer Religion wegen an ſie thut, zu antworten, um ſelbe nicht dem Gelächter und Tadel auszuſetzen. Eine gewiſſe Dame vom Stande fragte einſtmals einen türkiſchen Geſandten am Wiener Hofe, „warum die mohamedaniſche Religion den Männern erlaube, mehr als eine Frau zu nehmen?“ — Der Geſandte, ohne ſich in weit— läufige Erörterungen darüber einzulaſſen, antwortete: „unſere Reli— gion erlaubt uns die Vielweiberei deßhalb, Madame, weil wir bei den verſchiedenen Frauen zuſammen, die wir nehmen, kaum diejenigen Eigenſchaften antreffen, welche in ihrer Perſon, Madame, allein ſich vereinigt befinden.“ Die Dame war mit dieſer ſinnreichen und zu— gleich ſchmeichelhaften Antwort ſehr wohl zufrieden. 335. Vor wenig Jahren trug ſich in dem Flecken Camdem in England ein Vorfall zu, der vielleicht der einzige in ſeiner Art iſt. Ein Mann 74 bei Jahren, der Wittwer war, verliebte fich in ein junges Mädchen und heirathete ſie. Bald nach der Hochzeit trug der Sohn dieſes Mannes, der von ſeinem Vater unabhängig war, der Mutter ſeiner Stiefmutter ſeine Hand an, die auch von der eben nicht bejahrten Frau willig angenommen wurde. Durch dieſe ſonderbare Heirath hatten alle Theile ganz widerſprechende Titel. Der Vater war Schwiegerſohn ſeines eigenen Sohnes, und ſeine Gattin nicht allein Stieftochter ihres eigenen Stiefſohns, ſondern auch Schwiegermutter ihrer leiblichen Mutter, und dieſe wieder Stieftochter ihrer Tochter. ſo wie ihr Mann der Stiefvater ſeiner Stiefmutter, deßgleichen der Schwiegervater ſeines leiblichen Vaters war. 336. Im Jahr 1618 waren kaiſerliche Geſandte in Prag, die im Naz men des Kaiſers bei den Böhmen allerlei neue Einrichtungen machen ſollten. Man konnte nicht zum Schluß kommen, und die Böhmen wurden endlich ſo erbittert, daß ſie die drei kaiſerlichen Räthe und ihren Sekretär zum Fenſter hinauswarfen. Die Scene dieſer Exe— cution war ein Saal im oberſten Stockwerke des Schloſſes zu Prag, welches ſehr hoch iſt. Glücklicherweiſe gingen die Fenſter, durch die ſie den Sprung machen mußten, in einen Hof, der wegen eines dicht daran ſtoßenden Stallgebäudes ganz mit Miſt bedeckt war. Es nahm alſo keiner von ihnen Schaden, ob ſie gleich vor Betäubung nicht gleich den Augenblick darauf ſich wieder aufraffen konnten. Den Sek— retär traf die Reihe, hinunter geworfen zu werden, zuletzt. Er fiel zum Unglück auf einen von den dreien Räthen. Geſchwind raffte er ſich auf, machte eine tiefe Verbeugung und bat tauſendmal um Verge- bung, daß er die Grobheit begangen hätte, auf ihn zu fallen. 337. Der Profeſſor Taubmann zu Wittenberg gab einem Studenten den Rath, wie er mit einem mäßigen Fuder Holz den ganzen Winter auskommen könnte. Wenn Sie ein Fuder haben, ſagte er, ſo laſſen 75 t 7 Sie es unten im Hofe liegen, wenn Sie nun zu frieren anfängt, ſo tragen Sie ein Scheit nach dem andern auf den Boden, bis Ihnen warm iſt; wenn Sie darnach wieder friert, ſo tragen Sie es wieder herunter in den Hof, bis ihnen warm iſt, auf ſolche Art können Sie ſich mit einem Fuder Holz den ganzen Winter hindurch erwärmen, ohne ein Stück davon verbrannt zu haben. 338. Der berühmte engliſche Schauspieler Foote hatte ein hölzernes Bein. Er war einſt zur Weihnachtszeit auf eines Grafen Landgut, wo ihm das wenige Feuer bei der ſtrengen Kälte ſehr mißfiel. Den dritten Tag machte er ſich reiſefertig, und als ihn der Wirth bat, doch noch länger zu bleiben, erwiederte er: „Nein, nein! bleibe ich länger, ſo behielte ich kein Bein, um darauf zu ſtehen.“ — Ei, ſagte jener, wir trinken doch nicht zu viel.“ — „Nicht das,“ ſagte Foote, „aber es iſt ſo wenig Holz im Hauſe, daß ich fürchte, der Bediente nimmt den nächſten Morgen mein rechtes Bein, um damit einzu— heizen.“ Als ihm das Bein abgenommen wurde, rief er einigemal vor Ungeduld aus, „iſt das Bein noch nicht ab?“ Der Operateur, ein ſaurer Mann, gab ihm mürriſch zur Antwort, daß man hier nichts übereilen könne. Nun, ſagte Foote halb ohnmächtig, zürnen Sie nicht, Hr. Doktor, es iſt das erſtemal, daß mir ein Bein abgenommen wird, wenn die Sache wieder vorkommt, will ich mich ſchon beſſer benehmen. So verließ ihn auch bei ſeinen Schmerzen der Scherz und die Munterkeit nicht. Ueber den verlornen Fuß pflegte er ſehr oft zu ſpaßen. Er ſagte einſt, ich bin ein elender Mann, mit einem Fuß ſchon im Grabe, aber darum mit dem Ueberreſt nicht um einen Finger breit näher dabei. 339. Ein reicher Geizhals ging einſt barfuß des Abends ohne Laterne, um das Licht zu ſparen, auf einem ſteinigten Wege. Indem er nun 76 in Gedanken ausrechnete, wie viel Geld er jährlich erſparen würde, wenn es einſt Mode würde, barfuß zu gehen, ſtieß er ſich an einem Kieſelſtein die große Zehe ab. Er hinkte nach Hauſe, und nachdem er ſeiner Frau ſein Unglück erzählt hatte, ſetzte er hinzu: „der Him— mel ſei gelobt, daß ich meine Schuhe nicht anhatte, ich hätte a Zweifel ein großes Loch darein gemacht.“ 340. Eine Dame zu Paris traute ihrem Geſinde ſo wenig, daß ſie alles, was ſie in ihrer Haushaltung gebrauchte, gewöhnlich ſelbſt ein— kaufte. Eines Tages war ſie nach einem Fleiſchſcharren gefahren und hatte eine Hammelkeule gekauft, die ſie, da der Bediente nicht ſogleich bei der Hand war, ſelbſt nach dem Wagen tragen wollte. In dem Augenblicke, da ſie ſelbige hinein legen wollte, fiel ſie ihr aus der Hand. Der Graf von Mirabeau, der eben vorbei ging, lief ſogleich herzu, hob die Hammelkeule auf, und überreichte ſie der Dame mit den Worten: Madame, Sie haben Ihren Fächer fallen laſſen. 341. Der Graf von Grammont, einer der witzigſten Köpfe in Frank— reich, zur Zeit Ludwigs des Vierzehnten, wollte einſt den Hof auf Koſten eines erſt aus der Provinz angekommenen Edelmanns belu— ſtigen. Ohne ihn weiter als von Anſehen zu kennen, ging er auf ihn zu, und fragte ihn, ob er wohl wüßte, was die Wörter Parabole, Faribole und Obole bedeuten? Er glaubte den Fremden aus ſeiner Faſſung zu bringen. Allein, ohne ſich lange zu beſinnen, antwortete dieſer: Parabole iſt das, was Sie nicht verſtehen, Faribole das, was Sie ſagen, und Obole das, was Sie werth ſind. Dieſe witzige Antwort brachte den Grafen in die größte Verwirrung, die meiſten— theils der Beſchämung zur Seite geht, und der Hof freuete ſich, daß über den Starken einmal ein noch Stärkerer gekommen war. 2 77 4 342. Ein Edelmann, der ſich eine Viertelſtunde von Troppau auf ſeinem Schloſſe im preuß. Schleſien aufhielt, ließ aus Mangel eines Barbiers immer einen von Troppau zu ſich kommen. Die Kommu- nikation zwiſchen dem öſtreichiſchen und preuß. Schleſien wurde ein— mal bei Lebensſtrafe verboten; aber der Troppauer Barbier glaubte, daß ſein Geſchäft zu unwichtig ſei, um nicht eine Ausnahme zu ver— dienen. Am beſtimmten Tage alſo ging er wieder hinüber, aber der Edelmann voll Schrecken ihn zu ſehen, ſchaffte ihn ſogleich wieder zurück, mit dem Bedeuten, er ſolle ihn an der Grenze erwarten. Der Barbier ging, der Edelmann kam, kniete an der Grenze nieder, und ließ ſich von dem Barbier, der wenigſtens immer einen Fuß auf dem kaiſerlichen Gebiete haben mußte, den Bart abnehmen. Seit dieſer Zeit kamen ſie am Barbiertage immer an der Grenze zuſammen, wo denn die Manipulation auf die beſchriebene Weiſe vorgenommen wurde. 343. Ein engliſcher Graf hatte ſich auf den glücklichen Fuß geſetzt, ſtets an der Wahrheit eines unglücklichen Vorfalls zu zweifeln. Wenn man ihm den Tod eines Freundes oder ſonſt was Widriges hinter— brachte, ſo leugnete er es hartnäckig. Nach dem Tode ſeiner Gemah— lin ließ er nach wie vor bei Tiſche ein Couvert für ſie legen. Dieſem Grundſatz blieb er auch im Umgange mit ſeinem Freunden, und bei allen möglichen Ereigniſſen getreu. Ein Lord beſuchte ihn eines Tages, und wurde von dem Hunde des Grafen ins Bein gebiſſen. „Seien Sie unbeſorgt, ſagte der Graf zu ihm, mein Hund beißt niemals.“ — Der Lord, der das Thier mit einem Schlage zu Boden geſtreckt hatte, antwortete in eben dem Tone: „Fürchten Sie nichts, Graf, ich ſchlage niemals.“ 344. Zwei Herzoginnen ſagten einſt zu einander: Oſtern kommt heran, das giebt Gelegenheit zum Nachdenken, wir ſind große Sün— 78 derinnen. Was ſollen wir aber thun? Ei! wir wollen unſere Bedienten faſten laſſen. ü 345. 7 Dionyſius der ältere, König von Sicilien, machte Verſe. Seine Schmeichler bewunderten ſie; allein Philoxenes, ein Gelehrter, hatte vieles daran zu tadeln! Dies erbitterte den Dionyſius dergeſtalt, daß er ihn auf die Galeeren ſchickte. Doch baten ihn feine Freunde bald wieder los. Nicht lange darnach, als Dionyſius ihn wieder zur Tafel zog, las er abermals ein Gedicht vor, und verlangte des Philo— renes Meinung darüber zu vernehmen. Dieſer wandte ſich ohne dem Könige zu antworten, gegen die Leibwache, und fagte: bringt mich nur wieder auf die Galeeren. 346. f Ein alter redlicher Geiſtlicher in dem Herzogthum Kärnthen, der ſeiner Gemeinde öfters die Wahrheit ganz unverſteckt zu ſagen, auch derſelben wohl unter der Hand mit Gottes Strafgerichten zu drohen pflegte, ging eines Tages auf dem Felde ſpazieren, wo er von einem mit Hagel begleiteten Wirbelwinde überfallen wurde, der ihm die Perrücke abnahm, und weit in die Saaten hinein führte, die durch das Wetter gänzlich verwüſtet wurden. Der Paſtor rettete ſich mit dem Schnupftuche um den Kopf nach Hauſe, verſchwieg aber, um ſich nicht dem Spott der Muthwilligen auszuſetzen, die Geſchichte. Einige Tage darauf fand man die Perücke, ebenfalls verhagelt in dem verheerten Felde. Der Fund wurde bekannt, und nun glaubte die ganze Gemeinde, die alte Perücke des Paſtors habe den Hagelſturm hervorgebracht. Dieſes ging auch ſo weit, daß der brave Mann ſeines Lebens nicht mehr ſicher war, und wirklich verſetzt werden mußte. 347. Ein Edelmann war in einem fo hohen Grade hypochondriſch, daß er glaubte, geſtorben zu ſein. Kein Zureden, kein Bitten half, er faſtete fieben Tage. Endlich fiel man auf folgende Liſt. Man ver— finſterte ſein Zimmer, einige luſtige Burſchen hüllten ſich in Todten— kleider, kamen hinein zu ihm, trugen Speiſe und Getränke auf, und ſchmauſten tapfer. Der Kranke ſah dies beim Schimmer eines Lichts. Er fragte ſie, wer ſie wären, und was ſie wollten? „Wir find Todte?“ — „Eſſen denn die Todten auch?“ „Ja wohl eſſen ſie. Setze dich nur zu uns, ſo wirſt du ſehen, wie gut es ſchmeckt.“ Der Scheintodte ließ ſich das nicht zweimal ſagen. Er ſprang vom Bette auf, und aß. Nach geendigter Mahlzeit bewirkte das Medikament, welches man in ſeinen Wein gemiſcht hatte, einen erqui— ckenden Schlaf, und er genaß. 5 348. Zwei Engländer liefen auf der Straße in London mit den Kö— pfen gegen einander. Der eine beſchwerte ſich laut, der andere bat um Verzeihung, weil, wie er ſagte, dies doch die letzte Unvorſichtigkeit in ſeinem Leben ſein würde. „Warum die letzte?“ — Weil ich hin— gehe, um mich zu erſäufen. — „Und was haſt du für Urſachen dazu?“ — Weil meine Frau und Kinder nach Brod ſchreien, und ich ſelbſt nichts habe, und nichts verdienen kann. — „Dann kommſt du mir eben recht, ich ging auch hin, mich zu erſäufen, weil ich nicht wußte, mit wem ich die reiche Erbſchaft meines Vetters theilen ſoll; — komm mit mir nach Hauſe.“ Sie gingen zuſammen, der Reiche ließ des Armen Frau und Kinder zu ſich bringen, theilte mit ihnen ſein Ver— mögen, und keiner dachte weiter ans Erſäufen. 349. Als weil. dem Kaiſer Karl VI. der Erzherzog Joſeph geboren ward, hatte ein Schuſter bei der Illumination ſeines Hauſes fol— genden Einfall. Er ließ Felder malen; in dem einen eine Wiege, worin der Prinz lag, mit der Ueberſchrift aus dem bekannten Tiſch— 80 gebete: wir bitten Gott, unfern lieben Herrn, er wolle uns künftig mehr beſcheeren. Die Naivität dieſes ungekünſtelten Einfalls gefiel ſowohl, und ward ſo gnädig aufgenommen, daß der Kaiſer dem Schu— ſter tauſend Gulden ſchenkte. 350. Der Abbé Boisrobert hatte einen Neffen, den er dem Cardinal Richelieu gerne zur weiteren Beförderung vorgeſtellt hätte. Der Car— dinal luſtwandelte eines Tages in dem Garten ſeines Palaſtes, um ein großes Baſſin, umgeben von einer großen Menge von Höflingen und Hoͤfſchranzen, daß der Abbs ſich vergebens in den Haufen hinein zu drängen ſuchte, und endlich alle Hoffnung aufgab, ſich und ſeinen Neffen auf die gewöhnliche Art bemerkbar zu machen. Nach langem Hin- und Herſinnen ergreift er endlich ſeinen Neffen, der am Rande des Baſſins neben ihm ſtand, und wirft ihn in's Waſſer. Es war indeſſen nicht ſo viel, daß es Gefahr gehabt hätte; aber doch genug, um tüchtig eingenetzt und beſudelt zu werden. Dieſer Vorfall machte natürlicher Weiſe Lärm unter dem Gefolge des Cardinals, einige ſchrieen, andere lachten. Der Cardinal kehrt ſich um, und will wiſ— fen, was es tit? „Es iſt mein Neffe,“ ſagt Boisrobert, der ſich mit- lerweile bis zu dem Cardinal vorgedrängt hatte, „den ich Ew. Emi- nenz präſentire, und zu Gnaden empfehle, er hat deren ſehr vonnö— then.“ Dieſe neue Art, Jemanden zu präſentiren, kam dem Cardinal ſehr luſtig vor. Des Abends beim Schlafengehen ließ der Cardinal den Boisrobert rufen, und ſagte zu ihm: „Sind Sie nicht ein Narr, Abbé, daß Sie mir Ihren Neffen in dem Aufzuge vorſtellen, worin er dieſen Morgen war?“ — Ich weiß, was ich thue, gnädiger Herr, ſagte der Abbé, hätte ich ihn Ew. Eminenz, fo wie einen andern ſei— nes Gleichen vorgeſtellt, ſo würden Sie auf ihn keine Acht gegeben haben; aber mittelſt dieſer kleinen Wendung hoffe ich, Ew. Eminenz werden ſich ſeiner erinnern, und nicht vergeſſen, etwas für einen Men— ſchen zu thun, der ſein Leben daran gewagt hat, um das Glück zu haben, Ihnen vor Augen zu kommen. Boisrobert verſtand ſich, wie 81 man fieht, auf die rechte Art, den Eminenzen, Excellenzen, und ihres Gleichen beizukommen. Der Cardinal erinnerte ſich wirklich des Nef— fen nach einigen Tagen, und gab ihm eine gute Pfründe, auf die der junge Mann, wenn er ſie ſeinen Verdienſten hätte verdanken ſollen, vermuthlich noch lange hätte warten können. 351. Zwei Leute geriethen mit einander in einen harten Wortſtreit. Der eine kam in Hitze, und gab dem andern eine derbe Orfeige. Zum Henker! rief dieſer aus: Soll das Spaß oder Ernſt ſein? Ernſt, ant— wortete der erſte ganz trotzig. Das iſt Dein Glück, verſetzte jener, denn dergleichen Spaß verſtehe ich nicht. 352. Der Herr von Montespan, deſſen Gemahlin Maitreſſe Lud— wigs XIV. war, ſpielte eines Tages Lansquenet. Seine erſte Karte, welche der Coeur König war, wurde abgeſtochen. Da er nun darüber verdrießlich war, ſagte eine dabei ſtehende Dame, welche für witzig wollte gehalten ſein, zu ihm: Ach, mein Herr! es iſt nicht der Coeur König, der Ihnen den meiſten Tort thut. Den Herrn von Montes— pan verdroß dieſe Anmerkung, und gab ſogleich zur Antwort: Meine liebe Madame, wenn meine Frau für einen Louis iſt, ſo ſind Sie für einen Sous. 353. Als einmal die Würmer in Holland ſo vielen Schaden verurſach— ten, wurden von der Obrigkeit deßwegen Faſttage angeſetzt. Dar— über ſagte Jemand: man ſollte den Würmern Faſttage verordnen, das würde mehr helfen, als das Faſten der Einwohner. 354. In Andernach lagen Oeſterreicher und Preußen zuſammen, daher auch Exceſſe nichts Seltenes waren. Dieſer Neckerei müde, ließ der Bibl. d. Frohſinns. IV. 6 82 Commandant den Schreibe-Unteroffizier kommen, um ihm eine Alles ſchlichtende Ordre zu dietiren. Wie diefer ins Zimmer kommt, befiehlt ihm der Commandant, ſich zu ſetzen und zu ſchreiben, worauf folgen— des Geſpräch Statt fand: Commandant. Schreiben's! Fourier. Gleich, Ihre Gnaden! dictiren's nur! Commandant. (dictirt) Andernach. Fourier. (vepetirt) Andernach. Commandant. Leſen's mal vor! Fourier. (leſend) Andernach. Commandant. Recht ſo, (dietirt weiter) Aude nach den. Fourier. (repetirt) Den. Commandant. Leſen's mal vor! Fourier. (vorlefend) Andernach den. Commandant, (dictirt weiter) Den 12. April. Fourier. (repetirt) Den 12. April. Commandant. Leſen's mal vor! Fourier. (lieſ't) Den 12. April. Commandant. 8 recht fo: den 12. April 1814. Fourier. (repetirt) 1814. Commandant. Nun leſen's mal Alles laut vor! Fourier. (lieſ't) Andernach, den 12. April 1814. Commandant. (greift nach ſeinem Degen und Hut, ſtellt ſich vor den Spiegel und macht ſeine Toilette) Recht fo! Nu i hab Ihnen die Einleitung g'macht, ausarbeiten könn'ns nu halt ſchon ſelbſt; ich muß erſt mal auf d' Paraden gehn. Dabei ging er zur Thür hinaus. * 355. Berliner Straßen-Unterhaltung. Bon Schur, Fernand, wo ſchwiewſte denn bin?. aya — Gen Pankow. ‘Per hh in manu baltimorum stockibus? — —Biſte denn mit 83 — Wui Musje, ſchä mong Wochelohn — Wie ville beträgt Wotter Appanaſche uf de Woche? .... — Le Mäter de la Stiebel a la Mode de Pari haben mit mich noch nich gerechnet, jedennoch ick habe eenen Extravorſchuß von duſe Groſchens a la Silber — Bong! — Die frühe Weißen, exküſe, die de da anhaſt, find aber noch von det Jahr 25 von donnermals, wo der Baom in den Blitz ge— ſchlagen hat. Ick bemerke an ſolchen frühen Weißen eene extraordi— näre Pluderität, ſe ſind ja noch weetleftiger, wie'n Grenzprozeß. Hoe non amabus anjetzo — Wat geht mir Amabus an? — Ick amorire vor mir alleene, wat he. gefällt. Mein Ju is eenzig in feiner WP + Ooch bong! — Doch, wat koſt'n Dich det graue Milchpferd, wel— ches beinah wie'n Sommerrock auszuſehen ſcheint? — Hat mich mong Mondör angefertigt, Na, rath' mal, wat er dich koſten thut — Dämulus es — mich koſt' er gar niſcht. Wat koſt' er aber Dich? — Zwee Daler 25 Sgr. in Gold —* Da is woll ooch gleich der Kaminvorſetzer mit bezahlt, der Dich als Weſte ausnehmend kleedet? — Die Weſte? — Wuſät öng Spaßvogel. Det is Rips — Pardonnö, ick gloobt; je Gerapſtes. — Ferdinand, ick muß mir anjetzt ſkizziren, ick Bin zum Kaffee anatomirt, wat iſt'n de Glocke? — A la bonnör! — Is des'n Kieſelſteen oder 'ne „Zilinder⸗ uhre? — Ne hörmal, Fernand, die mußtd in de Chauſſeeſteener Ver. kleenerungs-Anſtalt ſchicken, det fe de Pelleu abkloppen, oder bind’ ſe Dich uf de linke Backe und geh int Klinikum, ſo denken ſe doch, Du haſt'n Gewächſe und da bekommſte freie Medecin. Geht et denn — det grahamſche Meeſterſtücke? — Wui Musje, wenn man ſe ſchüddelt! Det brauchſte nich. Denn will ick Dich wat beſſerſch ſagen. Du ſteckſt nehmlich bewußte ſtehende Uhr in de Taſche un machſt ne Reiſe 6 * 84 nach'n Haag, fo wird felbige ooch mitgehn, und hör mal, wenn eene Uhr bis nach'n Haag gehn duht, det is allens mögliche. Aber eh' de abreist, mußte Dir vorher ufziehn laſſen un denn komme man bei mich. Ick rekommendire mir . . .. U N — Loof! — (Für ſich.) Der weeß ville, wat Eleganz un Mode anbelangen duht. — 356. Ein Bauer erſchlug Maikäfer in ſeinem Garten. Sein Nachbar, ein Apotheker, ſah dies und rief ihm zu: „Warum erſchlägſt du die armen Thiere, ich gebe dir für ein Stück ſieben Kreuzer, da ich ſie in der Apotheke brauche.“ Der Bauer hatte nun nichts Angelegentliche— res zu thun, als Maikäfer zu ſammeln, und ſchon binnen 14 Tagen brachte er dem Apotheker zwei Metzenſäcke voll. Der Apotheker aber ſuchte ſich ein Stück heraus und gab dem Bauer ſieben Kreuzer. — „Was wäre das?“ ſchrie der Bauer, der Apotheker aber überzeugte ihn, daß er gehalten, was er verſprochen; denn ſein Verſprechen lau— tete nur: Ich gebe für ein Stück ſieben Kreuzer. Der Bauer ſammelte keine Maikäfer mehr. 357. Jemand meinte, es fet doch gar zu unſinnig, daß Roſſini in der Oper: Die diebiſche Elſter, den Podeſta einen Walzer ſingen laſſe, in dem Augenblicke, als er der Ninette das Todesurtheil ankündigt. Dies vertheidigte aber ein Anderer und ſagte: „Eben dieſer Todes— urtheil-Walzer ſei Roſſini's charakteriſtiſches Muſikſtück, denn eben durch den falſchen muſikaliſchen Ausdruck habe er an⸗ zeigen wollen, daß das Urtheil ſelbſt falſch ſei.“ 358. Ein berühmter Mann kam als Gaſt auf das Schloß des Frei— herrn von —y. Der Freiherr befahl ſeinem Haushofmeiſter alles Silber auf den Tiſch zu ſetzen, was er beſitze, und als man zum Mit⸗ 85 ; tagsmahle ging, ſieh — da lagen rund um den ſilbernen Sußpentopf auch die 28 ſilbernen Sporen des Freiherrn. 359 * Im Frühjahre trat ein Bauer in den Stall und wollte ſein Pferd aufzäumen, um ſeine Feldarbeit zu beſtellen, allein der Gaul lag todt auf dem Boden. — „Nun ja,“ fagte der Bauer — „auf dieſe Art iſt's freilich gut, ein Pferd zu ſein, den ganzen Winter hindurch hat das Beeſt nichts zu thun, als zu freſſen, und im Frühjahr, wo es zur Arbeit geht, crepirt es!” 360. 7 Schon oft hatte ein Hauptmann einen Soldaten ſeiner Com— pagnie ausgeſcholten, daß er fo ſchmutzig ausſehe. Nun ſuchte er ihn durch Güte zur größeren Reinlichkeit zu bewegen. „Schau einmal deine Cameraden an, wie ſchön ſie ausſehen, und nun betrachte die Flecken auf deiner Uniform!“ „Gnaden Herr Hauptmann! ich bin halt nit fo hof— färtig wie die Andern.“ 361. Man fand das alte Leichenhaus, in welches die Särge bis zur Beerdigung eingeſetzt wurden, für die Bevölkerung eines Städtchens zu klein, und es wurde ein neues gebaut. Dieſes neue aber lag fo weit von der Wohnung des Todtengräbers entfernt, daß man die Vor— ſicht, welche in Hinſicht auf die Scheintodten vorgeſchrieben iſt, hier nicht erfüllen konnte. — Der Bürgermeiſter des Städtchens aber wußte ſchnell Rath, und befahl, daß man in dem alten Lei— chenhauſe, welches hart an der Wohnung des Todten— gräbers ſtand, die Scheintodten, in dem neuen Leichen- hauſe aber die wirklichen Todten beiſetzen ſollte. 86 | 362. 2 Von einer Schauſpieler-Geſellſchaft, welcher ihr Direktor ſchon mehrere Monate hindurch ihre Gage zu bezahlen ſchuldig war, ſagte Jemand, ſie beſtände aus lauter gehaltloſen Menſchen. 363. ˖ Zwei Frauenzimmer begegneten in der Stadt einem Mohren. , fagte die Eine zu der Andern, das ijt ein Mohr! Ja richtig, 1 die Andere, man ſieht's ihm an. 364. Ein Menſch, der in allen ſeinen Unternehmungen ſehr unglück— lich war, rief voll Grimm über ſein Mißgeſchick aus: Ich glaube, wenn ichein Hutmacher geworden wäre, fy hätte unſer Herrgott die Menſchen ohne Köpfe erſchaffen. 365. Einer wollte ſich in Wien ein paar Hoſen kaufen und wandte ſich deßhalb an einen Trödeljuden: Der Jude. Ich was e Poor, aber iach farcht, ſie werden Ihnen zu weit ſein. N Der And ere. Das bet nichts zu bedeuten, führ' Er mich nur hin. Und ſie gingen und gingen zur Stadt hinaus, durch die Vorſtadt und bei der Linie hinaus, pe weiter und weiter; endlich fragte der Ungeduldige: 22 Käufer. Nun, wo ſind denn die Hoſen? Jude. In Prag. Käufer. Verdammter Kerl! wie kannſt du mich ſo zum Narren haben. | Jude. Zum Narren — Gott bewahre! Fach hob Ihnen gleich gefagt, die Hoſen werden Ihnen zu weit fein, aber Sie haben geſagt, das hätt'! nichts zu bedeuten. N a x | 87 366. Ein Ungar kam in Wien in einem großen Gaſthauſe angefahren, wo links und rechts Speiſezimmer waren. Unter dem Hausthore fragte ihn der Kellner: Werden Euer Gnaden enten“) oder dren— ten“) ſpeiſen? und deutete auf die beiden Speiſezimmer. Enten, dachte der Ungar, hab ich ſchon zu Mittag gegeſſen, und antwortete alſo dem Kellner: Lieber Freund! werd' ich drenten ſpeiſen, er meinte nämlich drenten heiße eine Speiſe. So belieben Euer Gnaden hier herein zu ſpazieren, verſetzte der Kellner und öffnete ihm das Speiſezimmer links. Kaum ſaß er da, ſo fragte der Kellner dieſes Zimmers: Was befehlen Euer Gnaden zu ſpeiſen? hab ich ſchon dren— ten angeſchafft, erwiederte der Ungar. So müſſen Euer Gnaden in das Speiſezimmer gegenüber gehen, war des Kellners Antwort. Kaum dort angelangt, ging es ihm eben ſo wie hier, und bald hätte der arme Ungar weder enten noch drenten etwas zu eſſen bekommen. 367. Ein witziger Diener eines ſehr luſtigen Herrn, wurde mit einigen Röcken, welche ſeinem Herrn zu enge waren, zum Schneider geſandt, um ſie weiter machen zu laſſen. Mit einem Seufzer übergab er die Röcke dem Schneider. Warum denn ſo traurig? fragte dieſer. Ach, antwortete der Bediente, mit meinem Herrn wird jetzt kein Auskom— men mehr ſein, er iſt ſchon jetzt ſo luſtig, daß es kaum auszuhalten iſt, und jetzt bekommt er auch noch lauter aushelaſſene Röcke. 1 368. Ein Müller bekam mit einem Rauchfangkehrer Streit. Beide gingen zum Richter klagen. Der Müller klagte den Kaminfeger an, er habe ihn ſchwarz gemacht, der e klagte, er habe ihn weiß ge— *) Enten heißt im öſterreichiſchen roche: henne e **) und drenten, drüben. 7 a 5 — 88 macht. Der Richter entſchied für den Müller, weil er ſchwarz auf weiß habe. 369. In Krain werden von den Landleuten Mehlnudeln in der Größe einer kleinen Leberwurſt gegeſſen. Ein Bauer wettete, er werde 25 ſolcher Nudeln eſſen, wenn der Andere den Wein dazu bezahle. Die Wette wurde geſchloſſen, er fing an zu eſſen, brachte aber nur 24 hinein. Die 25ſte, welche nun noch auf dem Teller lag, betrachtete er erſt lange und ſagte endlich, mit dem Finger drohend: hätte ich ge— wußt, daß du übrig bleiben würdeſt, fo hätt' ich dich zu- ert gegeſſen. 370. Ein Zierbengel, der ſich gern der franzöſiſchen Sprache bediente, aber ſie nicht zu ſprechen verſtand, wurde gefragt, wo er ſtudiert habe, er antwortete: Jai été un àne à Göttingne et encore un àne à Leipsie. f 371. Ein Bauernburſche, der ſehr ſchwer krank war, geſtand unter andern auch, daß er ſeinem Nachbar ein Stück Leinwand geſtohlen habe. Der Nachbar rief: „Nein! das iſt zu grob!“ Ihr habt recht, erwiederte der Burſche, die Mutter hat auch geſagt, ich hätte eine feinere nehmen ſollen. 372. Laß dir, ſagte ich zu meinem Thomas, bei Herrn M. die Ala⸗ baſter-Statue geben, und mein Thomas ging hin und begehrte die — alte Paſtorſtatue. 373. Wie alt iſt Er? fragte ein Hauptmann einen Soldaten. Er ant⸗ wortete: „Zwei und zwanzig Jahre bin ich alt, Euer Gnaden, Herr 89 Hauptmann, ich wäre eigentlich drei und zwanzig alt, aber a, Jahr bin ich im Spital gelegen.“ 374. Ein Mann, der einen Fall gethan hatte, wurde vom Wundarzte unterſucht, und da er bei keiner der Berührungen Schmerzen äußerte, endlich von dieſem gefragt: „In welcher Gegend haben Sie ſich denn wehe gethan?“ — In der Gegend des Schloßplatzes, war die Antwort. 375. Ein Kutſcher trat zu ſeinem Herrn, der ein Wucherer und von der ganzen Welt gehaßt war, in's Zimmer und kündigte ihm den Dienſt. Warum willſt du mich verlaſſen? fragte der Herr — Wenn wir ausfahren, verſetzte der Kutſcher, ſo muß ich immer hören, wie die Leute auf der Straße ſagen: Da fährt der Spitzbub, da weiß ich nun nicht, wen's angeht, und das kränkt mich. 376. Der Wirth eines Dorfes betlagte ſich beim Bäcker, daß er ſo ſchlechtes Brod backe. „Wenn ich gutes Brod haben will,“ ſagte er, „ſo muß ich nach der Stadt ſchicken.“ „So geht mir's auch,“ ant— wortete der Bäcker, „wenn ich guten Wein haben will.“ 377. Im erſten Stocke eines Hauſes wohnte der Hofbäcker, der eben zum Fenſter hinaus ſah. Ein Student, der im dritten Stock wohnte, wollte etwas auf die Straße ſchütten, da er aber ſah, daß im erſten Stock Jemand aus dem Fenſter ſah, ſo rief er hinab: Kopf weg! Dem Andern aber klang es als riefe man Hofbäck! Er ſah alſo ſchnell hinauf, wer ihn riefe, und bekam die ganze Ladung i'ns Geſicht. 90 378. „Heute iſt ſchlechtes Wetter,“ ſagte ein herzhafter Delinquent zu dem Profoſen auf dem Gange zum Galgen. Ja wohl, verſetzte der Profos, aber du biſt doch beſſer daran als ich, du darfſt nur hin— aus gehen, ich muß aber auch wieder zurückgehen. 379. Ein Soldat bekam Prügel, er murrte nicht. Nachdem er von der Bank herab geſtiegen war, fragte ihn Einer ſeiner Cameraden, wie er gar fo ſtandhaft habe bleiben können? „Ei was,“ antwortete er, „ich bekümmere mich niemals um das, was hinter mir vorgeht.“ 380. In einer kleinen Landſtadt, wo die Leute mehr Kröpfe als Er— ziehung haben, kam eine Frau dieſer Claſſe wegen Wohlhabenheit ihres Mannes auch manchmal in beſſere Geſellſchaft. Man ſpielte Reimen. Die Frau hatte Perlen um. Um ihr etwas Leichtes auf— zugeben, fragte man ſie: Was reimt ſich auf Kerl? Verlegen ſah ſie, ohne daß ihr etwas einfiel, ihren Gemahl an, dieſer deutete ihr auf den Hals und reimte — Kropf. 381. Ein Blumenfreund wollte die vortheilhafte Lage ſeines Gärtchens damit heraus ſtreichen, daß er verficherte: es ſcheine die Morgen— ſonne den ganzen Tag hinein. 382. Ein Mann trank öfters in einem Bierhauſe den Andern, wenn ſie wegſahen, ihre Gläſer aus. Man ertappte ihn endlich dabei. Zur Entſchuldigung bezog er ſich auf das Schild vor dem Wirthshauſe, welches ihn dazu berechtigte. Es ſtehe ausdrücklich darauf: Hier trinkt man fremde Biere ~~ 91 7 383. Einem berühmten Arzt erzählte ein Mann von den chroniſchen Uebeln ſeiner Frau, um ihn darüber zu conſultiren, und ſetzte end— lich hinzu: Sie glauben gar nicht, wie viel mich die Naturge— ſchichte meiner Frau ſchon Geld gekoſtet hat. 384. Ein Profeſſor, der gern perorirte und Reden an ſeine Schüler hielt, richtete ſeine Worte an einen jungen Mann, der nahe bei dem Katheder ſaß, und wollte ihn mit dem Aufrufe: du freundlicher Jüngling, anreden, verſprach ſich aber dreimal hintereinander und ſagte: Du gründlicher Freundling, du freundlicher Gründling, du greulicher Fündling! 385. Dem Bürgermeiſter eines Städtchens wurde anonym gemeldet, es halte ſich ein Frauenzimmer in der langen Straße auf, die verdäch— tigen Lebenswandels ſich ſchuldig mache, ſie ſei ſchön, jung, beſuche vornehme Geſellſchaften, ſpiele hoch und habe immer ein Möpschen bei ſich. Der Bürgermeiſter verſammelte hierauf alle ſeine Gerichts— diener und Knechte, um das Nähere über dieſe Anzeige zu erfahren und die Perſon beobachten zu laſſen. Alle raportirten aber ſchon Tags darauf, ein ſolches Frauenzimmer ſei nicht im Städtchen. Der Bürgermeiſter wurde zornig, ſagte, ſie müſſe da ſein, die Anzeige wäre zu beſtimmt, und wer ihm nicht in 24 Stunden genaue Kunde brächte, der bekäme ſeinen Abſchied. Doch Einer nach dem Andern kam mit betrübtem Geſicht und behauptete, die Auffindung ſei un— möglich, es befinde ſich nun einmal kein ſolches Frauenzimmer hier. Nur Einer, den man für den dümmſten gehalten hatte, rapportirte: Ich hab's! Herr Bürgermeiſter, aber die Sache verhält ſich anders als angezeigt worden iſt. Sie wohnt nicht in der langen Gaſſe, ſondern im Herdwinkel, und iſt nicht jung und ſchön, ſondern alt und garſtig. Mit den Geſellſchaften iſt's auch nicht weit her, \ \ | 92 fo wenig als mit dem Spiel, welches immer in Hundert Eins be- ſteht, der Hund iſt da, aber es iſt kein Mops, ſondern ein großer Pudel, und es iſt auch kein Fraunzimmer, fondern ein Fuhr— mann. — Jetzt hatte der Bürgermeiſter genug und warf den Rappor⸗ teur zur Thür hinaus. 386. In einer kleinen Provinzſtadt hatte ein Bürgermeiſter, der zu— gleich Fleiſcher war, einen bewunderungswürdig großen Ochſen ge— mäſtet. Alles aus der Umgegend ſtrömte zu, um das Wunderbeſt zu ſehen, und die Magd rief jedesmal, wenn Schauluſtige kamen: Herr Bürgermeiſter! kommen Sie doch herunter, es find ſchon wieder Leute da, die wollen den Ochſen ſehen. 387. Ein kaiſerlicher Officier hatte zu Mailand einen Wortwechſel mit einem Kaufmanne und wollte ihm ſagen, ob er denn nicht wiſſe, daß ein kaiſerlicher Hauptmann ein großes Thier ſei? — Das gab er alſo: „Non sapete, che un capitano imperiale e una gran bestia?“ — Der Kaufmann erwiederte gelaſſen: „Lo so, illustrissimo.“ — 5 388. Als der Baron von Gleichen, däniſcher Geſandter in Frankreich, nach Paris kam, bald nachdem der König, ſein Herr, da geweſen war, und eine franzöſiſche Dame indiseret genug war, in einer großen Geſellſchaft etwas Unziemliches von dem Könige ſagen zu wollen, in— dem fie anfing: „Ah monsieur, e' est une téte“ — fiel er ſogleich mit einem: „eouronnée“ ein und die Dame ſchwieg erröthend. f 389, 4 Der Prinz von * hatte ſich eine Braut erwählt, welche in dem Rufe der Häßlichkeit ſtand. Kurz nach der Vermählung geht das junge Paar eines Tags ſpazieren, da kommt ihm ein Bauer entgegen, 93 bleibt einige Schritte vor ihm ſtehen, ſtemmt voll Verwunderung die Arme in die Seite und ſpricht, die Prinzeſſin ſtarr anſehend: „Das Frauenzimmer iſt doch nicht häßlich, i, wenn ich ſie nur hätte, fie wäre mir lieber, als meine Liſe!“ 390. Ein ehrlicher Bürger fragte einſt ſeinen Beichtvater, wozu ihm das Leſen des Breviers nütze, da er kein Wort Latein verſtehe. Der Pater antwortete: „Leſ' Er nur, bet' Er nur, wenn Er auch nichts verſteht, Gott verſteht Alles.“ ; 391. Als ſich in der Gegend um Wien die Cholera gezeigt hatte und jeder Reiſende vor ſeinem Einlaſſe in die Stadt mehre Tage Contu— maz halten mußte, wollte ſich ein Handwerksburſche derſelben durch— aus nicht unterwerfen. Was that man? Man ergriff ihn und ſtellte ihn vor das Polizeigericht in Wien; dieſes dictirte ihm drei Tage Gefängniß, nach deſſen Verbüßung er wieder vor die Stadt gebracht und die Contumaz zu halten gezwungen ward. 392. Zwei Weiber ſtritten ſich vor der Wohnung des Superintenden— ten zu D. darüber, ob der folgende Tag gefeiert werde oder nicht: Endlich ſchloß die Eine ihre Rede mit den kräftigen Worten: „Punk— tum, Quarkſpitzchen, morgen iſt kein Feiertag.“ Da ſchnarrte es plötzlich von oben herab: „Nicht Punktum, nicht Quarkſpitzchen, mor— gen iſt ein Feiertag!“ und den vor Staunen und Grauen weit— geöffneten Augen der Streitenden zeigte ſich die weißgepuderte Per— rücke des kirchlichen Oberhauptes. | 393. Zwei ſehr ſchweigſame Brüder, beide Oekonomen, gingen zuſam— men auf Reiſen. Der Anblick der ſchönſten Kunſtſchätze vermochte 94 nicht, ihnen nur ein Wort der Bewunderung zu entlocken. Unweit N. gelangten fie an eine Wieſe von ungewöhnlich üppigem Graswuchſe. Da ſtrömte des Aelteſten Herz über und er ſprach: „O über die {chine Wieſe!“ Der Jüngere ſchwieg. Sie reiſeten durch die Schweiz, ohne zu ſprechen, ein Muſter der Verträglichkeit unter Brüdern. Als ſie aber auf dem Heimwege wieder an jener Wieſe vorüber kamen, ſprach der Jüngere, zum erſten Male von Begeiſterung ergriffen: „Ach und wie grün, wer fie doch beſäße!“ — Dieſe unerhörte Geſchwätzig⸗ keit führte den Bruch des ſchönen geſchwiſterlichen Verhältniſſes her- bei; die Brüder trennten ſich ſchweigend und jeder Verſuch, ihre Wus- ſöhnung zu bewerkſtelligen, blieb erfolglos. 394. Jüngſt befahl ich meinem Diener, mir weiche Eier zu kochen. Auf ſeine Frage, wie er ſich dabei zu verhalten habe, entgegnete ich ihm, er ſolle nur die Eier in einen Topf voll heißen Waſſers legen und, nachdem er das Vater Unſer hergeſagt, wieder herausnehmen, dann würden ſie gut ſein. Er ging. Ich wartete eine Viertelſtunde, eine halbe Stunde, allein Johann kehrte nicht zurück. Endlich verlor ich die Geduld und begab mich in die Küche. Da ſtand er, aufmerk— ſam in einem Buche leſend, vor dem Heerde und Topfe, worin die Eier ſiedeten. Ich ſah ihm über die Achſel und erblickte den Catechis— mus. „Nun,“ fragte ich, „wie ſteht es mit den Eiern?“ — „Gnä⸗ diger Herr, ich habe ſie gleich hineingelegt, als ich von Ihnen weg ging, jetzt wollte ich das Vater Unſer lernen, um es herzuſagen, wie Sie befohlen haben, damit ſie recht weich würden.“ 395. 8 Ein Straßenräuber wurde verurtheilt, von unten herauf gerädert zu werden. Jemand, der dies bei Tiſche erzählen horte, fragte feinen. Nachbar, einen Rechtsgelehrten, ob der Verbrecher vielleicht aus dem Grunde von unten auf gerädert werde, damit er fir indeſſen oben beſſern könne? 8 95 396. Ein erſt kürzlich nobilitirter Baron, vormals, wie die Fama ging, ein Käſehändler, fragte einen Herrn von altem Adel, wie ſein Wappen ausſehe. Dieſer entgegnete ihm, daß daſſelbe ganz einfach ſei, indem es nur aus zwei verſchiedenfarbigen Feldern beſtehe, worauf der neubackene Freiherr, ſich in die Bruſt werfend, bemerkte, daß fein - Wappen eine Menge recht netter Sächelchen enthalte, und daher ſich gemalt ganz charmant ausnehme. Der Altadelige, der ſchon lange darauf gelauert hatte, dem Limburger Narren einen Hieb zu verſetzen, antwortete: „Hätte ich, wie Sie, mein Wappen ſelbſt gefertigt, ſo würde ich es ohne Zweifel anders, als es iſt, gemacht haben.“ Der Käſemann ſchwieg beſchämt; aber die Arznei hat nicht gewirkt, denn er hatte auf ſeinen neueſten Wagen nicht weniger, als ein Dutzend Wappen malen laſſen und der **fche Verein hat ausgerechnet, daß jeder Bediente des Herrn Baron zwei hundert funfzig Stück Wäpp— chen an ſich trägt und daß die Anzahl der im geſammten Hausweſen vorhandenen Wappen an Ofenzangen, Stiefelknechten, Nachtgeſchir— ren ꝛc. der Einwohnerzahl der dritten Stadt des Königreichs Sachſen gleichkommt. f 397. In London ſah ich in einem Kaffeehauſe einen Mann begierig alle Zeitungsblätter in den verſchiedenſten Sprachen leſen und nach beendigter Lectüre hörte ich ihn das tollſte Zeug über die Tagesange— legenheiten ſprechen. Ich gab darüber meinem Nachbar meine Ver— wunderung zu erkennen. Dieſer erwiederte mir ganz trocken: „Sehen Sie, mein Herr, der gute Gentleman hat einen Zeitungsrauſch.“ — Wie treffend! — * 398. Ein Knabe bekam einen Thaler, um etwas einzukaufen. Er ver— lor das Geld und weinte bitterlich. Eine vornehme Dame ging vor— über und ſchenkte ihm einen andern Thaler. Der Knabe fing noch 96 heftiger zu weinen an. Die Dame fragte: „Warum weinſt Du noch?“ „Ach,“ erwiederte der Knabe, „wenn ich meinen Thaler nicht verloren hätte, ſo hätte ich jetzt zwei.“ Die Dame gab ihm noch einen Thaler und der Knabe zerfloß abermals in Thränen. „Nun haſt Du ja zwei und Du weinſt noch?“ „Ach,“ verſetzte der Knabe, „wenn ich mei- nen Thaler nicht verloren hätte, ſo hätte ich jetzt drei.“ — Das iſt in Kurzem die Geſchichte der Geldſammler, die die vornehme Dame, Fortuna, immer um neue Thaler anflehen. 399. ’ In Dresden ward ein Vagabond eingebracht. Der Actuar be— gann das Verhör mit ihm damit, daß er ihn fragte: „Aus welchem Grunde kommt Er nach Dresden, ich frage, aus welchem Grunde? Antwort.“ — „Aus welchem Grunde,“ erwiederte der Taugenichts, „i, das kann ich Sie ſchon ſagen, — aus dem Plauenſchen Grunde.“ 400. Ein belgiſcher Officier kommt vor Kurzem in einem Speiſehauſe unter eine Geſellſchaft holländiſcher Officiere. Letztere bemühen ſich, ihn auszuforſchen; allein der Belgier iſt im höchſten Grade zurückhal— tend und antwortet auf die an ihn gerichteten Fragen ſtets nur ganz allgemein. Einer der Holländer, hierüber ganz ärgerlich, beſchließt, dem Belgier etwas anzuhängen. Er läßt ſich einen Kalbskopf brin⸗ gen und präſentirt ſelbigen mit den Worten herum: „Wer befiehlt einen belgiſchen Kalbskopf?“ Keiner der Holländer langt zu; der Belgier aber nimmt, als die Reihe an ihn kommt, den Kopf ganz ruhig vom Teller, ſpeiſ't das Gehirn aus demſelben und präſentirt ihn nun den Holländern mit den Worten: „Wer befiehlt einen hollän⸗ diſchen Kalbskopf?“ 401. Ein Prinz wohnte einem militairiſchen Examen bei. Ein Ar⸗ tilleriſt antwortete auf die an ihn gerichteten Fragen ganz verkehrt. 97 Der Prinz, welcher glaubte, daß der Mann von ſeiner Hoheit einge— ſchüchtert ſei, ſagte herablaſſend zu ihm: „Denke Er nicht daran, daß ich ein Prinz bin. Denk' Er ſich einmal, ich ſei ein gemeiner Grena— dier, und fragte ihn jetzt z. B. wie ſtark muß die Ladung einer Ka— none ſein, wenn ſie 800 Schritt weit tragen ſoll? Was würde er antworten; denk' Er ſich aber, ich wäre ein Grenadier.“ — Da ent— gegnete der Artilleriſt: „Ich würde antworten: Er hat niſcht darnach zu fragen.“ 402. Zwei Reiſende kommen an die Grenze und werden nach ihren Päſſen befragt. Der Erſte zeigt den ſeinigen vor; der Grenzbeamte ſieht ihn durch und findet ihn für richtig. Der Andere hat keinen Paß bei ſich, greift in größter Verlegenheit in der Taſche herum und bringt endlich einen Speiſezettel zum Vorſchein. Der Grenzbeamte nimmt ihn und lieſt vergleichend Folgendes: „Kalbskopf“ — „richtig.“ „Schweinsohren“ — „richtig.“ „Gänſebruſt“ — „auch richtig.“ „Krebsnaſen“ — „ebenfalls richtig,“ und läßt ihn paſſiren. 403. Ein Reiſender kommt von Königsberg, wo er im Theater geweſen war, an die ruſſiſche Grenze und wird barſch aufgefordert, ſeinen Paß vorzuzeigen. Mit Entſetzen nimmt er jetzt wahr, daß er ihn verloren hat. Während er alle Taſchen durchſucht, wird der ruſſiſche Beamte ungeduldig und flucht ganz barbariſch in ſeiner Sprache. Der Reiſende, welcher ſchon wähnt, es ſei um ihn geſchehen und er ſolle arretirt werden, bringt in Verzweiflung den Königsberger Komödien— zettel heraus und reicht ihn dem Ruſſen hin. Dieſer, den obenan befindlichen preußiſchen Adler erblickend, iſt ganz zufriedengeſtellt und läßt den Reiſenden paſſire n. Bibl. d. Frohſinns. IV. 7 é 98 404. Zwei Schauſpieler, Nebenbuhler in der Gunſt des Publikums, ſtrebten fortwährend, ſich gegenſeitig etwas anzuhängen. Als der eine nun eines Tags in einem Trauerſpiele einen Geiſt darſtellte und in die Erde verſank, ſprach der andere, zum Publikum gewendet: „Da ſieht man, wie tief der Menſch ſinken kann.“ 405. In einer Armee war ein neues Reglement erſchienen, wodurch die Officiere angewieſen wurden, die Unterofficiere, anſtatt „Du“ oder „Er,“ in Zukunft „Sie“ anzureden. Als ſich kurz darauf ein Unterofficier die Unzufriedenheit ſeines Offiziers zuzog, ſprach der letztere unter Anderm zu ihm: „Er iſt ein Eſel!“ Darauf erwiederte der Unterofficier: „Verzeihen Sie, Herr Lieutenant, nach dem neuen Reglement heißt es: Sie ſind ein Eſel.“ 406. Beim Theater zu D. wurde ungewöhnlich viel Oel zu den Lam— pen verbraucht, Die Direction entdeckte einen Unterſchleif, griff ein, beſchränkte den Oelverbrauch und machte dadurch eine jährliche Er— ſparniß von achtzig Thalern. Um aber für die Zukunft ähnlichen Unterſchleifen vorzubeugen, ſtellte ſie einen beſondern Lampenaufſeher mit zweihundert Thalern jährlichem Gehalte an. 407. In Frankreich ſah ich eines Tags einen betrunkenen Huſaren mit gezogenem Säbel wüthend auf einen Meilenzeiger eindringen, indem er brüllte: „Es-tu Francais, ou ne l'est-tu pas? réponds, ou je te mas- sacre!“ 408. Ein Zimmer der zweiten Etage des Japaniſchen Palaſtes zu Dresden enthält ſogenannte opera junctim edita, z. B. die ganzen 99 Voltaire'ſchen, die ganzen Leſſing'ſchen, Schiller'ſchen, Göthe'ſchen rc. Schriften, und über jedem Repoſitorium ſteht: „Opera.“ Fremde gemeinen Schlages ließ man zu Ende des vorigen Jahrhunderts nur von einem Aufwärter gleichſam durch die Bibliothek treiben. Bei ſo einem Treiben hört der damalige Bibliothekar Daßdorf einſt, daß der Aufwärter Santo Baſſo einen Fremden, der ſich die Ueberſchrift: „Opera,“ nicht zu deuten weiß, mit den Worten abfertigt: „Hier ſtehen lauter Opern, altes Zeug, wenigſtens 4 bis 5000.“ Das fin— det der Fremde unbegreiflich, wird aber ſofort von Daßdorf belehrt, der zu ſeinem nicht geringen Aerger nun erſt erfährt, daß Santo Baſſo ſeit Jahren ſchon jene kurze Auskunft gegeben. Nach Abgang des Fremden nimmt Daßdorf den Aufwärter ins Gebet, daß er lieber fragen, als zur Schande der Bibliothek den Leuten ſolch dummes Zeug weißmachen ſolle, und ſchließt mit der Warnung: „Künftig ſagt Er: Hier ſtehen ganze Sammlungen von Werken gelehrter Män— ner.“ Das war dem alten Santo Baſſo zu weitläufig und er blieb, wenn es nur irgend thunlich ſchien, bei ſeinen Opern. Daßdorf aber, dem die Ehre der Bibliothek, wie die eines eigenen Kindes, am Herzen lag, behorcht ihn einſt, und als er eben wieder jene ſaubere Erklärung giebt, ſauſ't er ihn an: „Iſt Er denn ſo verſtockt dumm, daß Er nichts thun kann, was man Ihm ſagt, Er alter Eſel — verſtockt dumm — alter Eſel!“ „So haben mich der Herr Hofrath Cruſius und der Herr Oberbibliothekar Canzler nie geſchimpft, mich alten treuen Diener,“ knurrt Santo und wiſcht ſich eine Thräne. „Na, heul' Er nur nicht — hier ſpül' Er den Eſel hinunter mit einem Glaſe Wein, aber bla— mir' Er mir die Bibliothek nicht wieder!“ Damit gab Daßdorf dem alten Eſel vier Groſchen und viel fehlte nicht, er hätte ihm das wohl— verdiente Prädicat abgebeten. 409. Mehre Proteſtanten ſtritten ſich bei der Weinflaſche mit einem katholiſchen Geiſtlichen darüber, welches die alleinſeligmachende Kirche ſei. Der Streit fing an, ernſthaft zu werden, da endete ihn ein 7 * n Spaßvogel, auf den Pater zeigend, welcher unter Allen der einzige Benebelte war, mit den Worten: „Meine Herren, wie können Sie nur noch länger mit ſolcher Hartnäckigkeit auf Ihrer Meinung beſtehen, da Sie doch mit eigenen Augen ſehen müſſen, daß dieſer Pater der Alleinſelige unter uns iſt?“ 410. \ Zwei behagliche Beamte begegneten einem belgiſchen Geiſtlichen zu Pferde und fragten ihn, warum er nicht, wie Chriſtus, auf einem Eſel reite? Der Geiſtliche erwiederte ohne Beſinnen: „Weil alle Eſel von der Regierung angeſtellt worden ſind.“ 411. Als bei einer der Debatten im engliſchen Parlamente über Ame⸗ rika ein Mitglied, Harley, vier Fünftel des ſehr vollen Hauſes durch eine ungewöhnlich langweilige Rede von ihren Bänken vertrieben hatte, verlangte er gegen den Schluß ſeines Vortrags, daß der Seere— tair des Hauſes die Aufruhracte verleſen ſollte, weil er einige Be— ſtimmungen in 1 zu erörtern wünſche. Burke ſprang ſogleich auf und rief: „Die Aufruhracte, mein theurer Freund, in aller Hei— ligen Namen, zu welchem Zwecke denn? Die yk: hat fich, wie Sie ſehen, ſchon längſt verlaufen!“ * 412. Ein Franzoſe hatte ſich in Sachſen niedergelaſſen, eine Prote⸗ ſtantin geheirathet und ſich verbindlich gemacht, ſeine Kinder in der proteſtantiſchen Kirche zu erziehen. Als er angegangen ward, eine Beiſteuer zur Unterſtützung hilfsbedürftiger katholiſcher Glaubens— genoſſen zu geben, lehnte er ſolche ab, indem er bemerkte: „Ick treib nit ſtark katholiſch Religion und meine Kinder fein Evangeliſten.“ 101 413. Ein Bauer, der in die Stadt ging, hatte von zwei Perſonen den Auftrag erhalten, in einer Auction für ſie ein und daſſelbe Möble zum höchſten Preis zu erſtehen. Am Orte der Auction angelangt, ſchreckte er durch ſeine hohen Gebote bald alle übrigen Mitbietenden ab. Hiermit war er jedoch nicht zufrieden, ſondern überbot, da er auch keinen Nebenbuhler mehr hatte, fortwährend zu Aller Erſtaunen ſich ſelbſt, indem er dabei ſein Geſicht höchſt liſtig verzog. Als ihn nun endlich Jemand darauf aufmerkſam macht, daß er ſich ja Schaden thue, erwiederte der Bauer: „Laß Er mich nur, ich will doch ſehen, wer von Beiden am höchſten nauf geht und ob Kunz oder aber Jörge das Ding kriegen wird.“ 414. Kurz nach der Pariſer Julirevolution gelangte ich auf einer Reiſe nach Oeſterreich mit einem Freunde in eine Feſtung. Da unſere Pa⸗ piere ſich in beſter Ordnung befanden, naͤhm man keinen Anſtand, uns zu geſtatten, die Nacht daſelbſt zuzubringen. Es war ſchon ſpät, wir lagen in unſern Betten, da pochte es plötzlich ſehr heftig an unſere Thür. Wir ſprangen erſchreckt auf, warfen ſchnell ein Kleidungsſtück über und öffneten den immer wüthender Lärmenden. Welches Stau— nen, als ein Unterofficier nebſt zwei Mann, mit Ober- und Unter- gewehr verſehen, in das Zimmer traten und erſterer meinen Freund bedeutete, daß er Arreſtant ſei und ihnen ſofort auf die Wache folgen müſſe! Keine Widerrede half; der Arme, ohnehin ein ängſtliches Männchen, ward im tiefſten Negligee von den baumlangen Grenadieren in die Mitte genommen und marſchirte, am ganzen Leibe zitternd, mit ihnen ab. Beſtürzt blieb ich zurück und erwartete mit Ungeduld den Anbruch des Tages, um mir Aufklärung zu verſchaffen; denn mein Freund war ja der unſchuldigſte Menſch unter der Sonne. End— lich brach der Morgen an, ich kleidete mich eiligſt an und wollte foeben die Stube verlaſſen, als mein Freund laut lachend hereintrat und mir Folgendes erzählte: 102 Der Commandant der Feſtung hatte während der Kriegsjahre bei ihm im Quartier gelegen, jetzt bei Leſung ſeines Namens auf dem Paſſe ſich ſeiner mit Dantbarkeit erinnert und gegen ſeinen Wdjutan- ten den Wunſch ausgedrückt, den Mann zu ſprechen, welcher ihn einſt ſo liebreich aufgenommen. Der Adjutant, dem ein Wunſch ſeines Vorgeſetzten jeder Zeit für Befehl galt, hatte einem Unterofficiere die Weiſung ertheilt, meinen Freund ſogleich herbeizuholen und dieſer, muthmaßend, daß jener ein verdächtiger Menſch ſei, die Arretur vollſtreckt. Das Mißverſtändniß endigte ſich höchſt luſtig, denn wir wurden Beide von dem liebenswürdigen Commandanten zu Tiſch gebeten, wo wir, wie auch ſpäter noch oft, herzlich über das Begebniß lachten. 415. Zwei Damen beſuchten gemeinſchaftlich die Brühlſche Teraſſe in Dresden. Die Eine, welche ſich ſtets bemühte, zur vornehmen Welt zu gehören, rief entzückt aus: „Ah, que c' est pythagore!“ „„Sie wollen wahrſcheinlich pittoresque ſagen,“ verbeſſerte die Andere. i f N „C' est synagogue,“ “) entgegnete beleidigt die Erſtere. 416. Eine Frau klagte gegen ihren Mann auf Eheſcheidung, weil dere ſelbe ganz entſetzlich ſchnarche. Da nun das Schnarchen kein Ehe— ſcheidungsgrund iſt, wurde die Klägerin abgewieſen, dem Manne jedoch bei fünf Thaler Strafe aufgegeben, in Zukunft fic) des unge⸗ bührlichen Schnarchens zu enthalten, und daß er in dieſem Injuncte Folge geleiſtet, binnen 14 Tagen gehörig zu den Akten zu beſchei— nigen. *) Für synonyme. - 417. Als nach den Unruhen zu F. das Zuſammenſtehen von zwei oder mehren Perſonen auf den Straßen bei Strafe der Arretirung unter— ſagt war, ſtand in der Abenddämmerung ein ungemein corpulenter Paſtetenbäcker auf einem der Hauptplätze der Stadt. Ein Polizei— diener, der an ſchwachem Geſichte litt und eben des Weges kam, glaubte zwei Perſonen neben einander ſtehen zu ſehen und rief daher dem Bäcker ſchon aus der Ferne mit gebieteriſcher Stimme zu: „Man gehe auseinander!“ — „Mein Seel,“ murmelte dieſer, „das iſt mir noch nicht paſſirt, daß mich Jemand für eine Paſtete angeſehen hätte,“ und keuchte von dannen. 418. N. ließ in die Zeitung ſetzen, er beabſichtige, den Iſten — mit Extrapoſt nach Wien zu reiſen und ſuche einen Reiſegeſellſchafter, der die Hälfte der Koſten trüge. Am Abende vor der beſtimmten Abreiſe hatte ſich noch Niemand gemeldet und N. legte ſich, über den verfehl— ten Plan etwas übellaunig, zu Bette. Heftiges Klingeln weckt ihn mitten in der Nacht aus ſeinem Schlummer; er rafft ſich auf und öff— net die Thür. Da ſteht athemlos ein ihm völlig unbekannter Mann, der ihn wegen der Störung tauſendmal um Verzeihung bittet und ihm ſagt: „Ich halte es für meine Pflicht, Ihnen zu melden, daß ich nicht mit reiſen kann.“ 419. Ein Knabe pflegte mich ſeit längerer Zeit öfters zu beſuchen, um mir ſogenannte Knackwürſtchen zum Verkauf anzubieten. Da ich ſie ſehr gern eſſe und deren bisweilen kaufte, kam er immer wieder. Eines Tags war ein ſehr vornehmer Herr in dringenden Geſchäften bei mir, als der Wurſthändler mit ſeinem verdeckten Wurſtkorbe in das Zimmer trat. Ich gerieth in die größte Verlegenheit und ſagte dem Kleinen ziemlich barſch, er ſolle mich in Ruhe laſſen, da ich jetzt keine Zeit habe. Er drang jedoch immer ungeſtümer in mich mit den Worten: 104 „Kaufen Sie mir doch welche ab, Sie haben ja immer welche ge— kauft.“ Der vornehme Herr fragte mich jetzt: „Was hat er denn in dem Korbe?“ „Veilchen, Ew. Excellenz,“ fuhr ich ſchnell heraus, da mich falſche Schaam abhielt, die Wahrheit zu bekennen. „Ei, da könnte ich meiner Frau ein rechtes Vergnügen machen, ich will ihr ein Paar kaufen.“ Dabei langte Die Excellenz nach dem Korbe, um das Tuch hinwegzuziehen. „Sie ſind auch ganz friſch,“ ſagte der Knabe vergnügt, die Würſte meinend. „Lügner,“ ließ ich ihn an, „es ſind wilde, ſie ſtinken ganz abſcheulich,“ und ſchob ihn, alles Wiederſtre— bens ungeachtet, aus der Thüre. Aber der Himmel hatte meine Bla— mage einmal beſchloſſen und ich konnte ihr nicht entgehen; denn der arme Knabe, deſſen Ehrgefühl ich ſo unbarmherzig beleidigt hatte, ſchrie, indem ihm die Thränen in Strömen über die Wangen rannten: „Sie können meinen Vater fragen, ob er ſie nicht erſt geſtern Abend gemacht hat.“ „Gemacht, Veilchen?“ fragte die Excellenz neugierig. „Ne, die Würſte, da ſind ſie, riechen Sie ſie ſelber an, ob ſie ſtinken.“ Damit war der kleine Wurſtmann im Nu wieder im Zimmer und hielt meinem Beſucher eine Knackwurſt vor die Naſe. Man denke ſich das Gelächter der ſonſt ſo ernſten Excellenz und meine Beſchämung, Mir blieb nichts übrig, als Alles beichten und ein halbes Dutzend der vor— geblichen Veilchen zu kaufen, worauf der Bube befriedigt von dannen ging. 420. Am Hoftheater zu Stuttgart war ein Komiker Namens Vinzens angeſtellt, deſſen Talent öfters in Anſpruch genommen wurde, um die üble Laune Sereniſſimi zu verſcheuchen. Einſt erſchien Sr. Hoheit mit ſehr verdrießlichem Geſicht in ſeiner Loge, ſo daß Vinzens alsbald durch den Günſtling D. beſchworen wurde, Alles aufzubieten, um erſteren aufzuheitern. Vinzens gab den Larifari im Donauweibchen; lange Zeit war kein Scherz im Stande, die Wolken vom höchſten Antlitz zu verſcheuchenz endlich erſchien Larifari mit einer großen off— nen Laterne, und beleu fete die Donau-Nixen, um deren Tanz jedoch 105 noch ruhiger zuzuſehen, vergaß er ſich ſcheinbar fo weit, daß er ſich auf die brennende Laterne ſetzte, wodurch ſein Hintertheil Feuer fing. Dieſer Knalleffekt that ſeine Wirkung, Sereniſſimus brach in Lachen aus, und das ganze Publikum ſtimmte ein. 421. In St. gab einſt ein fremder Schauſpieler Namens Lipp, ein Conzert, und bemühte ſich perſönlich zu Unterbringung vieler Billets bei hohen und nicht hohen Perſonen. So betrat er auch das Palais des Miniſters v. B. Der Kammerdiener meldete den Namen des Supplikanten, worauf der Miniſter, der noch im Negligé war, den— ſelben augenblicklich hereinzuführen befahl, in der Meinung, es ſei der eben erwartete General von der Lippe. Nachdem die Täuſchung durch den Eintritt des erſtgenannten alsbald gehoben wurde, ſoll die Audienz äußerſt kurz ausgefallen ſein. 422. In der Zueignung einer zu Leipzig erſchienenen akademiſchen Dis— putation an einen der erſten ſächſiſchen Miniſter hieß derſelbe „deeus Saxoniae“, aber aus Verſehen kehrte der Setzer das d um, ſo, das es wie ein p ausſah, und fo hieß Se. Ercellenz „peeus Saxoniae.“ 423. Im Jahre 1829 erſchien in der Medaillen-Anſtalt des Herrn Loos zu Berlin eine Münze zur Erinnerung an die 1529 zu Speier gegen den bekannten damaligen Reichsabſchied eingelegte Proteſtation der evangeliſchen Stände. Dieſe als ein Meiſterſtück neuerer Zeit geprieſene Arbeit wurde in Nr. 91 des „Berliner Converſationsblat— tes“ angezeigt als „Gedächtnißmünze auf die Poſtſtation zu Speier von 1829“ ſtatt: „auf die Proteſtation zu Speier 1529.“ 424. Ein Beduinenweib im franzöſiſchen Lager, welches man befragte, weßhalb ſie denn wohl glaube, daß die Franzoſen nach Algier ge— , 106 kommen ſeien, antwortete: „Wir wiſſen es recht gut. Eine Peſt hat euch eure Weiber geraubt, denn wir ſehen faſt keine einzige hier; Ihr wollt Euch alſo hier Weiber rauben. Aber ihr hättet beſſer gethan, nach Tunis zu gehen, denn hier ſind ſie zu häßlich.“ 425. Ein Anherr von Walter Scott hielt es mit dem Prätendenten, und befand ſich nebſt ſeinem Bruder bei dem unglücklichen Gefecht von Preſton im Jahre 1716. Alle Leute vom Stande trugen damals ſcharlachrothe Weſten; eine Kugel hatte einen der Brüder getroffen, und ein Stück Tuch mit in die Wunde hinein gezogen. Die Gefange— nen wurden gewöhnlich faſt entkleidet. Verwundet, halb nackt, bloß mit einem Hemde bekleidet und einen alten Sack um ſich geſchlagen, ſaß der Anherr des großen Dichters mit dem Bruder und ungefähr 150 Freunden in einer Scheune zu Preſton. Dem Verwundeten wurde übel, und er brach, wie man ſagt, das von der Kugel in den Körper getriebene Scharlachſtück aus. „Höre Walter!“ rief der Bruder, „wenn dein Magen ein Kleiderſchrank iſt, ſo ſei ſo gut und laß mir ein Paar Beinkleider daraus zukommen, Ay ich zur höchſten Noth gebrauche!“ 426. Ein ungariſcher Soldat wurde von einem Oeſterreichiſchen ſehr mitgenommen, indem er ihm enorme Dummheit vorwarf. „Is ſich⸗ das wahr,“ ſagte ganz gelaſſen der Beleidigte, „ſind wir nicht ſo auf— gekärt; aber woher ſoll kommen Aufklärung? grenzen wir mit einer Seit an Oeſterreich und mit der andern an Türkei!“ 427. Bei einem Fähndrichs-Examen wurde ein junger Soldat ge— fragt: „Wie viele Inſeln liegen im Weltmeere und wie heißen ſie?“ Worauf er antwortete: „Im Weltmeere liegen ſehr viele Inſeln, und ich heiße Krauſe!“ 107 428, Im ruſſiſchen Feldzuge 1812 fiel in der Nähe von Kaluga ein bedeutendes Gefecht vor, welches damit anfing, daß die Ruſſen ein lebhaftes Feuer auf die Franzoſen eröffneten; in ihrer Linie befanden ſich auch einige Pulks Tſcherkeſſen, die mit Bogen und Pfeilen ſchoſſen. Als die Franzoſen nicht bloß die Kugeln pfeifen hörten, ſondern auch die Pfeile fliegen ſahen, brach ein allgemeines Gelächter aus und ſie riefen: „Ah les amours s'en mélent!“ (Ach! die Liebesgötter miſchen ſich ins Spiel.) 429. Als ſich bald nach der Eroberung von Canada die Wilden empör— ten, brachte fie der Gouverneur durch Liſt zum Gehorſam und zur Unterwürfigkeit zurück, indem er ihre Häupter verſammelte und ſie frug: „Ihr zweifelt an meiner Macht? Lernt ſie, lernt euren Ober— herrn kennen! Man bringe mir ein Gefäß mit Waſſer aus dem St. Laurentius-Fluß!“ Seine Leute brachten ihm hierauf einen vollen Waſſereimer, in den er Feuer warf, und das Waſſer brauſ'te hoch auf. Die Wilden ſtürzten zu ſeinen Füßen und er rief: „Seht! ebenſo verbrenne ich euren St. Laurentius-Fluß, wenn ihr euch unterſteht, euch mir zu widerſetzen!“ Im Eimer war kein Waſſer, ſondern Weingeiſt. 430. Ein Oberſter hatte einen Burſchen, von welchem er ſchon oft in Kleinigkeiten betrogen worden war, und dem es jedesmal unheimlich wurde, wenn Jer das Geläute von Glocken hörte, fragte dieſen einſt, woher dies käme? „Ach! Herr Oberſt,“ ſagte der Burſche, „denken Sie denn nicht an Ihr Ende, bei den Glocken?“ — „Nein!“ antwor— tete der Oberſt, „aber wenn ich an den Strang denke, durch den die Glocken in Bewegung geſetzt werden, ſo denke ich an dein Ende!“ 108 431. Ein preußiſcher Offizier wurde bei ſeiner Ankunft zu Paris in die Vorſtadt St. Germain zu einer vornehmen Frau einquartirt. Es wurde ihm ein artiges Zimmer angewieſen, allein die Bewohnerin mußte ihm ihr eigenes Zimmer überlaſſen, der Koch die beſten Speiſen und der Kellnermeiſter die vortrefflichſten Weine auftragen. Nach Tiſche verlangte er die Hausfrau zu ſprechen. „Ohne Zweifel,“ ſagte der Offizier, „ſehen Sie mein Benehmen für ſehr unſchicklich an, und halten mich für ſehr roh?“ — „Ich hätte mehr Achtung von einem Offizier erwartet!“ erwiederte die Frau. „Sie haben ganz recht!“ ſagte der Preuße, „allein ich wollte Ihnen nur zeigen, wie ſich Ihr Sohn ſechs Monate lang in meinem Hauſe in Berlin aufführte. Doch werde ich fein böſes Beiſpiel nicht nachahmen. Sie nehmen morgen Ihr Zimmer wieder ein, und ich will Quartier in einem Gaſthofe ſuchen!“ 432. Am 1. April wurde zu Leipzig der Lieutenant v. S. .. von einem guten Freunde unter dem Vorwande, daſelbſt etwas zu beſehen, in einen Kaufmannsladen in den April geſchickt. Als der Lieutenant v. S. . . das Genannte im Laden gar nicht vorfand und gewahr wurde daß er angeführt worden, wollte er ſeine Verlegenheit dadurch ver— ſtecken, daß er von dem Kaufmann, der zugleich auch Lotterie-Ein— nehmer war, ein Loos zur nächſten Klaſſe kaufte. In der nächſten Ziehung fiel ihm auf dieſes Loos ein Gewinn von 20,000 Rthlr. zu. 433. N Als die Retirade von Saalfeld bei Winzerle, einem Dörfchen bei Jena, etwa eine Stunde davon, vorbeiging, fragte ein junger Herr einen preußiſchen Füſilier, der ohne Gewehr kam, wo er ſein Gewehr gelaſſen hätte? „Herr!“ gab ihm dieſer zur Antwort, „gegen ſolche Narren, wie Sie find, kommt man ſchon mit der bloßen Fault zu— rechte;“ und gab ihm eine derbe Ohrfeige. | 109 434. 5 Nachdem die franzöſiſchen Truppen bereits einen großen Theil des öſterreichiſchen Kaiſerſtaates erobert, und ſelbſt deſſen Hauptſtadt be— ſetzt hatten, prahlte ein ehemaliger Lieutenant von der Landwehr, auf einem Kaffeehauſe zu Wien von ſeinen und ſeiner Gefährten Thaten. Er ſprach jetzt von dem Gefecht bei L. . ., wo das Bataillon, bei wel— chem der Lieutenant ſtand, gleich im Anfange in Unordnung retirirte, als wenn er das ganze Gefecht vom Anfange bis zum Ende beim käl— teſten Blute mit angeſehen hätte. „Das war ein heißer Tag für uns!“ ſagte er endlich. „Das glaube ich wohl!“ erwiederte einer aus der Geſellſchaft, „denn wenn man neun Meilen in einem Tage läuft, ſo muß man wohl warm werden.“ 435. 7 Der bekannte Sandwirth Hofer hatte mehrere von ſeinen Freun— den als Offiziere bei ſeinem Corps angeſtellt, und hierbei mehr auf perſönlichen Muth und Entſchloſſenheit, als Geiſtesfähigkeiten ge— ſehen. Einer von dieſen, ein Weber aus Zirl, der zum Kapitain creirt worden war, hatte ein fo ſchwaches Gedächtniß, daß er ſich | ſtets im commandiren irrte. Beim Anfange der Affaire bei Naun— dersberg mit den Baiern, commandirte er unter andern, gleich nach— dem der unter ſeinem Kommando ſtehende Bauerntrupp abgefeuert hatte. „Gewehr Schulter! — legt an — Feuer!“ — „Ei Herr Hauptmann, wir haben ja noch nicht wieder geladen!“ ſagte einer der Bauern. „Nun zum Henker! warum ladet ihr denn nicht?“ erwiederte der Hauptmann. „Ich gebe hiermit ein für allemal den Befehl, daß künftighin Niemand von euch eher ſchießen ſoll, bis er geladen hat!“ Wahrſcheinlich wollte er damit ſagen, daß jeder laden ſollte, ſobald er geſchoſſen hätte. 436. In München wurden mehrere gefangene Tiroler Bauern einge— bracht, und einſtweilen in den großen Saal eines Hoſpitals einge— ict ſperrt. Ein Tambour trat zu ihnen hinein, um dieſe neugebacknen Soldaten in Augenſchein zu nehmen. „Nun ihr Krupzeug!“ redete er ſie auf gut ſoldatiſch ſcherzend an, „macht euer Teſtament, denn in Kurzem wird man euch eure Heldenthaten lohnen und in die andere Welt befördern.“ In dem Augenblick warfen mehrere der Bauern ſich auf die Kniee und ſchrieen mit heulender Stimme: „Allergnädigſter Herr Tambour, halt Er zu Gnaden, wir han ja Niemand todtge- ſchoſſen, denn faſt an allen unſern Gewehren waren ſchon ſeit 100 Jahren die Zündlöcher zugeroſtet!“ 5 437. Ein Güterbeſitzer, der ſeine großen Schulden durch immerwäh— rendes Holzſchlagen zu decken ſuchte, fragte eine Dame kurz vor ſei— nem Tode, zu welcher Grabſchrift ſie ihm wohl rathe? — Eröffnen Sie, antwortete die Dame, die Grabſchrift mit dem Motto: „Nun ruhen alle Wälder!“ — 438. Die Herzogin von Neucaſtle fragte den Biſchof Wilkins ſpöttiſch, wie ſie nach der Welt im Monde, welche er entdeckt hätte, gelangen könnte, und wo ſie, da der Weg ſo lang wäre, ausruhen ſollte? „Madame,“ verſetzte der Biſchof, „Sie haben ja fo viele Schlöſſer in der Luft gebaut, daß es Ihnen nicht an Oertern, um auszuruhen, fehlen kann.“ ne 439. „Kind,“ ſagte H. zu ſeiner Frau, „ich dächte, wir gingen heute ins Theater.“ — „Was wird denn geſpielt?“ fragte fie. — „Was wir beide ſeit langer Zeit nicht geſehen haben — der Haus- frieden.“ 5 440. Der Herzog von Bouteville liebte eine Frau, die er blos bei Nacht ſehen konnte, indem er durchs Fenſter ſtieg. Einſt, als er eben auf der Leiter ſteht, pocht er an, das Fenſter wird geöffnet. Es ift der Mann, mit einer Piſtole in der Hand, der ihn fragt: „Was wollt Ihr hier?“ — „Ich? nichts! ich gehe ſpazieren,“ und ſo ſtieg er ganz ruhig die Leiter wieder hinab, angeſtaunt von dem Manne, der in dem erſten Augenblick mehr betroffen war, als der ſonderbare Spa— ziergänger. ; we 3 441. Bei der Geburt des Kronprinzen von Schweden (nachherigen König Guſtav IV.) gab der ſchwediſche Geſandte zu Kopenhagen, Ba— ron von Sprengporten, dem dortigen Volke einen gebratenen Ochſen zum Beſten, der zuvor zur Schau herum gefahren wurde. Ein Paar Modegecken hatten ſich eine Kutſche gemiethet, um den ganzen Auf— zug mit Gemächlichkeit zu genießen, und vorzüglich die Töchter des Landes zu muſtern, die neugierig aus allen Fenſtern ſchauten. Die Kutſche fuhr hinter dem Ochſen, und mußte natürlicher Weiſe, wegen des Menſchengewühles oft halten. Eine ſolche Pauſe benutzte ein Matroſe. Er ſprang an den Kutſchentritt, und fragte die Herren durch das offene Fenſter ſehr ernſthaft: „Sagt mir doch, wie nahe ſeid Ihr mit dem Verſtorbenen verwandt, weil Ihr das erſte Trauer— paar ausmacht?“ 442. Die Gräfin von Suza lebte mit ihrem Gemahl in großer Dis— harmonie. Beide Ehegatten waren katholiſch, ſie ging aber zur proteſtanti— ſchen Religion über. Als man ſie fragte, warum ſie ihre Religion geändert habe? ant— wortete ſie: N „Weil ich mich ganz von meinem Manne getrennt habe, ſo wollte ich nicht von ſeiner Religion ſein, damit ich deſto ſicherer bin, weder in dieſer noch in jener Welt mit ihm wieder zuſammen zu kommen.“ 112 443. „Ich bin recht böſe auf Sie, liebe Freundin,“ ſagte eine Frau zu einer andern, deren Mann vor Kurzem Friedensrichter in einer kleinen Provinzialſtadt Frankreichs geworden war. „Sie machen ſich jetzt ſo ſelten, man bekommt Sie gar nicht mehr zu ſehen.“ „Ach,“ verſetzte die Frau des neugemachten Friedensrichters mit affektirter Wichtigkeit, „es iſt gewiß nicht meine Schuld, aber Sie können mir auf mein Wort glauben, ich habe kaum ein Viertelſtünd⸗ chen für mich, ſeitdem ich eine öffentliche Perſon geworden bin. 444. N Ein Franziskaner predigte einſt vor dem Cardinal Richelieu und mehrern der vornehmſten Hofleute. Der Mönch hielt ſeine Predigt mit vielem Anſtand, und war daz bei nicht im mindeſten verlegen. 7 Nach der Predigt wurde er dem Cardinale vorgeſtellt. Dieſer ſagte ihm viel Verbindliches über ſeinen Vortrag, und fügte dann hinzu: „Was mich am meiſten wundert, war Ihre Unbefangenheit vor einer ſo großen und vornehmen Verſammlung, da Sie doch ſonſt nur vor kleinen Dorfgemeinden gepredigt haben. „O!“ verſetzte der Franziskaner, „ich wußte es ſchon ſeit einigen Monaten, daß ich die Ehre haben ſollte, vor Euer Eminenz und ſo vielen vornehmen Cavalieren zu predigen. Ich habe daher ſchon lange meine Predigt in meinem Garten probirt. Da bildete ich mir denn ein, daß die Kohlköpfe meine vornehmen Zuhörer wären, und einen recht dicken darunter faßte ich beſonders ins Auge, denn Ge dachte mir immer Euer Eminenz darunter.“ 445. Im ſechszehnten Jahrhundert ſollte einſt in der Stadt Garde— legen von den Schülern eine wage ene bas jüngſte Ge⸗ richt, aufgeführt werden. Da die Zahl der Schüler dazu nicht Nnreichead war, ſo nahmen ae auch verſchiedene Bürger daran Theil, um das Stück recht glänzend aufzuführen. Nach der Eintheilung des Stücks wurden die guten und böſen Engel vorn auf das Theater geſtellt; Hölle und Paradies kamen in die Ferne, und Gott der Vater ſollte, zur Verherrlichung des Schau— ſpiels, mit vieler Glorie vom Himmel herabfahren, um die Todten vorzufordern und zu richten. Unglücklicher Weiſe war aber der dabei angeſtellte Maſchinen-⸗ meiſter, ſeiner Profeſſion nach ein Stellmacher, der Sache nicht ge— wachſen. Beim Herablaſſen der himmliſchen Glorie fielen verſchiedene Bretter herunter; alles kam in Unordnung und gerieth in Schrecken. Das Feuer in der Hölle brannte mit einemmale ſtärker, als es ſollte; und Gott der Vater ſchwebte ſchief in der Luft, in Gefahr, den Hals zu brechen. Seine Angſt war daher nicht gering; er befahl den En— geln, daß ſie ihm helfen ſollten, dieſe waren aber der Thüre zunächſt, und ſuchten ſich ſelbſt zu retten. Hierauf bat er in ſeiner Noth die Teufel um Gotteswillen, daß ſie ihn nur herunter laſſen möchten; allein dieſe machten, daß ſie von der zu ſtark brennenden Hölle ſo bald als möglich erlöſet wurden, und liefen auch davon. Nun blieb nichts übrig, als ſich an die lachenden Zuſchauer zu wenden, und dieſe nun um Hilfe anzuflehen, und da er als ein ſtolzer junger Bürger die erſte Stelle wider den Willen aller Uebrigen ſich zugeeignet hatte, ſo verſprach er feierlich, wenn ſie ihm nur dies Mal helfen würden, ſo wolle er niemals wieder Gott der Vater ſein. 446. Ein Jude ſchlich ſich des Morgens in einem Wirthshauſe in das Zimmer eines dort eingekehrten Reiſenden, öffnete leiſe die Thüre, und als er den Fremden ſchlafend glaubte, nahete er ſich dem Tiſch, auf welchem deſſen Uhr lag, und ſuchte ſich unbemerkt wieder zu entfernen. Der Reiſende hatte aber nicht geſchlafen, ſondern ſich nur ſo ge— ſtellt. Als der Jude ſich daher der Thüre näherte, ſprang by raſch aus Bibl. d. Frohſinns. IV. 114 dem Bette, ergriff den ungebetenen Beſucher beim Arme und rief nach Hilfe. a Ein Marqueur aus dem Wirthshauſe kam ſogleich herbei, der Jude wurde feſtgehalten, man durchſuchte ſeine Taſchen, und lieferte ihn in ein Gefängiß ab. N Hier wurde er nun über den ganzen Vorfall verhört. Leugnen konnte er die That nicht, er beantwortete alſo nachſtehende Fragen folgender Geſtalt: Iſt Er oben in der Stube des Reiſenden geweſen? Wa Hat Er dieſen dort ſchlafend gefunden? „O ja.“ Hat Er ihm die Uhr genommen? „Das kann ich nicht leugnen.“ Hat Er damit aus der Stube gehen wollen? „Auch das hat ſeine Richtigkeit.“ Nun ſo iſt es klar, daß Er ſie hat ſtehlen wollen. „Gott behüt', wie können Sie das ſagen, ich habe nur herunter gehen, und dem Schmul, der unten ſtand, zeigen wollen, was die Zeit ſei. Hätte man mich ruhig herunter gehen laſſen, ſo hätt' ich ſie gewiß wieder herauf gebracht, — aber man hielt mich feſt.“ 447. Ein Bauer hatte in einem Dorfe ein Mädchen, das er lieb hatte. Er wurde zum Rekruten ausgehoben, und als er ſeinen Dienſt antre— ten ſollte, begehrte ſeine Suſe ein Andenken von ihm. Er ging zu einem Goldſchmied in die Sadt und verlangte, daß ihm dieſer einen Ring verfertigen ſolle, worein die Worte geſchnitten wären: „Lebe wohl, liebe Suſe!“ aber ja recht herzlich und beweglich. Der Gold— ſchmied machte den Ring fertig, und da der Bauer kam, ihn abzuho⸗ len, las er ihm die verlangten Worte deutlich vor. „Das iſt nichts,“ ſagte der Bauer; „ich habe Euch ja geſagt, Ihr ſollt dieſe Worte fein tröſtlich und rührend machen, ſonſt kann mir der ganze Ring nichts 115 helfen. Ich gebe Euch noch einen Thaler, ändert mir aber den Vers, wie ich ihn nöthig habe.“ Der Goldſchmied ſah nun wohl, mit wem er es zu thun habe, und beſtellte ſeinen Kundmann auf den andern Tag wieder. Als er kam, und die Worte wollte leſen hören, nahm der Goldſchmied den Kopf zwiſchen beide Hände, und las in einem kläglichen Tone: „Lebe wohl, liebe Suſe!“ — „So iſt's recht,“ ſagte der Bauer, zahlte den Ring und ging ſeiner Wege. 448. So ſehr man in England den Seeſoldaten ſchätzt, ſo wenig achtet man den Landſoldaten, und da dies letztere Militair rothe Uniform trägt, ſo nennt man einen Landſoldaten ſpottweiſe allgemein einen Hummer ). In London kam zufällig ein Schornſteinfeger einem Offizier der Landtruppen ſo nahe, daß dieſer Gefahr lief, ſeine rothe Uniform geſchwärzt zu ſehen. Unwillig ſtieß er ihn bei Seite und ſagte: „So ſeh' er ſich doch vor!“ „Nehm' Er's nur nicht übel, Herr Kamerad!“ verſetzte der Schornſteinfeger. „Was? Ich ſein Kamerad?“ „Ei, allerdings,“ gab der Schornſteinfeger zur Antwort, „wir ſind beide Hummer, nur mit dem Unterſchiede, ich bin ein ungekochter und Er iſt ein gekochter.“ 449. Zwei jüdiſche Kaufleute, von welchen der eine Simon Kuh und der andere Abraham Ochs hieß, reiſ'ten von ihrem Wohnorte in Preußen zur Meſſe nach Frankfurt an der Oder. Als fie an die preußiſche Stadt N. .. kamen, hielt der Poſtillon am Thore an und der wachhabende Offizier trat an den Wagen, um die Einpaſſirenden nach Namen, Stand rc. zu fragen. ) Hummer, eine Gattung großer Seekrebſe. 8 * 116 „Wie heißen Sie?“ Kuh. „Und Sie?“ Ochs. Der Offizier, den dieſe Antworten verdroſſen, weil er ſie für einen unzeitigen Scherz hielt, ſagte darauf: „Nur zu, Poſtillon, das Rindvieh kann paſſiren.“ 450. In einer Stadt, wo eine Bürgergarde mit recht geſchmachwller Uniform errichtet wurde, nahm man nicht nur Bürger aus allen Klafz ſen, ſondern auch Juden darin auf. Es paſſirten dabei manche lächerliche Vorfälle. — Die Wachen im Schloſſe wurden beſetzt, der Kapitain führte ſein Kommando ſelbſt. Ein Poſten, der auf einem langen finſtern Gange ſtand, traf zu— fällig einen Juden. — „S'is doch eps ſchauerlich, Herr Kapitain,“ ſagte Schmul, und trat zitternd auf ſeinen Poſten. Der Kapitain marſchirte weiter; kaum aber war er zwanzig Schritte mit dem Kommando fort, ſo ſchrie der Jude: „Herr Kapitain! Herr Kapitain!“ „Was giebt's?“ fragte dieſer. — „Alls ſoll ich hier bleibe, bitt ich mer noch ein Salv'gard aus!“ 451. In K. .. wurde eine Leiche mit vielem Pomp und unter einer Leichenmuſik begraben. Unter dem Gefolge befand ſic auch der Arzt des Werten Viele Zuſchauer hatten ſich verſammelt und deln dem sare angelockt von der ſchönen Muſik. Einer von dieſen fragte einen Bekannten: * . 117 „Können Sie mir nicht ſagen, wer der Componiſt von dieſer Trauermuſik iſt?“ „Nein,“ verſetzte der andere, „das weiß ich nicht, aber dort geht der Verfaſſer des Textes dazu.“ Und er wies auf den Arzt. 452. 5 Auf dem Roßplatze in Leipzig waren die nach der daſigen Schlacht eroberten Kanonen mehrere Wochen lang aufgefahren, wo ſich beſtän— dig eine Menge Neugieriger verſammelte. Einige Mann Preußen ſtanden Schildwache dabei. Einer davon hörte in ſeiner Nähe mehrere franzöſiſch Geſinnte über das viele Geſchütz ſprechen. Der eine meinte, daß es lächerlich ſei, mit dem Geſchütz hier groß zu thun, und den Leuten weiß machen zu wollen, daß es lauter franzöſiſches ſei. Er äußerte, daß er franzöſiſche Kanonen beſſer kenne, und dieſe hier preußiſche wären. Dies verdroß den Soldaten und ohne etwas zu ſagen, holte er aus und gab dem gelehrten Kenner eine ſo ungeheure Ohrfeige, daß er taumelte. „Das iſt eine preußiſche,“ ſetzte er hinzu, „aber die Kanonen ſind franzöſiſche!“ 453. „Stui!“ rief ein doniſcher Koſak einer alten Frau auf der Straße von Borna nach Leipzig zu, die eben ihr mühſames Tagewerk des Bettelns vollendet hatte und mit ihrem Tragkorbe ihrem Dorfe zu— wanderte. Sie erſchrack heftig, als ſie den bärtigen Lanzenreiter hin— ter ſich erblickte. Sie blieb ſtehen und erwartete ängſtlich, was weiter geſchehen würde. Der Koſak gab ihr durch Pantomimen zu verſtehen, „daß ſie ſich auf der Stelle entkleiden ſolle. Da ſie ſich weigerte, drohte er ihr mit dem Kantſchu. Es blieb ihr nichts übrig, als ſich in die traurige Nothwendigkeit zu fügen. Der ſonderbare Befehl war ihr um ſo unbegreiflicher, da ihr Anzug in ſchmutzigen Lumpen beſtand, an denen ſich der Reiter unmöglich bereichern konnte; und es entſtan— den ganz eigene Beſorgniſſe in ihr. Der Ruſſe ſtieg ab und verrichtete, da ihm die Sache zu langſam ging, Kammerdiener-Dienſte bei ihr. 118 Als fie ſich bis auf das Hemde ausgezogen hatte, befahl er ihr mit einem: „gut!“ zu warten. Er eilte an's Pferd und holte unter dem hohen Sattel ein Paquet hervor. Die Alte erſtaunte nicht wenig, als er daraus ein koſtbares ſeidenes Damenkleid vom modernſten Schnitt entfaltete, das fie ſogleich ſtatt der abgelegten ſchmutzigen Hülle an— legen mußte. Er freute ſich ſichtbar, da er ſie in dem glänzenden Ge— wande vor ſich ſah. Sie wollte nun ihre abgelegten Stücke nehmen und in den Korb packen, aber der Koſak gab es durchaus nicht zu. Er raffte ſie ſelbſt zuſammen, ſteckte ſie unter den Sattel und ritt davon. 454. Nach der Affaire bei Halle marſchirten die franzöſiſchen Truppen nach Magdeburg. Ein Chauſſee-Einnehmer auf dieſer Landſtraße hatte nicht nur einiges königliche Geld, ſondern auch ſeine ganze Baarſchaft in ſeinem hinter dem Hauſe befindlichen Garten vergraben, und ſeine Magd, welche ſich mit einem, in dem Chauſſeehauſe über— nachtenden Chaſſeur verſtand, verrieth dieſem das Geheimniß. Am Morgen forderte der Chaſſeur von der Frau des Chauſſee-Einneh— mers Geld. Da dieſe betheuerte, daß ſie nichts habe, nahm ſie der Chauſſeur bei der Hand, führte ſie in den Garten, befahl ihr, an dem Orte, wo das Geld wirklich vergraben war, nachzugraben, und als das Geld zum Vorſchein kam, ſagte er im gebrochenen Deutſch: „Ich will es nicht; aber die Magd iſt eine Kanaille. Verbirg es anderswo, ohne daß fie etwas davon weiß, damit fie dich nicht noch einmal ver- rathen kann.“ 455. In einer kleinen Cavallerie-Garniſon veranſtalteten bei einer eierlichen Gelegenheit die Unteroffiziere einen Ball, zu welchem auch ihre Wirthe eingeladen waren. Auch der Sohn eines dieſer Wirthe, ein Friſeur, erſchien, beging aber in verſchiedenen Tänzen ſo viel Fehler, daß, darüber ärgerlich ein Unteroffizier an ihn heran ging 149 und zu ihm ſagte: „Herr, wenn Sie mittanzen wollen, fo müſſen Sie nicht an Ihr Metier denken, und falſche Touren machen.“ en e 456. V junger Soldat ſchickte durch einen Kameraden, der nach dem Orte ſeiner Heimath auf Urlaub ging, ſeiner dort wohnenden Schweſter eine ſchöne ſeidene Schürze zum Andenken und ſchrieb ihr dabei: „Liebe Schweſter! daß ich Dir dieſe Schürze ſchicke, ſei Dir ein Beweis, daß wir uns bald wieder ſehen, denn Du weißt ja, daß ich jeder Schürze nachlaufe.“ a 457. Der franzöſiſche Kriegsminiſter R., der in den vielen glücklichen Feldzügen ein reichliches Vermögen erworben, hatte ſich bei Clamecy eins der anſehnlichſten Landhäuſer gekauft, das er mit ſeiner Familie bewohnte. Der Glückswechſel wollte indeß im Jahre 1814, daß die Sieger von 1806 von den damals beſiegten Preußen jetzt zurück ge— drängt wurden, und Madame R., deren Gemahl auf Koſten ſo man— ches Preußen ſich früher ſatt gegeſſen, einen preußiſchen General zu bewirthen bekam. Zum Glück für Madame N. war dieſer General der Furjt ***, ein ſehr artiger und gutmüthiger Mann, und Ma— dame R., die Anfangs aus Furcht vor den Koſaken alle ihre Habſelig— keiten verſteckt hatte, ward nach und nach zutrauend, ließ ein Stück nach dem andern wieder hervor bringen, und vergaß zuletzt ganz, daß ihr Gaſt ein feindlicher Krieger ſei. Sie durfte auch ihr Vertrauen nicht bereuen, denn der Fürſt blieb ſich immer gleich, und ſah die ſilbernen Couverts eben ſo ruhig wieder abtragen, als er mit den werthloſen vorher gethan. Eines Tages, es war der Geburtstag ihres abweſenden Gatten, überließ Madame R. ſich dem unbedingten Selbſt— vergeſſen, und es erſchien auf einmal zu Mittag ein vergoldetes Ser— vice. Der Fürſt machte ſeiner artigen Wirthin Komplimente über ihre große Zuvorkommenheit, und Madame R. im höchſten Grade ge— 120 ſchmeichelt, erzählte, daß fie daſſelbe vor 8 Jahren von ihrem Gemahl zum Geſchenk erhalten. Der Fürſt ſchien dies zu überhören, und blieb, wie immer, bis zu Ende der Tafel derſelbe angenehme Geſell— ſchafter. Aber wer malt das Erſtaunen der Madame R.., als fie nach Tiſche durch das hintere Zimmer geht, und ſieht, wie die fürſtliche Dienerſchaft das ganze Service, unter Aufſicht des Fürſten ſelbſt, ſorgfältig einpackt. „Aber mein Gott, mein Herr! was ſoll das hei— ßen? Mein Service!“ — „Ihr Service? Entſchuldigen Sie, Ma- dame, es iſt das meinige!“ unterbrach ſie der General; „haben Sie nur die Güte, das Wappen der Teller und Schüſſeln mit meinem Wappen hier in meinem Siegelring, an meinem Wagen u. ſ. w. zu vergleichen, und Sie werden finden, daß es ein und daſſelbe iſt. Ge— rade vor acht Jahren nahm Ihr Herr Gemahl meiner Gattin dieſes Service weg, und Sie werden mir daher nicht übel nehmen, wenn ich mein Eigenthum wieder zurück nehme! So verändert ſich alles in der Welt, heute Sieger, morgen der Beſiegte! Ich nehme indeß nur, was ich nehmen darf!“ Und fo kehrte das goldene Service in fein heimath— liches Schloß zurück und Madame R. eK es zu verſchmerzen ſuchen. 458. Der Lieutenant von N. war ein ſehr leidenſchaftlicher Jäger, und obgleich ein ſehr mittelmäßiger Schütze, erlaubte er ſich doch oft Er— zählungen von faſt unglaublichen Sachen, die ihn auf der Jagd paſſirt ſein ſollten. Als man mehrere dieſer Jagdſtückchen dem Oberſten v. M. . ., einem ſehr geldliebenden Manne erzählte, erwiederte dieſer: „Glauben Sie doch das nicht, ich kenne den N. ſchon; geben Sie mir vier Groſchen und ich will vier Wochen lang N.'s Haaſe ſein!“ 459. In einer Geſellſchaft, in der man ſich mit Wigſpielen unterhielt, wurde einem Anweſenden die Aufgabe geſtellt, ſchnell eine Beziehung 121 zwiſchen Napoleon und einem Bürſtenbinder aufzufinden. Schnell rief er aus: Er fürſtete die Bürſtenbinder Und bürſtete die Fürſtenkinder. 7 460. Zwei Jäger, nahe an 90 Jahre alt, die im 7jährigen Kriege als Scharfſchützen zuſammen dienten und ſich ſeitdem nicht wieder geſehen hatten, begegneten ſich bei einem Jagdmahle im Jahre 1801. „Aber Bruder,“ fragte der eine, „Du nimmſt es doch nicht übel, daß ich Dir auf Dein Schreiben von Erfurt noch nicht geantwortet habe?“ Dies Schreiben war von 1757 geweſen; die Frage geſchah 1801. 461. Der türkiſche Geſandte, der unter Ludwig XIV. nach Paris kam, erſchien einſt in der großen Oper, rauchte, aus einer Loge ſchauend, ſeine Pfeife, und ſpuckte ohne Umſtände den Leuten im Parterre auf die Köpfe. Natürlich entſtand darüber Lärm. Man murrte, ſchimpfte; ſah allgemein nach des Türken Loge; ja einige Stutzer, deren Damen der Geſandte beſpuckt hatte, drohten ihm ſogar mit geballten Fäuſten. Der Geſandte ließ ſich nicht irren und fragte den ihm vom Hofe ge— gebenen Kammerherrn nur ſo beiläufig: „Was wollen aber die Men— ſchen dort unten?“ — „Nicht beſpuckt ſein!“ — „Na, ſo dürfen ſie ja nur weggehen;“ antwortete der Geſandte und rauchte fort und ſpuckte fort. J,. 462. „A3 wei öſterreichiſche Stückknechte geriethen in Streit und kamen bald in's Handgemenge. Da applizirte der Eine dem Andern einen ſo derben Hieb auf den Kopf, daß der Getroffene niederſtürzte. „Zar— razmy!“ rief frohlockend der Sieger, „das war ane Watſchen aus’ n ff! — Aber der rührt ſich nit; Jeſus Maria! is e vielleicht tudt? he 122 Pepitſchku! lebſt noch, biſte nit tudt?“ — „Nä,“ ſprach dieſer, „i hob nur d' Sprache verloren.“ N 463. Der Burſche eines Offiziers, welcher Letztere mit noch einem Offizier ein Quartier bewohnte, brachte ſeinem Herrn eines Morgens ein Paar Stiefeln, welche beide auf einen Fuß waren. Als der Herr ihn deßhalb Vorwürfe machte, äußerte er ſehr naiv: „Ja ick möchte man wiſſen, wie det egentlich zujehn duht, draußen ſteht akerat fo n Paar!“ 464. Eine alte Frau, deren Sohn Soldat geworden war, und von welchem ſie nach Verlauf eines Jahres den erſten Brief erhielt, den ſie aber nicht leſen konnte, bat einen Nachbar, ihr den Brief vorzu— leſen. Dieſer war dazu bereitwillig, öffnete den Brief und fing an zu leſen: „Liebe Mutter!“ Hier hielt der Leſende inne und mußte, da die Handſchrift ſehr ſchlecht war, den Anfang des Briefes erſt ent— ziffern und ſtotterte daher bei den erſten Worten ein wenig. „Ja, ja!“ rief die Alte freudig aus, „der Brief ijt von meinem armen Gott- lieb, denn er ftotterte ſchon immer, als er noch zu Hauſe war.“ 465. Als die Franzoſen in Rom einzogen, las man eines Abends auf der Marforio-Säule folgende Frage: „Sind alle Franzoſen Räu— ber?“ Am andern Morgen war an dem Pasquino die Antwort zu leſen: „Nein, nicht Alle, aber ein guter Theil!“ (buona parte.) 466. In der Garniſonkirche zu Berlin wurde unter Mitwirkung der Militair-Muſik-Chöre das Oratorium: „Das Weltgericht“, von Schneider, aufgeführt. Dabei war es an mehreren Stellen der Kirche ſo düſter, daß ſich ein Zuhörer gegen einen Muſiker beſchwerte, er 123 könnte den Text nicht leſen. „Gedulden Sie ſich nur, mein Herr,“ ſagte dieſer, „das iſt heute nur die Probe; kommt das wirkliche Welt— gericht, da wird Ihnen ſchon der Text geleſen werden.“ 467. Ein verabſchiedeter Soldat, der ſich mit ſeinen ehemaligen Ka— meraden darüber ſtritt, Napoleon habe auch Deutſch geſprochen, be— kräftigte endlich auch ſeine Behauptung dafür mit den Worten: „Hat er nicht bei Leipzig zu uns geſagt: „Adieu Grenadiers?!“ 468. Als Kyau einſt etwas unpäßlich war, kamen zwei Jeſuiten zu ihm, und wollten ihn bekehren, er fragte ſie, wer ſie wären? Sie ga— ben zur Antwort: Sie wären Patres Societatis Jesu. Ja, ſagte er, die Herren müſſen deutſch reden, ich verſtehe kein Latein; worauf ſie erwiederten: Sie wären von der Geſellſchaft Jeſu: So, ſprach der General, von welcher ſind Sie denn? Es ſind mir zwei Geſellſchaften bekannt, ſind Sie denn von der erſten oder von der andern? Sie ſpra— chen ferner, ſie wären von der Geſellſchaft Jeſu: Nun wohlan, Jeſus hat zwei Geſellſchaften in ſeinem Leben gehabt; die erſte, bei ſeiner Geburt, das waren Ochſen und Eſel; die andere war bei ſeinem Ende, und das waren Diebe und Mörder. Unter welche gehören nun die Herren alſo? Sie ſchwiegen hierauf ſtille und gingen ſachte wieder weg. 469. Zu Leipzig kam ein Bauer in Auerbachs Hof, und ſah ſich gewal— tig um, doch getraute er ſich nicht in ein Gewölbe zu gehen. Deßwe— gen rief ihm ein Kaufmannsdiener zu: „Kommt herein Vater, was wollt ihr haben?“ Der Bauer ging hinein und fragte: „Was habt ihr denn?“ „Seht ihrs nicht,“ antwortete der Kaufmannsdiener, „Eſelsköpfe.“ „Je mein,“ ſagte der Bauer, „ihr müßt guten Abgang gehabt haben, denn ich ſehe nur noch einen.“ 15 E 124 470. Es hatte Jemand in ſeinem Hofe unter einem Brete einen Topf vergraben, in welchen er alles das hinein legte, was er ſparte. Auf dieſem Brete kniete und betete er alle Tage, daß ihn Gott nicht eher ſterben laſſen möchte, als bis er der Topf mit Geld angefüllt hätte; das geſchah auch. Nachdem der Topf voll war, da ſtarb der Mann, und die Frau nahm einen andern. Dieſer fand den Topf mit Geld unter dem Brete, und betete auch auf demſelben, daß ihn Gott nicht eher ſterben laſſen möchte, als bis der Topf leer wäre. 471. Ein Kaufmann zu Venedig, der etliche Jahre auf Reiſen ge— weſen war, traf bei ſeiner Wiederkunft ein hübſches Knäblein mit weißen Haaren in ſeinem Hauſe an. Nachdem er ſich erkundigte, wem daſſelbe angehöre, ſo ſagte die Frau: „Lieber Mann, es iſt das Mei— nige; laß Dir erzählen, wie es mir in Deiner Abweſenheit mit dieſem Kinde ergangen iſt. Ich ging zur Winterszeit in den Garten ſpazie— ren, und dachte mit ſo großer Begierde an Dich, als wäre ich wirklich bei Dir geweſen; ich nahm einen Eiszapfen dort vom Dache herab und aß ihn: daraus iſt dieſes Kind geworden, welches ich zu einem Zeichen deſſen, den Namen Glacies oder Eis zapfen gegeben habe.“ Der gute Mann ſchwieg ſtill, und unterdrückte ſeinen Wider— willen. Der Eiszapfen wuchs alſo auf, und ward groß. Nachher ſprach der Vater einſtmals zu ſeiner Frau: „Was dächteſt du, wenn ich unſern Glacies einmal mitnehme, daß er auch was lernt?“ Die Frau gab ihre Einwilligung, nur bat fie ihn, auch gute Aufſicht auf den Sohn zu haben. Der Mann nahm ihn demnach mit ſich zur See und verkaufte ihn. Als er ohne den Knaben wieder nach Hauſe kam, fragte die Frau: „Wo haſt Du den Glacies, unſer Kind hingethan?“ Der Mann antwortete: „Es iſt mir gar ſeltſam mit dem Kinde Gla— cies ergangen. Wir fuhren an einem Tage, da es eben ſehr heiß war, auf dem Meere, und ob ich ihm gleich verboten hatte, mit enthliptem 125 Haupte in dem Schiffe zu ſitzen, fo that er es doch: da hat die Sonne auf fein Haupt fo heiß geſtochen, daß er zerſchmolzen und in das Meer gefloſſen iſt; und wie er von dem Waſſer gekommen iſt, ſo iſt er auch wieder zu Waſſer geworden. 472. Ein Diener hatte ſich gegen ſeinen Herrn vergangen. Der Herr ſprach: „Du biſt große Strafe werth, jedoch will ich ſie dir erlaſſen, und noch ein Geſchenk dazu geben, wenn du drei Dinge thuſt. Erſt— lich ſollſt du halb geritten und halb zu Fuße zu mir kommen; zum andern deinen größten Feind, und zum dritten, auch deinen größten Freund mitbringen.“ Der Diener ging zu ſeiner Frau, und brachte einen Sack, worin er den Kopf und die Füße von einem Kalbe geſteckt hattte, machte ihr aber mit einer geheimnißvollen Miene weiß, daß es ein Menſch wäre, den er ermordet hätte, vergrub den Sack in Gegen— wart der Frau unter die Treppe, und verbot ihr, es Niemanden zu ſagen. Er nahm ſodann ſein Pferd, ſeine Frau und ſeinen Hund mit ſich, und da er zu des Herren Hof kam, trat er mit dem rechten Fuß in den Steigbügel und hielt ſich an den Zügel, und mit dem linken Fuße ging er, daß er alſo ſolchergeſtalt halb gegangen und halb ge— ritten kam. Der Herr ſagte: „Das Erſte haſt du wohl erfüllt, wo iſt nun das Andere?“ Hierauf ging er zu ſeiner Frau, und gab ihr eine Ohrfeige und ſagte: „Was ſiehſt du meinen Herrn ſo ſcheel an; ſieh ihn doch recht gerade an.“ Sogleich kam die Frau in Harniſch, und ſprach zum Manne: „Du Mörder! mußt du mich in Gegenwart des Herrn ſchlagen?“ und zum Herrn: „Er hat einen Menſchen ermordet und ihn unter der Treppe vergraben.“ Als man an dem Orte Nach— ſuchung hielt, fand man einen Sack, und in demſelben ein Kalb. Der Herr ſprach: „Hätte ſie etwas Schlimmeres gewußt, ſo hätte ſie es auch geſagt. Wo iſt nun das Dritte?“ Hierauf nahm er ſeinen Stock und ſchlug ſeinen Hund, daß er ſehr ſchrie, er lockte ihn aber wieder an ſich; da kam der Hund ſogleich wedelnd wieder zu ihm, und war ſein beſter Freund. 126 473. f Eine Frau hatte eine Haushälterin, die ſchon lange bei ihr war, fie pflegten ſich aber oft mit einander zu zanken. Nachdem fie einmal zur Beichte geweſen waren, wurden ſie mit einander eins, daß wenn Eine über die Andere zornig würde, ſie ſtatt anderer Scheltworte zu einander ſagen wollten: „Daß dir Gott einen Pfennig gebe.“ Da ſie nun einmal Gäſte hatten, ward die Frau zornig und ſprach zur Haus— hälterin: „Daß dir Gott einen Pfennig gebe!“ Die Haushälterin er— wiederte: „Daß dir Gott einen Groſchen gebe!“ Da ſprach die Frau wiederum: „Daß dir Gott einen Gulden gebe!“ Die Haushälterin verſetzte: „Gott gebe euch einen ganzen Sack voll.“ Die Gäſte ſag— ten: „Frau! wie ſeid ihr ſo zornig über die Haushälterin, ſie wünſcht euch ja lauter Gutes; ein Sack mit Gulden iſt ja ein gutes Ding.“ Die Frau erwiederte: „Ihr verſteht euch nicht auf die Münze.“ fi 474. 1 Eine böſe Frau ſchalt ihren Mann über ſeine Liebe zum Gelde, und ſagte: ſie glaubte, daß er nach ihrem Tode im Stande wäre, des Teufels älteſte Tochter zu heirathen, wenn er nur viel Geld mit be— komme. „Das könnte wohl ſein,“ antwortete der Mann, „aber das Schimmſte dabei iſt, daß man nicht zwei Schweſtern heirathen darf.“ 475. Einem Mönche, der über Feld ritt, begegnete eine Bettlerin, die ihn um Gottes willen um einen Groſchen bat. Er ſprach: „Das iſt zu viel.“ Die Frau bat: „So gebet mir doch einen Kreuzer.“ Er ſprach: „Ich habe keinen bei mir.“ Die Frau ſagte: „So gebet mir denn euren Segen.“ Da ſagte der Mönch: „O ja,“ und machte ein Kreuz über ſie. Worauf die Frau, als er einige Schritte weg war, ihm nachrief: „Wäre euer Segen einen Heller werth, ihr hättet mir ihn gewiß nicht gegeben.“ 127 476. Ein Edelmann wurde verübter böſer Thaten wegen ergriffen, und zu Paris lebendig gerädert. Der Pfarrer des Dorfs, das dieſem Edelmann gehörte, wollte ihn ſeiner Gemeinde zur Vorbitte empfeh— len, und trug es auf der Kanzel folgender Geſtalt vor: „Wir wollen Gott auch bitten für den Herrn dieſes Dorfs, der zu Paris an ſeinen Wunden geſtorben iſt.“ 477. Ein Schuhflicker ſaß in ſeiner Bude und ſang für ſich: „Ta— merlan war, und Tamerlan war, und Tamerlan war.“ Dieſe Worte wiederholte er beſtändig. Ein Menſch, der vorbei ging, ſtand eine Weile ſtill, und endlich fragte er ihn: „Nun, mein Freund, was war er denn?“ „Er war eben ſo ein Narr, wie ihr,“ ant⸗ wortete der Schuhflicker. 478. Zu einer Leinwandhändlerin kam ein Menſch, der gut angekleidet war und erhandelte einen großen Pack Leinwand. Darauf ſagte er: „Ei, beinahe hätte ich eins vergeſſen, ich möchte gern ein ſehr weites Hemd, nicht für mich, ſondern für eine Frauensperſon haben, die noch einmal fy dick iſt. Sie zeigte ihm verſchiedene Hemden, er gab aber vor, daß ſie alle zu eng wären. Endlich reichte ſie ihm eins, in— dem ſie ſagte, daß es wohl paſſen möchte. Nun bat er ſie, daß ſie ſo ge— fällig ſein möchte, und dieſes Hemd über ihre eigenen Kleider zu wer— fen. Solches that ſie, um dieſem neuen Kundmann nichts abzuſchla— gen. Darauf ſtellte er ſich hinter ſie, um zu ſehen, wie das Hemd hinten ſitze; ſteckte aber ganz ſachte einige große Stecknadeln durch alle Röcke bis auf ihr eigenes Hemd, ſo daß alles mit einander be— feſtigt war. Alsdann nahm er den Pack Leinwand und lief damit fort. Sie verfolgte ihn, und indem ſie rief: halt! halt! ſuchte ſie das Hemd über den Kopf zurückzuziehen, zog aber alle ihre Kleider mit herauf, 128 bis einige alte Matronen, die ſie für toll hielten, ſich ihrer bemächtig— ten, und fie zur Ehrbarkeit ermahnten. Als fie ihren Zuſtand er- kannte, ließ ſie alsbald das Verfolgen ſein. 479. Den eines Witzes wegen berühmten Engländer Killigrev führte der König von Frankreich zu Verſailles in der Bildergallerie herum. Unter der großen Menge von Gemälden zeigte er ihm auch das Bildniß Chriſti am Kreuze, und fragte den Engländer, ob er wiſſe, wer das ſei? Dieſer ſtellte ſich unwiſſend an, und ſagte: Nein. Der König wunderte ſich darüber. „Nun, wenn ihr es nicht wiſſet,“ ſprach er, „ſo will ich es euch ſagen. Dieſes iſt unſer Heiland am Kreuz, und was ihr neben auf der Seite ſeht, iſt der Pabſt, und auf der linken Seite iſt mein Bildniß. Hierauf antwortete Killigrev: „Ich danke Ew. Majeſtät unterthänig für die Nachricht, denn ich habe zwar oft gehört, daß unſer Heiland zwi- ſchen zweien ſei gekreuzigt worden; ich habe es aber nie- mals erfahren können, wer fie geweſen find.” 480. Ein Kranker, der an einem hitzigen Fieber hart darnieder lag, ſtand zugleich gewaltigen Durſt aus. Als die Aerzte vor ſeinem Bette berathſchlagten, wie man wider den Durſt ein bewährtes Mittel fin— den möchte, ſo ſagte der Patient: „Meine Herren, ſorgen Sie nur erſt dafür, wie Sie mir das Fieber vertreiben; den Durſt will ich hernach ſchon ſelbſt wegbringen.“ 481. 8 Eine Ehefrau ward beſchuldigt, ſie wäre zu früh in die Wochen gekommen. Der Mann aber ſagte: „Die Hochzeit iſt nur zu ſpät gehalten worden.“ 129 482. Als Kardinal Cleſel von Taubmann gefragt wurde: „Ob er auch wohl wiſſe, wo Gott nicht wäre?“ und der Kardinal antwor— tete: „In der Hölle;“ ſprach Taubmann: „Nein, zu Rom iſt er nicht, denn da hat er einen Statthalter.“ 483. Ein Autor las ſeinem Freunde, der ein Kammergerichtsrath zu Wetzlar war, ein neues Schauſpiel vor, und beim dritten Akt fragte er ihn um ſeine Meinung. Dieſer ſagte: „Daß bis dahin ſchon eine ſo große Verwickelung herrſche, daß er nicht einſähe, wie er ſie in den folgenden Akten würde ſteigen laſſen können.“ „O! im vierten Akt bekommt mein Held einen Prozeß beim Reichskammergericht. 484. Ein gelehrtes und zugleich ſehr galantes Frauenzimmer wollte ihre eigene Lebensbeſchreibung aufſetzen, und eröffnete ihr Vorhaben einer guten Freundin. Dieſe fragte ſie: „Wie ſie es denn machen wollte, wenn ſie auf ihre Liebesbegebenheiten kommen würde?“ „O!“ ſagte ſie, „ich werde mich meinen Leſern nur im Bruſtbilde zeigen.“ 485. ” Als ein Faftenprediger feine letzte Predigt in einem Dorfe hielt, vergoſſen alle ſeine Zuhörer Thränen bis auf einen Bauer; etn ane derer fragte: „Warum weinſt denn du nicht?“ „Ich gehöre nicht zu dieſem Kirchſpiele,“ antwortete er. 486. Eine Komödiantentruppe hatte ein allegoriſches Stück verſpro— chen, in welchem die Tugend perſönlich auftreten ſollte. Die Zu— ſchauer waren begierig es zu ſehen, es währte aber ziemlich lange da— mit. „Warum führt ihr es aber nicht auf?“ fragte eine Dame vom Stande einen Komödianten. „Wir können es unter vierzehn Tagen Bibl. d. Frohſinns. IV. 9 noch nicht aufführen,“ antwortete dieſer, „weil das Mädchen, das die Tugend vorſtellen ſoll, in die Wochen gekommen iſt.“ 487. Ein Soldat ſollte einſt im Felde bei einer Kanone Schildwache ſtehen, er hatte aber ſeinen Poſten verlaſſen und war in ein benach⸗ bartes Wirthshaus gegangen. Nachdem man ihn aufgeſucht hatte und der Offizier ihn fragte, warum er ſeinen Poſten verlaſſen hätte, ſagte er: „Herr Hauptmann! ich habe an der Kanone probirt und hinten und vorne gehoben, einer trägt ſie nicht weg, kommen aber mehrere, ſo bin ich auch nichts nütze.“ 488. Ein katholiſcher Bauer behielt den Hut auf, als der Biſchof den Segen ertheilte; man ſchalt ihn deßwegen, und er gab zur Antwort: „Wenn der Segen gut iſt, wird er auch wohl durch den Hut dringen.“ 489. Ein Zollſchreiber ſchrieb eine ſehr unleſerliche Hand. Er ſollte einmal einige Zeilen erklären, weil er es aber ſelbſt nicht mehr leſen konnte, ſo ſagte er: „Dazu müſſen ſie jemand anders kommen laſſen, das geht mir weiter nichts an, denn ich bin Zollſchreiber, aber nicht Zollleſer.“ 490. Als die Maltheſer-Ritter dem Kaiſer Leopold einſt ſagten, daß ſie ſo wie andere geiſtliche Orden drei Gelübde gethan, nämlich das Gelübde der Keuſchheit, der Armuth und des Gehorſams, gab ihnen der Kaiſer die Antwort: „Ihr habt, ſo viel ich weiß, noch das vierte Gelübde gethan, welches darinnen beſteht, daß ihr keines von den dreien halten wollet.“ 131 491. Ein Landmann hatte das Unglück, daß ſich ſeine Frau an einem Apfelbaum in ſeinem Garten erhing. Sein Nachbar kam und bat um einen Zweig von dieſem Baum, den er auf einen Stamm in ſeinem Garten pfropfen wollte, „denn,“ ſagte er, „wer weiß, ob er mir nicht einmal auch ſolche Frucht trägt.“ 492. Ein Profeſſor pflegte, wenn in ſeiner Klaſſe viele Schüler fehl— ten, ſich, ſein Erſtaunen äußernd, ſtets der Redensart zu bedienen: „Ich ſehe heute ſchon wieder Viele, die nicht hier ſind.“ 493. Bei dem öffentlichen Verkauf des Nachlaſſes einer ſchönen aber leichtfertigen Schauſpielerin klagten einige vornehme Damen, daß alles zu ſo hohen Preiſen weggehe. Ein Witzling bemerkte: „Ich be— greife, ſie möchten es gern zum Einkaufspreiſe haben.“ 494. Ein Ländchen ſeufzte unter der Laſt ſchwerer Abgaben. Ein faſt ganz verarmter Bauer hatte den Muth, dem Souverain auf der Jagd in den Weg zu treten. „Ew. Durchlaucht,“ ſprach er, „Ihr Fürſten— thum ſtellt das umgekehrte Leiden Chriſti dar!“ — „Wie das?“ fragte der Fürſt verwundert. — „Ei nun,“ erwiederte der Bauer, „im Lei— den Chriſti ſtirbt Einer für Alle, in Ihrem Lande aber ſterben wir Alle für Einen.“ 495. Herr F. hatte die Gewohnheit, jeden Abend Madame B., eine liebenswürdige junge Wittwe, zu beſuchen. Seine Gattin ſtarb. „Nun werden Sie wohl Madame B. zu Ihrer zweiten Gattin wäh— len,“ bemerkte ihm ein Bekannter, „Gott bewahre,“ verſetzte F., „da wüßte ich ja nicht, wo ich meine Abende zubringen ſollte.“ Af * 132 496, Bei Aufführung der Jungfrau von Orleans in Wien, ſagte Je⸗ mand, als Johanna im Helm erſchien, zu einer benachbarten Dame: „Ha, welch antiker Kopf!“ — „Ja wohl,“ erwiederte dieſe, „ſie iſt halt überhaupt etwas zu dick.“ _ 49% Nach dem Tode eines Kriegsminiſters fragte ein Soldat feinen Kameraden: „Weißt ſchon daß wir einen neuen Miniſter gekriegt ha⸗ ben?“ — „So?“ war die Antwort, „ick dachte die Wittwe würde es fortſetzen.“ a 498. Ein höflicher Soldat ſchrieb am Schluſſe eines Briefes an einen ihm befreundeten Unteroffizier: „Entſchuldigen Sie, wenn ich Ihnen bei der heutigen drückenden Hitze in Hemdsärmeln ſchreibe.“ 499. 9 Ein Soldat in Mainz forderte in einem Wirthshauſe eine Flaſche 11er Wein, und erhielt von dem Wirth die Antwort, daß keiner vor⸗ handen fei. „Hobens Her?“ fragte er. „O ja!“ war die Antwort. „Hoben's auch ber ?“ — „Auch den.“ — „Nun do thun's 'n zuſam⸗ men, do hoben's 11er!“ 500. Schirz. Seh mal, Willichen, den Pucklijen, der dahin looft. Is det nich der adlije Herr? Willich. Ja, det iſt en Aft von ſeinen Stammbom. Leipzig, Druck von Gieſecke & Devrient. ey a 4 — > »p > 5